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Interkulturelle Kompetenz

Grundwissen Interkulturelle Kompetenz    

Theorie und Handlungsfelder im Kontext politischer und kulturell-religiöser Kompetenz in Politischer Bildung    

Günther Dichatschek


Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Grundwissen Interkulturelle Kompetenz   
Theorie und Handlungsfelder im Kontext politischer und kulturell-religiöser Kompetenz in Politischer Bildung   
1 Einleitung   
2 Interkulturelle Kompetenz   
2.1 Kompetenzbegriff   
2.2 Entwicklung kulturalistischer Ansätzen zu reflexiven Perspektiven   
2.3 Pädagogische Folgerungen   
2.4 Soziokulturelle Identitätsbildung von Minderheitsgruppen   
2.5 Interkulturelle Kompetenzen in einer Migrationsgesellschaft   
2.6 Interkulturelle Sensibilität   
2.7 Entwicklungsmodelle interkultureller Fähigkeiten   
3 Interkulturelle Sozialisation - Erziehungsfelder   
3.1 Interkulturelle Sozialisation   
3.1.1 Homogene Milieus   
3.1.2 Heterogene Milieus   
3.1.3 Differenzen   
3.2 Interkulturelle Erziehungsfelder   
3.2.1 Interkulturelle Erziehungsmaßnahmen   
3.2.2 Schnittstelle Schule - Beruf   
3.2.3 Patchworkmuster   
4 Lernfeld Politische Bildung   
4.1 Aufgabenfeld   
4.2 Interkulturelle Umweltbildung   
4.3 Interkulturelle Rituale   
5 Interkulturelles Lernen   
5.1 Konzept interkulturellen Lernens   
5.2 Ebenen einer interkulturellen Lernkompetenz   
5.3 Kulturelle Ansätze - Relativität und Normenprobleme   
5.4 Didaktische Ansätze   
5.4.1 Kategorisierung didaktischer Konzepte   
5.4.2 Gewalt und Rassismus   
5.4.2.1 Rassismus   
5.4.2.2 Faschismus   
5.4.2.3 Sexismus   
5.5 Pädagogische Professionalität - Lehrerbildung   
5.5.1 Pädagogische Professionalität   
5.5.2 Lehrerbildung   
6 Gender   
6.1 Geschlechtsspezifische Aspekte   
6.2 Männlichkeit   
7 Ethnozentrismus - Eurozentrismus   
8 Interkulturelle Handlungsfelder   
8.1 Sprachenlernen im interkulturellen Kontext   
8.2 Deutsch als Zweitsprache   
8.3 Interkulturelles Management   
8.4 Interkulturelle Erwachsenen- und Weiterbildung   
8.5 Migration   
8.5.1 Gründe und Ursachen   
8.5.2 Typologien   
8.5.3 Fallbeispiel Österreich   
Studie über Integration von Migranten der zweiten Generation/Vorarlberg 2012   
Wanderungsstatistik 2012 - Österreich   
8.5.4 Integration   
8.5.5 Mädchen und junge Frauen   
8.5.6 Männliche Heranwachsende   
8.5.6.1 Problemfeld Bildung   
8.5.6.2 Problemfeld Gewalt - abweichendes Verhalten   
8.5.6.3 Ehrenkonzept   
8.5.7 Altern und Migration   
8.6 Situation türkischer Migrantinnen und Migranten   
8.6.1 Deutschkenntnisse   
8.6.2 Bildung   
8.6.3 Soziale Integration   
8.7 Religion und Interkulturalität   
8.7.1 Religiosität - religiöse Kulturen   
8.7.2 Interkulturell-ökumenische Bildung   
8.7.3 Religion und Schulentwicklung   
8.7.4 Islam und Bildung   
8.7.5 Interkulturelle Aspekte   
8.7.6 Religion-Politik-Recht? - Religion im ORF   
8.8 Biographisches Schreiben   
8.9 Elternkooperation im interkulturellen Kontext   
8.10 Interkulturelles Konfliktmanagement   
8.11 Diskriminierung   
8.12 Politische Bildung - Beispiel Empowerment   
8.13 Interkulturelle Bildung in der Grundschule   
8.14 Kommunale Integrationsansätze   
8.15 Landeskunde China   
8.15.2 Buchbesprechung   
8.16 Landeskunde Türkei   
8.16.1 Nichtmuslimische Minderheiten   
8.16.2 Ausblick auf die Entwicklung   
8.17 Landeskunde USA   
8.17.1 Antiamerikanismus   
8.17.2 Kulturell-religiöse Einstellung   
8.17.2.1 Zivilreligion   
8.17.2.2 Identität   
8.17.2.3 Religion-Wertvorstellungen-Citizenship/Folgerungen?   
8.17.3 Medien - Öffentliche Meinung   
8.17.4 Bildungssystem   
8.17.4.1 Schulsystem   
8.17.4.2 Hochschulwesen   
8.17.4.3 Qualitätssicherungsansätze   
8.17.5 US-Präsidentenwahl? 2012   
8.18 Landeskunde "Nahostkonflikt - Arabischer Frühling"   
8.19 Lernfeld Toleranz/"Toleranz-Symposium? Innsbruck 2012"   
8.20 Religiöse Minderheit und Migration/Fallbeispiel: Evangelische Kirche in Österreich   
8.20.1 Entwicklung des Protestantismus in Österreich   
8.20.2 Integrationsbemühungen   
8.20.3 Migrationsfolgen   
8.21 Bildungspolitische und -praktische Herausforderungen   
8.21.1 Problemstellung   
8.21.2 Ländervergleich Großbritannien/UK-Kanada-Frankreich   
8.22 Interkulturelle Kompetenz - Öffnung in der Polizeiarbeit   
8.22.1 Ausländerfeindlichkeit- Fremdenfeindlichkeit   
8.22.2 Qualifizierungsansätze   
8.23 Interkulturelle Kompetenz - Öffnung im militärischen Bereich   
8.24 Interkulturelle Kompetenz - Schule   
8.24.1 Interkulturelle Schulentwicklung   
8.24.2 Interkulturelle Schulpädagogik   
8.24.3 Diversität und Politische Bildung   
8.24.4 Mehrsprachigkeit   
8.24.5 Rassismus in Schule und Unterricht   
8.24.6 Anti-Bias-Ansatz?   
8.24.6.1 Bildungsziel   
8.24.6.2 Bildungsarbeit - Umsetzung   
8.25 Interkulturelle Kompetenz/Öffnung in der Evangelischen Kirche   
8.25.1 Kirchenentwicklung   
8.25.2 Interkulturelle Öffnung - Vielfalt   
8.26 Interkulturelle Kompetenz/Öffnung in der Wirtschaft   
8.26.1 Typologie grenzübergreifender Unternehmen   
8.26.2 Interkulturelle Sensibilität   
8.26.3 Interkulturelle Lernprozesse   
8.26.4 Standardisierung der Kommunikation   
8.26.5 Islamic Banking   
8.27 Vielfalt in der Stadtgesellschaft   
8.28 Vielfalt an der Universität/Hochschulen   
8.29 Interkulturelle Beratung   
8.30 Interkulturelle Öffnung von Organisationen bzw. Systemen - Fazit   
8.31 Interdisziplinärer Ansatz - Interkulturelle Vergleichsverfahren in der Ethnologie   
8.32 Interkultureller Journalismus   
9 Interkulturelle Didaktik   
9.1 Kultur   
9.2 Paradigmen einer Interkulturellen Didaktik   
9.3 Interkulturelle Kompetenz/IK   
9.4 Didaktisches Design - Beispiel "Die Darstellung Afrikas"   
10 Reflexive Phase - Zusammenfassung   
10.1 Reflexion   
10.2 Zusammenfassung   
11 Rück- und Ausblick bis heute   
11.1 Siebziger Jahre   
11.2 Achtziger Jahre   
11.3 Neunziger Jahre   
11.4 21. Jahrhundert   
12 Buchbesprechungen   
12.1 Buchbesprechung 1   
12.2 Buchbesprechung 2   
12.3 Buchbesprechung 3   
13 Lernfeld Interkulturelle Theologie   
13.1 Einführung   
13.2 Missionswissenschaft - Entwicklungen   
13.2.1 Erste Europäische Expansion   
13.2 2 Frühe protestantische Akzepte   
13.2.3 Akademische Institutionalisierung   
13.2.4 20. Jahrhundert   
13.2.5 Zwischenkriegszeit   
13.2.6 Nachkriegszeit   
13.2.7 Anfänge Interkultureller Theologie   
Literaturhinweise   
IT-Autorenbeiträge/Auswahl?   
Zum Autor   


1 Einleitung    

Interkulturelle Kompetenz ist zunehmend von Bedeutung in einer Gesellschaft geworden, die von Pluralität, Wandel, Widersprüchen, Unterschiedlichkeiten und Universalität in Ethnien, Bildung und Erziehung, Wirtschaft, Politik, Kultur, Religion und Recht gekennzeichnet ist.

Ein Zusammenleben in der Gesellschaft ist als Anspruch zu betrachten. Problembereiche wie politische Dimensionen, Wirtschaft, Kultur-Religion?, das soziale Umfeld, geschichtliche Entwicklung und gesellschaftliche Veränderungen sind in bestimmten Gesellschaftsbereichen deutlich sichtbar und nicht isoliert vom gesellschaftlichen Kontext und der Entwicklung, also situationsbedingt, sind zu betrachten.

Interkulturalität hat große Chancen, geht es doch um Bereicherung, neue Entwicklungen und Entdeckung von Gemeinsamkeiten. Zu einem Schlüsselbegriff in der Organisationsentwicklung ist Interkulturelle Öffnung geworden. Menschen öffnen interkulturell Organisationen, Unternehmen, Betriebe und Institutionen.

Die Studie spricht Handlungsfelder an, wobei "Interkulturelle Kompetenz", "Interkulturelles Lernen/ Lehren" und "Interkulturalität" einen fortlaufenden Entwicklungsprozess darstellen. Die Vielfalt der Begrifflichkeiten, Definitionen und Konzepte beruht auf einem Kulturbegriff, der sich an einem konstruktivistischen Kulturverständnis als Gesamtheit der von Menschen im Zuge ihrer Sozialisation hervorgebrachten Voraussetzungen sozialen Handelns wie Lebens- und Arbeitsformen, Denk- und Handlungsweisen, Wertvorstellungen und geistigen Lebensäußerungen orientiert. Dies erweist sich in den Begrifflichkeiten von Inter-, Multi- und Transkulturalität.

Die Studie geht in seinem grundlegenden Verständnis von Interkulturalität aus.

Der Diskurs zwischen den Menschengruppen findet in Theorien, Handlungsfeldern und Systemen statt, die wandelbar und widersprüchlich sein können. Konkret zeigt sich dies in der Grundannahme, dass Strukturen und Institutionen die kulturelle Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln (sollen). Diese Diversity-Dimension? wie etwa ethnische Zugehörigkeit, Alter, Behinderung, Geschlecht, sexuelle Orientierung und Religion bzw. Weltanschauung berühren individuelle, organisatorische und strukturelle Ebenen.

Konkret zeigt sich Interkulturalität in den unterschiedlichen Handlungsfeldern, etwa in sprachlicher Bildung bzw. Unbildung, erfolgreichen bzw. misslungenen schulischen bzw. universitären Abschlüssen, Inklusion bzw. Exklusion im Sozialbereich und wirtschaftlichem Erfolg bzw. Misserfolg. Interkulturelle Öffnung berührt die strategische Dimension. In den Mittelpunkt werden Beteiligung und Selbstbefähigung gestellt.

Daraus folgt, dass Interkulturelle Kompetenz selbst kein eigenes Handlungsfeld oder Handlungssystem bildet, vielmehr ganz bestimmte Elemente/Aspekte unter bestimmten theoretischen Erkenntnissen darstellt.

Interkulturelle Kompetenz beschränkt sich nicht nur auf bestimmte Anerkennungen und Werte, vielmehr ist sie auch bezogen auf die Interität - auf eine Verbindung von Kulturellem und Strukturellem in Form einer kulturell-sozialen Verteilung und wirtschaftlichen Interessen (vgl. NICKLAS-MÜLLER-KORDES? 2006, 163).

Problembereiche sind die Identität(en), Geschlechter/Mann-Frau, Generationen, Kulturen-Religion-Kulturindustrien?, Migration, Bildungsinstitutionen, interkulturelles Management, interkulturelle Kompetenz, internationale Begegnungen, interkulturelle Bildung und rechtlich-politische Interventionen/Mediation-Diskriminierung-Veränderungsperspektiven.

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen des Autors sind die Absolvierung

  • des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt?: Modul 9 "Normen, Werte, geistige und weltanschauliche Grundlagen der Demokratie" (2008),
  • des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg (2012)
  • der "Weiterbildungsakademie Österreich/wba" (2010),
  • der Seminare der Universität Wien/Personalentwicklung "Kreative Entwicklung hochschuldidaktischer Methoden" (2009) und "Interkulturelle Didaktik" (2010),
  • des 6. Lehrganges Interkulturelles Konfliktmanagement/ Bundesministerium für Inneres-Österreichischer? Integrationsfonds (2010),
  • des 4. Internen Lehrganges für Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg (2016) und
  • des 1. Lehrganges Ökumene/Kardinal König-Akademie?/ Wien (2007).
Zu danken hat der Autor allen Akteuren an seiner Ausbildung, den Kollegen/innen und seinem Freundeskreis.

Bezugswissenschaften der zu behandelnden Thematik sind der eigenständige Wissenschaftsbereich Interkulturelle Kompetenz/"Intercultural Competence"/ICC im wissenschaftlichen Kontext mit Interkultureller Pädagogik/Erziehung, Interkultureller Öffnung, Kulturwissenschaften, Gender Studies, Interkultureller Erwachsenenpädagogik, Kultur- und Sozialanthropologie, Migrationswissenschaft bzw. Migrationssoziologie, Bildungssoziologie, Religionspädagogik, Interkultureller Theologie, Interkultureller Psychologie und Politischer Bildung.

Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, er ist eine persönliche Auseinandersetzung aus der angeführten Motivation.

Die theoretischen Grundlagen und jeweiligen interdisziplinären Aspekte sowie die notwendige interdisziplinäre Sicht bedeuten die Grundlage einer notwendigen Kompetenz für

  • das Wissen, die Empathie und Handlungsbereitschaft,
  • die Entwicklung eigener Fragestellungen und
  • einen eigenen Überblick über die Ansätze des Fachbereichs.
Die Auswahl der Thematik ergibt sich aus der bisherigen Tätigkeit in der APS-Lehrerbildung? (1990-2003 bzw. 2012), dem Lehrauftrag an der Universität Wien (1990/1991-2010/2011) bzw. an der Universität Salzburg/Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische? Bildung (2015/2016, 2017) und in der Allgemeinen Erwachsenenbildung (2004-2019).

Ziel ist eine Förderung einer zeitgemäßen gesellschaftlichen Integration unter pädagogischen Aspekten mit der Bearbeitung von theoretischen Ansätzen und fachdidaktischen Konsequenzen.

Interkulturelle Kompetenz mit Orientierung und Öffnung versteht sich in ihrem Bildungsauftrag - in allen vier Bereichen des Bildungssystems - an die Bezugswissenschaften gebunden und besitzt damit einen interdisziplinären Ansatz (vgl. THOMAS 2016, LANGENOHL-POOLE-WEINBERG? 2015; SALZBRUNN 2014; VANDERHEIDEN-MAYER? 2014; FISCHER-SPRINGER-ZACHARAKI? 2013; BERTELS-BUSSMANN? 2013; MATZNER 2012; MOEBIUS 2012, 48-62; BERGMANN-SCHÖSSLER-SCHRECK? 2012; SANDFUCHS-MELZER-DÜHLMEIER-RAUSCH? 2012, 686-692; HUCK 2011, TREICHEL-MAYER? 2011, 269-335; FISCHER-SPRINGER? 2011; ERTL-GYMNICH? 2010; HAN 2010; ONNEN-ISEMANN?/BOLLMANN 2010; DEARDORFF 2004/2009; KOPP 2009; LANGE-POLAT? 2009; SIX-HOHENBALKEN?/TOSIC 2009; HUFER 2009, 71-73; NÜSSEL-SATTLER? 2008, 7-44; SANDER 2007, 300-311; NICKLAS-MÜLLER-KORDES? 2006; SCHWAB 2003, 38-42; SCHNEIDER-WOHLFAHRT?/PFÄNDER/PFÄNDER/SCHMIDT/LANDESINSTITUT FÜR SCHULE UND WEITERBILDUNG 1990, 21-54).

Diese umfasst die

  • Hilfestellung bei der Einmündung in die schulische und außerschulische Gesellschaft, d.h. die aktive Förderung der Sozialisationsbedingungen,
  • Besserstellung sozial Benachteiligter,
  • Förderung der Bewusstseinsbildung und Haltungen und
  • Begleitung von Zuwanderern mit ihren Familien und praktischer Hilfestellung.
Das Prinzip Fördern steht im Vordergrund.

Dies bedeutet neben der gesellschaftlichen Einschätzung verschiedener Situationen, der Bewusstmachung verschiedener Einflüsse, dem Erkennen und der Akzeptanz einer Verantwortung die Notwendigkeit einer Erstellung eines Rahmenkonzepts für eine Gesellschaft mit Pluralität des Milieus (Kultur) und der Verschiedenheit (Pluralität).

Zu gestalten ist dies in Bildungsinstitutionen, im Berufsalltag, im Kultur- und religiösen Leben, in Politik und Wirtschaft und in einem demokratischen Leben mit Normen, Werten und Grundlagen einer Demokratie.

Zu den pädagogischen Grundprozessen im interkulturellen Kontext gehören jene der Sozialisation, Inkulturation, des Lernens, der Bildung/Erziehung und des Lehrens/der Didaktik. Mitunter wird auch die Beratung dazugezählt.

Alle pädagogischen Bemühungen beginnen beim Abholen am persönlichen Wissens- und Handlungsstand der jeweiligen Zielgruppe.

2 Interkulturelle Kompetenz    

Die Notwendigkeit einer Interkulturellen Kompetenz/ Interkulturalität/ ICC (in Verbindung mit interkulturellem Lernen) - definiert vom Autor als Fähigkeit, mit Personen anderer Kulturen selbständig, kultursensibel und wirkungsvoll sowie handlungsbereit interagieren zu können (interkulturelles Wissen, interkulturelle Sensibilität, interkulturelle Handlungskompetenz) - ergibt sich aus dem Zusammenleben und der Kooperation von Menschen unterschiedlicher Herkunft, wobei Orientierungslosigkeit, Unsicherheit, Missverständnisse, Vorurteile und Konfliktbereiche zu vermeiden sind (vgl. HUNFELD 2004, 365-366; PRIES 2001; HERBRAND 2002, 33-34; DEARDORFF 2009; FISCHER-SPRINGER? 2011; THOMAS 2016, 266-268).

Der Aneignungsprozess geht über familiäre, schulische, außerschulische, kulturelle, religiöse, politische und berufliche Sozialisation, wobei Grundlagen pädagogische, rechtliche, kulturelle, religiöse, politische und berufliche Werte und Normen entsprechende Kompetenzen - Wissen, Haltungen und Handlungen - mit Aspekten einer Interkulturalität ergeben. Es geht demnach um eine bessere Bewältigung von interkulturellen Lebenszusammenhängen (vgl. BOLTEN 2007, 113; ROSENSTREICH 2009, 233-244).

Wenn Hans HUNFELD von der Normalität des Fremden spricht, so mag das 1991 utopisch geklungen haben. Heute ist "Anderssein" die Regel, nicht die Ausnahme. Interkulturalität gehört zur Norm. "Naheliegend wäre entsprechendes Verhalten: mit der eigenen und der fremden Andersheit unbefangen und wie selbstverständlich umzugehen" (HUNFELD 2004, 365).

In diesem Zusammenhang ist auf den Begriff Kultur einzugehen, damit ein besseres Verständnis von interkultureller Bildung erreicht werden kann (vgl. SCHNEIDER-WOHLFART?/PFÄNDER/PFÄNDER/SCHMIDT/ LANDESINSTITUT FÜR SCHULE UND WEITERBILDUNG 1990, 21-28).

Kultur ist gesamtgesellschaftlich zu sehen. Bereiche und Ausdrucksformen ergeben sich einmal aus der Auseinandersetzung mit den materiellen Lebensbedingungen (Technik, Arbeit/Organisation - Normen und Wertbildungen) und zum Anderen aus den Qualifikationsanforderungen, dem Konsumverhalten und Lebensstandard. Die Wissenschaft beeinflusst ebenfalls kulturelles Verhalten. Demnach beeinflusst Kultur die Produktionsverhältnisse (Produkte, Formen der Arbeit), die sozialen und politischen Gegebenheiten (Normen, Werte, Riten, Gesetze, Institutionen, Parteien) und die geistigen Äußerungen (Wissenschaft, Kunst, Sprache, Literatur). Diese Gesamtheit ist Ausdruck eines geschichtlich gewachsenen Niveaus in Form der Schaffenskraft von Menschen. Kultur entsteht nicht als Einzelleistung, vielmehr ist sie Ergebnis von Theorien, Kooperationen und Erfindungen/Entdeckungen. Durch Umgestaltung von Lebensbedingungen ändern sich prozesshaft die Kommunikation, soziale Beziehungen und Lebensäußerungen. Traditionen können durchaus in neuen Wertesystemen bestehen bleiben.

Ethnozentrische Haltungen, die eine Kultur zum alleinigen Maßstab ergeben, sind abzulehnen. Ebenso ist ein Kulturrelativismus mit gleichberechtigten Kulturen in einer Gesellschaft nicht förderlich. Eine kritische Überprüfung politischer Kulturen ist notwendig (vgl. die Intentionen Politischer Bildung).

Kultur dient der Deutung und Orientierung menschlichen Handelns. Vermittelt wird sie durch Erziehung und Sozialisation, die von dem sozialen Status, Bildungsteilhabe und gesellschaftlicher Partizipation abhängt. Denkmuster werden unbewusst aufgenommen und verinnerlicht. Dadurch können gedankliche Stereotypen und damit Vorteilsbildungen aufgebaut werden. Damit verläuft die Weitergabe nicht immer reibungslos und erfährt individuelle Aneignungsformen. Kultur ergibt nach der gesellschaftlichen Gruppierung, Schicht, Klasse und Elitenbildung.

Durch internationale Wanderungsbewegungen kommt es zu Vermischungen, Berührungen und ein Ineinandergehen von Kulturen. Dies gilt heute insbesondere auch durch die Massenkommunikation (Massenmedien) und ihre Beeinflussung.

In der interkulturellen Bildung zeigt sich dies in der Kultur des Aufnahmelandes und des Herkunftslandes. Migranten sind überdies nicht nur Arbeitskräfte, vielmehr auch Familienmitglieder, Schüler/Studierende und politisch-kulturell-sozial Interessierte. Demnach geht es um das pädagogische Handeln mit der Andersartigkeit, um kulturelle Identität und kulturelle Stabilität. Dass dies mit Veränderungen im Aufnahmeland zu tun hat, versteht sich von selbst (Tagesablauf, Gemeinschaftsleben - Bildungssystem, Berufsleben). Elemente der Heimatkultur zu bewahren zeigt sich im muttersprachlichen Unterricht in der Schule und/oder im Fach Religion.

Kulturkonflikte zu vermeiden, die Chancen einer Vielfältigkeit zu nützen, ist Aufgabe interkultureller Bildung geworden.

Im Folgenden sollen ausgehend vom Begriff Interkulturelle Kompetenz pädagogische Folgerungen näher ausgeführt und dargestellt werden.

2.1 Kompetenzbegriff    

Die Einführung des Kompetenzbegriffs ist vor dem Hintergrund eines wachsenden Bildungssystems und rasanter Wissensentwicklung mit Fachdisziplinen zu sehen.

Hanspeter MAURER und Beat GARZELER (2005, 148) beschreiben Kompetenzen als "[...]Fertigkeiten, Eigenschaften oder Haltungen, die es ermöglichen, Anforderungen in komplexen Situationen erfolgreich und effizient zu bewältigen." Kompetenzen sind demnach Fähigkeiten, Ressourcen oder Potenziale zielorientiert, kreativ und funktional miteinander zu kombinieren. Fachwissen, methodische Kenntnisse, Zielorientierung, persönliche und soziale Handlungsmotivation und Handlungsfähigkeit zeigen an, dass es hier um mehr geht als um Fertigkeiten("skills").

Kompetenzen ermöglichen in vorher unbekanntem und konkreten Handeln kreative Lösungswege zu finden (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 271). Aktiviert werden demnach Fachkompetenz, Methodenkompetenzen, Sozialkompetenzen, Selbstkompetenzen und Handlungskompetenzen.

"Kulturelle Kompetenz beinhaltet die kognitiven, affektiven, persönlichen und sozialen Fähigkeiten zur Nutzung kultureller Ressourcen" (TREICHEL-MAYER? 2011, 272).

Interkulturelle Kompetenz ermöglicht, die Unterschiede zu einer anderen Kultur - Werte, Lebensweisen, Einstellungen - zu erkennen und zu verstehen, die Differenzen zur eigenen Kultur und zu eigenen Ressourcen und Interessen zu definieren, wertschaffende Methoden und Techniken zu entwickeln, um mehrwertorientiert Bedeutungen und Handlungen aktivieren und interagieren zu können (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 273-274). Weil die Wahrnehmung von Unterschieden dazu führt, das eigene Wesen als überlegen bzw. unterlegen einzuschätzen, ergibt sich tendenziell eine Unterscheidung im interkulturellen Kontakt mit Stereotypen, nach BHABHA (2000) stereotyp kolonial.

Interkulturelle Kompetenz wird angewendet in internationalen Interaktionen, innerhalb pluraler Gruppen, Gesellschaftsformen mit kultureller Vielfalt, neuen sozialen Systemen in differenzierten Gesellschaften und im Umgang mit internationaler Migration. Voraussetzung ist die Kenntnis der eigenen Kultur, des eigenen Denkens und eines eigenen Weltbildes (vgl. TARNAS 2001). In jedem Fall verbleiben offene Fragen.

Interkulturalität betont eher Aspekte der Differenzen und bemüht sich um das Verstehen des "Fremden" und "Anderen".

Transkulturalität betont die Aspekte des Gemeinsamen und sucht nach Anschlussmöglichkeiten im "Eigenen", im Lernprozess tritt zum Fremdverstehen das Selbstverstehen.

Dieter MERTENS (1974) entwickelte Schlüsselqualifikationen mit dem Ziel einer Vorbereitung auf ein möglichst hohes Transfer und einer Flexibilität auf neue Anforderungen. In der Folge wurden ähnliche Ziele mit den Konzepten von "life-long-learning" und "Lernen des Lernens" eingeführt (vgl. FISCHER 2011, 334).

Eckhard KLIEME (2004, 10-13) kritisiert bei der "Interkulturellen Kompetenz" die unklare Angrenzung von affektiven Aspekten und Einstellungen bei unterschiedlich zu bewertenden Niveaus.

Karlheinz GEISSLER (2002, 72) stellt den heutigen Kompetenzbegriff eindeutig als ökonomischen Zweck dar, also als Ausrichtung an Erfordernisse des Arbeitsmarktes.

Für bestimmte Teilkompetenzen bedarf es einzelner Lernziele wie etwa die Stärkung von Subjektivität, Selbstverwirklichungsinteressen und Persönlichkeitsbildung, wie sie für Migrantinnen und Migranten notwendig sind.

Von Interesse ist Oskar NEGTs Gegenkonzept (1997, 89-102) mit einer Identitätskompetenz, technologischen Kompetenz, Gerechtigkeitskompetenz, ökologischen Kompetenz, historischen Kompetenz und ökonomischen Kompetenz. In weiten Bereichen des Alltags bedarf es, nicht nur bei Migrantinnen und Migranten, einer interkulturellen Kompetenz, will man im Hinblick auf die zunehmende Internationalität und Globalisierung entsprechende Qualifikationen benennen können.

Alexander THOMAS versteht im interkulturellen Handlungsspiel die Vermeidung von Missverständnissen und die Nutzung einer gemeinsamen Problemlösung von allen beteiligten Personen. Diesem Ansatz wird allerdings Zweckrationalismus vorgeworfen (vgl. THOMAS 2003, 137-141).

Alois WIERLACHERs Gegenposition, interkulturelle Begegnung soll persönlicher Weiterentwicklung aller Beteiligten dienen, wird Idealismus vorgeworfen, da die Position ökonomische, politische, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen ignoriere (vgl. WIERLACHER 2003, 216; FISCHER 2011, 338). Die Frage nach der Einordnung kulturspezifischer oder kulturübergreifender Kompetenz geht auf die Tendenz von Kultur nach ethno-nationalen Kriterien ein, was heute nicht mehr haltbar ist.

Paul MECHERIL (2003, 198; 2004, 106-132) definiert demnach interkulturelle Kompetenz als Fähigkeit der Verarbeitung von Erfahrungen von kultureller Differenz und Fremdheit. Es zeigt sich, dass der Kulturbegriff entscheidend ist und letztlich erweitert werden muss (ausführlich dazu und erweiternd Punkt 2.2).

Wolfgang WELSCH hat mit dem Begriff Transkulturalität die Vorstellung einer geschlossenen Nationalkultur einer Kritik unterzogen (vgl. WELSCH 1992, 5-20; 1999, 45-72). Dieses Modell geht davon aus, dass im Gegensatz zu dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden an Nationalität, Ethnie oder einem geographischen Raum orientierten Kulturbegriff Kulturen sich in einer modernen Gesellschaft gegenseitig durchdringen und miteinander verflochten sind (vgl. FISCHER 2011, 33). Der Wortbedeutung von "trans" entsprechend ist die heutige Situation der Kulturen "jenseits" der alten. Es gibt keine klaren Abgrenzungen, vielmehr Verflechtungen und Gemeinsamkeiten (vgl. LANGENOHL-POOLE-WEINBERG? 2015).

Verfolgt man den Diskurs in der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft zum Kulturbegriff, so spricht man nicht von Kultur als nationaler und homogener Einheit, sondern von Kultur als "Konstrukt" bzw. von "Kulturen", die verschiedene Merkmale wie regional, sozial, Geschlecht, Status und Berufsgruppe aufweisen (vgl. NIEKE 1995, 42-43).

Konsequent spricht Hubertus SCHRÖER von Interkulturalität, die das Verhältnis zwischen unterschiedlichen Lebensformen formuliert, etwa Unterschiede des Geschlechts, der sozioökonomischen Lage, des Alters, Religion, körperlicher Ausstattung und sexuellen Orientierung sowie verschiedenen Betriebs- und Verwaltungskulturen (vgl. SCHRÖER 2011, 307-322).

Hinzuweisen ist auf die "Essentialisierung", die Zuschreibung bestimmter kultureller Merkmale im Sinne von Wesenszügen für Mitglieder einer ethnischen Gruppe. Hier werden häufig der Austauschprozess zwischen den Kulturen und die "Verflüssigung kultureller Muster" nicht berücksichtigt (vgl. FISCHER 2011, 341).

Ebenso findet sich Kritik an der Ausklammerung sozioökonomischer Grundlagen menschlichen Zusammenlebens, die zu Ungleichheiten und Benachteiligungen führt. Migrantinnen und Migranten würden lediglich kulturell verschieden wahrgenommen, verstärkt etwa durch Neigung zur Selbstethnisierung. "Dass sie aber aufgrund ihres benachteiligten ausländerrechtlichen Status, fehlender sozioökonomischer und qualifikatorischer Ressourcen schlechter gestellt sind und daher marginalisiert werden, würde bei einer solchen Sicht ignoriert. Die kulturelle Differenz spiele stattdessen eine primäre Rolle bei der Suche nach Erklärungen für das Anderssein" (FISCHER 2011, 342; vgl. HAMBURGER 2009, 190).

Dieser Diskurs hat demnach Konsequenzen für pädagogische Bemühungen für die Klientel der Zuwanderer, worauf in der Folge einzugehen ist.

2.2 Entwicklung kulturalistischer Ansätzen zu reflexiven Perspektiven    

Mit diesem Ansatz ist Paul MECHERILs Konzept angesprochen, das im Folgenden vorgestellt und referiert wird (vgl. MECHERIL 2004, 106-132).

Ausgehend von Wolfgang KLAFKIs Analyse der "Grundzüge eines neuen Allgemeinbildungskonzepts" (1996) mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf nationale Besonderheit und kulturelle Identität sowie dem Erfordernis interkultureller Offenheit und Verständigung entstand in der Folge eine eigenständige Interkulturelle Pädagogik.

Leitende Motive dazu sind das Eintreten für

  • eine Gleichheit aller ungeachtet der Herkunft,
  • eine Haltung des Respekts für Andersheit,
  • die Befähigung zum interkulturellen Verstehen und
  • die Befähigung zum interkulturellen Dialog.
  • Interkulturell wird, so die Annahme, mit Differenz- und Fremdheitserfahrung in Verbindung gebracht.
Interkulturelle Kompetenz reagiert auf den Mangel der Fähigkeit, die Fremdheit zu verarbeiten.

Aspekte sind etwa die Konfliktseiten interkultureller Begegnungen und die Kommunikation.

Man geht davon aus, dass ein Defizit in der professionellen Möglichkeit der Auseinandersetzung mit Fremdheit und Differenz durch den Erwerb und die Bestärkung spezifischer Handlungspotentiale behoben werden kann (vgl. MECHERIL 2004, 108).

Im Folgenden geht es um eine Kritik kulturalistischer Ansätze, reflexiver Konsequenzen aus der Kritik und die interkulturelle Perspektive.

Die Kritik setzt an in der Verwendung der Blickrichtung "Kultur" zur Analyse von Kommunikation zwischen ethnisch-kulturellen Minderheitsangehörigen und ethnisch-kulturellen Mehrheitsangehörigen, zwischen Migrationsanderen und Nicht-Migrationsanderen?. Konsequenzen sind zunächst in reflexiver Art zu ziehen. Individuen sind ihrer gesellschaftlichen Position zu betrachten und erst in der Folge sind Absichten zu formulieren sowie Handlungsmöglichkeiten vorzunehmen. Die Frage nach den Gründen für eine Verwendung von Instrumentarien ist zu stellen (vgl. MECHERIL 2004, 114).

Reflexiv besteht die Konsequenz im Deutungsmuster von Kultur, das in der Selbst- und Fremdbeschreibung von Handlungssubjekten vorkommt.

Eine Kulturalisierungskritik hat die folgenden Tendenzen (vgl. MECHERIL 2004, 114-125):

  • Essentialisierung kultureller Zugehörigkeit und Differenz,
  • kulturalistische Reduktion sozialer Verhältnisse,
  • Gleichsetzung kultureller Zugehörigkeit mit nationaler und ethnischer Zugehörigkeit,
  • Fest-Stellung? des und der Anderen und
  • Nicht-Thematisierung? der Kennzeichen des Ortes, an dem gehandelt wird.
In diesen Zusammenhang ist die pädagogische Debatte im Kontext interkultureller Kompetenz zu sehen, die folgende Ziele angibt (vgl. MECHERIL 2004, 126),

  • die Erkenntnis der Gebundenheit des eigenen Denkens,
  • die Erkenntnis der Kulturalität der eigenen Wertemuster,
  • eine erhöhte Selbstreflexivität,
  • eine Heterogenitätskompetenz mit Offenheit gegenüber Vielfalt und der Fähigkeit zur Thematisierung von Diversität sowie
  • eine Konfliktfähigkeitskompetenz mit der Beinhaltung eines eigenen begründbaren Standpunktes.
Das Problem besteht in der Annahme, dass interkulturelles Handeln gelingt, wenn die Handelnden über Wissen über das Gegenüber zum Einsatz bringen.

Alternativ wäre zu bedenken, dass eine Gleichzeitigkeit von Verstehen und Nicht-Verstehen?, eine selbstironische Fehlerfreundlichkeit und kulturelle Differenz anzuerkennen sind (vgl. MECHERIL 2004, 127-132).

2.3 Pädagogische Folgerungen    

Die beschriebene interkulturelle Kompetenz realisiert sich demnach auf der Interaktions- und Kommunikationsebene in face-to-face-Kontakten, bei denen die Personen wechselseitig in Kontakt treten. Eine entsprechende Didaktik hat diesem interkulturellen erkenntnistheoretischen Modell Rechnung zu tragen.

Als Kompetenz bedeutet das für pädagogisch Handelnde die Erkenntnis,

  • in eine globale Gesellschaft eingebunden zu sein,
  • Reichtum und Armut mit allen Widersprüchen und Ungleichgewichten zu sehen,
  • Ursachen und Wirkungen von Migration analysieren zu können,
  • Biographien und Familiengeschichten in ihrer transnationalen Vernetzung zu verstehen,
  • international anerkannte Werte und Normen zu respektieren und
  • an internationalen Netzwerken mitzuarbeiten bzw. sie aufzubauen.
Die Fähigkeit, interkulturelles Handeln vor dem Hintergrund einer Einwanderungssituation zu reflektieren und dieses Wissen für ein professionelles Handeln zu nutzen, ist keineswegs selbstverständlich. Es bedarf einer Vermittlung von Fort- und Weiterbildung sowie Studium (vgl. FISCHER 2011, 353).

Als Beispiel in der angelsächsischer Literatur geht es bei "key qualifications" im interkulturellen Kontext um

  • "social competence"/skills: Kommunikation, Kooperation, Konfliktlösung und Sensibilität
  • "method competence"/skills: Analysefähigkeit, Kreativität, Lernwillen und Rhetorik,
  • "self-competence": Produktivität, Motivation, Flexibilität, Reliabilität, Unabhängigkeit, Anpassungsfähigkeit und Stressresistenz/Belastungsfähigkeit sowie
  • "action competence": Umsetzung der eigenen Interessen/"Realisierungsphase" (vgl. DEARDORFF 2009, 210-211).
Es lassen sich bei der dargestellten Systemebene drei Schlüsselthemen für eine interkulturelle Pädagogik mit ihren Teilbereichen - der Autor beschäftigt sich mit Vorberuflicher und Politischer Bildung sowie Erwachsenen- und Weiterbildungspädagogik/Hochschuldidaktik - herausfiltern( vgl. FISCHER 2011, 354):

  • Exklusion - Inklusion:
Gesellschaftliche Ausgrenzungsprozesse im ökonomischen, politischen, rechtlichen, sozialen und kulturellen Bereich verlangen nach Gegensteuerung. Als eine Handlungsstrategie einer Inklusionspolitik/-pädagogik ergibt sich der Teilbereich Politische Bildung.

  • Homogenität - Heterogenität:
Ethnonationale Vorstellungen treten in Gegensatz zur tatsächlichen Vielfalt der Bevölkerung. Mehrfachzugehörigkeiten prägen Identitätsentwürfe. Als Handlungsstrategie ergibt sich eine Anerkennungskultur mit der Akzeptanz von Mehrsprachigkeit, Mehrreligiosität und Vielfalt kultureller Deutungsmuster. Als kulturelle Orientierung in der Lebenswelt und bei notwendigen Ressourcen benötigt man einen Aufbau interkultureller Kompetenzen für reflexive und kommunikative Kompetenzen.

  • Diskriminierung - Anerkennung:
Stereotype, Vorurteile, Stigmatisierungen, Etikettierungen, Rassismus und Gewalt gefährden einen demokratischen Zusammenhalt der Gesellschaft. Als Handlungsstrategie ergeben sich Strategien des Empowerment mit Stärkung der Autonomie und Selbsthilfepotenziale, vorurteilsfreie Erziehung und Bildung, antirassistische Erziehung und Bildung, Gewaltprävention und Konfliktmanagement sowie Resilienzförderung.

Diese Profile beziehen sich auf die Bewältigung von Problembereichen der Gegenwart mit gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen, damit um einen Beitrag zur Inklusion in der Gesellschaft.

Die Vielfalt kultureller Deutungsmuster soll dazu befähigen, sensibel mit erfahrbaren biographischen, milieuspezifischen, subkulturellen und spezifischen Kulturausdrucksformen umzugehen und Diskriminierungen zu vermeiden.

Personenzentrierte Haltungen wie Empathie, Authentizität, Akzeptanz, Ambiguitätstoleranz und Konfliktfähigkeit sollen den Zugang zu Menschen aus anderen Herkunftskulturen und Milieus erschließen.

Letztlich bedarf es eines Abbaues von Zugangsbarrieren, um Bildung und Öffnung von Organisationen für gesellschaftliche Partizipation, Berufsausübung, Kultur- und Religionsbelange und die Alltagsbewältigung umsetzen zu können.

Dazu bedarf es im Kompetenzbereich

  • interkulturellen Wissens (Verständnis des Kulturkonzepts mit dem Orientierungssystem der fremden und eigenen Kultur, Abbau von Unsicherheiten, Kenntnis von Problempotenzialen und interkulturellem Konfliktmanagement sowie länderspezifisches Wissen),
  • interkultureller Sensibilität (positive Einstellung zur fremden Kultur, Reduktion von Angst, Sensibilität für kulturbedingte Unterschiede, Motivation zu interkulturellem Leben, realistische Erwartungen, Weiterentwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen/Unvoreingenommenheit-Weltoffenheit-Toleranz und Abbau von unzutreffenden Stereotypen) und
  • interkultureller Handlungskompetenz (interkulturelle Handlungssicherheit und Kommunikationsverhalten sowie Fähigkeit zu Zusammenarbeit, Konfliktmanagement und dem Umgang mit einem Kulturschock).
Die drei Ziele ergänzen sich gegenseitig, ihre Grenzen sind fließend (vgl. HERBRAND 2002, 48-54).

Ergänzt wird der interkulturelle Lernprozess durch das Einbringen persönlicher innerer Werte mit den Fähigkeiten der Kreativität einer fremden Kultur und Kenntnis bzw. Möglichkeit und Notwendigkeit anderer Sprachen ("transcording"). Innerhalb der Innovationstheorie ist die "Diffusion" - als Vermittlungsprozess von Innovationen in Form von Ideen, Wissen und Technologien - von Interesse.

Zuständige Instanzen finden sich im Bereich der Wirtschaft und Medien. Besondere Bedeutung kommt

  • den Multiplikatoren, Unterrichtenden, Beratern und Experten ("change agents"),
  • den Unterstützern, Bildungsinstitutionen, Sozialpartnern und Medien ("change assistens") sowie
  • den Betrieben/Inhabern, dem Öffentlichen Dienst und Leitungsorganen zu ("change champions").
  • Diffusionsprozesse werden durch diese Akteure vermittelt.
  • Innovationen müssen Vorteile bringen, verständlich und nicht zu komplex sein.
Interkulturalität bezeichnet demnach das Verhältnis zwischen unterschiedlichen Lebensformen (vgl. SCHRÖER 2011, 307). Der Begriff umfasst über Verhältnis von Einheimischen und Zugewanderten hinaus Unterschiede des Geschlechts, des Alters, der Religion, der sexuellen Orientierung und der sozioökonomischen Lage.

Interkulturelle Öffnung ist zu beachten, ist sie doch die Konsequenz einer solchen neuen Orientierung. Öffnung wendet sich gegen bewusste oder unbewusste Ausgrenzungen. Ziel ist der Abbau von Zugangsbarrieren und Ausgrenzungsmechanismen in den gesellschaftlichen Schichten und Institutionen.

Dazu dient das Konzept des "Diversity Management" mit seinen zwei Wurzeln (vgl. SCHRÖER 2011, 310-311; siehe Pkt. 8.24):

  • "Human Ressources Management" mit dem Kosten- und Erfolgsfaktor Mensch und der Anerkennung und Berücksichtigung der Unterschiede der Mitarbeiterschaft. Begründet durch die sozialen Strömungen, insbesondere in den USA, wurden die Unterschiede thematisiert und führten letztlich zur Anerkennung und Gleichberechtigung mit gesetzlichen Verpflichtungen, niemanden zu diskriminieren. "Diversity Management" greift Heterogenität auf und will sie zum Vorteil aller Beteiligten nutzen (SCHRÖER 2011, 311).
  • Dabei geht es nicht um Assimilation und/oder Nivellierung von Unterschieden, vielmehr um Wertschätzung und Förderung. Die Stärke des Konzepts liegt in der Verankerung in allen Bereichen der Organisations- und Personalentwicklung von Betrieben, Unternehmungen und Institutionen, wenngleich in der Praxis häufig nur einzelne Schwerpunkte wie Frauenförderung und Behinderungen verfolgt werden (vgl. DEARDORFF 2009, 219-220).
Quelle: > http://oesterreich.orf.at/stories/2593570/ (18.7.2013)

Für eine interkulturelle Pädagogik muss beachtet werden, dass die Unterschiede nicht verwischt werden und das eigene persönliche und spezielle Profil erhalten bleibt. Eine Herausforderung für das Konzept ist allerdings der Machtaspekt, den Diversity Management eher verdeckt.

  • Es fehlt die Thematisierung, dass es um Personen geht, die als Vertreter der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Minderheiten, etwa Männer gegenüber Frauen, als Vorgesetzte Macht haben, ausüben und mit Sanktionen drohen können.
  • Interkulturelle Beziehungen sind fast durchwegs durch Machtasymmetrie - Status-, Rechtsungleichheit, Wohlstandgefälle - gekennzeichnet. Dies bedeutet Dominanzkultur. Pädagogische Bemühungen sind demnach angesagt.
Von Bedeutung als interkultureller Ansatz ist die Theorie der kognitiven Dissonanz (vgl. ARONSON-WILSON-AKERT? 2004, 188-190). In der interkulturellen Pädagogik geht es um ein Gefühl des Unbehagens, verursacht durch zwei oder mehrere widersprüchliche Kognitionen, in der Folge umgesetzt als Handlung, die einem positiven Selbstbild zuwiderläuft. Kognitive Dissonanz stellt das Unbehagen her und veranlasst die Person zu dem Versuch, dieses Unbehagen zu reduzieren. Es kommt zur Veränderung oder zur Rechtfertigung mit Veränderungen der dissonanten Kognition oder zur Rechtfertigung mit der Veränderung der Hinzufügung einer neuen Kognition. Die Klientel hat sehr wohl das Bedürfnis, eine Dissonanz entweder durch Veränderung ihres Verhaltens oder durch Rechtfertigung ihres früheren Verhaltens zu reduzieren, um dieses in eine positive Sicht zu bringen. Eine Änderung der Einstellung kommt durch einen Prozess der Selbstüberzeugung, womit ein Lernprozess seine Rechtfertigung findet (vgl. ARONSON-WILSON-AKERT? 2004, 226). Damit ist ein Lernprozess mit pädagogischen Bemühungen verbunden.

Für den Bildungsprozess bedeutet Bilingualität einen besonderen Wert (vgl. MEISEL o.J., 7-8). Im Vergleich zum frühkindlichen Sprachenerwerb unterscheidet sich der Zweitsprachenerwerb Erwachsener dadurch, "[...] dass es zwar ebenfalls invariante Erwerbssequenzen gibt, nicht aber die gleichen, die im L1 Erwerb zu beobachten sind. Darüber hinaus verläuft der Erwerb langsamer, und man findet erhebliche individuelle Unterschiede im Verlauf und im letztlich erreichten Erfolg"(MEISEL o.J., 7). Der Gebrauch von Fremdsprachen hängt von soziolinguistischen Faktoren ab, wobei biographische Einflüsse eine Bevorzugung einer Sprache ergeben. Die Dominanz einer Sprache kann sich durchaus nach Lebensumständen, Einstellungen und Motivationen verändern. Hier spielt die Bildungs- und in der Folge Berufswahl eine Rolle.

Jacques LACANs Forderung nach Einordnung (Verständnis) und der Wertschätzung der Andersartigkeit erklärt dieses Konzept, das über die bisherige Praxis von interkultureller Bildung in homogenen Gruppen hinausgeht. Zu vermeiden sind demnach abwertende Haltungen, Etikettierungen ("labeling") und Einstellungen mit eigenen Aspekten ("resistance").

Im Lebensalltag der Migrationssituation, also um einen äußeren biographischen Wendepunkt bei einer formalen Veränderung und um einen inneren Wendepunkt im Sinne einer Autonomie, geht es um existentielle Fragen einer Person, ihr Milieu und um den Bruch in der Biographie (biographische Diskontinuität). Interkulturelle Pädagogik berücksichtigt das Vorwissen und Kenntnisse aus der Kultur in Verbindung mit Offenheit, Flexibilität, Interesse und kritischer Prüfung der eigenen Bemühungen. Im Diskurs tauschen sich Lernende und Lehrende aus, der in jedem Lern- und Lehrprozess benötigt wird. Michel FOUCAULTs Begriff, definiert als Verständnis in der Sprache von Wirklichkeit, weist auf die Bedeutung der Realität hin. Was darf, was soll, von wem, wie im täglichen Diskurs des Alltags gesagt/nicht gesagt werden? Damit ist auch das Konzept von "power/knowledge" angesprochen. Wie geht man mit Personen mit niedrigem Wissensstand um?

Für die interkulturelle Pädagogik hat dieses Konzept eine Bedeutung, geht es doch um eine Verbindung von Machtverhältnissen und Informationssuche. Wissensproduktion geht in eine bestimmte Richtung und betrifft Menschengruppen, Institutionen und Staaten. Es geht aber auch um Werteproduktion. Damit ist der Teilbereich Politische Bildung angesprochen.

Zu beachten ist jedenfalls, dass die Kenntnis und der Stellenwert eigener Kultur Voraussetzung ist, interkulturell verantwortungsvoll zu handeln. Nur wer die Ideen, Folgerungen für sich und seinen Kulturkreis kennt, ist in der Lage, interkulturell sich einbringen zu können (vgl. TARNAS 2001).

2.4 Soziokulturelle Identitätsbildung von Minderheitsgruppen    

Der folgenden Beitrag beruht auf dem Arbeitspapier "Aspekte soziokultureller Identitätsbildung von Minderheitsgruppen - Monique Eckmann/Genf" - 6. Universitätslehrgang Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg (2012).

Die Verfasserin vertritt die These, dass Mehrheits- und Minderheitsidentitäten in einem dialektischen Verhältnis zueinander stehen und nicht nur ein Diskurs über Kultur, Rechte und Identität der Minderheiten, vielmehr auch über die Mehrheit notwendig ist.

Als Vorschlag und Perspektive könnte der Aspekt der Interkulturalisierung eingebracht werden.

Im Punkt "Identität ist Begegnung und Vergleich" (S. 1) wird die These der sozialen Identität erläutert, welche durch die Zugehörigkeiten zu verschiedenen Gruppen entsteht und dadurch Beeinflussungen unterliegt (Wahrnehmungen, Bewertungen, Haltungen der Individuen). In diesen Prozessen strebt jedes Individuum eine positive Bewertung in seinen Kategorien an, welche aber wiederum von der positiven Bewertung der Gruppe abhängig ist. Kommt es zu einer Negativbewertung, wird als Lösungsansatz das Verlassen dieser Kategorie angestrebt bzw. eine Änderung der sozialen Interpretation und/oder eine Verbesserung der objektiven Situation. Somit handelt es sich um eine individuelle soziale Identität und nicht um eine kollektive. Die Kultur einer Gruppe hat eine Spezifität, welche erst durch durch die Begegnung und den Vergleich sowie den daraus resultierende Abgrenzungen von anderen entsteht. Differenzen nach innen und außen kommen zur Geltung.

"Identität als Ausdruck von Dominanzbeziehungen" (S. 1) spielen sich nach Monique ECKMANN in den Beziehungen der Gruppen untereinander im Kontext von Ungleichheit und Macht ab. Dieser Kontext prägt die Minderheits- und Mehrheitsidentitäten. Wenn Monique ECKMANN von Minderheits- und Mehrheitsidentitäten spricht, geht es nicht um numerische Verhältnisse, sondern um dominante bzw. dominierende Positionen unter sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Aspekten. Sie bezieht sich auf auf die Definition von Colette GUILLAUMIN (1992), in der Minderheiten als Gruppe in der Gesellschaft in einer Situation von minderer Macht sich befinden. Nachteile sind nicht nur im materiellen Bereich vorhanden, vielmehr im Fehlen einer Definitionsmacht, welche der Mehrheit vorbehalten ist. Stellt man die Verknüpfung der Machtquelle her, bildet man die Situation von Dominanz, welche durch Privilegien bzw. Benachteiligungen gekennzeichnet ist. Solche Positionen sind entweder absolut, vereinfachend oder polarisierend. Sie sind entweder diskriminierend oder internalisierend und lassen auf beiden Seiten einen unterschiedlichen Identitätsprozess entstehen. Für die Mehrheitsidentität entsteht eine Norm mit Selbstverständlichkeiten,, für die Minderheitsidentität ein Bewusstsein von Differenz, welche mit Abweichungen und Unterschieden gekennzeichnet ist.

Die "Selbstdefinition und abgestrittene Identität auf Seiten der Mehrheit" (S. 2) sind der Mehrheit immer weniger bewusst. Das Nichtwahrnehmen einer Kultur und Identität wird zur Selbstverständlichkeit. Sie wird als universelle Norm angesehen. Man sieht nur die "Farbe" des Anderen, etwa das Kopftuch, die Religion, Hautfarbe oder Kleidung. Aufmerksamkeit entsteht erst, wenn die Minderheit die Mehrheit darauf hinweist. In der Regel geschieht dies anklagend, wodurch noch mehr Ablehnung bzw. Unbehagen erzeugt wird. Ein moralische Dilemma kommt bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität zur Geltung. Soll es zu einem Prozess einer Bildung einer neuen Autonomie kommen, bedarf es nach Janet HELMS (1990) der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität.

Wenn Monique ECKMANN vom eigentlichen Dilemma spricht, nimmt sie an, dass die Minderheit einer individuellen Selbstentwertung und der Diskriminierung als Gruppenmitglied bis hin einer Selbstverleugnung unterliegt (vgl. ROMMELSPACHER 1995). Um den Prozess einer positiven sozialen Identität zu erlangen, benötigt man die Gemeinschaft als solche, welche den Prozess individuelle und kollektiv unterstützt. Da die Minderheiten keinen Platz in der Gesellschaft erlangen, werden sie zu politischen Kategorien, um auf diesem Weg eine positive Identität zu erlangen. Die Minderheiten werden in allen Bereichen von außen definiert. Wenn Selbstethnisierung externe und negative Definitionen übernimmt, ist dies ein legitimes Mittel zur Anerkennung. Zugewiesene Identitäten und damit Minderheitenpositionen werden stark internalisiert. Dies kann zu einer Opferposition führen (auch als Verteidigungsstrategie) und/oder zur Verinnerlichung der Vorurteile in Form von Selbsthass.

Monique ECKMANN beschreibt den Konflikt zwischen einheimischen Identitäten und Migrantinnen und Migranten als "Diaspora" (S. 3). Als Beispiel nimmt sie die zweite und dritte Generation, bei der man nicht mehr von "Migranten" sprechen kann, der Prozess der Identitätsbildung noch vorhanden ist, aber in einer Diasporasituation. Diese Gruppe hat dort ihre Wurzeln, wo sie leben, allerdings mit verschiedenen Heimaten, ohne eine Rückkehr mit Nostalgievorstellungen. Stuart HALL (1994, 41) spricht von notwendiger Heterogenität, die durch Hybridbildung lebendig ist, etwa bei Kurden, Roma, Juden oder Armenier. aber auch zunehmend bei Spaniern, Türken oder Kosovo-Albanern?.

"Identität als Positionieren in Machtverhältnissen" ist entscheidend dadurch gekennzeichnet, welche Position der/die einzelne in den gesamtgesellschaftlichen Machtverhältnissen einnimmt. Für Monique ECKMANN bedeutet dies, dass nicht die Minderheitspositionen, vielmehr die Mehrheitspositionen thematisiert werden. Stuart HALL (1994) fordert, dass das Positionieren zu einem bewussten Akt werden soll, wobei Herkunft, Zugehörigkeit, sprachliche und kulturelle Codes als zentrale Rolle deklariert werden und diese als unverzichtbare Ressourcen anerkannt werden. Dies gehört als Mussbedingung in die Debatte um die Rechte von Minderheiten.

Monique ECKMANN nimmt die Frage der Interkulturalisierung als Alternative zu kollektiven Minderheitsrechten auf und definiert sie als problematisch. Es geht um eine Umverteilung von Machtverhältnissen, Schutz vor Diskriminierung, vor allem bei "vulnerable groups". Sie stehen einem Staat gegenüber, der Kultur, Religion und Identität verbindet und ihre Definition davon ausschließt. Erst diese Aufhebungen ergeben eine pluralen Staat. Es gilt also wegen/trotz kultureller Differenz Gleichberechtigung, Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit zu sichern. Als Alternative bietet sich hier eine Institutionalisierung der Diversität als Möglichkeit an. Für die Mehrheit bedeutet dies, ihre Selbstverständlichkeit von Identität und Normen in Frage zu stellen.

Für Monique ECKMANN bedeutet Pluralität die Anerkennung und Gleichberechtigung aller Religionen (S. 4). Sie bezieht sich dabei auf den kulturellen Konflikt, der bereits im 19. Jahrhundert ein Thema war und weiterhin besteht, gerade wo Migration der nicht-christlichen Zuwanderer im Wachsen begriffen ist. Hier steht die Definitionsmacht bei den Christen. In dieser Mehrheitsposition gilt der Islam aufgrund seiner demographischen und sozialen Realität als Gegner. Diese Ungleichheiten spiegeln sich vor allem in der Bildung wider. Für Monique ECKMANN sind diese Unterschiede nicht nur in der religiösen Praxis vorhanden, vielmehr spricht sie in diesem Zusammenhang von Religion als Kultur. Denn, so die Argumentation, ein nichtreligiöser Muslim wird kein Christ werden, weshalb die Anerkennung dieser bei uns mehrheitlich vorhandenen Personengruppe als dringend notwendig erachtet wird.

Monique ECKMANN fordert neue Denkschemata in Bezug auf die Aufnahme- und Herkunftsgesellschaften in jener Form, dass ein Umdenken der Kategorien "Nationalität" und "Bürger" notwendig ist (S. 5). Nur diese Trennung - im frankphonen Bereich Nationalität vs. Citoyenneté - bietet eine Perspektive mit symbolischer Zugehörigkeit und Recht zur Teilnahme an der Gesellschaft ("Partizipation"/Lebensmittelpunkt-Beruf). Besonderen Schutz gilt jenen Minderheiten, die keinen Herkunftsstaat besitzen.

Gefahr sieht Monique ECKMANN in der intra-kulturellen Unterdrückung. Diese tritt dann in Erscheinung, wenn Kultur als Missbrauch zur Legitimierung für Dominanz missbraucht wird. Eine interne Dominanz richtet sich zumeist gegen Frauen, Kinder und sozial Schwache und verschleiert zumeist die globale Situation und benennt nicht die externe Dominanz als globale Situation. Zu verweisen ist jedenfalls auf die Menschenrechte und Gleichheit aller Individuen.

Das Thema Frauen ist in den Mehrheitsgesellschaften ein latent vorhandener Problembereich, der durch die Konflikte der Minderheitsgesellschaften im Bereich der kulturellen Unterdrückung zurückgeführt wird. Offenkundig ist hier der Missbrauch zur Legitimierung von Dominanz. Weil kulturelle Minderheiten gegen das Vorankommen von Frauenrechten und Kinder wirken, dürfen sie hier nicht unterstützt werden (S. 6). Vielmehr sollen die Interessen von Frauen und Kindern sowie sozial Schwachen/Randgruppen kultureller Minderheiten aktiv geschützt werden.

Theoretischen Rechten muss eine effektive Anwendung folgen, die gesichert wird. So können Einschränkungen und Diskriminierungen aufgehoben werden.

Quotenregelungen werden nicht für sinnvoll gehalten. Monique ECKMANN begründet dies damit, dass solche Regelungen in der Anwendung bei allen Minderheiten nicht möglich bzw. sinnvoll sind. Vielmehr bedarf es einer eindeutigen sozialen Anerkennung als Garant im Sinne von Mitspracherecht und Sichtbarkeit, wobei die Selbstdefinition von kultureller Minderheit garantiert sein muss. Keinesfalls wird eine offizielle Liste von Minderheiten befürwortet. Ausnahmesituationen im Sinne von "vulnerable groups" für einen besonderen Schutz sollte es geben, etwa in der Schweiz für "Fahrende" (S. 7).

Gerade im Hinblick auf institutionelle Positionen der Minderheiten als Voraussetzung etwa für höhere Bildung soll der Zugang von Minderheiten verstärkt werden. Dadurch würden sie sichtbarer werden und könnten sich selbst artikulieren. Minderheitenexperten könnten zugezogen werden, Probleme und Defizite könnten konkret angegangen werden. Voraussetzungen wären entsprechende Strukturen, und eine Selbstorganisation von Minderheiten.

Zur Interkulturalisierung schlägt Monikque ECKMANN Ausgleichsrechte als juristische Anerkennung von kulturellen Minderheiten vor. Antidiskriminierung und vermehrte Aufmerksamkeit für "vulnerable groups" wären ihre Zielvorstellung. Zudem wäre die Anerkennung kultureller Diversität notwendig, im Sinne einer Vielfalt einer modernen Gesellschaft und ihrer Institutionen. Erforderlich wären in der Folge soziale Maßnahmen in den Bereichen Personal, Sprache, Inhalte, kulturell-religiösen Kapitals und Geschichte. Diversität ist nicht Sonderfall, vielmehr Grundsatz.

Dieser Diskurs betrifft nicht nur die Rechte kultureller Minderheiten, ebenso auch das Selbstverständnis der Mehrheitskultur.

Der Prozess der Sensibilisierung benötigt einen gezielten Umgang mit Mehrheits- und Minderheitsidentitäten. Aktive Auseinandersetzung und Infragestellung von Selbstverständlichkeiten gehören zu diesem Prozess, damit die jeweilige Identität und Dominanzbeziehung kritisch hinterfragt werden kann - in einem Prozess von empowerment.

Damit verlagert sich der Diskurs bzw. Prozess um Kultur, Identität und Rechten von Minderheiten zur Diskussion um Mehr- und Minderheit mit kritischem Hinterfragen beider Positionen.

Fachliteratur/Auswahl

Eckmann M. (2006): Aspekte soziokultureller Identitätsbildung von Minderheitsgruppen, Genf > http://www.humanrights.ch/cms/upload/pdf/000623_eckmann.pdf#search='Moniqueeckmannintermigra (16.1.2013)

Guillaumin C. (1992): Sexe, race et pratique du pouvoir, Paris

Hall St. (1994): Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften, Hamburg

Hamburger F. (Hrsg.) (1998): Faszination und Realität des Interkulturellen. Schriftenreihe des Pädagogischen Instituts der Johannes Gutenberg-Universität? Mainz

Helms J. (1990): Black and White Racial Identity Theory, research and practice, London

Rommelspacher B. (1995): Dominanzkultur. Texte zur Fremdheit und Macht, Berlin

2.5 Interkulturelle Kompetenzen in einer Migrationsgesellschaft    

"Die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz betrifft die Wirtschaft und Politik wie auch die soziale und gesundheitliche Versorgung in Migrationsgesellschaften ebenso wie den internationalen Austausch in einer globalisierten Wirtschaft oder Wissenschaft. Doch wird interkulturelle Kompetenz sehr unterschiedlich bis hoch kontrovers diskutiert. So fällt eine 'Multidisziplinarität' der Debatte auf, an der sich Sozialpsychologen, Soziologen, Anthropologen, Kulturwissenschaftler, Ethnologen, Pädagogen, Philosophen, Linguisten und Wirtschaftswissenschaftler in der Theorie und darüber hinaus Sozialarbeiter, Lehrer, Psychiater und Therapeuten, Mediatoren, Kommunikationstrainer und Personalberater, um nur eine Auswahl zu nennen, beteiligen" (TREICHEL-MAYER? 2011, 291-292).

Es versteht sich von selbst, dass es bei der Fülle von unterschiedlichen Ansätzen kein einheitliches Konzept gibt.

Im deutschsprachigen Raum bekam Interkulturelle Kompetenz Ende der achtziger Jahre mit der Globalisierung der Wirtschaft einen Stellenwert. Man beschäftigte sich mit dem Verhalten, mit Motivation, Wertesystemen und kognitiven Aspekten wie Fremdsprachenkompetenz und soziale Kompetenz sowie Kommunikationsfähigkeit.

Interkulturelle Kompetenz findet zwischen nationalen Kulturmustern bzw. Kommunikationsregeln und einer um kulturelle Aspekte erweiterten Sozialkompetenz statt. Unterschiedliche Begrifflichkeiten wie "kulturell", "transkulturell" und "interkulturell" mit Differenzierungen werden verwendet.

Von Interesse für den Bildungsaspekt ist Diversität und Pluralität als Grundlage in der Handlungspraxis. Damit wird auch eine erhöhte Normenflexibilität bei allen Individuen und Gruppierungen erforderlich. Mehrfachzugehörigkeiten ergeben eine heterogene, veränderbare und hybride Kultur. Im Vordergrund steht die Individualität von Ausprägungen von Kultur und Binnendifferenzen innerhalb von Kulturen (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 295; SALZBRUNN 2014). In der Folge ergeben sich Kulturkonzepte mit Kontexten und dynamischen Entwicklungen.

Die angesprochenen Konzepte interkultureller Kompetenzen erklären sich aus den Zielen und Anwendungsgebieten.

  • Dauerhafte Kooperationen gelingen, wenn kommunikative und interaktive Kompetenzen durch entsprechende Haltungen des Respekts und einer Anteilnahme für Andere und Anderes getragen werden.
  • In jedem Fall bedarf es einer ganzheitlichen interkulturellen Haltung, um Interkulturalität auch umsetzen zu können.
  • Dies gilt in einer Migrationsgesellschaft insbesondere für die Versorgung in den bildungsbezogenen, psychosozialen und gesundheitlichen Bereichen, wobei es entsprechende Betriebskulturen zu schaffen bzw. weiterzuentwickeln gilt, damit Personen anderer Kulturen bestmöglich gefördert werden können.
In der öffentliche Diskussion erhalten

  • betriebswirtschaftliche, unternehmerische und berufspädagogische Aspekte interkultureller Kompetenz in Form von "Diversity Management" eine Bedeutung (vgl. SALZBRUNN 2014, DICHATSCHEK 2021).
  • Zunehmend spielen Genderaspekte im kulturellen Bereich eine Rolle(vgl. das Projekt "Welcome Diversity - Vielfalt, ja bitte" > http://www.welcome-diversity.at [12.7.2015] und der IT-Autorenbeitrag? http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vielfalt ja bitte - Welcome Diversity! - Ein Beitrag zur Kampagne 2015 des IZ Wien. Theorie und Praxis von Diversität als Teilbereich der Interkulturellen Kompetenz im Kontext mit Politischer Bildung). Auch hier gilt der ganzheitliche Aspekt, damit nicht Teilbereiche interkultureller Kompetenz ohne die notwendige Grundlage gehandhabt werden.
2.6 Interkulturelle Sensibilität    

Interkulturelle Sensibilität ist der Grad der Empfindlichkeit gegenüber Reizen, die in der eigenen Kultur oder im Umgang im Umgang mit Mitgliedern der eigenen Kultur entweder keine Reize oder anders verstanden bzw. bewertet werden. Im Rahmen der Interkulturellen Kompetenz gilt sie als Voraussetzung für effektive interkulturelle Interaktion (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 298).

Hier wird die Fähigkeit, kritisch kulturelle Unterschiede zu verstehen, angesprochen. Milton BENNETT (1993) verzeichnet drei ethnozentrische - Leugnung, Abwehr und Minimierung kultureller Unterschiede - und drei ethnorelative Phasen - Akzeptanz, Adaption und Integration (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 299-300). Zwar führte die Überprüfung des Modells zu einer Revision mit einer Zusammenführung von Phasen, letztlich zeigt das Modell, dass interkulturelles Lernen tiefgreifende Veränderungen in Selbstverständlichkeiten und bei sozialen Identitäten und im Interpretations- und Werteschema ergibt.

Als Nachteil zeigt sich die Komplexität des Prozesses. Offen bleiben andere Aspekte wie die Verbindungen von Persönlichkeitseigenschaften, Motiven und Selbstbildern.

Kritisch soll vermerkt werden, dass diese Kompetenz als Voraussetzung einer effektiven interkulturellen Interaktion aufzufassen ist, nicht aber als Endziel interkultureller Entwicklung (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 301-302).

2.7 Entwicklungsmodelle interkultureller Fähigkeiten    

Interkulturelle Fähigkeiten im Kontext mit Interkultureller Kompetenz gilt als Schlüsselqualifikation für die Interaktion mit Personen aus anderen Kulturen.

Eine verständnisvolle und wertschätzende Kommunikation und Kooperation ist dann möglich, wenn Persönlichkeitsmerkmale und situative Kontextbedingungen miteinander verbunden sind.

Als Interkulturelle Kompetenz gilt in diesem Zusammenhang die Kenntnis und das Verständnis der eigenen und fremden Kultur, die Anwendung entsprechender Handlungs- und Interaktionsweisen, synergetischer Formen interkulturellen Handelns und alternativer Attributionsmuster und Erklärungsmuster (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 311).

Die in der Folge diskutierten Entwicklungsmodelle ergeben sich aus Lern- und Entwicklungsprozessen, die aus Konzepten zur Bestimmung interkultureller Kompetenz entstehen.

  • Das personalistische Konzept hat als Basis Persönlichkeitsmerkmale, die im interkulturellen Kontext eine neue Qualität erreichen wie Ambiguitätstoleranz, Offenheit bzw. Neugier, Perspektivenwechsel, Selbstsicherheit und Belastbarkeit.
  • Das situationistische Konzept hat zusätzlich als Basis situative Kontextbedingungen wie soziale Beziehungen, Arbeitsbedingungen, Wohn- und Ernährungsaspekte.
  • Das interaktionistische Konzept betont interpersonale interaktive Prozesse mit individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten wie die Relativierung von Gegebenheiten und Ereignissen, die Herstellung multipler Perspektiven, die Reflexion und Evaluation eigener und fremder Handlungsweisen, Gemeinsamkeiten bzw. Überscheidungen von Handlungszielen bzw. Handlungsmethoden sowie die Entwicklung einer beidseitigen kultursensiblen Empathie. Wertschätzung, interkultureller Austausch für Lernzwecke, interkulturelle Kooperationsmöglichkeiten, interkulturelle Vorbereitungsseminare, Coaching und Begleittraining ergänzen die Entwicklungsmöglichkeiten.
Interkulturelle Erfahrungsbildung beinhaltet die aktive Begegnung mit fremdkulturellen Personen bzw. Partnern in Trainings, Rollenspielen, Situationsanalysen und Fallbeispielen mit Videomaterial. Es bedarf nicht nur des Kontexts mit Auslandskooperationen, ebenso ist die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern im Inland zu beachten (vgl. KAMMHUBER 2000; TREICHEL-MAYER? 2011, 314-315).

Zunehmende Bedeutung erhalten vorberufliche Maßnahmen für eine effektive Zusammenarbeit in der Arbeits- und Berufswelt wie Möglichkeiten von Aus-, Fort- und Weiterbildung, Anerkennungsverfahren, Bildung- und Berufsberatung bzw. Informationszentren sowie Arbeitsmarktkenntnissen (vgl. DICHATSCHEK 2021).

Die Kenntnis von Unternehmens-, Behörden- und Organisationskulturen sind vermehrt zu berücksichtigen. Weil immer mehr und öfter für kurze Zeit in mehreren Kulturen gearbeitet wird, sind solche Kenntnisse wesentlich. Plurikulturelle Trainerteams werden künftig zur Regel werden.

Zu beachten sind zunehmend auch Kenntnisse aus bereits erfolgten Auslandserfahrungen im Rahmen von EU-Programmen? und Begegnungen mit ausländischen Partnern im Inland.

3 Interkulturelle Sozialisation - Erziehungsfelder    

3.1 Interkulturelle Sozialisation    

Interkulturelle Sozialisatio bedeutet das Hineinwachsen in die Milieuvielfalt einer Gesellschaft.

Es bedarf der Beachtung jener Besonderheiten, die sich als Instanzen und Kontexte einer Sozialisation beschreiben lassen, etwa einer Bildungs- und Sozialpolitik, der Massenmedien, Kindertagesstätten, der Schule und Jugendhilfe.

Zu hinterfragen ist die Art und Weise der Migrationserfahrung, Mehrsprachigkeit, Mehrfachidentität und /oder Multiperspektivität. Um nicht eine Reduktion auf ein Negativbild aufkommen zu lassen, bedarf es des Hinweises auf wichtige Ressourcen von Zugewanderten und deren Umsetzung im Alltag und Berufsleben (vgl. LEIPRECHT 2012, 3; bereits HAMBURGER 1997).

Gemeinhin spricht man von einem Prozess der Integration in die Gesellschaft, Persönlichkeitsbildung und Identitätsbildung.

Bildungsziel ist eine gesellschaftlich handlungsfähige Person (vgl. NOHL 2010, 178).

In einem altersstufengemäßen Sozialisationsprozess entsteht Persönlichkeit und Subjekt in einem Austausch von sozialer und materieller Umwelt. In einer interkulturellen Sozialisation kommt es neben dem Lebensalter und dem Ort (Region, Land) wesentlich auf die kollektive Zugehörigkeit an.

Zu verhindern ist eine kontinuierliche Wiederholung von Bedrohung und eine Behinderung bei der Entwicklung eines Selbstwertgefühls. Alltägliche Situationen sind mitunter eng verbunden mit Zuschreibungen, Negativbewertungen und/oder Rechtfertigungsdruck, die als Prozess des Zum-Anderen-Machens? ("othering") beschrieben werden können (vgl. LEIPRECHT 2012, 5).

Damit bildet sich

  • ein persönlicher Habitus mit einer Individualität,
  • eine Verschiedenheit von sozialen Rollen, die eingeübt werden (beispielhaft Kind, Schülerin und Schüler, Studierende, Mann/Frau, Mutter/Vater, Berufsrolle, Mitglied von sozialen Gruppierungen) und
  • ein Hineinwachsen in Milieus/soziale Gebilde (Generationen, Geschlecht, Migration, Bildung, Beruf).
Im Folgenden wird auf die Unterschiedlichkeit und Bedeutung von Milieus im interkulturellen Kontext eingegangen (vgl. NOHL 2010, 179-183).

3.1.1 Homogene Milieus    

Neben den Differenzen zwischen den Generationen kommt es zu Geschlechterdifferenzen, hier zu der Beziehung zum anderen Geschlecht (vgl. SCHÄFFER 2003). Insbesondere wird bei Mädchen ein Zwang zu heterosexuellen Erfahrungen festgestellt (vgl. BREITENBACH 2000, 75-77, 185-187).

Vorbilder und Modelle helfen bei den genannten sozialisatorischen Prozessen (vgl. NOHL 2010, 180).

3.1.2 Heterogene Milieus    

Gesellschaftliche und biographische Brüche kennzeichnen Situationen mit ausgeprägter Heterogenität im interkulturellen Kontext (etwa Migration mit Folgewirkungen).

3.1.3 Differenzen    

Zum Tragen kommen Differenzen (Unterschiedlichkeiten) in mehreren Dimensionen. Beispiele dafür sind

  • Bildungsgänge im Herkunfts- und Zuwanderungsland,
  • die Verschiedenheit von ethisch-moralischen Begriffen (etwa "Ehre") und diskrepante/unterschiedliche Haltungen und Formen von sozialen Beziehungen.
  • Differenzen können auch in einem interkulturellen Sozialisationsprozess gegenüber der Elterngeneration entstehen.
  • Allerdings bergen solche Heterogenitäten Potenziale der Kreativität und interkulturellen Bildung in sich (vgl. NOHL 2010, 183).
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Fachliteratur/Auswahl - Interkulturelle Sozialisation

Hamburger F. (1997): Kulturelle Produktivität durch komparative Kompetenz, Mainz

Nohl A.-M. (2010): Konzepte interkultureller Pädagogik. Eine systematische Einführung, Bad Heilbrunn

3.2 Interkulturelle Erziehungsfelder    

Interkulturelle Erziehungsfelder sind eine wesentliche Voraussetzung für die Personengruppe interkulturell Gebildeter, Migrantinnen und Migranten, aller Zugezogener einschließlich Asylantinnen und Asylanten sowie Flüchtlinge.

Im Folgenden werden kontrovers diskutierte Erziehungsmaßnahmen, Vorberufliche und Politische Bildung sowie Muster von Patchworks angesprochen (vgl. SANDFUCHS-MELZER-DÜHLMEIER-RAUSCH? 2012; SCHARRER-SCHNEIDER-STEIN? 2012; SIEDER 2008; NICKLAS-MÜLLLER-KORDES? 2006).

3.2.1 Interkulturelle Erziehungsmaßnahmen    

Über Erziehungsmaßnahmen erfolgt die Entwicklung des Menschen, seiner Kultur und der Gesellschaft.

In hochgradig differenzierten Gesellschaften werden

  • Ziele und Maßnahmen der Erziehung kontrovers diskutiert,
  • Erziehungserfolge werden oft nicht erkannt.
  • Einem wachsenden Interesse an Erziehung steht eine Verunsicherung von Eltern und professionellen Erziehern entgegen.
Die Bedeutung interkultureller Erziehung liegt in der Notwendigkeit eines sinnvollen Umgangs mit dem rasanten gesellschaftlichen und kulturellen Wandel in einer global vernetzten Gesellschaft und ihren Folgen, wobei ein lebensbegleitendes Neu- und Umlernen erforderlich ist. Ein wesentlicher Teil dieses Wandels ergibt sich durch die verschiedenen Arten von Migration und einem "Migrationsrealismus" (vgl. SANDFUCHS-MELZER-DÜHLMEIER-RAUSCH? 2012, 686-687).

Der Begriff der interkulturellen Erziehung weist auf die Prämisse, dass Kultur ein Lerngegenstand sei und die Enkulturation der Kern der Erziehung und Bildung sei. Entsprechende Fachbereiche des Bildungswesens unterstreichen diesen Aspekt. Da es eine einheitliche Kultur nicht gibt, vielmehr auch Unterschiede innerhalb einer Kultur sogar größer sind als zwischen Kulturen, hat interkulturelle Erziehung die gemeinsame Erziehung von Menschen aus verschiedenen Kulturen, Weltanschauungen, Sprachen und Religionen zum Ziel.

Im Gegensatz zur früheren Ausländerpädagogik richtet sich das pädagogische Bemühen auch an die eingesessene Bevölkerung. Ebenso gehen die Intentionen an alle Altersgruppen, also an alle Bildungsbereiche. Minderheiten sind mehr betroffen als die Mehrheitsgesellschaft, mit NIEKE (2008, 101) soll interkulturelle Erziehung auf einen vernünftigen Umgang miteinander in der Gesellschaft vorbereiten (vgl. dazu die Bemühungen der Politischen und Vorberuflichen Bildung sowie Religionspädagogik).

Die Besonderheit interkultureller Erziehung und Lernens ist neben dem Erlernen der eigenen Kultur zugleich die Konfrontation mit anderen, fremden kulturellen Orientierungen (etwa Sprachen/Kommunikation, Religion, Geschichte, Ethik und Kunst).

Mit der Überwindung ethnozentrischer Kulturbetrachtung ergibt sich die Forderung nach gegenseitigem Lernen und Bereichern und Erkennen eigener Identität.

Damit ergeben sich für interkulturelle Erziehungsprozesse in unserem monokulturellem Erziehungsverständnis zwei Folgerungen, verbunden mit einer Neuorientierung des Stellenwerts einer solchen Erziehung (vgl. SANDFUCHS-MELZER-DÜHLMEIER-RAUSCH? 2012, 688-689).

  • Neben dem selbstverständlichen Ethnozentrismus bedarf es der Erkenntnis und Bereitschaft zur Offenheit, dem Erwerb von Wissen, Struktur und Begründung für andere Kulturen.
  • Kulturelles Neu- und Umlernen, persönliche Kontakte mit anderen Menschen, ethisches Handlungsrepertoire und neue Umgebungen ergeben neue Lernprozesse und in der Erziehung eigentümliche Spannungen. Insbesondere in der Schule, auch in anderen Erziehungsinstitutionen, geht man von nationalen und monokulturellen Vorstellungen aus ("nationale Egozentrik").
Der Stellenwert interkultureller Erziehung geht jedoch weit über gängige Vorstellungen von Integrationspädagogik hinaus.

  • Fehlinterpretationen kulturspezifischer Signale und Verhaltensweisen erzeugen Spannungen und Konflikte, die sich nicht nur betriebswirtschaftlich, auch politisch, bildungs-/ wissenschaftsrelevant, medienpolitisch und religiös auswirken können.
  • Spitzenkräfte in Wirtschaft, Bildung, Kultur, Forschung und Technologie gehen davon aus, dass Fremdsprachen- und interkulturelle Kompetenz in Schule, Universität/Hochschulen und Beruf zu den Kernkompetenzen des Jahres 2020 gehören werden (vgl. SANDFUCHS-MELZER-DÜHLMEIER-RAUSCH? 2012, 689).
  • Das Erziehungsziel eines Bewusstseins europäischer Zusammengehörigkeit - ausgehend von einem gemeinsamen Wirtschaftsraum, freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, Freizügigkeit für alle EU-Bürger?, weltpolitischem Einfluss und neuer globaler Verantwortung - bedarf interkultureller Erziehung/Bildung?
Ein Zielkatalog für interkulturelle Erziehung bzw. Bildung hat demnach davon auszugehen, dass

  • der eigene und unvermeidliche Ethnozentrismus erkennbar ist,
  • man mit Fremdsein, dem "Anderen" umgehen erlernt,
  • man Toleranz/Ambiguitätstoleranz übt,
  • man Ethnizität akzeptiert,
  • man Rassismus thematisiert,
  • man Gemeinsamkeiten betont und in Handlungen und Solidarität umsetzt,
  • man Konfliktbewältigung einübt, zu Kulturkonflikten befähigt wird und Kulturrelativismus kennt,
  • man zu kultureller Bereicherung bereit ist und
  • globale Verantwortung erkennt und übernimmt.
Dissens besteht über Strategien und Wirkung interkultureller Erziehung bzw. Bildung. Die Schwierigkeit ergibt sich

  • aus der Komplexität des Fachbereichs,
  • seiner Interdisziplinarität und
  • Umsetzung in den verschiedenen Lernorten.
3.2.2 Schnittstelle Schule - Beruf    

Der Übergang von der Schule in die weiterführende Ausbildung und Berufswahl ist für migrantische Heranwachsende eine besondere Herausforderung.

Wesentlich sind spezielle Grundlagen dieses Übergangs für die Zielgruppe, dies bedeutet vorberuflich-interkulturelle Bildungsmaßnahmen in Verbindung mit Politischer Bildung.

Hier wird als Grundlage für weiterführende berufspädagogische Maßnahmen verwiesen auf den Autorenbeitrag "Vorberufliche Bildung/Erziehung in Österreich", Pkt. 6 "Berufswahl benachteiligter Jugendlicher - Politische Bildung" und Pkt. 7 "Teilbereiche von Vorberuflicher Bildung - Politische Bildung". Pkt. 1.4 behandelt "Vorberufliche Bildung von Migrantinnen und Migranten in der interkulturellen Erwachsenenbildung - Theorie-Didaktik-Methode?".

IT-Hinweis?: http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich

Interkulturell-Vorberufliche? Bildung/"Berufsorientierung" - Aspekte einer Orientierung an die Arbeits- und Berufswelt

  • ZIEL: Erhöhung der Berufswahl- und interkulturellen Kompetenz von Heranwachsenden/Erwachsenen
  • DIDAKTIK: Unterricht - Realbegegnungen - Bildungs- und Berufsberatung
  • DIDAKTISCHE GRUNDSÄTZE: Schülerorientierung - Vorbild- und Unterstützerrolle/Schule-Betriebe-Unternehmen - Projektumsetzung
  • METHODIK: Mikromethodik - Lehrervortrag, Karikatur, Textanalyse, Unterrichtsgespräch, Gruppenarbeit, IT-Netzwerke? < > Makromethodik - Expertenbefragung, Erkundung, Berufspraktische Tage(Erstkontakt-Absolvierung-Bewerbertag?), Planspiel, Pro-Contra-Debatte?, Fallanalyse - Projekt
  • SCHULE: Verbindliche Übung Berufsorientierung - Projektunterricht - Integrierter Unterricht
  • ERWACHSENENPÄDAGOGIK: Lehrgang/Kurs
Alternative interkulturell-vorberufliche Maßnahmen/Weiterbildung

  • AUSGANGSSITUATION: Bildungsniveau - Sprachkenntnisse - Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung - Familienstruktur - Wohnsituation - Aufenthaltsstatus - Grad der Integration
  • INTERKULTURELL-VORBERUFLICHE? BARRIEREN: Anerkennung von schulischen, universitären und beruflichen Bildungsabschlüssen/Nostrifikation - Einführung in landeskundlich-interkulturelles Wissen, Bräuche, Sitten, Werte, Normen und Partizipationsmöglichkeiten-Vorberufliche? Bildung - Förderangebote zum Nachholen von Abschlüssen - Anknüpfen an Lebenssituationen der Klientel - Alltagshilfen - Vermittlungsangebote nach Beendigung der Lehrgänge/Elternberatung
IT-Hinweis?: Berufsanerkennung in Österreich/Nostrifikation > http://www.berufsanerkennung.at (18.1.2013)

3.2.3 Patchworkmuster    

Patchwork-Situationen? kommen bei Zugewanderten ebenso vor wie bei Einheimischen. Insofern sind sie als Element der Erziehung vermehrt zu beachten.

Migrantische Heranwachsende werden durch Trennung der Eltern belastet und müssen in den folgenden Jahren im Umgang mit anderen Menschen, möglicherweise in soziokulturellen Unterschieden, neues Wissen, soziale Emotionen (Empathie) und Handlungsmöglichkeiten lernen. In diese Verantwortung kommen damit alle vier Bildungsbereiche.

Fachbereiche wie Lebenskunde, Berufsorientierung, Sozialkunde, Ethik/ Religion und Politische Bildung weisen auf einen zunehmende Notwendigkeit sozialwissenschaftlicher Kompetenz. Der Kontext zu Interkulturalität und interkultureller Kompetenz ist gegeben.

In Patchwork-Situationen? entsteht jedenfalls ein verändertes Familienleben. Es kann mehr Freiraum und Anregungen bieten. Allerdings belasten falsche Anforderungen den Erziehungsprozess Heranwachsender.

Patchworks im interkulturellen Kontext haben ihre Ursachen

  • in Nationalismus,
  • in Diktaturen,
  • Völkermord und
  • Wirtschaftskrisen
  • sowie im Zugewinn persönlicher Freiheit und Vernunft.
Die Handlungsspielräume erhöhen sich im wachsenden Wohlstand und einer steigenden Demokratisierung. Damit entsteht eine aktive Gestaltung des individuellen Lebens. Neben dem subjektiven Gefühl des Glücks entstehen Widersprüche und Ambivalenzen. Alte Zwänge und Traditionen werden zurückgelassen, neue Ängste und wachsende Unsicherheiten können auftreten. Die höhere Planungsrationalität kann zum Scheitern von Plänen führen. Menschen können sich irren, häufiger verändern sie sich im Laufe der Zeit, im situativen Verhalten und werten die einmal getroffene Wahl um (vgl. SIEDER 2008, 353).

Brüche und Wechsel finden sich im Feld der Politik, im Arbeits- und Berufsfeld und in den persönlichen Beziehungen. Seit den siebziger Jahren nehmen lebenslange Bindungen ab. Insbesondere zeigen dies der häufigere Berufs- und Firmenwechsel, arbeitstechnische Änderungen, die Deregulierung der Arbeitszeiten und persönliche und individuelle Selbstveränderungen, die als neue Normalitäten sich zeigen.

Diese Wechselphänomene und Umwertungen finden sich auch im privaten Bereich in Beziehungen und Familienleben, damit auch in einer pluralen und interkulturellen Gesellschaft.

Bildungsexpansion, Wirtschaftswachstum und demokratische Freiheiten verschaffen erwerbstätigen Frauen und Männern vermehrt Möglichkeiten einer Umorientierung. Damit wächst auch ein Risiko. Folgen sind mitunter Flüchtigkeiten und Ambivalenz. Selbst-Bindung? versus Freiheit und Autonomie verweisen auf Spannungen des Individuums (vgl. SIEDER 2008, 360).

Patchwork-Elemente?

  • Fallen der Liebe in einer Moderne: romantische Liebe - pragmatische Liebe - Vermeidung der Leidenschaft - Liebe als Konsumangebot - skeptische Liebe
  • Trennung: sozial-kulturelle Phänomene - Stieffamilie - Eineltern-Familie?
  • Männerrolle: Familienglück - Erfahrungen der Partner - Folgefamilien - Zuhause für Kinder - Geschwister, Stiefgeschwister, Halbgeschwister - Veränderungen in der Väterabeit
  • Benachteiligungen: neue Bekanntschaft - Gewalt - Trinker - verfeindete Eltern/Verwandtschaft - Bildung der Kinder-finanzielle Ressourcen-realisierbare Pläne
  • Frauenrolle: Affären - Trennung/Scheidung - Großelternrolle
  • Umerziehung: Tod, Trauer, Schuldgefühle - Folgefamilie
  • Patchworkfolgen: Umbau des Familienlebens - Konfliktsituationen - Elternarbeit - Kinder in interkulturellen Familienstrukturen/Veränderbarkeiten
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Fachliteratur/Auswahl: Interkulturelle Erziehungsfelder

Frech S./Kuhn H.-W./Massing P. (Hrsg.) (2004): Methodentrainíng für den Politikunterricht, Schwalbach/Ts.

Nicklas H.-Müller B.-Kordes H. (2006): Interkulturell denken und handeln. Theoretische Grundlagen und gesellschaftliche Praxis, Lizenzausgabe für die Bundesanstalt für politische Bildung Bonn, Frankfurt/M., 163-201

Nieke W. (2008): Interkulturelle Erziehung und Bildung. Wertorientierung im Alltag, Wiesbaden

Sandfuchs U.-Melzer W.-Dühlmeier B.-Rausch A. (Hrsg.) (2012): Handbuch Erziehung - UTB-Band?, Bad Heilbrunn

Scharrer K.-Schneider S.-Stein M. (Hrsg.) (2012): Übergänge von der Schule in Ausbildung und Beruf bei jugendlichen Migrantinnen und Migranten. Herausforderungen und Chancen, Bad Heilbrunn

Sieder R. (2008): Patchworks - das Familienleben getrennter Eltern und ihrer Kinder, Stuttgart

4 Lernfeld Politische Bildung    

Hier werden das Aufgabenfeld, der wenig praktizierte Themenbereich Umweltbildung (Ökologie) und Rituale im interkulturellen Kontext diskutiert. Auf andere Teilbereiche, die ebenfalls Bereiche Politischer Bildung betreffen, wird in Kapitel 8 "Interkulturelle Handlungsfelder" eingegangen.

4.1 Aufgabenfeld    

Als ein wesentliches Aufgabenfeld in der interkulturellen Bildung und Erziehung geht es in einer Politischen Bildung um

  • das Verständnis für die Alternativlosigkeit einer sozialen Demokratie,
  • Regelungen und Entscheidungswege einsichtig zu machen,
  • ein Engagement für die Einhaltung und Verteidigung der Menschenrechte zu bewirken und
  • um Ablehnung von Extremismus, Totalitarismus und Diskriminierung bewusst zu machen (vgl. HUFER 2009, 71; BECKER 2012, 16-22).
IT-Hinweis?: Einhaltung von Menschenrechten/Versammlungsfreiheit > http://wapedia.mobi/de/Riot_Act (21.12.2012)

Menschen werden nicht zu Demokraten geboren, Demokratie muss erlernt und praktiziert werden (vgl. NEGT 2004, 197).

In diesen Zusammenhang sind die Studien aus dem Projekt Civic Education einzuordnen, die sich mit den Aufgaben einer Politischen Bildung im schulischen Bereich der Sekundarstufe I beschäftigen und hier - wie in der Grundschule bei Konzepten eines interkulturellen Lernens - den Rahmen von sozialen Beziehungen abstecken (vgl. HÄNDLE-OESTERREICH-TROMMER? 1999, 164; EICKHORST 2007; HELLMUTH-KLEPP? 2010).

Als Thema der außerschulischen Bildung ist Politische Bildung nach wie vor ein Themenfeld für Spezialisten.

Im europäischen Kontext hat der Europarat und die Europäische Union Aktivitäten gesetzt, ebenso auch in interkulturelle Kompetenz (vgl. BECKER 2012, 18-21).

  • Europarat
1997 "Teilnahme der Jugend am staatsbürgerlichen Leben in der Gesellschaft"

1999 "Education for Democratic Citizenship" (EDC)

"Human Rights Education"

2005 "European Year of Citizenship through Education"

  • Europäische Union
1995 "Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung"

1997 "Für ein Europa des Wissens"

2000 "Memorandum über Lebenslanges Lernen"

2001 "Weißbuch Jugend - Neuer Schwung für die Jugend Europas"

2005 "Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen" (interpersonelle, interkulturelle und soziale Kompetenzen, Bürgerkompetenz und kulturelle Kompetenz) > Anmerkung 4

2010 "Charta für Bildung für demokratische Bürgerschaft und Menschenrechtserziehung"

2012 "Studie: Participatory Citizenship in the European Union" ("Partizipatorische Bürgerschaft")

Zu bedenken ist die Kritik der Migrationsforschung, wonach eine Europäisierung von Themen wie "Zuwanderung" oder "multikulturelle Sozialräume" vorwiegend im restriktiven Sinne von Kontrolle und Beschränkung, nicht aber zivilgesellschaftlich gesehen wird (vgl. PRIES 2001, 58).

Damit betrifft das Lernfeld Politische Bildung mit interkultureller Pädagogik bzw. Lernen. Dies betrifft schulische wie außerschulische Bildungsinstitutionen. Es ist einsichtig, dass demokratische Lehr- und Lernformen praktiziert werden müssen.

"Politische Bildung ist das Gegenteil von Agitation, Indoktrination und Manipulation" (HUFER 2009, 72).

  • Mündigkeit und Selbstbestimmung sind grundsätzliche Prinzipien.
  • Der "Beutelsbacher Konsens" (1976) mit dem Überwältigungs-, Kontrovers- und Beeinflussungsverbot sind Professionalisierungsmerkmale einer zeitgemäßen Politischen Bildung im interkulturellen Kontext (vgl. HELLMUTH-KLEPP? 2010, 65).
  • Eine so verstandene Politische Bildung in Schule und Erwachsenenbildung ist
    • inhaltlich weitgehend ungebunden, verpflichtet der Fachdidaktik und dem Methodentraining (vgl. HELLMUTH-KLEPP? 2010; GAGEL 2000; FRECH-KUHN-MASSING? 2004; HOLZBRECHER 2007, 392-406).
    • Vielfalt, Freiheit und Freiwilligkeit sind jedenfalls die Prinzipien in der Erwachsenenbildung, ausgerichtet auf interkulturelles Lernen.
    • Schulisch wie außerschulisch ist Grundsatz und klassische Kategorie "Teilnehmerorientierung" im interkulturellen Kontext.
  • In jedem Fall ist die Vorsozialisation zu bedenken, die erheblich die Bereitschaft zur inhaltlichen Teilnahme/ Motivation beeinflusst. Der Subjektorientierung ist ein hoher Stellenwert beizumessen.
  • Zentrale didaktische Prinzipien im Lernfeld Politische Bildung sind exemplarisches und biographisches Lernen mit Alltags- und Lebensweltorientierung im situationsbezogenen Kontext.
Anmerkungen

1) Europarat: Schlusserklärung des zweiten Gipfeltreffens des Europarates am 10./11.Oktober 1997 in Straßburg, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung/BRD, Nr. 86, 3.11.1997

2) Für den Begriff gibt es keine befriedigende Übersetzung. In Österreich gilt die Bezeichnung "Politische Bildung". In Deutschland bevorzugt man "Demokratieerziehung".

3) Im Memorandum wird dargelegt, dass die Förderung der Staatsbürgerschaft und Beschäftigungsfähigkeit Ziele eines "lebenslangen Lernens" sind. "Citizenship" findet sich in unterschiedlichen Varianten (Active Citizenship, European Citizenship). Bildung wird als Befähigung zur "politischen Teilhabe" verstanden.

4) "Bürgerkompetenz" umfasst die Fähigkeit zum kritischen Denken und zur Kommunikation, zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben/ Öffentlichkeit (z.B. Wahlen), ebenso Respekt vor demokratischen Werten und Vielfalt sowie Einsicht in eine Förderung einer nachhaltigen Entwicklung.

4.2 Interkulturelle Umweltbildung    

Der folgende Beitrag bezieht sich auf Aspekte einer Politischen Bildung im Bezug auf die wenig praktizierte interkulturelle Umweltbildung, mit dem pädagogischen Bemühen didaktischer Vernetzung unter dem Gesichtspunkt von Nachhaltigkeit als Leitbild (vgl. KAHLERT 2007, 430-441; BRÄUTIGAM-NERB? 2012, 710-714).

Eine interkulturelle Umweltbildung weist

  • auf die Nutzung von Umweltressourcen und die damit verbundene Vielfalt unerwünschter Nebenwirkungen hin. Es geht demnach um Beeinträchtigungen des alltäglichen Wohlbefindens, der Gesundheit, der zukünftigen Versorgung i.e. und w.S., der Nahrungsmittelversorgung, der Schädigung der Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen/Artenvielfalt und sozialen Sicherheit. Unmittelbar lassen sich nicht alle Folgen direkt wahrnehmen. Beispielsweise haben globale Schäden langfristige Folgerungen in Gesundheit und sozialen Folgen. Umweltbildung und Umweltschutz haben daher die Aufgabe einer Daseinsvorsorge. Damit sind die ein Aufgabenfeld einer zeitgemäßen interkulturell zu gestaltenden Politischen Bildung geworden.
  • auf eine Zukunftsgestaltung. Geht man von den Situationen der Erdölkrise, Nutzung der Kernkraft und einer zeitgemäßen Wertorientierung aus, erkennt man die Wirkung vielfältiger Lebensqualitäten/ und Lebensentwürfe. Bürgerinitiativen, neue Parteien und ein neuer Bildungsbereich(Ökologie vs. Ökonomie)sind Kennzeichen seit den siebziger Jahren.
Der Brundtland-Bericht? 1983 der von der UNO eingesetzten "Weltkommission für Umwelt und Entwicklung" weist auf die Bedeutung einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung staatlichen Handelns hin (vgl. HAUFF 1987).

Es gibt keine allgemein gültige Definition für Nachhaltigkeit.

  • Einigkeit besteht über die Grundregel, dass die Nutzung von Ressourcen Regenerationsmöglichkeiten erfordert und ein begrenzter Schadstoffbereich erreicht werden darf sowie Problembereiche ökonomischer, ökologischer und soziokultureller Art tragfähige Lösungen benötigen (vgl. BRÄUTIGAM-NERB? 2012, 711).
  • Nachhaltigkeit benötigt eine Orientierung an sozialer Gerechtigkeit und unterschiedlichen Entwürfen einer Lebensqualität. Der Diskurs wird so ein gesellschaftspolitischer Diskurs mit den Folgen einer Neuorientierung in Lebensweisen.
Globalisierung und Pluralität sind Standards. Aspekte interkultureller Kompetenz erhalten ihre Bedeutung in diesem Themenfeld auf gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgabe hin. Ein Verständnis für Umweltbildung leistet daher auch einen Beitrag für die Entwicklung von Partizipationskompetenz (Bildung/Wissenskompetenz-Mitbestimmung-Mitverantwortung/Handlungskompetenz-Lösungskompetenz). Dies bedeutet im interkulturellen Kontext eine wesentliche Erweiterung im Verständnis von Interkulturalität.

Interkultureller Umweltbildung kommt ein hoher Stellenwert zu. "Pädagogisches Handeln als intentionale Einflussnahme auf die Entwicklung des Einzelnen ist nur zu rechtfertigen, wenn es, verbunden mit Bildungsvorstellungen, dazu beiträgt, den Einzelnen zu befähigen, zunehmend selbständig, einsichtig, eigenverantwortlich und in einer dem Zusammenleben mit anderen dienlichen Weise zu handeln" (KAHLERT 2007, 533-434; vgl. ROST 1999, 214). Der Kontext zu einer interkulturellen Kompetenz ist deutlich aufgezeigt.

Eine pädagogische Ethik zeigt auf, dass neben dem notwendigen Wissen eine Änderung des Handelns in einer Dimension einer Umweltbildung eine Forderung in einer interkulturellen pädagogischen Praxis bedeutet.

Damit bedarf es fachdidaktischer Überlegungen, auch im interkulturellen Kontext. Eine ausschließliche fachspezifische Ausbildung von Lehrenden ist für Kooperationspotentiale mit anderen Fächern hinderlich. Ein Basisausbildungsmodell in "Interkultureller Kompetenz/ICC" wäre jedenfalls hilfreich und fördert einen interkulturell-pädagogischen Lernprozess.

Interkulturell orientierte Politische Bildung ist gut beraten, didaktische Netzwerke einzurichten, damit nicht schwer einlösbare Ansprüche auftreten.

Für eine interkulturelle Umweltbildung kann das folgende Beispiel einer didaktischen Vernetzung als Diskussionsmodell gelten (vgl. ausführlich mit Perspektiven KAHLERT 2007, 436-437).

Politische Bildung im interkulturellen Kontext - Umweltbildung

bearbeitet: Aspekte der Gesundheit - Energieversorgung - Nahrungsmittelversorgung - soziale Sicherung

beurteilt: Modelle einer Gesundheitsversorgung/Präventivmedizin-Alternativmedizin - globale Energieversorgung - lokale und globale Nahrungsmittelversorgung-Welternährung/FAO-Planungen? - Soziale Sicherung: Erziehungssysteme-Bildungssysteme-Berufswahl-Entlohnungsmodelle-Sozialversicherung-Sozialgruppierungen-Partizipationsmodelle?; Demokratiemodelle

weist auf Handlungsmöglichkeiten hin: Beratungsinstitutionen/Rechtsberatung, Ernährungsberatung, Konsumentenberatung, Bildungsberatung, Erziehungsberatung - sozialpartnerschaftliche Modelle; Orte einer Krankheitsversorgung - Energiemodelle - Communities, Gruppierungen, Parteien

Aspekte, Modelle und Handlungsmöglichkeiten sind zumeist miteinander verbunden, schließen keinesfalls einen Sachverhalt vollständig ab, ergeben jedenfalls ein Netzwerk an Möglichkeiten einer Verbesserung und Sicherung von Umweltbedingungen ("multiple Perspektiven"; vgl. GERSTENMAIER-MANDL? 1995, 867-888).

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Fachliteratur/Auswahl

Bräutigam J.-Nerb J. (2012): Systemische Erziehung - Umwelterziehung, in: Sandfuchs W.-Melzer W.-Dühlmeier B.-Rausch A.(Hrsg.): Handbuch Erziehung, 710-714

Gerstenmaier J.-Mandl H. (1995): Wissenserwerb unter konstruktivistischer Perspektive, in: Zeitschrift für Pädagogik, H. 41/1995, 867-888

Gräsel C. (2002): Umweltbildung, in: Tippelt R.(Hrsg.): Handbuch Bildungsforschung, Opladen, 675-689

Hauff V. (Hrsg.) (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht? der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Greven

Heid H./Hoff E.-H./Rodax K. (Hrsg.) (2000): Ökologische Kompetenz, Opladen

Kahlert J. (2007:) Umweltbildung, in: Sander W. (Hrsg.): Handbuch politische Bildung, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung Bonn, Schwalbach/Ts., 430-441

Meadows D.-Meadows D.-Zahn E.-Milling P. (1972): Die Grenzen des Wachstums. Bericht an den Club of Rome, Stuttgart

Rost J. (1999): Was motiviert Schüler zum Umwelthandeln, in: Unterrichtswissenschaft, H. 3/1999, 213-231

Talos E. (2008): Sozialpartnerschaft. Ein zentraler politischer Gestaltungsfaktor in der Zweiten Republik, Innsbruck, 77-90

4.3 Interkulturelle Rituale    

Interkulturelle Bildung hat als Mittelpunkt pädagogischer Bemühungen Erfahrungen der Differenz und der Gemeinsamkeiten. Konstruktive Begegnungen bedürfen der Bearbeitung von Differenzen.

Rituale sind "Fenster in andere Kulturen" und vermitteln interaktive Begegnungen, interkulturelle Erfahrungen und transkulturelle Bildungsprozesse (vgl. WULF 2006, 289-291).

  • Sie erzeugen Gemeinsamkeiten, öffnen in gemeinsamen Aktivitäten Gruppengrenzen und bringen Gruppenmitglieder einander näher. Schüleraustausch, Jugendbegegnungen, Studienprogramme, EU-Bildungsprogramme? und Aktivitäten von Städtepartnerschaften sind Beispiele, in denen Rituale als Formen interkultureller Bildung praktiziert werden( können).
  • Im Ritual entsteht Ordnung. Jeder Teilnehmer erhält seinen Platz zugewiesen. In der unbekannten Situation bietet Ordnung Stabilität und Sicherheit.
  • Rituale ergeben einen interkulturellen Lernprozess mit einem Anfang und einem Ende an geeigneten Orten. Die Organisation ist institutionalisiert und sichert Kontinuität und Kompetenz. In der Wiederholung von Ritualen entwickeln sich bei den Teilnehmern allmählich eine interkulturelle Kompetenz, die in neuen Zusammenhängen angewendet werden können.
  • Rituale dienen der Krisenbewältigung bei Spannungen mit Grupppen unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes. Rituelle Vorgangsweisen etwa bei Begrüßung, Aussprache, Essen, Feiern und Vorhaben sichern Verständigungsmöglichkeiten und die Erfahrung, auf den Anderen angewiesen zu sein.
  • Nach BOURDIEU (1982) sind Rituale "magische Handlungen". Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer glauben an den Wert und die Funktion des Rituals. Negative Erfahrungen aus der Vergangenheit können einen produktiven Einfluss bilden, wenn es etwa um die Aufarbeitung gemeinsamen Leids und unmenschlicher Schicksale in der Vergangenheit geht (vgl. die Bedeutung der Erinnerungskultur, von Zeitzeugengesprächen und Besuchen von Orten gemeinsamer Geschichte).
  • Rituale bearbeiten Differenzen und führen damit zu Erfahrungen des Sichtbarmachens, der Notwendigkeit von Dokumentation. Der Charakter der Vor- bzw. Ausstellung als rituelle Handlung entsteht in einer interkulturellen Gemeinschaft mit einer Handlung, die als Bereicherung des Wissens anzusehen ist.
  • Gegebenenfalls kommt es zur Schaffung neuer Rituale und zu einer Erneuerung einer Institution. Teile der anderen Kultur können verarbeitet, aktiviert und gestaltet werden.
Wenn Bildung in Europa eine interkulturelle Aufgabe hat, so sind Erfahrungs- und Experimentierräume für interkulturelles Lernen wesentlich.

Rituale helfen den Erwerb interkultureller Kompetenz im Umgang mit Personen, Gruppierungen und Kulturen in den Erziehungs- und Bildungsaufgaben der vier Bildungsbereiche zu ermöglichen. "In einer Zeit intensiver Kooperation in Europa und zunehmender Globalisierung liegen hier wichtige, bislang systematisch wenig genutzte Bildungsmöglichkeiten" (WULF 2006, 291-292; WULF-MERKEL? 2002).

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Fachliteratur/Auswahl

Wulf Chr. (Hrsg.) (1995): Education in Europe. An Intercultural Task, Münster-New? York-München-Berlin?

Wulf Chr. (2006): Rituale als Formen interkultureller Bildung, in: Nicklas H.-Müller B.-Kordes H.(Hrsg.): Interkulturell denken und handeln. Theoretische Grundlagen und gesellschaftliche Praxis, Bundeszentrale für politische Bildung Bonn, Frankfurt/M., 285-292

Wulf Chr./Althans B./Audehm K./Bausch C./Jörissen B./Mattig R./Tervooren A./Wagner-Willi M./Zirfas J. (2004): Bildung im Ritual. Schule, Familie, Jugend, Medien, Wiesbaden

Wulf Chr.-Merkel Chr. (Hrsg.) (2002): Globalisierung als Herausforderung der Erziehung. Theorien, Grundlagen, Fallstudien, Münster-New? York-München-Berlin?

5 Interkulturelles Lernen    

"Interkulturelles Lernen wird heute als die Antwort des Bildungssystems auf die Multikulturalität der Gesellschaft verstanden" (HOLZBRECHER 2007, 392).

Gesellschaftspolitische Entwicklungen und Diskurse kennzeichnen Interkulturalität als europäisches Phänomen. Arbeitsmigration, Kriege/Flucht, Asyl, Einwanderung und Wohlstandsgefälle benennen die Situation, die mit dem Begriff Migration verallgemeinernd bezeichnet wird.

Interkulturelles Wissen, Empathie und Handlungsbereitschaft - damit Lernen/ Lernprozesse - werden zunehmend wichtig und bedürfen als Teilbereich einer Interkulturellen Kompetenz mit pädagogischen Bemühungen.

5.1 Konzept interkulturellen Lernens    

Anfang der achtziger Jahre führte der gesellschaftliche Wandel von der Ausländerpädagogik zum Ansatz und Konzept der Interkulturellen Pädagogik.

Kritik entstand an dem Ausländer-Konzept? (vgl. HOLZBRECHER 2007, 394),

  • dass mit der Fixierung auf die Behebung sprachlicher Defizite gesellschaftliche Ursachen aus dem Blickfeld gerieten,
  • dass die Illusion vorherrsche, gesellschaftliche Probleme ließen sich mit pädagogischen/therapeutischen Mitteln lösen;
  • dass "Ausländerpädagogik" eine defizitorientierte Sonder-Pädagogik? sei, insofern sie sich nur an die Migrantenkinder wende und es damit die Gefahr einer Entmündigung dieser Klientel gäbe, und
  • dass der monokulturelle und monolinguale Charakter der Schule nicht hinterfragt werde (vgl. GOGOLIN 1994).
Die neunziger Jahre mit den dramatischen Ereignissen und Herausforderungen von "Wende" - Entfall der Denkkategorie von Ost-West?, große Zahl von Migrantinnen und Migranten aus Ost- und Südosteuropa - führten zu Ambivalenzerfahrungen.

Interkulturelle Pädagogik stand vor neuen Aufgaben einer Auseinandersetzung mit Rassismus, Diskriminierung und Vorurteilen, die zunächst mit einem Diskurs zu einer "antirassistischen Erziehung" und Kritik einer Diskriminierung von Minderheiten führte.

In der Folge entstanden Merkmale interkulturellen Lernens/IKL (vgl. HOLZBRECHER 2007, 395; SCHULZE 2006, 35-57; ROTH 2002, 44; 88-92; GOGOLIN 1994).

  • IKL richtet sich gleichermaßen an Zuwanderer bzw. Familien und die Mehrheitsgesellschaft.
  • IKL ist ein offenes Lernkonzept, das auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert. Es bietet "Friedenserziehung", Konfliktlösungen und in der Gestaltung von Spannungsverhältnissen zwischen Assimilierungstendenzen und ethnischer Segregation Lernprozesse an, die interkulturell zu behandeln sind.
  • IKL hat als Grundlage eine subjekt- und biographiebezogene Pädagogik mit Erfahrungs- und Lebensweltbezogenheit.
  • IKL bezieht sich auf Mehrsprachigkeit in einer pluralen Gesellschaft. Monolingualität wird durch Multilingualität abgelöst.
  • IKL bzw. Interkulturalität/Interkulturelle Pädagogik ist Prinzip, nicht als eigenes Fach zu konzipieren. Damit soll es auf den verschiedene Ebenen des Bildungssystems wirksam werden.
  • IKL basiert auf einem erweiterten Kulturbegriff und Identitätsbildung.
  • IKL hat eine europäische und internationale Perspektive, womit ein Beitrag zu einer Verständigung einer "Weltgesellschaft" beigetragen werden soll.
IKL beginnt dort, sobald Altes als unzureichend sich erweist oder fragwürdig wird. Der beginnende Lernprozess wird als "Erkundung" beschrieben, welcher durch "Lernkulturen"/Didaktik gestützt wird(vgl. NOHL 2010, 183). Hintergrund im IKL ist die individuelle und kollektive Biographie des Lernenden (vgl. SCHULZE 2006, 35-57).

Im IKL geht es um Wissen über fremde Kulturen und Kompetenzen im Umgang mit ihnen (vgl. NOHL 2010, 185-189).

  • Erwerb von Wissen
Kennzeichen des IKL und der Lernprozesse ist das Erschließen eines Kontextes eines fremden Milieus. Diese Fremdheit muss im Lernprozess berücksichtigt werden. Das (zunächst) unverständliche Phänomen muss in dessen Kontext interpretiert werden (können).

Damit kommt man zum Erlernen von Kompetenzen im interkulturellen Kontext.

  • Erwerb von Kompetenzen
Beim Erwerb von IK-Kompetenzen? werden die Gültigkeit der eigenen Selbstverständlichkeiten im Umgang mit fremden Milieu in Frage gestellt.

Man nähert sich dem fremden Milieu, indem man vergleicht, die Fremdheit thematisiert, den sozialen Kontext sucht und biographisch sich dem Gegenüber nähert ("Dialogfähigkeit").

Im Rahmen interkultureller Sozialisation erlernt man

  • den Umgang mit Fremdheit, die spezifischen Einschränkungen und Grenzen,
  • wobei Lernprozesse nicht beliebig verlaufen, vielmehr sozial hergestellt werden müssen.
Jedenfalls ist interkulturelle Kompetenz wesentlich von situativen Kontexten abhängig. Die Fähigkeit, Fremdheit zu beobachten und interpretieren zu können, ist wesentlich für interkulturelles Handeln.

Wissen, Empathie und Handlungsfähigkeit bestimmen letztlich IK-Kompetenz?.

5.2 Ebenen einer interkulturellen Lernkompetenz    

Damit ergeben sich aus den dem interkulturellen Lernen drei Ebenen einer Interkulturellen Kompetenz (vgl. HOLZBRECHER 2007, 395-396):

  • Gesamtgesellschaftlich ergeben sich Koppelungen von globalisierten Marktstrukturen mit Eigenerfahrungen. Es kommt zu einer Dynamik der Ein- und Ausschließung des "Anderen", die dem Einzelnen Entscheidungen abfordern, die immer weniger auf Traditionen oder eigene Werte sich beziehen. Demokratiegefährdend sind dabei Tendenzen zu einem politisch/religiösen Fundamentalismus. Es wird die Dynamik einer globalisierten Gesellschaft als bedrohlich angesehen, Fremdheits- und Ambivalenzerfahrungen mit einem Freund-Feind-Schema? abgelehnt und die Höherwertigkeit der Eigengruppe mit den entsprechenden Folgerungen betont.
  • Interkulturelle Lernkompetenz bezieht sich mit den Handlungsmöglichkeiten auf die überschaubare Alltags- und Lebenswelt. Sicherheit und Vertrautheit sowie Überschaubarkeit vermitteln eine Wir-Identität?, was eher zu einer selbstbewussten und gestaltenden Rolle des Subjekts führen kann/soll.
  • Zu berücksichtigen sind die Ebene der psychosozialen Subjektentwicklung. Aus der Auseinandersetzung mit den Widerständen, Ängsten, Wünschen und Zukunftsperspektiven mit Krisenwahrnehmungen sollte sich psychische Stärke entwickeln, damit Mehrdeutigkeiten und Veränderungen auf den beiden vorhergehenden Ebenen besser behandelt werden können (vgl. NESTMANN-NIEPEL? 1993).
5.3 Kulturelle Ansätze - Relativität und Normenprobleme    

In der Formel "all equal - all different" zeigt sich das Bemühen interkultureller Bildung (vgl. HOLZBRECHER 2007, 397).

Die Differenz des "Anderen" in kulturell heterogenen Räumen entpuppt sich als Herausforderung, weil sich das Problem von gesellschaftlichen und kulturellen Regeln zwangsläufig stellt (Beispiel: Ein Verbot eines strenggläubigen muslimischen Vaters, dass seine Tochter an bestimmten Schulveranstaltungen nicht teilnehmen darf).

In der Folge kommt es zu Differenzen zwischen kulturrelativistischen Regeln und universalistischen Normen. Einen besonderen Aspekt erhält die relativistische Sichtweise durch die Kritik am eurozentrischen Weltbild, in dem die lange Herrschaftsgeschichte Europas in kolonialistischen Einstellungen sich manifestiert hat.

Nach HOLZBRECHER (2007, 397-398) zeigen sich die beiden Positionen in ihren Unterschiedlichkeiten.

  • Der universalistische Ansatz geht davon aus, dass unabhängig von der Zugehörigkeit in der Gesellschaft und Kultur Gemeinsamkeiten/"Universalien" für das "essentiell Humane" in allen Menschen vorhanden sind. Kritisch zu beachten ist die Blindheit gegenüber historisch und kulturbedingten Differenzen. Ebenso gilt, dass es außerhalb einer Kultur keinen liegenden Standpunkt zur Entwicklung universaler Prinzipen gibt.
  • Kulturrelativistische Ansätze zeigen angesichts der Forderung der Gleichwertigkeit der Kulturen die Begrenztheit der eigene Wahrnehmung auf. Kulturelle Vielfalt bringt eine Eigen-Wertigkeit? mit sich, die zu einem Werterelativismus führt. Dies kann zu Handlungsunfähigkeit führen, etwa im Extremfall zur Rechtfertigung von Menschenrechtsverletzungen als kulturell bedingt.
So konträr die beiden Positionen aus pädagogischer Sicht sich zeigen, in der pädagogischen Praxis geht es nicht um ein Entweder-Oder?, vielmehr um ein Spannungsfeld, das keine einfachen Lösungen zulässt. Kennzeichen eines professionellen Handelns sind ambivalente und sich ständig verändernde Handlungsstrukturen, die einen Bildungsauftrag jedenfalls ermöglichen müssen.

5.4 Didaktische Ansätze    

5.4.1 Kategorisierung didaktischer Konzepte    

Im Folgenden wird die Vielzahl von didaktischen Konzepten versucht zu kategorisieren (vgl. den Kontext zur Politischen Bildung).

Vier Grundthemen/Motive erweisen sich als Basis für interkulturelles Lernen.

  • Verständnis und Umgang mit Fremdem,
  • Anerkennung der Identität und des Anderen,
  • Wertungsfreiheit mit Differenz und
  • Verständigungsbereitschaft in/mit globaler Verantwortung.
In unterschiedlicher Gewichtung werden diese Lehr- und Lernziele als Prinzipien im schulischen und außerschulischen Kontext verstanden.

Nach HOLZBRECHER (2007, 399-405) und LANGENOHL-POOLE-WEINBERG? (2015)geht es bei den Themenbereichen um historische Kennzeichen ("Tiefenstrukturen"), antirassistische Erziehung und Ideologiekritik, europäische Identität ("Lernen für Europa"), interkulturelles Lernen ("kulturelle und sprachliche Allgemeinbildung"), Wahrnehmung des Eigenen und Fremden, Diaspora - Exil, Migration - Globalisierung - Transnationalisierung und Wissen um das Fremde.

Historische Kennzeichen:

Orte der Erinnerung

Feiertage/Gedenktage

Fremdwörter

Familien-/Orts- bzw. Stadtteilgeschichten

Rituale/Gesten

Symbole(Kleidung, Sprache)

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Antirassistische Erziehung - Ideologiekritik:

Identifizierung des Rassismus als Herrschaft legitimierter Ideologien/z.B. Kolonialismus, Rechtsextremismus (vgl. ADORNO "Erziehung nach Auschwitz")

gesellschaftliche Zusammenhänge und sozialpsychologische Dynamik von rassistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Einstellungen

historische Bedingtheit einer ethnozentrische Sichtweise

Wahrnehmungsmuster - Biographien, Lebenswelt

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Europäische Identität:

Selbstvergewisserung gemeinsamer Werte/z.B. Europäische Menschenrechtscharta - Gefahr einer Angrenzung

Migrationspädagogik/kultureller Austausch, Vermischung von Kulturen bzw. Entdeckung wechselseitiger Einflüsse/Metapher eines "Netzes" (vgl. MEYER 1997, 115)

Humanisierung menschlicher Umgangsformen und politischer Beziehungen

Entwicklung einer "Zivilgesellschaft"/Gleichheit, Solidarität, Bürger- und Menschenrechte

Rahmen für ein Zusammenleben verschiedener Kulturen (vgl. MEYER 1997, 83)

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Interkulturelles Lernen:

Verständnis für Sprachen als Medium für Identitätsentwicklung - Erkennen von Codes der eigenen und der fremden Sprache

Umgang mit Sprachen der Zuwanderer

Mehrsprachigkeit als Entwicklungsperspektive

Aspekte interkultureller Kommunikation/Sensibilisierung für für kulturelle Codierung von Gesten, Körperhaltungen und Begrüßungsritualen

Migration-Globalisierung-Transnationalisierung?

Objekt-, Subjekt- und Produktorientierung/kultur- und länderübergreifende Bearbeitung von weltweit strukturellen Zusammenhängen

Länderorientierung/Orientierung an speziellen Problembereichen bestimmter Länder

Verständnis von Migration

Wahrnehmung des Eigenen und Fremden

Deutungsmuster in der Kulturgeschichte/Kinderbücher, Filme, Tagespresse - Selbst- und Fremdbild - Fähigkeit zur Selbstreflexion

Fremdheit als biographische und gesellschaftlich bedingte Konstruktion und

Gestaltung des Eigenen und Fremden als Bildungsprozess im öffentlichen Raum(vgl. HOLZBRECHER 1997, 2004)

Diaspora-Exil?

Flüchtlinge als Fremde

Grenzen der Diaspora

Migrationsbewegungen über den Atlantik

Wissen um das Fremde

Ethnologie - Alltagsleben, "teilnehmende Beobachtung"

5.4.2 Gewalt und Rassismus    

Im Folgenden wird auf den Rassismus, Faschismus und Sexismus näher eingegangen, wobei der Schwerpunkt auf den Rassismus im interkulturellen Kontext gelegt wird.

5.4.2.1 Rassismus    

In der folgenden Einteilung nach drei Kriterien lässt sich Rassismus näher bestimmen.

Genetischer Rassismus liegt dann vor, wenn bestimmte körperliche Merkmale oder Eigenschaften qualitativ bewertet werden (vgl. Rückschlüsse von Hautfarbe und geistige Potenzen).

Beim erlernten Verhalten geht es um die Unterstellung von angeborenen Verhaltensweisen, etwa dass Frauen per se weniger Rationalität, mehr Gefühl besitzen.

Kultureller Rassismus liegt dann vor, wenn bestimmte Lebensgewohnheiten, Sitten und Bräuche als negativ deklariert werden.

  • Hier wird Exklusion von Personen und Gruppierungen betrieben, wobei im Ethnopluralismus die Vermischung von Personen und Kulturen abgelehnt wird.
  • Ziel ist eine Trennung von Ethnien. Ausländerfeindlichkeit ist in seiner Begrifflichkeit hier eine Verharmlosung. Abweichungen gelten als Ausschließung alles Fremden. Damit wird eine Bewertung vorgenommen.
IT-Hinweis?

Rassismus-Bericht? EU: Harte Zeiten für Muslims > http://religion.orf.at/stories/2576365 (20.3.2013)

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Literaturhinweise/ Auswahl

Varela M.-Mecheril P. (Hrsg.) (2016): Die Dämonisierung des Anderen. Rassismuskritik der Gegenwart, Bielefeld

Bühl A.(2018): Rassismus. Anatomie eines Machtverhältnisses, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 10153, Bonn

5.4.2.2 Faschismus    

Grundlage ist

  • die Idee eines totalitären Staates unter autoritärer Führung einer Einzelperson und
  • dem Gegensatz zu Demokratie und Liberalismus (vgl. Italien 1919-1943, Spanien 1936-1975, Portugal 1933-1970).
Der Nationalsozialismus ist eine Form des Faschismus mit Rassismus, Mordpraxis und einem Staatsapparat zur Durchsetzung der Partei- bzw. Führerideen.

Als Sonderform gilt der Antisemitismus in versteckter und offener Form.

Als Grundprinzipien gelten

  • der Stärkere hat Recht, Gewalt ist ein legitimes Mittel.
  • Von Natur aus sind Menschen ungleichwertig.
  • Mam braucht eine Führerpersönlichkeit ("starker Mann").
  • Die Weltanschauung gründet sich auf Kampfschriften.
5.4.2.3 Sexismus    

Unter Sexismus versteht man Verhaltensweisen, die eine Person auf Grund des Geschlechts benachteiligen. Die Frauenbewegung der siebziger Jahre bezeichnet darunter das diskriminierende Verhalten von Männern gegenüber Frauen in Politik, Berufs- und Arbeitswelt und Gesellschaft.

Sexismus beruht im Vorurteil, dass die Frau durch ihre biologische Geschlechtszugehörigkeit dem Mann körperlich und intellektuell unterlegen sei. Deutlich wird eine sexistische Haltung, wo eine Person zunächst als Geschlechtswesen und erst in der Folge als Mensch betrachtet und behandelt wird (vgl. dazu das Kapitel 6 "Gender" mit den Ausführungen zu dem sozialen Geschlecht/Männlichkeit).

Ähnlich dem Begriff Rassismus bezieht sich Sexismus auf individuelle Vorurteile und institutionelle Diskriminierung.

Die Begriffsverwendung Benachteiligung von Frauen beschreibt unzureichend die Verschiedenartigkeit von Gewalt gegenüber Frauen und eine von Männern dominierte Kultur in Politik, Beruf und Gesellschaft.

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Fachliteratur/Auswahl: Gewalt und Rassismus

Hall S. (2000): Rassismus als ideologischer Diskurs, in: Räthzel N. (Hrsg.): Theorie über Rassismus, Hamburg-Berlin?, 7-16

Miles R. (1991): Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffes, Hamburg

Miles R. (2000): Bedeutungskonstruktion und der Begriff des Rassismus, in: Räthzel N. (Hrsg.): Theorie über Rassismus, Hamburg-Berlin?, 17-33

Posselt R.-E./Schumacher K. (2001): Projekthandbuch: Gewalt und Rassismus, Mühlheim a.d.Ruhr, 46-52, 83-88, 99-112

Räthzel N. (Hrsg.) (2000): Theorie über Rassismus, Hamburg-Berlin?

5.5 Pädagogische Professionalität - Lehrerbildung    

Theorien pädagogischer Professionalität im interkulturellen Kontext betreffen professionstheoretische Fragestellungen, pädagogisches Handeln, interkulturelle Sozialisation und Lernen sowie interkulturelle Bildung und das Verhältnis zu Edukandinnen und Edukanden/Lernenden (vgl. NOHL 2010, 241-249).

Eine professionelle Lehrerbildung - Aus-, Fort- und ggf. Weiterbildung - ist jedenfalls wesentlich und unabdingbar.

5.5.1 Pädagogische Professionalität    

Professionstheoretische Fragestellungen

IK-Sozialisation?, Lernen und Bildung kommen zumeist ohne pädagogische Bemühungen zustande. Professionelle Pädagogik entsteht durch Lehren, Unterrichten, Helfen, Beraten und Erziehen.

IK-Pädagogik? hilft beim Hineinwachsen in eine interkulturelle Gesellschaft (IK-Sozialisation?), sie lehrt Wissen und Kompetenzen, unterstützt die Lernenden durch Beratung und Erziehung und verschafft Orientierung in Form von IK-Bildung?.

Kennzeichen des pädagogischen Umfelds sind kultur-plurale Gesellschaften mit ihren Repräsentationen.

Funktionen professionellen interkulturell-pädagogischen Handelns bedürfen einer interkulturellen Lehreraus-, - fort- und ggf. -weiterbildung.

Pädagogisches Handeln

Im pädagogisch-professionellen Handeln geht es um konjunktive und kommunikative Sozialbeziehungen.

Konjunktive Sozialbeziehungen umfassen die Existenz- und Wissensform innerhalb von Milieus (etwa Generationen, Geschlechter, Alter, Migration, Bildung, Beruf und Religion). Außerhalb der Milieus spricht man von kommunikativen Beziehungen.

Im pädagogischen Bereich pendelt man zwischen beiden Beziehungen mit den vielfältigen Erfahrungsdimensionen.

Zu bedenken sind organisatorische Anbindungen für ein pädagogisches Handeln.

  • Interkulturelle Sozialisation
IK-Sozialisation? ist mehrdimensional bei den Lernenden angelegt. Notwendig ist jedenfalls, auf Grund verschiedener Biographien, die Hilfe zum Erleben vieler Dimensionen. Dadurch werden die Handlungsmöglichkeiten von Lernenden vergrößert.

Grenzerfahrungen und vielfältigere kulturelle Repräsentationen erweitern das Spektrum der Zielgruppe. Treffen mit Einheimischen in verschiedenartiger Konstellation üben kommunikative Explikationen lebenszyklisch ein, wobei dies nicht immer gelingen kann. Das Verbleiben in eigener konjunktiver Erfahrung bedeutet eine misslungene Erfahrung.

In der Regel begegnen die Lernenden Personen, die in einem anderen Milieu arbeiten. Dies ist nicht nur die Gelegenheit zur Selbstreflexion, sondern auch zur Anwendung von Wissen, Empathie und möglichen Handlungen.

Die Aufgabe der interkulturellen Pädagogik besteht in der Analyse dieses Wissens, Verbreitung und Anwendung. Anwendung bedeutet praktische Erfahrungen sammeln, im Umgang mit dem Fremden. Eine interpretative Haltung soll eingeübt werden. NOHL (2010, 245) spricht in diesem Zusammenhang von einer wichtigen Aufgabe der Pädagogik kollektiver Zugehörigkeit.

Lernen wie Sozialisation hängen in der sozialen Praxis eng mit der konjunktiven und kommunikativen Ebene zusammen (Aneignung von Wissen, Praxis der Begegnung). Wissen kann man lehren und unterrichten, die Praxis muss man erfahren (erkunden, probieren, anwenden/revidieren).

Lernende können über das interkulturelle Lernen hinaus auch von fremden Milieus betroffen, also orientierungsrelevant sein. Damit nehmen sie das Fremde in ihre Handlungsorientierung auf, gleich ob sie es als positiv oder negativ ansehen.

Interkulturalität/Interkulturelle Kompetenz schließt eine völlige Assimilation aus, weshalb Handlungsorientierungen des eigenen Milieus mit Handlungsorientierungen des fremden Milieus relativiert, d.h. in einen Bezug gebracht werden. Daraus kann eine neue Lebensorientierung entstehen. Dies ist eine Frage der Praxis und konjunktiven Erfahrung. Auszugehen ist von einer Anerkennung durch Fremde, wenn eine neue Handlungsorientierung entsteht.

Für Migrantinnen und Migranten bedeutet dies eine existentielle Aufnahme in ein fremdes Milieu (Kultur), eine Relationierung mit dem eigenen Milieu und die Entstehung einer neuen Alltags- und Lebensorientierung. Dieser Prozess steht für den Begriff der interkulturellen Bildung.

  • Professionelle Beziehung zu Lernenden
Die angeführten Ziele interkultureller professionell-pädagogischen Handelns können nur in Beziehung zu Lernenden und über soziale Arrangements erreicht werden, die jedenfalls von Pädagoginnen und Pädagogen initiiert werden. Ziele sind eine Sozialisation, Lernprozesse mit Umsetzungsmöglichkeiten und Bildung. Ein Zusammentreffen zwischen Personen unterschiedlicher Milieus dient als Hilfestellung zur Findung neuer Orientierungen.

Erwünscht ist weder die völlige Übereinstimmung noch eine völlige Differenz der Milieudimensionen. Es muss also zu einem professionellen Arrangement zwischen Konjunktion und Kommunikation kommen.

5.5.2 Lehrerbildung    

Professionell interkulturell-pädagogisches Handeln in den Bereichen Lehre, Unterricht, Sozialisation und Beratung erfordert eine andere Lehrerbildung - Aus- Fort- und ggf. Weiterbildung - zur Erreichung der angestrebten Ziele.

Auszugehen ist von der Notwendigkeit, die sozialen und kulturellen Veränderungen, also die Entwicklung einer menschlichen Umwelt mit einer unzweifelhaft heterogenen Zusammensetzung des sozialen Geflechts, über das Fachliche hinaus in Bildungsprozessen umzusetzen. Professionelles Funktionieren kann nicht angesichts der Fülle der interkulturellen Bereiche - etwa kulturelle Pluralität, Urbanisierung, Gewalt, Ethik - angestrebt und erfüllt werden. Angestrebt kann aber ein ausgeglichenes Verhältnis von interkulturellen Grundlagen und Spezialisierungen, also von akademischer und professioneller Orientierung werden (vgl. ABDALLAH-PRETCEILLE? 2006, 176).

Lehrerbildung im interkulturellen Kontext geht über die aktuellen Berücksichtigungen des Schulalltags hinaus. Erfasst werden muss die Komplexität und Diversität einer heterogenen Gesellschaft, die Normalität geworden ist. Dazu bedarf es eines neuen Kenntnisstandes - interkulturelles Wissen, Empathie und Handlungsbereitschaft - mit Ausbildungen in Interkultureller Kompetenz, Sozialwissenschaften, Kultur- und Sozialanthropologie, Kulturwissenschaft, interkultureller Pädagogik/Migrationsforschung, Politischer Bildung und Schulentwicklung - einem persönlichen Erfahrungshintergrund, interkultureller Didaktik und sozialem bzw. politischem Lernen (vgl. den IT-Autorenbeiträge? http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Lehrerbildung, Politische Bildung).

Dem Prinzip der Veränderung und sozialen Realität ist schulisch Rechnung zu tragen, d.h. ein Rahmen für Interkulturalität in einem Prozess von Schulentwicklung ist zu schaffen.

Es bedarf einer Änderung von Einstellungen zu Ethnozentrismus, Vorurteilen, Öffnung gegenüber Fremdem und Akzeptanz von Unterschiedlichkeiten.

Eine Fortbildung ist darauf abzuzielen, das Verständnis stärker von Dynamiken und Reflexionen zu fördern ist, nicht länger von Typologien ausgehen kann. Lehrende/Unterrichtende benötigen konzeptuelle Werkzeuge zur Weiterentwicklung der Praktiken, um Veränderungen von Einstellungen bewerkstelligen zu können.

Eine Weiterbildung (Höherqualifizierung) geht im bestehenden Bildungssystem nur über den tertiären Bereich, also über universitäre Studiengänge.

  • Hier stellt sich Frage im schulischen Bereich nach Lehrämtern etwa in Interkultureller Kompetenz und/oder Politischer Bildung.
  • Für die Erwachsenenbildung bedarf es einer Ausweitung auf eine Interkulturelle Kompetenz und das Migrationsmanagement.
  • Bestehende Universitätslehrgänge, ggf. mit Einbeziehung des Universitätslehrganges für Erwachsenenbildung, sind/wären attraktive Angebote.
Dies wirft Fragen auch nach Einstellungen, Normen und Werten, damit nach einer Ethik auf (vgl. ABDALLAH-PRETCEILLE? 2006, 179).

  • Das Verhältnis zwischen den Individuen, Gruppierungen, Nationen und Ethnien ist neu zu durchdenken.
  • Hier gibt es theoretische Ansätze in den Kulturwissenschaften/Kulturphilosophie, der Kultur- und Sozialanthropologie, Politischen Bildung und interkulturellen Pädagogik (vgl. den IT-Autorenbeitrag? http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Ethik).
Der interkulturelle Ansatz kann nur in einer Perspektive auf das Subjekt liegen.

6 Gender    

Die Gender-Problematik? stellt sich im interkulturellen Kontext in einer Vielfalt geschlechtsspezifischer Aspekte und einer noch jungen Männerforschung.

  • Beide Bereiche sind für Lernende und Lehrende bedeutend. Der Kontext zur Politischen Bildung ist gegeben, weil gesellschaftliche Aspekte und Strukturen Interkulturalität mitbestimmen.
  • Zu beachten sind das Zusammenspiel von Politikbereichen ("policy"), den unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen, die Koedukationsdebatte und die Thematisierung des Geschlechterverhältnisses.
  • Didaktische Prinzipien mit dem Hinweis auf praktische Problembereiche gehören zu einer Lehre und zu Lernprozessen.
6.1 Geschlechtsspezifische Aspekte    

Interkulturelle Kompetenz und interkulturelles Lernen ist im Zusammenhang mit Politischer Bildung

  • mit Gender - Geschlechtsdifferenzen, Geschlechtsbeziehungen, Geschlechterordnungen und Geschlechterverhältnissen,
  • mit Denken über sex und gender,
  • mit der Wahrnehmung der Vielfalt von Ausgestaltungsmöglichkeiten von Frau-sein und Mann-sein,
  • mit Geschlechtsrollen und Geschlechterverhalten zu sehen.
Gender als soziales Geschlecht wird situativ konstruiert und gewandelt. Junge Frauen und Männer sehen die konkrete Formung ihrer Geschlechteridentität als variabel an, je nach Kontext - weniger als fremdbestimmt. Das Geschlecht wird seltener zu Unrecht als Kategorie für die eigene Biographie oder Gesellschaft gesehen (vgl. OECHSLE-WETTERAU? 2000; RICHTER 2007, 407). Mit dem Aufzeigen von Regeln der sozialen Konstruktion des Geschlechts soll der Geschlechterdualismus überwunden werden, wobei die Interaktionen in gesellschaftliche, institutionelle, soziale, familiäre und sonstige private Kontexte eingebunden sind.

Erwartungshaltungen und biographische Faktoren sowie gesamtgesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Strukturen sind wirksame Indikatoren.

Individuelle Geschlechteridentität und Symbole wie Sprache und Normen haben sich in den letzten Jahrzehnten geändert, unklar bleiben aber die gesellschaftlichen Strukturen.

Widersprüchlich ist in der Dienstleistungs-, Informations- und Wissensgesellschaft die Vergesellschaftlichung von Frauen. Dies zeigt sich in der Gleichzeitigkeit von Integration und und Ausgrenzung, Partizipation und Segregation, Differenzierung und Hierarchisierung, Anerkennung und Diskriminierung (vgl. KNAPP-WETTERER? 2001, 9; RICHTER 2007, 408).

Der interkulturellen Bildung/ Kompetenz in Verbindung mit der Politischen Bildung kommt somit Bedeutung zu, wobei das Zusammenspiel von Politikbereichen/ "policy" wie Frauen-, Familien-, Sozial-, Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Finanz-, Gesundheits- und Migrationspolitik zu beachten sind. Unterschiedliche Sozialisationsbedingungen ergeben unterschiedliche politische Interessens- und Bewusstseinslagen (vgl. METZ-GÖCKEL? 2000, 103-116).

Von Interesse ist das Konzept der Selbst-in-Beziehung?, mit dem Lernprozesse erklärt werden sollen (vgl. HAGEMANN-WHITE? 1998, 27-41):

  • Selbst-in-Beziehung?: Bezogenheit auf andere Menschen
  • Selbst-in-der-Welt?: Entfaltung der Persönlichkeit und Verortung der Zweigeschlechtigkeit
Beeinflusst werden die angeführten Bedingungen von der Trias Familie/Ehe, Kapital/Markt und dem Sozialstaat. Hier entsteht eine unterschiedliche Bindung von Frauen und Männern in den Staat, damit zu Auswirkungen einer Bereitschaft zu Partizipation, Engagement im Staat und politischem Interesse.

"Schon bei Jugendlichen scheinen die Antizipationen zum erwarteten Eingebundensein in Öffentlichkeit und gesellschaftlichen Institutionen das Interesse zu beeinflussen. Diese Zusammenhänge sind in der politischen Bildungsarbeit thematisch zu berücksichtigen, da sie den Blick von den Individuen hin zu den gesellschaftlichen Verhältnissen lenken" (RICHTER 2007, 409).

Je verschiedenartiger Lernende als Persönlichkeit in ihrer Fremd- und Selbstsozialisation mit ihrem Lernverhalten als Geschlechter behandelt werden, desto weniger wird das Geschlecht allein für Diskriminierung verantwortlich sein. Für Lehrende ist die Kenntnis von Mechanismen und Prozessen geschlechtsspezifischer Diskriminierungen wichtig.

In diesem Zusammenhang ist die Koedukationsdebatte mit einer Didaktik von Gleichberechtigung und und Verschiedenartigkeit von Interesse. Geschlechtergerechte Didaktik und reflexive Koedukation sowie Gender Mainstreaming verstehen sich als didaktische Prinzipien. Durch Kontextualisierung versucht man, die unterschiedlichen Interessen, Stärken oder Schwächen und Bedürfnisse zu klären. Fachdidaktische Analysen, Reflexionen der Kommunikations- und Interaktionsstrukturen und die Lehrerrolle gehören zur Geschlechtergerechtigkeit. Im interkulturellen Kontext werden diesen Faktoren eine besondere Bedeutung zugemessen. Ebenso spielt die Sozialstruktur und die Personalhierarchie im geschlechtsspezifischen Lernen eine Rolle.

Idealtypische Ansätze einer interkulturellen schulischen und außerschulischen Thematisierung der Geschlechterverhältnisse sind

  • theoretische Grundprinzipien/Positionen zum Thema Geschlecht/Ideologiekritik, Begriffsarbeit, Reflexionen und Urteilsfähigkeit,
  • Aufarbeitung von Entwicklungen aktueller Benachteiligungen von Frauen und Männern, wobei der Vorzug emanzipatorischer Ziele für beide Geschlechter im Sinne des Gender Mainstreaming gegeben wird und
  • Aktualisierung des weiblichen Anteils in der Geschichte oder/und Politik/Vorbilder in der Lebensgestaltung.
Didaktische Prinzipien sind demnach

  • Befragung von Expertinnen und Experten/Beratungsinstitutionen,
  • Konzepte biographischen Lernens mit dem Ziel, die eigene Lebensgeschichte zu entprivatisieren (vgl. HOPPE 1996; SCHULZE 2006, 35-57),
  • Ansätze für eine Teilhabepraxis in Form von Erkundungen und Praktika/Sammeln von Erfahrungen, Rollenentwicklung und Selbstreflexion des Handelns und
  • körperorientiertes Lernen/Rollenspiel?, Theaterarbeit - Verhalten, Habitus und Gestik; Auflösung von Stereotypen.
Die besonderen Aufgaben einer geschlechtergerechten interkulturellen Bildung - im Kontext mit Politischer Bildung - weisen auf die Ebene gesamtgesellschaftlicher Inhalte, ihrer Kritik und ihrer Verknüpfung mit Problembereichen der Lernenden, etwa der Bildungs- und Berufsplanung, gesellschaftlicher Partizipation, Geschlechterdemokratie, geschlechtergerechte Lebensformen und des Umgangs mit Medien.

"Um die Bildungsaufgaben leisten zu können, ist die Wissensdimension künftig verstärkt in den kritischen Blick zu nehmen" (RICHTER 2007, 414).

6.2 Männlichkeit    

"Das, was in der sozialwissenschaftlichen Literatur als 'Männerforschung' bezeichnet wird, ist inzwischen zu einem komplexen multidisziplinären Wissensgebiet geworden. Im deutschsprachigen Raum dominieren hier die soziologisch orientierten Gender-Studien? mit dem paradigmatischen Schwerpunkt der 'sozialen Konstruktion von Männlichkeit', was mit dazu geführt hat, dass zum Beispiel tiefenpsychologische Ansätze eher im Hintergrund geblieben und entsprechend interdisziplinäre Ansätze immer noch rar sind" (BÖHNISCH 2012, 24).

Die Männerforschung basiert auf dem feministischen Diskursen mit den weiblichen Emanzipationsbestrebungen bzw. Perspektiven und der Kritik an patriarchalischen Strukturen und Haltungen.

Ab den neunziger Jahren entwickelte sich ein Konzept mit Bestimmungen von Männlichkeit, u.a. auch mit einer Modernisierung des männlichen Selbstbildes, der Geschlechterbeziehung und dem Alltagsverhalten (vgl. VOLZ-ZULEHNER? 2009). Gleichzeitig entwickelte sich auch in der Frauenforschung ein Männlichkeitsdiskurs, "[...]der nicht mehr zwangsläufig auf das 'Widersachermodell' rekurrierte. So finden wir heute im deutschsprachigen wie angelsächsischen Raum eine von Männern und Frauen betriebene Männerforschung, die jenseits parteilicher Standpunkte zueinander in Beziehung treten kann " (BÖHNISCH 2010, 25; vgl. THEMENHEFT MÄNNLICHKEIT von EWE-Erwägen?.Wissen.Ethik, 21/2010, 3). Kennzeichnend für den Diskurs ist die Differenzierung in einzelne Forschungsbereiche wie Sozialisation, Familie, Gesundheit, Sexualität, Gewalt, Alter, Migration, Arbeit, Politik und Militär (vgl. BERESWILL-MEUSER-SCHOLZ? 2007; SCHOLZ 2012).

Auslöser für Männerdiskurse sind auch Krisendiskurse. Der gesellschaftliche Aufstieg von Frauen (mit der behaupteten Schwäche von Frauen) und die Logik der Wirtschaft (mit der Betonung von neuen Technologien)beschreiben die Transformation als "Krise" , ohne zu analysieren, für wen die Veränderungen krisenhaft und bedrohlich sind, wobei bestimmte Vorstellungen von Männlichkeit offensichtlich als "natürlich" eine Rolle spielen (vgl. MARTSCHUKAT 2010, 374).

Mit der Einführung des Paradigmas der Dominanzstruktur (Hegemonie) und Ablösung des Patriarchatsbegriffes kommt es zu einer Öffnung der Männerforschung mit einem Theorie- und Forschungshorizont (Entstrukturierung der patriarchalen Macht in Politik, Arbeitsbeziehungen und emotionalen Verhältnissen). In der Gesellschaft werden unterschiedliche Männlichkeiten gelebt und untersucht (vgl. CONNELL 1999). Auch in dieser "Entstrukturierung" kommt es zur Durchsetzung von männlicher Macht, gegenüber Frauen wie auch Männern. Als soziales Konstrukt scheint Männlichkeit mit Macht verbunden zu sein(vgl. MEUSER 2010, 327). Erfahrungen in der Beratung weisen darauf hin, dass diese männliche Dividende quer durch alle Schichten vorhanden ist (vgl. BÖHNISCH 2012, 26).

Mit dem "Handbook of Studies On Men and Masculinities" wird in der internationalen Männerforschung auf die westliche Ökonomie und Formung von Männlichkeit verwiesen. Man verweist auf die nunmehrige Fragestellung, wie Männlichkeit ambivalent in die globalen Machtstrukturen verstrickt ist (vgl. KIMMEL-HEARN-CONNELL? 2005). Die globalen Machtstrukturen haben demnach ein "Gender-Regime?" aufgebaut, das jenseits von Rasse und Nationalität durch männliche Codes zusammengehalten wird. Im interkulturellen Kontext ist von Interesse, dass hegemoniale Männlichkeit in einer Kultur internationaler Beziehungen in fast allen transnationalen Organisationen vorkommt. Verkörpert wird die neue hegemoniale Männlichkeit in entsprechenden Leitfiguren in "scaps", also in Zentren etwa von Technologie, Finanzen und Medien (vgl. BÖHNISCH 2012, 26).

Es zeigt sich, dass in Fortsetzung dieser Entwicklung sozial benachteiligte Männer zu maskulinen Kompensations- und Bewältigungsmustern greifen. Männlicher Habitus und Dividende scheinen auch unabhängig vom Verhalten von Führungseliten zu wirken. Sie dürften in der wirtschaftlichen und institutionellen/organisatorischen Struktur einer weltweiten Gesellschaft eingeschrieben sein (vgl. BÖHNISCH 2012, 27; KREHER 2007).

Wendet man sich der Arbeits- und Berufswelt zu, stößt man auf die Bedeutung der Erwerbsarbeit für den Entwurf der Männlichkeit. Mit dem Wandel des Geschlechterverhältnisses in der Erwerbsarbeit - Rationalisierungs- und Freisetzungstendenzen, Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse - kam es zum gleichberechtigten "adult-worker-Modell" (Zwei-Erwerbstätigen-Modell?), in dem beide Geschlechter ihren Anspruch auf Berufsarbeit bei Gleichbelastung in der Familienarbeit realisieren können/wollen (vgl. LEITNER-OSTNER-SCHRATZENSTALLER? 2004). "Damit ist auch der Vereinbarkeitsdiskurs Beruf/Familie für den Mann eröffnet" (BÖHNISCH 2012, 28). Männer sind nicht auf den Wechsel von Beruf und Familiengründung (Produktions- und Reproduktionsphase) vorbereitet, während Frauen in der Mehrzahl dieses Vereinbarkeitsproblem gelernt haben.

Innerfamiliär mag man sich entsprechend organisieren, in der öffentlichen Anerkennung von Familienarbeit/zweiter Rollenexistenz gibt es eine Spannung zwischen Wunsch und Verwehrung (Berufsbelastung, Termingestaltung, Organisation von Hausarbeit- Anerkennung und Wertschätzung von Vaterschaft) (vgl. AULENBACHER-WETTERER? 2009, 82-100).

Damit ist der Ausgleich zwischen moderner Männlichkeit und der Beanspruchung in intensiven Arbeitsprozessen gefordert bzw. zu bewältigen. Das Verhältnis von Geschlechtergleichheit in der Familie und Ungleichheit im außerfamiliären Bereich wird deutlich.

In der "hidden gender structure" des Lebens- und Alltags geht es nicht um traditionelle Rollenmodelle. Vielmehr erkennt man in dem Aushandeln unter gleichwertigen und akzeptierten Partnern die Illusion von Möglichkeiten und die gefestigten gesellschaftlichen Strukturen im Geschlechterverhältnis, zumal es an familienfreundlichen Sozialstrukturen immer noch - in vielen Regionen und Unternehmen/Institutionen - mangelt. Für die Männer-, Väter- und Familienforschung bleibt ein weites Aufgabenfeld offen. Ebenso bleibt vieles offen für eine familienfreundliche Politik und für Verbesserungen im Genderbereich.

Studien zu "gendered organisations" zeigen an, dass nicht nur innere organisatorische Beziehungen, vielmehr auch in der Organisationstruktur mit den entsprechenden Hierarchien und Praktiken das Geschlecht verankert ist. Das bedeutet das Vorherrschen von männlicher Durchsetzungskraft, Tabuisierungen von Problembereichen und interne Statuskonkurrenz (vgl. BÖHNISCH 2012, 29; LENZ-ADLER? 2010, 221-222).

Im Gewaltdiskurs werden Männer nicht nur als Täter, auch als Opfer erkannt (vgl. LENZ 2007, 22). Dieser Bereich wurde lange tabuisiert und ist nunmehr als neuer Forschungszweig von Interesse. Mobbing ist ebenfalls ein Bereich, der Männer betrifft. Gewaltbereitschaft ist ein männliches Phänomene (vgl. MÖLLER 2009, 356-369; DÖGE 2011; BIRSL 2011).

Im Migrationsbereich ist die soziale Lage und die Alltags- und Lebenswelt vermehrt zu beachten. Soziale Bedingungen und der kulturelle Rahmen sind von Interesse, wie das Geschlecht praktiziert wird, weniger der Zusammenhang von Männlichkeit und Ethnizität (vgl. BAUR-LUEDTKE? 2008, 61-78).

Interkulturalität und Berufspädagogik treffen sich im Problembereich der prekarisierten Arbeitsverhältnisse, insbesondere bei Leiharbeit und Arbeitslosigkeit, wo männliche Identitätsstörungen und psychosomatische Belastungen zu verzeichnen sind. Wechselnde Marktverhältnisse und hoher Bewährungsdruck in Verbindung mit innerer Hilflosigkeit weisen auf massive Problembereiche hin (vgl. PRÖMPER-HANSEN-RUFFING? 2012, 127-146).

Zusammenfassend ist heute Männlichkeit zunehmend von einer Kultur der Geschlechtergerechtigkeit gekennzeichnet, wird anders in Partnerschaften gelebt und in Aushandlungsmodellen praktiziert.

Eine Abhängigkeit des Mannes gibt es in der Erwerbsarbeitsrolle und im Zugang zu einer "inneren Familie" mit dem Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Unterschiedlich werden die verschiedenen Lebensbereiche - Arbeit, Freizeit, Partnerschaft und Männerfreundschaften - interpretiert. Es hat sich eine "Modularisierung von Männlichkeit"(Teildiszipline) entwickelt (vgl. BÖHNISCH 2012, 30).

7 Ethnozentrismus - Eurozentrismus    

Ethnozentrismus ist die soziale Perspektive, bei der die eigene Gruppe im Mittelpunkt steht und alle anderen an ihr gemessen werden. Überlegenheit, Verachtung, Stolz und Eitelkeit sind die Bewertungskriterien, die Reaktion sichere die Homogenität der Gruppe und damit ihre Normen. Eine multikulturelle Gesellschaft wäre damit zum Scheitern verurteilt(vgl. NICKLAS 2006, 93-94). Positive Merkmale werden der eigenen, negative der fremden Gruppe zugeschrieben. Hans NICKLAS (2006, 94) schreibt einem (unzulässigen) Biologismus allerdings basale Verhaltensmuster zu, von denen mitunter das Überleben abhängt (Freund-Feind-Schema?).

Eurozentrismus als besondere Form des Ethnozentrismus ist die Grundhaltung fast jeder Ethnie gegenüber Nachbarn. Unter Bezugnahme auf Karl-Heinz? KOHL (1987, 125) geht es hier nicht um eine Ethnie, vielmehr um das Verhalten von Staaten, die miteinander konkurrieren und möglicherweise Kriege führen. Sie grenzen sich gegenüber der übrigen Welt ab (vgl. Entdeckungsreisen bis zum 18. Jahrhundert: "der gute Wilde", "orientalische Despotie" Kolonialisierung und Exotik des Fremden/Afrika, Indien). Allerdings wird man auch beachten müssen, dass ohne europäische Gelehrte und Sammler Kunst aus den damaligen Kolonien verloren gegangen wäre (vgl. dazu die Sammelobjekte in den europäischen Völkerkunde- und Kunstmuseen). Im Zeitalter der Aufklärung war dies ein gesellschaftskritisches Interesse am Fremden (vgl. KOHL 1987, 126).

Im Fremden wird der Boden für den Aufbau einer Gegenwelt in Form einer Idealisierung geschaffen. Mit der Vernunft und dem Fortschritt erscheinen die Völker und Kulturen als rückständig. Karl-Heinz? KOHL (1987, 132) beschreibt die beiden Positionen als "Verlangen" und "Abwehr". Für das Verlangen stehe Rousseau, der die Gesellschaft im Verfall sah und den Einklang mit der Natur beschwor. Für die Abwehr stehe Voltaire, der die europäische Zivilisation als Höhepunkt der Entwicklungsgeschichte sah. Die beiden Positionen haben bis heute ihre Bedeutung. Menschen sehen in der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft beängstigende Fehlentwicklungen (etwa die Umweltzerstörungen, Klimaveränderungen, Landschaftszerstörungen, menschfeindliches Anwachsen des Verkehrs und Bausünden).

Verständlich ist die Hinwendung zu fremden Kulturen, etwa der Naturmedizin, dem Indianerkult und fernöstlicher Meditationsriten (vgl. NICKLAS 2006, 96). Diese Zwiespältigkeit des Eurozentrismus wird von Karl-Heinz? KOHL (1987)als "kulturelles Überläufertum" benannt. Man denke an die Matrosen, die auf Südseeinseln blieben. Kolonialoffziere blieben in ihren Ländern und lebten mit den Einheimischen, Intellektuelle und Künstler wurden europamüde (Paul Gauguin/1891 Tahiti). Heute zeigt sich dieses Phänomen in der Konversion zum Islam (vgl. ORF-TV-Sendung? "kreuz und quer - Der Charme Allahs", 16.10.2012 > http://tv.orf.at/program/orf2/20121016/599428501). Karl-Heinz? KOHL (1987, 9) stellt die Frage in diesem Zusammenhang, ob die angestrebte Konversion überhaupt möglich ist oder ob es sich um eine äußerliche Travestie der Lebensformen nur handelt, um einen "Eskapismus". Ebenso stellt sich die Frage, ob es ein Produkt der (europäischen) Moderne ist (vgl. NICKLAS 2006, 98).

Mit dem Scheitern einer Annäherung sog. unterentwickelter Gesellschaften im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert entstehen Rassismus und Kulturrelativismus''' (vgl. SCHRÖDER 2019).

  • Der Rassismus findet in der Faschismustheorie in Europa seinen negativen Höhepunkt.
  • Folgewirkungen sind in den Kolonien und im Postkolonialismus zu erkennen.
  • Der Kulturrelativismus bestimmt jede Kultur als ein geschlossenes System von Werten und Normen, Wahrnehmungsgewohnheiten und sozialen Verhaltensweisen. Der einzelne Mensch unterliegt einer prägenden Kraft seiner Kultur. Das Verhalten hängt von jeweiligen Sozialisation ab. Kulturelle Verhaltensweisen können demnach nur innerhalb der Kultur, der man angehört, gesehen und interpretiert werden.
"Es gibt keine Kriterien, nach denen Kulturen bewertet werden könnten, etwa als 'unterentwickelt', 'primitiv' oder 'fortgeschritten'. Es kann, nach dieser Auffassung, also keine allgemeingültigen, verbindlichen Normen für alle Kulturen geben, auch die Menschenrechte nicht; sie gehören den europäischen und amerikanischen Kulturen an" (NICKLAS 2006, 97; vgl. KOHL 1987, 139).

8 Interkulturelle Handlungsfelder    

Im Folgenden sollen beispielhafte Handlungsfelder interkultureller Teilbereiche angesprochen und analysiert werden. Sprachenlernen im interkulturellen Kontext, interkulturelles Management, Erwachsenenbildung und Migration können als Beispiele solcher unterschiedlichen (Lern-)Felder angesehen werden.

Interdisziplinäre Praxen entstehen dort, wo in Handlungsfeldern interkulturelle Fragestellungen, wissenschaftliche Konzepte und Professionalität in der Handlungsumsetzung vorhanden sind.

Aktivitäten entstehen dort, wo der Bedarf gesellschaftlicher Systeme gegeben ist. Solche Subsysteme bedürfen interkultureller Maßnahmen mit Akteurinnen und Akteuren, die eine entsprechende Ausbildung aufweisen und Praxis etablieren(können).

Das Problem und die Chance solcher Handlungsfelder besteht demnach

  • in der Bearbeitung strukturell-kultureller Teilbereiche einer Interkulturalität,
  • in der Arbeitsteilung der Diszipline sowie
  • in den gesonderten Aufgabenbereichen innerhalb der einzelnen Handlungssysteme.
Das Profil der Interkulturalität muss deutlich gemacht werden. Dies geschieht durch Entwicklung einzelner Themenbereiche mit ihren eigenen Charakteristiken.

8.1 Sprachenlernen im interkulturellen Kontext    

Am Beispiel des französischen Bildungssystems lässt sich erkennen, dass eine aus der Migration stammende Schülerschaft vor der Schwierigkeit in den siebziger Jahren stand, eng an ihre sprachliche und kulturelle Situation gebunden zu sein. Mit der interkulturellen Option bildete sich in der Bildungslandschaft Frankreichs die Möglichkeit - unter Einbeziehung der einheimischen Schülerinnen und Schüler - durch die Bereicherung mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen die Sprachdidaktik mit dem Konzept der Interkulturalität zu verbinden (vgl. PORCHER 2006, 189).

Der Europarat hat als Pionier der Interkulturalität Sprachenlernen in seinen Grundprinzipien verändert. Gerade über den außerschulischen Raum (Medien, Berufsleben, Freizeit) wurde Sprache und Kultur als nützlich, Vorteil im Berufsleben, im Tourismus und in der Vielfalt der Medien empfunden. Dies als Impuls für die Gewichtung von Fremdsprachen zu sehen und damit ein Erlernen zu fördern, erscheint im interkulturellen Kontext als wesentlich.

Fremdsprachunterricht findet demnach mehr und mehr als Lernquelle außerhalb der Schule und vor allem in den Medien statt. Damit entsteht eine Situation virtueller Autonomie für die große Zahl der Benutzer multimedialer Technologien (Telefon, Internet, Fernsehen, Film, Audiotechniken, FAX und SMS).

Schulische Aufgabe sollte es sein, diese virtuelle in eine reale Autonomie zu transformierten. Die Lernenden sollten demnach schulisch - als Impulse von diesen unstrukturierten Lernangeboten ("informelles Lernen") - in klar strukturierten sprachpädagogisch-didaktischen Lernprozessen so profitieren zu können, dass diese "mediale Wende" im Angebot von Fremdsprachen mit Hilfe eines selbst gesteuerten Lernens optimal in einen praktischen Nutzen umgesetzt werden kann. Vorrangige Dimension wäre demnach unter Beachtung des interkulturellen Kontextes die Zentrierung auf den Lernenden (vgl. PORCHER 2006, 191). Für den interkulturell ausgerichteten Fremdensprachenunterricht bedeutet dies, dass die Priorität des Lehrens sich auf die Lernenden bezieht, weil damit die Fähigkeit erlernt wird, mit Fremdem vertraut zu werden (in anderer Weise zu fühlen, zu denken, sich etwas vorzustellen, zu leben).

Interkulturalität gewinnt ihre Bedeutung mit der Fähigkeit des Umgangs mit dem Fremden, des Anderen mit dem wechselseitigen Nutzen und einer gegenseitigen Bereicherung. Dies ist der Vorzug der kommunikativen Methode/Methodologien.

Nicht bloße Sprechmaschinen zu erziehen, vielmehr Sprache (Sprachkapital) und Kultur (kulturelles Kapital, soziale Zugehörigkeit) für eine eigene Individualität zu bilden/erziehen und nicht zu trennen, erbringt Kenntnis und Respekt vor dem Anderen.

Damit wird Interkulturalität jener Platz eröffnet, der heute notwendig erscheint.

Mehrsprachigkeit als Konzept geht über einen Fremdsprachenunterricht im üblichen Verständnis hinaus (vgl. SCHADER 2000). Erwünscht wird hier Sprachenkompetenz (mehrsprachige und plurikulturelle Kompetenz; vgl. GOGOLIN 2006, 182).

Im Europarat wurde in diesem Zusammenhang ein "Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen" entwickelt. "Dieses Konzept überschreitet das bisher übliche Verständnis sowohl von Fremdsprachenunterricht als auch vom Unterricht der Standardsprache..." (GOGOLIN 2006, 182). Wird bisher im herkömmlichen Ansatz Fremdsprachlernen so praktiziert, dass man seiner muttersprachlichen Kompetenz einzelne Bestandteile der Kompetenz, in einer Fremdsprache zu kommunizieren, additiv hinzufügt, so tendiert mehrsprachige und plurikulturelle Kompetenz dazu, sich von der Annahme zu entfernen, dass sich L1 und L2 getrennt und ausbalanciert gegenüberstehen. Mehrsprachigkeit wird als Regelfall, Zweisprachigkeit als Sonderfall gesehen.

Interkulturelle sprachliche Bildung zielt auf Sensibilität für Sprachenverschiedenheit und sprachliche Flexibilität. Dieses Konzept erweitert die bisherige Sichtweise.

Man kann interkulturelles Sprachverständnis etwa im Repertoire der Begrüßungsformeln, Glückwünsche, Verhalten bei Essen und sonstiger alltäglicher Sprechsituationen entdecken. Interkulturelle Verständigungsprobleme werden so dargestellt und als Alltagssituationen in ihrem Problemgehalt entschärft (vgl. BREDELLA-DELANOY? 1999; CHEN 1984, 101-102).

Rudolf Muhr, "Wie Deutschlernen Schule machen kann" - DER STANDARD, 15. Jänner 2013, 27

Die Zahl der Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache steigt. Im mehrsprachigen Schulsystem kann ihre Integration gelingen, Beispiele dafür gibt es. Zehn Argumente für eine andere Schuldiskussion.

Kinder, die Deutsch bei Schuleintritt ncht ausreichend beherrschen, sollen als nicht schulreif klassifiziert werden und in eine eigene Vorschulklasse ausgewiesen werden. Alexander Pollak, Hans-Jürgen? Krumm und Rudolf De Cillia haben diesen Vorschlag der aktuellen Schul- und Integrationspolitik in Beiträgen im STANDARD als "Diskriminierung durch Sprache" klassifiziert. Zweifelsohne kann man dies so sehen - gleichzeitig wird damit jede Zuweisung in eine Vorschulklasse zur Diskriminierung. Die geplante Maßnahme bringt die sprachliche Integration von Kindern aus Zuwandererfamilien nach mehr als 20 Jahren wieder auf den Nullpunkt zurück.

Dies gilt sowohl für jene, die diese Aussonderung betreiben, weil diese Maßnahme völlig falsch ist, als auch für jene, die dagegen sind, da sie keine Alternativen anbieten können. Die Gründe:

1. Die Aussonderung der nichtdeutschsprachigen Kinder bei Schuleintritt führt zur Bildung sogenannter Ausländerklassen, in denen die Kinder die Lehrperson als einziges Sprachmodell zum Lernen von Deutsch vor sich haben.

Es ist dies die exakte Wiederholung der sogenannten bunten Klassen, die in den 70er-Jahren in Bayern und in Salzburg praktiziert wurden. Die Lernergebnisse waren so katastrophal, dass das Modell bald aufgeben wurde. Und jetzt soll dieses Modell wieder eingeführt werden?

2. Die nichtdeutschsprachigen Kinder haben bisher problemlos Deutsch gelernt, wenn sie mit sechs Jahren in die Schule aufgenommen wurden, indem sie mit dem Schrifterwerb die deutsche Sprache automatisch mitlernten, vorausgesetzt, sie hatten eine ausreichende Förderung. Warum soll das jetzt nicht mehr möglich sein?

3. Das Modell, dass nichtdeutschsprachige Kinder in die Regelschule eintreten und dort im Klassenverband sowie durch zusätzliche Förderung Deutsch lernen, ist grundsätzlich zu befürworten.

4. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Anzahl der Kinder mit zusätzlichem sprachlichem Förderbedarf nicht mehr als ein Drittel der Schüler pro Klasse beträgt. Es ist sonst für die Lehrpersonen nicht möglich, einen adäquaten Unterricht durchzuführen. Am besten gewährt hat sich, wenn die Kinder zeitweilig aus dem Regelunterricht genommen werden und parallel zum Regelunterricht einen intensiven Deutschkurs bekommen.

5. Dieses Modell wurde Anfang der 1990er-Jahre mit großem Erfolg in Graz erprobt. Damit sei festgehalten: Ohne intensive und gezielte Schulung in Deutsch ist kein erfolgreicher schulischer Spracherwerb der Unterrichtsprache möglich. Daraus ergibt sich gleichzeituig die Notwendigkeit der zeitweisen Separierung der nichtdeutschsprachigen Kinder in Intensivkursen - jedoch innerhalb des täglichen Schulunterrichts. Wie unsere Schulversuche gezeigt haben, genügt ein halbes Jahr, um auf diese Weise Deutsch so weit zu lernen, dass der Schulerfolg gewährleistet ist.

6. Die Annahme, dass allein das Zusammensein mit deutschsprachigen Kindern quasi automatisch zum Erlernen des Deutschen führt, ist falsch. Die schlechtesten Pisa-Ergebnisse? zeigen es, und: schon längst ist es zu einer Segregation gekommen. 2009/10 betrug der durchschnittliche Anteil nichtdeutschsprachiger Kinder an Wiener Volksschulen 51,8 Prozent, in Wels 48 Prozent, in Linz 38 Prozent, in Salzburg 36 Prozent, in Dornbirn 30 Prozent. In Wien gibt es 24 Volksschulen mit einem Anteil von mehr als 80 Prozent nichtdeutschsprachiger Kinder.

In den meisten städtischen Schulen ist daher ein "Wir-lernen-Deutsch-voneinander-Modell?" ohne zusätzliche Deutschkurse längst nicht mehr möglich. Das bisherige Förderungsmodell hat versagt und zu den sogenannten Ausländerklassen geführt, deren Einrichtung jetzt (zu Recht) bekämpft wird - nur: es gibt sie schon längst.

7. Die Maßnahmen von Frau Brandsteidl und Herrn Kurz sind daher eine reine Panikreaktion.

8. Die Pisa-Ergebnisse? zeigen auch, dass Kanada, Australien und Lettland die besten Ergebnisse in fast allen Lernbereichen haben. Warum? Die schulische Mehrsprachigkeit und ihre systematische Förderung ist in Kanada und Australien Bildungsgrundsatz. Lettland hat ein ausgeprägtes zweisprachiges Schulwesen für elf nationale Minderheitensprachen, in dem die Kinder von Zuwanderern zweisprachig unterrichtet werden.

Neben dem oben aufgezeigten Weg stellen sich die zwei- und mehrsprachige Schule und der zweisprachige Unterricht in den Zuwanderersprachen als Schlüssel und als goldener Weg zur erfolgreichen Integration heraus.

9. Österreich braucht daher in den städtischen Ballungsgebieten die Errichtung zwei- und mehrsprachiger Schwerepunktschulen, in denen deutschsprachige und nichtdeutschsprachige Kinder gemeinsam beide Sprachen lernen und voneinander profitieren. Ein wunderbares Beispiel dafür ist die Geidorfschule in Graz, wo es solche Klassen für Kroatisch gibt. Die Schule ist damit so erfolgreich, dass sie die dreifache Zahl der Schülerinnen und Schüler aufnehmen könnte.

Die mehrsprachigen Schulen sind somit nicht nur eine adäquate pädagogische Antwort, sondern vor allem eine menschliche. Sie ermöglichen es, die Herkunftssprachen der nichdeutschsprachigen Kinder zu erhalten und gleichzeitig erfolgreich Deutsch zu lernen. Und die deutschsprachigen Kinder lernen gratis eine weitere Sprache dazu und damit eine weitere sprachliche Welt kennen.

10. Die Diskussion um die sprachliche Integration nichtdeutschsprachiger Kinder muss endlich aus dem Fahrwasser der mangelnden Förderung herauskommen und menschliche Lösungen finden.

Rudolf Muhr ist Leiter der Forschungsstelle Österreichisches Deutsch, lange Zeit hindurch Lehrerausbildner und Universitätslehrer an der Universität Graz.

8.2 Deutsch als Zweitsprache    

Deutsch als Zweitsprache weist nur auf jene Gruppe hin, die einen zweiten Spracherwerb in Deutsch erleben.

Je jünger Kinder sind, wenn sie einen zweiten Spracherwerb erleben, desto größer scheinen die Paralleln zu Kindern, die sich diese Sprache als ersten Spracherwerb aneignen.

Es gilt, dass der Zweitspracherwerb von Personen verschiedenen Alters weitgehend unabhängig von der Erstsprache große Parallelen aufweist.

Deutsch als Zweitsprache stellt deshalb eine große Herausforderung dar, weil es im Bildungskontext im Regelfall um jene Gruppe geht, die ihre Deutschkenntisse trotz pädagogischer Bemühungen (im Kindergarten und der Schule) nur bedingt einsetzen können.

Im Zentrum steht (auch migrationsbedingt) Sprachsozialisation.

Obwohl gern von der Defizithypothese ausgegangen wird, wonach Personen mit einer Migrationsbiographie im Gebrauch von Deutsch als Zweitsprache geringere (defizitäre) Kenntnisse als jene mit der Erst- bzw. Muttersprache Deutsch aufweisen und Deutsch als Zweitsprache gegenüber dem erstsprachlichen Unterricht weniger Ansehen besitzt, wird die Diversitätshypothese bevorzugt, da Deutsch als Zweitsprache und Deutsch als Muttersprache zum Regelfall geworden sind und damit unterrichtlich gleichberechtigt zu behandeln sind (vgl. RÖSCH 2012, 155-156). Damit ist die Beschäftigung mit Deutsch als Zweitsprache als Sprachförderung für eine nicht-dominante Gruppe in ihrer Bedeutung unterstrichen.

Kontrovers werden die zwei wesentlichen Hypothesen zu Erklärung des Zweitsprachenerwerbs diskutiert und im Folgenden referiert.

  • Interlanguage-Hypothese? nach Selinker (1972)
Lernende gestalten Hypothesen über die Struktur der Sprache, die weder in der Ziel- noch Erstsprache zu finden sind. Die Integration der Lernsprache nimmt im Laufe des Lernprozesses zu. Im Sprachunterricht kommt es zu einem differenzierten lernorientierten Vorgehen mit Zwischenstadien. GRIESSHABER (2009) hat in seinen sechs Profilstufen den Erwerb des Syntax beschrieben. MONTANARI (2010) hat bei Kindergartenkindern den Erwerb des Genus- und Kasussystems beschrieben, insbesondere das Durchschauen der Struktur (vgl. RÖSCH 2012, 156-157).

  • Interdependenz- oder Schwellen-Hypothese? nach Cummins (1982, 2000)
Hier wird die bilinguale Entwicklung von einer niedrigeren Kompetenz in beiden Sprachen beschrieben. Wesentlich ist die Unterscheidung zwischen einer situationsgebundenen und einer kognitiv-akademischen Sprachfähigkeit. Diese Unterscheidung hat in den achtziger Jahren zur These geführt, das kognitiv-akademische Niveau müsse in der Erstsprache ausgebildet und in der Zweitsprache in der Folge genutzt werden können (vgl. STEINMÜLLER 1981).

Inzwischen hat sich die Meinung durchgesetzt, dass der Transfer in beide Richtungen möglich ist (vgl. CUMMINS 2000). Nach GOGOLIN (2008) ist entscheidend, dass diese Sprachkompetenz (benannt als "Bildungssprache") überhaupt ausgebildet wird.

Dieser hohe Anspruch an Deutsch als Zweitsprache erfordert ein möglichst schnelles Erreichen eines bildungssprachlichen Niveaus, um an einem zweitsprachlichen Unterricht erfolgreich teilnehmen zu können. Während in jedem Fremdsprachunterricht im Regelfall eine Zeit eines "reinen" Fremdsprachlernens vorgesehen ist, müssen/sollten Lernende von Deutsch als Zweitsprache hier nicht nur die Zweitsprache, sondern auch das Fachlernen in ihrer Zweitsprache bewältigen (vgl. RÖSCH 2012, 157).

Auf der konzeptionellen Ebene sind ebenfalls mehrere Hypothesen von Interesse, die die Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden beschreiben (vgl. RÖSCH 2012, 158-159).

  • Input-Hypothese? nach Krashen (1985)
Hier wird die Umsetzung reduziert auf einen Unterricht, der nur einen authentischen auf das Sprachniveau erreichte Input bereitstellt und auf Regelvermittlung und Fehlerkorrektur verzichtet.

  • Interaktions-Hypothese? nach Long (1985) und Gass (1997)
Input reicht nach dieser Hypothese nicht allein aus, erst der Umgang mit diesem im Nachfragen, Wiederholen, Bestätigen, Überprüfen des Verständnisses und Präzisieren ist die Grundlage für ein Üben. Der Lehrende wird zum Moderator des Lernprozesses, wobei Fehler korrigiert und im Interaktionpsrozess bearbeitet werden.

  • Output-Hypothese? nach Swain und Lapkin (2005)
Ein am Input orientierter Unterricht bildet zwar eine hohe rezeptive, aber geringe produktive Kompetenz aus. Dies zeigt der "Immersionsunterricht", bei dem die Lernenden Fachunterricht in einer Fremdsprache erhalten. Entsprechend ist die Zielstellung hier, Lernende zielorientiert fremdsprachlich zu unterrichten, ein Feedback regelmäßig einzuholen, im Sprachgebrauch nicht nur auf den Inhalt zu achten, auch Sprache formal zu verarbeiten.

  • Noticing-Hypothese? nach Schmidt (1990, 2001)
Lernende richten ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Sprachphänomene, was einen bestimmten Grad an Sprachbewusstsein voraussetzt. Dies bedeutet ein Wecken von Aufmerksamkeit, das Interesse auf sprachliche Formen zu richten und damit Lernarrangements zu gestalten.

Die Zweitsprachdidaktik geht von der Input- zur Output-Orientierung? und damit vom Inhalt zur Form der Sprache, ohne dass der Inhalt aufgegeben wird. In der Folge wirkt sich das auf die Unterrichtsinhalte, die Rolle des Lehrenden und Übungsformen aus. Dies erfordert kognitiv-aktive und sprachbewusste Lernende und gestaltende und moderierende Lehrende.

  • Scaffolding nach Gibbons (2006)
Lernende benötigen nach dieser Hypothese ein Gerüst aus Aufgaben, die den Lernprozess unterstützen und ein selbständiges Lernen ermöglichen. Im Laufe des Lernprozesses erhöht sich die Komplexität der Aufgaben, die Sprachressourcen werden vermehrt genützt, die Unterstützung reduziert sich für ein vermehrtes selbständiges Lernen.

Klar ist die Vermittlung von Sprache in Verbindung mit Inhalten.

Umstritten ist in welchem Verhältnis Bedeutung und Form bei der zu erlernenden Sprache steht und worauf der Focus bei der Sprachförderung gelegt werden soll.

In der Folge werden drei Ansätze dargestellt, die sprachdidaktisch von Bedeutung sind (vgl. SCHIFKO 2008; RÖSCH 2012, 159).

  • Focus on Forms
Eine weitgehend kontextfreie Vermittlung von Fremdsprache mit grammatischem Regelwerk wird angestrebt, wobei moderne Erkenntnisse über einen Erwerb einer Zweitsprache kaum Beachtung finden.

* Focus on Meaning

Die inhaltliche Bedeutung von Sprache wird in den Vordergrund gestellt. Ausgehend vom kommunikativen Ansatz gilt die Annahme, dass über Inhalte und ihre Bedeutung (Meaning) Kenntnisse der Grammatik automatisch erworben werden.

* Focus on Form

Diese Zwischenstellung strebt die Sprachstruktur zum Lerngegenstand an. Das Konzept von LONG (1991) geht von einer situativen Betrachtung der Sprachstruktur aus und strebt einen bedeutungsorientierten Unterricht an. Systematischer Grammatikunterricht findet nicht statt. Kommunikative Kontexte bieten Strukturen zur Automatisierung an.

Lernende bedürfen in einem form-orientierten Ansatz unterrichtliche Unterstützung, konstruktive Korrekturstrategien und Berücksichtigung eventueller Vorkenntnisse.

Als Organisationsformen bietet sich Deutsch als Zweitsprache

  • als Vorbereitungskurs vor der Einschulung für eine begrenzten Zeitraum an. Förderkurse für Lernende mit Förderbedarf in Deutsch haben ebenso ihre Bedeutung. - Feriensprachcamps bieten ihre Dienste an.
  • In zweisprachigen Schulkonzepten kann Deutsch als Zweitsprache als Unterrichtsfach angeboten werden. Dieser Unterricht folgt einem Lehrgangskonzept, weil er sich als ergänzendes Angebot zum Fachunterricht versteht. - Idealerweise folgt der Fachunterricht dem Prinzip der Integration von Deutsch, der die Sprachlernsituation der Lernenden berücksichtigt.
  • Deutsch als Zweitsprache sollte als Prinzip im Fachunterricht etabliert sein und realisiert werden. Homogene Lerngruppen, etwa im großstädtischen Bereich, ergeben auch die Möglichkeit, zweisprachigen Unterricht zu gestalten. Ansonsten ist auf basale sprachliche Phänomene zu achten und Sprachsensibilität gefordert.
Die Möglichkeiten in der Gestaltung des Sprachlernangebots ergeben demnach das Lehrgangs- und Integrationsprinzip. Förderkurse folgen dem Lehrgangsprinzip und sind zweitsprachlich konzipiert. Hier werden Defizite bearbeitet. Im Fachunterricht folgt man dem Integrationsprinzip, sinnvollerweise mit Berücksichtigung der Vorkenntnisse, wobei sprachliche und fachliche Anforderungen gleichberechtigt berücksichtigt werden.

Für Lernende am Anfang ihres Zweitspracherwerbs bei Schnittstellen - Übergang vom Kindergarten in die Schule, von der Primar- in die Sekundarstufe, von der Sekundarstufe I in weiterführende berufsbildende Ausbildungsgänge/"Berufsorientierung" - sind Kurse in Deutsch als Zweitsprache sinnvoll (vgl. die Möglichkeit eines Lehrganges von Vorberuflicher Bildung/"Berufsorientierung" in der Erwachsenenbildung im interkulturellen Kontext, wobei sprachliche Defizite hier interdisziplinär bearbeitet werden können > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich, Kap. 1.4).

Die angeführten Aspekte sprachpädagogischer Erkenntnisse erfordern eine Verankerung in der Lehrerbildung - Aus-, Fort- und Weiterbildung - mit der Beachtung beider Ansätze. Die Maximalvariante wäre ein Lehramt (etwa in Deutschland an der Universität Augsburg/Grund- und Hauptschule bzw. der TU Dresden/allgemein bildende Schulen).

Offen bleibt die Qualifizierung für Erwachsenenbildner. Hier sollten Universitäts- bzw. Hochschullehrgänge Kompetenzen für den Unterricht dieser Zielgruppe vermitteln.

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Fachliteratur/Auswahl: Deutsch als Zweitsprache - Mehrsprachigkeit

Ballis A.-Spinner K. (Hrsg.) (2008): Sommerschule-Sommerkurse-Summer? Learning. Deutsch lernen in außerschulischem Kontext, Baltmannsweiler

Barkowski H. (2003): Zweitsprachenunterricht, in: Bausch R.-Christ H.-Krumm H.J. (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachenunterricht, Tübingen-Basel?, 157-163

Cummins J. (1982): Die Schwellenniveau- und die Interdependenz-Hypothese?: Erklärungen zum Erfolg zweisprachiger Erziehung, in: Swift J. (Hrsg.): Bilinguale und multikulturelle Erziehung, Würzburg, 34-43

Cummins J. (2000): Language, power, and pedagogy: bilingual children in the crossfire, Clevedon

Gass S. (1997): Input, Interaction, and the Second Language Learner, New York

Gibbons P.(2006): Unterrichtsgespräche und das Erlernen neuer Register in der Zweitsprache, in: Mecheril P.-Quel T.(Hrsg.): Die Macht der Sprachen. Englische Perspektiven auf die mehrsprachige Schule, Münster

Gogolin I. (2008): Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund - ein länderübergreifendes Programm zur Optimierung der Sprachbildung, in: Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, H.1, 65-75

Grießhaber W. (2009): L2-Kenntnisse? und Literalität in frühen Lesetexten, in: Ahrenholz B. (Hrsg.): Empirische Befunde zum DaZ-Erwerb? und zur Sprachförderung. Beiträge aus dem 3. Workshop "Kinder mit Migrationshintergrund", Freiburg i. Br., 115-135

Krashen St. (1985). The input-hypothesis: Issues and implications. New York

Krüger-Potratz? M.-Supik L. (2008): Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerbildung, in: Ahrenholz B./Oemen-Welke I. (Hrsg.): Deutsch als Zweitsprache, Baltmannsweiler, 298-311

Long M. (1985): A role for instruction in second language: task-based language teaching, in: Hyltenstam K.-Pienemann M. (Hrsg.): Modeling and assessing second language development, Clevedon, 77-99

Long M. (1991): Focus on Form: A design feature in language teaching methodology, in: De Bot K.-Ginsberg R.-Kramsch C. (Hrsg.): Foreign Language Research in Cross-Cultural? Perspektive, Amsterdam, 39-52

Montanari E. (2010): Kindliche Mehrsprachigkeit - Dezermination und Genus, Münster

Ohm U.-Daase A.-Mertens M. (Hrsg.) (2012): Mehrsprachigkeit und sprachliche Bildung im Übergangsbereich, Münster

Rösch H. (2010): Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerbildung, in: Arnold K.-Hauenschild K.-Schmidt B.-Ziegenmeyer B. (Hrsg.): Zwischen Fachdidaktik und Stufendidaktik. Perspektiven für die Grundschulforschung/Jahrbuch Grundschulforschung, Bd. 14, Wiesbaden, 145-150

Rösch H.-Rotter D. (2010): Formfokussierte Förderung in der Zweitsprache als Grundlage der BeFo-Interventionsstudie?, in: Rost-Roth? M.(Hrsg.): DaZ? - Spracherwerb und Sprachförderung. Deutsch als Zweitsprache, in: Beiträge aus dem 5. Workshop "Kinder mit Migrationshintergrund", Freiburg i. Br., 193-212

Schifko M. (2008): "..oder muss ich explizier werden?" Formfokussierung als fremdsprachendidaktisches Konzept: Grundlagen und exemplarische Unterrichtstechniken, in: Fremdsprache Deutsch, H. 38, 36-45

Schmidt R. (1990): The role of consciousness in second language learning. Applied Linguistics, H. 11, 129-158

Schmidt R. (2001): Attention, in: Robinso P.(Hrsg.): Cognition and second language instruction, Cambridge

Selinker L. (1972): Interlanguage, in: International Review of Applied Linguistics in Language Teaching, H. 3, 209-231

Steinmüller U.(1981): Begriffsbildung und Zweitspracherwerb. Ein Argument für den muttersprachlichen Unterricht, in: Essinger H.-Hellmich A.-Hoff G.(Hrsg.): Ausländerkinder im Konflikt, Königstein, 83-97

Swain M.-Lapkin S. (2005): Multilingualism through immersion?, in: Wolff D. (Hrsg.): Mehrsprachige Individuen - vielsprachige Gesellschaften, Frankfurt/M., 191-206

8.3 Interkulturelles Management    

Grundannahmen des interkulturellen Managements sind

  • Unterschiede zwischen den Kulturen (Sprachen, Sitten, Religionen, Weltorientierungen),
  • unterschiedliche Auffassungen von Management, wobei eine Verbindung von Managementkonzeptionen in bestimmte Kulturräumen zur Kultur des jeweiligen Raumes angenommen wird (vgl. GEERTZ 1973; MERKENS 1992; PASCALE-ATHOS? 1982; KASPER-MAYRHOFER? 2002, 173-175; HOFSTEDE-HOFSTEDE? 2011) und
  • dass unterschiedliche Kulturen in einzelnen Unternehmen sich ausbilden. Das wird innerhalb des gleichen Wirtschaftssystems und der gleichen Kultur als gegeben angenommen (vgl. MERKENS 1992).
Der Einfluss der Mutterkultur wird als wesentlich angesehen. HOFSTEDE-HOFSTEDE? (2011, 185-192) stützen diese These, die bei einer Befragung große Differenzen zwischen den Beschäftigten ergeben hat (vgl. MERKENS 2006, 230). Die Auseinandersetzung mit diesen Erkenntnissen ist im interkulturellen Kontext von besonderem Interesse. Maskuline und feminine Länder seien auf Grund ihrer kulturellen Charakteristiken wirtschaftlich unterschiedlich stark. Schwerindustrie und chemische Industrie werden maskulinen, Kulturen mit Stärken im Dienstleistungsbereich und einer Intensivlandwirtschaft dem femininen Bereich zugeordnet (vgl. HOFSTEDE-HOFSTEDE? 2011, 191). Verbunden wird dies einerseits auch mit der erhöhten Bereitschaft zur Konfliktbereinigung und erhöhten Frauenbeschäftigung wie andererseits einem erhöhten Leistungs- und Wettbewerbsgedanken und der Konkurrenz am Arbeitsplatz. Kritisch ist zu diesen und den anderen Aussagen zu bemerken, dass es zu einer Tendenz einer Übergeneralisierung, nationaler Begriffe, westlicher Prägungen, mitunter veralteter Daten und damit geringer Erklärungen kommt. Ohne Zweifel ist als Vorteil eine Erstorientierung zu sehen.

Ersichtlich ist, dass interkulturelles Management eine Herausforderung für internationale Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen darstellt. Hier ist nicht nur an Wirtschaftsunternehmen, auch an Kulturinstitute, Bildungseinrichtungen, den Diplomatischen Dienst und Truppenkörper im Friedenseinsatz (UNO) zu denken.

Folgt man HILB (1991, 111-120), so kann man Unterscheidungen für internationale Betriebe und Einrichtungen erkennen:

  • Ethnozentrisch: Die nationale Unternehmenskultur setzt sich durch. Man erzwingt etwa eine gemeinsame Unternehmenssprache (etwa Englisch), Kontroll- oder Dokumentationsstrukturen.
  • Polyzentrisch: Man geht davon aus, dass in den verschiedenen Ländern nationale Unternehmenskulturen sich ausbilden. Kulturelle Vielfalt wird damit zugelassen.
  • Eurozentrisch: Diese Variante forciert den Blick auf europäische Normen und Werte, ist also international umstritten.
  • Geozentrisch: Eine von einzelnen Kulturen unabhängige Unternehmenskultur wird praktiziert. Die Unterscheidung zur ethnozentrischen Variante ist damit eher.
Um Differenzierungen erreichen zu können, die Organisationen/Unternehmen/Institutionen unterscheiden zu können, hat LAUGHLIN (1991, 209-232) drei Ebenen eingeführt, die im Folgenden darzustellen sind.

  • Systemebene
Entscheidende Vorgaben ergeben sich bei internationalen Unternehmen wie ein bestimmter Ort in einem bestimmten Land, entsprechende nationale Vorschriften, entsprechende Vorgaben und Wert- bzw. Normvorstellungen. Strategische Entscheidungen werden für Subunternehmen in diesem Kontext gefällt. Eventuelle Unternehmenszusammenschlüsse ergeben Veränderungen in der Unternehmenskultur auf der Systemebene. Mögliche Differenzen werden vorschnell als interkulturelle Konflikte stilisiert (vgl. MERKENS 2006, 231-232).

Im Aufbau von Unternehmen lassen sich nationale kulturelle Unterschiede erkennen. Hat ein deutsches/österreichischen Unternehmen einen Betriebsrat, so gibt es dafür in anderen internationalen Unternehmen kein Verständnis dafür. BOLTEN (2007) zeigt die Wichtigkeit von richtigen Gesprächspartnern und in der Folge die Bedeutung von interkultureller Kommunikation als Teilbereich interkulturellen Managements auf

Joint Ventures bedeuten für das interkulturelle Management als gemeinsame Tochterunternehmen von mehreren Unternehmungen mitunter ein Potential gravierender Interessenskonflikte, die systemisch bestimmt sein können, auf der Ebene von interkulturellem Management aber ausgetragen werden.

"Auf der Systemebene lassen sich am schnellsten konkrete Probleme des interkulturellen Managements identifizieren, allerdings ergeben sich gravierende Probleme, wenn man sie im Rahmen von Weiterbildung bearbeiten will[...]" (MERKENS 2006, 233-234).

  • Ebene der Routinen
Routinen als Alltagspraktiken kann man (teilweise) nationalen kulturellen Kontexten zuordnen.

  • Die Zeitorganisation gehört zu den nationalen kulturellen Gewohnheiten, die den Alltag und Arbeit bestimmen (vgl. monochrones und polychrones Zeitmanagement, Jahreszyklen). Unterschiedliche Praktiken erzeugen Differenzen und Hindernisse im interkulturellen Management.
  • Unterschiedliche berufliche Ausbildungssysteme können ebenfalls Unterschiede in der Routine begründen. Dies betrifft die Qualifikation der Arbeitskräfte wie die Professionalität und Entscheidungskompetenz der Beschäftigten. Durch die IT-Unternehmenskulturen? verändern sich massiv Routinen im internationalen Management, wobei sich nationale Eigenheiten als hinderlich erweisen können.
  • Durch das Ende der Planwirtschaft bekamen diese Phänomenen zunächst größere Bedeutung, mussten doch die Routinen zugunsten der Marktwirtschaft geändert werden, so im Qualitätsmanagement, Controlling und im Aufwand an Dokumentation (vgl. MERKENS 2000). Dabei zeigt sich grundsätzlich die hohe Persistenz in Form einer erschwerten Austauschbarkeit des Alltagshandelns in Unternehmen, Betrieben, Institutionen und Organisationen.
  • Kulturebene
"Hier ist festzustellen, dass sich interkulturelles Management in der Vergangenheit in erster Linie auf Probleme und deren Lösung beschränkt hat, die sich auf der Managementebene lokalisieren lassen" (MERKENS 2006, 236).

Von Interesse ist der Umstand, dass Menschen mit ihrer Herkunft, alltäglichen und beruflichen Leistung, Werten, Kultur, Handlungsmustern und sozioökonomischen Problemstellungen vernachlässigt wurden. Man war der Meinung, dass sie - aus der Sicht der Unternehmen - ihre Anpassungsleistung selbst zu leisten hätten.

Es ist LAUGHLIN (1991) zu verdanken, dass der Umstand einer schwer veränderbaren Kultur aufgezeigt wurde. Dies schlägt sich auch auf das interkulturelle Management. Die Herausforderung besteht im besseren Kennenlernen der anderen Kultur(en). Misslingt dies, gibt es offensichtlich ein erhebliches Konfliktpotential. Die Folge sind daher Angebote in Trainings, die nicht hinreichend sozioökonomische Wirkungen, Erziehungssysteme und das Ausbildungsniveau der Beschäftigten berücksichtigen (vgl. JACKSON-AYCAN? 2001, 5-9). Universelle und kulturspezifische Merkmale werden ebenso nicht hinreichend berücksichtigt und unterschieden. Häufig wird nur das Besondere dargestellt, ohne es vom Allgemeinen abzugrenzen (vgl. MERKENS 2006, 237).

Folgerungen für die notwendige Weiterbildung wären demnach Differenzen zu entdecken, die interkulturell vermerkt werden. Dazu gehören auch die verschiedenen Ebenen des Managements.

  • Es bedarf der Weiterbildung (Höherqualifizierung) der Beschäftigten in Sprachen und Kultur des jeweiligen Ziellandes. Darüber hinaus sind sozioökonomische, bildungsrelevante und wert und religiös sensible Wirkungen zu behandeln. Für die notwendige Offenheit ist die eigene Kultur zu hinterfragen bzw. zu modifizieren.
  • Routinen und Strukturen der Organisation mit Vernetzungen sind zu optimieren bzw. abzuändern, wenn der Bedarf gegeben ist. Betriebliche Weiterbildung im interkulturellen Kontext - entsprechend organisiert und in der Erwachsenenbildung berufspädagogisch entwickelt - ist hier gefordert. Gemeint ist das Öffnen und Einbeziehen von neuen Alternativen.
8.4 Interkulturelle Erwachsenen- und Weiterbildung    

Erwachsenenpädagogik im interkulturellen Kontext benötigt einen Platz in den vielfältigen Einrichtungen erwachsenenpädagogischer Institutionen.

Eine Theorie und Praxis des interkulturellen Lernens ist seit den neunziger Jahren Bestandteil erwachsenenpädagogischer Bemühungen (vgl. SCHNEIDER-WOHLFAHRT?/PFÄNDER/PFÄNDER/SCHMIDT/LANDESINSTITUT FÜR SCHULE UND WEITERBILDUNG 1990).

Im erwachsenenpädagogischen Bereich werden dzt. in der Regel Themen aus der Migration und Einwanderungsgesellschaft zumeist in kirchlichen Bildungswerken und an Volkshochschulen, hier in Form von Sprachkursen, behandelt. Katholische Tagungshäuser und Evangelische Akademien behandeln Themenbereiche diskursiv, die dem Lernfeld Politische Bildung zuzuordnen sind.

Ein umfassendes Angebot mit interkulturellen Inhalten ist schwer überschaubar und inhaltlich wenig gegliedert (vgl. für den zunehmend interessanten ethnologischen Bereich LÜSEBRINK 2004; TUSCHINSKY 2007, 263-273).

Exemplarisch bieten sich Themen an wie

  • Formen und Geschichte der Migration,
  • Wanderungsgeschichte,
  • biographische Porträts,
  • multikulturelle Gesellschaft,
  • Demokratie und kulturelles Lernen,
  • Migration und Teilbereiche der Politik ("policy"),
  • gesellschaftliche Herausforderungen für Bildung und Erziehung,
  • Lernen gegen Ausländerfeindlichkeit,
  • Gewalt und Rassismus,
  • Antisemitismus sowie
  • Partizipationsmöglichkeiten und Organisationsformen.
Klassische Formen erwachsenenpädagogischer Angebote sind Lehrgänge/Kurse, Projekte, Seminare und die Arbeit mit Netzwerken.

Eine Didaktik mit interkulturellen Aspekten im Kontext einer Einwanderungsgesellschaft bildet sich heraus (vgl. BERTELS-BUSSMANN? 2013).

Eine Fort- und Weiterbildung für Erwachsenenbildner existiert für allgemeine Ausbildungs- und Fortbildungsbereiche im Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (Strobl), als Weiterbildung in Form eines universitären Studiums an den Universitäten Graz und Klagenfurt, im Universitätslehrgang für Erwachsenenbildung (Universität Graz - Bundesinstitut für Erwachsenenbildung), als Kompetenzanerkennung in Verbindung mit Angeboten in anderen Institutionen in Form der "Weiterbildungsakademie Österreich"/Wien und im interkulturellen Kontext als Universitätslehrgänge an der Universität Salzburg und der Donau-Universität? Krems.

Die Autoren des "Handbuchs für interkulturelle Gruppenarbeit" beziehen sich auf Übungen im Kennenlernen, Wahrnehmung, Interaktion/Kommunikation, Sensibilität für fremde Kulturen, kulturelle Vergleiche und Vorurteile (vgl. FISCHER/KALLINIKIDOU/STIMM-ARMINGEON? 2001; vgl. als Methodenbuch GROSCH-GROSS-LEENEN? 2000).

Biographisches Lernen

Ein Kernthema von Lernprozessen im interkulturellen Kontext ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie, die zur Frage der Zugehörigkeit führt. In einer pluralen Gesellschaft ist die eindeutige Zuordnung nach allgemeinen Kategorien wie etwa Nationalität, Ethnie, Schicht und Konfession nicht mehr gegeben (vgl. FISCHER/KALLINIKIDOU/STIMM-ARMINGEON? 2001, 201). Ein biographischer Lernprozess beinhaltet die Chance der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und historisch gesellschaftlichen Strukturen (vgl. Punkt 8.8).

Erwachsenenpädagogische Impulse zu forcieren, idealerweise in Verbindung mit den Lernfeldern Interkulturelle Kompetenz und Politische Bildung, ist Anliegen des Autors (vgl. DICHATSCHEK 2012, Universitätslehrgang Interkulturelle Kompetenz: Schlussarbeit > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich, Punkt 1.4).

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Fachliteratur/Auswahl: Interkulturelle Erwachsenen- und Weiterbildung

Fischer V./Kallinikidou D./Stimm-Armingeon B. (2001): Handbuch interkulturelle Gruppenarbeit, Schwalbach/Ts.

Grosch H.-Groß A.-Leenen W.R.(2000): Methoden interkulturellen Lehrens und Lernens, Saarbrücken

Schneider-Wohlfahrt? U./Pfänder B./Pfänder P.-Schmidt B.-Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.) (1990): Fremdheit überwinden. Theorie und Praxis des interkulturellen Lernens in der Erwachsenenbildung, Opladen

8.5 Migration    

Fast drei Prozent der Weltbevölkerung - ca. 190 Millionen Menschen - sind Migrantinnen und Migranten. Das Phänomen, dass Personen, Gruppen und Massen ihre Heimat verlassen, um an einem anderen Ort ein besseres Leben zu finden bzw. führen, ist nicht neu. In einer globalisierten Welt mit schnelleren und besseren Verkehrswegen und vielfältigen Informationsangeboten nimmt es jedoch stark zu.

Seit den sechziger Jahren hat sich die Nettomigration in die OECD-Länder? verdreifacht. Relevant ist das Thema nicht nur für Migrantinnen und Migranten selbst, sondern auch für die aufnehmende Gesellschaft wie für die Herkunftsländer

Migration kann enorme Chancen bieten, den Einzelnen wie die Gesellschaft jedoch auch vor große Herausforderungen stellen (vgl. KEELEY 2010).

Neben den dargestellten Aspekten einer interkulturellen Kompetenz spielt Migration als Ausdruck einer vorhandenen Interkulturalität gesamtgesellschaftlich eine wesentliche Bedeutung (vgl. HAN 2010, 5).

Mit dem Begriff Migration bezeichnet man eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes aus einem Land in ein anderes bzw. einer Region in eine andere, innerhalb und außerhalb der Grenzen von Gesellschaften und Staaten (vgl. HOCHGERNER 2011, 161; TREIBEL 2008, 21; FASSMANN-STACHER-STRASSER? 2003, 10).

Nach der international verwendeten UN-Definition? ist eine Migrantin bzw. ein Migrant eine Person, die in ein anderes Land als ihr Herkunftsland einreist und sich dort mindestens zwölf Monate aufhält (vgl. STRASSER 2009, 18).

Nach internationalen Definitionen besteht eine Bevölkerung mit Migrationshintergrund aus allen Personen, deren Eltern im Ausland geboren wurden, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Durchschnittlich lebten 2010 1,543 Millionen Personen mit Migrationshintergrund in Österreich. Dies waren 18,6 Prozent der Gesamtbevölkerung (vgl. STATISTIK AUSTRIA 2011a, 20). Für wie viele Generationen von einem Migrationshintergrund gesprochen wird, ist eine Definitionsfrage (vgl. GERCEK 2011, 9).

Durch die zunehmende Mobilität bleibt man in der Realität heute seltener an dem Ort sesshaft, wo man geboren ist.

8.5.1 Gründe und Ursachen    

Gründe dafür

  • ist ein Streben nach besserem Leben (vgl. HAN 2010, 17),
  • die Hoffnung auf einen besseren Arbeitsplatz,
  • auch Abenteuerlust,
  • hauptsächlich aber sozialer Schutz, Sicherheit bei Arbeit und vor Verfolgung (vgl. TREIBEL 2008, 21).
Ursachen von Wanderungsströmen sind zumeist ökonomische und demographische Gründe (Arbeitsmarkt, Lohnentwicklung und Bevölkerungsentwicklung). Von Interesse sind persönliche Beziehungen wie Verwandtschaft und der Bekannten- bzw. Freundeskreis, die Informationen über eine Auswanderung zukommen lassen.

Zunehmend spielen in der Form internationaler Migration Konflikte, Krieg, Verfolgung, Armut, Hunger und Umweltkatastrophen eine Rolle.

Das Push-Pull-Modell? ergibt das Zusammenwirken dieser Faktoren des Herkunftslandes mit dem des Ziellandes. Danach gibt es die "Vertreibung" (push) und "Anziehung" (pull), die eine Wanderung ergeben (vgl. TREIBEL 2008, 40-42).

8.5.2 Typologien    

Typologien von Migration konkretisieren und differenzieren den Migrationsbegriff:

  • räumliche Aspekte
Binnenmigration

internationale Wanderung

  • zeitliche Aspekte
begrenzte Auswanderung

dauerhafte Auswanderung

  • kausale Aspekte
freiwillige Auswanderung

erzwungene Auswanderung

Den Umfang von Migration unterteilt man in

  • Einzel- bzw. Individualwanderung,
  • Gruppen- bzw. Kollektivwanderung und
  • Massenwanderung (vgl. TREIBEL 2003, 20).
8.5.3 Fallbeispiel Österreich    

Österreich verfügte ab 1992 als erstes westeuropäisches Land über ein Einwanderungsgesetz (vgl. FASSMANN-MÜNZ? 1996, 209). Weil Einwanderung einen negativen Beigeschmack hat, nannte man die entsprechende gesetzliche Grundlage "Aufenthaltsgesetz" (vgl. FASSMANN-MÜNZ? 1996, 210).

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten in Österreich rund 1,6 Millionen ausländische Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Insassen? im Land, die allerdings bald Österreich verließen. Zwischen 1945-1950 kamen rund eine Million Flüchtlinge und Vertriebene aus Ostmitteleuropa und dem Balkan, rund 540 000 blieben länger in Österreich. Ein geringer Prozentsatz der geflüchteten Ungarn (1956), Tschechen (1968) und Polen (1980/81) blieb in Österreich. Zu diesem Zeitpunkt nahmen die klassischen Auswanderungsländer - USA, Kanada und Australien - Flüchtlinge aus Österreich auf.

Zu "Gastarbeitern" und der Familienzusammenführung wird auf die Autorenbeiträge zu "Migration in Österreich, Teil 1 und 2" verwiesen > vgl. http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Migration in Österreich, Teil 1 und 2 - Ein Beitrag zur Politischen Bildung.

Auf Grund einer Quotenregelung nahm Österreich ab 1972 auch Flüchtlinge aus den Übersee-Ländern? auf (vgl. FASSMANN-MÜNZ? 1990, 9).

1974/75 kehrten viele Österreicher aus dem Ausland zurück, was zu einer Reduzierung ausländischer Arbeitskräfte am heimischen Arbeitsmarkt und in der Folge zum "Ausländerbeschäftigungsgesetz" mit der Bevorzugung einheimischer Arbeitskräfte führte (vgl. JOHN 2004, 14). Ausländische Arbeitskräfte benötigten eine an den Arbeitgeber bindende und jährlich zu verlängernde Beschäftigungsbewilligung. Bei Nichtverlängerung drohte der Verlust der Aufenthaltsbewilligung. Erst nach acht Jahren, ab 1990 ab fünf Jahren erhielten ausländische Arbeitskräfte einen "Befreiungsschein" (vgl. MÜNZ-ZUSER-KYTIR? 2003, 23). In der Folge ging die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte um rund 40 Prozent zurück, die einheimische Wohnbevölkerung blieb konstant.

Zwischen 1989 und 1993 verdoppelte sich die Zahl der ausländischen Staatsangehörigen in Österreich von 387 000 auf 690 000 ("Balkan-Kriege?", Fall des "Eisernen Vorhangs"/"Wende", Konjunkturaufschwung/erhöhte Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften).

Der Beginn einer neuen Einwanderungspolitik führte ab 1993 über das in Kraft getretene "Aufenthaltsgesetz" zu einem erschwerten Zugang nach Österreich. Quoten und Grenzen wurden festgelegt. Ab 1994 wurden die Quoten für die Familienzusammenführung so niedrig angesetzt, dass sie nach einem halben Jahr ausgeschöpft waren (vgl. MÜNZ-ZUSER-KYTIR? 2003, 27). Ein entsprechender Rückstau bei den Anträgen war die Folge.

Im Jahr 2000 kam es zur Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts. Die entsprechenden Gesetzesnovellen beinhalteten die Arbeitsmigration mit der Beschränkung auf Schlüsselarbeitskräfte, die Anstellung von Saisonarbeitskräften und die Absolvierung von "Integrationskursen" für längerfristige oder dauerhafte Zuwanderer für die Bereiche Deutsch, Landeskunde, Geschichte und Rechtssystem (vgl. BRAAKMANN-SPICKER-ENZENHOFER-TOSIC-GELO? 2009, 25).

2010 lebten durchschnittlich in Österreich 1,543 Millionen Personen (18,6 Prozent)mit Migrationshintergrund, dabei waren etwa 1,139 Millionen selbst im Ausland geboren. Knapp 405 000 Personen waren hingegen in Österreich geborene Nachkommen von Eltern mit ausländischem Geburtsort und werden daher als "zweite Generation" bezeichnet (vgl. AUSTRIA STATISTIK 2011a, 20).

Anfang 2011 stammten rund 41 Prozent der insgesamt 1,543 Millionen Einwohner mit ausländischer Staatsangehörigkeit aus einem anderen EU-Staat?, dem EWR bzw. aus der Schweiz. Weitere 45 Prozent kamen aus anderen europäischen Ländern, vor allem aus dem ehemaligen Jugoslawien oder der Türkei. Der Anteil der aus Übersee stammenden ausländischen Personen betrug knapp 14 Prozent, wobei hier mehr als die Hälfte aus Asien stammten. Die am stärksten vertretene Nation war Anfang 2011 Deutschland mit rund 220 000 Personen, knapp gefolgt von etwa 209 000 Personen aus Serbien, Montenegro und aus dem Kosovo. Rund 185 000 Personen stammten aus der Türkei, 131 000 Personen aus Bosnien und Herzegowina sowie rund 70 000 aus Kroatien. Weitere wichtige Herkunftsländer waren 2011 Rumänien, Polen, die Tschechische Republik, Ungarn und Italien (vgl. STATISTIK AUSTRIA 2011a, 24).

Außerhalb Europas kamen die meisten Personen aus China, Ägypten, dem Iran, den Philippinen, Indien und den USA (mit jeweils 10 000 bis 15 000 Angehörigen; vgl. STATISTIK AUSTRIA 2011a, 24).

Bereits mehr als ein Drittel der Bevölkerung mit ausländischer Herkunft besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. Bei der Bevölkerung aus anderen EU-Staaten?, dem EWR bzw. der Schweiz ist der Anteil der österreichischen Staatsangehörigkeit mit 38 Prozent etwas höher als bei Personen aus Drittländern mit 35 Prozent(vgl. STATISTIK AUSTRIA 2011a, 24).

Von Interesse ist der Bildungsstand von Personen mit Migrationshintergrund. Dieser Personenkreis ist in den höchsten (17,4 Prozent Hochschulabschluss) und niedrigsten Bildungsschichten(31,3 Prozent Pflichtschulabschluss) vertreten. Vergleichsweise Personen ohne Migrationshintergrund weisen 13,7 Prozent mit Hochschulabschluss und(nur)13,3 Prozent mit Pflichtschulabschluss auf (vgl. STATISTIK AUSTRIA 2011b).

Der Anteil der qualifizierten Zuwanderer ist vor allem auf die Zuwanderung aus den EU-Staaten?, besonders Deutschland, zurückzuführen, wogegen Zuwanderer aus den klassischen "Gastarbeiter"-Ländern geringer qualifiziert sind (vgl. STATISTIK AUSTRIA 2011a, 10).

Studie über Integration von Migranten der zweiten Generation/Vorarlberg 2012    

Erste Ergebnisse einer TIES-Studie? zur "Integration der zweiten Generation von Zuwanderern/Vorarlberg" wurden am 21. Juni 2012 in Bregenz vorgestellt. TIES steht für "The Integration of the European Second Generation" und umfasst als internationales Forschungsprojekt die Länder Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich - hier Vorarlberg, Wien und Linz - sowie Spanien, Schweiz und Schweden.

Personen türkischer Herkunft der zweiten Generation in Vorarlberg sind weniger gebildet als Personen aus Exil-Jugoslawien?. Fast 80 Prozent der türkischen Eltern haben maximal eine Pflichtschule besucht, jugoslawische Eltern rund 40 Prozent und 20 Prozent der Eltern ohne Migrationshintergrund. Die beiden letzten Gruppen haben mit einer Form von Berufsausbildung ihr höchstes Schulniveau erreicht, während diese Ausbildungsmöglichkeiten in der Türkei nicht vorhanden waren.

Kinder türkischer Eltern in Schweden und Frankreich haben bessere Chancen als in Österreich. In diesen Ländern werden Defizite besser ausgeglichen. Der Bildungserfolg hänge wesentlich vom Engagement der Eltern ab. Die Forderung nach Förderung der Talente sei weniger eine moralische als eine Frage nach Effizienzgründen.

Über das Bildungsniveau der Migranten zweiter Generation berichtet die Studie, dass 13 Prozent der Gruppe ohne Migrationshintergrund höchstens einen Pflichtschulabschluss, Personen ex-jugoslawischer Herkunft 28 Prozent und Personen türkischer Herkunft 47 Prozent erreichen. Über eine berufsbildende Schule bzw. Lehre als höchsten Abschluss verfügen 56 Prozent ohne Migrationshintergrund, 62 Prozent ex-jugoslawischer Herkunft und 44 Prozent türkischer Herkunft.

Der Wirtschaftsstandort Vorarlberg benötigt zunehmend qualifizierte Facharbeiter. Niedrige Bildungsabschlüsse bedeuten schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt (und Bildungsmarkt). Davon ist die zweite Generation türkischer Herkunft am stärksten betroffen.

Berufspädagogisch bedeutet dies die Notwendigkeit einer stärkeren Förderung der zweiten Generation von Migrantinnen und Migranten in ihren Bildungschancen, unabhängig von familiärer Herkunft und bildungsferner Gruppierung.

Hinweis: http://vorarlberg.orf.at/news/stories/2538135/ (21.06.2012)

Wanderungsstatistik 2012 - Österreich    

Im Jahre 2012 sind 140 400 Personen aus dem Ausland zugezogen, aber auch 96 600 weggezogen. Die Zuwanderung liegt daher mit den am 15. Juli 2013 publizierten Zahlen bei 43 800.

Österreichische Staatsbürger sind mehr weggezogen als zugezogen, daher ist ein Minus von 7 400 zu vermerken.

Bei nichtösterreichischen Staatsbürgern ist ein Plus von 51 200 Personen vorhanden, der Wanderungsgewinn von rund 62 Prozent entfiel auf EU-Bürger?(absolut plus 31 500 Personen). Zahlenmäßig die größte Gruppe waren 2012 ungarische Staatsangehörige, es folgen Deutsche und Rumänen. Der gesamte afrikanische Kontinent einschließlich der muslimisch geprägten Länder lag im Zuwanderungsplus bei lediglich 1 380 Personen.

Die innereuropäische Zuwanderungsrate lag über diesen zahlen. Mit 1 800 Personen aus Russland wanderten mehr nach Österreich ein als aus ganz Afrika, es folgen europäische Zuwanderungsgruppen aus Serbien( 1 700) und Bosnien-Herzogowina?(1 500).

Ein in Österreich ohne österreichischen Pass geborenes Kind gilt in der Zuordnung als Zuwanderer.

Mit Jahresbeginn 2013 betrug der Ausländeranteil laut AUSTRIA STATISTIK rund 11,19 Prozent. Rund 41 Prozent der Ausländer stammen aus der EU(als größte Gruppe mit 16 Prozent sind dies die Deutschen). Aus Nicht-EU-Staaten? waren die türkischen und serbischen Staatsangehörigen zu verzeichnen.

Mittelpunkt der Zuwanderung ist die Bundeshauptstadt Wien.

Hinweis: http://orf.at/stories/2190970/2190973 (17.11.21)

8.5.4 Integration    

Integration ist ein vielschichtiger und kontrovers diskutierter Begriff, der sowohl in Politik und Alltag unterschiedlich verwendet wird( vgl. STRASSER 2009, 24; BOHN-ALICKE? 2016).

Im interkulturellen Kontext wird Integration als Prozess einer gesellschaftlichen Eingliederung und Partizipation von Zuwanderern verstanden. Sie sollten nicht nur die Sprache und das kulturelle Verhalten, auch Werte und Normen der Mehrheitsgesellschaft erlernen und sich aneignen.

Mitunter wird auch weniger Anpassung, dafür ein Miteinander verschiedener Kulturen erwartet/kulturelle Diversität (vgl. FASSMANN-STACHER-STRASSER? 2003, 13).

Nach HECKMANN (2003) gibt es vier Hauptdimensionen eines Integrationsprozesses:

  • Strukturelle Integration
Die Zuwanderer werden zu Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft und erhalten die gleichen Rechte.

  • Kulturelle Integration
Hier werden die gesellschaftlichen Werte und Normen durch die Zuwanderer übernommen.

  • Soziale Integration
Sie bezieht sich auf die private Ebene und umschreibt die Entstehung eines freien Umgangs zwischen Primärgruppen und Zuwanderern.

  • Identifikative Integration
Diese auf Identität bezogene Aufnahme meint die Entwicklung eines persönlichen Zugehörigkeitsgefühls zur Gesellschaft (vgl. STRASSER 2009, 24).

Im Folgenden werden zwei Stufenmodelle einer Assimilation vorgestellt.

Alain Richardson

Unter Assimilation wird die Anpassung einer zugewanderten Minderheit an die Mehrheit und deren Übernahme von Verhaltensweisen verstanden. Dazu dienen drei Stufen:

  • Die erste Stufe wird Isolation bezeichnet. Kennzeichen sind eine Unzufriedenheit und das Festhalten am Herkunftsland.
  • Die zweite Stufe in Form einer Akkomodation beinhaltet eine Anpassung der inneren Welt durch Schaffen eines neuen Wahrnehmungsschemas mit einer Einordnung in eine andere Außenwelt.
  • Die dritte Stufe einer Identifikation hat als Kennzeichen eine gesellschaftliche Zugehörigkeit und die Ausbildung eines "Wir-Gefühls?".
Für RICHARDSON (1957) stand fest, dass mit zunehmender Aufenthaltsdauer eine Assimilation nicht zu vermeiden sei (vgl. TREIBEL 2003, 94).

Ronald Taft

Dieses Stufenmodell ist stärker ausdifferenziert, weil es die allgemeine Problematik eines Gruppenwechsels erfasst. Wesentlich ist die Frage der Gruppenmitgliedschaft. Assimilation ist nicht nur auf die Einwanderungssituation beschränkt, es geht auch um menschliche Grundsituationen im Kontext sozialer und/oder räumlicher Mobilität (vgl. TREIBEL 2003, 94).

Wenn eine Person ihre Mitgliedschaft von einer Gruppe zu einer anderen (zweiten) transferiert, sollten die Kommunikationsbereitschaft, der Normen- und Wertekonsens, die Rollenanforderungen und die Gruppenidentifikation übereinstimmen (vgl. TREIBEL 2003, 95).

TAFT unterscheidet drei Assimilationstypen:

  • In der monistischen Assimilation geht das Individuum ganz in der neuen Gruppe auf.
  • Bei der interaktionistischen Assimilation gleichen sich beide Gruppen aneinander an, die Zuwanderer behalten einen Teil ihrer Herkunftsidentität.
  • Die pluralistische Assimilation entspricht dem Konzept des kulturellen Pluralismus (vgl. TREIBEL 2003, 95).
8.5.5 Mädchen und junge Frauen    

Fälschlicherweise meint man beim Begriff "Mädchen und junge Frauen" eine einheitliche Gruppe im Vergleich zu der einheimischen Gruppe, die sich durch besondere Merkmale unterscheidet. Ein solcher Blinkwinkel bzw. solche Aspekte ignorieren die Vielfalt von Lebensformen und Orientierungen im Berufs- und Alltag, multikulturell orientierte Großstadt- und ländliche Milieus sowie soziale Schicht, den Bildungshintergrund, das Alter, bestimmte Ethnien und generell eine plurale Gesellschaft.

Zudem gibt es, so die Ergebnisse der "Sinus-Migranten-Milieu-Studie?", herkunftsgrupppenübergreifende Milieus, in denen die Lebensweisen sich ähnlicher sind als innerhalb bestimmter Herkunftsgruppen. Das Konzept der Intersektionalität sagt darüber hinaus aus, dass Migrantinnen und Migranten nicht per se als Gruppe behandelt werden können, vielmehr in ihren situativ überlagernden Identitätsanteilen betrachtet werden müssen (vgl. BOOS-NÜNNING?/KARAKASOGLU 2011, 261). Kategorien sind hier etwa das Herkunftsland, Geschlecht, Alter, die soziale Schicht, der Bildungsstatus, die Religionszugehörigkeit und der Rechtsstatus. Am Beispiel von Mädchen und jungen Frauen heißt dies, ob sie Arbeitsmigrantinnen, nachgereiste Ehefrauen, Töchter, Enkelinnen, Asylbewerberinnen, Flüchtlinge, Spätaussiedlerinnen (siehe Deutschland), Werkvertrags- bzw. Saisonarbeiterinnen, ausländische Studentinnen oder Töchter/Enkelinnen aus binationalen Ehen sind.

Als besondere Verengung, bedingt durch einen mitunter unsachlichen öffentlichen Diskurs mit einer statischen Betrachtung der Lebenswelten von Mädchen/jungen Frauen, erfolgt eine Reduktion auf einen ethnischen und religiösen Faktor zumeist im islamischen Kontext. Bedacht werden kaum neben der Situation die Erwartungen und Erfahrungen wie etwa die Familie und Partnerschaft, Aspekte vorberuflicher Bildung, Geschlechterverhältnisse, Religion, Freizeitverhalten und bestimmte Problemlagen. In diesem Zusammenhang ist der Prototyp der Migrantin die Frau aus der Türkei: Heiratsmigrantin aus ländlichem Milieu, in Feudalstrukturen aufgewachsen, schlechte Bildungsstruktur/Schulbildung, isoliertes Leben in einer Industriegesellschaft, vom Vater abhängig bzw. in patriarchalischer Struktur lebend.

Kritische Beiträge finden wenig Aufmerksamkeit (vgl. FINKELSTEIN 2008, ARIKAN-HAM? 2009). Zudem fehlt eine sachbezogene und interkulturell-fachliche Rezeption in der medialen und politische Öffentlichkeit von neuen Untersuchungen, die verdeutlichen, dass die Annahme nicht stimmt, es handle sich bei bestimmten Konfliktsituationen im islamischen Bereich - man denke an bestimmte Unterrichtsprinzipien, Exkursionen/Schulveranstaltungen und Sportunterricht - um weitverbreitete übliche traditionalistische Praktiken (vgl. Untersuchung "Muslimisches Leben in Deutschland, BAMF 2009, 183; vgl. BOOS-NÜNNING?/KARAKASOGLU 2011, 262-263).

Bei der Verbreitung von "Zwangsverheiratungen" und "arrangierten Ehen" verweist STRASSBURGER (2011) auf das Faktum, dass es sich hier nicht um ein Massenphänomen handelt (vgl. STRASSBURGER 2011, 217-230).

Im Folgenden wird auf Ergebnisse der Untersuchung "Viele Welten lebten" eingegangen. Diese qualitative und quantitative Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Deutschland) fand als Mehrthemenuntersuchung von November 2001 bis März 2002 statt. 950 Mädchen und unverheiratete Frauen im Alter von 15 bis 21 Jahren türkischer, italienischer, griechischer, ehemals jugoslawischer (überwiegend serbischer und bosnischer) Herkunft und Aussiedlerinnen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurden befragt (vgl. BOOS-NÜNNING?/KARKASOGLU 2006 und 2011, 263-270).

  • Gesellschaften unterscheiden sich in einem starken Individualismus mit ausgeprägter individueller Leistung und wenig Bindung durch Familie und Gesellschaft und Kollektivismus/Familialismus, in denen der Mensch von Geburt an durch große verwandtschaftliche Wir-Gruppen? integriert ist (Schutzfunktion, unbedingte Loyalität). Es zeigt sich, dass in der individualistischen Gesellschaft keinesfalls kollektivistische Orientierungen als Relikt einer vormodernen Kultur gepflegt werden, vielmehr mit Erfahrungen einer Verunsicherung, Marginalisierung und Diskriminierung in der Migrationssituation verbunden sind (vgl. auch NAUCK 1997, 342).
  • Ergebnisse zeigen an, dass in einzelnen Herkunftsgruppen familialistische Werte und Orientierungen vorhanden sind. Angesichts des Alters der untersuchten Gruppe wohnten zum Zeitpunkt der Befragung 82-95 Prozent der Klientel bei ihren Eltern. Nur 13 Prozent der türkischen, 37 Prozent der italienischen und 52 Prozent der griechischen Mädchen sowie (sogar) 62 Prozent der jungen Spätaussiedlerinnen können sich ein Wohnen mit dem Partner vor bzw. ohne Heirat vorstellen. Ein Wohnen vor der Heirat einige Zeit allein können sich 24 Prozent italienische und 41 Prozent griechische Mädchen vorstellen. Belegt werden demnach die starke Einbindung in die Familien und eine gleichzeitige Pluralisierung von Lebensformen innerhalb einzelner Herkunftsgruppen.
  • Die Untersuchungsergebnisse bestätigen die Unterschiedlichkeit von Erziehungsvorstellungen in Migrationsfamilien, wie sie Mädchen/junge Frauen wahrnehmen. Mädchen mit türkischen Migrationshintergrund unterscheiden sich stärker (weniger individualistische Durchsetzungsmuster, weniger schlechte Behandlung durch Eltern/Zufriedenheit mit der Behandlung durch die Eltern - "streng, aber liebevoll", eigene Akzeptanz der Wahl ihrer Lebensform). Die Übereinstimmung bei Familien mit türkischem, jugoslawischen und griechischen Hintergrund äußert sich im Stellenwert der Familien/Eltern und in der Einstellung, ihre Eltern nicht zu enttäuschen. Töchter streben einen formalen Schul- und Bildungsabschluss an, damit gibt es auch keinen Unterschied zwischen Mädchen und Knaben. Zu bemerken ist, dass Mädchen behüteter aufwachsen, mitunter stärker an Haushalt und Familie gebunden werden und es bei Eltern mit niedrigerem Bildungsgrad an konkreter Unterstützung mangelt (türkischer und italienischer Hintergrund).
  • Das Freizeitverhalten wird durch eine engere Bindung an Familie und den nachbarschaftlichen Bereich mit Personen der eigenen Ethnie begrenzt. Junge Aussiedlerinnen und türkische Mädchen sind besonders ethnoorientiert. Zwei Drittel der türkischen Peers sprechen sowohl Deutsch als auch ihre Herkunftssprache mit ihren besten Freundinnen. Erlernt wurde Deutsch zumeist im Kindergarten, den zwei Drittel der Befragten besuchten.
  • Die Intensität der Religiosität ist auf Grund der unterschiedlichen Herkunfts- und Konfessionsgruppen unterschiedlich. Musliminnen sind mit 55 Prozent ausgeprägter Religiosität weitaus religiöser orientiert, gefolgt von Orthodoxen. Musliminnen bosnischer Herkunft sind mit 43 Prozent ebenfalls ausgeprägt orientiert. Am wenigsten in der Befragung zeigen sich Protestantinnen orientiert. Die Bedeutung von Religion bei engen Beziehungen - Familie, Freundeskreis, Partner, Taufe/Beschneidung - ist bei griechisch-orthodoxen und katholisch-jugoslawischen Befragten - nicht bei Musliminnen türkischer Herkunft - vorhanden. Für einen interreligiösen Dialog interessieren sich Musliminnen am stärksten, am wenigsten Spätaussiedlerinnen. Als Ressource für eine Lebensbewältigung ist der Glaube mit 61 Prozent für Musliminnnen, mit 56 Prozent für Orthodoxe, Katholikinnen mit 47 Prozent und mit 40 Prozent für Protestantinnen von Bedeutung. Damit ist er Bindeglied zur Elterngeneration. Für die Gestaltung des familiären Lebens stellt der Glaube bei der Partnerwahl und die Erziehung der Kinder einen Wert dar.
  • Von Interesse ist das Verhältnis eines eigenen Modernitätskonzepts im Kontext mit hergebrachten Schemata von Familialismus und Religiosität in der Pluralität von Großstädten. Hier gibt es das Phänomen eines authentischen, eigenständigen und alternativen Lebensstils, der keinen Gegensatz zu religiöser Orientierung und Selbstbestimmung darstellt.
  • Über die selbständige Aneignung religiöser Grundlagen und die angepasste Einbindung von religiösen Ausdrucksformen sei es möglich, einen kulturell-religiösen Kontext mit den Eltern und (dennoch) einer eigenen Lebensvorstellungen zum Ausdruck zu bringen. So findet auf religiöser Basis eine "sanfte" Emanzipation''' im Kontext mit eigenen Vorstellungen von Integration in die Gesamtgesellschaft statt.
  • Eine erhebliche Minderheit von Mädchen/jungen Frauen versteht sich allerdings als nicht oder wenig religiös. 30 Prozent der Katholikinnen, 23 Prozent der Orthodoxen und 24 Prozent der Musliminnen weisen eine eher nicht religiöse Grundhaltung auf. Bei Protestantinnen stellt diese Gruppe mit 59 Prozent die Mehrheit dar.
  • Konventionelle Geschlechterrollen werden von Mädchen/jungen Frauen ebenso befürwortet wie abgelehnt. Dazu gehören partnerschaftliche Muster in der Ehe, Berufstätigkeit von Frauen/Müttern und Rollentausch sind Aspekte von Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. 39 Prozent der Befragten befürworten eine egalitäre Geschlechterrolle. Den höchsten Zustimmungswert mit 51 Prozent haben Mädchen/junge Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien, den niedrigsten Wert Spätaussiedlerinnen mit 30 Prozent. Abgelehnt mit 75 Prozent wird die Verteilung "Mann und Beruf" und "Frau und Haushalt". Mann und Frau sollen gemeinsam zum Haushaltseinkommen beitragen (83 Prozent). Für 79 Prozent stellt der Beruf ein Mittel zur Unabhängigkeit dar. Differenzierter wird naturgemäß die Berufsgewichtung, Hausfrauentätigkeit als bezahlter Beruf und mögliche Nachteile von Vorschulkindern bei mütterlicher Berufstätigkeit gesehen (vgl. BOOS-NÜNNING?/KARAKASOGLU 2006, 265).
  • Die Antizipation der weiblichen Berufsbiographie ist kein Spezifikum migrantischer Mädchen/junger Frauen, Altersgleiche ohne Migrationshintergrund und Betriebe/Unternehmen haben diese Einstellung ebenso.
  • Alle vier Bildungssysteme und die Gesellschaft - mit Politik, Wirtschaft, Kultur, Religion und Recht - haben bei der Umsetzung der Ansprüche in Bildungs- und Berufschancen''' ihren Beitrag zur Integration von Mädchen/jungen Frauen mit Migrationshintergrund zu leisten. Aus der Sicht von Bildung ist festzuhalten, dass mit interkulturellen Bildungselementen, Vorberuflicher Bildung und Politischer Bildung ein soziales Milieu für ein Hineinwachsen von künftigen Generationen geschaffen wird, das neben wirtschaftlicher Existenz ein kooperatives und friedliches Zusammenleben von Zugewanderten und Einheimischen ermöglicht, wobei sehr wohl Mädchen/junge Frauen ihrer nationalen Herkunft verbunden bleiben (vgl. BOOS-NÜNNING?/KARAKASOGLU 2011, 270).
8.5.6 Männliche Heranwachsende    

Männliche Heranwachsende sind ein Thema, welches im Vergleich zu Mädchen/junge Frauen ungleich weniger behandelt wird (vgl. MATZNER-TISCHNER? 2008, 343-365; BADAWIA-MARTINEZ? 2011, 272).

  • Mädchen sind selbstbewusster und motivierter als ihre männlichen Altersgenossen. Männliche Heranwachsende sind alkohol- und drogengefährderter, gewaltbereiter und häufiger beziehungsgestört.
  • Einer Vielzahl widersprüchlicher Erwartungen sind männliche Heranwachsende ausgesetzt.
  • Immer mehr männliche Heranwachsende werden ohne männliche Beziehungsperson erzogen und leiden stärker als Mädchen unter dem Zerfall von Familien.
  • Männliche Heranwachsende versagen häufiger in der Schule. Mädchen werden früher eingeschult, zeigen bessere Leistungen, brechen seltener das Studium ab und bilden die Mehrheit der akademischen Absolventen.
  • Männer fehlen als Bezugspersonen in Kinderkrippen, Kindergärten, Grundschulen und in der Kinder- und Jugendarbeit. Nicht von ungefähr spricht man von einer "Feminisierung der Bildungsstätte", was für Knaben/Heranwachsende in ihrer Sozialisation nicht immer vorteilhaft ist.
"Der Prozess, in dem sich Heranwachsende im Laufe ihrer Sozialisation und Bildung gesellschaftliche Beteiligungschancen erwerben können, ist insbesondere für Jungen inzwischen deutlich risikoreicher und störungsanfälliger geworden" (BADAWIA-MARTINEZ? 2011, 273)

Migrantenkinder spüren die Konsequenzen des gesellschaftlichen Wandlungsprozesses. Nach wie vor herrscht auch bei männlichen Heranwachsenden in der Öffentlichkeit ein verkürztes Bild mit der sozialen Konstruktion des gewaltbereiten, respektlosen und verwöhnten "Machos" aus der Migrantenfamilie.

Männliche migrantische Heranwachsende sehen sich mit der Essentialisierungsfalle konfrontiert, definiert als allgemeiner Trend zur Festschreibung von "kulturellen" und "ethnischen" Eigenschaften und fixe Tatsachen ohne eine Entwicklungsperspektive.

Für Deutschland gilt als erste systematische Bestandsaufnahme des Forschungsstandes zu ausländischen Familien der "Sechste Familienbericht (BMFSF) 2000", indem aber in diesem und den dazugehörigen Expertisen die Lebenslage von männlichen Heranwachsenden nicht behandelt wurde. Eine mit "Viele Welten leben" vergleichbare Studie zu männlichen Heranwachsenden mit Migrationshintergrund fehlt (vgl. KÖHLER 2008, 343-365).

Von Interesse ist die Lebenslage türkischer männlicher Heranwachsender (vgl. NAUCK 2007, 25). Türkische Migrantensöhne antizipieren höhere Erwartungen der Eltern an sie, als diese selbst äußern. Sie haben stärkere normative Geschlechtsrollenorientierungen und stärkere externale Kontrollüberzeugungen als ihre Väter, d.h. sie gehen von einer eher geringen Situationskontrolle aus. Daraus ergeben sich in der Familie und Aufnahmegesellschaft normative Konflikte. Türkische Söhne fühlen sich häufig diskriminiert und selten haben sie die Erwartung, sich an die Aufnahmegesellschaft anzupassen.

8.5.6.1 Problemfeld Bildung    

Schulleistungen, Bildungsbenachteiligung und Bildungsbiographien sind bei männlichen Heranwachsenden als brüchig anzusehen. Die Chancenstruktur weist auf einen Wandel im Bildungssystem hin, der als "Metamorphose der Arbeitertochter zum Migrantensohn" bezeichnet wurde (vgl. GEISSLER 2005). Die Formulierung zeigt den geschlechtsspezifischen Aspekt im Wandel der Bildungsstruktur an.

Bei männlichen Heranwachsenden wird gerne von einer "mehrfachen Benachteiligung" gesprochen (vgl. BADAWIA-MARTINEZ? 2011, 275). Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und Stereotypisierung/Etikettierung(z.B. machohaft abgewertetes Männlichkeitsbild)ergeben gesellschaftliche Vorwürfe. Nicht nur die Herkunft wird abgelehnt, auch ihre Männlichkeit. In diesem Spannungsfeld laufen migrantische Heranwachsende Gefahr, sich entgegen aller Zuschreibungen mit allen (auch illegalen) Mitteln als stark erweisen zu wollen (vgl. SPINDLER 2007, 301-303; BADAWIA-MARTINEZ? 2011, 275).

Zudem ist Schule als sozialer Raum für Heranwachsende mit Migrationshintergrund vielfach mit Versagen und Misserfolg verbunden, wobei das gängige Gesellschaftsbild als besser entgegengesetzt wird (vgl. SPINDLER 2007, 294). Dem Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen" kommt hier vermehrt Bedeutung zu.

Die Schichtzugehörigkeit zeigt sich trotz einer Bildungsexpansion als resistent, während geschlechtsspezifische Ungleichheiten zugunsten der Mädchen abgebaut werden (vgl. BERGER-KAHLERT? 2005). Der weitere Bildungsweg ist weniger auf die Herkunftsfamilie als auf den Sozialstatus von Migranten zurückzuführen. Ursachen des eher schlechten Abschneidens von männlichen Migrantenjugendlichen lässt sich neben der Bildungsferne, verbunden mit der Schichtzugehörigkeit, auch auf strukturelle Unzulänglichkeiten des Bildungssystems und einer "institutionellen Diskriminierung" begründen (vgl. GOMOLLA 2009, 87-102).

8.5.6.2 Problemfeld Gewalt - abweichendes Verhalten    

Als zweites Problemfeld wird das Zusammenspiel von Männlichkeitskonstruktionen, Ehre und Gewalt bezeichnet (vgl. BADAWIA-MARTINEZ? 2011, 276). Vor allem türkische Heranwachsende(und junge Spätaussiedler) kommen in den Blick (vgl. TOPRAK 2008, 207-218).

Beispielhaft soll auf TERTILTs ethnographische Studie eingegangen werden, zeigt sie inhaltlich die Erfahrungen, Wertvorstellungen und Verhaltensmuster von Gruppenmitgliedern der zweiten Generation, die durch abweichendes Verhalten und Gewalt auf sich aufmerksam machen (vgl. TERTILT 1996). Erklärt wird die Bandenbildung als Lösungsversuch der Problemlagen junger Männer, Zugehörigkeit und Identität durch aggressives Verhalten in der Jugendgruppe und einer Idealisierung von Ehre, Freundschaft und Loyalität zu kompensieren. Kernthema ist der Kampf um Anerkennung in einer widersprüchlichen Migrationssituation (vgl. TERTILT 1996, 162). Die Re-Ethnisierung? wird dabei zur zentralen Bewältigungsstrategie bei der alltäglichen Alltagsdiskriminierung (vgl. TERTILT 1996, 233).

SPINDLER (2007, 291) geht davon aus, dass der Rückgriff auf solche und ähnliche Bewältigungsmuster auf eine Verwehrung legitimer Mittel für eine Teilhabe an sozialen und kulturellen Chancen geht. Insbesondere ist für männliche Heranwachsende als Problemfeld der fehlende bzw. behinderte Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt geworden. Vorberufliche Maßnahmen in Form von Lernpaketen - schulisch in Verbindung mit Sozialem Lernen und Politscher Bildung, erwachsenenpädagogisch in Form eines Lehrganges/Kurses in Verbindung mit interkultureller Kompetenzvermittlung - entschärfen jedenfalls die Problemlage (vgl. den Autorenbeitrag zur "Vorberuflichen Bildung in Österreich", für die Erwachsenenpädagogik Pkt. 1.4).

8.5.6.3 Ehrenkonzept    

Das Ehrenkonzept betrifft (vor allem) männliche türkische Heranwachsenden, wobei dies bei dieser Gruppe besonders deutlich zu erkennen ist. Hier zeigt sich das Männlichkeitsbild als Art der sozialen Beziehungen zwischen Mann und der Umwelt, als Blick von außen, den Erwartungen der Umwelt, wobei die gesellschaftliche Dimension als eine Art "habituelle Sicherheit" sich zeigt (vgl. BOHNSACK 2001, 57-58; BADAWIA-MARTINEZ? 2011, 278).

Problematisch ist die Erklärung eines spezifischen türkischen Erziehungsstils, der ohne empirische Quellen für türkische Familien allgemein festgestellt und zudem als auf die Herkunftskultur und als ethisches bzw. individuelles Problem von Migranten dargestellt wird (vgl. BADAWIA-MARTZINEZ? 2011, 278). Die eurozentrische Sichtweise ist zudem zu problematisieren, wie auch eine "traditionelle Männlichkeit" der einheimischen Gesellschaft wenig hinterfragt ist.

Zusammenfassend sollen jedenfalls die Essentialisierungsfallen vermieden und die erwähnten sozio-strukturellen Dimensionen im Umgang mit ethnisch-kulturellen Erklärungsmustern vermehrt berücksichtigt werden.

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Fachliteratur/Auswahl: Migration

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8.5.7 Altern und Migration    

Die Mehrheit der migrierenden Bevölkerung besteht aus jungen Personen und Familien. Dies gilt national und international. Aufgrund der spezifischen Migrationsgeschichte Europas (und Österreichs) ergibt sich ein signifikanter demographischer Wandel (vgl. BAYKARA-KRUMME? 2011, 283-293).

Auf statistische Zahlenmaterial wird absichtlich verzichtet. Im Folgenden geht es um Strukturmerkmale und ihre Folgerungen, dargestellt an Merkmalen der Lebenssituation von älteren Migrantinnen und Migranten. Die Einbindung älterer Migrantinnen und Migranten in ihre Familien sollen situativ aus den Aspekten einer Rückkehr/Verbleib, Generationenbeziehungen und Pflege im Alter dargestellt werden.

Zunächst geht es um eine heterogene Gruppe mit höchst unterschiedlicher Migrationsgeschichte, die ethnisch, rechtlich und soziokulturell sehr verschieden ist.

  • Die gute körperliche und geistige Verfassung weist auf eine erhebliche Diversität und Differenzierung des Alters und Alterns hin und verschärft soziale Ungleichheiten. Unterschiedliche Bildungsschichten mit einem erheblichen Anteil von Personen ohne Schul- und Bildungsabschluss mit einem hohen Anteil von Personen ohne ausreichende Deutschkenntnisse kennzeichnen die Klientel. Unterschiedlich sind die Niveaus bei den einzelnen Nationalitäten, wie HAUG (2008, 23-25) aufzeigt. Auffallend gering sind die Sprachkenntnisse bei türkischen Frauen, verbunden auch mit Analphabetismus. Sprachkompetenz in der zweiten Sprache ist zur Orientierung für notwendige bürokratische und bestehende Hilfsangebote notwendig, damit es nicht zu strukturellen Benachteiligungen kommen kann. Den Migrantenberatungsstellen fällt damit eine erhöhte Bedeutung zu. Geringere Erwerbseinkommen in der Berufslaufbahn bei kürzeren Renteneinkommenszeiten tragen zu geringeren Renten und erhöhtem Armutsrisiko im Alter bei.
  • Biographische Lebenslaufmerkmale wie etwa eine transnationale Orientierung ("zwei Heimaten") und der ursprüngliche Wunsch nach baldiger Rückkehr, im Alter verbunden mit einer neuen Unabhängigkeit, stellt die Frage nach Verbleib oder (zeitweiser) Rückkehr. Zudem ist die finanzielle Unterstützung von Angehörigen/Verwandten auch im Alter ein Faktum (vgl. MENNING-HOFFMANN? 2009, 19). Personen aus Nicht-EU-Ländern? neigen zu Formen von Pendelmigration (vgl. ÖZCAN-SEIFERT? 2006, 67). Pendeln ist hier ein Ausdruck von Aktivität und Kompetenz im Alter. Bei den rechtlichen Rahmenbedingungen ist auf das Beziehen von Sozialleistungen zu achten. Bei Flüchtlingen und Asylberechtigten sollte das Wiedereinreiserecht nicht verloren gehen, weshalb Ausreisen kaum möglich sein werden.
  • Als Grundlage für Generationenbeziehungen im Alter gilt für den Migrationsbereich das amerikanische Altersforschungskonzept der "Intergenerationalen Solidarität" (vgl. KOHLI-KÜNEMUND? 2005, 176-211). Demnach geht es um die emotionale Verbundenheit und Kontakthäufigkeit zu den mittlerweile erwachsenen Kindern. Der Bedarf an Rat und emotionaler Unterstützung ist von großer Bedeutung. Es existieren große Solidaritätspotenziale für ältere Familienmitglieder in Migrantenfamilien (vgl. BAYKARA-KRUMME? 2011, 288). Ältere leisten mitunter vielseitige Hilfe, allerdings erweisen sich unterschiedliche Sprachkenntnisse der Familienmitglieder gelegentlich hinderlich. In Österreich geborene und sozialisierte Enkelkinder verfügen oft nicht mehr über ausreichende Sprachkompetenzen in der elterlichen Muttersprache (vgl. die Angebote in gehobener türkischer Sprache und die Vielfalt von Sprachkursen in Großstädten). Eine Quelle von Unzufriedenheit kann im Alter die unerfüllte Erwartung von Hilfe und Pflege sein. Auf Grund der starken Familienorientierung kann dies zu nicht realisierbaren Wünschen kommen.
  • Eine Zunahme von Pflegebedarf ist zu erwarten. Derzeit werden die Angebote der Altenhilfe von Migrantinnen und Migranten eher selten genützt. Vorbehalte gegen Einrichtungen, Sprachprobleme, das Vertrauen zu den eigenen Kindern und möglicherweise die Unentschlossenheit über den eigenen Aufenthaltsort sowie interkulturelle Vorbehalte lassen Probleme hier entstehen. Von einer kultursensiblen Versorgungslage kann bisher nicht gesprochen werden.
Durch die Zunahme der Gruppe älterer Migrantinnen und Migranten kommt es zu neuen Herausforderungen für die Gesellschaft, Politik und Wissenschaft. Auf europäischer Ebene besteht das Forschungsnetzwerk "Aktives Altern von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Europa" (AAMEE) seit 2008 (vgl. BAYKARA-KRUMME? 2011, 290).

Es versteht sich von selbst, dass einheimische und zugewanderte Ältere mit spezifischen Ressourcen und Bedürfnissen zu den Zugang zu Angeboten - unabhängig von ihrer sozialen, ethnischen oder kulturellen Herkunft - ermöglicht bekommen. Nunmehr sind die Angehörigen der ersten Generation "Pioniere beim Altern" in der Migration geworden. Es bedarf der Gestaltung dieser Lebensphase (vgl. BAYKARA-KRUMME? 2011, 291). Die Notwendigkeit einer Schulung des Gesundheits- und Pflegepersonals ist damit verbunden.

8.6 Situation türkischer Migrantinnen und Migranten    

Da türkischstämmige Migrantinnen und Migranten die drittgrößte Gruppe der in Österreich lebenden Ausländer sind und zu einer Risikogruppe zählt, wird in diesem Abschnitt auf diese Gruppe näher eingegangen.

Laut Austria Statistik stammen 2011 rund 185 000 Personen, die in Österreich leben, aus der Türkei. Der Großteil der Personen mit türkischer Staatsbürgerschaft lebt in Wien (vgl. AUSTRIA STATISTIK 2011, 24).

8.6.1 Deutschkenntnisse    

Türkische Zuwanderer können durchschnittlich schlechter Deutsch als andere Migrantengruppen in Österreich. Vor allem türkische Hausfrauen beherrschen Deutsch kaum. Kinder türkischer Herkunft benötigen am häufigsten sprachliche Förderung (vgl. POTKANSKI 2010, 11).

BRIZIC (2007) führte eine Studie zum Sprachenerwerb in der Migration bei Neunjährigen durch, welche Bedingungen auf der Makro-, Meso- und Mikroebene erfasste.

  • Auf der Makroebene erweist sich die sozioökonomische Stellung der Migrantenfamilie als großer und wichtiger Einfluss auf die Deutschkompetenz
(vgl. BREIT 2009). Familien mit türkischem Hintergrund weisen eine niedrigere sozioökonomische Lage als Familien aus dem ehemaligen Jugoslawien auf.

  • Auf der Mesoebene''' wirkt sich der mehrjährige Kindergartenbesuch positiv auf die Deutschkompetenz aus. Türkischstämmige Kinder besuchen den Kindergarten gar nicht oder kürzer. Bei Kindern mit mehrjährigem Besuch ist die Deutschkompetenz bei Schuleintritt höher und signifikant besser am Ende der 3. Klasse Volksschule.
  • Auf der Mikroebene zeigt es sich, dass Kinder aus der Türkei geringere Kenntnisse in ihrer Erstsprache haben als Kinder aus dem ehemaligen Jugoslawien. Dies ist von Interesse, da es zwischen der Erstsprach-Kompetenz? bei Schuleintritt und der Deutschkompetenz am Ende der 3. Klasse Volksschule einen Zusammenhang gibt. Zeigen Kinder mehr Interesse an ihrer Erstsprache, schneiden sie auch besser in Deutsch ab.
BRICIK (2007) stellte fest, dass der Stellenwert der Herkunftssprache einen Einfluss auf die Deutschkompetenz von Kindern am Ende der 3. Klasse Volksschule hat. Kinder sprachen demnach besser Deutsch,

  • wenn die Eltern im Herkunftsland einer sprachlichen Mehrheit angehören,
  • wenn die Herkunftssprache sowohl eine Staats- als auch eine Schulsprache ist und
  • wenn die Eltern aus einer Gruppe mit hohem Ansehen im Herkunftsland stammen (vgl. BREIT 2009).
8.6.2 Bildung    

Nach der PISA-Studie? 2006 stellen türkische Kinder in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen eine Risikogruppe dar. Im Vergleich zu Kindern aus anderen Herkunftsländern haben türkische Kinder ein niedrigeres Schulbildungsniveau und gehören zu den gefährdeten Gruppen, die geringere soziale Aufstiegschancen haben.

Die Wahl einer weiterführenden Schule am Ende der Schulpflicht hängt von der Sprachkompetenz ab.

Problematisch ist die Zuweisung in eine Sonderschule, wenn zum Zeitpunkt des Schuleintritts kein bzw. kaum Deutsch gesprochen werden kann (vgl. POTKANSKI 2010, 12-13).

2009 hatten rund 68 Prozent der Klientel überwiegend keine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung abgeschlossen (vgl. POTKANSKI 2010, 14).

8.6.3 Soziale Integration    

WEISS und STRODL (2007) zeigen auf, dass der engste Familienkreis für fast die Hälfte der Heranwachsenden ausschließlich aus der Klientel besteht. 61 Prozent der jungen Türken haben keine österreichischen Freunde., d.h. sie haben keinen Kontakt zu Heranwachsenden, deren Eltern gebürtige Österreicherinnen und Österreicher sind (vgl. WEISS-STRODL? 2007, 100). Die Gefühle von Isolation und Diskriminierung erfahren türkisch-stämmige Heranwachsende häufiger als Gleichaltrige aus anderen Herkunftsländern (vgl. WEISS-STRODL? 2007, 106).

Vor allem junge Türkinnen werden mit Misstrauen und Vorurteilen konfrontiert, wenn sie auf Ausbildungssuche sind. Sie stoßen besonders auf Ablehnung, wenn es sich um junge Mädchen handelt, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen (vgl. STRASSBURGER 2004, 123).

Das Elternhaus erweist sich als besonders einflussreich. Kontrolle und ethnische Orientierung wirken sich aus (vgl. WEISS-STRODL? 2007, 109).

8.7 Religion und Interkulturalität    

Religion im interkulturellen Kontext ist ein umfassendes Thema, weshalb hier Religion mit dem Blickwinkel auf Religiosität, Religion und Schulentwicklung, spezifische interkulturelle Aspekte in Verbindung mit Ökumene angesprochen wird. Es wird davon ausgegangen, dass Religion i.e. und w.S. als Chance anzusehen ist.

Religion gehört unabdingbar zum Erziehungsauftrag von Bildungsinstitutionen. In einer pluralen und kulturell vielfältigen Gesellschaft zeigen sich interkulturelle Aspekte in den Bildungsprozessen.

Damit ist zunächst der Religionsunterricht jeder Konfession angesprochen und wird zum Ort, wo

  • Hilfen zum Verständnis religiöser Orientierung und Tradition gegeben werden,
  • kritische Distanz zu Formen des religiösen Missbrauchs gefordert ist und
  • Dialogfähigkeit vermittelt werden soll.
Hartmut von Hentigs Aussage gilt: "Religion kann man nicht nur, man muss sie lehren. Glauben dagegen kann man lernen, prüfen, sich bewusst machen und anderen bestätigen, bekennen, vorleben, austragen, und von alle dem muss man nichts tun. Das erste steht auch Institutionen zu, das zweite nur Personen" (BATTKE-FITZNER-ISAK-LOCHMANN? 2002, 21

Religiöse Erziehung vermittelt Kompetenzen im interkulturellen Kontext wie

  • lebensgeschichtliche Kompetenz, also kritische Aneignung eines religiösen Selbstbezugs,
  • kulturelle Kompetenz, also reflektierter Umgang mit der jeweilig geprägten kulturellen Überlieferung,
  • ethisch-religiöses verantwortliches Handeln in der Gesellschaft,
  • die Fähigkeit zur Teilhabe an religiöser Praxis und
  • die Bereitschaft zum ökumenischen und interreligiösen Dialog.
In diesem Kontext hilft religiöse Erziehung zu einer eigenen Position und Überzeugung in einer interkulturellen Gesellschaft zu finden.

Pädagogisch gefordert ist

  • Wissen, Offenheit, Haltung und Standpunkt,
  • sowie religiös-kulturelle Begegnungen mit ihrer Vielfalt und den jeweiligen Überzeugungen zu erlernen,
  • Unsicherheit zu ertragen und
  • den Unterschied in der Gleichheit zu leben.
8.7.1 Religiosität - religiöse Kulturen    

Die folgenden Ausführungen beruhen auf Ergebnissen der 16. Shell- Studie (2010) und weisen auf drei verschiedene religiöse Kulturen in Deutschland hin, wobei die Folgerungen durchaus auch auf Österreich sich beziehen (vgl. SHELL DEUTSCHLAND HOLDING 2010/16. SHELL-JUGENDSTUDIE?, 30).

Religion spielt im Leben von Heranwachsenden zumeist nur eine mäßige Rolle. Mit drei verschiedenen religiösen Kulturen - in Deutschland den neuen Bundesländern, die Migrantenkulturen und den westdeutschen Mainstream, der für Heranwachsende typisch ist - zeigt sich ein höchst unterschiedliches religiöses Bild (vgl. SHELL DEUTSCHLAND HOLDING 2010/16. SHELL-JUGENDSTUDIE?, 204-206).

In den neuen Bundesländern spielt Religion kaum eine Rolle (75 Prozent konfessionslos), im westdeutschen Mainstream eine mäßige und weiterhin abnehmende Bedeutung (12 Prozent konfessionslos), religiöse Vitalität zeigt sich dagegen in den Migrantenkulturen (orthodoxes Christentum, Islam, nichtchristliche Religionen).

Mit der Zuwendung zu Religion bewegen sich die Migrantenkulturen weiter von der einheimischen Kultur weg. Dies betrifft die religiösen Bekenntnisse und Gemeinschaften neben den beiden einheimischen christlichen Kirchen. Die Lebensbedeutung des Gottesglaubens stieg von 53 Prozent (2002) auf 67 Prozent (2010).

Religiösen Wandel gibt es bei katholischen Heranwachsenden in Westdeutschland. Die persönliche Wichtigkeit von Gott für die Lebensführung sank von 50 (2002) auf 44 Prozent (2010), für die religiös gebundenen Heranwachsenden außerhalb der einheimischen Kirchen stieg sie dagegen von 67 auf 76 Prozent.

Weder Konfessionslosigkeit noch Atheismus haben seit 2002 bzw. 2006 - also den letzten Shell-Studien? - zugenommen. Im Vormarsch sind religiöse Unsicherheit und teilweise unpersönliches Gottesverständnis.

8.7.2 Interkulturell-ökumenische Bildung    

Menschen unterschiedlicher Herkunft besitzen unterschiedliche kulturell-religiöse Überzeugungen in Form von Einzel-, Ereignis- und Glaubwürdigkeitserfahrungen, verbunden mit Wahrheits- und Gewissensfragen (vgl. NIPKOW 1998, 302-306).

In jedem Fall geht es um

  • Authenzität im Bekennen und der Praxis der eigenen Kultur und des Glaubens,
  • Empathie in der Wahrnehmung der Gründe für eine eigenen konfessionellen Standort und
  • Akzeptanz der Differenzen.
In einer solchen Sichtweise erkennt man die Komplexität interkultureller Kompetenz, bezogen auf kulturell-religiöse Elemente. Es zeigt sich das Phänomen der Pluralität mit den Elementen des Verstehens von Bedingungen und Gründen sowie der Kommunikation als Verständigung(vgl. NIPKOW 1998, 317). "Nicht der Pluralismus als solcher ist das Problem, sondern die Art und Weise, wie man mit ihm umgeht" (NIPKOW 1998, 302).

Wer interkulturell-ökumenisch denkt, agiert auf der Grundlage einer personenzentrierten Sichtweise (vgl. NÜSSEL-SATTLER? 2008, 7).

Ökumene bezieht sich auf das christliche Streben nach Überwindung der Trennung zwischen den christlichen Kirchen/Konfessionen. Bestimmte biblische Texte sind Bezugspunkte von Argumentationen (Joh 17,20-21; Eph 4,4-6; 1 Kor 12; vgl. NÜSSEL-SATTLER? 2008, 10-16).

Konfessionell geprägte Kirchen haben ihre Geschichte der Ökumene. Bezugspunkte sind hier die Anerkennung des Christentums als Staatsreligion/"konstantinische Wende", ökumenische Konzilien, die Spaltung zwischen West und Ost, die reformatorische Kritik von Luther und Melanchthon, der Augsburger Religionsfriede, die Erweckungs- und Missionsbewegungen/Pietismus-Herrnhuter Brüdergemeinde-London? Missionary Society-Evangelische? Allianz-CVJM-WBCA?, der ökumenische Aufbruch im 20. Jahrhundert/Nathan Söderblom, die Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen, das Zweite Vatikanische Konzil, der "Konziliare Prozess", die Konferenz Europäischer Kirchen/KEK, konfessionellen Weltbünde - letztlich die Vielgestalt der Ökumene (vgl. zur Pluralität des Protestantismus GRAF 2007 - zur Vielfalt der Konfessionsfamilien GRAF 2007, 31-60; NIPKOW 1998, 307-315; in Österreich VOCELKA 2013).

Aufgaben einer ökumenisch-interkulturellen Bildung sind demnach

  • die Reflexion der Verstehensbedingungen,
  • die Zielvorstellungen und
  • deren Durchführung.
Didaktisch geht es um

  • eine vergleichende Erfassung der Texte, Sitten, Bräuche, Bekenntnis- und Lehrtraditionen der einzelnen Kirchen und Konfessionen,
  • kirchentrennende Gegensätze,
  • interkulturelle Kontexte, die unterschiedliche Traditionen ergeben und deren Reflexion,
  • Möglichkeiten der Überwindung kirchentrennender Gegensätze und
  • eine Evaluierung kirchlicher Dialoge (vgl. NÜSSEL-SATTLER? 2008, 35).
Neue Themenbereiche ergeben sich aus den Themenbereichen der Anthropologie und Ethik, etwa die Zulassung von Frauen zu ordinierten Ämtern ("Gender-Problematik?"), individualethischen Problembereichen wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Eheverständnis/"Mischehe", Schwangerschaftsabbruch und Euthanasie sowie sozialethischen Themen wie Armut, Hunger/Durst, Diskriminierung und Ausschluss von Bevölkerungsteilen aus den Bildungssystemen.

Oftmals werden Gemeinsamkeiten aller Konfessionen in kulturellen Traditionen oder politischen Handlungsweisen stärker wahrgenommen als Differenzen der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Kirchen (vgl. NÜSSEL-SATTLER? 2008, 37-38).

Lernorte einer interkulturell-ökumenischen Bildung sind

  • Familien ("Mischehen"/idealerweise mit Betreuung),
  • Ortsgemeinden (interkulturell-ökumenische Arbeitsgruppen),
  • Schulen (Religions-, Ethik-, Geschichtsunterricht/Projektunterricht, ökumenische Kooperationen),
  • interkulturell-ökumenisch/religiöse Fort- und Weiterbildung (Kirchlich-Pädagogische? Hochschulen, Universitäten) und
  • interkulturell-ökumenische/religiöse Erwachsenenbildung.
Ziel ist das gemeinsame Grundanliegen einer umfassenden interkulturell-religiösen Bildung.

Umgesetzt werden können die angesprochenen Impulse in

  • einer stärkeren Ausübung in Bildungsinstitutionen, Pfarrämtern und pastoralen Diensten in Verbindung mit einer Berücksichtigung interkulturell-ökumenischer Elemente,
  • einer stärkeren berufsqualifizierenden Relevanz in den genannten Bereichen,
  • interkulturell-ökumenischen Fort- und Weiterbildungen (Lehrgängen, Lehramtszusatzausbildungen),
  • betreuten Begegnungsbereichen, Dialogforen und Tagungen sowie
  • in interdisziplinären universitären/fachhochschulkonformen Ausbildungsstätten.
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Fachliteratur/Auswahl: Interkulturell-ökumenische Bildung

Frech S.-Juchler I. (Hrsg.) (2009): Dialoge wagen. Zum Verhältnis von politischer Bildung und Religion, Schwalbach/Ts.

Graf F. (2007): Der Protestantismus. Geschichte und Gegenwart, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung Bonn, München

Nipkow K.E. (1998): Bildung in einer pluralen Welt, Bd. 2: Religionspädagogik im Pluralismus, Gütersloh, 302-358

Nüssel F.-Sattler D. (2008): Einführung in die ökumenische Theologie, Darmstadt, 7-44

8.7.3 Religion und Schulentwicklung    

Wenn das Schulfach Religion fächerübergreifend und projektorientiert einen Beitrag zu schulischer Bildung leisten soll, muss man davon ausgehen, dass im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen pädagogische Vorhaben geplant werden, in die der Religionsunterricht integrierbar ist.

Voraussetzung ist die Notwendigkeit einer standortgebundenen Schulentwicklung und der damit verbundenen Einrichtung einer Steuerungsgruppe mit Schulentwicklungsberatung (vgl. SCHRATZ 1996; ROLFF/BUHREN/LINDAU-BANK?/MÜLLER 1998).

Mögliche Bereiche eines interkulturell-religionspädagogischen Bemühens im Rahmen von Schulentwicklung sind am Beispiel der Sekundarstufe

  • ein jahrgangsübergreifender Unterricht, ggf. in Verbindung mit Geschichte und Sozialkunde, Geographie und Wirtschaftskunde, Kunsterziehung und Ethik,
  • innere Differenzierung nach Projekten und Themeneinheiten,
  • Projekttage, handlungsorientierte Lerntage und/oder Epochalunterricht,
  • Erkundungen/Praxistage und
  • Kooperationen mit Eltern, Einrichtungen, Vereinen und fächerübergreifenden Kooperationsformen.
Interkulturell konzipierter Religionsunterricht kann einen bedeutsamen Beitrag im Sinne eines kulturell-religiösen Bildungsauftrages in Programmen der Schulentwicklung leisten.

Fünf Thesen sollen zur Diskussion gestellt werden (ausführlich dazu BATTKE-FITZNER-ISAK-LOCHMANN? 2002, 129-131):

  • Ein so verstandener Religionsunterricht öffnet seine Konzeption und wird offener.
  • Eine Integration des konfessionsgebundenen Religionsunterrichts gelingt besser, wenn die Schule klare Organisationsstrukturen im Konsensverfahren durch die Steuerungsgruppe anbietet. Eine Flexibilität muss planbar sein.
  • In fächerübergreifenden Projekten/Vorhaben muss der Zusammenhang von fachspezifischen und fachübergreifenden Aspekten beachtet werden. Daneben benötigt der Religionsunterricht auch noch eine religiös-spirituelle Dimension.
  • Schulentwicklung verlangt Lernformen der Projektorientierung, Selbsttätigkeit und Selbstorganisation. Religionslehrkräfte müssen diese Lernformen unterstützen.
  • Die rechtliche Komponente muss für Religionslehrkräfte gegeben sein.
Ein integrierbarer Religionsunterricht im Rahmen von standortgebundener Schulentwicklung - interkulturell, planbar und flexibel gestaltet - wird von vielen Lehrkräften getragen und ist schulorganisatorisch, schulrechtlich und (religions-)pädagogisch-didaktisch durchzuführen.

Schulentwicklung ist die absichtsvolle Gestaltung von organisierten Lernprozessen und kann auf dem Weg zu einer lernenden Schule unterstützen (vgl. RÖHRICH 2012).

Schulpädagogisch gilt, dass Einstellungen veränderbar im Tun sind (vgl. SCHRATZ 1996, 9).

Staatliche und kirchliche Lehrkräfte (aller Konfessionen/Religionsgemeinschaften), Vollzeitlehrverpflichtung und Teilzeitlehrverpflichtung, Klassen- und Fachlehrkräfte, Experten und Dienstaufträge beeinflussen ein Schulentwicklungsprojekt. Die Mitwirkung des Religionsunterrichts - hier explizit interkulturell ausgerichtet - lässt sich immer nur standortgebunden entscheiden, mit Blick auf die örtlichen Gegebenheiten. Man soll demnach (nur)von einem Optionsmodell ausgehen, das die notwendigen Ressourcen einbringen kann/will, wenn die Voraussetzungen vorhanden sind (vgl. BATTKE-FITZNER-ISAK-LOCHMANN? 2002, 131).

Die Lernfähigkeit einer Schule kann als eine für ihren Erfolg und die Qualität des schulischen Bildungsangebots kritische Größe angesehen werden.

8.7.4 Islam und Bildung    

In Fragen einer Sozialisation von Muslimen spielt der Bildungsbereich eine besondere Rolle. Übersehen darf keinesfalls der hohe Stellenwert von Bildung im Islam, was seine religiöse Unverinbarkeit von Bildung und Religion widerlegt. Zu beachten ist auch die soziale Frage (vgl. HEINE-LOHLKER-POTZ? 2012, 104).

Es geht um

  • den islamischen Religionsunterricht (vgl. ÖSTERREICHISCHE BUNDESVERFASSUNG, Art. 14, Abs. 5a), wobei es um praktische Probleme geht (Qualifikation der Lehrkräfte, Lehrmaterial-Herausforderungen? an Unterricht; vgl. HEINE-LOHLKER-POTZ? 2012, 108-109).
  • die Professionalisierung islamischer Religionspädagogik (Islamische Religionspädagogische Akademie/ab 1998, Islamisches Religionspädagogisches Institut/ab 2003, Islamische Religionspädagogik/Universität? Wien/ab 2006-2007).
  • das Bildungsphänomen, dass lange Zeit der Religionsunterricht keine wesentliche Rolle in der religiösen Biographie der Mehrzahl der Muslime und Musliminnen spielte (vgl. ORNIG 2006, 264-266; HEINE-LOHLKER-POTZ? 2012, 106).
  • Befreiungen im Unterricht (Feiertage, Unterricht in "Sport und Bewegung", Biologie - Teilbereich Sexualerziehung).
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Fachliteratur/Auswahl: Religion und Schulentwicklung - Islam und Bildung

Battke A.-Fitzner Th.-Isak R.-Lochmann U. (Hrsg.) (2002): Schulentwicklung-Religion-Religionsunterricht?. Profil und Chance von Religion in der Schule der Zukunft, Freiburg-Basel-Wien?

Heine S.-Lohlker R.-Potz R. (2012): Muslime in Österreich. Geschichte-Lebenswelt-Religion?. Grundlagen für den Dialog, Innsbruck-Wien?

Khorchide M. (2012): Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion, Freiburg

Ornig N. (2006): Die zweite Generation und der Islam in Österreich. Eine Analyse von Chancen und Grenzen des Pluralismus von Religion und Ethnien, Graz

Rolff H.-G./Buhren C.G./Lindau-Bank D./Müller S. (1998): Manual Schulentwicklung. Handlungskonzept zur pädagogischen Schulentwicklungsberatung (SchB?), Weinheim-Basel?

Röhrich Th. (2012): Wege der Schulentwicklung. Zur Theorie und Praxis lernender Schulen, Bad Heilbrunn

Schratz M. (1996): Gemeinsam Schule lebendig gestalten. Anregungen zu Schulentwicklung und didaktischer Erneuerung, Weinheim-Basel?

8.7.5 Interkulturelle Aspekte    

Wenn es um religiöse Erziehung im interkulturellen Kontext geht, spielt die Anerkennung des Anderen, das Verständnis des Fremden und die Bereitschaft zum Dialog eine besondere Rolle. Letztlich geht es unter religiösen Gesichtspunkten um Werte und Normen in einer interkulturellen Gesellschaft.

Der Begriff "interkulturelle Gesellschaft" hat mehrere Dimensionen.

  • Die zeitliche Dimension betrifft die Analyse und das aktuelle Phänomen und versucht einen empirisch-analytischen Befund festzustellen.
  • Die soziokulturelle Dimension formuliert die interkulturelle Gesellschaft als das Zusammenleben unterschiedlicher soziokultureller Prägung und Staatsangehörigkeiten. Sie erstreckt sich auf die Ethnie, Sprache, Religion, soziale Ordnung und verschiedene soziokulturelle Eigenheiten. Mit Interkulturalität ist zugleich die Forderung enthalten, jede Form von zwanghafter Anpassung der unterschiedlichen Kulturen an eine bisher vorherrschende Tradition abzulehnen. Interkulturalität ist mit internationaler Migration eng verbunden. Es geht um die Verflechtung von Politik und Wirtschaft.
  • Die kulturell-religiöse Dimension betrifft die Freiheit von Religion und Weltanschauung mit der Frage, ob es gemeinsame Überzeugungen gibt oder ob eine solche Gesellschaft ein derartiges Konfliktpotenzial besitzt, dass geringste Störungen - man denke an Bosnien mit dem Zusammenleben von Christen und Muslimen - sie aus dem Gleichgewicht bringen können. Hier sollte man sich nicht von einer Friedlichkeit interkulturell-religiöser Phänomene täuschen lassen.
Wenn es um Werte im religiösen Sinne geht, sind Leitlinien - also sozialisierte Überzeugungen und Vorstellungen einer Person/Gruppierung in Gesellschaft und für sich - gemeint. Werte stehen immer in Konkurrenz zu Alternativen. Demnach gibt es einen Entscheidungszwang. Mit dem aus der Wirtschaft stammenden Begriff - man denke an "Mehrwert" - ist eine Wertung verbunden. Diese beinhaltet eine Einschätzung, die zumeist subjektiv ausfällt (Was ist es? Wie soll es sein? Was soll es werden?). Werte stehen mitunter für den (hohen)Begriff eines metaphysischen Denkens.

Eine interkulturelle Gesellschaft steht für einen Austausch, eine Vermischung und einen Wandel der jeweiligen Werte. Gerade deshalb wird von nicht wenigen Interkulturalität abgelehnt. Man fürchtet eine Überfremdung durch die soziokulturelle und kulturell-religiöse Dimension, was zu Ängsten und Fremdenfeindlichkeit führen kann. Im interkulturellen Ansatz wird man dem Anderen seine Eigenheit lassen, die Fremdheit aushalten. Dies gilt jedenfalls für die Menschenrechte.

Damit ist das Erziehungsziel formuliert: Anerkennung der Fremdheit und Anerkennung partikularer Identitäten mit einem eigenen Respekt als Voraussetzung für Toleranz und Religionsfreiheit (vgl. FRECH-JUCHLER? 2009).

Von der eigenen Religiosität darf man ein erstes offenes Vorverständnis mitbringen. Ein solches Verstehen ist Voraussetzung für eine interkulturelle Kommunikation. Voraussetzung ist demnach auch der eigene Standort und das Überprüfen eigener Auffassungen bzw. Grundhaltungen. Ein verkürztes Denken und Glauben verhindert die Bereitschaft zum Dialog. Fanatismus und Fundamentalismus verstoßen gegen ein religiöses Gespräch.

Im Blick auf den Diskurs zwischen dem schulischen Fach Religion, einer Religionskunde, Ethik, LER und ähnlichen Versuchen stehen die folgenden Thesen zur Diskussion.

  • Werte stehen in Verbindung mit einer konkreten Gemeinschaft und sollen durch diese gelebt werden.
  • Daraus schließt der kirchliche Religionsunterricht seine Bedeutung für eine Glaubensgemeinschaft und eine Unterstützung von dieser.
  • Der ökumenische Aspekt gehört zum Religionsunterricht, er vervollständigt Religion im interkulturellen Kontext eines (christlichen) Glaubens.
  • Ethische Erziehung im Kontext mit religiöser Sozialisation läuft über Familie, Kindergarten, schulischen Religionsunterricht, Jugendarbeit, Gemeindearbeit und Pfarrgemeinde. Bräuche, Sitten und der Gang durch das Kirchenjahr vervollständigen die Lernorte.
  • Erzählungen und Biographien veranschaulichen die Werte. (Religions-)Pädagogische Vorbilder erzeugen Glaubwürdigkeit.
  • Letztlich gehört auch ein Scheitern und Versagen zur religiösen Erfahrung. Umkehr und Versöhnung sind ebenso individuelle Formen gesellschaftlichen Lebens.
Es gilt die Goldene Regel im religiösen Verhalten im interkulturellen Kontext - "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu."

Einig sollte man in der Vorgangsweise sein, was man ethisch ablehnt. Dies hat Hans KÜNG mit seinem Weltethos zur Diskussion gestellt (vgl. KÜNG 1990/2002). Demnach sollte man bei aller Interkulturalität von einem Ethos ausgehen, weil ein bilateraler Dialog so leichter begonnen werden kann. Dies kann für die Ökumene und den interreligiösen Dialog gelten.

8.7.6 Religion-Politik-Recht? - Religion im ORF    

Wie komplex der politisch-rechtliche Diskurs um Religion im interkulturellen Kontext sich darstellt, zeigen die folgenden zwei beispielhaften rechtlichen Fragestellungen:

  • Darf der Österreichische Rundfunk/ORF als öffentlich-rechtliche Einrichtung eine "Karfreitagsschweigeminute" selbst inszenieren, flächendeckend durch das TV und den Rundfunk ausstrahlen und dabei ausdrücklich die eigene Anteilnahme am Kreuzestod Jesu Christi bekunden?
  • Entspricht das ORF-Gesetz? der österreichischen Bundesverfassung, wenn es Kirchenvertreter in die höchsten Gremien des ORF entsendet?
Einer Beschwerde, die die "Initiative Religion ist Privatsache" beim Verfassungsgerichtshof eingebracht hat, sind diese und weitere Fragen zum Verhältnis Staat/Kirche zu entnehmen. Die Beschwerde richtet sich keineswegs allgemein gegen die Behandlung religiöser Themen im ORF-Programm?. Vielmehr geht es bei einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk um einen Dissens bei einer einer weltanschauliche Position und einer möglichen verfasssungswidrigen Förderung einer Religion.

Bedenklich ist für die Initiative der Umstand, dass das ORF-Gesetz? einseitige pro-religiöse und insbesondere pro-christliche Bestimmungen enthält. Auf diese berief sich der ORF als "Kirchenprivilegierungs-Zielparagraph?" im Rahmen seiner bisherigen Argumentation. Laut ORF-Gesetz? sind im ORF-Publikumsrat?, der bei der Programmgestaltung mitwirkt, zwei Sitze für Kirchenvertreter reserviert. Zusätzlich verfügt das Gesetz die Mitwirkung eines Kirchenvertreters im ORF-Stiftungsrat? bei der Bestellung des Generaldirektors.

Für die Initiative liefert die derzeitige Formulierung des ORF-Gesetzes? auch eine Argumentation für eine Reduktion und Professionalisierung der ORF-Gremien?, egal ob kirchlicher oder politischer Natur.

APA-OTS-Mailabo?, 30.1.2013 "Verfassungsgerichtshof wegen Karfreitagsschweigeminute und pro-christlichem Gesetz angerufen"

IT-Hinweis?:

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/13620/aom (30.1.2013)

Beschwerde im Wortlaut: http://www.ots.at/redirect/VfGHBeschwerde (30.1.2013)

8.8 Biographisches Schreiben    

Interkulturell geprägtes Leben ist mitunter schwer zu verstehen und noch schwerer zu analysieren. Kulturelle Momente können manchmal schwer erklärt werden, biographisches Schreiben mit seinen Ressourcen ist daher von Interesse und öffnet möglicherweise Erinnerungen, neue Aspekte und Chancen.

Biographisches Schreiben umfasst Lebensgeschichten, Tagebücher, Briefwechsel und Monographien. Diese unterschiedlichen Formen haben eine Logik verschiedener Momente (vgl. HESS 2006, 352-357).

Interkulturalität wird über die Beschreibung von Momenten transportiert. Momente betreffen einmal den Zeitpunkt (der Moment) und zum Anderen die "Raum-Zeit?"-Bedeutung/Gefüge (das Moment). In diesen Zusammenhang wird das Moment der Interkulturalität verwendet. Hier wird ein eigenes Moment dargestellt, etwa der Rekonstruktion des eigenen Lebens, verschiedener mitunter widersprüchlicher Einflüsse und Wahlmöglichkeiten.

Entscheidend ist die Rückkehr in die Vergangenheit, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft planen zu können (Nachdenken über mögliche Wirklichkeiten). Das Rückwärts- und Vorwärtsgehen auf der individuellen Ebene wird als "regressiv-progressive Methode" benannt.

Biographisches Schreiben ist

  • eine Methode der Erforschung von Interkulturalität. Sie spielt sich auf den Ebenen der Individualität und Inter-Individualität? ab.
  • Dieses Schreiben ist ein Mittel der Reflexion, Bildung und eine Quelle der Ethnosoziologie.
  • Die vergleichende Analyse ist ein Mittel der Ethnologie.
8.9 Elternkooperation im interkulturellen Kontext    

Elternkooperation im interkulturellen Kontext gehört zu den essentiellen Bemühungen in interkulturellen Bildungsprozessen und bedarf einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Institutionen formaler Bildung und Erziehung mit Familien und dem Umfeld von Heranwachsenden (vgl. NEUMANN 2012, 363-373).

Es gelingt keineswegs immer, eine entsprechende Praxis zu etablieren.

Kommunikationsbarrieren sind etwa Vorurteile, Zuschreibungen und Schuldzuweisungen. Die Macht der Schule ist größer als das Recht der Eltern auf Mitwirkung im Schulgeschehen (vgl. HAASE 2012, 37). Dies gilt insbesondere für Elternhäuser, die sozial schwach und mit Migrationshintergrund eingeschätzt werden und denen eine kulturelle Distanz zur Schule zugeordnet wird (vgl. NEUMANN 2012, 364-365). Das Verhältnis zwischen Eltern und Lehrkräften wird als spannungsreich bezeichnet und deshalb wird auf eine neue Bildungs- und Erziehungspartnerschaft verwiesen (vgl. FUHS 2006, 126-136).

Die bisherige Elternarbeit ist historisch in einem pluralen und interkulturellen Umfeld in der gegenwärtigen Praxis überholt. Vielmehr geht es heute um eine Kooperation auf Augenhöhe, wofür die Begriffe Erziehungs- und Bildungspartnerschaft und/oder Regionale Bildungsgemeinschaft stehen (vgl. STANGE 2012, 13; NEUMANN 2012, 366).

Dieses erweiterte Verständnis der Kooperation und Partizipation in Familie, Schule, Kindertagesstätte, weiterführenden Bildungsinstitutionen und anderen außerschulischen Lernorten steht für

  • Zwei- und Mehrsprachigkeit,
  • verschiedene kulturell-religiöse Deutungs- und Handlungsmuster sowie
  • Handlungsfelder, die in einer schulischen Bildung keine Platz haben.
"Erziehungs- und Bildungspartnerschaften" beziehen sich auf weitere Institutionen. Regionale Bildungspartnerschaften umfassen

  • sozial-, familien- und bildungspolitische Maßnahmen in Verbindung mit einer aktiven Beteiligung von Eltern an Schulentwicklungsprozessen und der Einbeziehung der sozialen Umwelt von Familien nach der sozial-ökologischen Theorie von BRONFENBRENNER 1981 und
  • kultur-kapitaltheoretische Ansätze, die den Zusammenhang zwischen familiärer Sozialisation und schulischer Bildung aufzeigen. Kulturelles Kapital mit Nutzungsmöglichkeiten, gesellschafts- und systemspezifisches Wissen (Sprachen, Bildungssysteme) und Wissensbestände der Eltern mit ihrem Sozialkapital sollen nach der Kulturkapitaltheorie' von BOURDIEU und PASSERON (1971) vermehrt eingesetzt werden.
  • Ziel ist die Verbesserung der Bildungschancen, spezifischer Aneignungsprozesse von Kulturkapital durch Elternbildung. Dazu bedarf es entsprechender Netzwerke (vgl. ausführlich SCHWAIGER-NEUMANN? 2010, 55-60).
"Elternarbeit lohnt durchaus den Aufwand, den sie von allen Beteiligten erfordert - allerdings nur, wenn ein Konzept zugrunde liegt, das der Forschungslage Rechnung trägt.[...]Das Bemühen um ein wirklich partnerschaftliches Verhältnis zwischen Schule und Elternhaus ist ein entscheidendes Kriterium erfolgreicher Elternarbeit" (SACHER 2012. 232).

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Fachliteratur/Auswahl - Elternkooperation im interkulturellen Kontext

Bourdieu P./Passeron J.-C. (1971): Die Illusion der Chancengleichheit. Untersuchungen zur Soziologie des Bildungswesens am Beispiel Frankreichs, Stuttgart

Bronfenbrenner U. (1981): Die Ökologie der menschlichen Entwicklung: Natürliche und geplante Experimente, Stuttgart

Fürstenau S.- Gomolla M. (Hrsg.) (2009): Migration und schulischer Wandel: Elternbeteiligung, Wiesbaden

Fuhs B. (2006): Eltern und Ganztagsschule, in: Burk K./Deckert-Peaceman H. (Hrsg.): Auf dem Weg zur Ganztags-Grundschule?, Frankfurt/M., 126-136

Haase K.(2012): Erziehungs- und Bildungspartnerschaft von Familie, Schule und Kinder- und Jugendhilfe im Kontext der Schulentwicklung, in: Pädagogischer Rundschau 66, H. 1, 29-44

Neumann U. (2012): Zusammenarbeit mit Eltern in interkultureller Perspektive, in: Die Deutsche Schule 4/2012, 363-373

Sacher W. (2012): Erziehungs- und Bildungspartnerschaft in der Schule: Zum Forschungsstand, in: Stange W.-Krüger R.-Henschel A.-Schmitt C.(Hrsg.): Erziehungs- und Bildungspartnerschaften, Wiesbaden, 232-243

Schwaiger M.-Neumann U.(2010): Regionale Bildungsgemeinschagften. Gutachten zur interkulturellen Elternbeteiligung der RAA. Hamburg: Institut für International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft > http://www.bqm-hamburg.de/media/downloads/Elternarbeit_2011.pdf (14.12.2012)

Stange W. (2012): Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Grundlagen, Strukturen, Begründungen, in: Stange W.-Krüger R.-Henschel A.-Schmitt C. (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Grundlagen und Strukturen von Elternarbeit, Wiesbaden, 12-39

8.10 Interkulturelles Konfliktmanagement    

Als Vorbild für diese Entwicklung, mit Einschränkungen auch im interkulturellen Kontext, darf die in den USA in den sechziger Jahren entstandene "Alternative Dispute Resolution"(ADR) angesehen werden.

  • Eine Richtung betont den demokratischen Effekt von Mediation mit der Möglichkeit der selbstbestimmten Konfliktlösung durch die Akteure (verwurzelt in der Bürgerrechts- und Friedensbewegung; vgl. SLATON-BECKER? 1990, 312).
  • Die andere Richtung betrachtet Mediation als ein Verfahren, das ein Rechtssystem entlastet und zu einer einer größeren Zufriedenheit mit Konfliktlösungen führen kann (vgl. BURTON-DUKES? 1990, 86).
Konfliktmanagement im positiven Sinne ermöglicht in jedem Fall die Interessen der Akteure in den Vordergrund zu stellen und nicht Machtüberlegenheit und Rechtspositionen über den Ausgang der Verhandlungen entscheiden zu lassen (vgl. LIEBE 2006, 359, TREICHEL-MAYER? 2011, 337).

Das Harvard Negotiation Project sieht drei grundlegende Funktionen für einen Erfolg in Konfliktbearbeitungen (vgl. FISHER-URY-PATTON? 2009, 41-137):

  • Personen und Probleme sind getrennt voneinander zu behandeln.
  • Es gilt sich auf die Interessen und nicht auf die Positionen zu konzentrieren und
  • das Verfahren soll Optionen zum beidseitigen Vorteil entwickeln können.
Der Vorteil des Verfahrens liegt in der Verständlichkeit. Die Schwierigkeit beginnt in der Übertragung bei einem realen Konflikt. Ob in der Komplexität von sozialen Konflikten nur die verhandelbaren Interessen übrig bleiben, hängt von der Konfliktart und der Verhandelbarkeit ab. Man weiß, wie schwer es ist, in Konfliktsituationen, Beziehungs- und Sachaspekte trennen zu können (vgl. LIEBE 2006, 359-360).

Dies zeigt sich in der geringen Relevanz bei interkulturellen Konflikten. Die Kritik ist naheliegend, dass es sich nur um die Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung handelt (vgl. LUHMANN 1987, 536-537; LIEBE 2006, 360). Konfliktverfahren ohne ausreichende Diagnose und Beachtung der Komplexität von sozialen Aspekten - gestörte Beziehungen, unterschiedliche Werte, Anerkennungsproblemen und unterschiedlichen Machtverhältnissen - bedürfen, wenn sie nicht von vornherein scheitern sollen, Dialogverfahren. Diese beziehen sich nicht auf die Konfliktfelder und vereinfachen die Komplexität der Entstehungsgeschichte.

Im Mediationsverfahren finden sich zwei Ansätze, die von Interesse im interkulturellen Kontext sind.

  • Zu Beginn werden Regeln aufgestellt, um eine faire Verhandlung leichter zu ermöglichen. Bei Akteuren von verschiedener Hierarchiebenen kann dies wichtig sein.
  • Eine dritte Person in das Konfliktsystem als Unparteiischer sollte von den Konfliktparteien akzeptiert sein. Wesentlich ist der Aspekt, dass die Zweierbeziehung aufgelöst wird. Die "Dritte Person" veranlasst zu einem geänderten Verhalten und eher zu einer ergebnisoffenen Situation. Fehler oder Widersprüche können gegenüber einem Dritten leichter eingestanden werden. Eine dritte Person wird damit zu einem wichtigen Faktor der Konfliktregulierung (vgl. LUHMANN 1987, 540; LIEBE 2006, 362).
Als Chancen für die Bearbeitung von interkulturellen Konflikten gelten jedenfalls

  • die Kommunikation von Widersprüchen und
  • Konflikte nicht zu beseitigen, also Bedingungen zu schaffen, unter denen ein Dissens verarbeitet werden kann. Niklas LUHMANN (2000, 206) schlägt Verständigungen bzw. Vereinbarungen vor, die angesichts der Komplexität sozialer Konflikte sinnvoll erscheinen. Der Einsatz von Macht wird abgelehnt, Beziehungsgestaltung wird gefordert, Konfliktwurzeln sollen identifiziert werden und Lösungen zur Zufriedenheit der Beteiligten gefunden werden (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 341).
Verhandlungssysteme sind wesentlich, wenn es zu zivilisierten Formen der Interaktion kommt, wobei Langfristigkeit, Reflexionsfähigkeit und Selbstbeschränkung Voraussetzungen sind. Die Notwendigkeit einer Rücksichtnahme auf den Anderen im eigenen Interesse ist ein Gewinn (vgl. LIEBE 2006, 366).

Die interkulturelle Problemstellung bedarf keinesfalls einer isolierten Blickwinkels, vielmehr einer Anerkennung, also einer Sichtweise als Bestandteil eines gesellschaftlich- sozialen Konflikts. Im Lösungsansatz ist eine gelingende Kooperation anzustreben (vgl. WILLKE 1998, 129).

"Weniger interkulturelles Expertentum und mehr Mut gesellschaftliche Wirklichkeiten anzuerkennen und diese nicht als Zumutung, sondern als Auftrag zu begreifen heißt, den Konflikten und ihren Akteuren Gestaltungsräume für einen konstruktiven Aushandlungsprozess zu überlassen - und dies ist schlicht der Grundgedanke von Mediation" (LIEBE 2006, 367).

Interkulturelles Konfliktmanagement sieht als größte Herausforderung die Identifizierung von Konfliktursachen, wobei fünf Aspekte eine Rolle spielen können: die Beziehung, der Sachverhalt, die Interessen, die Werte und die strukturellen Bedingungen (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 340).

Interkulturelle Konfliktursachen können stark an das sie umgebende System eingebunden sein, in das komplexe Beziehungsgefüge von Individuen und Organisationseinheiten. Wesentlich ist die Identifikation von Konflikten, die Methoden einer Konfliktvermeidung und die Analyse des Konfliktergebnisses. Daraus entsteht in der Folge die Basis zur Konfliktmanagement-Aktivität?. Auszugehen ist als Ursache zunächst von kulturellen Differenzen (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 340).

Praktische Wege eines Konfliktmanagements sind (vgl. TREICHEL-MAYER? 2011, 340-341)

  • "Negotiations" einzubeziehen, also gegenseitige Bedürfnisse und Interessen der Konfliktpartner, damit Ziele erreicht und Beziehungen aufgebaut werden können,
  • "Facilitation", also Vermittlung oder Moderation als Methode der Drittparteien-Intervention? mit Kommunikation, Moderation, Regeleinführungen und einem nicht-direktiven Kommunikationsstil. Versucht wird, Synergien anzubahnen und zu schaffen,
  • letztlich die bereits angesprochene "Mediation" auch als Methode der Drittparteien-Intervention?, wobei der Mediator allparteilich ist, Verhandlungstechniken angewendet werden, aktives Zuhören mit bestimmtem Fragetechniken wesentlich sind.
Zu beachten sind bei der Konflikttransformation die Asymetrie der Konflikte, die Ungleichheit der Konfliktpartner in Macht udn Status, eien mögliche Langwierigkeit, ein Wechsel der Konfliktbereitschaft und die Verwobenheit bzw. Verbindung von Gesellschaften bzw. Gruppierungen, sozioökonomischen Bedingungen und situativen Kontexten(Regionen, lokale und globale Verbindungen).

Neuere Konflikt-Transformationskonzepte? beachten insbesondere die persönliche Ebene mit Emotionen, Wahrnehmungen und kulturell-religiösen Aspekten, die Beziehungsebene mit kommunikativen, expressiven und interaktiven Aspekten und die Strukturebene mit menschlichen Bedürfnissen, Ressourcen und institutionalisierten Entscheidungsmustern sowie die Kulturebene mit dem Einfluss von Kultur auf die Entwicklung und die Konfliktlösung (vgl. MAYER 2006; TREICHEL-MAYER? 2011, 341-342).

8.11 Diskriminierung    

Diskriminierung bedeutet Ungleichbehandlung bei Gleichheits- und Gleichbehandlungsgrundsätzen mit Benachteiligungen. Dies erfolgt allgemein bei Merkmalen, die die von sozialer Bedeutung für Personen/-gruppen sind. Zu solchen Merkmalen gehören die Sprache, das Geschlecht, politische-weltanschauliche-religiöse Überzeugungen, "Rasse", ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung, Behinderung und Alter (vgl. SCHULTE 2006, 369; RITTSTIEG-ROWE? 1992, 60-62).

Zu unterscheiden ist staatliche (Recht, Normen, Praktiken), gesellschaftliche (gesellschaftliche Gruppierungen, Personen)und institutionelle Diskriminierung (Organisationen, Institutionen). Diskriminierungen sind allgemein mit Nachteilen verbunden wie Herabwürdigungen, Verunsicherungen, materiellen Einbußen, verminderten Lebenschancen, Verfolgung bis zur Vernichtung.

Für Heranwachsende spielt die Eingliederung in das Bildungssystem eine besonders wichtige Rolle (vgl. GOMOLLA-RADTKE? 2002).

Bei der Diskriminierung in der europäischen Einwanderungsgesellschaft sind bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders betroffen oder bedroht (Sinti, Roma, Juden, Muslime, Obdachlose, Behinderte, Homosexuelle, Abweichler und Frauen).

Insbesondere ist der Ausländerstatus von Bedeutung. Verfassungsrechtlich geht es um gleiche Rechte (Menschenwürde, Menschenrechte, Rechtsschutz). Ungleich ist dagegen die Freiheit von Migranten (ausländerrechtliche Sondernormen, staatliche Dispositionsbefugnis/Einreise, Aufenthalt, Familiennachzug, Zugang zum Arbeitsmarkt, soziale Leistungen).

"Diese mit dem Ausländerstatus verknüpfte rechtliche Ungleichbehandlung ist zugleich eine der Ursachen für ein teilweise gering ausgebildetes Unrechtsbewusstsein in der Gesellschaft hinsichtlich rassistischer, ethnischer oder religiös-weltanschaulicher Diskriminierung" (SCHULTE 2006, 370).

Zu Diskriminierungen bei Migrantinnen und Migranten durch

  • den Staat gehören Übergriffe (Einschüchterung, Herabwürdigung, Misshandlungen),
  • die Gesellschaft gehören Benachteiligungen durch Personen und Einrichtungen, die gesellschaftliche Macht besitzen etwa bei Dienstleistungen, am Wohnungsmarkt, bei Beschäftigungsmöglichkeiten - fremdenfeindlicher Propaganda und Gewaltanschlägen.
Rechtliche nationale und internationale Verpflichtungen und politische Aufträge beinhalten die Entwicklung und Durchführung von Antidiskriminierungsmaßnahmen.

  • Menschenrechte/Menschenwürde - Rechtsstaatsprinzip
  • Gleichheitsgrundsatz - Diskriminierungsverbot - Sozialstaatprinzip
  • Demokratie
  • Integration
  • Nutzung menschlicher Ressourcen
  • Zivilisation und
  • Toleranz.
Elemente zur Prävention von Diskriminierungen von Migrantinnen und Migranten sind in Form kombinierter Strategien relativ erfolgreich.

  • Verankerung rechtlicher Normen (Verfassungs- bzw. Völkerrecht)
  • Schaffung institutioneller und organisatorischer Strukturen in Verbindung mit positiven Fördermaßnahmen
  • Einbeziehung verschiedener Akteure (Bündnisse, NGOs, Sozialpartner) und
  • Öffentlichkeitsarbeit (Medien, Aufklärungsmaßnahmen).
8.12 Politische Bildung - Beispiel Empowerment    

Empowerment bedeutet die Selbstbefähigung und Selbstermächtigung - im interkulturellen Kontext bei zugewanderten Personen - beim Erkennen von Abhängigkeiten und sich mit ihnen in einem Konzept in politischer Bildungsarbeit/Politischer Bildung auseinanderzusetzen, Handlungsempfehlungen zu formulieren und eigene Zugänge zu entwickeln.

Neben der Bedeutung eigener Ressourcen geht es um strukturelle Machtungleichheiten, die durch eigene Strategien auf der Grundlage von Selbstdefinition und Selbstbestimmung bzw. Eigeninitiative bearbeitet werden und in der Folge vermehrt Handlungsspielräume eröffnen sollen.

Demnach ist Empowerment auf die Stärkung der Teilhabe an Entscheidungsprozessen ausgerichtet, also auf demokratische Partizipation (vgl. zum Partizipationsverständnis GEISEN-RIEGEL? 2009, 9). Es geht mehr um das Ziel als um die Teilhabe am Vorhandenen. Selbstverständlich sollen Mitbestimmung, Mitverantwortung und Mitgestaltung nicht zu kurz kommen. Soziales Handeln, Vorhandenes ändern, Machtverhältnisse zur Diskussion zu stellen/ändern und individuelle Emanzipation zeigen sich als Handlungsfelder. Damit ist der Prozesscharakter von Veränderungen persönlicher, kollektiver und gesamtgesellschaftlicher Bedingungen angesprochen.

Am Beispiel von Politischer Bildung lässt sich nachweisen, dass Bildungsangebote den Ansatz wesentlich unterstützen können (vgl. LANGE-POLAT? 2009, 236-238)..

  • Beispielhaft können Integrationskurse angeführt werden. Die Perspektive von Empowerment beinhaltet die Abkehr von Ansätzen, Bildung als Möglichkeit sozialer Kontrolle zu sehen (vgl. LANGE-POLAT? 2009, 237). Die Anbieter sollten vielmehr die Ressourcen/Eigenpotenzialen der Teilnehmer stärken und Orientierung an einer Minderheitensituation vermitteln (etwa Gleichbehandlung, Rechtsstatus und Landeskunde).
  • Ebenso können Workshops für Migrantinnen und Migranten eine Auseinandersetzung mit gesamtgesellschaftlichen Problembereichen anbieten - Rassismus, Diskriminierung, Migrationsgeschichte, Machtachsen/Privilegien und Eigenräumlichkeiten.
  • Dazu bedarf es struktureller Rahmenbedingungen - Vorbilder, migrantischer Interessen und Perspektiven - in Form von Bildungsträgern, Beraterinnen/Berater und Partnerorganisationen. Konzeptionell geht es um das Reflektieren von Werten/Normen, Vorannahmen und eigener Tätigkeiten.
  • Ein mehrdimensionales Menschenbild/Identitätskonzept weist auf die Komplexität hin (soziale Gruppierung, unterschiedliche Machtzugänge; Religion, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, soziale Herkunft).
Identität soll als Herausbildung von Subjektivität und gesellschaftlicher Stellung begriffen werden.

Grundverständnis ist die Veränderbarkeit sozialer Realität mit sozialer Gerechtigkeit, Respekt vor Menschenwürde bzw. Menschenrechten, Partizipation und Demokratie als Gesellschaftsform.

Eine Didaktik einer Politischen Bildung im interkulturellen Kontext sieht als Empowerment-Ansätze? vier Schritte vor (vgl. LANGE-POLAT? 2009, 239-240):

  • Teilnehmerzentrierung - eigene Lebenssituation, Interessen und Lernvoraussetzungen,
  • Ressourcenorientierung - Wissen, Kompetenzen und Stärken der Teilnehmenden, Ausbau der Potenziale - Absage an einen defizitären Ansatz, der bei einer Unfähigkeit der Klientel ansetzt,
  • Community-Development-Ansatz? - Gemeinwesentwicklung/Förderung der (Selbst-)Organisation,
  • Gleichberechtigte Kooperation von Teilnehmenden und Lehrenden- Vermittlung von Wissen zur eigenständigen Lösung von Problemlagen.
Bildungsziele sind demnach:

  • partizipatorische Kompetenz - Stärkung des Selbstgefühls, Wissen und Kritikfähigkeit von sozialen und politischen Beziehungen sowie Förderung von Ressourcen und Strategien bei der Erreichung persönlicher und kollektiver sozialer Ziele
  • interkulturelle Kompetenzerweiterung - Entwicklung und Vertiefung von persönlichkeitsbildenden Fähigkeiten/Fertigkeiten wie Respekt, Kooperatinsfähigkeit, Perspektivenwechsel, Ambiguitätstileranz und Experimentierlust,
  • Bewusstseinsbildung/-erweiterung - Erkennen von sozialen und allgemein-politischen Problemen, Handlungsmöglichkeiten und der eigener Lebenssituation,
  • Wissensvermittlung - Sprach- und Rechtskenntnisse, Landeskunde, Mediennutzung und Kommunikationsfähigkeit,
  • Bewältigungsstrategien bei Diskriminierung und
  • "Community-Building?" - Einbindung in Gemeinschaften/Organisationen/Vereine.
Das Methodenrepertoire ergibt sich aus der Bedürfnislage der Teilnehmenden, wobei interaktive Methoden mit Reflexionsmöglichkeiten in Verbindung mit einem einleitenden Theorie-Impuls? produktiv eingesetzt werden können (vgl. LANGE-POLAT? 2009, 242-243):

  • Analyse - Lebenswelt, Alltagsbewältigung; gesellschaftliche Zusammenhänge, Erkennen eigener Ressourcen,
  • Dekonstruktive Pädagogik - Hinterfragen vermeintlicher Wahrheiten/Dekonstruktion von Differenz (vgl. FRITZSCHE-HARTMANN-SCHMIDT-TERVOOREN? 2001),
  • theaterpädagogische Methoden/Training für den Unterricht in Politischer Bildung - Rollenspiel, szenische Darstellung, Simulation, Pro-Contra-Debatte? und Expertenbefragung (vgl. BOAL 1989; FRECH-KUHN-MASSING? 2004) und
  • handlungsorientierte Methoden zur Problemlösung - etwa Mediation, Recherche, Internet/Netzwerkarbeit und Projektmanagement.
Kritisch ist die Gefahr der Instrumentalisierung zu hinterfragen. Verantwortlichkeiten dürfen nicht zur Verschiebung nach unten führen, so dass die Einzelperson allein in der Verantwortung steht. Ein Verschleiern von Machtungleichheiten und Ohnmacht darf nicht vorkommen. Veränderbarkeit ist gefordert.

Empowerment ist mehr als Bildungsarbeit.

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Fachliteratur/Auswahl: Politische Bildung - Beispiel Empowerment

Boal A. (1989): Theater der Unterdrückten. Übungen und Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler?, Frankfurt/M.

Elverich G.-Kalpaka A.-Reindlmeier K. (Hrsg.) (2006): Spurensicherung. Reflexion von Bildungsarbeit in der Einwanderungsgesellschaft, Frankfurt/M., 172

Frech S./Kuhn H.-W./Massing P.(Hrsg.) (2004): Methodentraining für den Politikunterricht, Schwalbach/Ts.

Fritzsche B.-Hartmann J.-Schmidt A.-Tervooren A. (Hrsg.) (2001): Dekonstruktive Pädagogik, Opladen

Geisen Th.-Riegel Chr. (Hrsg.) (2009): Jugend, Partizipation und Migration. Orientierungen im Kontext von Integration und Ausgrenzung, Wiesbaden

Lange D.-Polat A. (Hrsg.) (2009): Unsere Wirklichkeit ist anders - Migration und Alltag. Perspektiven politischer Bildung, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Stark W.(1996): Empowerment. Neue Handlungskompetenzen in der psychosozialen Praxis, Freiburg i. Br.

8.13 Interkulturelle Bildung in der Grundschule    

Auch für die Kinder im Grundschulalter ist das Zusammenleben von Menschen verschiedener Länder eine Alltagserfahrung.

Allgemein wird interkulturelle Bildung im Sekundar- und Tertiärbereich (unterschiedlich) praktiziert, der Primärbereich wird in der Regel ausgespart. Print- und elektronische Medien verbreiten über die Grenzen hinweg ein Bild der Internationalität und Globalisierung - sozial, kulturell und ökonomisch. "Entsprechend soll mit der Vorbereitung auf ein friedliches Miteinander in globaler Verantwortung von der 'Einen Welt' so früh wie möglich begonnen werden" (EICKHORST 2007, 7).

Der Bildungsauftrag der Grundschule, sich unterschiedslos an alle Kinder zu wenden, ist für interkulturelle(s) Bildung/ Lernen eine breite Ausgangsbasis mit spezifischen Herausforderungen im Hinblick auf weiterführende Schulformen der Sekundarstufe I ( Mittelschule, AHS-Unterstufe?).

Im Mittelpunkt steht der Balanceakt,

  • viele Gemeinsamkeiten zu finden und
  • der Verschiedenheiten gerecht zu werden (vgl. MECHERIL 2009, 208-209; EICKHORST 2007, 7).
  • Daneben gilt es es, der Förderung von Kindern migrantischer Herkunft grundschulpädagogisch-interkulturell gerecht zu werden.
Interkulturelle Pädagogik hat als Bildungsauftrag die Überwindung von kulturellen Schranken und Begrenzungen (vgl. EICKHORST 2007, 18).

  • In der öffentlich-rechtlichen Schule gilt die Verpflichtung auf Universalität, gleichwohl gibt es schulische Tendenzen zu Traditionalismus.
  • Als Zukunftsperspektive gilt, dass im interkulturellen Kontext Transformationsleistungen über Kulturen ihre Bedeutung haben. Damit ist der Bereich einer transkulturellen Bildung angesprochen.
  • Interkulturelles Lernen ist dem Grundanliegen von Bildung und Erziehung gerecht zu werden. Altersstufengemäße Unterrichtssituationen im Kontext mit Verstehen/Verständnis sind Basis des Grundschulunterrichts.
  • Interkulturell-schulpädagogische Grundsätze sind
  • die Gleichwertigkeit von Menschen,
  • die Fähigkeit zur Gestaltung des Lebens,
  • das Recht auf Teilhabe und Zugehörigkeit,
  • die biographische, kulturelle und soziale Verschiedenheit bzw. Heterogenität als Normalfall und der Anspruch, nicht diskriminiert zu werden.
Die Grundschule ist eine reine Kinderschule. Der Anspruch auf Kindgemäßheit ist nicht kulturfrei. Seitdem die Grundschule auch eine Schule für Kinder aus verschiedenen Herkunftsländern und Erstsprachen ist, geht interkulturelle Bildung davon aus, dass die Breite der Begabungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten bei unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft nicht nur als Herausforderung, vielmehr auch als Chance begriffen werden muss. Diese Mehrperspektivität bedeutet Doppelaufgabe: Einbindung der jeweiligen Kultur und Schaffung der Grundlagen für das Lernen an weiterführenden Schulen (vgl. EICKHORST 2007, 47).

Schwerpunkte im Unterricht/Schulorganisation ergeben sich im/in der

  • sozialen Lernen: Anerkennung, Empathieentwicklung, Abbau von Vorurteilen, Solidarität, Kooperationsfähigkeit/Umgang mit Konflikten - Anbahnung von Demokratie als Lebensform (Offenheit und Diskurs) und Perspektivenübernahme,
  • Begegnung - Austausch: Verhalten im Unterricht/Lerngruppen, Lernstil, Umgang mit Unterrichtsmaterialien, Stärkung der Schreib- und Lesemotivation; Begegnung der Kulturen, Schüleraustausch/Schulpartnerschaften und
  • Schulwissen: Interkulturalität in Unterrichtsfächern (beispielsweise in der Sprachförderung, im Sachunterricht/ Wohnen, Ernährungsgewohnheiten, Feste-Bräuche?, Fremdsprachen in der Grundschule, Werkerziehung/ Textilunterricht/Mode, Schmuck); im Aufgabenverständnis; multiperspektivische Bildung/ Perspektivenwechsel (vgl. EICKHORST 2007, 51-85).
  • Wandel im Schulleben/ Schulgemeinde mit einer Änderung der Schulkultur: Ausstattung, didaktisch-methodische Unterrichtsmaßnahmen, Ordnungsformen, Veranstaltungen und prosozialen Formen des Miteinanderumgehens (vgl. IPFLING 2002, 50-52) und
  • reformorientierter Schulorganisationsform: Halbtagsschule-Ganztagsschule-Europaschule?; Lernzeiten, Erziehungs- bzw. Bildungsberatung.
Methodische Elemente zum interkulturellen Lernen in der Grundschule sind

  • die Öffnung des Unterrichts: inhaltlich, methodisch, institutionell und personell,
  • eine Handlungsorientierung: Handhabung des didaktisch-methodischen Umfanges, Arten der Begegnung - Ausgangspunkt ist die Eigenständigkeit des Kindes,
  • der Perspektivenwechsel: sich in andere Personen bzw. Lagen hineinzuversetzen,
  • ein fächerübergreifender bzw. verbundener Unterricht: Verankerung der Zusammenhänge,
  • Lernen mit Erfahrungs- und Lebensweltbezug: Bezug zu Identitäten/angenommen sein-sich fremd fühlen,
  • Verbund von kognitiven, sozialen und emotionalen Aspekten im Lernprozess,
  • Differenzierung und Individualisierung des Unterrichts,
  • Gespräche-Gesprächskreise? und
  • Verwendung von Geschichten: Impulse zur interkulturellen Ethik/Verhalten?, Umgang, Rücksichten, Traditionen, Normen und Werte.
Als Konsequenz für die Lehrerbildung ergeben sich Schwerpunkte im interkulturellen Kontext wie (vgl. OSER 2001, 67-96; EICKHORST 2007, 88)

  • Grundkenntnisse in der Struktur von Sprachen/Spracherwerb,
  • Aspekte von Mehrperspektivität/Perspektivenwechsel,
  • Kenntnis fremder Bildungssysteme,
  • Kenntnis der für Schule und Unterricht geltenden Rechtslage/ Aufenthaltsstatus von Kindern und Familien,
  • Selbstreflexion/Denken und Handeln,
  • Umgang mit Projekten, Austauschprogrammen - Auslandsstudium - Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten und
  • Umgang mit Kindern, Eltern und Unterrichtende untereinander.
Curriculumbereiche für die Lehrerbildung im interkulturellen Kontext sind Themenblöcke/Module wie

  • Differenz: historische, soziale und ökonomische Aspekte von Migration - Ressourcen und Problembereiche von Schulen/Schulalltag,
  • Kommunikation: Stereotypen, Vorurteile, Diskriminierung und Rassismus - Konfliktvorbeugung,
  • Didaktik-Integration-Schulerfolg?: Realisierung von Unterrichtsqualität,
  • Mehrsprachigkeit: Phasenkonzepte von "Deutsch als Zweitsprache" - Kenntnis des Erstspracherwerbs und
  • Elternkooperation: Möglichkeiten und Grenzen von Elternarbeit/Passung? zwischen Schule und Elternhaus.
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Fachliteratur/Auswahl - Interkulturelle Bildung in der Grundschule

Eickhorst A. (2007): Interkulturelles Lernen in der Grundschule. Ziele-Konzepte-Materialien?, Bad Heilbrunn

Ipfling H.-J. (2002): Schule - ihre Geschichte, ihre Funktion und ihre Organisation, in: Apel H.-J./Sacher W. (Hrsg.): Studienbuch Schulpädagogik, Bad Heilbrunn, 35-64

Mecheril P. (2009): Diversity Mainstreaming, in: Lange D.-Polat A. (Hrsg.): Unsere Wirklichkeit ist anders. Migration und Alltag - Perspektiven politischer Bildung, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 202-210

Merks K.-Merks R. (2002): Toll, toller, tolerant. Grundschulkinder lernen Verständnis füreinander, Mühlheim a.d.Ruhr

Oser F. (2001): Standards. Kompetenzen von Lehrpersonen, in: Oser F.-Oelkers J. (Hrsg.): Die Wirksamkeit der Lehrerbildungssysteme, Zürich, 67-96

8.14 Kommunale Integrationsansätze    

Vor allem vollzieht sich Interkulturalität in Form von Zusammenleben von Menschen in Kommunen (Gemeinden) in ihren Einrichtungen. Damit dies gelingen kann, müssen auf lokaler Ebene die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen geschaffen werden bzw. vorhanden sein (vgl. AKBAS-POLAT? 2009, 126).

Zur Umsetzung benötigt dies Bedingungen sozialer Integration, die das kommunale Potenzial imstande zu leisten. Der wesentliche Fragenkomplex sind die Anforderungen an eine kommunale Integrationspolitik, wobei interkulturelle Aspekte der Politischen Bildung bedeutungsvoll sind.

  • Was sind die Integrationsziele?
  • Was soll mit dem Integrationskonzept erreicht werden?
Es geht um Langfristigkeit, nicht um kurzfristige Lösungsansätze, die den Blick auf nachhaltige Ziele und Lösungsmöglichkeiten behindern.

Auch für eine Kommune gilt, dass die Veränderungen gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen betreffen müssen. Kompensatorische Migrantenarbeit beinhaltet nicht langfristige strukturelle Veränderungen, die Aussicht auf Erfolg zeigen.

Schwerpunktbereiche eines solchen Konzepts sind

  • die Festlegung des Integrationszieles und
  • die Bestimmung des Ist-Zustandes? durch Integrationsindikatoren.
  • Spezifischen Indikatoren ergeben sich in kommunalen Zusammenhängen wie etwa dem Arbeitsmarkt, allgemeinen und beruflichen Bildungsinstitutionen, Kultureinrichtungen, der Familienstruktur, Wohnverhältnissen, Gesundheitseinrichtungen und politischen Gremien.
  • Werte und Normen sind Handlungsvorgaben für ein solches Konzept ("Integrationsmanagement").
Sieben Aspekte erscheinen für ein solches Projekt von Wichtigkeit (vgl. AKBAS-POLAT? 2009, 129) :

  • Sprachförderung für Heranwachsende und Eltern,
  • Angebote für Integrationsförderung,
  • Vernetzung von Trägern einer Integrationsarbeit,
  • Partizipation von Migrantinnen und Migranten,
  • interkulturelle Öffnung durch Einstellung migrantischen Personals mit Personalfortbildung für Einheimische und Migranten,
  • Förderung der Werte eines demokratischen Staatsbewusstseins, der Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung und
  • Qualitätssicherung und Evaluation.
Ein Mix zwischen aktivierenden und kompensatorischen Ansätzen erscheint wesentlich.

Schwerpunktbereiche sind in den Kommunen

  • Kindergärten und Schulen,
  • der Arbeitsmarkt in Form der Förderung von Einstellungen migrantischen Personals/Heranwachsender als interkulturelle Öffnung von Unternehmen/Organisationen/Vereine und
  • die Förderung ehrenamtlicher Tätigkeiten von jugendlichen Migrantinnen und Migranten bei der Umsetzung von Freiwilligendiensten oder bei Erwachsenen mit Patenübernahmen/etwa Bildungs- und Jobpate und
  • stadtteil- oder gemeinwesensbezogene Projekten, Seminare und qualifizierende Maßnahmen.
"Die interkulturelle Öffnung erscheint so als ein wichtiges Vorbeugungsinstrument gegen Bildungsresignation unter Migrantenkindern" (AKBAS-POLAT? 2009, 3).

Die Schaffung einer kommunalen Stelle - Büro eines/-r Integrationsbeauftragten (vgl. etwa Stadt Dornbirn und Wr. Neustadt), Koordinierungsstelle für Integration - für kommunales Integrationsmanagement und Vernetzung ist hilfreich.

Zu bedenken ist für Österreich, dass die Kommunen die angesprochenen Aufgabengebiete teilweise in ihrer Verantwortung haben. Überlegenswert sind zudem kommunale Einrichtungen bzw. Unterstützungen und/oder Förderungen wie Beratungsstellen, Jugendmigrationsdienste und Integrationskurse.

Die Erfahrung mit Migrantenorganisationen zeigt, dass ihre Vertreterinnen und Vertreter möglichst früh in eine inhaltliche Debatte eingebunden werden müssen und zur Partizipation ermuntert werden sollen. Unterstützung finden solche Bemühungen durch Kooperation mit Erwachsenenbildungssträgern wie lokalen allgemeinen, interessensgebundenen und/oder kirchlichen Erwachsenenbildungsinstitionen mit Schulungen/Kursen/Lehrgängen in Politischer Bildung.

Letztlich geht es um die Finanzierung der Kosten kommunaler Integrationsansätze/-bereiche. Neben den Bundes- und Landesmitteln gibt es die Möglichkeit der Finanzierung aus Stiftungs- und EU-Mitteln?.

Integrationsleitbild der Stadt Dornbirn(2001)

http://www.dornbirn.at/Integrationsleitbild-der-Stadt.537.O.html (20.12.2012)

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Fachliteratur/Auswahl - Kommunale Integrationsansätze

Akbas B.-Polat A. (2009): Kommunale Integrationspolitik. Wie ist der politische Alltag gestaltbar?, in: Lange D.-Polat A. (Hrsg.): Unsere Wirklichkeit ist anders. Migration und Alltag - Perspektiven politischer Bildung, Landeszentrale für politische Bildung, Bonn, 126-138

Bertelsmann-Stiftung/Bundesministerium? des Inneren (2005): Erfolgreiche Integration ist kein Zufall - Strategien kommunaler Integrationspolitik, Gütersloh

Lange D. (Hrsg.) (2007): Migrationspolitische Bildung, Wiesbaden

8.15 Landeskunde China    

China als Gewinner der Globalisierung erlebt den Aufstieg seines Kulturkreises (vgl. FERDOWSI 2007, 88). Die Einsicht in die wachsende Bedeutung der wirtschaftlichen Basis mit der Ablösung Deutschlands als drittgrößte Wirtschaftsmacht (2007), "Retter" der EURO-Zone? und einer Einkaufspolitik zwischen Afrika und Europa und des wissenschaftlich-technologischen Fortschritts ebnet China den Weg zu einer Weltmacht (vgl. LORENZ 2011, 49, 53).

Dass dieses Ziel in kürzester Zeit erreicht und China zu einem Motor der Weltwirtschaft wurde, der selbst das Potenzial für einen Wandel anderer Staaten besitzt, ist wohl auf die Anpassungsfähigkeit der Bildungs- und Machteliten zurückzuführen. Hongkong als Hauptstadt der Übersee-Chinesen? sei zum Zentrum eines chinesischen Netzwerkes geworden, die Aufnahme der Volksrepublik China in die Welthandelsorganisation 2003 mit den anderen Zentren Shanghai und Peking lässt noch mehr Dynamik erwarten.

Betrachtet man Chinas Sichtweise und die daraus resultierende Einstellung zu Werten wie Freizeit und Nachhaltigkeit, ist die "Konsultatismus-Permanenz?" von Bedeutung. Ein laufendes Interesse für Engagement, Arbeit, Familie und Bildung sind kennzeichnend ("Kultur der Härte gegen sich selbst").

Trotz der Legitimation staatlicher Herrschaft - einer Staatsfixierung - und der ungeklärten Frage der Demokratisierung des Riesenreiches gibt es Anzeichen einer Teilnahme an globalen Kultur-Events?. der hochkulturellen Ebene mit der Einführung von "Konfuzius-Instituten?" steht eine chinesische Populärkultur in Musik, Film und Romanen entgegen, die bis in die Dörfer vordringt. IT-Technik? ist ebenso vertreten ("kulturelle Oberflächensynchronisation"). "Die Kommunistische Partei setzt gegen die Popkultur vergeblich eine 'Sozialistische geistige Zivilisation', die geprägt sein soll von dem Vorrang der kollektiven Werte über die individuellen, vom Patriotismus und asketischer Lebenshaltung" (FERDOWSI 2007, 90; vgl. LORENZ 2011, 72-96).

Zu den noch gültigen Werten und Selbstbildern gehören Stolz aller Gruppen auf Chinas Geschichte, als erstes Volk mit einer universalen Zivilisation und seinen Erfindungen und Entdeckungen (Kompass, Schießpulver, Buchdruck/ZHENG HE 1420/30), dem Streben nach Handelsmacht als legitime und tugendhafte Verhaltensweise und dem Erfolg.

Ebenso kultiviert ist das "Guanxi-System?", das auf dem Gefühl persönlicher Verantwortung und Verpflichtung beruht und wechselseitige Vertrauenswürdigkeit mobilisiert. Wie in der Diaspora des Judentums oder den calvinistischen Unternehmern Großbritanniens und der USA im 19. Jahrhundert, stützen sich die Chinesen auf Netzwerke zur wechselseitigen Unterstützung. Die von den Übersee-Chinesen? entwickelte einmalige transnationale Wirtschaftsform beruht auf einem Gefühl persönlicher Verantwortung und Verpflichtung sowie Bindungen unter den Gemeinschaftsmitgliedern, wobei die Ideale konfuzeanischer Philosophie zur Geltung kommen (Gegensatz zur protestantischen Arbeitsethik).

Diese Aspekte weisen auf eine Besinnung einer Entwicklung einer eigenständigen geistigen Kultur hin, insbesondere auch in den verstärkten Bemühungen um ein effizientes Bildungssystem als "Karriere-Öffner?". Die Aussagen im Gespräch mit einer chinesischen Austauschstudentin verstärkten diesen Eindruck.

Chinesische Logik mit zirkulärer Kommunikation, Langfristigkeit und geplantem spätem, mitunter auch schnellem Handeln ergibt strategisches Denken("sowohl als auch-Denken").

IT-Hinweis?: Bildungsoffensive "made in China" > http://www.orf.at/stories/2162355/2162356/ (25.1.2013)

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Fachliteratur/Auswahl

Ferdowsi M..A. (2007): Weltprobleme. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 88-91

Lorenz A. (2011): Die asiatische Revolution. Wie der "Neue Osten" die Welt verändert, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 72-96

Fischer D.- Müller-Hofstede? Chr. (Hrsg. (2018): Länderbericht China, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 1501, Bonn

8.15.2 Buchbesprechung    

Pankaj Mishra: Begegnungen mit China und seinen Nachbarn, Fischer Verlag Frankfurt/M. 2015 ISBN 978-3-10-002273-8

Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat China millionenfach Arbeitskräfte nach Südostasien und über Kontinente auswandern lassen. Mit Deng Xiaoping Ende der siebziger Jahre öffnete sich China und stützte sich aus ein Netzwerk der Auslandschinesen("Bambus-Netzwerk?"). Damit erlangte China einen Zugang zu den aufstrebenden Regionen wie Singapur, Hongkong und Taiwan.

Pankaj Mishra ortet in seinem Reporttage-Band?, dass gerade in den Randgebieten Chinas eine Vorrangstellung in der asiatischen Region sich zeigt und Vorgänge im Inneren sich beobachten lassen.

Hongkong

Die Wirtschaft floriert auch zwei Jahrzehnte nach der Rückgabe immer noch. Dagegen erscheint die Demokratie ein Traum für die sieben Millionen Einwohner zu sein. China versäumt die Chance, hier eine Probebühne für eine Reform des Landes zu nützen.

Taiwan

Das Selbstbild der Einwohner hat sich stark gewandelt. Man versteht sich weniger als Chinese, vielmehr als Taiwanese. Taiwan(früher Formosa) ist eine Demokratie geworden. Es ist das andere China. Die politischen Beziehungen haben sich verbessert, es gibt eine wirtschaftliche Kooperation. Es gibt wohl eine Entwicklung einer eigenen Identität, allerdings ist man international isoliert. Viele UNO-Staaten? haben zur Volksrepublik China inzwischen diplomatische Beziehungen aufgenommen.

Malaysia

Am Kreuzungspunkt von indischer und chinesischer Zivilisation strömten Inder und Chinesen seit dem 19. Jahrhundert auf die Kautschuk-Plantagen? in die Zinn-Bergwerke?. Seit der Unabhängigkeit 1957 ist die Halbinsel ein Vielvölkerstaat, der die Muslim-Mehrheit? bevorzugt. Das bedeutet eine besondere Sprengkraft in Verbindung mit malaysischem Nationalismus und politischem Islam. Die hybride Metropole Kuala Lumpur ist kein Schmelztiegel, vielmehr eine Großstadt mit kosmopolitischer Einstellung statt ethnischer Konfrontation.

Japan

Das Land war Vorbild für seine konfuzianische Kultur über Jahrhunderte. Erst mit der Modernisierung nach westlichem Modell gingen viele Chinesen nach Japan. Heute haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Japans Modernisierung ist holprig geworden. Es entsteht ein Nationalismus, die Metropole ist nicht-multikulturell geblieben.

Pankaj Mishra erkennt hinter der Fassade globalisierter Marktökonomie tiefe kulturelle Unterschiede . Es gibt offensichtlich verschiedene Entwicklungsmodelle in der Region. Beispiele sind Japans "Post-Wachstums-Wirtschaft?", Tibets neuerliche Hinwendung zum buddhistischen Glauben und einer Spiritualität sowie Malaysias Hybridität als Vielvölkernation.

Pressehinweis

Salzburger Nachrichten, 14. August 2015, 5 "Im Schatten des chinesischen Drachens"

8.16 Landeskunde Türkei    

Durch die Arbeitsmigration der sechziger Jahre, der Bedeutung als Akteur als Brücke zur islamischen Welt und des Stellenwerts neuer Beziehungen zur Europäischen Union, Mitgliedschaft im Europarat und der NATO bekommt die Türkei eine neue Definition.

Die Umbrüche im nahöstlichen Raum Ende 2010, die Besonderheit des türkischen Entwicklungsweges und kommende Herausforderungen verändern ein Türkeibild.

Der Zusammenbruch des Osmanischen Reiches mit seinem Großraum bis in die arabischen Länder (mit Ausnahme Marokkos)und der Befreiungskampf der Türken und Kurden letztlich mit der Errichtung der Türkischen Republik 1923 weisen eindringlich auf die Leistung der politischen Eliten der Türkei. Grundlage war der "Kemalismus", dem die Türkei fast ein Jahrhundert Stabilität und Kontinuität verdankt. Das Militär hat wiederholt im Namen des Kemalismus in die Politik eingegriffen, zuletzt 2005. Marktwirtschaft und Demokratie blieben erhalten. Mit der Gründung und Machtübernahme der AKP zu Beginn des neuen Jahrhunderts kommt es zur Anerkennung der islamischen Religion und ethnisch-kultureller Vielfalt in der türkischen Gesellschaft (vgl. STEINBACH 2012, 8-9).

Eine neue Selbstwahrnehmung und ein anderer Umgang mit der Modernisierung auf der Grundlage von europäischen politischen und geistigen Werten lässt sich nicht von der osmanischen Geschichte, türkisch-republikanischer Entwicklung und einer neuen Positionierung im internationalen System trennen.

Das "Projekt 2023" anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Türkischen Republik, wie immer es umgesetzt wird - Zugehörigkeit zu den zehn führende Mächte der Welt, Bau eines Kanals vom Marmarameer zum Schwarzen Meer/"zweiter Bosporus", Bau von Schnellbahntrassen und Tunnels, Bau des weltgrößten Flughafens, Bau einer Megamoschee am Camlica - mag ambitioniert klingen, lässt jedenfalls die Dynamik und Zielstrebigkeit der Eliten erkennen (vgl. HÖHLER 2012, 4).

Interkulturell sind die türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten in Österreich, nichtmuslimische Minderheiten in der Türkei und die Lebenswirklichkeit der Bewohner mit Ausblick der Entwicklung der Türkei von Interesse.

8.16.1 Nichtmuslimische Minderheiten    

Die Bevölkerung der heutigen Türkei ist durch Heterogenität in ihrer Zusammensetzung gekennzeichnet.

  • Insgesamt leben über 47 ethnisch, sprachlich oder religiös differenzierte Gruppen im Land (vgl. SEN-AKKAYA-ÖZBEK? 1998, 184).
  • Nichtmuslimische Minderheiten/Gruppen sind heute fast ausschließlich auf Istanbul beschränkt.
Mit der Umbildung der Türkei von einem multireligiösen (osmanischen) Reich in eine türkisch-muslimische Republik kam es zu einer Assimilierung nichttürkischer Gruppen und Integration in die türkische Nation (vgl. STEINBACH 2012, 252).

Die Armenier Anatoliens wurden vor und nach dem Ersten Weltkrieg Opfer von Vertreibung und Ausmerzung. Eine Auseinandersetzung über die "Armenierfrage" hält bis heute an.

Armenierfrage

1914 war das Osmanische Reich an der Seite des Deutschen Reiches in den Ersten Weltkrieg eingetreten. Ostanatolien wurde von russischen Truppen angegriffen. Armenische Nationalisten unterstützten russische Truppen hinter den türkischen Linien. Dies erweckte den Eindruck bei der türkischen Führung, die armenische Minderheit sei eine Gefahr für den Staat. Demgegenüber waren die armenische Zivilbevölkerung und armenische Soldaten in der türkischen Armee loyal. Trotzdem deportierte die türkische Staatsführung auf Grund des Einmarsches russischer Truppen die Mehrheit der armenischen Bevölkerung nach Syrien. Bei diesen "Todesmärschen" kamen 800 000 bis 1,6 Millionen Armenier - je nach Quelle der Schätzungen - um das Leben. Diese Massenausweisungen von Armenieren und Angehörigen anderer christlicher Konfessionen werden international als Völkermord bezeichnet (Frankreich, US-Repräsentantenhaus?, Vatikan, EU-Parlament?). Die Türkei bewertet dagegen die Deportationen als kriegsbedingte Sicherheitsmaßnahmen, wobei Wert auf die Feststellung gelegt wird, dass die an der Westküste der Türkei lebenden Armenier weitgehend von Deportationen verschont blieben. Die türkische Regierung hat zuletzt mehrfach dazu aufgerufen, die Ereignisse durch eine gemischte Kommission untersuchen zu lassen. Armenien lehnte ab, da dies einer Anzweiflung des Völkermords gleichkäme (vgl. STEINBACH 2012, 253-254).

Literatur- bzw. IT-Hinweise?:

Franz Werfel (2006): Die vierzig Tage des Musa Dagh > ISBN 9783596172115

http://www.orf.at/stories/2227290/ > Erdogans Äußerung über Leiden der Armenier (24.4.2014)

http://orf.at/stories/2273699/2273697 > Appell an Armenier und Türken (15.4.2015)

http://religion.orf.at/stories/2704172 > Hintergründe zum Völkermord an den Armeniern (22.4.2015)

http://orf.at/stories/2274757/2274758/ > Volksgruppe als "innerer Feind" (23.4.2015)

Auch die Griechen wurden Opfer konkurrierender Nationalbewegungen. Der türkische Unabhängigkeitskrieg endete mit einem Sieg über die griechischen Truppen. Die Einnahme Izmirs (Smyrnas)1922 endete mit einer Masseflucht der griechischen Bewohner. 1923 kam es zu einem Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland, wobei 1 200 000 griechische Orthodoxe und 400 000 Muslime die Länder wechselten. Istanbuler Griechen und Muslime in Ostthrazien waren vom Austausch ausgenommen. Beim Zypernkonflikt 1963 wurden Griechen aus Istanbul, trotz türkischer Staatsbürgerschaft, ausgewiesen.

Die Begrenzung jüdischen Lebens in der Türkei auf Istanbul und Izmir ist eine Folge staatlicher Politik. Als Folge des Vertrages von Lausanne 1923 wurden 1926 Juden gezwungen, auf Sonderrechte zu verzichten. 1932 erzwang man die Übernahme der türkischen Sprache und türkischen Kultur. 1934 kam es in Westthrakien zu antisemitischen Ausschreitungen, 15 000 Juden flüchteten nach Istanbul und Izmir.

Der Anteil der nichtmuslimischen Minderheit ist vor dem Ersten Weltkrieg bei rund 20 Prozent gelegen, nach dem Krieg fiel er auf 2,5 Prozent. Der heutige Stand ist unter 1 Prozent.

Literaturhinweis

Gottschlich J. (2015): Beihilfe zum Völkermord. Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 1561, Bonn

8.16.2 Ausblick auf die Entwicklung    

Bei einem landeskundlichen Ausblick der Entwicklung der Türkei kommt man zwangsläufig auf die Beitrittsdebatte in der Türkei zu sprechen.

  • Seit 2004 mit der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ist ein Abflauen des Interesses an der EU festzustellen (vgl. STEINBACH 2012, 464).
  • Auch 2011 bei der Parlamentswahlen war der EU-Beitritt? kein Thema.
Nationalistische Strömungen und innenpolitische Auseinandersetzungen haben Reformen für einen EU-Beitritt? verhindert (Menschenrechte, Erweiterung demokratischer Rechte). Für die AKP als Regierungspartei hängt der Machterhalt davon ab, ob sie weitere Reformen durchsetzt, um Konflikte in der türkischen Gesellschaft zu lösen. Die Besuche von Regierungsmitgliedern bei der EU fanden bisher kein öffentliches Echo (vgl. Ministerpräsident Erdogans Rede auf dem Internationalen Unternehmensforum in Istanbul am 6. Oktober 2010, wonach die Türkei es nicht nötig habe, der EU hinterherzulaufen, wenn diese die Türkei nicht aufnehmen wolle; vgl. STEINBACH 2012, 474).

Zwar zeigt sich eine relativ wirtschaftliche Position der Türkei und ihre außerpolitische Bemühung in der Rolle einer regionalen Macht. Aber hier weist es sich, dass Abhängigkeiten von den USA und Europa - Migration, Flüchtlingsfrage und Schutz der Grenzen - vorhanden sind.

Im Hinblick auf die Kooperation mit EU-Bildungsprogrammen? und einem bildungs- und wirtschaftspolitischen Anschluss bleibt die Beitrittsdebatte erhalten. Dies zeigt auch die Verbindung zu türkischen Migrantinnen und Migranten in Mitteleuropa/Österreich und Deutschland und Westeuropa. Die starke Minderheit in der EU und ihre Verwurzelung bzw. Nähe mit dem Heimatland - bei allen Bemühungen um Interkulturalität - und die Türkei als Gründungsmitglied des Europarates ergeben eine Verbindung nach Europa.

Die Einrichtung eines Europa-Ministeriums? unterstreicht die politisch-kulturelle Bedeutung. Dies unterstreicht auch die literarische Öffnung nach dem Westen (vgl. STEINBACH 20102, 478-496; KIRCHNER 2008).

Mit Stand 2017 befindet sich die Türkei im Umbruch (vgl. GOTTSCHLICH 2016).

  • Nach dem Putschversuch des Militärs 2016 gegen Recep Erdogan ließ der Präsident Tausende von ihren Positionen in Militär, Bildungsinstitutionen, Verwaltungsorganen und Medienanstalten entfernen. Kritik war unerwünscht. Die Positionen wurden neu besetzt.
  • Mit der Person und dem Aufstieg als Machthaber von Recep Erdogan verändert sich die Türkei, wobei das Verhältnis in der Region und zu Europa bzw. der EU von Interesse ist.
  • Die starke europäische Minderheit ausgewanderter Türkinnen und Türken ergibt ein Potential, das wenig einschätzbar ist. Die Heterogenität türkischer Communities unterstreicht die mangelhafte Möglichkeit, weitere Entwicklungen abzusehen.
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Fachliteratur/Auswahl - Landeskunde Türkei

Arslan H. (2005): Hoffnungen und Befürchtungen angesichts des EU-Beitritts?. Ein Überblick über die innertürkische Debatte, Bonn

Bezwan N. (2008): Türkei und Europa. Die Staatsdoktrin der Türkischen Republik, ihre Aufnahme in die EU und die kurdische Nationalfrage, Baden-Baden?

Gottschlich J. (2016): Türkei. Erdogans Griff nach der Alleinherrschaft, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 10009, Bonn

Höhler G.(2012): Erdogan baut Riesenmoschee, in: Salzburger Nachrichten, 6. Dezember 2012, 4

Kirchner M. (Hrsg.) (2008): Geschichte der türkischen Literatur in Dokumenten, Wiesbaden

Sen F.-Akkaya C.-Özbek Y.(1998): Länderbericht Türkei, Darmstadt

Steinbach U.(Hrsg.)(2012): Länderbericht Türkei, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

IT-Hinweise?:

Tunnelbau zwischen Europa und Asien > http://www.orf.at/stories/2158508/2158509/ (27.1.2013)

Große Pläne für Flughafen Istanbul > http://www.orf.at/stories/2158508/2149900/ (27.1.2013)

Verheerende Bilanz > http://www.orf.at/stories/2185264/2185263 (2.6.2013)

8.17 Landeskunde USA    

Wenn man sich mit einer Landeskunde der USA beschäftigt, sollte man als Europäer von einem objektiven Verhältnis zu Land und Nation ausgehen. Interkulturalität und Politische Bildung erheben diesen Anspruch, gleichwohl ist die amerikanische Sichtweise eine andere. Die USA bzw. "Amerika" sei etwas Besonderes und Einzigartiges.

Feststellen muss man, dass in den letzten Jahren die Unterschiede zwischen den USA und anderen Ländern politisch, kulturell und sozial zugenommen haben, ein demographischer Wandel in den USA hat sich vollzogen und die US-Besonderheiten? sich schärfer ausprägten und auch wahrgenommen werden (vgl. LÖSCHE 2008, 9).

Im Folgenden befasst sich dieser Beitrag mit

  • Tendenzen eines Antiamerikanismus,
  • einer politischen Kultur in Zivilreligion, Identität, dem Verhältnis von Religion-Moral-gesellschaftlichen? Wertvorstellungen und Folgen,
  • Medien und öffentlicher Meinung,
  • einer Wohlfahrt ohne Staat/Ehrenamtlichkeit im soziokulturellen Bereich,
  • dem Bildungssystem und
  • der US-Präsidentenwahl? 2012.
8.17.1 Antiamerikanismus    

Vorhandene Dissonanzen beruhen aus einer interkulturellen Sichtweise aus Ängsten, Befürchtungen, Vorurteilen, Klischees und Stereotypen. Nicht immer ist klar, was genau gemeint ist.

Hier soll der Versuch unternommen werden, dies zu definieren, wobei in der Politischen Bildung der Ausdruck "Antiamerikanismus" zur Verwendung kommt (vgl. LÖSCHE 2008, 12-13).

  • Der Begriff hat verschiedenste Bedeutung im Laufe der europäischen Geschichte erhalten. Man denke nur an die Romantik, die Monarchie, die wirtschaftliche Expansion am Ende des 19. Jahrhunderts, den Nationalsozialismus, die Auswanderungswellen nach den beiden Weltkriegen, die ERP-Hilfe? nach 1945, die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mit dem Vietnam- und Kuba-Konflikt? und zuletzt der Irak-Konflikt?.
  • Die Akteure eines Antiamerikanismus wechselten: Intellektuelle ("Kulturlosigkeit"); Anhänger des Nationalsozialismus, Rechtsextremismus und Kommunisten("Kapitalismus", "Imperialismus").
  • Der verwandte Begriff des "Amerikanismus" betrifft den Kulturtransfer- und die Transformation von Wirtschaftselementen nach Europa - etwa die Pop- und Medienkultur - wobei Modernisierung, Veränderungen, Lebensgewohnheiten und Loslassen von Vergangenem als Bedrohung gesehen werden, was wiederum zu "Antiamerikanismus" führte.
  • Im Philoamerikanismus werden die USA als Hort von Demokratie, Aufklärung und Fortschritt idealisiert und überhöht, damit wird jede Kritik als "Antiamerikanismus" hingestellt. Dies führt wiederum zu Emotionalisierung, Klischees, Stereotypisierungen und Vorurteilen.
8.17.2 Kulturell-religiöse Einstellung    

Patriotismus, Flaggen, Gebete und eine Rhetorik des Religiösen sind Ausdruck einer politischen Kultur in einem Land, das von seiner besonderen Aufgabe überzeugt ist. Schon Alexis de Tocqueville stellte den Patriotismus in den 1830er-Jahren fest. Vom "american experiment" waren schon die Einwanderern des 17. und 18. Jahrhunderts so überzeugt wie heute. Im Glauben an das Auserwähltsein vermischen sich gesellschaftliche, kulturell-religiöse und politische Motive (vgl. LÖSCHE 2008, 196-198).

Die Ideen eines "neuen Amerikas" sind getragen durch puritanische Motive einer besonderen Rolle, eines Sonderbewusstseins im Unterschied zu Europa in Form eines "Amerikanismus"(vgl. LÖSCHE 2008, 202).

8.17.2.1 Zivilreligion    

Damit entstand eine Zivilreligion mit einer Rhetorik mit religiösem Pathos. Antritts- bzw. Inaugurationsreden und Festreden von US-Präsidenten? sind durch religiöse Anspielungen gekennzeichnet. Die Bezugnahme auf biblische Archetypen ist nur eine Seite amerikanischer Zivilreligion. Diese wird zu einer weltlichen Religion. Eigene Propheten und Märtyrer, Kultstätten und Schriften kennt man. In den "memorials" wird der Gründungsväter, Führungsfiguren und Verfassungs- und Unabhängigkeitsdokumente gedacht. Nationale Gedenkstätten vermitteln eine kollektive Vergewisserung des amerikanischen Experiments.

Die US-Zivilreligion? ist eine weltliche Integrationsideologie mit sakralen Zügen (vgl. LÖSCHE 2008, 201). Trotz der strikten Trennung von Staat und Religion verschmelzen Patriotismus und religiöse Ausdrucksweise zu einer spezifisch amerikanischen Rhetorik nationaler Einheit (vgl. UNGER 1988, 16-43).

Es gehört zur geschichtlichen Entwicklung der USA, dass US-Bürger? nie von Vater- oder Mutterland sprechen. Vielmehr sind die USA eine Verbindung von ethnischen, rassischen und religiösen Gruppen, eine "nation of nationalities" (vgl. LÖSCHE 2008, 202; WALZER 1992).

Die amerikanische Lebensweise, bezeichnet als "american way of life", ist durch Amerikanismus gekennzeichnet und weist eine erstaunliche Kontinuität auf. Integraler Bestandteil dieses Selbstverständnisses ist eine neue Gesellschaft, die ständige Erneuerung des "amerikanischen Experiments" mit Freiheit und individuellem Fortkommen. Dies bewegt sich um die Begriffe Arbeit, Leistung und Erfolg.

8.17.2.2 Identität    

Als vergleichweise junge Nation mit kontinuierlicher Einwanderung und Binnenwanderung, sozialer und räumlicher Mobilität, ethnischer Vielfalt und kulturell-religiöser Heterogenität stellt sich die Frage nach Identität.

Neben dem Hinweis auf nationale Rhetorik als nationaler Konsens gewinnt die Frage nach der Tendenz zu einer Pluralisierung von Lebensstilen und rassischen Bewusstseins mit einer demographischen Veränderung der Gesellschaft Bedeutung. Dies zeigt sich etwa in der Auseinandersetzung der letzten Jahrzehnte etwa um den Bildungskanon in Schulen (Aufbau des Bildungssystems, Bildungsziel Citizenship) und Universitäten, den Bilingualismus und die Festschreibung von Englisch als Amtssprache (vgl. LÖSCHE 2008, 207; DICHANZ 1991, 13-43, 111-122).

Entsprechend ergibt sich die Frage nach der Bestimmung der amerikanischen Identität, wie sie Rogers M. SMITH (1988, 225-251) nach Merkmalen aufgelistet hat: der Glaube an Gott (religiöse Identität), die Teilnahme an Wahlen (politisch-demokratische Identität) und Erfolg/Fortkommen bzw. Gleichbehandlung (liberale Identität) sowie das Bekenntnis für das Land (patriotisch-republikanische Identität). Dies zeigt an, dass US-Identität? zentral von der Idee der Gleichheit und dem individuellen Fortkommen bestimmt werden.

Im Sprach- und Kommunikationsbereich ist ein deutlicher ethnokultureller Bezug zu verzeichnen. Das Bekenntnis zu Englisch hat in der spanisch sprechenden Bevölkerung die geringste Zustimmung. Bemerkenswert ist die hohe Zustimmung der schwarzen Bevölkerung zum Glauben an Gott (vgl. LÖSCHE 2008, 207-208).

8.17.2.3 Religion-Wertvorstellungen-Citizenship/Folgerungen?    

Als religiöses Land sind die USA in ihren nationalen Gewohnheiten eng mit Religion, Moral und daraus resultierenden Wertvorstellungen verbunden.

Religion spielt in den USA eine bedeutende und wachsende Rolle im Alltag, wobei es unbedeutend ist, um welche Art von Religion es sich handelt. Erstaunlich ist, dass Muslime zu den drei großen religiösen Richtungen gezählt werden, die die USA zu einer "judeo-christlich-islamischen Nation" werden lassen (vgl. LÖSCHE 2012, 212). Fundamentalisten und streng gläubige Evangelikale finden sich vor allem im Mittleren Westen und im Süden der USA, an der Ost- und Westküste überwiegen Säkulare oder religiöse Modernisierer. In sozialer Sicht ist Religiosität zumeist in Bevölkerungsschichten hoch, die keine Collegebildung besitzen, umgekehrt bei Universitätsabsolventen am geringsten (vgl. LÖSCHE 2008, 212).

Ohne Zweifel sind die USA bezogen auf ihre religiöse Orientierung ein konservatives Land. Entsprechend ist die Werteorientierung mit Blick auf gesellschaftliche Normen ebenso konservativ. Einerseits hat die Familie/verheiratetes Paar einen hohen Stellenwert, andererseits gibt es eine hohe Scheidungsrate. Die ideale Familiengröße hat sich von vier und mehr Kindern auf zwei reduziert. Festzustellen ist eine Liberalisierung von Verhaltensnormen vor und in der Ehe, etwa im Erwerbsleben von Frauen und teilweise bei Abtreibungen (vgl. LÖSCHE 2008, 218-219). Zu verzeichnen ist ein Vertrauensverlust in Großunternehmen, zunehmend im 21. Jahrhundert, wobei Gründe die großen Gewinne der Unternehmen und die Spitzengehälter der leitenden Manager sind. Amerikaner glauben nach wie vor an die hohe Leistungskraft der Wirtschaft, an einen hohen Lebensstandard und an das System der freien Marktwirtschaft. Im Gegensatz dazu steht die zunehmende Armut sozial Benachteiligter.

US-Bürger? wünschen sich seit den Achtzigerjahren eine aktivere Regierung in den Bereichen Umweltschutz, Obdachlosenhilfe, Kampf gegen Verbrechen und Drogen (vgl. LÖSCHE 2008, 222-223; GALLUP POLL MONTHLY 1996, 52).

Eigeninitiative ist nach wie vor in den USA höher im Ansehen als staatliche Wohlfahrtsprogramme. Armut wird als Mangel individueller Anstrengungen angesehen, unverschuldete Umstände finden kaum Berücksichtigung. "Being on welfare" wird als moralische Verfehlung gedeutet (vgl. LÖSCHE 2008, 223-224).

Arbeitsbeschaffungsprogramme haben eine hohe Zustimmung in der Bevölkerung, im Vergleich zu Europa dennoch eine wesentlich geringere. Für die staatliche Alterspension gibt es eine geringe Zustimmung. Staat und Regierung werden in den USA viel weniger in die Pflicht genommen als in westeuropäischen Ländern (vgl. LÖSCHE 2008, 227).

Demnach ist die Entwicklung von Organisationen, Zusammenschlüssen und freiwilligen Vereinigungen von Bürgern vergleichsweise stärker, die für ihre Anliegen, Nachbarschaft, Gemeinden oder gesamtgesellschaftliche Interessen sich einsetzen. Die Stärke des freiwilligen Engagements der US-Bürger? ist die Spendentätigkeit für kulturelle und gesellschaftliche Organisationen, das Verständnis für Selbsthilfe und ehrenamtliche Tätigkeiten im Bereich karitativer und sozialer Aktivitäten/"private Philanthropie" (vgl. LÖSCHE 2008, 228).

In diesen Zusammenhang ist das Bildungsziel Citizenship der US-Schulen? zu sehen (vgl. DICHANZ 1991, 111-122). Neben der Beflaggung jeder US-Schule?, einem Treuegelöbnis mit Lied ("God bless America..") spielt das amerikanische Werteverständnis und die Interpretation der Rechte und Pflichten eines Bürgers ("citizen")eine besondere Rolle. Dieses aus dem Bürgersinn und Bürgeraufgabe stammende Verständnis des 18. und 19. Jahrhunderts gilt bis heute. Grundidee ist das Erziehungsziel, dass die heterogene Gesellschaft der Siedler kontinuierlich zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen muss, damit eine Nation entstehen kann. "Es zeigt vom Weitblick dieser zum großen Teil mit Eindrücken aus Europa ausgestatteten Politiker, dass sie dabei immer wieder die Bedeutung einer gesamtgesellschaftlich verantworteten und vom Staat geordneten Erziehung im Blick hatten" (DICHANZ 1991, 113).

Republikanische Grundsätze, Pflichten eines US-Bürgers? ("free citizen") und Bekenntnis zu Freiheit und Sicherheit sind Ziele dieses Erziehungsauftrages. Damit entstand der spezielle US-Patriotismus?, der sich in militärischen Aktionen, Einfluss der "Veterans" und High school-Kursen in den Bereichen "American history" und "social studies" ausdrückt. Hier zeigen sich die Ursachen der oft beklagten Ahnungslosigkeit von High School-Absolventen? und Universitätsstudierenden in internationalen Fragen. Es zeigt sich aber auch, dass es den Schulen wenig gelingt, kritische Bürger zu erziehen. Das Erziehungsziel "citizen" ist zwiespältig. Einerseits ein selbstbewusster, auf seine Rechte bestehender US-Bürger?, andererseits eine Gesellschaft der Anpassung und Amerikanisierung der Einwanderer in das US-Wertesystem?. Schulen sind diesem doppeltem Ziel verpflichtet (vgl. DICHANZ 1091, 114). Unabhängig davon gilt auch an US-Schulen? das Gesetz der Konkurrenz. Man arbeitet für den eigenen Erfolg, selten für die Gruppe bzw. den Kurs, trotz allen Bekenntnisses zur sozialen Verantwortung(vgl. die Leistungsnachweise/Tests in US-Schulen?, Zertifizierungen und die Faszination von Effektierungsmodellen aus der Wirtschaft; DICHANZ 1991, 161-176).

"Im Selbstverständnis amerikanischer Schulen spielt der Auftrag eine große Rolle, die Schüler zu motivieren und zu befähigen, ihre sozialen Rechte wahrzunehmen. Von gleicher Bedeutung ist aber die Aufgabe, Bereitschaft für die Übernahme sozialer Verantwortung zu wecken, zum Wohl der Gemeinschaft wie zum wohlverstandenen eigenen Nutzen. Beide Seiten zusammen ergeben das bedeutende 'attribute of citizenship', das für Nichtamerikaner in seiner Widersprüchlichkeit nur schwer verstehbar ist und das sich umfassend erst in einer ausführlichen Beschäftigung mit amerikanischen Wertvorstellungen erschließt..." (DICHANZ 1991, 122). Das Ideal der Demokratie als vorrangig Form des Zusammenlebens spielt in der "Philosophy of Education" immer noch eine große Rolle (vgl. DEWEY 1964, 121).

8.17.3 Medien - Öffentliche Meinung    

Medien gehören in den USA zum zentralen Bestandteil einer Alltagskultur, wobei Print- und elektronische Medien ein breites Publikum versorgen. Nach dem US-Verständnis? gehören der Kinofilm, Tonträger und Bücher ebenso dazu, allerdings haben diese weniger Bedeutung. PC, Internet und digitale Netzwerke ergänzen die gängigen Medien, wobei Online-Dienste?, Internet-Radio? und Video-Angebote? sowie Plattformen die Angebote ergänzen. Von einer Veränderung der Medienlandschaft kann ausgegangen werden (vgl. LÖSCHE 2008, 315).

Als spezieller Bereich ist in einem "Freedom of Information Act" (1966) der Zugang zu Akten und Dokumenten der Bundesverwaltung geregelt (vgl. BUSCH 2000; LÖSCHE 2008, 317). Journalisten haben Zugang zu allen Informationen mit Ausnahme solcher, die unter Geheimhaltung fallen. Von Interesse ist dies für den investigativen Journalismus. Relativiert wurde diese Bestimmungen durch den "Patriot Act" 2001.

Auflagenstärksten Zeitungen/2006

  • USA Today
  • Wall Street Journal
  • New York Times
  • Los Angeles Times
  • New York Post
  • New York Daily News und
  • Washington Post.
Auflagenstärkste Publikumszeitschriften/2006

  • Reader's Digest
  • Better Homes and Gardens
  • National Geographic
  • Good Housekeeping
  • Ladies Home Journal
  • Time Magazine und
  • Newsweek
Quelle: LÖSCHE 2008, 318

IT-Hinweis?: Letzte Ausgabe von "Newsweek" erschienen > http://www.orf.at/#/stories/2158088/ (25.12.2012)

Größte Medienkonzerne der Welt/2006

  • Time Warner
  • Walt Disney
  • News Corporation
  • Viacom und
  • Comcast
Quelle: LÖSCHE 2008, 330

Die Zeitungen leiden unter der Konkurrenz des Fernsehens, vor allem junge Leute und Angehörige ethnischer Minderheiten zeigen wenig Interesse für Printmedien (vgl. LÖSCHE 2008, 324).

Der Einfluss des Fernsehens auf die Kultur zeigt sich im Konsumverhalten. Ein Bürger mit 40 Jahren hat rund eine Million Werbespots gesehen. Oder: Ein Kind nach dem Verlassen der High School hat mehr Zeit vor dem Fernsehschirm als im Klassenzimmer verbracht (vgl. LÖSCHE 2008, 325).

"public opinion"/Öffentliche Meinung bedeutet

  • die Einstellung der Bevölkerung zu politischen Fragen und
  • ein Gemenge von individuellen Ansichten bzw. Einstellungen, die durch Meinungsumfragen dokumentiert werden (vgl. LIPPMANN 1922).
In den USA kann man davon ausgehen, dass auf Grund des geringeren politischen Interesses - geringe Wahlbeteiligung, Rückgang der Auflagen der Tagespresse/Printmedien, geringe Anzahl überregionaler Tagespresse - die öffentliche Meinung durch die Kommunikationsindustrie, Interessensgruppen und die Regierung öffentliche Meinung - in Verbindung mit Macht - hergestellt wird (vgl. LÖSCHE 2008, 335; FIELDS 1980, 183).

8.17.4 Bildungssystem    

Das Bildungssystem der USA ist in die drei Bereiche Elementary/Primary Schools, Secondary Education und Postsecondary Education unterteilt und umfasst dementsprechend den Schul- und Hochschulbereich.

8.17.4.1 Schulsystem    

Das Schulsystem liegt in der Kompetenz der Bundesstaaten und ist daher äußerst heterogen. Schulische Regelungen fallen lokal auf der Ebene von Schulbezirken. Dies bedeutet etwa, dass innerhalb der Bundesstaaten die Schulstufen von Ort zu Ort unterschiedlich gegliedert sind. Die Heterogenität wird noch durch die Verschiedenheit von staatlichen und privaten Schulen verstärkt.

Entsprechend ist die Schulpflicht (Compulsory School Attendance) in der Kompetenz der einzelnen Bundesstaaten gelegen. Dreizehn Bundesstaaten haben vom vollendeten sechsten bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahr die Schulpflicht. Der Schulbesuch kann auch durch vom Kind geleitetes Lernen (Unschooling) oder Hausunterricht (Homeschooling) ersetzt werden.

Das US-Schulsystem? kennt keine unterschiedlichen Schulformen ("vertikale Differenzierung"), vielmehr besuchen alle Kinder/Heranwachsenden die für ihr Alter vorgesehene Schulstufe gemeinsam. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf besuchen allgemeine Schulen integrativ im normalen Klassenverband oder in Kleingruppen, unterrichtet von speziell qualifizierten Lehrkräften. Hochbegabte können Schulstufen überspringen, in finanziell gut dotierten Schulbezirken gibt es besondere Programme (educational enrichment). Ebenso gibt es dort Leseförder-, Sprachtherapie- und muttersprachliche Sprachförderprogramme.

Die Klassenverbände werden jedes Schuljahr aufgelöst und neu zusammengesetzt. Die Klassenlehrkräfte sind auf Jahrgangstufen spezialisiert und wechseln entsprechend jedes Schuljahr. Im elementaren Bereich will man so Gruppenstrukturen mit günstigem Lernklima schaffen und Cliquenbildungen verhindern, um an der Middle School möglichst homogene Gruppen aus begabten Kindern zu haben. In höheren Klassenstufen - Junior Highschool und Highschool - gibt es keine Klassenverbände mehr. Hier gibt es Kurse, gelegentlich auch klassenstufenübergreifend, mit Ansprechlehrkräften (anstelle von Klassenlehrkräften).

US-Schulen? sind Ganztagsschulen mit Kantinen für Mittagsessen.

Die Leistungsbeurteilung findet, wie auch in anderen englischsprechenden Ländern, in Buchstaben statt: A (90 Prozent, sehr gut), B (80 Prozent, gut), C (70 Prozent, befriedigend), D (60 Prozent, bestanden), E (50 Prozent, nicht bestanden). Die Zensuren könne mit +/Plus bzw. -/Minus weiter differenziert werden.

Die Großzahl der Heranwachsenden besuchen staatliche Schulen, die von Steuergeldern finanziert werden und schulgeldfrei sind. Rund zehn Prozent der US-Schülerinnen? und Schüler besuchen private Schulen, die eine jährliche Schulbesuchsgebühr einheben. Unterricht zu Hause (Homeschooling) berücksichtigt besondere Bedürfnisse wie etwa religiöse Ansichten und Kinder mit Behinderungen sowie Mobbingschüler und Drogenabhängige. Einwendungen gibt es wegen einer möglichen Entwicklung geringerer sozialer Kompetenz oder mangelhafter Ausbildung Lehrender.

Anders als in Österreich werden Entscheidungen, die die Schulstufen der elementary school bis zur high school betreffen, in den USA in den Schulbezirken getroffen. Diese haben die Richtlinien des jeweiligen Department of Education des Bundesstaates durchzuführen. Der von der Bevölkerung gewählte Bildungsrat legt im Schulbezirk gewisse Richtlinien und Schulsteuern fest, setzt das Schulpersonal ein und ist für die Einrichtung der Schulen zuständig. Regionsspezifische Kurse werden angeboten, etwa in ländlichen Bezirken landwirtschaftliche Kurse.

Die Zulassungsbedingungen von Lehrkräften (Certification) ist Angelegenheit der Bundesstaaten.

Schularten - Verschiedenartigkeit je nach Bundesstaat

Pre-School/Vorschule?

Elementary School/Grade Schools - Grundschule

Junior High School/Middle School/Verbindung zwischen Elementary School und High School

High School/Einheitsschule (Gesamtschule) für die Sekundarstufe II

Wer eine Universität besuchen will, muss eine Aufnahmeprüfung bestehen.

8.17.4.2 Hochschulwesen    

Anders als das europäische Bologna-System? gibt es in den USA je nach Bundesstaat geregelte Hochschulmodelle, akademischen Gradbezeichnungen und Studiendauern, wobei selbst innerhalb eines Bundesstaates es unterschiedliche Regelungen gibt. Qualitätsunterschiede in der Lehre ergeben ein Bewertungssystem in Form eines Hochschulrankings. Universitätsabschlüsse gelten als höherwertig als jene von Colleges, weshalb es mitunter zu Problemen bei der Anerkennung von Abschlüssen kommen kann.

Studierende entscheiden vor Beginn eines Studiums, ob sie ein berufsqualifizierendes oder ein forschungsorientierendes akademisches Studienmodell wählen. Bei berufsqualifizierenden Modellen in Colleges ist ein Umstieg zum universitär-wissenschaftlichen Modell sowie zum Zugang zu research-based Master- bzw. PhD-Studiengängen? selten bzw. nur mit nachzuqualifizierenden Studienleistungen möglich. Grundsätzlich gilt für künftige Berufschancen der Ruf des College bzw. der Universität.

Grundformen von berufsqualifizierenden Modellen zum größten Teil an Colleges sind:

  • Studienberechtigung plus zwei Jahre/Associate Degree,
  • Bachelor-Studienberechtigung? plus drei/vier Jahre und
  • Fach-Master? als Aufbaustudium bzw. Bachelor plus ein bis selten zwei Jahre (vgl. die Folgen für soziale Minderheiten bei Zulassungsbedingungen und eventuellen Quotierungen an Universitäten; KOPP 2009, 175).
Als Anschlussstudien gibt es Angebote wie vier Jahre Bachelor plus Fach-Master?/fünf Jahre oder drei Jahre Bachelor plus Fach-Master?/viereinhalb Jahre.

Grundformen von wissenschaftlichen Modellen zum größten Teil an Universitäten, selten an top-ranked-Colleges:

  • wissenschaftliche Diplomstudium mit Bachelor Thesis bzw. Studienberechtigung plus vier bis fünf Jahre,
  • Master Thesis bzw. Diplomstudium mit Bachelor Thesis plus 2-3 Jahre und
  • wissenschaftlicher Master plus 3-4 Jahre mit PhD-Abschluss/Doctoral? Degree(akademische Lehrberechtigung).
Hier ergeben sich post-graduale Anschlussstudien.

Sonderformen gibt es etwa in vierjährigen doctor-Studiengängen an professional schools für Rechts- und Medizinwissenschaften sowie Theologie und Management.

Einjährige Master-Lehrgänge? für Doktoratsabsolventen schließen etwa in Rechtswissenschaft mit dem Master of Law ab.

Nach dem High School-Diploma? mit einer Aufnahmsprüfung und dem entsprechenden Leistungsstand (A) kann man folgende Collegetypen absolvieren:

  • drei- bis vierjährige Colleges, Community Colleges, Junior Colleges, Vocational Colleges und Technical Colleges (Abschluss: Bachelor),
  • Graduate Schools (Abschluss: Master) und
  • Professional Schools (Abschluss: Professional Degree).
Unterscheidung von College und Universität

Im US-Sprachgebrauch? bezeichnet College die ersten zwei bis vier Jahre eines Hochschulstudiums (Undergraduate Period). University sind Hochschulen mit Forschungsausrichtung und einer Ausbildung und Forschungsmöglichkeit nach dem Grundstudium.

Der jeweilige Bundesstaat und die jeweilige Akkreditierungsagentur vergeben den Namen College oder University.

8.17.4.3 Qualitätssicherungsansätze    

Unabhängige Organisationen spielen in den USA bei der Qualitätssicherung von Bildungseinrichtungen eine wichtige Rolle. So überprüfen bzw. erteilen Akkreditierungen etwa die Northwest Association of Colleges and Universities oder die Northcentral Association of Secondary Schools.

2002 wurde die Gesetzesinitiative "No Child Left Behind Act"/NLCB, Public Law 107-110 eingeführt. Auf dieser Basis werden viele Schulen von der US-Regierung? finanziell gefördert und bilden eine Alternative zu den herkömmlichen High Schools

IT-Hinweis?: Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Schule, Pkt. 10.1

8.17.5 US-Präsidentenwahl? 2012    

Mitt Romney holte mit 59 Prozent mehr Stimmen als Ronald Reagan und genau so viele Stimmen wie George Bush Senior. Mit vier Millionen Stimmen Abstand und einer Mehrheit im Wahlmännerkollegium von 332 zu 206 siegte Barack Obama eindeutig.

Barack Obama gewann, weil er die demographische Veränderung der US-Gesellschaft? erkannte. 2012 sind die USA farbiger, katholischer und jünger geworden. Der Anteil der weißen Bevölkerung fiel auf 72 Prozent. Damit verkleinerte sich die republikanische Stammwählerschaft seit 1988 jedes Jahr um zwei bis drei Prozent. Dagegen vergrößerte sich die Wählerschaft der Latinos um zehn, der Asiaten auf drei und die jungen Wähler auf 19 Prozent. Mit 13 Prozent blieb der Anteil der Afroamerikaner gleich. Obama holte am Wahltag vier von fünf Stimmen der ethnischen Minderheiten, drei von fünf Jungwählern und sieben von zehn unverheirateten Frauen. Ebenfalls hatte er ein gutes Ergebnis bei den gebildeten Weißen und den gewerkschaftlich geprägten Arbeitern im Mittleren Westen. Treffend wird von einer "Koalition der Aufsteiger" gesprochen.

Im interkulturellen Kontext zeigt es sich, dass die Veränderungen in der US-Gesellschaft? sich tiefgreifend darstellen. Nunmehr haben die USA mit dem Sohn einer Weißen aus Kansas und eines Schwarzen aus Kenia einen Präsidenten, der die neuen USA verkörpert. Das Jahr 2012 markiert einen Meilenstein in der US-Geschichte? - das Ende der Dominanz der "White Anglosaxon Protestants" (vgl. SALZBURGER NACHRICHTEN, 29.12.2012, 4).

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Fachliteratur/Auswahl - Landeskunde USA

Busch Chr. (2000): Akteneinsichtsrecht in den USA: Ein Bürgerrecht wird umgesetzt, Berlin

Dewey J. (1964): Demokratie und Erziehung, Braunschweig

Dichanz H. (1991): Schulen in den USA. Einheit und Vielfalt in einem flexiblen Schulsystem, Weinheim-München?

Fields M.D. (1980): Public Polls and the Public Interests, in: Cantril A.H. (Hrsg.): Polling in the Issues, Washington, 183

Gallup Poll Monthly, January 1996, 52

Hofstadter R.-Metzger W.P. (1955): The Development of American Freedom in the United States, New York, 124-125

Kopp J. (2009): Bildungssoziologie. Eine Einführung anhand empirischer Studien, Wiesbaden

Lippmann W. (1922): Public Opinion, New York

Lösche P. (Hrsg.) (2008): Länderbericht USA. Geschichte-Politik-Wirtschaft-Gesellschaft-Kultur?, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Mc Gehee Ch.L. (1987): The American School System, Washington > http://www.cwu.edu/~chasm/schoole.htm (21.12.2012)

Russel Hochschild A. (2018): Fremd in ihrem Land. Eine Reise ins Herz der amerikanischen Rechten, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 10190, Bonn

The Pew Research Center for The People and The Press, Survey Report, Religion and Public Life Survey, 2006

Salzburger Nachrichten, 29. Dezember 2012, 4: Das Ende des weißen Amerika ist gekommen. Erstmals reichen die Stimmen der weißen angelsächsischen und protestantischen Bevölkerung nicht mehr aus, um Präsident zu werden

Smith R.M. (1988): The "American Creed" and American Identity, in: Western Political Quaterly, 41/1988, 225-251

Unger F. (Hrsg.) (1988): Amerikanische Mythen. Zur inneren Verfassung der Vereinigten Staaten, Frankfurt/M.-New York

Walzer M. (1992): What It Means To Be An American, New York

Weblinks:

http://de.wikipedia.org/wiki/Bildungssystem_in_den_Vereinigten_Staaten (21.12.2012)

http://www.ego4u.de/de/read-on/countries/usa/school (21.12.2012)

http://www.nzz.ch/aktuell/international/skid-row-ein-viertel-voll-menschlichen-elends-1.17926545 (8.1.2013)

http://www.orf.at/stories/2164057/2164058 (3.2.2013)

8.18 Landeskunde "Nahostkonflikt - Arabischer Frühling"    

Was über Jahre einsichtig und klar war, hat sich massiv verändert. Waren die USA und ihre Verbündeten eine strategische Partnerschaft, so gibt es heute eine vom Iran getragene Allianz, die den Westen und Israel als Hauptfeinde sehen. Partner sind hier die (schiitische) Hisbollah/Libanon und die (sunnitische) Hamas/Gaza-Streifen. Inwieweit Syrien mit seinen im Bürgerkrieg stehenden Kräften Positionen einnimmt, wird sich zeigen.

Historisch gesehen kann man diese Entwicklung als Nachfolgestreit seit dem Tode Mohammeds sehen. Für die USA, Europa und die verbündeten(sunnitischen)Golf-Monarchien? bedeutet dies allerdings den Kampf um die Vormachtstellung in der Region (und im Islam).

Mit dem Abzug aus dem Irak und der Übernahme der Macht durch die Schiiten und dem Machtverlust von Hosni Mubarak/Ägypten kam es zu einer neuen Machtkonstellation. Mit dem Machtkampf von Präsident Baschar al-Assad, der Neuorientierung Ägyptens unter Präsident Mohammed Mursi und den Luftschlägen Israels kommen die lautesten kritischen Stimmen nicht von der Achse des Widerstandes, vielmehr von US-Verbündeten? wie der Türkei, Ägypten und Katar.

Terror und Dschihad gegen Israel sind nunmehr keine relevanten Mittel einer Legitimation sunnitischer Kräfte. Israel kann allerdings mit den unberechenbaren Umbrüchen keine berechenbaren Feinde mehr einschätzen.

Der sogenannte "Arabische Frühling" als Kampf gegen erstarrte Despotien wirft nunmehr mit seinen Folgewirkungen die alten Allianzen im Nahost-Konflikt durcheinander (vgl. STRICKER 2012, 6).

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Fachliteratur/Auswahl: Nahostkonflikt - Arabischer Frühling

Jelloun T. B. (2011): Arabischer Frühling. Vom Wiedererlangen der arabischen Würde, Bundeszentrale für politische Bildung Bonn, Berlin

Stricker M. (2012): Feuer über Nahost, in: Salzburger Nachrichten/Sonderbeilage Jahresrückblick 2012, 6

IT-Hinweis?: Studie "Arabischer Frühling" minderte Religionsfreiheit > http://religion.orf.at/stories/2590057 (25.6.2013)

8.19 Lernfeld Toleranz/"Toleranz-Symposium? Innsbruck 2012"    

Als wesentliche Eigenschaft interkultureller Kompetenz gehört Toleranz zur interkulturellen Sensibilität und den Ambiguitätsmerkmalen (vgl. HERBRAND 2002, 23, 52; ERTL-GYMNICH? 2010, 12-13).

Die Verfolgung Andersdenkender, Verfolgter, Flüchtlinge, Asylanten, Migrantinnen und Migranten in aller Welt findet trotz der UNO-Deklaration? der Menschenrechte, der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Religionsfreiheit und völkerrechtlich verbindender Erklärungen täglich statt. Zentraler Begriff aller Bemühungen ist Toleranz.

Das "Toleranz-Symposium?" vom 17. November 2012 im "Haus der Begegnung"/Innsbruck - Veranstalter waren die Europäische Akademie der Wissenschaften und Kunst Salzburg, die Universität Innsbruck, das Privatinstitut für Ideengeschichte und das "Haus der Begegnung" Innsbruck - widmete sich eingehend der Thematik.

In 172 Ländern werden Christen verfolgt oder in wesentlichen Rechten eingeschränkt. Entführungen gibt es in Ägypten und Pakistan, in Syrien werden in grenznahen Regionen zur Türkei Kirchen in Moscheen umgewandelt (Elmar KUHN, Klasse Weltreligionen der Europäischen Akademie für Wissenschaften und Kunst Salzburg).

Helmut REINALTER, Universität Innsbruck, verstand in seinem Beitrag unter Toleranz die Sicherung der Vielfalt von Kulturen, Religionen, Mentalitäten und Weltanschauungen mit der Förderung deren Entfaltung auf der Grundlage von Achtung und Anerkennung. Dabei sollte es nicht um Indifferenz, Gleichgültigkeit und/oder ethischen Relativismus gehen, der die Positionen für gleich-gültig erklärt.

Toleranz gerät an ihre Grenzen gegenüber fundamentalistischen Positionen mit Hass, Gewalt und Indoktrination. Heiner BIELEFELDT, UNO-Sonderberichterstatter? über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, verwies auf die Menschenrechte, die trotz unterschiedlicher Menschen- und Weltbilder grundlegende und weltweit gültige politische Ideen wurden. Sie bieten Mindeststandards für die soziale Lage von Menschen.

Julian NIDA-RÜMELIN?, LMU München, sah Toleranz aus Anerkennung und Respekt als unentbehrlich an. Der Diskurs über Religionsfreiheit als Menschenrecht, so auch Heiner BIELFELDT, werde eher an den Rand gedrückt. Deutlich angemerkt wurde die geringe Aktivität der Katholischen Kirche in dieser Frage.

Felix UNGAR, Akademie für Wissenschaften und Kunst Salzburg, sprach von Füsilierung von Christen. Heinrich SCHMIDINGER, Universität Salzburg/Rektor, sieht nur die Möglichkeit, Toleranz durch gelebte Toleranz einzufordern.

Das Weltethos von Hans KÜNG mag eine Klammer zum Verständnis der Weltreligionen bieten, so Claus DIERKMEIER, Weltethos Institut Universität Tübingen. Albert AUER, Universität Salzburg, ergänzte, es gäbe eine Tabusphäre des Menschen, die durch nichts und niemand verletzt werden darf.

Tiroler Tageszeitung, 28. November 2012, 2: Gastkommentar - "Hoffnungsvolle Gründung"/Heinz Gstrein

In Wien wurde am Montag ein interreligiös-interkulturelles Dialogzentrum eröffnet, das Saudi-König? Abdullah gestiftet hat. Zum Festakt in der Hofburg fand sich viel Prominenz ein, vom UN-Generalsekretär? bis zu Kardinälen und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios. Dennoch schlagen die Wellen des Für und Wider extrem hoch. Grund ist die Einbindung Saudi-Arabiens?.

So einfach schwarzmalerisch liegen die Dinge nicht. Allein schon die Tatsache, dass fortan in einem Wiener Ringstraßen-Palais? aus der Gründerzeit Muslime und Juden zusammensitzen, ist die ganze Neugründung wert. Denn sonst bekämpfen sich Menschen beider Religionen bis aufs Blut, zuletzt im Gazastreifen.

Auch sind "Wahhabiten" keineswegs zum Dialog ungeeignet: Ihr Gründer Abdel Wahhab wollte zurück zu den Wurzeln eines frühen Islams. Das war aber auch die Zeit, als Muslime und Christen im gleichen Gotteshaus, halb Kirche, halb Moschee, den Einen Gott lobten. Auf die Basis einer Harmonie aller heiligen Bücher hat Mohammed als Erster Toleranz für Andersgläubige gegründet. Es ist kein Zufall, dass das früheste europäische Land mit Religionsfreiheit Siebenbürgen war, ausgerechnet unter Oberhoheit und Einfluss der islamischen Türkei.

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Fachliteratur/Auswahl - Lernfeld Toleranz

Ertl. A.-Gymnich M. (2010): Interkulturelle Kompetenz. Erfolgreich kommunizieren zwischen den Kulturen, Stuttgart

Gstrein H. (2012): Hoffnungsvolle Gründung, in: Tiroler Tageszeitung, 28. November 2012, 2

Herbrand F. (2002): Fit für fremde Kulturen. Interkulturelles Training für Führungskräfte, Bern-Stuttgart-Wien?

Mayrhofer F. (2012): Die Tabusphäre des Menschen ist unverletzlich, in: Salzburger Nachrichten, 27. November 2012, 9

8.20 Religiöse Minderheit und Migration/Fallbeispiel: Evangelische Kirche in Österreich    

Migrationsschicksale, Integrationsbemühungen und Folgen einer Migration kennzeichnen in Österreich die Evangelische Kirche (EKiÖ) in einer Minderheitensituation.

8.20.1 Entwicklung des Protestantismus in Österreich    

Den eigentlichen Kern der EKiÖ bildeten die "Toleranzgemeinden" - ländliche Gemeinden, die aus dem Toleranzpatent Josef II. 1781 entstanden. Gegründet wurden die Toleranzgemeinden von ehemaligen Geheimprotestanten, die über Generationen im Untergrund evangelisches Laienchristentum pflegten. Diese lutherischen Pfarrgemeinden besitzen bis heute ein überaus starkes volkskirchliches evangelisches Selbstverständnis.

Während des 19. Jahrhunderts gelangte der Protestantismus in die Märkte und Städte über zugewanderte bürgerliche Kleinunternehmer, die beeinflusst waren von der Erweckungsbewegung. Daraus entwickelte sich ein städtischer Protestantismus in einem liberalen Bürgertum mit evangelischem konfessionellem Bewusstsein. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts steigerte sich durch Konversionen die Zahl der Mitglieder, wobei um 1900 Mitglieder der "Los-von-Rom-Bewegung?" und Deutsch-Nationalen? übertraten. Ein verstärkter Zuzug aus Deutschland und Gebieten der Monarchie ließ eine neue inhomogene soziale Schicht in der Kirche entstehen. In den neuen Industriegebieten entstanden "Diasporagemeinden".

Eine Orientierung nach Deutschland - dem "Mutterland der Reformation" - begann. Diese erfasste die gesamte Kirche, insbesondere auch im Ständestaat (Erste Republik) und gegenüber dem eindringenden Nationalsozialismus. Übertrittsbewegungen kennzeichnen die Epoche bis 1945 (vgl. LEEB 2010, 169-172).

1945 stand die EKiÖ wiederum vor der Aufgabe, Migranten in großer Zahl zu integrieren. Die Zahl der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen mit einem Anteil an evangelischen Christen lag über 20 Prozent, wobei ein Drittel Siebenbürger, der Rest Donauschwaben, Karpatendeutsche und Sudetendeutsche waren. Dieser massive Zuwachs zeigte sich in der Folge auch im Einfluss dieser Gruppierungen auf die EKiÖ. Auf Grund der Einteilung der Besatzungszonen entstand eine ungleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge, was wiederum zu Versorgungskrisen, Unterbringungsproblemen und letztlich - zur Entlastung der angespannten Lage - zur Auswanderung nach Deutschland und Übersee führte. "Um 1950 trat die anstehende Integration der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in ihr entscheidendes Stadium" (LEEB 2010, 177). Ähnlich den Südtirolern forderte man eine Gleichstellung mit den Einheimischen.

Der Flüchtlingskongress des Weltkirchenrates vom 17.-19. Jänner 1950 in Salzburg, die Familienzusammenführung und die damalige Arbeitsmarktlage, in der 200 000 der 300 000 Flüchtlinge problemlos integriert werden konnten, brachten beträchtliche Entlastungen. 1955 im Jahr des Staatsvertrages waren 228 000 Personen bereits eingebürgert.

Die größte Bewährungsprobe der EKiÖ war die Flüchtlingsarbeit (vgl. die heutigen Bemühungen der Flüchtlingsberatung der Diakonie für Migrantinnen und Migranten). Mit Bischof D. Gerhard May stammte ein leitender Geistlicher der EKiÖ selbst aus der deutschsprachigen Minderheit der alten Untersteiermark. Grundsätze der EKiÖ waren die Gleichstellung von Flüchtlingen mit Einheimischen, kein Unterschied zwischen "Displaced Persons" und Volksdeutschen und die aktive Hilfe für jene Personen, die in Österreich eine neue Heimat fanden (Seelsorge, politische Vertretung).

Die Kirchenleitung errichtete Flüchtlingsgemeinden (mit den geflohenen Pfarrern/Anerkennung als "Flüchtlingspfarrer"), Predigtstationen, das kirchliche Werk "Flüchtlingshilfe" und organisierte die Verbindung zu kirchlich internationalen Organisationen zur Hilfestellung (Lutherischer Weltbund, Weltkirchenrat, Quäker, YMCA, Brüdergemeinden). Büros des Lutherischen Weltbundes in den einzelnen Bundesländern halfen bei der Bewältigung der Bürokratie und Organisation von Auswanderungen.

Ziel sozialer diakonischer Bemühungen war die Verbesserung der Wohnungssituation, wobei die soziale Gefährdung durch Barackenlager erkannt wurde. Man ging davon aus, dass die eigene Konfession auch ein Stück Heimat sei. Bewusst wurden Flüchtlingspfarrer bei späteren Gemeindebildungen als erste Ortspfarrer eingesetzt. Die evangelische Wohnbaugenossenschaft "Neusiedler" wurde gegründet (vgl. die Rolle von Heinrich Meder bei der Errichtung von Einfamilienhäusern und Wohnungen in Wien). Bis 1956 wurden 49,5 Millionen Schilling verbaut. 28,5 Mill. stammten von öffentlichen Stellen, 17,3 Mill. aus Hilfsgeldern aus dem Ausland und 6 Mill. waren Eigenleistungen der Siedler. Ein kleiner Rest bestand aus Hypothekardarlehen (vgl. NEULAND Nr. 15/1956, 5). Einige neu gebaute Siedlungen wurden Mittelpunkte neuer Gemeinden, so etwa Wien-Lainz? (Wartburg Siedlung), Elixhausen, Graz-Liebenau?, Rosenau b. Seewalchen, Schwanenstadt (Aggerau) und Mattighofen.

8.20.2 Integrationsbemühungen    

Flüchtlingsgemeinden mit Flüchtlingspfarrern bildeten sich kurz nach der Ankunft in Österreich. Der Gedanke der verlorenen Heimat beherrschte die Gemeindetätigkeiten, Flüchtlingslager und Predigtstationen vermehrten die Gottesdiensttätigkeiten.

Probleme brachten die geographische Verteilung und Zerstreuung (die teilweise bis heute Pfarrgemeinden beherrscht). Der Arbeitsmarkt war bestimmend für die Verteilung der Flüchtlinge und damit evangelischer Christen( vgl. LEEB 2010, 190-191). Städte und Industriezonen zogen die Arbeitskräfte an, damit kam es in einer Diasporasituation zu Assimilierungstendenzen mit der katholischen Umwelt (vgl. die "Mischehen-Problematik?" und die erschwerte Praxis des Religionsunterrichts). "Am resistentesten erwiesen sich die Siebenbürger, die schon aufgrund ihrer großen Zahl häufiger ihre alten Gemeinschaften in der neuen Heimat fortführen konnten" (LEEB 2010, 192; vgl. KNALL 2008/2009, 327-344).

Möglichkeiten einer religiösen Integration ergaben sich in der Folge:

  • Heimatvertriebene bildeten eine Gemeinde/Predigtstation und gestalteten religiöses Leben (etwa in Völs b. Innsbruck, Flüchtlingslager in Haiming und Kematen; Elixhausen, Siebenbürgersiedlung mit "Honteruskirche"; Turnau b. Kapfenberg).
  • Selbstbewusste evangelische Migranten dominieren in alten Gemeinden (etwa Schwanenstadt, Wien-Lainz?, Traun/Tochtergemeinde Haid, Tulln und Lenzing-Kammer/Rosenau?). Konflikte entstanden und wurden teilweise gelöst.
  • Im Normalfall, zumeist in Städten und Industriezonen, engagierten sich Heimatvertriebene in den kirchlichen Gremien/Arbeitskreisen, übernahmen Ämter und stärkten so die Gemeinden. Bräuche und Eigenheiten verschwanden mit steigender Assimilierung und Integration.
8.20.3 Migrationsfolgen    

Evangelische Migrantinnen und Migranten haben an den konfessionellen Verhältnissen in Österreich kaum etwas verändert. Auch die innerkirchlichen konfessionellen Verhältnisse wurden nicht geändert. Die EKiÖ ist eine lutherisch geprägte Kirche (A.B.) mit einer reformierten Minderheit (H.B.). Der Ungarnaufstand 1956 brachte einen Zuwachs in den reformierten Gemeinden.

Die Auswirkungen der Migration sind bedeutend. Weniger die Gesamtzahl der Gläubigen, vielmehr ihre Verteilung veränderte die EKiÖ. Aktivitäten entstanden und werden weitergeführt.

  • Es entstanden neue Gemeinden und damit neue religiöse Strukturen in mitunter monoreligiösen Landschaften.
  • In der Folge kommt es - auch durch den anwachsenden Tourismus und EU-Binnenwanderung? - zu bedeutenden ökumenischen Treffpunkten, beispielhaft in Oberösterreich die jährlichen Veranstaltungen im Stift Kremsmünster oder in Tirol Veranstaltungen im "Haus der Begegnung"/Innsbruck.
  • In Wien kam es zum 1. Lehrgang Ökumene/Kardinal König-Akademie? (2006-2007) (vgl. NÜSSEL-SATTLER? 2008).
  • Die universitäre Kooperation der Katholisch- und Evangelisch-Theologischen? Fakultät der Universität Wien gilt als problemlos.
  • Ein funktionierendes evangelisches Schulwesen bereichert die Schullandschaft in Österreich (vgl. POLLITT-LEUTHOLD-PREIS? 2007).
  • Siebenbürger brachten neue liturgische Traditionen mit, Diasporagemeinden engagieren sich bis heute in der Tourismusseelsorge und in diakonischen Aktivitäten.
  • Nach Artikel 25 der Kirchenverfassung der EKiÖ i.d.g.F. gibt es die Möglichkeit, dass für Evangelische, die aus einer ausländischen Kirche kommen und sich zu einer Gemeinde bzw. Volksgruppe zusammenschließen, die Kirchenleitung Sonderregelungen treffen kann. "Personalgemeinden" mit einem spezifischen Profil können demnach gebildet werden. Beispielhaft anzuführen sind in Salzburg die Koreanisch-Evangelische? Gemeinde und die Salzburg International Christian Church/SICC sowie in Wien die Finnische, Schwedische, Ungarische, Ghanaische und Japanische Evangelische Gemeinde(vgl. AMT und GEMEINDE 7/8 2007, 126-141). 2007 wurde die afrikaanssprachige Evangelische Gemeinde in Wien anerkannt (vgl. AMTSBLATT DER EKiÖ, 12. Stück v. 21. Dezember 2007, 174-175).
Mit dem II. Vatikanischen Konzil (1962-1965) erhielt die Ökumene einen wesentlichen Impuls (vgl. die Aktivitäten des "Ökumenischen Rates in Österreich", Ökumenisches Sozialwort der christlichen Kirchen in Österreich/2003).

Interkulturell ergänzt das Engagement der EKiÖ im "Weltkirchenrat/WCC" und insbesondere in der "Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa/GEKE" konfessionelle Aktivitäten in einer vielfältigen religiösen Landschaft in Österreich.

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Fachliteratur/Auswahl - Migrationsfolgen

Evangelische Akademie Wien (Hrsg.) (2012): Evangelische Identitäten nach 1945 - Tagungsband, Wien

Hempelmann R. (Hrsg.) (2006): Leben zwischen zwei Welten. Migrationsgemeinschaften in Europa, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen - EZW-Texte? 187/2006, Berlin

Knall D. (2008/2009): Gehilfen der Wahrheit. Siebenbürger Sachsen in Österreichs Evangelischer Kirche A.B., in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich, Nr. 124/125 (2008/2009), 327-344

Leeb R. (2010): Die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge nach 1945 und die evangelische Kirche in Österreich: Auswirkungen der Migration auf eine "Diasporakirche", in: Rieske U. (Hrsg.): Migration und Konfession. Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945, Gütersloh, 167-201

May G. (1962): Die evangelische Kirche Österreichs, Göttingen, 26-28

Neuland, Zeitschrift für Heimatsuche, Nr. 15/1956

Nüssel F.-Sattler D.(2008): Einführung in die ökumenische Theologie, Darmstadt

Pollitt H.-E./Leuthold M./Preis A. (Hrsg.) (2007): Wege und Ziele evangelischer Schulen in Österreich. Eine empirische Untersuchung, Münster

IT-Hinweise?

Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich > http://www.oekumene.at (8.1.2013)

Ökumenisches Sozialwort der christlichen Kirchen in Österreich > http://www.sozialwort.at (8.1.2013)

Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen Europas/GEKE > http://www.leuenberg.net (8.1.2013)

8.21 Bildungspolitische und -praktische Herausforderungen    

8.21.1 Problemstellung    

Bildungspraktischen Herausforderungen, begründet in der Tatsache einer interkulturellen Gesellschaft ("Einwanderungsgesellschaft"), wird derzeit in Österreich eine geringe Bedeutung zugemessen.

Aspekte einer Migrationsgesellschaft mit latenten Formen von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und gesellschaftlicher Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten in Verbindung von Vorstellungen eines kulturell homogenen Nationalstaates in Dimensionen einer Einwanderungs- bzw. Binnenwanderungsgesellschaft der EU werden unzureichend in Einzelkonzeptionen pädagogisch behandelt.

Vielmehr ist eine umfassende bildungspolitische und bildungspraktische Gestaltung(-sebene) und theoretische Orientierung mit bildungspraktischen Konzepten erforderlich.

Anzustreben ist eine Gesellschafts- und Bildungspolitik, die Zu- und Binnenwanderung in Verbindung mit Migration nicht als problematisches Ausnahmephänomen betrachtet und Handlungsbedarf nicht nur in Bezug auf Aspekte bezieht, die als direkte und indirekte Folgeprobleme von Migration wahrnimmt (vgl. HORMEL-SCHERR? 2005, 9).

Aus der Sicht einer Politischen Bildung im interkulturellen Kontext ergibt sich aus der Asyldebatte seit den neunziger Jahren die Notwendigkeit eines angemessenen Umgangs mit Migration in seinen verschiedenen Formen. Nach wie vor werden Debatten über den Arbeitsmarkt und die Strukturkrise, soziale Sicherungssysteme, wirtschaftliche, politische und kulturelle Globalisierungsprozesse, demographische Entwicklungen, nationale Idendität als Auseinandersetzung über Migration und kulturelle Differenzen geführt.

Selbstverständlich gilt der Migrationsdiskurs auch als Ort gesamtgesellschaftlicher Positionsbestimmungen, in denen Haltungen zu Veränderungsprozesse bezogen werden (vgl. HORMEL-SCHERR? 2005, 10).

Für die Bildungspraxis gilt demnach (vgl. HORMEL-SCHERR? 2005, 11-15; NEUMANN-SCHNEIDER? 2011, 15-17)

  • der Diskurs über die staatlich-politische Praxis mit Migration mit seinen Konsequenzen für Flüchtlinge und Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten,
  • der Diskurs über die soziokulturelle und bildungspraktische Positionierung von Zugewanderten und Flüchtlingen im Bildungssystem und
  • das Aufzeigen sozialer Differenzierung, kulturelle Vielfalt, vielfältiger Deutungsmuster und Ideologien, in denen Zuwanderung als Ursache gesamtgesellschaftlicher Problemlagen - etwa strukturelle Arbeitslosigkeit, soziale Ausgrenzung und Krise des Sozialstaates - dargestellt wird.
  • Im ländervergleichenden Diskurs wird deutlich, dass alle Gestaltungsebenen organisierter Bildung - Bildungssystem, Schulorganisation, Lehrerausbildung und Curricula - Veränderungen benötigen.
  • Bildungsgleichberechtigung bzw. Gleichwertigkeit, soziokulturelle Heterogenität und interkulturelle Bildung haben sich als ein Lernpaket darzustellen.
Diskrimierende Strukturen und Praktiken mit Folgen einer wirtschaftlich-rechtlich-politisch-kulturellen Benachteiligung führen zu Erfahrungen einer Missachtung und persönlichen Entwertung. Für eine interkulturelle Bildung hat dies weitgehende Folgerungen mit den Stichworten eines anderen Kulturverständnisses, einem Diskurs über Normen-Werte-Partizipation-Ethik-Religion?, Abbau von Diskriminierungen, des Umgangs mit Menschenrechten und Verständigungsproblemen/Diversity/interkultureller Kommunikation.

Damit ist eine Distanz zu einem "Multikulturalismus" einer US- und republikanischer Universalität französischer Prägung angesagt. Es geht nicht um voraussetzungslose Toleranz, Ignoranz, Tabuisierung und Verbote.

Bildungsarbeit mit interkulturellen Maßstäben bedeutet Ungleichheiten abzubauen und pädagogische Konzepte einzusetzen - also Aspekte einer Menschenrechtspädagogik, antirassistischen Pädagogik, interkulturellen Pädagogik, Diversity-Pädagogik? und Politischen Bildung zu praktizieren:

  • Menschenrechtsbildung: Themenkomplex Migration-Flucht-Asyl?,
  • Antirassistische Pädagogik: Strukturen und Praktiken von Diskriminierung-Rassenkonstruktion?,
  • Interkulturelle Pädagogik: kulturelle Differenzen-Formen? und Folgen ethnischer, kultureller und religiöser Zuschreibung und Identifikation mit gesellschaftspolitischer, sozialer, kultureller und persönlicher Bedeutung,
  • Diversity-Pädagogik?: Weiterentwicklung interkulturell-pädagogischer Maßnahmen wie Bedeutung kulturell-religiöser Zugehörigkeit, Dekonstruktion von Unterschiedlichkeiten, individuelle Identitätsbildung und Lebenspraxis, sozial-kulturelle Einbettung und Diskurs über Dominanz- und Machtstrukturen,
  • Politische Bildung/Erziehung: Zeitgeschichte/nationale Erinnerungskultur (vgl. LENZ/SCHMIDT/v. WROCHEM 2002), Demokratie, Rechtssysteme und Landeskunde.
8.21.2 Ländervergleich Großbritannien/UK-Kanada-Frankreich    

Zunächst fällt auf, dass Schulentwicklung als Vorbereitung auf ein politisch-demokratisches Leben ohne Rassismus und Diskriminierung jeweils anders verstanden wird. Als übergreifende Perspektive ergibt sich eine Erziehung zu einer positiven politischen Kultur, basierend auf den jeweiligen Vorstellungen eine schulischen Beitrages und der jeweiligen Möglichkeiten von Gestaltungsebenen, vorgegeben in unterschiedlichem rechtlichem Rahmen und gesamtgesellschaftlicher Konzeption (vgl. HORMEL-SCHERR? 2005, 41-42).

Inhalte wie Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung werden als gesellschaftspolitische Herausforderungen betrachtet. Im UK und Kanada gilt die Verankerung in "pädagogischen Programmen", demnach nicht in speziell zeitlich befristeten Projekten. Dies ist für die jeweilige Schulkultur und Methodik wesentlich.

Die drei Länder haben gemeinsam eine - unterschiedlich begründete und akzentuierte - Antidiskriminierungspädagogik ("Multikulturalismus" vs. "republikanischer Universalismus"). Konsensuell sind die Menschenrechte (vgl. LENHART 2003).

Zielsetzung ist eine Schule als Ort von Demokratie, Gleichheit aller Bürger (Frankreich) oder Ort multikultureller Vielfalt und Gleichberechtigung (UK, Kanada) mit dem Ansatz von Schulreform (vgl. BHABHA 1997, 123-148). Angestrebt werden die Überwindung von Diskrepanzen zwischen Lerninhalten und normativen Idealen ("multikulturelle Gesellschaft" vs. "Gesellschaft gleicher Bürger"). Frankreich und Kanada unterscheiden sich grundlegend, ob es eine Kultur der Anerkennung von Differenz und Minderheitenförderung oder einer Abstraktion von Unterschieden der sozialen Herkunft, Nationalität und Ethnizität, wobei diese unterschiedliche Bewertung insbesondere im gesellschaftlichen Kontext begründet liegt.

Wesentlich dafür die gegensätzliche Auffassung von Gesellschaft. "Die Idee einer religiös und ethnisch-kulturell neutralen Schule resultiert konsequent aus dem Selbstverständnis Frankeichs als den Menschenrechten verpflichtende Republik, wie die multikulturellen kanadischen Schulkonzepte aus der multikulturellen Staatsidee Kanadas" (vgl. HORMEL-SCHERR? 2005, 44). Pädagogik in der Lehrerbildung und Schulaufsicht/Schulrecht und Bildungspolitik ergeben die Praktiken.

Angestrebt wird in allen drei Ländern der Verzicht auf frühe, soziale Ungleichheiten in der Aufteilung von Schülerinnen und Schülern auf unterschiedliche Schultypen. Bei der Realisierung von Chancengleichheit zeigt sich allerdings die Schwierigkeit, dass ungleiche sozioökonomische Lebensbedingungen auf den Bildungserfolg vorhanden sind. In Frankreich zeigt sich dies in den Effekten räumlicher Segregation und damit in den formal gleichwertigen, faktisch ungleichwertigen Schulabschlüssen, im UK in der Differenzierung in private und public schools sowie als Nebeneffekt der Stärkung der Schulautonomie (vgl. BOURDIEU 1997, 527-529; RADTKE/WEISS 2000).

Konsequenzen in schulpolitischen und schulpädagogischen Ebenen ergeben ich in der Organisationsentwicklung, Kooperationsmöglichkeiten, Curricula, Lehrerbildung und Peer Education.

  • Organisationsentwicklung: Im UK und Kanada strebt man eine Öffnung von Schulen gegenüber ihrem gesellschaftlichem Umfeld an. Im Unterschied zu Frankreich ist dies eine Ausrichtung auf Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler, die als Mitglieder von ethnischen Communities angesehen werden. Frankreich sieht Schule als neutrale und auf Universalismus ausgerichtete Bildungsinstitution an. Man strebt eine Überwindung von kulturellem Partikularismus und ethnisierender Fremd- bzw. Selbstverortung an, d.h. einer Loslösung traditioneller, kultureller und religiöser Bindungen. Dies schließt die Zielsetzung ein, die Schülerschaft dem Einflussbereich der Eltern zu entziehen und sie auch nicht an der Gestaltung von Schule zu beteiligen (vgl. HORMEL-SCHERR? 2005, 45).
  • Kooperationsmöglichkeiten: Frankreich lehnt eine Zusammenarbeit aus den bereits genannten Gründen mit Communities ab, dagegen sind die selbstorganisierten Initiativen und Institutionen der Migranten an der Bildungspolitik und Schulentwicklung beteiligt. Sie besitzen den Stellenwert einer politisch artikulierenden Gruppierung.
  • Curricula: Kanada strebt eine Multikulturalisierung bzw. Ent-Europäisierung? der Curricula(Lehrpläne/-programme, Unterrichtsmaterialien, Technologien) an, im UK und Frankreich erfolgt die schulpädagogische Einführung bzw. der Diskurs in einer staatbürgerlich-politischen Bildung mit den Fächern "Citizenship" bzw. "Education Civique" und "Education civique, juridque et sociale". Allerdings unterschieden sich beide Fächer grundlegend. Frankreich thematisiert Diversity mit den Grenzen einer Beanspruchung kultureller Spezifika in einer republikanischen Gesellschaft mit universalistischem Selbstverständnis. Im UK zielt das Citizenship-Curriculum? auf die Auseinandersetzung sozial und individuell relevanter Zugehörigkeiten und Distanzierungen sowie auf Zuschreibungen und Ethnisierungsprozesse als Diskriminierungsressource. In Verbindung damit stehen Menschenrechtspädagogik, Diversity-Pädagogik? und Antirassismus-Pädagogik? (vgl. HORMEL-SCHERR? 2005, 47).
  • Lehrerbildung: Kanada und das UK etablieren Maßnahmen zur Erhöhung ds Migrantenanteils in der Lehrerausbildung. Elemente einer interkulturellen Bildung fehlen in den drei Ländern. Eine Ausbildung in den jeweiligen Fächern ist vorhanden, ersetzt aber keineswegs nach unserem Erkenntnisstand den Bedarf an fachlicher Spezialisierung (vgl. HORMEL-SCHERR? 2005, 49).
  • Peer Education: Die in angelsächsischen Ländern vorwiegende Peer Education-Programme? zielen auf offene und dialogische Lernprozesse, die Schülererfahrung und -wissen mit einbeziehen und nicht-lehrerzentrierte Schulpraxis zugrunde legen. Naturgemäß hat Frankreich mit seinem hierarchischen Schulsystem kaum Ansätze dafür.
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Fachliteratur/Auswahl - Ländervergleich

Adam H. (2002): Wohlfahrtstaat, Einwanderungspolitik und Minderheiten in Kanada: Modell für Deutschland und Europa?, in: Treichler A. (Hrsg.): Wohlfahrtsstaat, Einwanderung und ethnische Minderheiten, Marburg-Frankfurt?/M., 327-344

Bertelsmann Stiftung/Bertelsmann Forschungsgruppe Politik (Hrsg.) (2001): Eine Welt der Vielfalt, Gütersloh

Bhabha H.K. (1997): Verortungen der Kultur, in: Bronfen E.-Marius B.-Steffen T. (Hrsg.): Hybride Kulturen. Beiträge zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte, Tübingen, 123-148

Bourdieu P. (1997/2008): Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft, Konstanz

Bundeszentrale für politische Bildung (2004): Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen, Bonn

Canadian Council for Multicultural and Intercultural Education (1989): Multucultural and Intercultural Education. Building Canada, Calgary

Europäische Gemeinschaft (200O): "Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaft 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethischen Herkunft", 29. Juni 2000

Gomolla M./Radtke F.-O. (2002): Insitutionelle Diskriminierung, Opladen

Hall S.(1994): Rassismus und kulturelle Identität, Hamburg

Hormel U.-Scherr A. (2005): Bildung für die Einwanderungsgesellschaft. Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung Bonn, Wiesbaden

Köpfer A. (2013): Inclusion in Canada. Analyse inclusiver Unterrichtsprozesse, Unterstützungsstrukturen und Rollen am Beispiel kanadischer Schulen in den Provinzen New Brunswick, Prince Edward Island und Quebec, Bad Heilbrunn

Kymlicka W. (1999): Multikulturalismus und Demokratie. Über Minderheiten in Staaten und Nationen, Hamburg

Lenhart V. (2003): Pädagogik der Menschenrechte, Opladen

Lenz C./Schmidt J./v. Wrochem O. (Hrsg.) (2002): Erinnerungskulturen im Dialog, Münster

Neumann U.-Schneider J. (Hrsg.) (2011): Schule mit Migrationshintergrund, Münster

Radtke F.-O./Weiß M. (2000): Schulautonomie, Wohlfahrtsstaat und Chancengleichheit, Opladen

Schmid Chr. (2008): Ausländerfeindlichkeit bei Jugendlichen. Manifester und latenter politischer Sozialisationseinfluss des Elternhauses und der Einfluss befreundeter Gleichaltriger, in: Zeitschrift für Pädagogik, Juli/August 2008, Heft 4/2008, 572-591

Theile E.E. (2009): Erinnerungskultur und Erwachsenenbildung, Schwalbach/Ts.

8.22 Interkulturelle Kompetenz - Öffnung in der Polizeiarbeit    

Polizeiarbeit steht wie andere gesellschaftliche Institutionen vor der Herausforderung, sich interkultureller Phänomene und Problembereiche stellen zu müssen (vgl. OHLEMACHER 2003, 392; VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 121-124).

Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf Grundzüge von LEENEN-GROSS-GROSCH? 2002, LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005 und VANDERHEIDEN-MAYER? 2012 und geben einen Überblick über Elemente interkultureller Kompetenz- und Qualifizierungsansätze sowie Interkultureller Öffnung.

Vorrangig stellen sich die Fragen

  • nach der Beunruhigung und Ablehnung von Teilen der einheimischen Bevölkerung bei der kulturellen Vielfalt,
  • nach der wachsenden Sensibilität von Teilen der Öffentlichkeit auf Anzeichen von Diskriminierungen und
  • nach Prognosen, wonach die Polizei in multikulturellen Gesellschaften davon auszugehen hat, dass mit mehr Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit und Hasskriminalität zu rechnen sein wird (vgl. LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005, 7).
Für die Polizei bedeutet dies in ihrer gesellschaftlichen Rolle - staatliches Machtmonopol, Verpflichtung zu Unparteilichkeit und Berücksichtigung von Diversität - eine Neuregelung von Organisationskultur und eine bessere berufskulturellen Positionierung. Damit sind auch Bürgernähe, Imagepflege und Qualifizierungsstrategien angesprochen (vgl. OHLEMACHER-BOSCOLD-PFEIFFER? 2000, 220-235; VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 125-130).

8.22.1 Ausländerfeindlichkeit- Fremdenfeindlichkeit    

Zunächst geht es um den Mediendiskurs angesichts polizeilicher Übergriffe und fremdenfeindlicher Einstellungen. Ausgehend vom politischen Schaden geht es um Problemlösungsansätze, in Form von Fortbildungen, die bei genauer Analyse zu eng ansetzen.

"Das Verhältnis der Polizei zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist vielschichtiger, als die Medienbilder uns zu glauben machen" (LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005, 9; VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 127-128).

  • Polizeibeamte mit Migrationshintergrund sollten Ausdruck von Normalität sein. Die Arbeit der Polizei kann vereinfacht und damit gesteigert werden.
  • Es bedarf einer entsprechenden Bildungsbeteiligung von zukünftigen Polizeibeamten - Frauen und Männern - als Voraussetzung für die Auswahlverfahren.
  • Eine Herausforderung für Personen mit Migrationshintergrund sind die Vorbehalte und fehlende Interkulturalität (vgl. die Notwendigkeit von Ausbildungsformen für Interkulturelle Kompetenz).
  • Anlasskonzepte schaden eher als sie zu nützen vermögen. Ebenso stellt sich als Defizit das Fehlen von klaren Bildern von beruflichen Alltagsproblemen. Es geht um berufliche Hilfestellungen und um eine professionelle Begleitung im notwendigen Prozess eines neuen Organisationskultur (LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005, 15-39).
  • Negative Einstellungen und/oder ethnische Vorurteile betreffen sachlich-objektive und perspektivisch-subjektive Elemente, die ein besonderes Lernarrangement benötigen (vgl. die Intentionen interkultureller Kompetenz).
  • Strukturelle Lernstörungen, bedingt durch Organisationskultur/-alltag und tägliche Vorfälle, benötigen positive Erfahrungen. Lernen kommt hier nicht an (vgl. HOLZKAMPF 1994, 41; 1995).
  • Eine Anordnung zu Fortbildungsmaßnahmen, etwa "aus aktuellem Anlass", erzeugt neuerlich Lernstörungen (vgl. LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005, 36; SCHÜPPEL 1996).
  • Jedes Konzept bedarf letztlich einer Zuordnung zur Politischen Bildung in Verbindung mit einer sozialwissenschaftlichen Dimension/Bildung (vgl. SCHULTE 2003, 400; LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005, 39; VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 130).
8.22.2 Qualifizierungsansätze    

Ein Vergleich mit Ländern mit langer Einwanderungsgeschichte und ihren Problembereichen erweist sich als günstig, um Aspekte zu erkennen, die bisher im deutschsprachigen Raum nicht relevant waren.

In Großbritannien zeigt sich bei den Auseinandersetzungen mit Heranwachsenden in den achtziger Jahren aus dem afrocaribischen und asiatischen Raum, dass entweder die hohe Deliquenzrate von Jugendlichen der zweiten und dritten Generation aus den sozial verarmten Stadtteilen oder das rassistisch motivierte Vorgehen der Polizei von Bedeutung waren. Der SCARMANN -REPORT 1981 rückt das Konfliktverhältnis zwischen den Parteien als Endpunkt eines Prozesses und als Ergebnis von Fehlleistungen in den Mittelpunkt, wobei Aspekte der Gesichtswahrung und Gruppenidentität für die Beteiligten so zentral werden, dass die Interaktionsdynamik ein besonderes Gewicht erhält(vgl. LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005, 41-42). Die Festnahmequote resultiert aus dieser Perspektive aus den sozialen Faktoren (Bildungstand, Arbeitslosigkeit, Wohnviertel)und kulturellen Faktoren (Nutzung des öffentlichen Raumes). Gefördert wird auch diese Dynamik durch ein bestimmtes Vorgehen der Polizei, wobei der politische Druck durchaus wachsen kann (vgl. dazu etwa die Vorgangsweise bei Marokkanern in Köln 1999 und in Innsbruck 2011/2012).

Ein bestimmtes gruppenspezifisches Verhalten von ausländischen Heranwachsenden - Vermeidung von Augenkontakt, Vermeidung von klaren Aussagen, Verteidung von Informationen über Gruppenmitglieder - kann durchaus als Unehrlichkeit und Renitenz interpretiert werden und erbringt Reaktionen bei Polizeiorganen, die beiderseits Ablehnung, negative Projektionen und rigides Verhalten als Folge haben. Dieses Konfliktverhältnis führt zu Vertrauenslücken, die auch nicht durch mehr Personal und Technologie kompensiert werden können (vgl. FLERAS 1992, 91; LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005, 43). Im deutschsprachigen Raum fehlen diese Erfahrungen mit Rassenkrawallen, vielmehr beschäftigt(e) man sich mit dem Alltagshandeln und der Alltagstauglichkeit von Polizeiorganen (vgl. FELTES 1988). Kommunikation und Kooperation sind zentrale Anliegen.

Fehlen diese und eine kulturelle Passung, kommt es zu spannungsreicheren Kontakten, beweisschwierigeren Verfahren, Ermittlungsschwierigkeiten, Problemen bei Personenidentifizierungen und Sprach- bzw. Verständigungsbarrieren (mit Zwischenschaltung von Sprachhelfern/Dolmetschern).

Die Doppelrolle der Polizei als Ordnungshüter und Vollstreckungshelfer in (aufenthalts-)rechtlichen Fragen kommt zum Tragen und erweckt Misstrauen. Das vorliegende Zahlenmaterial zeigt auch, dass der Kontakt zur Polizei vorwiegend bei Routineangelegenheiten angesiedelt ist und eine Normalität des Kontakts aufweist. Dies bedeutet, dass in Stadtvierteln mit besonderem Konfliktgehalt Polizeiorgane eingesetzt werden sollen, die auf zu erwartetenden Schwierigkeiten gezielt vorbereitet sind. Die Auswahl der Beamten sollte gezielt auf Problemkonstellationen und interkulturell sensibler polizeilicher Personalführung beruhen (vgl. LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005; 45-47).

Interkulturelle Qualifizierungsansätze nach LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005, 49

  • Antirassismus-Ansätze?: Aufdeckung rassistischer Einstellungen-Weckung? eines Bewusstseins von Diskriminierung und Vorurteilen-Strategien? zur Bekämpfung,
  • Verständigungsansätze: Abbau von Barrieren-Verständnis? und Kontakt zu Mitgliedern anderer Kulturen,
  • Interkulturelle Kompetenz-Ansätze?: Entwicklung eines Bewusstseins eigener und fremder Kultur-Wahrnehmung? kultureller Differenzen-Übung? einer Kommunikation und Kooperation unter Differenzbedingungen,
  • Diversity-Ansätze?: Entwicklung eines Bewusstseins von Differenzen in der Gesellschaft und eigenen Organisation-Berücksichtigung? von Differenzen in der Arbeitsorganisation-Einführung? einer positiven Diskriminierung,
  • Systematischer Schulungsaufbau: Kompetenzaufbau - persönliche und strukturelle Diskriminierung/positive Diskriminierung, Wahrnehmungs- und Deutungsfähigkeit, Verhaltenstraining, Einbindung von Konzepten der Personal- und Organisationsentwicklung("Interkulturelle Öffnung") (vgl. LEENEN-GROSCH-GROSS? 2005, 50-54).
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Fachliteratur/Auswahl: Interkulturelle Kompetenz/ Öffnung in der Polizeiarbeit

Feltes T. (1988): Polizeiliches Alltagshandeln, in: Kaiser G. (Hrsg.): Kriminologische Forschung in den 80er Jahren. Projektberichte aus der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg, 125-156

Fleras A. (1992): From enforcement to service: Community policy in a multicultural society, in: Cryderman B.K.-Fleras A. (Hrsg.): Policy, race and ethnicity; A guide for policy services, Ontario-Vancouver?, 69-126

Holzkamp K. (1994): Antirassistische Erziehung als Änderung rassistischer "Einstellungen"? Funktionskritik und subjektwissenschaftliche Alternative, in: Das Argument, 36, 203, 41-58

Holzkamp K. (1995): Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung, Frankfurt/M.

Leenen W.R.-Grosch H.-Groß A. (Hrsg.) (2005): Bausteine zur interkulturellen Qualifizierung der Polizei, Münster-New? York-München-Berlin?

Leenen W.R.-Groß A.-Grosch H. (2002): Interkulturelle Kompetenz in der Polizei: Qualifizierungsstrategien, in: Gruppendynamik und Organisationsberatung, 33, 1, 97-120

Ohlemacher T.(2003): Empirische Polizeiforschung. Auf dem Weg zum Pluralismus der Perspektiven, Disziplinen und Methoden, in: Lange H.-J.(Hrsg): Die Polizei in der Gesellschaft. Zur Soziologie der Inneren Sicherheit, Opladen, 377-397

Ohlemacher T.-Boscold C.-Pfeiffer Chr. (2000): Polizei im Wandel: Eine geplante empirische Analyse zur Arbeitssituation von Polizeibeamten und -beamtinnen in Niedersachsen, in: Liebel K.-Ohlemacher T. (Hrsg.): Empirische Polizeiforschung. Interdisziplinäre Perspektiven in einem sich entwickelnden Forschungsfeld, Herbolzheim, 220-235

Schulte W. (2003): Politische Bildung in der Polizei. Funktionsbestimmung von 1945 bis zum Jahr 2000, Frankfurt/M.

Schüppel J. (1996): Wissensmanagement. Organisatorisches Lernen im Spannungsfeld von Wissens- und Lernbarrieren, Wiesbaden

Vanderheiden E./Mayer C.-H. (Hrsg.) (2014): Handbuch Interkulturelle Öffnung. Grundlagen, Best Practice, Tools, Göttingen, 121-131

8.23 Interkulturelle Kompetenz - Öffnung im militärischen Bereich    

Die Öffnung für Angehörige anderer Kulturen, der demographische Wandel und die Globalisierung in Form einer Einbindung in internationale Strukturen lässt interkulturelle Kompetenz und in der Folge interkulturelle Öffnung''' als notwendig erscheinen. Es bedarf demnach eines Ansatzes von gegenwärtigem und zukünftigem Personalmanagements.

Eine Einbeziehung von Kultur in militärische Planung und Operationsführung sowie Ausbildung ist international in verschiedenen Ansätzen und Ausprägungen gängige Praxis (vgl. beispielhaft für Deutschland KNORR 2012; SEIFFERT-LANGER-PIETSCH? 2012).

Für die Begegnung von Kulturen in Form verschiedener Werte, Bedeutungen und Interpretationen gelten als Sichtweisen das Selbstbild, das Fremdbild und das vermutete Fremdbild (Wie sehen andere mich?). Damit finden sich Ansätze einer Innen-, Außen- und analytischen Sicht.

Bei internationalen Einsätzen gelten im militärischen Bereich bestimmmte Facetten interkultureller Kompetenz (vgl. VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 135-136). Zunächst geht es bei der Einzelperson um einen Stress-Faktor? (Phasenmodell der Anpassung/Sicherheit > Unsicherheit > Frustration > Integration). In der Folge bedarf es einer Führungskultur für einen Einsatzerfolg. Plädiert wird in der Militärführung der Einsatz von spezialisiertem Personal (Fachkompetenz/etwa Studium der Orientalistik, Slawistik, Geschichte, Politikwissen- und Kulturwissenschaft).

Militär als gesellschaftliche Institution ist nationaler Integrationsplanung verpflichtet. Von Interesse ist als verbindlicher Bestandteil der lebenskundliche Unterricht, aus Autorensicht einer Politischen Bildung (vgl. IT-Autorenbeiträge? http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Theorieansätze der Politischen Bildung, Lehrgang Politische Bildung in der Erwachsenenbildung).

Als inklusiver Ansatz gelten die Bemühungen um ein reibungsloses Zusammenleben, der Pflicht zur Kameradschaft und um das Recht religiöser Minderheiten (Militärseelsorge). Diversität ist ein Normalzustand beim Militär.

"Diversity Management" ist Bestandteil militärischer Führung. Eine Zusammenarbeit mit externen Organisationen bzw. Einrichtungen - Bildungsträgern und Interessensverbänden - ist anzustreben.

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Fachliteratur/Auswahl - Interkulturelle Kompetenz/ Öffnung im militärischen Bereich

Seiffert A.-Langer P.C.-Pietsch C.( Hrsg.) (2012): Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Sozial- und politikwissenschaftliche Perspektiven, Schriftenreihe des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr, Bd. 11, Wiesbaden

Vanderheiden E./Mayer C.-H. (Hrsg.) (2014): Handbuch Interkulturelle Öffnung. Grundlagen, Best Practice, Tools, Göttingen, 132-139

8.24 Interkulturelle Kompetenz - Schule    

Im Folgenden wird auf die interkulturelle Schulentwicklung als Grundlage und interkulturelle Schulpädagogik als Umsetzung im schulischen Bereich eingegangen.

Eine diversitätsreflexive Politische Bildung erscheint vermehrt notwendig zu sein. Als ein wesentliches Erziehungsziel gilt Mehrsprachigkeit.

8.24.1 Interkulturelle Schulentwicklung    

Migration und Bildung erfordern schulisch eine "interkulturelle Schulentwicklung". In Österreich ist ein ministerielles "Schulautonomie-Paket?" in Aussicht gestellt (Stand Juli 2014). 1998-1999 wurden "Schulentwicklungsberater" für den sekundären- und tertiären Bildungsbereich (Übungsschulen in der Lehrerbildung) ausgebildet (vgl. der Autor absolvierte den Lehrgang).

Derzeit besteht ein Gegensatz zwischen Erkenntnissen der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft im Kontext mit "Interkultureller Kompetenz", bildungspolitischen Vorgaben und schulischem Alltag. Im Folgenden wird auf die Begriffsbestimmung und (interkulturelle) Schulentwicklung eingegangen. Es wird davon ausgegangen, dass Schulentwicklung einen wesentlicher Bestandteil schulischer Entwicklung und damit von Schulkultur darstellt.

Als neueres Konzept der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft im In- und Ausland ermöglicht interkulturelle Schulentwicklung einen diversitätsbewussten Zugang der Institution Schule auf der Ebene der Einzelschule im Bestreben einer Vielfalt bestimmenden Schulrealität (vgl. VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 226). Dies betrifft die Organisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung. Zugangsbarrieren und Ausgrenzungsmechanismen werden abgebaut, potenzialorientierte Entwicklungsbedingungen ermöglicht. Es geht also um eine Gesamtstrategie im Sinne eines Aufbaues einer interkulturellen Kompetenz im pädagogischen Spannungsfeld zwischen (Teil-) Autonomie und notwendigen Umsetzungen.

Interkulturalität und Schulentwicklung verschmelzen sich zu einem (jungen) Konzept, das gesamtgesellschaftlicher Bedingung Rechnung trägt und einen Bildungsauftrag erfüllt (vgl. KARKASOGLU-GRUHN-WOJCIECHOWICZ? 2011, HOLZBRECHER 2011, NEUMANN-SCHNEIDER? 2011).

  • Interkulturelle Bildung entsteht unter dem Einfluss des Europarates in den siebziger Jahren in Westeuropa (vgl. ALLEMANN-GHIONDA? 2004, 799). Mit der in Folge umgesetzten "Ausländerpädagogik" wurde eine Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft angestrebt (Kompensationsprogramme - etwa Deutsch als Zweitsprache, Muttersprachenunterricht als Rückkehroption). In den achtziger Jahren kam es zur "interkulturellen Pädagogik" mit dem Anliegen, die nachwachsende Generation zu einem Umgang mit der Vielfalt der Gesellschaft zu befähigen. Nicht Assimilation, vielmehr Wertschätzung kultureller Unterschiede und Gemeinsamkeiten erbrachten die Erkenntnis, dass Diversität unsere Gesellschaft kennzeichnet. Mit den rechtsradikalen Straftaten der neunziger Jahre entwickelte sich eine "Antidiskriminierungspädagogik" im Kontext mit interkultureller Pädagogik und Politischer Bildung. Kulturelle Unterschiede werden nun als Fremdzuschreibung verstanden und bedingen den Blick auf die Schule (vgl. KARAKASOGLU-GRUHN-WOJCIECHOWICZ? 2011, 17-19). In diesem Kontext kam es zur Rezeption intersektionaler Ansätze und dem kritischen Umgang mit der Differenzlinie Kultur/Ethnizität?", also ethnischer, sozialer und geschlechtsspezifischer Zusammenhänge. Ein weiterer Wandel ist seit dem Jahr 2000 mit den neuen Strängen der Diversitäts- und Migrationspädagogik zu vermerken, wobei es zu einer "Pädagogik kollektiver Zugehörigkeit" kommt (vgl. NOHL 2010, 145; MECHERIL 2010, 56-58). Als "interkulturelle Kompetenz" versteht sich dieser Bildungsbereich im Kontext mit dem Kompetenzbegriff.
  • ROLFF (2007, 2013) verweist auf die (neue) Begrifflichkeit und Notwendigkeit von "Schulentwicklung" und deren Umsetzung von Innovationen an der Einzelschule und in Bildungsregionen (vgl. FEND 1986, 275-283). In den achtziger Jahren kam es zu einem Paradigmenwechsel mit der Umorientierung von der zentralistischen Schulsystemplanung hin zu einer Entdeckung der Einzelschule als Gestaltungseinheit von Innovationen mit den Dimensionen der Einbeziehung der schulischen Akteure, Bildung von Projektteams, Entwicklung von Lehrmaterialien vor Ort, Schulleitungen als "gate keeper" und Innovationsprozessen.
  • Interkulturelle Schulentwicklung zeigt die national-ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit mit Bildungsungleichheit und notwendiger schulischer Qualitätsentwicklung auf. Der "Normalfall Vielfalt" ist anzustreben (vgl. KARAKASOGLU-GRUHN-WOJCIECHOWICZ? 2011, 17). Nach den bildungspolitischen Reformprojekten und dem "Sputnik-Schock?" des 20. Jahrhunderts bedarf es im Kontext mit der EU-"Lissabon-Strategie? 2000" (wettbewerbsfähiges und wissensbasiertes Europa) einer Bildungsgleichheit aller Bildungsschichten, auch der "Risikogruppen". Qualifikationspotenziale haben sich angemessen zu entwickeln, weshalb Bildungspolitik im engen Zusammenhang mit Familien-, Gesundheits-, Sozial-, Arbeitsmarkt- und Migrationspolitik zu sehen ist. Handlungsebene für interkulturelle Schulentwicklung sind demnach die Anerkennung kultureller, ethnischer, religiöser und sprachlicher Vielfalt, die Passung der Institution Schule in ihren Bildungszielen, Methoden und Strukturen sowie die Passung der Organisation "Schule" und Einstellungen der Akteure.
Dazu bedarf es einer Aus- und Fortbildung der Lehrenden, einer interkulturellen Öffnung in der Familienbildung und Jugendarbeit, in der Folge der Erwachsenenbildung und Öffnung der Lehre und Forschung der Hochschulen bzw. Universitäten (vgl. VANDERHEIDEN-MAYER? 2013, 237-283; vgl. IT-Autorenbeitrag? http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Erwachsenenbildung bzw. Vorberufliche Bildung in Österreich, Pkt. 1.4).

8.24.2 Interkulturelle Schulpädagogik    

Die Welt verändert sich, damit auch die Schule und das Bildungssystem mit Aus-, Fort-und Weiterbildungsgängen. Nur zögerlich wurde in der Vergangenheit mit Veränderungen umgegangen.

Bis zu Ende der neunziger Jahre wurde eher negativ auf eine Migrationsgesellschaft eingegangen. Kennzeichnend waren Negativ-Erwartungen?, Anpassungsforderungen und einseitige Zuschreibungen. Für das Arbeitsfeld Schule gilt Migration mit seinen Folgerungen kaum als Normalfall, weil bildungspolitisch Schule in einer Migrationsgesellschaft als Sonderproblem gesehen wird (vgl. LEIPRECHT-STEINBACH? 2015, 7).

Interkulturelle Pädagogik/Bildung als Teilbereich der Erziehungswissenschaft mit Migrationspädagogik ist eine junge Disziplin mit langer Vorgeschichte. Gerade in Österreich gibt es eine Tradition im ehemaligen Vielvölkerstaat der k. und k. Monarchie im Umgang mit sozialer, kultureller und sprachlicher Vielfalt. Allerdings gab es Prozesse der Ausgrenzung und Sonderbehandlung, im Nationalsozialismus sogar einer Verfolgungs- und Vernichtungspolitik mit politischen Belastungen über Jahrzehnte.

Eine positive Tradition mit Heterogenität fehlt, innerhalb der Erziehungswissenschaft baut sich erst langsam über die Politische Bildung mit ihren Teilbereichen - auch der Interkulturellen Kompetenz - eine kritische Reflexion auf. Dem Bindestrichfach "Geschichte-Sozialkunde-Politische? Bildung" kommt damit eine vermehrte Bedeutung zu.

Kennzeichnend für die heutige Schule ist

  • die räumliche Mobilität bzw. Durchlässigkeit innerhalb der Europäischen Union (EU), schulisch also die Erweiterung über einen Kultur- bzw. Sprachraum.
  • Mit dem Jahr 2015 der Fluchtwellen in die EU ergab sich darüber hinaus die Notwendigkeit integrativer Aktivitäten, bei denen Schule ihre zu vermittelnden Kompetenzen einzubringen hat.
  • Unabhängig davon gibt es mit der Binnenmigration innerhalb der EU so gut wie Normalität bei Wanderungsbewegungen. Dass dies nicht unbedingt als grundsätzliches Recht angesehen wird, erweist sich am Beispiel der Schweiz 2014 mit der Begrenzung von Zuwanderung, also einem politischen Willensakt vor der Flüchtlingswelle 2015.
  • Transnationale Mobilitäten erfolgen häufiger. Multilingualität nimmt zu, nicht nur im Tourismusland Österreich, vielmehr auch in Ökonomie, Kultur und Bildung (vgl. ERASMUS-Bildungsprogramm?). Die Schule in der Migrationsgesellschaft hat darauf vorzubereiten.
  • Zudem ist das Phänomen der Globalisierung zunehmend zu beachten, weil damit für Lernende auch eine eigene Migration in ein anderes Land nicht unwahrscheinlich sein kann. Man denke nur an die vielen Auswanderungswellen des 19. und 20. Jahrhunderts in Europa (und Österreich)und künftige normale berufliche, familiäre oder touristische Mobilitäten.
Der Begriff "Kultur" in der Bezeichnung Interkulturelle Pädagogik unterstellt ein Unterscheidungsmerkmal, das es in der Schule zu beachten gilt.

  • Zu klären gilt es, welches Verständnis von Kultu hilfreich bzw. angemessen oder als problematisch anzusehen ist.
  • Zu bedenken ist, dass der Begriff oftmals mit "Kulturalisierung" verbunden wird, der auf eine nationalstaatliche Kultur reduziert wird (vgl. nationalstaatliche als Geschlossenheit, Widerspruchsfreiheit, Verallgemeinerung).
  • Problematisch wird der Begriff, wenn er statisch (Herkunftskultur) gesehen wird (vgl. die Legitimation von Exklusion).
  • Angemessen wird der Begriff, wenn Gemeinsamkeiten, ein System von Symbolen und Bedeutungen und flexible Identitäten/Mehrfachzugehörigkeiten anerkannt werden.
Inter-kulturell bezieht sich keinesfalls (nur) auf migrationsgeschichtliche Phänomene Lernender. Vielmehr geht es um reflexives Professionalitätsverständnis Lehrender im Umgang mit allen Spielarten der Diversität als Unterrichtsprinzip für alle pädagogischen Wissens- und Praxisbereiche in der Migrationsgesellschaft.

Arbeitsmigration, Flucht, Umsiedelungen und Asyl haben die Zusammensetzung der Schülerschaft und der gesellschaftlichen Entwicklung verändert. Lernende haben in ihrem Umfeld biographische Migrationserfahrungen, Mehrfachidentitäten, Mehrsprachigkeit, Multiperspektivität und grenzüberschreitende Phänomene wie etwa den Tourismus, Handel, Kulturveranstaltungen, Sportereignisse und Verwandtschaften erlebt bzw. sind mit diesen Phänomenen konfrontiert. Nicht ohne Grund spricht man bei Bildungssystemen und damit bei der Schule von "Schieflagen" (vgl. LEIPRECHT-STEINBACH? 2015, 14-17).

Folgen solcher Bildungsbenachteiligungen zeigen sich nicht nur bei Lernenden mit migrationsgeschichtlichem Hintergrund, auch bei Lehrenden in der Ausbildung.

  • Es zeigt sich, dass die Zusammensetzung von Lehrerkollegien eher der Problembewältigung mit Migrantenkinder dienen soll.
  • Grundlegende Veränderungen bedürfen erheblicher Anstrengungen auf struktureller und institutioneller Ebene (vgl. für Lernende Bildungsberatung/"Bildung für alle", Nostrifikation vorhandener Bildungsabschlüsse, Produktivität der Heterogenität der Schülerschaft; für Lehrende und Schulaufsicht vermehrte Fort- und Weiterbildung).
8.24.3 Diversität und Politische Bildung    

Eine Didaktik der Politischen Bildung verfügt neben einer fachlichen Struktur des Gegenstandes auch über eine Klientel einer Politischen Bildung als politische Subjekte und künftige Bürger/innen in einem demokratischen Gemeinwesen. Für die Schul- und Unterrichtspraxis benötigt die Fachdidaktik Themen und Problemzusammenhänge, um elementare Einsichten über das Politische zu ermöglichen (vgl. EIS-RÖSSLER? 2015, 421).

Politische Bildung ist Fach und Unterrichtsprinzip (vgl. die in Österreich immer noch vorhandene Debatte dazu).

Skizziert werden politische Aspekte der Migrationsgesellschaft. Fragen wie etwa das Subjekt bzw. Individuum, die politische Zugehörigkeit, Partizipation, Arbeitsmarkt, Integration und Diversität gehören zum Ansatz eines Multikulturalismus als diversitätsreflexiver Politischer Bildung.

  • Entgegengesetzt wird kollektiven Einheitsvorstellungen kultureller und politsicher Zugehörigkeit.
  • Gefordert wird eine dynamische Bürgerschaftspraxis (vgl. die Bemühungen um Partizipation als Mitbestimmung und Mitverantwortung).
  • Identitäten werden in verschiedenen Handlungskontexten mit unterschiedlichen Chancen, Rechten und Verantwortlichkeiten gelebt.
  • Gegenwärtig bedarf es in der Politischen Bildung in Österreich politisch-historischer Bildungsinhalte, um die zeitgeschichtlichen Folgen des 20. Jahrhunderts des Genozids aufzuarbeiten (vgl. das Bindestrichfach "Geschichte-Sozialkunde-Politische? Bildung" mit seiner Positionierung im Fächerkanon; IT-Autorenbeitrag? http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Politische Bildung).
  • Die derzeitige Migrationsgesellschaft hat "Fluchtmigration" zu thematisieren. Ein Problembewusstsein ist die unterrichtliche Thematisierung des europäischen Grenzsicherungsmanagements. Die humanitäre Krise an den EU-Außengrenzen? ist im Kontext sicherheitspolitischer Überlegungen zu analysieren und meinungsbildend zu bearbeiten.
  • Es geht hier und im allgemeinen um Patchwork-Identitäten? in der Spätmoderne (vgl. die für eine Migrationsgesellschaft wesentlichen interkulturellen Bildungsinhalte wie einer Entgrenzung individueller und kollektiver Lebensmuster, Brüchigkeit von Erwerbsarbeit, Änderungen von Zeitgefühl, pluralistischer Lebensformen, Veränderungen der Geschlechterrollen, Individualisierung und weltanschaulich-religiöser Offenheit in der Sinnsuche).
  • Letztlich erscheint es sinnvoll, im Disput/Dialog Antworten mit migrationsgeschichtlich erfahrenen Personen/Gruppierungen - möglichweise unter Heranziehung von Experten/Expertisen - politische Definitionen zu erarbeiten, die kritisch unter biographischer Eigendeutung der Lernenden reflektiert werden.
8.24.4 Mehrsprachigkeit    

Interkulturalität zeichnet sich durch eine Erziehung zur Mehrsprachigkeit aus (vgl. STÖLTING 2015, 49-63).

  • Mehrsprachigkeit wird zum Problem, wenn eine einsprachige Umgebung nur auf das Fixieren einer Sprache ausgerichtet ist.
  • Dies bedeutet etwa in der Politischen Bildung, wenn eine öffentliche Meinung durch Sichtweisen von einsprachigen Personen geprägt wird (vgl. STÖLTING 2015, 49).
  • Demgegenüber ist jede Sprache (auch die deutsche Sprache)geprägt von keinem einheitlichen Regelmechanismus, also komplex und flexibel von Ausdrucksformen (vgl. die Einteilung nach Dialekt-Umgangssprache-Standardsprache-Hochsprache? oder Schulnorm-Umgangssprache-Regiolekt-Dialekt? sowie Soziolekten-Fachsprachen-Jugendsprache?).
  • Eine Sprache hat mehrere Sprachen (vgl. in Österreich die Sprachgrenze zwischen West und Ost mit verschiedenen Ausdrucksweisen[etwa Tomate-Paradeiser?, Sellerie-Zeller?, Kartoffel-Erdäpfel?]).
  • Zu verschiedenen Kommunikationsanlässen gibt es verschiedene Varietäten (vgl. Funktion des Selbstausdrucks/Persönlichkeit, Funktion des Appells/Steuerung der Zuhörer).
Zur Bilingualität gehört eine Kategorisierung in einen

  • politischen Status als Einteilung in zwei Sprachen, etwa Deutsch und Luxemburgisch,
  • strukturellen Abstand voneinander, etwa Deutsch und Englisch.
Als weiteres Kriterium gilt

  • der Abstand zwischen den Kulturwelten (allochthon-autochthon),
  • die Vielzahl der Typen des Bilingualismus, etwa nach Beherrschungsgrad, Erwerbsumständen, Erwerbsreihenfolge und funktional,
  • die Einengung von Bilingualismus auf ein gleich gute Beherrschung zweier Sprachen (Bi-Monolingualismus?) (vgl. dazu im Unterschied Switching und Entlehnung).
  • Zu bedenken ist die Schulzweisprachigkeit als andere Sprachlichkeitsform als jemand, der Deutsch als Zweitsprache in Form einer weiteren Umgebungssprache im Kontext einer Sozialisation erwirbt, unabhängig von einer eigenen Entscheidung, der Sprachbegabung oder einer vollständigen Beherrschung (lebensweltliche Zweisprachigkeit).
    • Lebensweltliche Zweisprachigkeit kennzeichnet sich in mehreren Varietäten, daher wird von Mehrsprachigkeit gesprochen/"Plurilinguismus" (vgl. Muttersprache-Deutsch? als gehobene Standardsprache-Deutsch? als Regiolekt/Dialektformen).
    • Eine solche Sprachpraxis ist flexibel, personenabhängig, situationsanhängig und wird insbesondere von Heranwachsenden angenommen.
Eine Erziehung zur Mehrsprachigkeit hat ihre Bedeutung seit Beginn der Arbeitsmigration und des Familienzuzugs seit den sechziger Jahren, der EU-Binnenmigration? und der Flüchtlingswellen erhalten. Für schulpflichtige Kinder und Heranwachsende gilt neben der Sprache des Herkunftslandes (Familiensprache) Deutsch als Sprache des Gastlandes hinzuzulernen. Kinder aus ansässigen Familien lernen vorschulisch unterschiedlich Deutsch als primäre Sozialisationssprache (und Umgebungssprache). Erstsprachiger Bilingualismus nimmt zu, man orientiert sich vermehrt am Erziehungsziel Zweisprachigkeit.

Unterschiedlich ist das Ansehen''' von Sprachen (vgl. die gängigen Verkehrssprachen vs. Sprachen der Arbeitsmigranten und Flüchtlinge).

  • Unabhängig von den Reaktionen der institutionellen Bildungsinstitutionen gilt verfassungsrechtlich das Prinzip der Sprachenfreiheit in der Privatsphäre, damit auch der Kindererziehung. Widersprüchlich ist dieses Prinzip und die verfassungsgesetzliche Verpflichtung zur Wahrung der staatlichen Spracheinheit in Form der Amtssprachen (damit auch der Schulsprachen).
  • Im interkulturellen Kontext bedarf es einer Abstimmung zwischen beiden Prinzipien, damit einer Erweiterung der Spracherziehung.
  • Derzeit gilt, dass für einen großen Teil der Lernenden mit migrationsgeschichtlichem Hintergrund der Eintritt in Kindertagesstätten, Grundschulen bzw. altersgerechte Schulstufen eine Phase der kommunikativen Reduktion beginnt (vgl. STÖLTING 2015, 54).
    • Problematisch sind die Widersprüche in der schulischen Zielsetzung, etwa in Qualifizierung und Bildungsselektion sowie organisatorischen Zwängen.
  • Das Grundproblem ist daher, dass lebensweltliche Mehrsprachigkeit nicht in die normierte schulische Sprachenordnung passt.
    • Lernende und die Schule erleben lebensweltliche Mehrsprachigkeit als problembehaftete Deutschbeherrschung.
    • Behindert und entwertet wird so eine zweisprachige Erziehung als Erziehung in zwei Standardsprachen und Erziehung zur Mehrsprachigkeit als Bildungswert in einer pluralen Gesellschaft (vgl. die Notwendigkeit einer Bildungsreform).
    • Bildungspolitisch stößt eine bilinguale Erziehung auf den Widerstand von assimilationsorientierten Bildungskonzepten, auf monolinguale Praxis und erhebliche organisatorische und finanzielle Widerstände (vgl. STÖLTING 2015, 55).
    • Damit wird der Wert des Bilingualismus aus Familien ausländischer Herkunft im Bildungssystem nicht erkannt und gefördert.
8.24.5 Rassismus in Schule und Unterricht    

Ausgehend von den Ereignissen im Nationalsozialismus mit Rassengesetzen bzw. Rassenverfolgung, Holocaust und Eroberungskriegen sowie dem Aufflammen eines Rassismus in den neunziger Jahren in Deutschland - als Sinnbild eines gewalttätigen Rassismus gelten die Ereignisse in Hoyerswerda 1991 - entstand eine Auseinandersetzung um das Phänomen Rassismus in einer kritischen Perspektive (vgl. LEIPRECHT 2015, 115-149). Zudem geht es auch um Phänomene um "racism", die auf EU-Ebene? zunehmende Bedeutung erhalten.

  • In der Entwicklung der Phänomene gab es zunächst die Verwendung des deutschsprachigen Sonderbegriffs Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenfeindlichkeit. Hier geht man davon aus, dass nach der NS-Zeit? mit einem Neubeginn der Demokratie der Begriff Rassismus unpassend sei(vgl. die Bedeutung von Erinnerungskultur bzw. Erinnerungspädagogik im Geschichtsunterricht).
  • Über Vorurteile, Stereotype, Hassgefühle und Fremdenfeindlichkeit hinaus geht es auch um soziale Konstruktionen über "anderer Gruppen", die oftmals wiederholt und damit glaubwürdig werden können. Zu beobachten sind in der Folge Diskriminierungen, Barrieren und Feindlichkeiten, die gegenüber allen Ausländern ("Fremden") geäußert werden. Es geht also vorrangig um gesellschaftliche Reproduktion gegen "Fremde" (vgl. die Entwicklung von "Wir" zum "Anderen", "Ausländer" und "Fremden").
  • Mit dem Begriff Xenophobie kommt "Angst" als Phänomen dazu. Diese wird (oftmals) als Rechtfertigung für ablehnende Haltungen, Ausgrenzungsmechanismen, Diffamierungen und Diskriminierungen verwendet.
Der Begriff Rassismus wird zunehmend mit Gewalttätigkeit verbunden (vgl. LEIPRECHT 2015, 119).

  • Für den Unterricht in Politscher Bildung und interkultureller Bildung gilt didaktisch als Vorgangsweise eine Analyse, Auseinandersetzung mit politischen Quellen und Dokumentationen, biographischen Berichten, Diskurse zur Weltanschauung/Ethik und eine (persönliche) (Selbst-) Reflexion.
  • Rassismen werden unterschiedlich hergestellt und reproduziert, etwa durch individuelle Einstellungen, Bilder, Denkweisen und Erzählungen (mit inhaltlichen Qualifizierungen), Vererbungstheorien, soziales Erbe ("Kultur"; vgl. Konstruktionen von Volk, Ethnie und Nation), Merkmalen bzw. äußere Erscheinung, Zuschreibungen von Eigenschaften und Fähigkeiten.
  • Rassismen unterstützen soziale Ungleichheiten und stehen im Kontext mit gesellschaftlicher Macht (Dominanz einer sozialen Konstruktion mit sozialer Positionierung/Privilegierung).
  • Rassismen bieten in subtiler Form rassistischen Gruppierungen eine Grundlage (vgl. die Bestätigung eigener Sichtweisen, Abwertungen über Eingewanderte - Flüchtlinge - Nicht-Weiße?).
Die Wirkung von Rassismen auf verschiedenen Ebenen zeigt sich

  • in strukturellen und institutionellen Bedingungen,
  • in der Ebene der Diskursfelder,
  • der Interaktionen und Subjekten.
Schulisch erweist sich das auf den Ebenen

  • persönlicher Entwicklungen - personelle Ebene,
  • der Personalentwicklung - unterrichtliche Ebene,
  • Curriculum-Entwicklung? - curriculare Ebene und
  • Organisationsentwicklung - schulorganisatorische Ebene.
  • Ergänzen sollte man eine bildungspolitische Ebene im Kontext mit Interkulturalität/Antirassismus (vgl. Vorgaben auf europäischer und internationaler Ebene/EU-Europarat-UNO).
    • Projektorientierte Programme können Lern- und Erfahrungsformen im Kontext mit Selbsttätigkeit, Erkundungen, Konfrontationen und Expertengesprächen fördern.
    • Einmalige Projekte lassen keine nachhaltige Wirkung erwarten (vgl. "Dekade zur Verhinderung von Gewalt/2000-2010"/Weltrat der Kirchen/WCC Genf).
    • Rassismuskritik in Projekten mit Inhalten schulischer Lernziele müssen in den Schulalltag und die Schulorganisation eingebunden sein, d.h. in die Normalität der Schule als nicht-rassistisch.
    • Als grundlegende Didaktik ergibt sich eine ständige Selbstreflexion, pädagogisches Handeln im interkulturellen Rahmen gestalten (konsequente Haltungen/Gebote-Verbote, Regelungen für ein Zusammenleben, Regelungen des Umgangs).
    • Es darf zu keinen widersprüchlichen Rahmenbedingungen kommen (etwa multilinguale Schülerschaft - Reinigungskräfte mit migrationsgeschichtlichem Hintergrund, unausgewogenes Geschlechterverhältnis).
8.24.6 Anti-Bias-Ansatz?    

Auf Grund der mangelhaften Übersetzungsmöglichkeit von "bias" wird der Begriff "Anti-Bias?" übernommen(vgl. "bias" übersetzt als Voreingenommenheit bzw. Schieflage; vgl. SCHMIDT 2015, 207-247).

Im Hinblick auf den interkulturellen Bildungsansatz ist die Anti-Bias-Arbeit? der neunziger Jahre in Südafrika von Interesse. Mit der Abschaffung der Apartheidsgesetze in Südafrika wurde der Anti-Bias-Ansatz? in die Weiterbildung Lehrender übernommen, um eigene Handlungsspielräume zu erkennen und bei gesellschaftlichen Veränderungsprozessen mitzuwirken.

8.24.6.1 Bildungsziel    

Ziel ist

  • eine Sensibilisierung von Macht und Diskriminierungen
  • im Kontext gesellschaftlicher Zustände bzw. Notwendigkeiten einer Veränderung, um diese zu erreichen (vgl. SCHMIDT 2015, 211).
Im deutschen Sprachraum''' wurde der Ansatz Ende der neunziger Jahre bekannt.

  • Grund war die Kritik an interkulturellen Ansätzen, in der Defizitorientierung, der Differenzausblendung bzw. Differenzfestschreibung.
  • Übernommen wurde der Ansatz als Möglichkeit vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung.
  • In der Folge haben Schule, Erwachsenen- und Hochschulbildung Interesse gezeigt und Möglichkeiten in unterschiedlichen Arbeitsbereichen angepasst (vgl. für die Schule etwa http://www.anti-bias-netz.org, Erwachsenen- und Hochschulbildung http://www.anti-bias-werkstatt.de [12.8.16]).
  • Die Ausweitung des Ansatzes beruht auf der Konzeption, dass es für alle zugänglich sein soll und keiner Voraussetzungen bedarf.
  • Unterschiedlich wird je nach der geübten Praxis von vorurteilsbewusster Bildung/Erziehung, diversitätsbewusster, intersektionaler und machtkritischer Bildungsarbeit oder auch von interkulturellem Lernen gesprochen und daher mit unterschiedlichen Begriffen aus den Arbeitsfeldern Heterogenität, Diversität, Intersektionalität, Identität, Vielfalt, Kultur, Subjekt, Macht, Herrschaft Bezug genommen.
8.24.6.2 Bildungsarbeit - Umsetzung    

Aus der Sicht des Autors im Kontext einer Politischer Bildung bzw. Didaktik der Politischer Bildung wird der Anti-Bias-Ansatz? als lebensbegleitender, individueller und gemeinsamer Lern- und Reflexionsprozess gesehen (vgl. SCHMIDT 2015, 213). Dieses Selbstverständnis ist als Angebot im interkulturellen Lernen in Verbindung mit Politischer Bildung zu verstehen, wobei es keine fixe Methodensammlung gibt (vgl. SCHMIDT 2015, 214).

Perspektiven einer Veränderung sind eine diskriminierungsfreie Gesellschaft und vermehrte soziale Gerechtigkeit.

  • Umgesetzt wird dies in Workshops und Seminaren in Kursen bzw. mehrtägigen Fort- bzw. Weiterbildungsveranstaltungen.
  • Keinesfalls fordert der Ansatz politische Veränderungsprozesse auf pädagogisch zu lösende Probleme zu verkürzen (vgl. SCHMIDT 2015, 214).
Im Folgenden wird exemplarisch eine Übung aus dem kommunikativen Bereich vorgestellt. Eine generalisierende Aussage zur Konzeption und Einordnung in "interkulturell, antirassistisch, Diversity" ist aus Gründen der Vielzahl der Ansätze in der Fachliteratur nicht möglich (vgl. zur Vielzahl der Trainingsprogramme ANG-STEIN? 2015). Interkulturelle Trainings beziehen sich auf interkulturelle Situationen, üblicherweise auf Kriterien der Staatsbürgerschaft, einer Migrationsgeschichte, Sprache, Kulturzugehörigkeit, Religion und Alltagsnormalität bzw. Abweichung.

Im schulpädagogischen Bereich (ebenso in der Erwachsenenpädagogik als Weiterbildungsmaßnahme)) werden interkulturelle Trainings in Teamkonstellationen, im Verhältnis Lehrender-Lernender? und in internationalen Begegnungen sowie als Vorbereitung für Auslandsaufenthalte festgemacht.

Interkulturelles Lernen - Vier Ohren (vgl. THIAGARAJAN-v.d.BERGH 2014, 178-181)

Die folgende Übung beruht auf Friedemann SCHULTZ VON THUNs Kommunikationsquadrat-Modell? (vgl. Vier-Ohren? oder vier Seiten-Modell?).

Eine Person macht gegenüber einem Teilnehmenden eine bestimmte Botschaft und analysiert deren vier Kommunikationsebenen unter Mithilfe der Teilnehmenden. Danach analysieren die Teilnehmenden andere Botschaften.

Es geht um eine Differenzierung der vier Kommunikationsebenen: Sachebene-Selbstaussage-Beziehungsebene-Appellebene?.

Als Themen bieten sich die Kommunikation, Vielfalt und Zuhörtechniken an.

Ideal ist eine Teilnehmerzahl von 12-30 anzunehmen.

10-15 Minuten sollen für die Aktivität, 5 Minuten für die Nachbesprechung angenommen werden.

Eine Übung im Analysieren verschiedener Botschaften in Hören und Durchführung erleichtert die Handhabung des Modells.

Günstig ist das Erklären an Hand einer interaktiven Vorübung, dass wir jede Äußerung mit vier Ohren hören, wobei jedes Ohr auf eine andere Ebene spezialisiert ist(vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Vier-Seiten-Modell [13.8.16]) :

  • Selbstaussage - was sagt er/sie über sich?
  • Sachaspekt - worüber spricht er/sie?
  • Beziehungsaspekt - wie steht er/sie zu mir?
  • Appell - was will er/sie von mir?
Man rufe einen Teilnehmenden mit Namen auf und mache in informellem Ton eine Äußerung, etwa "(Vorname), kannst Du mir in der nächsten Pause mit dem PC helfen?"

In der Analyse ergeben sich dann

  • im Sachaspekt, der sich auf den Sachinhalt der Äußerung bezieht (etwa Erwähnung des PC, Pausenzeit),
  • im Selbstaussageaspekt, der sich auf den Sprecher der Botschaft- beabsichtigt oder unbeabsichtigt - bezieht (Deutung der persönlichen Äußerung/Kompetenz, Bitte),
  • im Beziehungsaspekt, der die Beziehung zwischen Sender und Empfänger der Botschaft darstellt (etwa Wortwahl, Gesichtsausdruck, Körpersprache, Tonfall - Respekt, Freundlichkeit),
  • im Appell, der der Versuch einer Beeinflussung des Empfängers darstellt(etwa Hilfestellung, jedenfalls eine Begründung der Äußerung erhofft).
In der Nachbesprechung wird zunächst den Teilnehmenden gedankt. Analysiert werden die Äußerungen aus der Sicht des Senders und Empfängers in den vier Ebenen. Jedenfalls sollte als Folgerung der Botschaft des Gegenüber sich ergeben, dass man einfühlsamer, akzeptierender und integrativer verhält.

Lernziel sind das Sagen und Hören auf vier Ebenen, Aussagen über sich und die Beziehung zum Gegenüber, die Unterschiede in den beabsichtigten Aussagen, verschiedene Folgerungen zum Selbstbild des Sprechers und zu dessen Wahrnehmungen sowie das vermehrte Hören in den Äußerungen anderer als den reinen Sachinhalten.

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Fachliteratur/Auswahl - Interkulturelle Schule

Allemann-Ghionda? C. (2004): Interkulturalität und Internationalität im Curriculum-vom theoretischen Postulat zur Institutionalisierung?, in: Zeitschrift für Pädagogik 6, 798-802

Ang-Stein? Cl. (2015): Interkulturelles Training. Systematisierung, Analyse und Konzeption einer Weiterbildung, Wiesbaden

Bühl A.(2016): Rassismus. Anatomie eines Machtverhältnisses, Wiesbaden

Eis A.-Rößler S.(2015): Diversitätsreflexive Politische Bildung in der Migrationsgesellschaft - postnationale Praktiken politischer Subjektivierung in der Spätmoderne, in: Leiprecht R.-Steinbach A. (Hrsg.): Schule in der Migrationsgesellschaft. Ein Handbuch, Bd. 1, Schwalbach/Ts., 421-440

Fend H. (1986): "Gute Schulen-Schlechte? Schulen". Die Einzelschule als pädagogische Handlungseinheit, in: Deutsche Schule 78(2), 275-283

Fischer V. (2012): Eltern- und Familienbildung in der Migrationsgesellschaft, in: Matzner M.(Hrsg.): Handbuch Migration und Bildung, Weinheim-Basel?, 353-364

Franz J. (2010): Intergenerationelles Lernen ermöglichen. Orientierung zum Lernen der Generationen in der Erwachsenenbildung, Bielefeld

Holzbrecher A. (Hrsg.) (2011): Interkulturelle Schule. Eine Entwicklungsaufgabe, Schwalbach/Ts.

Karakasoglu Y.-Gruhn M.-Wojciechowicz A. (2011): Interkulturelle Schulentwicklung unter der Lupe. (Inter)Nationale Impulse und Herausforderungen für Steuerungsstrategien am Beispiel Bremen, Münster

Klein U.-Heitzmann D. (Hrsg.) (2012): Hochschule und Diversity. Theoretische Zugänge und empirische Bestandsaufnahme, Weinheim-Basel?

Leiprecht R. (2015): Zum Umgang mit Rassismen in Schule und Unterricht: Begriffe und Ansatzpunkte, in: Leiprecht R.-Steinbach A.(Hrsg.): Schule in der Migrationsgesellschaft. Ein Handbuch, Bd. 2, Schwalbach/Ts., 115-149

Leiprecht R.-Steinbach A. (2015): Einleitung - Schule in der Migrationsgesellschaft, in: Leiprecht R.-Steinbach A. (Hrsg.): Schule in der Migrationsgesellschaft. Ein Handbuch, Bd. 1, Schwalbach/Ts., 7-22

Mecheril R. (2010): Migrationspädagogik, Weinheim

Neumann U.-Schneider J. (Hrsg.) (2011): Schule mit Migrationshintergrund, Münster

Nick P. (2005): Kinder und Jugendliche mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit und/oder familiärem Migrationshintergrund in der Jugendverbandsarbeit in Deutschland-Überblick? über den Forschungs- und Diskussionsstand-Expertise? für das Deutsche Jugendinstitut, München

Nohl A.-M. (2010): Konzepte interkultureller Pädagogik. Eine systematische Einführung, Bad Heilbrunn

Rolff H.-G. (2007): Studien zu einer Theorie der Schulentwicklung, Weinheim

Rolff H.-G. (2013): Schulentwicklung kompakt. Modelle, Instrumente, Perspektiven, Weinheim-Basel?

Schmidt B. (2015): Der Anti-Bias-Ansatz? - Bildungsarbeit zwischen Rassismuskritik und Diversity, in: Leiprecht R.-Steinbach A. (Hrsg.): Schule in der Migrationsgesellschaft. Ein Handbuch, Bd. 2, Schwalbach/Ts., 207-247

Stölting W. (2015): Erziehung zur Mehrsprachigkeit, in: Leiprecht R.-Steinbach A.(Hrsg.): Schule in der Migrationsgesellschaft. Ein Handbuch, Bd. 2, Schwalbach/Ts., 49-63

Thiagarajan S.-v.d. Bergh S. (2014): Interaktive Trainingsmethoden. Thiagis Aktivitäten für berufliches, interkulturelles und politisches Lernen in Gruppen, Schwalbach/Ts.

Weigl A. (2009): Migration und Integration. Eine widersprüchliche Geschichte, Innsbruck-Wien-Bozen?

8.25 Interkulturelle Kompetenz/Öffnung in der Evangelischen Kirche    

In einer globalisierten Welt ist es Aufgabe von Kirche und Diakonie, Vielfalt zu leben und sie gerecht zu gestalten (vgl. VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 173-182).

8.25.1 Kirchenentwicklung    

Interkulturelle Orientierung im Kontext mit Interkultureller Kompetenz und Öffnung gehören zu einer Professionalität. Einzufordern ist im Rahmen von Kirchenentwicklung die Herausforderung, Initiativen und Projekte zu strukturieren, evaluieren und ein Gesamtkonzept umzusetzen.

Von Interesse ist neben kirchlichem Change-Management? eine diakonische Kultur bzw. ein evangelisches Profil. Hierfür steht theologisch-normativ die Begrifflichkeit "Dienstgemeinschaft".

Kirchliche Dienste und diakonische Einrichtungen stehen vor denselben Herausforderungen wie Verbände, Bildungsinstitutionen, Religionsgemeinschaften und gesellschaftliche Institutionen der Politik, Wirtschaft und Kultur.

8.25.2 Interkulturelle Öffnung - Vielfalt    

Vielfalt("Diversity") ergibt sich aus den Herkunftsländern, Kulturen, Lebensformen, Lebensentwürfen, sozialen Milieus und Subkulturen. Daneben ist zu eine Vielfalt in religiösen Praxen in ihren Diensten und Einrichtungen als Organisationskultur zu vermerken (interkulturelle Öffnung).

Kirchlich-interkulturelle Öffnungsprozesse bedürfen einer evangelischen Orientierung der jeweiligen Einrichtung. Eine interkulturelle Öffnung bedarf einer theologischen Bearbeitung im Kontext mit "Interkultureller Kompetenz" und "Interkultureller Öffnung".

Interkulturelle Öffnungsprozesse finden sich bereits im Kanon biblischer Schriften als Produkt interkultureller und interreligiöser Öffnungs- und Austauschprozesse wie interreligiöser Interferenzen, Bekenntnisse und Frömmigkeitskulturen. Evangelische Identität sind hybride Mischformen (vgl. VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 174).

Kirche/Diakonie gehen von einer gottgewollten Vielfalt und Schöpfung auf Vielfalt aus. Der Mensch ist ein Geschöpf, das nur in der Vielfalt der Lebensbezüge, in Gemeinschaft aus Verschiedenen und in der Beziehung zu anderen zum Bilde Gottes sich entwickeln kann.

Vielfalt wird nicht unterbunden, vielmehr wird Einsprachigkeit, Uniformität und Eindeutigkeit als Gefahr gesehen. Sprache, Kommunikation und Verständigung sind wesentlich(vgl. Turmbau zu Babel; 1. Buch Mose 11, 1-9).

  • Dies zeigt sich in Pfarrgemeinden mit unterschiedlicher evangelischer Glaubensbasis, etwa Gemeinden mit Traditionen aus Siebenbürgen, dem Banat und internationalen Gemeinden. Eine interkulturelle Pfarrerschaft kennzeichnet diese Pluralität (vgl. dazu den IT-Autorenbeitrag? http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Migration in Österreich 1, Pkt. 3.4).
  • Diakonische Einrichtungen werden einer Vielfalt von Aufgaben und Menschen in ihren Einrichtungen gerecht, etwa Krankenhäusern, Flüchtlingsdiensten, Sozialen Diensten mit ihren Einrichtungen und Bildungsinstitutionen. Von Interesse ist der Blick auf das Personalmanagement und arbeitsrechtliche Anforderungen an die Mitarbeitenden.
  • Kirchenentwicklung kann hier ansetzen, in dem Change-Prozesse? in Verbindung mit interkultureller Kompetenz/Öffnung in der Organisation "Kirche" vermittelt werden.
Nicht nur durch Migrationshintergründe, hier insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg mit Flucht- und Auswanderungsbewegungen, auch in einer religionspluralen Gesellschaft verändert sich Kirche. Es bedarf vermehrter ökumenischer Bestrebungen, interreligiöser Dialoge, einem Abbau von Vorurteilen und der Entwicklung selbstreflexiver Haltungen.

Zu bedenken sind bikulturelle und bireligiöse Beziehungen. Die "Mischehe" von einst ist heute abgelöst durch Mehrfachidentitäten in Familien, im Freundeskreisen und bei Bekannten.

Damit ist eine Migrationsgesellschaft neu zu bestimmen. Dies bedeutet mit einer interkulturellen Öffnung vermehrte Partizipationsmöglichkeiten der Kirchenmitglieder und verstärkte Ansätze interkultureller Kompetenz.

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Fachliteratur/Auswahl - Interkulturelle Kompetenz/Öffnung in der Evangelischen Kirche

Battke A.-Fitzner Th.-Isak R.-Lochmann U. (Hrsg.) (2002): Schulentwicklung-Religion-Religionsunterricht?. Profil und Chance von Religion in der Schule der Zukunft, Freiburg-Basel-Wien?

Eschenbach R.-Horak Chr.-Weger A. (Hrsg.) (1993): Die Zukunft der Evangelischen Kirche in Wien, Wien

Evangelische Akademie Wien (Hrsg.) (2012): Evangelische Identitäten nach 1945 - Tagungsband, Wien

Graf Fr.W. (2007): Der Protestantismus. Geschichte und Gegenwart, Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung Bonn, Schriftenreihe Bd. 623, Bonn

Rieske U. (Hrsg.) (2010): Migration und Konfession. Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945, Gütersloh

Vocelka K. (2013): Multikonfessionelles Österreich. Religionen in Geschichte und Gegenwart, Wien-Graz-Klagenfurt?

8.26 Interkulturelle Kompetenz/Öffnung in der Wirtschaft    

Globalisierung erfordert erfolgreiches Handeln von Unternehmungen/Organisationen, wobei internationale Ökonomie interkulturelle Konstellationen ergibt.

Ziel dieses ökonomischen Handelns ist die Wahrnehmung kultureller Unterschiede und Gemeinsamkeiten als Voraussetzung eines erfolgreichen Interagierens in interkulturellen Situationen. In der Folge ergibt interkulturelle Kompetenz den Aufbau von geeigneten Kommunikationsformen, entsprechender Strukturen, einer Sensibilität und soziokultureller Rahmenbedingungen.

8.26.1 Typologie grenzübergreifender Unternehmen    

BARTLETT-GHOSHAL? (2002) unterscheiden vier Modelle internationaler Unternehmen nach Organisationseinheit, Ressourcen, Verwaltung und wirtschaftlichen Prozessen (Entscheidungen, Kosten und Synergieeffekten).

  • Multinationale Organisationen mit Standorten in mehreren Ländern besitzen schwachen Verbindungen zwischen Zentrale und Organisationseinheiten (mit weitreichenden Befugnissen).
  • Internationale Organisationen konzentrieren sich auf den Heimatmarkt mit Exportmöglichkeiten, die Preisunterschiede zwischen den Märkten werden ausgenützt.
  • Globale Organisationen gehen von einer zentrale Strategie und Kontrolle aus, die Märkte sind weltweit (global) verbreitet. Ziel ist eine Standardisierung und Effektsteigerung der Wertschöpfung.
  • Transnationale Organisationen haben in ihren Organisationseinheiten weitreichende Ressourcen für nationale ökonomische Möglichkeiten mit weitreichenden Funktionen.
Von Interesse sind die unterschiedlichen Organisationseinheiten mit Steuerung und Management mit zunehmender Internationalität. Für Mitarbeitende und Führungskräfte bedeutet dies die Notwendigkeit, nach anderen kulturellen Gegebenheiten zu handeln (vgl. CLEMENT 2011; VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 300-301).

8.26.2 Interkulturelle Sensibilität    

Interkulturelle Sensibilität vollzieht sich in einem Kontinuum von sechs Stufen, ausgehend vom Erlebnis der eigenen Kultur als zentrale Realität bis zur Verbindung mit anderen Kulturen (vgl. VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 302).

Stufe 1 Verleugnung > Stufe 2 Abwehr > Stufe 3 Minimalisierung > Stufe 4 Akzeptanz > Stufe 5 Anpassung > Stufe 6 Integration

Unterschiedliche Quellen kultureller Prägung ergeben sich nicht immer nur aus nationalen bzw. ethnischen Unterschieden, zu beachten sind sehr wohl auch die Familienkultur, regionale Kultureinflüsse, der eigene Stil, die Professionskultur und eine Sparten- und Funktionskultur. Differenzen können nur bearbeitet werden, wenn die relevanten Unterschiede identifiziert werden. Solche Dimensionen können nützlich sein, dürfen aber nicht zu Stereotypen führen (vgl. die Kontroverse um die Validität von HOFSTEDEs Dimensionen[2011]).

8.26.3 Interkulturelle Lernprozesse    

Lernprozesse in interkulturellen Begegnungen entwickeln sich in verschiedenen Facetten, in

  • offener Haltung,
  • kultureller Selbstaufmerksamkeit,
  • Aufmerksamkeit gegenüber Anderen,
  • interkulturellem Wissen und
  • interkultureller Handlungskompetenz("Style-Switching?").
Als Schlüsselkompetenz gilt Style-Switching? - die Fähigkeit das eigene Verhalten flexibel an die Erwartungen und Fremdwahrnehmungen anzupassen. Wichtig ist dies bei Interaktionen mit verschiedenen kulturellen Prägungen (etwa indirekter bzw. direkter Kommunikation). Gezielte Übungen helfen Verhaltensstrategien zu entwickeln, kulturelle Unterschiede zu überbrücken.

8.26.4 Standardisierung der Kommunikation    

Hilfreich ist eine Standardisierung der Kommunikation. Sprachlich findet dies mit der heutigen lingua franca zumeist in Englisch statt. Verkehrssprachen in der Europäischen Union sind auch die französische, spanische und deutsche Sprache. Übersetzt werden die Texte in alle Sprachen der EU.

Dies findet in kommunikativen Routinen wie Telefonkonferenzen und strukturierten Face-to-face-Meetings? statt.

8.26.5 Islamic Banking    

Von zunehmender Bedeutung in der praktischen Umsetzung von ökonomisch-interkultureller Kompetenz ist weltweit "Islamic Banking".

Schariakonforme Finanzprodukte werden weltweit immer beliebter. Österreichs Banken bieten keine Produkte nach islamischen Recht an.

Nach der zitierten Meldung des ORF waren rund 38 Millionen Menschen weltweit Kunden einer Bank, die ganz oder teilweise Islamic Banking anbietet. Eine Norm für schariakonforme Finanzprodukte wurden von dem Islamischen Informations- und Dokumentationszentrum Österreich erarbeitet, aber bisher nicht begutachtet.

Islamisches Recht ("Scharia") verbietet Zinsen, umgangen wird dies mit sogenannten "Sachmittelkrediten". Ein Käufer , der normalerweise für den Erwerb einen Kredit aufnimmt und diesen mit Zinsen begleicht, nimmt einen Umweg. Nicht er, vielmehr die Bank erwirbt das Gut und verkauft es ihm mit Aufschlag. Die Bezahlung erfolgt in Raten, damit wird das Zinsverbot umgangen.

Ebenso gilt ein Wett- und Glücksspielverbot. Tabu sind grundsätzlich alle Finanzprodukte mit Risiko, ebenso Finanzprodukte aus dem Handel bzw. der Produktion von Schweinefleisch und Alkohol.

Der kumulierte Gewinn in den sechs Märkten Katar, Indonesien, Saudi Arabien, Malaysia, Vereinigte Arabische Emirate und Türkei wird auf 10 Milliarden Dollar (7,35 Mrd. Euro) geschätzt. Nicht nur die steigende Nachfrage, auch die Regierungen und Finanzmarktaufsichtsbehörden fördern vermehrt religionskonforme Finanzprodukte.

Großbritannien hat seit 2004 die "Islamic Bank of Britain". Die französische "BNP Paribas" bewirbt gläubige Muslime als Kunden. Über Muslime hinaus gilt das Angebot für alle Menschen, die an ethik-, sozial- und umweltorientierten Anlageoptionen Interesse haben.

IT-Hinweise?

Islamic Banking boomt weltweit - Österreich hinkt nach > http://religion.orf.at/stories/2658091/ (16.7.2014)

Erste islamische Bank in Deutschland gestartet > http://news.orf.at/stories/2271208/ (31.3.2015)

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Fachliteratur/Auswahl - Interkulturelle Kompetenz/Öffnung in der Wirtschaft

Bartlett C.A.-Ghoshal S. (2002): Managing Across Borders: The Transnational Solution, Boston/Harvard

Clement U. (2011): Kon-Fusionen?: Über den Umgang mit interkulturellen Business-Situationen?, Heidelberg

Hofstede G.-Hofstede G.J. (2011): Lokales denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management, München

Schröer H. (2007): Interkulturelle Öffnung und Diversity Management. Konzepte und Handlungsstrategien zur Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten, Schriftenreihe IQ Bd. 1, Düsseldorf

8.27 Vielfalt in der Stadtgesellschaft    

49 Prozent der Bevölkerung von Toronto sind im Ausland geboren, ebenso 13 Prozent der Berliner Bevölkerung. 27 Prozent der Bevölkerung von Singapur und mehr als ein Drittel der Bevölkerung von Los Angeles, New York, Amsterdam und Sydney haben ihren Geburtsort im Ausland (vgl. MAYOR OF LONDON 2013, 209-211).

Großstädte und Metropolen sind beispielhafte Orte der Vielfalt mit höherem Anteil ausländischer Bevölkerung als im nationalen Durchschnitt (vgl. Kanada 21, Deutschland 8,26 und die USA 12,7 Prozent[ebda., 209-211]). Der Bericht des Londoner Bürgermeisters sieht Vielfalt als Chance für den Kulturbereich und den Tourismus. Nicht zu vergessen sind die ökonomischen Aspekte einer Urbanität mit der Konzentration von Institutionen, Unternehmen und Betrieben von Industrie, Finanzwirtschaft und Management und Entwicklungen in politischen Machtzentren sowie Forschungs- und Bildungseinrichtungen und einer Inszenierung von lokaler Identität (vgl. BUKOW-HECK-SCHULZE-YILDIZ? 2011, 7-18).

Ein schneller Wandel der Stadtgesellschaft sei zu beobachten, der durch die "Super-Diversity?" verstärkt werde (vgl. VERTOVEC 2010, 675-96). Neue hybride Wirklichkeiten werden geschaffen, die neue Vielfalt werde auch als Bedrohung angesehen. Insbesondere sehen dies die Anhänger eines "Containerdenkens" (ein Staat-eine Gesellschaft-eine Sprache-eine Kultur-eine Religion-eine Identität-eine Staatsangehörigkeit).

Festzuhalten ist, dass der Umgang und die Realität der längst außerhalb von Mitteleuropa verinnerlichten Vielfalt höchst unterschiedlich sich darstellt. Wenn bei uns noch gefragt wird, ob Vielfalt wünschenswert sei, im Unterton könnte sie aufgehalten werden bzw. rückgängig gemacht werden, zeigt sich in der Fachliteratur Vielfalt als konstituierende Tatsache (vgl. DETTLING-GEROMETTA? 2007; SALZBRUNN 2014, 74; man beachte in diesem Zusammenhang die "unsichtbare Integration" von Muslimen in Europa, vgl. DAKHLIA-VINCENT? 2011).

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Fachliteratur/Auswahl - Vielfalt in der Stadtgesellschaft/Urbanität

Bukow W.-D.-/Heck G./Schulze E./Yildiz E. (Hrsg.) (2011): Neue Vielfalt in der urbanen Stadtgesellschaft, Wiesbaden

Dakhlia J.-Vincent B. (Hrsg.) (2011): Les musulmans dans l'histoire de l'Europe, Bd. 1, Paris

Dettling D.-Gerometta J. (Hrsg.) (2007): Vorteil Vielfalt. Herausforderungen und Perspektiven einer offenen Gesellschaft, Wiesbaden

Mayor of London (2013): World Cities Culture Report, London > http://www.london.gov.uk/sites/default/files/WCCR2013.pdf (2.3.2015)

Salzbrunn M. (2014): Vielfalt/Diversität, Bielefeld

Stratmann E. (2010): Diversity Management in Städten, in: Jent N.-Vedder G.-Krause Fl. (Hrsg.): Zur Verbreitung von Diversity Management, München, 37-80

Vertovec St. (2010): Super-diversity and its implications, in: Vertovec St. (Hrsg.): Anthropology of Migration and Multiculturalismn, New Direction, London, 65-96

8.28 Vielfalt an der Universität/Hochschulen    

Weil sich Universitäten/Hochschulen verstärkt mit Diversity und Managementmodellen von Wirtschaftsunternehmen orientieren, ist der Eingang von "Diversity" in diese Bildungsorganisationen von Interesse.

Der Begriff Diversität umfasst dabei Kernbegriffe wie Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung, Ethnizität, Kultur und Religion/ Weltanschauung. Wesentlich ist der Ausgangspunkt von der Intersektionalitätsforschung (vgl. dazu mit anwendungsorientierten Überlegungen, auch für Österreich, von BENDL/HANAPPI-EGGER?/HOFMANN 2012,11).

Universitäts- bzw. Hochschulleitungen haben mit einer Vielfalt von Studierenden und Lehrenden zu tun, wobei diese erreicht und gefördert wird.

  • Internationale Studien- und Forschungsprogramme sind Ausdruck einer Vielfalt von Lehrinhalten, Austauschprogrammen und Forschungsprojekten ("Internationalisierungsstrategien") (vgl. entsprechende beispielhafte Bemühungen im deutschsprachigen Raum an der Ruhr-Universität? Bochum, Universität Duisburg-Essen? und ETH Zürich; vgl. als Zugang zum Studium der Ethnologie BOSSE 2007, 275-283).
  • Zu beobachten ist eine teilweise Verschiebung der Gleichstellungspolitik von Mann und Frau hin zu Diversity Management.
Dies geschieht

  • auf der pädagogischen Ebene in Form der Vielfalt an Lehr- und Lernformen,
  • in Berufungsverfahren von Bewerbungen aus dem Ausland,
  • mit Welcome-Centern? und/oder International Loungers (etwa an den Universitäten Konstanz und Ruhr-Universität? Bochum),
  • dem Angebot von Sprachkursen,
  • dem Einbeziehen von Bedürfnissen bei Berufungen der Partner und Kinder (etwa Stellenangebote, Jobsuche, Krippenplätze, Schule; "Dual-Career-Couples-Programme?") und
  • der Imagepflege, dass Vielfalt Reichtum und bessere Gesamtleistungen sowie optimale Nutzung ergibt ("Social Justice").
Es geht also um eine

  • innere (Alter, Geschlecht, geistige und körperliche Fähigkeiten, Ethnie, soziale Herkunft),
  • äußere (Wohnort, Einkommen, Gewohnheiten, Freizeitverhalten, Religion/Weltanschauung?, Ausbildung, Berufserfahrung, Auftreten, Familienstand) und
  • organisatorische Dimension (Funktion, Arbeitsfeld, Fakultät/Studienrichtung, Beschäftigungsdauer, Arbeitsort, Forschungsinhalt, Arbeitsverhältnis) von Vielfalt.
Es besteht die Gefahr, dass das Personal unter einen gewissen Assimilationsdruck gesetzt wird, der Vielfaltsaspekt in der Unternehmenspolitik verloren geht. In diesem Zusammenhang ist auf die Inklusionsphase zu verweisen.

Inklusionsvisionen dürfen nicht mit Perspektiven verwechselt werden. Melinda DOOLY (2009) hat auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht. Dies bedarf einer kritischen Reflexion historischer und soziokultureller Hintergründe (etwa Formen des Lehre und des Lernens, Sprachenvielfalt/Mehrsprachigkeit; beispielhaft bei REICH 2014).

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Fachliteratur/Auswahl - Vielfalt an Universitäten/Hochschulen

Berndl R./Hanappi-Egger E./Hofmann E. (2012): Diversität und Diversitätsmanagement, Wien

Dooly M. (2009): Doing diversity. Teachers' construction of classroom reality, Bern

Fine E.-Handelsmann J. (2010): Benefits and Challengs of Diversity in Academic Settings, University of Wisconsin-Madison? > http://wiseli.engr.wisc.edu/docs/Benefits_Challenges.pdf (8.3.2015)

Gardenswartz L.-Rowe A. (2003): Diverse Teams at Work. Capitalizing on the Power of Diversity, Alexandria/Virginia

Köllen Th. (2010): Bemerkenswerte Vielfalt. Homosexualität und Diversity Management. Betriebswirtschaftliche und sozialpsychologische Aspekte der Diversity-Dimension? "sexuelle Orientierung", München

Munsch Ch. (2010): Engagement und Diversity. Der Kontext von Dominanz und sozialer Ungleichheit am Beispiel Migration, Weinheim

Reich K. (2014): Inklusive Didaktik, Weinheim-Basel?

Salzbrunn M. (2014): Vielfalt/Diversität, Bielefeld, 121-125

Shore L. (2013): Diversity and Inclusion in Organization. The Challenge and Oppurtunity for Higher Education. Presentation at the University of Lausanne, Diversity conference, May 28

Stratmann E. (2010): Diversity Management in Städten, in: Jent N.-Vedder G.-Krause Fl. (Hrsg.): Zur Verbreitung von Diversity Management, München, 37-80

8.29 Interkulturelle Beratung    

Ausgehend von den bisher angesprochenen Möglichkeiten einer Unterrichtung und von Realbegegnungen (Erkundungen, Praktika, Austauschprogrammen)bedarf es bei der zunehmenden Differenzierung der Zielgruppen nach Herkunft, sozialen Zusammenhängen, Alter, Geschlecht, kulturellen Identifikationen, Integrationszustand und Zukunftsperspektiven einer besonderen Beratung mit Begleitung.

Bereiche sind in der Regel die sozioökonomische und rechtliche Stellung der Klientel, etwa die Schul- und Berufsbildung, der Arbeitsmarkt, Einkommensfragen, Wohnen, Gesundheit und Integration.

Die kulturelle Vielfalt verlangt professionelles Handeln im Kontext mit interkultureller Öffnung unter Überprüfung der bisherigen Arbeitskonzepte, Handlungsansätze, Angebote und Rahmenbedingungen der sozialen Dienste.

Ergänzt werden muss dieses Handeln durch

  • den Erwerb interkultureller Kompetenz,
  • eines Handlungswissens,
  • die Fähigkeit, mit Angehörigen verschiedener Gruppen zu kommunizieren,
  • Einfühlungsvermögen für kulturelle Prägungen und
  • Ertragen von Widersprüchlichkeiten.
Die Reflexion eigener kulturellen Sozialisation und der Respekt - nicht die Bewertung der Klientel - sind Voraussetzung für interkulturelle Arbeit (vgl. Salzburger Nachrichten 20.11.21, 1 - Den Riss heilen - Günther Dichatschek " Respekt vor dem Anderen").

Professionelle Handelnde benötigen Informationen über den Migrationshintergrund, die Kultur, Lebensweisen, soziale Situation, Infrastruktur und Kommunikationsmöglichkeiten (vgl. ZACHARAKI 2013, 174-175).

Sozialpädagogische Beratung zielt auf Unterstützung bei Bewältigungsproblemen und Reaktivierung von Selbsthilfepotenzialen. Störungen und Konflikte werden mit dem sozialen und kulturellen Kontext vernetzt (vgl. den Ansatz der Systemtheorie bei SCHLIPPE und SCHWEITZER 2000, 104-108). Neue Prozesse, eine andere Bewertung des Problems, eine positive Umdeutung oder die Akzeptanz einer Unveränderbarkeit führen zu einem "Nicht-Problem-Zustand?". In jedem Fall bedarf es einer effektiven Kommunikation (vgl. WELTER-ENDERLIN?/HILDENBRAND 2004, 221; beeindruckend für den Autor die "Migrantenberatung Wien" mit ihrer Vielfalt der Sprachenkenntnis).

Systemtheorie und Interkulturelle Kompetenz benötigen die Synthese beider Ansätze (vgl. WOGAU 2004, 46).

Im Folgenden wird auf die Phasen der Beratung und Intervention stichwortartig hingewiesen (vgl. PHILIPPI 2001; ZACHARAKI 2013, 181-189, 194).

  • Anmeldeverfahren - Räumlichkeit, Rahmen, beteiligte, Sitzordnung, Länge der Beratung; Ziele, Probleme, Ursachen, Lösungen, Strategie,
  • Beratungsphasen - Aufwärmphase, Interviewphase/Fragetechnik, Kontakt- und Erkenntnisphase, Abschlussphase und
  • Auswertung.
In der Beratung und Begleitung von sozialen Einrichtungen und Schulen muss die Notwendigkeit der interkulturellen Orientierung und Anwendung interkultureller Arbeitsweisen im jeweiligen Bereich erkannt und entsprechend vorgegangen werden (können).

8.30 Interkulturelle Öffnung von Organisationen bzw. Systemen - Fazit    

Organisationen bzw. Systeme wie Sozial- und Gesundheitseinrichtungen sowie die öffentliche Verwaltung mit den Bildungsinstitutionen und Teile der Privatwirtschaft neigen trotz jahrzehntelanger Anwesenheit von Migrantinnen und Migranten zu einer geringen interkulturellen Öffnung.

Zumeist wird eine Störung des Betriebsablaufes beklagt. Leitbilder und Konzepte werden halbherzig umgesetzt, "Interkulturelle Öffnung" kommt wenig bis gar nicht an.

Im Folgenden geht es um die Logik von Organisationen(Systemen) und deren Selbststeuerungsmechanimus, nicht um eine demokratische Entwicklung und Verankerung von Chancen und sozialer Gerechtigkeit von kulturellen Gruppen (vgl. HANDSCHUCK-KLAWE? 2004, 367; JAKUBEIT 2013, 237-240).

Interkulturelle Öffnung bzw. Orientierung/Kompetenz zeigt sich im Umgang mit Unterschieden und Widersprüchen sowie in der Fähigkeit, Uneinheitliches und Brüche als Herausforderung und Chancen zu sehen (vgl. VANDERHEIDEN-MAYER? 2014).

Eine interkulturelle Öffnung erkennt man

  • am Leitbild und seiner Umsetzung,
  • an innerorganisatorischen Strukturen und Prozessen,
  • an Angeboten der Organisation/des Systems,
  • am Umgang mit den Kunden bzw. Klienten,
  • an der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie
  • der Wahrnehmung der Kundenwünsche und Angebote auf diese (vgl. JAKUBEIT 2013, 238).
Interkulturelle Öffnung erkennt man an den Handlungen und dem Verhalten der Organisation (des Systems). Eine Nichtbeachtung oder Unterschätzung kostet Zeit, Geld und Energie. Als wesentliche Ansätze für eine Veränderung gelten die Kommunikation und die daraus entstehenden Entscheidungen.

Die Aktualität des Systems/der Organisation ist Bestandteil von Veränderungen bzw. Innovationen und Stabilität.

Zweifelsohne besteht aktuell in den angesprochenen Organisationen/Systemen ein hoher Veränderungsdruck, etwa in Einsparungen, Aufgabenzunahme oder Effizienzüberprüfung, Qualitätsentwicklung, mehr Dienstleistungen, neuen Bildungsmöglichkeiten (Fort- und Weiterbildung)und Sozialmaßnahmen. Interkulturelle Öffnung ist damit eines von vielen Themen. Allerdings bedarf es im Rahmen dieser Veränderungen keiner besonderen Maßnahmen, wenn man Interkulturelle Kompetenz/Öffnung als Querschnittsaufgabe/ Prinzip ansieht. "Starke Unternehmen reagieren auf Turbulenzen und Veränderungen in der Umwelt mit der Erhöhung von Varietät, lassen also mehr verschiedenartige Entscheidungen zu" (BECKER 2004, 9).

Man denke in diesem Zusammenhang an die Umsetzung von "Diversity Management", wobei die Größe der Organisation durchaus keine Rolle spielen muss.

Diversity

Im Kontext der Interkulturalität gewinnt der Vielfaltsgedanke, bezeichnet als Diversity, als Begrifflichkeit in der fachlichen und politischen Debatte. In den klassischen Unterschiedlichkeiten erweisen sich die einzelnen Kategorien in ihrer Vielfalt und Ungleichheiten.

Die Konzepte von Diversity reichen von der Verschiedenheit, die jegliche Unterschiede registriert, etwa in den EU-Vorgaben? als eng gefasste Benachteiligungskategorien einer Gleichstellung wie etwa Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion bzw. Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Orientierung. Ausgeweitet werden diese Kategorien mit den Begriffen Bildungsstand und kulturelle Werthaltungen (vgl. WAGNER-SEPEHRI? 1999, 18-21). .

Diversity begründet in der gesellschaftlichen Realität die Vielfalt von Unterschieden und damit die Wirklichkeit des organisatorischen Zusammenhangs. Die Differenzlinien ergeben veränderbare Unterscheidungsformen, situativ und kontextspezifisch. Dies ergibt das Grundanliegen von Diversity, das darauf zielt, normativ als wertvoll (vgl. VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 40-41).

Diversity-Management?/DM

Ursprünglich aus der US-Bürgerrechtsbewegung? entstanden, entwickelte sich Diversity Management mit der Zielsetzung von mehr Chancengleichheit und Gleichberechtigung aller Menschen zu einer Vorstellung der Wertschätzung einer gesellschaftlichen Vielfalt. In der Folge kommt es zu Entwicklungen im Personalmanagement, das Diskriminierungen verbietet und Chancengleichheit im Erwerbsleben gewährleistet. Besondere Berücksichtigung findet sich in den Differenzen von Gender, Bildung, sozio-kulturelle Zugehörigkeit und Ethnizität. DM anerkennt Differenzen im Organisationskontext an und nutzt sie als bereichernde Ressourcen.

Innerbetrieblich beinhaltet DM den chancengleichen Zugang zu allen Positionen, nach außen ergibt sich eine transkulturelle Öffnung.

Kritisch gilt es zu vermerken, dass DM auch eine zur Zementierung bestehender Herrschaftsverhältnisse genutzt werden kann. Nutzbarkeitskriterien werden an den Umgang mit Differenz gekoppelt. Im Klartext bedeutet dies eine bessere Abschöpfung der Leistungspotenziale, also wer nicht diskriminiert wird, arbeitet besser bzw. Migrantinnen und Migranten sprechen ihre Gruppe besser an ("difference sells"; vgl. VANDERHEIDEN-MAYER? 2014, 49-50).

JAKUBEIT(2013, 241) zitiert als Diagnoseinstrument aus dem "Change Management" die Energieformel, womit festgestellt werden kann, wie in Organisationen/ Systemen ausreichend "Energie" erzeugt werden kann (Energie definiert als Umschreibung für Bereitschaft und Fähigkeit zu Veränderungen):

C = ( a x b x d) > X

C = Veränderungsdruck

a = Grad der Unzufriedenheit mit dem Status quo

b = erwünschter Zustand

d = erste praktische Schritte zum gewünschten Zustand

X = Kosten/Gewinn der Veränderung

Elemente einer Überprüfung interkulturellen Gestaltung von Organisationen/Systemen sollen im Folgenden aus der Sicht einer Organisationsberatung dargestellt werden (vgl. WIMMER 1992). Sie dienen als Diagnose- und Fragenkatalog für eine Entwicklung einer Interkulturellen Kompetenz.

  • Identität - Leitbild, Selbstverständnis, Ziele und Organisationskultur
  • Strategie - Konzeption, Zielvorgaben/Zielvereinbarungen, Arbeitsplanung, Definitionen, Öffentlichkeitsarbeit
  • Entscheidungskriterien - Beobachtungselemente-Reflexion?, Information-Kommunikation?, Entscheidungsprozesse, Homogenität-Heterogenität? der Mitarbeiterschaft, Zulassen von Unterschieden
  • Menschen in Systemen - Beziehungsgestaltung, Inklusion- Exklusion, Konfliktkultur
  • Funktion - Kompetenzen, Verantwortung, Vielfalt bei Ethnien, Hierarchieebenen
  • Abläufe - Planungsprozesse, Beobachtung-Reflexion-Überprüfung-Zielentwicklung?, Gestaltung/Optimierung der Angebote, Kunden-/Klientenbedürfnisse, Personalentwicklung/Fort-? und Weiterbildung, Teamentwicklung/Kooperationen
  • Ausstattung - Erscheinungsbild("Corporate Identity"), Bedürfnisse der Kunden/Klienten und Mitarbeiter, Einrichtungen für die Öffentlichkeitsarbeit
Veränderungsprozess - Übersicht

1 Orientierung

2 Ist-Analyse/Diagnose?

3 Soll-Zustand/Zielfindung?

4 Planung

5 Umsetzung/Aktion

6 Reflexion/Absicherung

8.31 Interdisziplinärer Ansatz - Interkulturelle Vergleichsverfahren in der Ethnologie    

Von Interesse ist der wissenschaftliche Beitrag eines "Interkulturellen Vergleichsverfahrens" im Fachbereich Ethnologie (vgl. BOLLING 2012, 445-466).

Als interdisziplinärerer Ansatz' wird davon ausgegangen,

  • dass Kulturen einem historischen Wandel unterliegen,
  • meist unscharfe Grenzen haben,
  • keine integrierten Ganzheiten darstellen,
  • die maßgeblichen Akteure über Handlungen, Normen, Werte, Realitäten und Identität sich in ähnlichen Gruppen über Grenzen hinweg darstellen und vergleichbar sind (vgl. BOLLIG 2012, 445).
Ethnologie interessiert sich an interkulturellen Vergleichen auf die Innensicht von Kulturen. Ethnologen erhoffen sich durch interkulturelle und historische Vergleiche Einsichten über Strukturprinzipien und Entwicklungslinien einer menschlichen Kultur (vgl. SCHWEIZER 1999, 91).

Eine zunehmende Bedeutung wird interkulturellen Vergleichen im disziplinären und interdisziplinären Diskurs beigemessen. Regionalvergleiche und Kulturvergleiche stehen im Mittelpunkt vergleichender Ethnologie. Sowohl Einzelfälle als auch ökonomisch-politische Zusammenhänge sind im Kontext zu sehen. Die globale, nationale und lokale Ebene wird berücksichtigt.

Ethnologische Vergleichsverfahren ergeben kausale Zusammenhänge vor allem in Feldforschungen, historischen Analysen, Regional- und Kulturvergleichen. Damit dienen sie einem interkulturellen Vergleich. Es ist davon zukünftig auszugehen, dass eine engere Verbindung zwischen Ethnographie, historischer Rekonstruktion und interkulturellen Vergleichen anzustreben wäre. Bedeutung kommt der Interdisziplinarität von Kulturökologie, Wirtschafts- und Sozialethnologie im Kontext mit Interkulturalität vermehrt zu. Damit profitieren Umweltbedingungen, Handeln, Institutionen und interkulturelle Vorstellungen (vgl. SCHWEIZER 1999, 118; BOLLIG 2012, 461-462).

8.32 Interkultureller Journalismus    

2016 ergab sich im Kontext mit Politischer Bildung für den Autor eine Mitarbeit an der türkischen Monatszeitung "Hakikat" (vgl. http://www.hakikat.at). Beginnend mit dem deutschsprachigen Teil ab der Nr. 7/2016 bis 10/2016 konnte der Autor eine Kolumne zu Themenbereichen der Politischen Bildung verfassen.

Es zeigte sich, dass der deutschsprachige Teil der Zeitschrift von der türkischen Sprachgruppe so gut wie nicht gelesen wurde.

9 Interkulturelle Didaktik    

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sind die Erfahrungen und Umsetzungen interkultureller Didaktik aus dem Bereich der Politischen Bildung in Lehrveranstaltungen zu Themen des interkulturellen und globalen Lebens in schulischer und außerschulischer Bildung (d.h. Schule, Jugendbildung, Universität bzw. Fachhochschule, Erwachsenen- bzw. Weiterbildung; vgl. BERTELS-BUSSMANN? 2013). Gerade ethnologischen Feldforschungserfahrungen in der eigene und fremden Gesellschaft helfen der Politischen Bildung zu wertvollen Sach-und Regionalerkenntnissen, die Interkulturelle Kompetenz verlangen und (daher) didaktisch umgesetzt werden sollen.

Unter Didaktik wird die theoretische Grundlage des Lehrens und Lernens verstanden (vgl. SCHAUB-ZENKE? 2007, 171). Methodik ist die Lehre oder Theorie von bestimmten Vorgangsweisen, die zur Erreichung bestimmter unterrichtlicher bzw. organisatorischer Ziele eingesetzt werden bzw. zur Verfügung stehen (vgl. LÜDECKE 2004, 103-115; SCHAUB-ZENKE? 2007, 431).

Eine Schlüsselrolle kommt der Schule zu, die in ihrem pädagogisch-soziokulturellem Bildungsauftrag gesamtgesellschaftlichen Phänomenen verpflichtet ist (vgl. die geltenden Unterrichtsprinzipien für alle Schulstufen; den Fachbereich Politische Bildung; die Fächer Geschichte-Sozialkunde-Politische? Bildung, Geographie-Wirtschaftskunde?, Kunsterziehung, Ethik/ Religion).

Grundlage einer Auseinandersetzung mit fremden Kulturen ist neben der direkten Begegnung mit fremden Kulturen die Auseinandersetzung mit Kulturen, die keinen direkten Bezug zum Alltag der Lernenden haben. Ethnologen und Pädagogen arbeiten gerne mit der "Dritt-Kultur-Perspektive?" (vgl. HEIDEMANN 2011, 13). Exemplarisch beschäftigt man sich mit Kulturen ohne persönlichen Bezug zu ihnen zu haben. In der Folge beschäftigt man sich mit Handlungsstrategien, d.h. den Umgang im eigenen Umfeld zu erlernen.

Sinnvoll ist es, die Auseinandersetzung mit Kulturen anzustreben, die im Alltag keine Rolle spielen, also sich unvoreingenommen auf eine andere Sichtweise (Perspektive) einzulassen. Zuletzt kommt es zur Übertragung (Transfer) auf den Lebensalltag bzw. Berufsalltag. Lernende mit Migrationsvorgeschichte können freiwillig ihre kulturellen Aspekte einbringen.

9.1 Kultur    

Stichwortartig soll für eine didaktische Auseinandersetzung die Begrifflichkeit "Kultur" angesprochen werden.

  • Kultur ist mit realen Folgen vom Menschen geschaffen (vgl. HEIDEMANN 2011, 23), etwa Wertvorstellungen, Wissen, Gefühle, Kommunikation, Verhalten, Strukturen, Sprache und Gestaltung der Lebensumwelt (Familie, Ernährung, Mode/Schönheitsideale, Kleidung - Erzählungen, Sprichwörter, Witze; vgl. die Verschiedenartigkeit von Sozialisation, interkulturell bezeichnet als "Enkulturation").
  • Kultur verändert sich (vgl. die Veränderungen europäischer Sichtweisen durch die Entdeckungen, Perspektiven der "Neuen Welt" wie heute Einflüsse etwa der USA) und von Migrationsströme.
  • Menschen benötigen kulturelle Regeln und erzeugen kulturelle Konflikte.
9.2 Paradigmen einer Interkulturellen Didaktik    

Theorien Interkultureller Didaktik beziehen sich bis heute auf die Diskussion im deutschen Sprachraum, sollten jedoch auch die Entwicklungen in anderen Ländern wie der USA, Großbritannien, Kanada, Australien, der Niederlande, Belgien und Frankreich berücksichtigen (vgl. LÜDDECKE 2004, 108-109).

  • Das empirisch-analytische Paradigma bezieht sich auf die Wahrnehmung des "Anderen" bzw. "Fremden" (vgl. HOLZBRECHER 1997). Lehr-und Lernprozesse lassen sich nur unter Berücksichtigung der Selbst-und Fremdwahrnehmung der Lehrenden und Lernenden untersuchen (vgl. DIEHM-RADTKE? 1999).
  • Das geisteswissenschaftlich-hermeneutische Paradigma sucht die Begründung einer multi-perspektivischen Bildung aus dem kulturellen Wandel. Wesentlich ist hier die Sprachbildung (vgl. REICH-HOLZBRECHER-ROTH? 2000, REICH-ROTH? 2002).
  • Das gesellschaftstheoretische/sozialwissenschaftliche Paradigma hat als Ziel eine Förderung der individuellen Handlungsfähigkeit im Umgang mit kultureller Hegemonie, etwa die Ursachen, Formen, Funktionen und Wirkungsweisen von Rassismus und anti-rassistischer Praxen (vgl. LEIPRECHT 2001).
9.3 Interkulturelle Kompetenz/IK    

Für die interkulturelle Didaktik kann eine einfache Definition gelten: IK ist die durch Lernen erreichte Fähigkeit, mittelbar und unmittelbar im Umgang mit Menschen anderer Kulturen einen hohen Grad an Verständigung und Verständnis zu erreichen (vgl. BERTELS-BUSSMANN? 2013, 33).

Schlüsselbegriffe sind demnach Lernen bzw. Lernprozesse, Umgang, Verständigung und Verstehen/Verständnis.

Daraus ergeben sich Lernziele/LZ, die teilweise inhaltlich aufeinander aufbauen.

- - -

LZ 1 - Aneignung und Beschaffung von Informationen - Entwickeln von Interessen

Beispiele von Begegnungssituationen

persönliche Erfahrungen

Vorstellung einer Identifikationsfigur

Bildmaterial- Texte - Gegenstände/Museumsbesuch

eigene Recherche

Arbeiten der Lernenden

LZ 2 - Perspektivenwechsel

Erzählungen von Situationsbeispielen

Comics - Bearbeitung verschiedener Sichtweisen

Rollenspiele -Pro-Contra-Diskussion

Internet-Kontakt? zu Personen anderer Kulturen

Diskussion über das Leben bei uns/Sichtweise von Personen anderer Kulturen

Tragen eines Kopftuches

Vorurteile - Stereotypen ("typisch österreichisch"-Japaner fotografieren-Engländer beim Pferderennen-Deutsche/Bayern? trinken Bier)

LZ 3 - Ethnozentrismus

Wir-Gruppen-Bildung? - ethnozentristisches Denken

Auseinandersetzung mit Vorurteilen und Wertungen - Cartoons-Texte-Zitate? (Reiseführer, Presse, Literatur)

Analyse von Konfliktsituationen

Aspekte persönlicher Grenzen

Menschenrechtsfragen - Anerkennung individueller und kollektiver Rechte bzw. deren Grenzen

LZ 4 - Reflexion von Situationen eines interkulturellen Umgangs

Reflexion von Konfliktsituationen

Analyse und Reflexion eigener Erfahrungen - Sprache, Wertvorstellungen, Geschlecht, Religion, Familie, sozialer Status

Verhaltensstrategien - "Wie würdest Du Dich verhalten?" - persönliche Schwierigkeiten (Toleranz, Flexibilität, Ethnozentrismus, Überheblichkeit, Kommunikationsfähigkeit, Widersprüche ertragen

Rollenspiel-Pro-Contra-Diskussion?

Streitschlichtung (Einordnung-Einschätzung?, individuelle Standpunkte, Ansatzpunkte für Lösungen bzw. Diskussion, Vermittlertätigkeit, Folgen für Konfliktpartner)

LZ 5 - Fördern von Einstellungen und Werten

"Für mich bedeutet....":

Offenheit (Wunsch nach Kontakt, Förderung von Interessen, Vorurteile bewusst machen bzw. revidieren)

Toleranz

Akzeptanz

Respekt

9.4 Didaktisches Design - Beispiel "Die Darstellung Afrikas"    

Am folgenden Beispiel soll das Afrika-Bild? analysiert und reflektiert werden.

Es wird davon ausgegangen, dass diese Thematik im Kontext von Politischer Bildung und Globalem Lernen geeignet ist, einen Beitrag zur interkulturellen Kompetenz zu leisten (vgl. BUTTERWEGGE-HENTGES? 2001; vgl. den IT-Autorenbeitrag? http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Globales Lernen; zur Verbindung von interkultureller Erziehung und Politischer Bildung in der Schule KARASOGLU-LÜDDECKE? 2004, 95-98).

Das Bild Afrikas

  • Einblick in die Geschichte Afrikas - das alte Afrika (vgl. BARTH 1967), vorkolonialer Handel/Beispiel Sahel (vgl. HAMMER 2005)
  • Problemkontinent Afrika - Kolonialismus-Europäisierung-Unabhängigkeiten? (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung/Bonn?, Bd. 1286/2012)
  • Frauen in Afrika (vgl. BERTELS-BUSSMANN? 2013, 177-181)
  • Neubewertung des Entwicklungsbegriffes (vgl. HEIDEMANN 2011, 272)
- - -

Literaturhinweise - Interkulturelle Didaktik

Barth H. (1967): Im Sattel durch Nord- und Zentralafrika, Wiesbaden

Bertels U.-Bußmann Cl. (2013): Handbuch Interkulturelle Didaktik, Münster-New? York-München-Berlin?

Bundeszentrale für politische Bildung (2012): 50 Jahre afrikanische Un-Abhängigkeiten?, Schriftenreihe Bd. 1286, Bonn

Butterwegge Chr.-Hentges G. (Hrsg.) (2001): Politische Bildung und Globalisierung, Opladen

Diehm I./Radtke F.-O. (1999): Erziehung und Migration. Eine Einführung, Stuttgart

Hammer Th. (2005): Sahel, Gotha

Heidemann F. (2011): Ethnologie. Eine Einführung, Göttingen

Holzbrecher A. (1997): Wahrnehmung des Anderen. Zur Didaktik interkulturellen Lernens, Opladen

Karakasoglu Y.-Lüdecke J. (Hrsg.) (2004): Migrationsforschung und Interkulturelle Pädagogik. Aktuelle Entwicklungen in Theorie, Empirie und Praxis, Münster-New? York-München-Berlin?

Leiprecht R. (2001): Kritisch gegenüber Kulturalisierungen. Zentrale Gesichtspunkte antirassistischer Bildung, in: Butterwegge Chr.-Hentges G. (Hrsg): Politische Bildung und Globalisierung, Opladen, 181-196

Lüddecke J.(2004): Allgemeine und Interkulturelle Didaktik zwischen Universalismus und Pluralität, in: Karakasoglu Y.-Lüdecke J.(Hrsg.): Migrationsforschung und interkulturelle Pädagogik, Münster-New? York-München-Berlin?, 103-115

Reich H.H./Holzbrecher A./Roth H.-J. (Hrsg.) (2000): Fachdidaktik interkulturell. Ein Handbuch, Opladen

Reich H.H./Roth H.-J. (2002): Spracherwerb zweisprachig aufwachsender Kinder und Jugendlicher. Ein Überblick über den Stand der nationalen und internationalen Forschung, Hamburg

Schaub H.-Zenke K.J. (2007): Wörterbuch Pädagogik, München

10 Reflexive Phase - Zusammenfassung    

10.1 Reflexion    

Auf die Notwendigkeit der Kenntnis

  • theoretischer Grundlagen,
  • ethnischer und kulturell-religiöser Pluralität in der Gesellschaft und
  • Notwendigkeit eines konstruktiven Umgangs mit Interkulturalität ist
  • reflexiv mit einer thematischen Auseinandersetzung hinzuweisen.
Aufgezeigt werden muss

  • die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz bzw. Öffnung für ein gesellschaftlich und beruflich erfolgreiches Handeln und
  • damit der Erwerb einer interkulturellen Kompetenz.
  • Wesentlich ist die Implementierung einer interkulturellen Pädagogik in allen vier Bildungsbereichen.
  • Ebenso notwendig sind Elemente interkultureller Öffnung in Organisationen, Systemen und Unternehmen.
  • Landeskundliches Wissen und das praktische Anwenden sind Bestandteil interkulturellen Handelns.
Aus der Erfahrung mit Schülerberatung, Studium, Lehraufträgen, Studientagen, Tagungen und zwei Universitätslehrgängen zeigt sich die positive Erkenntnis einer reflexiven Phase und thematischen Zusammenfassung.

Bildung als Aus-, Fort- und Weiterbildung ist angesichts einer Wissensgesellschaft mit der Notwendigkeit nach "lebensbegleitendem Lernen" unabdingbar. Unter dem Gesichtspunkt der Globalisierung und Pluralität der Gesellschaft erhält der Faktor Bildung neue Relevanz.

Vielfach wird "Interkulturelle Kompetenz" als (zusätzliche) Schlüsselqualifikation angesehen (vgl. GARTENSCHLÄGER-HINZEN? 2000).

Nicht nur Fach-, auch Erfahrungswissen und interkulturell-sensibles Verhalten sowie Motivation und Interesse an Lernprozesse kennzeichnen den Bereich "Interkulturelle Kompetenz".

Kulturelle Orientierung benötigt demnach qualifizierte Lehrende und interessierte Lernende. Interdisziplinarität ist notwendig.

Den fünf Bildungsbereichen - Elementarbildung, Primarbildung, Sekundarbildung, tertiäre Bildung und quartäre Bildung/Erwachsenen-? bzw. Weiterbildung - kommt vermehrt Bedeutung zu. Es bedarf einer eigenen Didaktik (vgl. BERTELS-BUSSMANN? 2013; Interkulturelle Didaktik als junge Disziplin).

Interkulturelle Beratung gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Ausgehend von der Begrifflichkeit von Kultur erkennt man deren dynamische Entwicklung in Form einer Außen- und Innenwelt. Durch Sozialisations- und Enkulturationsprozesse werden Grundlagen der jeweiligen Kultur in Form von Werten, Normen und Wissen sowie Haltungen, Riten und Bräuchen erlernt und reproduziert (vgl. "Eisbergmodell" nach BRAKE, WALKER und WALKER 1995, 78).

  • Nur ein kleiner Teil der Kulturaspekte - Kleidung, Literatur, Musik, Theater, Essen, Sprachen und Umgangsformen - ist sichtbar.
  • Unsichtbare Kulturaspekte wie Macht, Status, Erziehung, Ordnung, Rollenbilder, Kommunikation, Zeit, Leistung und Individualität zeigen Kultur als dynamisches System.
Interkulturelle Kompetenz/ICC besitzt keinen festen Kanon an Eigenschaften und Kenntnissen, vielmehr ist sie Grundhaltung. Die Herausforderung von ICC liegt weitgehend im unsichtbaren Bereich - bei Werten, Normen, Handlungen, Symbolen und Tradition; Zeit, Raum und Denken, Erziehung und Sozialisation - und der Begegnung mit dem Anderen/Fremden (vgl. die Bedeutung von Landeskunde).

Damit nicht Ablehnung, Verwirrung und Missverständnisse entstehen, bedarf es einer interkulturell kompetenten Vorgangsweise (Wissen-Sensibilität/Empathie-Handlungsweise).

Die unterschiedlichen Anwendungsbereiche weisen auf die Notwendigkeit einer Interdisziplinarität hin. In diesem Zusammenhang wird von Bezugswissenschaften gesprochen.

  • Sieht sich ICC als selbständige Wissenschaft in enger Verbindung mit den Kulturwissenschaften, so sieht sich die Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft mit ihrem Anspruch an Interkulturalität mit der Politischen Bildung (die wiederum interdisziplinär aufgebaut ist), der Pädagogischen Soziologie und Bildungssoziologie, Erwachsenenpädagogik(die sich auch interdisziplinär darstellt), Pädagogischen Psychologie und Kultur- und Sozialanthropologie (interdisziplinär aufgebaut) verbunden.
  • Zudem spielen die Kommunikations-/Sprachwissenschaften, Sozialpädagogik und Wirtschaftspädagogik eine Rolle. Dies zeigt sich auch in den verschiedenen Termini wie "Interkultureller Kompetenz/Intercultural Competenc(ICC)", "interkulturelle Kommunikationskompetenz", "internationale Handlungskompetenz" oder "cross-cultural competence"(vgl. GLASER 1999, 33).
GROSCH, LEENEN und RAINER (1998) definieren ICC als "[...]eine um die kulturelle Komponente erweiterte Form von sozialer Kompetenz. Interkulturelle Kompetenz ist Kommunikations- und Handlungsfähigkeit in kulturellen Überschneidungssituationen, als die Fähigkeit, mit Angehörigen einer anderen Kultur zur wechselseitigen Zufriedenheit unabhängig, kultursensibel und wirkungsvoll interagieren zu können" (GROSCH-LEENEN-RAINER? 1998, 356) (vgl. SCHENK 2001, 59).

ICC ist ein mehrdimensionales Konzept und verweist auf Verhaltensmerkmale, Fertigkeiten, Motivation, Mehrsprachigkeit, perspektivisches Denken, Ambiguitätstoleranz, Sensibilität, Ethnozentrismus und Diskriminierung.

Gefordert ist ein Bewusstsein der kulturellen Hintergründe des Denkens, Fühlens und Handels - der Relativität von Interpretationen und der Reflexion des eigenen und anderen Verhaltens.

Gefordert sind demnach Personal-, Sozial-, Handlungs- und Fachkompetenz(en), was darauf hinweist, dass ICC nicht als eigenständige Fähigkeit anzusehen ist. Offenheit, Respekt, Wertschätzung und Ambiguitätstoleranz werden als Grundlagen von ICC benannt (vgl. DEARDORFF 2004, 198).

Fort- und Weiterbildung ermöglichen einen Wissens- und Handlungserwerb in Verbindung mit Verhaltens- und Kommunikationssituationen, Anpassungsfähigkeit bei verschiedenen Sichtweisen und Perspektiven, Kulturverhalten, Offenheit, interkulturelles Lernen/ Lernstilen, Flexibilität, Analyse- und Interpretationsfähigkeit, Ambiguitätstoleranz und vertiefendem eigenem bzw. anderem Kulturverständnis (vgl. DEARDORFF 2004, 187).

Zur Umsetzung von ICC bedarf es interkultureller Lernprozesse:

  • Kognitive Aspekte (Wissen) sind Fachwissen/-kenntnisse, Kulturwissen und religiöses Wissen.
  • Affektive Aspekte (Sensibilitäten) sind die Akzeptanz von Kulturvielfalt, Motivation, Empathiefähigkeit und realistischen Erwartungen.´
  • Verhaltensorientierte Aspekte (Kommunikation und Handlungsfähigkeit) sind die Kenntnis von Kommunikationsstilen, Dialog- und Sprachfertigkeit und interkulturelles Konfliktmanagement.
Die didaktische Gestaltung umfasst nach NOHL (2006, 137-244 bzw. 2010, 131-259)

  • Basiswissen wie Migration, Globalisierung, Sozialisation, Identitätsentwicklung, Gesellschaftsmodelle, Sprachentwicklung, Diskriminierung/Vorurteile und (inter-)kulturelle pädagogische Handlungskonzepte und
  • persönlich-fachliche Kompetenzen/ Einstellungen wie Empathie, Selbsteinschätzung, Offenheit, Flexibilität, Toleranz, Akzeptanz von Unterschieden und Konflikt- und Kooperationsfähigkeit.
Eine Aneignung von ICC verlangt auch eine ständige Persönlichkeitsentwicklung (vgl. HINZ-ROMMEL? 1994). Ausgangspunkt interkultureller Lernprozesse ist die Grundüberlegung einer Erlernbarkeit von Kultur, wie sie alle Konzepte der ICC darlegen, ausgehend von einer Lernfähigkeit des Menschen.

Wenn Elke GRUBER (2000, 12) von einer "verschärften Modernisierung" spricht, so wird von einer medialen Vernetzung, dem raschen Wandel und kulturellen Randzonen ausgegangen. Damit ist ICC für alle Akteure im Bildungs-, Kultur-, Wirtschafts- und Politikbereich notwendig.

Für die Lernenden ist ein Lernklima notwendig, das Akzeptanz voraussetzt, pädagogische Qualifikationen der Lehrenden und gemeinsame Standards benötigt.

Für Lehrende bedeutet dies neben der Bewältigung ihrer beruflichen Aufgabe

  • die Kenntnis unterschiedlicher kultureller Sichtweisen,
  • das Erkennen von interkulturellen Überschneidungssituationen und Verhindern von Missverständnissen und Kommunikationsstörungen sowie
  • die Gestaltung von Lernprozessen.
Reflexives Verhalten/Selbstreflexion erleichtert das Erreichen der Zielvorstellungen. Lehrende sind zugleich im ICC-Prozess? Lernende. Dies bedeutet Hintergrundwissen, Dialogfähigkeit, Selbstkritik und Bereitschaft zu Begegnungen (vgl. HINZ-ROMMEL? 1994, 121).

10.2 Zusammenfassung    

Interkulturelle Kompetenz bzw. Öffnung als neues Anforderungsprofil für die pädagogische Profession wird in vielen Texten auf unterschiedliche Weise interpretiert, kritisiert und auch abgelehnt (vgl. FISCHER 2013, 33).

KALPAKA (1998, 78) spricht von kompetenten Handeln in einer Einwanderungsgesellschaft und MECHERIL (2002, 15-17) von einer Kompetenzlosigkeitskompetenz. JUNG, SCHÄFER, SEIBOLD und FRIEDRICH (1994) führen die unterschiedlichen Begrifflichkeiten wie Interkulturelle Kommunikationskompetenz, Interkulturelle Handlungskompetenz, Interkulturelle Effektivität, intercultural awareness und Interkulturelles Management an. "Inzwischen hat sich bei den Befürwortern der Begriff 'interkulturelle Kompetenz' weitgehend durchgesetzt, zumindest wird er in offiziellen Verlautbarungen der Ministerien benutzt" (FISCHER 2013, 33). Im angelsächsischen Bereich besteht "Intercultural Competence/ICC" als Fachbegriff seit langem (vgl. DEARDORFF 2009).

Als Grundkonsens gilt, dass Interkulturelle Kompetenz als ein Set von Fähigkeiten bzw. Bündeln von Teilkompetenzen definiert wird, das Reflexionsfähigkeit für eine eigene kulturelle Identität und Handlungskompetenz umfasst (vgl. FISCHER 2013, 33; LANGE-PAGELS? 2000, 11).

Uneinigkeit besteht in der Bewertung von Ausschließlichkeit oder dem Bedürfnis von Ergänzungen wie Fachwissen, Methodenkompetenz, kommunikativer Kompetenz, Weiterreflexion und Haltungen von Antirassismus (vgl. SIMON-HOHM? 2002, 40; AUERNHEIMER 2002, 183-185). Vermehrt werden Haltungen und Einstellungen mit einem speziellen Wertehintergrund eingefordert. Der Erwerb bedeutet eine lebenslange/-begleitende Aufgabe, die nicht in einem Fortbildungskurs abgeschlossen ist, vielmehr als Anforderung der gesellschaftlichen Realität und einer wandelnden Berufssituation anzusehen ist.

Ebenso geht man von kulturellen Differenzen und verschiedensten Differenzlinien wie Geschlecht, Generation, Schicht, Milieu und Identitätsentwürfen aus. Die bewusste Auseinandersetzung mit einer kulturellen Selbstdefinition und der Verortung des Einzelnen im sozialen Kontext ist anzustreben (vgl. FISCHER 2013, 34; SCHERR 2001, 347).

Es versteht sich von selbst, dass damit wesentliche Aspekte zu einem Schema zu systematisieren sind, damit nicht eine Unübersichtlichkeit entsteht und man tatsächlichen Anforderungen im gesamtgesellschaftlichen Kontext gerecht werden kann.

Ein Transfer der Erkenntnisse bedarf der Umsetzung von Inhalten, Zielen und Methoden in einem interkulturellen Projektmanagement, wobei interkulturelle Öffnung und Orientierung der jeweiligen Organisation vorauszusetzen sind. Anzusehen sind solche Prozesse vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen und globaler Zusammenhänge wie etwa der EU-Politik? und internationaler Wanderungsströme (vgl. die Notwendigkeit einer Politischen Bildung als Praxisfeld in den einzelnen Bildungsbereichen mit einer Einbindung von Interkultureller Kompetenz; SANDER 2007, 392-406; FISCHER 2013, 35).

Interkulturelle Kompetenz beinhaltet die Theorie des symbolischen Interaktionismus (KRAPPMANN 1993), die kommunikationstheoretischen Überlegungen von SCHULZ von THUN (1987/1992) und in der Analyse der Kompetenz von Ich-, Wir-, Sach- und Organisationsebene die Themenzentrierte Interaktion von COHN (1997). Die Haltungen in der Interaktionssituation beinhaltet das Modell der personenzentrierten Gesprächsführung und Beratung nach ROGERS (1983). Organisationstheoretische Überlegungen gehen auf den systemtheoretischen Ansatz von SENGE (2011) zurück. Das Handeln in kulturellen Situationen mit Überschneidungen ist im Kontext mit globalen Systemen zu sehen, womit sich der sozialökologische Ansatz von BRONFENBRENNER (1981) anbietet.

Als Schlüsselqualifikation bezieht sich Interkulturelle Kompetenz

  • als Bewältigung eines epochaltypischen Schlüsselproblems der Gegenwart,
  • neben dem Umgang mit dem Fremden auch auf biographische, milieuspezifische und kulturelle Aspekte/Fremdheit,
  • auf personenzentrierte Haltungen wie Empathie, Authenzität, Akzeptanz, Ambiguitätstoleranz und Konfliktfähigkeit/Lösungsmöglichkeiten,
  • auf Bereiche der Organisation und Erfüllung von Querschnittsaufgaben.
Interkulturelle Kompetenz benötigt ein Wertefundament (vgl. SPRINGER 2013, 36). Es geht um die Verbindung von sozialer Arbeit und Bildung als Voraussetzung für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dies beinhaltet Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie respektvolle Haltung, Anerkennung der Individualität und der kulturellen Differenzen.

Eine Dominanzkritik muss sich bewusst sein, dass Desintegrationsprozesse in einer Einwanderungssituation entstehen, die durch politische, ökonomische, soziale, rechtliche und kulturelle Gegebenheiten ausgelöst werden. Soziale Arbeit und Bildung sind einer Prävention verpflichtet (vgl. das Beispiel Dänemark > http://orf.at/stories/2222434/2222428/ > 5.4.2014).

Schaffung von Strukturen für alle Mitglieder der Gesellschaft, finanzielle und soziale Absicherung und eine Kultur der Anerkennung sind interkulturelle (und politische) Begriffe (vgl. BORST 2004, 269).

Aufzuschlüsseln sind die verschiedenen Ebenen der Interkulturellen Kompetenz, ohne die ein Verständnis der verschiedenen Aspekte nicht erreicht werden kann. Im Folgenden werden sie stichwortartig dargestellt (vgl. SPRINGER 2013, 38-46):

Globale Ebene

Prozesse der Weltgesellschaft-transnationale Beziehungen-europäische Sozialpolitik (vgl. Artikel 13 des AMSTERDAMER VERTRAGES 1997: Bekämpfung von Diskriminierung)-internationale Migrationsströme-Bündnispartner? auf internationaler Ebene

Gesellschaftliche Ebene

Ausländerpolitik-Ausländerrecht-Staatsbürgerschaftsrecht-Asylrecht-Bildungspolitik?

Institutionelle Ebene

Anforderungsprofile für Positionen und Funktionen für Einrichtungen, Unternehmen, Institutionen - Mitarbeiterfortbildung

Ich-Ebene?

Akzeptanz des Fremdheitsgefühl-Kontaktfähigkeit-Aufeinander-Zugehen-? Wohlwollen/Befremden-kulturelle Standards-Rollendistanz-Authentizität-Prozesshaftigkeit? von kultureller Identität

Wir-Ebene?

Impulse für Austausch und Perspektivenwechsel-Empathie-Sprachkompetenz-Akzeptanz-Erkennen? von Normen und sozialen Situationen-kulturelle Rollenstrukturen-Selbstkonzept-soziokultureller? Hintergrund-Kommunikationsstil?/-regeln-Bezugspersonen-Ambiguitätstoleranz-Konfliktaustragung-Mediation

Sachebene

Kenntnisse der Politik, Wirtschaft und des Rechts-Länderkunde-Migrationsgeschichte-Informationen? zur Zuwanderung- Bildung von Rasse, Ethnien und Nationen-Rassismus-Fremdenfeindlichkeit-Gewalt-Strategien? zur Prävention und Bekämpfung-Zugangsbarrieren? bei Übergangssituationen/Beruf-interkulturelle Kommunikation-Migrantenselbstorganisationen-Methodenkenntnisse?: aktivierende Gruppenarbeit, Beratung, Konfliktmanagement, Organisationsentwicklung, Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit.

Interkulturelle Kompetenz versteht sich als soziale Kompetenz bzw. Beziehungskompetenz mit Interaktion und Kommunikation.

Sie umfasst Teilkompetenzen auf der Ich-, Wir- und Sach- und Organisationsebene. Sie weist kognitive, emotionale und handlungsbezogene Aspekte auf. Diese stehen im Kontext mit den jeweiligen Organisationen in Verbindung mit der gegebenen gesellschaftlichen Situation, die von globalen Prozessen bestimmt wird.

Ein Werteverständnis ist Basis des Miteinander in der Gesellschaft.

11 Rück- und Ausblick bis heute    

AUERNHEIMER (2004, 17-28) zieht eine Bilanz der letzten drei Jahrzehnte. Seine Sichtweise betrifft die bundesdeutsche Entwicklung, es sollten daher Aspekte aus Österreich ergänzt werden.

11.1 Siebziger Jahre    

Arbeitsmigration aus den Mittelmeerländern und Familiennachzug nötigten in den siebziger Jahren zu bildungspolitischen und pädagogischen Antworten. Kennzeichnend war das kurzfristige Denken, niemand dachte damals an Einwanderung. Erste Zweifel weckte das "Kühn-Memorandum?" 1979 mit der Realisierbarkeit von "Integration". Praxisfelder waren Schulen, Maßnahmen einer beruflichen Eingliederung, Sprachprogramme und Lebenshilfen für "Gastarbeiter".

In den Erziehungswissenschaften fanden sich Randgruppen mit der Behandlung von "Ausländerarbeit". Die Thematik besaß eine Außenseiterrolle, motiviert durch den Wunsch nach neuen Antworten.

11.2 Achtziger Jahre    

Kennzeichnend war die Marginalisierung der ausländischen Arbeitskräfte mit ihren Familien. Arbeitslosigkeit, Wohnungsmarktprobleme und Ausländerfeindlichkeit wurden registriert. Eine Kontroverse um die Neuorientierung der "Ausländerpädagogik" wurde ausgelöst. Neue Anstöße gab das Engagement für "interkulturelle Erziehung", damit für eine Ausrichtung auf "Interkulturalität". Fast zugleich kam es zu einer Neuorientierung mit pädagogischen Themen der "Dritten Welt" (vgl. NESTVOGEL 1991, 1-12).

Es setzt eine Verselbständigung eigener Forschungszweige' wie der Migrationssoziologie, Zweisprachdidaktik und Politischen Bildung ein. Zusätzlich kommt es zu einer Rezeption der Migrationsforschung aus den USA und anderer Einwanderungsländer (vgl. ESSER 1980, HECKMANN 1981). Der angelsächsische Rassismus fand langsam Interesse. Schulische Integrationsmaßnahmen und Orientierungsmuster von Migrantenjugendlichen und Eltern versprachen Praxishilfen. Allmählich wurden die Migrantenverbände("Communities") beachtet. Partizipation wurde ein Diskursthema (vgl. die zunehmende Bedeutung einer Politischen Bildung).

11.3 Neunziger Jahre    

Mit der Flüchtlings-, Asylanten- und Binnenwanderungs- sowie in Deutschland Aussiedlerproblematik kam es zur Forderung nach interkultureller Öffnung (vgl. die Punkte 8.22 - 8.28 des Beitrages).

Bemerkenswert war der Umstand, dass die Bildungsbe(nach)teiligung von Migrantenkindern und Ben(ach)teiligungen von Migrantenfamilien Gegenstand von Schul-, Familien- und Jugendforschung wurde.

11.4 21. Jahrhundert    

Das 21. Jahrhundert ist durch Erfahrungen mit Migration und Globalisierung gekennzeichnet. Ethnische Vertreibungen, soziokulturelle Veränderungen durch das Ende des Kolonialismus, Religionskriege und politische Umbrüche sorgen für Wanderungsbewegungen ("neue Diaspora") und Exil. Es geht um Wanderströme innerhalb Europas, Flucht, Asyl, Auswanderung, Einwanderung und Rückwanderung.

Merkmale sind ethnische Vermischungen, kulturelle und religiöse Diversität, entwurzelte Fremde und Phänomene der Globalisierung (Wirtschaft-Bildung-Kultur?: Neue Medien-Hybridität-religiöse? Mischformen-Neubewertung? von Normen, Orientierungen, Sitten und Werten).

Kennzeichen ist ein beispielloser gesellschaftlicher Umbruch zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Die folgenden Aspekte erscheinen wesentlich für eine Umsetzung.

  • In der Folge kommt es zur Rezeption von "Cultural" und "Postcolonial Studies" in den Bezugswissenschaften. Damit eröffnen sich Kooperationsmöglichkeiten, eine Isolierung interkultureller Themen wird verhindert.
  • Impulse kommen von der Geschlechterforschung.
  • Allein ein nicht-essentialistischer Kulturbegriff ist haltbar. Verabschiedet hat man sich von der Reduktion von Kultur auf Nationalkultur.
  • Der hybride Charakter von Kulturen und kulturellen Identitäten ist anerkannt.
  • Konstruktionscharakter haben Identität und Differenz, die Vielfalt von Differenzlinien ist vermehrt zu beachten.
  • Die Gleichheit von Sozialchancen, Partizipationsmöglichkeiten und Anerkennung von Andersheit wird hervorgehoben.
  • Antirassistische Erziehung findet Anerkennung.
  • Für Lehrende ist (zusätzlich) interkulturelle Kompetenz wesentlich geworden. Ihre Verortung in der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft im Kontext mit einer Lehramtsausbildung bzw. Modulen für Lehrende in der außerschulischen Bildung ist essentiell.
  • Im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen ist Interkulturalität vermehrt zu beachten.
  • Schulische Arbeit stößt in einem selektiven Bildungsprozess wie dem österreichischen in ihre Grenzen. Typisch dafür ist der kurze Interventionszeitraum bis zur Trennung der Bildungswege. Dies bedeutet für Lernende, dass die Gruppe mit schlechten Startbedingungen weniger Chancen zum Aufholen besitzt. Strukturfragen ergeben sich damit zwangsläufig, damit nicht der Anschluss an eine zeitgemäße Bildung versäumt wird(vgl. die Bildungsreformdebatte der siebziger und achtziger Jahre).
  • Außerschulische Bildung hinkt mit interkulturellen Themen nach. Erwachsenenpädagogik besitzt hier einen nicht zu unterschätzenden Bildungsauftrag.
  • Mehrsprachigkeit - auch in der praktischen Verwendung - erhält vermehrte Bedeutung.
  • Die grenzüberschreitende soziale Vernetzung ("transnationale soziale Räume")mit anderen medialen Welt bedeutet eine Neuorientierung der Medienerziehung bzw. Medienkunde mit netzbasiertem Lernen.
  • In diesem Zusammenhang ist globales Lernen zu sehen und zu beachten.
  • Ethnologische Erkenntnisse sind wesentlich für die Inhalte einer Interkulturalität.
12 Buchbesprechungen    

12.1 Buchbesprechung 1    

Pankaj Mishra (2014): Aus den Ruinen des Empires. Die Revolte gegen den Westen und der Wiederanstieg Asiens, Frankfurt/M., ISBN 978-3-10-048838-1

1905 besiegte in der Seeschlacht von Tsushima die kleine japanische Flotte einen großen Teil der russischen Flotte. Eine außereuropäisches Land hatte eine europäische Macht in einem, großen Krieg geschlagen. Die nichteuropäischen Länder jubelten über den Sieg, der der Beginn eines neuen Selbstbewusstseins insbesondere in Asien war(S.9-20).

Pankaj Mishra erzählt die Geschichte, wie es die Menschen in Asien erlebten. Im Mittelpunkt stehen die drei großen Denker al-Afghani (Muslim, Verfechter einer islamischen Wiedererweckung und Agitator eines Antiimperialismus)(S. 61-153), Liang Qichao (Verfechter eines chinesischen Nationalismus, inspiriert auch Mao Zedong) (S. 155-225) und Rabindranath Tagore (indisches Selbstbewusstsein mit Freiheitsbestreben) (S. 267-295).

Das Beispiel Rabindranath Tagore soll im Folgenden zeigen, wie eine Umgestaltung - hier am Beispiel Indien - Folgen ergeben kann (S. 270-271). Tagore wuchs in einer kulturell selbstbewussten und kreativen Familie auf und kam schon früh mit der europäischen Kultur und Gesellschaft in Berührung. Deshalb kam es zu Differenzen mit Gandhi hinsichtlich jener Aspekte einer antikolonialistischen Bewegung, die er als fremdenfeindlich empfand. Ebenso konnte er aber auch nicht zu den "Jung-Bengalen?" gehören, die Asien hinter sich lassen wollten. Mit einer umfassenden Sichtweise der Einheit der Menschheit wurde Tagore zu einem scharfsinnigen Beobachter und starken Kritiker der Europäisierung Indiens.

Beeinflusst von wissenschaftlicher Orientalistik übernahm Tagore einiges von bengalischem Misstrauen gegenüber der westlichen Welt in sich auf. Entscheidend war der lange Aufenthalt in ländlichen Regionen Bengalens (vgl. den Gegensatz zu den Mittelschicht-Intellektuellen? in Kalkutta). Tagore blieb ein Leben lang überzeugt von der moralischen Überlegenheit der vorindustriellen gegenüber der mechanisierten Zivilisation. Eine Selbsterneuerung Indiens könne nur von den Dörfern beginnen (S. 275). Der Osten lehre soziale Harmonie und spirituelle Befreiung, der Westen konzentriere sich auf die Stärkung nationaler Unabhängigkeit und politischer Freiheit. Bestätigt fühlte sich Tagore in der Teilnahme indischer Soldaten am Burenkrieg und an der Niederschlagung des Boxeraufstandes in China.

Freude kam über den Sieg Japans 1905 im Krieg gegen Russland auf. Mit Gandhi verband ihn die grundsätzliche Kritik an Gewalt und Nationalismus sowie für nationale Erneuerung. Mit dem Nobelpreis 1913 für Literatur wurde er ein Sprecher des Ostens (vgl. die weltweite Bewunderung, auch in den USA/Besuch 1930 im Weißen Haus bei Herbert Hoover) (S. 281). Inzwischen war Tagores eindrucksvolle Gestalt mit seinem Gewand und dem langen weißen Bart ein Kennzeichen seiner Geisteshaltung, Philosophie und Friedensbotschaft geworden (vgl. die Besuche in China und Japan mit den Auseinandersetzungen) (S. 287-289, 292-293).

Gegen Ende seines Lebens sah er den Hass, der sich über Asien ausbreitete. Die Ereignisse der folgenden Jahrzehnte zeigten, was Befreiung für die Asiaten bedeuteten und wie sich Entwicklungen umdrehen konnten (vgl. Japans Rolle vor und im Zweiten Weltkrieg).

Der Autor schildert die Geburt des antikolonialen Denkens, weist auf Demütigungen und Ängste vor mehr als 100 Jahren hin, die zu nationalen Bewegungen Asiens führten. Die Erneuerung Asiens wird mit den Elementen einer Dekolonialisierung bzw. dem Panasianismus, antimodernen Strömungen in der islamischen Welt, einer Nationalstaatlichkeit am Beispiel der Türkei und dem Aufstieg Chinas und der restlichen Staaten beschrieben (S. 297-362).

Die Grundlage der heutigen Bedeutung asiatischer Staaten liegt in der Basis dieser geschilderten nationalen Bewegungen.

12.2 Buchbesprechung 2    

Ionna Zacharaki-Thomas? Eppenstein-Michael? Krummacher (Hrsg.) (2015): Interkulturelle Kompetenz. Handbuch für soziale und pädagogische Berufe, Schwalbach/Ts. ISBN 987-3-95414-051-0

Die Neubearbeitung des Handbuchs betrifft die Veränderungen und Weiterentwicklung interkultureller Arbeit der letzten Jahre. Soziale Arbeit(hier Diakonie) und pädagogische Berufe(also Schule, Jugendbildung, Erwachsenen- und Weiterbildung)bedürfen einer "Interkulturellen Öffnung", also einer notwendigem Reaktion auf die Vielfalt in einer Einwanderungsgesellschaft im Hinblick auf die ethnische Herkunft, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen, soziale Zugehörigkeiten und kulturelle Formen der Lebensgestaltung.

Einrichtungen interkultureller Aktivitäten sind im Bezug auf interkulturelle Öffnung lernende Organisationen. In diesen Lernprozessen stellt sich heraus, dass die Bereitschaft sich kulturelle und personell zu öffnen, nicht zu einer Verwässerung, vielmehr zu einer Schärfung des eigenen Profils beträgt. Zuwanderung hat Folgen, sie öffnet zur Vielfalt.

Im Handbuch werden Grundlagen, Konzepte und Anregungen zur Umsetzung interdisziplinär vorgestellt.

Der Beitrag von Ioanna ZACHARAKI "Umgang mit Vielfalt" befasst sich mit Schlüsselbegriffen wie Diversity Management, Interkulturellen Öffnung und Inklusion im Sinne eines erweiterten Begriffs, erläutert den Umgang an der Schnittstelle zwischen fachlicher Rezeption und praktischer Umsetzung und fasst Ergebnisse der bisherigen Entwicklung zusammen (S. 15-34).

Zugänge zu einer kulturell-sensiblen Sozialen Arbeit bearbeitet Thomas EPPENSTEIN in "Interkultureller Kompetenz", die kulturalistischer und strukturalistischer Fallen sich bewusst ist, normative Vorgaben reflektiert und aktuelle Diskurse verfolgt (S. 35-66).

Michael KRUMMACHER setzt sich mit Grundlagen der "Migrations- und Integrationspolitik" in einer politikwissenschaftlichen Perspektive auseinander. Migrationspolitische Fakten, Entwicklungen, Analysen und Perspektiven werden ökonomisch, demografisch und sozialräumlich dargelegt. Akteure und Zuständigkeiten der EU, des Bundes, der Länder und Gemeinden(in Deutschland)werden besprochen(S. 67-95)(vgl. für Österreich der IT-Autorenbeitrag? "Migration in Österreich, Teil 1 und 2" http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Migration in Österreich) .

Die praktische Beratungsarbeit mit "Integration und Recht" wird von Heinz DRUCKS in ihrer Komplexität beleuchtet. Statusfragen und grundsätzliche Bereiche wie Aufenthalt, Aufenthaltszwecke, Integrationskurse und Zugänge zum Arbeitsmarkt sind im Vergleich zu Deutschland von Interesse (S. 96-113).

Hildegard MOGGE-GROTJAHN? behandelt Voraussetzungen, Implikationen und Begründungen für moralische Wertungen in ihrem Beitrag über "Werte und Normen", indem sie sozialwissenschaftliche Argumente für Modernisierungsprozesse, die Bedeutung verinnerlichter kultureller Praktiken und die Bedeutung von Säkularisierung und Religiosität für interkulturelle Arbeit aufzeigt (S. 114-127).

Der Pluralismus von Religionen in Deutschland und die Islamophobie sowie der Antisemitismus mit der Bedeutung von Religiosität im Alltag wird von Wolf-Dieter? JUST in seinem Beitrag "Von der mühsamen Anerkennung der multireligiösen Realität in Deutschland" behandelt. Antworten werden auf Phänomene des Fundamentalismus und eine theologisch begründete Toleranz gesucht (S. 128-146).

Arian SCHIFFER-NASSERIE? nimmt in ihrem Beitrag "Diskriminierung, Rassismus und Antidiskriminierungsarbeit" einen kapitalismuskritischen Standpunkt ein. Einer Antidiskriminierungsarbeit wird kaum ein Erfolg in einer Konkurrenzgesellschaft mit ihren Diskriminierungsfolgen beschieden sein (S. 147-173).

"Interkulturelle Öffnung" als Prozess einer Organisationsentwicklung wird von Roderich KULBACH in seinem Beitrag "Interkulturelle Öffnung in der Organisationsentwicklung" aufgegriffen und als strategischer Steuerungskreislauf dargestellt. Umsetzung, Evaluation, Controlling und mögliche Fehlentwicklungen werden behandelt (S. 174-188).

Thomas EPPENSTEIN setzt sich mit dem Begriff "Integration" in seinem Beitrag "50 Jahre Ali in Almanya - immer noch nix deutsch" auseinander. Aufgezeigt werden die unterschiedlichen und widersprüchlichen Erwartungen (S. 189-206).

Zuletzt ist der Beitrag von Ioanna ZACHANAKI und Michael KRUMMACHER zu Fakten und Erfahrungen der zehnjährigen Weiterbildung im Zertifikatskurs "Basisqualifikation Interkulturelle Kompetenz" sowie zwei "good-practice-Beispielen" von Interesse (S. 207-220).

12.3 Buchbesprechung 3    

Alexander Thomas(2016): Interkultureller Psychologie. Verstehen und Handeln in internationalen Kontexten, Göttingen ISBN 978-3-8017-2660-7

Der Autor strebt im Vorwort an, Studierende der Psychologie für die Bedeutung interkultureller Aspekte, Herausforderungen und Probleme mit psychologischen Themen zu sensibilisieren und dafür zu qualifizieren, im Verlauf ihres Studiums interkulturelle Handlungskompetenz aufzubauen.

Das Buch bietet Berufstätigen die Chance, ihren Blick für die Wirksamkeit kulturell bedingter Determinanten in ihren beruflichen Arbeitsfeldern zu schärfen und eigenständig Mittel und Wege zu entwickeln, mit den entsprechenden Herausforderungen kulturadäquat umzugehen. Dass dabei Forschungsergebnisse der Psychologie nutzbar gemacht werden können, um interkulturelle Problemstellungen differenziert und adäquat behandeln zu können, ergibt eine Brücke zu wissenschaftlich gesicherten Theorien und empirischen Befunden. Das Buch umfasst die Komplexität der interkulturellen Thematik (S. 5-6).

Die Publikation mit 308 Seiten verfügt im Folgenden über ein ausgezeichnetes und übersichtliches Inhaltsverzeichnis (S. 7-10). Behandelt werden neun Kapitel mit übersichtlichen Theorien, empirischen Ergebnissen, Tabellen bzw. Zusammenfassungen und Fallbeispielen.

  • Beginnend mit Kapitel 1 einer "Einführung in Kultur und interkulturelle Interaktion" werden Kultur als Orientierungssystem, interkulturelles Verstehen, interpersonale Begegnung als interkulturelles Handeln, interkulturelle Handlungskompetenz und Kulturstandards besprochen (S. 11-44).
  • Kapitel 2 "Interkulturelles Handeln und psychologische Prozesse" behandelt die Wahrnehmung, Kognitionen, Urteilsprozesse, Emotionen, Lernen, Konflikte, Entwicklung, Handlung, verbale und nonverbale Kommunikation und Gruppendynamik. Umfassend werden sozialpsychologische Theorien zur Analyse interkulturellen Handelns angesprochen. Reaktionssysteme auf erlebte Fremdheit wie Ethnozentriertheit, Universalität, Machertum und Potenzieren vervollständigen diesen Abschnitt. Anforderungen an interkulturelles Management vervollständigen die Überlegungen. Angeführt werden jeweils Beispiele. Kritische Interaktionssituationen beschließen das Kapitel (S. 45-58).
  • Kapitel 3 "Die Entwicklung des Selbstbildes, des Fremdbildes und des vermuteten Fremdbildes" umfasst die soziale Wahrnehmung, Fallbeispiele deutsch-französischer Symposien, Eindrucksbildung und Attribution, soziale Orientierung (Stereotype, Vorureile, Stigmatisierung, Diskriminierung), Theorien sozialer Identität, der Informationsverarbeitung, interpersonaler Interaktionen und überlegten Handelns sowie die Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung (S. 59-115).
  • Kapitel 4 behandelt die "Entwicklung des Fremdverstehens". Fallbeispiele(Thailand, Indonesien), Probleme, interkulturelle Lernmotivation, interkulturelles Lernen und Lernstrategien, Perspektivenübernahme und gemeinsame Wissenskonstruktion beinhaltet dieses Kapitel (S. 116-147).
  • Kapitel 5 beschäftigt sich mit der "Entwicklung und Wirkungen interpersonaler Interaktionsprozesse in interkulturellen Kontexten". Hier geht es um Prozesse sozialer Interaktion, den sozialen Vergleich (Vergleichsprozesse, Konfliktbearbeitung), Gerechtigkeit, soziale Interdependenz, Macht und soziale Dominanz, soziale Netzwerke, personale und soziale Konflikte und soziale Minorität (S. 148-233).
  • Kapitel 6 beinhaltet "Stress und Stressbewältigung im Kontext interkulturellen Handelns". Stress als Folge interkulturellen Handelns, Fallbeispiele (Türkei, Russland, Indien und Argentinien) und Copingstrategien beinhalten das Kapitel (S. 234-254).
  • Kapitel 7 beschäftigt sich mit der "Entwicklung interkultureller Handlungsstrategie". Hier geht es um die Arten interkultureller Handlungskompetenz, das Fallbeispiel "Eventplanung", den Handlungskompetenzaufbau und einzelne Lernschritte (Personal-Umwelt?, Konfrontation, Erfahrungsbildung, Lernen, Verstehen und Kompetenz) (S. 255-268).
  • Kapitel 8 widmet sich interkultureller Trainings. Das "Interkulturelle Training" umfasst Konzepte und Methoden, ein Beispiel für ein Trainingsmodul, Inhalte für interkulturelle Trainings, ihren Einsatz und eine interkulturelle Expertise (S. 269-285).
  • Kapitel 9 als letzter Abschnitt beschreibt Praxisfelder und die Aneignung von interkultureller Kompetenz (S. 286-294).
  • Den Abschluss der Publikation bildet ein Nachwort (S. 295), weiterführende Literatur (S. 296-299) und das Literaturverzeichnis (S. 300-308).
Wer sich mit "Interkultureller Kompetenz" beschäftigt und einen universitären Ausbildungslehrgang absolviert hat, erkennt die Internationalisierung und Globalisierung in Beruf, Lebensbereichen, Gesellschaft, Lehre und weiterführendem Studium. Es stellen sich laufend neue Herausforderungen zur Bewältigung kultureller Überschneidungssituationen und interkultureller Handlungskompetenz.

Wenig beachtet ist dabei die Psychologie, bietet sie jedoch Grundlagen und Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die vorliegende Publikation bietet eine Fülle wissenschaftlich fundierten Materials an und ergänzt damit die Inhalte der Bildungswissenschaft und Politischen Bildung .

Zu beachten sind in der internationalen Literatur Ergebnisse, die aus kulturspezifisch geprägten Probandenstichproben generalisiert und als universell gültig ausgegeben werden. Ebenso muss kritisch die Literatur der Politischen Bildung verfolgt werden.

Einzufordern ist eine Didaktik interkulturellen Denkens und Handelns, wobei hier schulische(Fachdidaktik), erwachsenenpädagogische (Lernkulturen der Erwachsenenpädagogik)und universitäre Didaktik (Hochschuldidaktik) angesprochen sind. Nicht übersehen werden darf die Einbindung interkultureller Lehr- bzw. Lernziele in Bildungsmaßnahmen der Personalentwicklung.

Interkulturelle Kompetenz beginnt in der kritischen Analyse von Fachliteratur und didaktischer Umsetzung.

13 Lernfeld Interkulturelle Theologie    

Das weltweite Christentum findet sich in verschiedenen kulturellen Ausprägungen und benötigt zur Erklärung Methoden interkultureller Kompetenz und Forschung.

Daraus erklärt sich das Interesse eines jungen Fachbereichs, entstanden als Kombinationsfach der Missionswissenschaft und Ökumenik (vgl. die Definition Humboldt-Universität? Berlin > https://www.theologie.hu-berlin.de/de/professuren/stellen/rmoe/interkulturelletheologie [9.6.2023]).

Die Vielzahl von Christinnen und Christen lebt heute wieder außerhalb der euroamerikanischen Welt, wie dies in den ersten tausend Jahren des Christentums war. Die weltweite Verbreitung und kulturelle Verfasstheit begründet sich in historischen Entwicklungen, Vorstellungen der frühchristlichen Bewegung und Bildung von Gemeinschaften über soziale, ethnische und politische Grenzen hinweg. Bereits vor 2000 Jahren hat das Christentum wie auch andere Religionen wesentliche Beiträge geliefert. Aktuell wird dies als Globalisierung bezeichnet.

Aufgabenbereiche ergeben sich

  • in einer Selbstreflexion des Christentums in der Darstellung der kulturübergreifenden Formen der Gemeinschaftsbildung als innovative Beiträge zur Geschichte menschlicher Sozialformen mit Verknüpfung theologischer Deutungen,
  • im Vergleich der Ausbreitungsgeschichte der Religionen, Beschreibung spezifischer Prägungen des Christentums in den verschiedenen geographischen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhängen,
  • in der Kritik an eurozentrischen Führungen und Reflexion über die Zusammengehörigkeit eines weltweiten Christentums (Ökumene) als Herausforderung im Miteinander.
13.1 Einführung    

In der Fülle der auftretenden Fragen mit dem Bemühen einer Zuordnung als Fachrichtung kommt es zu Kontroversen (vgl. HOCK 2011, 9-12).

Interkulturelle Theologie als theologische Disziplin besteht im Spezifikum, Transkulturationsprozesse in theologischen Diskursen als Gegenstand zu bilden. Damit ergibt sich die Bestimmung des Verhältnisses zur Religionswissenschaft und die Kenntnis eigener Analysen und Orientierungen. Eine Verknüpfung zur Missionswissenschaft beseht im universalistischen Paradigma euroamerikanischer Herkunft.

Derzeit bieten sich zwei Möglichkeiten an,

  • einmal multireligiös orientierte Religionsstudien (etwa Universitäten Birmingham und Glasgow),
  • zum anderen ein eigenständig ausgebildetes Fach innerhalb konfessioneller theologischer Fakultäten. Es bietet sich hier die Kombination von Missionswissenschaft und Ökumenik an.
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Literaturhinweise/ Auswahl - Übersichtswerke

Becker D. (Hrsg.) (2000): Mit dem Fremden leben. Perspektiven einer Theologie der Konvivenz. Theo Sundermeier zum 65. Geburtstag, 2 Bd., Erlangen

Bürkle H. (Hrsg.) (2002): Die Mission der Kirche, Paderborn

Essen G. (2007): Interkulturelle Theologie, in: Straub J. - Weidemann A. - Weidemann D. (Hrsg.): Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kompetenz. Grundbegriffe-Theorien-Anwendungsfelder?, Stuttgart-Weimar?, 283-293

Küster V. (1999): Die vielen Gesichter Jesu Christi. Christologie interkulturell, Neukirche-Vluyn?

Reifler H.U. (2009): Handbuch der Missiologie. Missionarisches Handeln aus biblischer, historischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive, Giessen -Basel

Ritschl D.- Ustorf W. (1994): Ökumenische Theologie - Missionswissenschaft, Stuttgart-Berlin-Köln?

Schäfer Kl. (2003): Anstoß Mission. Impulse aus der Missionstheologie, Frankfurt/M.

Schreijäck Th. (Hrsg.) (2009): Theologie interkulturell. Glaubenskommunikation in einer gewandelten Welt, Paderborn

Sundermeier Th. (1995): Konvivenz und Differenz: Studien zu einer verstehenden Missionswissenschaft, Erlangen

Sundermeier Th. (20005): Mission - Geschenk der Freiheit. Bausteine für eine Theologie der Mission, Frankfurt/M.

Wrogemann H. (2009): Den Glanz widerspiegeln. Vom Sinn der christlichen Mission, ihren Kraftquellen und Ausdrucksgestalten: Interkulturelle Impulse für deutsche Kontexte, Frankfurt/M.

13.2 Missionswissenschaft - Entwicklungen    

Missionswissenschaft begreift sich als Reflexion über Mission, Ausbreitung des Christentums in praktischer und theologischer Dimension (vgl. HOCK 2011, 13-17).

13.2.1 Erste Europäische Expansion    

Häufig bleibt dieses Nachdenken im Instruktiven (vgl. "Missionsinstruktion" von Papst Gregor 590-604). Ab der Zeit der Kreuzzüge zeigt sich eine Reflexion über die Begegnung und anderen Religionen. Mit der ersten und späteren Expansionsphasen kommt es zu kolonialen Fragen (vgl. 1613 "De procuranda salute omnium gentium" Papst Gregor XV. mit der Errichtung der Kongregation für die Glaubensverbreitung als Leitlinien; etwa Bartolome de Las Casas 1484-1566 wirft moralische Probleme auf).

13.2 2 Frühe protestantische Akzepte    

Mit dem 17. Jahrhundert verlagert sich die Reflexion auf den Protestantismus, Christen zur Evangelisation auszusenden (vgl. 1618 Justus Heurnius 1587-1651 zur Mission in Indien mit Methodenfragen, etwa Errichtung eines Missionsseminars zur Ausbildung von Missionaren). In der Folge im 18. Jahrhundert gilt als Vorläufer August H. Francke 1663-1727 als Begründer der Stiftungen in Halle mit der Teilnahme am Projekt der Dänisch-Halleschen? Mission, die in der Grundstruktur ihrer Arbeit so etwas wie ein Curriculum aufwies.

In Nordamerika sammelte Jonathan Edwards 1703-1758 praktische Erfahrungen in der Missionsarbeit mit Indianern mit dem Zusammenhang in der Reflexion von Konversion, Erweckung und Wiedergeburt. William Carey 1761-1834 brachte die Vorstellung zur allgemeinen Anerkennung, dass der Missionsauftrag auch alle Christenmenschen betraf, damit Missionsgesellschaften gegründet wurden. Samuel Mills 1783-1818 gilt in der Folge als Wegbereiter von missionswissenschaftlicher Forschung in de USA. Damit kommt man an die Schwelle zum Nachdenken an einen institutionalisierten akademischen Fachbereich.

13.2.3 Akademische Institutionalisierung    

Friedrich Schleiermacher 1768-1834 ordnet bereits den Bereich der Praktischen Theologie zu. Deutschland gilt in der institutionellen Verankerung als Nachzügler. In den dreißiger Jahren des 19. Jh. wurde in den USA vorübergehend am Princeton Theological College auf Betreiben von Samuel Mills ein Lehrstuhl und eine Professur mit Charles Brekkenridge für praktische und missionarische Unterweisung besetzt. 1867 kam es auch zu einem Lehrstuhl für Evangelistische Theologie am New College in Edinburgh mit Alexander Duff 1806-1878. Erst 1896 erfolgte die Berufung Gustav Warnecks 1834-1910 als Gründervater der deutschen Missionswissenschaft auf eine Honorarprofessur an der Universität Halle, an der 1908 der erste deutsche Lehrstuhl für Missionswissenschaft angesiedelt wurde. Es soll auch verwiesen werden auf Gelehrte wie Friedrich A.E. Ehrenfeuchter (Protestantismus) und Johann B. Hirscher (Katholizismus), die den Fachbereich der Praktischen Theologie zuordneten. Bemerkenswert auch die Reiseliteratur mit ihrer Qualität wie etwa durch David Livingstone.

13.2.4 20. Jahrhundert    

Am beginnenden 20. Jahrhundert sind die Hauptvertreter/ Pioniere des Faches von der protestantischen Seite Gustav Warneck und Joseph Schmidlin von der katholischen Seite. Warneck war pietistisch-biblizistisch, Schmidlin als Kirchenhistoriker historisch orientiert. Daraus ergibt sich und wird gesucht eine interdisziplinäre Ausrichtung der Wissenschaft in einer Kooperation etwa mit der Ethnologie, Linguistik und Religionswissenschaft.

13.2.5 Zwischenkriegszeit    

In der Zwischenkriegszeit wirkt die Konzeption von Warneck prägend und nachhaltig. Eine komplementäre Entwicklungslinie führte parallel zur Fortsetzung der Konzeption von Schmidlin durch die "Leuvener Schule" der Dreißigerjahre weiterentwickelte missionstheologisch-ekklesiologische Konzeption auf katholischer Seite. Angestrebt wird eine Gemeinschaftsorientierung und soziale Ausrichtung und Verhinderung der Pervertierung der Mission zu einem westlichen Zivilisationsprojekt. Damit werden Elemente eines "Antiamerikanismus" in der deutschen Missionswissenschaft aufgezeigt.

Mit anregenden Entwürfen zu einer Entwicklung einer "Volks-Kirche?" und Christianisierung der Welt kamen manche Konzeptionen in die gedanklich Nähe von NS-Volkstumsvorstellungen?. Die Entwicklung der Missionswissenschaft unter Einfluss der "Dialektischen Theologie" und Infragestellung der Prägekraft westlicher Kultur, beginnender Dekolonisation und postkolonialer Pluralisierung der Religionswelten wird eine institutionelle Ausweitung der Disziplin erbracht.

Es kommt in der Folge zur Neubestimmung der Inhalte und des Aufgabengebietes. In diesem Kontext wurde immer wieder die Stellung in der universitären und außeruniversitären Ausbildung und das Verhältnis zur Ökumenewissenschaft und ihrer Beziehung zur Religionswissenschaft gestellte (vgl. HOCK 2011, 18-19).

13.2.6 Nachkriegszeit    

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Missionswissenschaft inhaltlich und institutionell Anerkennung vor allem in Deutschland, Skandinavien, den Niederlanden und Großbritannien gewinnen. Allerdings war ihre Wahrnehmung durch die akademische Theologie gering. Der inhaltliche Schwerpunkt verlagerte sich nach Nordamerika, wo sich bereits ungefähr vor zwei Jahrzehnten schon die Hälfte der Professuren befand, evangelikal und interkonfessionell geprägt (vgl. unterschiedlich zu Europa in der Regel nicht an staatlichen Universitäten).

Zu beachten ist, dass sich schwerpunktmäßig das Christentum in die südliche Hemisphäre verlagert hat. Missionswissenschaft kann sich heute nur noch als ökumenisches Vorhaben konzipieren, allerdings ist sie auch von großer Vielfalt und auseinanderstrebenden Tendenzen bestimmt. Im deutschsprachigen Raum katholischer Theologie sind zwei völlig unterschiedliche Richtungen in den siebziger Jahren festzustellen, einmal von Adolf Exeler als "Vergleichende Theologie" und von Ludwig Rütti weg vom der ekklesiologischen Orientierung hin auf die Weltbezogenheit missionarischen Handelns und Denkens. In der protestantischen Theologie spielten die Gegensätze zwischen evangelikal und ökumenisch eine Rolle.

In beiden Theologien bestimmten die jeweiligen konfessionellen Kontexte, hier das Zweite Vatikanische Konzil und dort die großen Weltmissionskonferenzen bzw. Konferenzen des Weltkirchenrates. Die Missionswissenschaft blieb den traditionellen Themen verhaftet, Begründungen, Zielen und Handlungsvollzügen mit Anwendungsfragen und Ausbildungen von Missionaren.

In der Folge ergeben sich neue Themen und Aufgabenbereiche wie Fragen der Friedens- und Konfliktforschung, Politischen Theologie, Entwicklungszusammenarbeit und des interreligiösen Dialogs (vgl. HOCK 2011, 20). Im pädagogischen Bemühen und der Vermittlung in Prozessen der Lehre / Lernen vollzieht sich der Kontext zu Politischer Bildung und Interkultureller Kompetenz. Die weitere Entwicklung wurde entscheidend durch den Kontext beeinflusst, der über die Inkulturationsfrage hinausführt.

Ansatzweise sind nun die Entwicklungsfragen und das Themenfeld skizziert, die den Kernbereich interkultureller Theologie betreffen. Allerdings kennzeichnet die Bestimmung der Aufgaben noch das Fehlen einer Gesamtkonzeption und einer Konzipierung. Zu erkunden sind Ursprünge der Forschungsgeschichte und die Verortung des Faches in der Gesamtheit der Theologie. Neben den bibelwissenschaftlichen, kirchengeschichtlichen, ökumenewissenschaftlichen und praktisch-theologischen Themenbereichen sind auch aus der Religionsgeschichte/ Religionswissenschaft sie einzubeziehen und damit von der theologischen Vormundschaft anzuerkennen (vgl. HOCK 2011, 21).

13.2.7 Anfänge Interkultureller Theologie    

Der Begriff des "Interkulturellen" kam mit der zunehmenden Bedeutung kulturwissenschaftlicher Kompetenz und in den sechziger Jahren zunächst im erziehungswissenschaftlichen Kontext zunächst in der Fremdsprachendidaktik und dann in der Literaturwissenschaft auf. Im pädagogischen Bereich kommt er erst spät zur Verwendung und musste sich zunächst langsam eine eigene Fachdisziplin schaffen (vgl. die Universitätslehrgänge aus der Etablierung der vorhandenen Studiengänge).

Im theologischen Bereich wurde der Begriff erstmals in den siebziger Jahren verwendet. Die Einführung ist mit den Namen Hans Jochen Margull, Walter Hollenweger und Richard Friedli verbunden, die 1975 die Reihe "Studien zur interkulturellen Geschichte des Christentums" begründeten. In der Folge wurde der Begriff langsam allgemein verwendet. 2005 wurde er zum Schlüsselbegriff von der "Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft" und von der Fachgruppe Missionswissenschaft und Religionswissenschaft sowie der "Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie" (vgl. HOCK 2011, 22).

Als Grundbausteine "Interkultureller Theologie" gelten

  • Nichtwestliche Christentumsformen können nicht in westlichen Kategorien beschrieben werden, weil es einen Bruch mit der europäischen Herkunftsgeschichte gibt.
  • Die vorhandene kulturelle, religiöse und regional-verbundene Vielfalt bestimmt die nichtwestlichen Christentumsvarianten.
  • Diese entwickeln ihre eigenen theologischen Identitäten.
  • Daraus ergeben sich Veränderungen für das Weltverhältnis des Christentums.
  • Dies verlangt eine Überschreitung traditioneller theologischer Zugänge und Methoden.
Erst 1978/ 1979 kam es zu "Leitprinzipien" als Arbeitsdefinition, vorgelegt von Walter Hollenweger, Richard Friedli und Hans Jochen Margull (vgl. HOCK 2011, 23).

  • Interkulturelle Theologie ist die wissenschaftliche Disziplin der Rede von Gott und seinem Heilsgebot im Rahmen der vorhandenen Kultur, ohne diese zu verabsolutieren.
  • Die Methode interkultureller Theologie hängt vom sozialen Kontext ab.
  • Forschungsmethoden und Gemeindemodelle müssen können und müssen durch alternative Formen des Theologisierens bereichert werden.
  • Interkulturelle Theologie befreit nicht von der Verpflichtung von den Methoden der okzidentalen Kultur gewachsenen rational-analytischen Wissenschaft, verlangt aber diese kritische Sichtung auch auf den Gesamtprozess der zwischenkulturellen, innerkirchlichen und interreligiösen Kommunikation, in dem der Okzident nur ein Teilnehmer ist, angewendet wird.
Der "interreligiöse Dialog" wird bei Friedli ein wesentliches Merkmal und ist aktuell eine integrale Dimension seither interkultureller Theologie.

Zusammenfassend ergibt sich aus Autorensicht im Bildungsbereich die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Ökumene- und kulturell-religiösen Kompetenz in einer zeitgemäßen europäischen Kulturlandschaft in ihrer Vielfalt.

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IT-Autorenbeiträge/Auswahl?    

Die IT-Beiträge? dienen der Ergänzung der Thematik.


IT-Netzwerk? "Netzwerk gegen Gewalt" > http://www.netzwerkgegengewalt.org/wiki.cgi >Index:

Migration in Österreich, Teil 1 und 2

Flucht und Vertreibung in den letzten Jahrzehnten

Vielfalt ja bitte - Welcome Diversity

Aspekte Antisemitismus in Europa

Vorberufliche Bildung

Globales Lernen

Lehrerbildung

Erwachsenenbildung

Lernkulturen der Allgemeinen Erwachsenenbildung

Altersbildung

Erwachsenenbildung im ländlichen Raum

Lehrgang Politische Bildung in der Erwachsenenbildung

Ökonomische Grundlagen in der Erwachsenenbildung

Politische Bildung

Europa als Lernfeld

Lernfeld Politik

Schule

Lehren an der Hochschule

Erziehung

Gewalt in der Schule

Gewalt in der Religion

Netzbasiertes Lernen in Theorie und Praxis

Medienarbeit

Ethnologie

Religionspädagogik

Ethik

E-Plattform? für Erwachsenenbildung in Europa/EPALE

https://ec.europa.eu/epale/de/resource-centre/content/netzwerk-gegen-gewalt

Zum Autor    

APS-Lehrer/Lehramt? für Volks- und Hauptschule (D, GS, GW) sowie Polytechnischer Lehrgang (D, SWZ, Bk); zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater; Lehrbeauftragter am Pädagogischen Institut des Landes Tirol/ Berufsorientierung bzw. Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für APS-Lehrer/Landesschulrat? für Tirol (1994-2003)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/Universität Wien/Aus- und Weiterbildung/Vorberufliche Bildung (1990/1991-2010/2011); Lehrbeauftragter am Sprachförderzentrum des Stadtschulrates Wien/Interkulturelle Kommunikation (2012); Lehrbeauftragter am Fachbereich für Geschichte/Universität Salzburg/Lehramt "Geschichte-Sozialkunde-Politische? Bildung/"Didaktik der Politischen Bildung" (2015/2016, 2017)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche in Österreich A. und H.B. (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017-2019)

Kursleiter an den VHSn Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg - "Freude an Bildung" (2012-2019) und VHS Tirol (2024)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt?/ Master (2008), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/Diplom (2012) - des 6. Lehrganges Interkulturelles Konfliktmanagement/ Bundesministerium für Inneres-Österreichischer? Integrationsfonds/Zertifizierung (2010), der Weiterbildungsakademie Österreich/Diplome (2010), des 1. Lehrganges Ökumene/Kardinal König-Akademie? Wien/Zertifizierung (2006) - der Personalentwicklung für Mitarbeiter der Universitäten Wien/Bildungsmanagement/Zertifizierungen (2008-2010) und Salzburg/ 4. Lehrgang für Hochschuldidaktik/ Zertifizierung (2015/2016) - des Online-Kurses? "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner_innen"/ TU Graz-CONEDU-Werde? Digital.at-Bundesministerium für Bildung/ Zertifizierung (2017), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium-Comenius? Institut/Zertifizierung (2018)

Aufnahme in die Liste der Sachverständigen für den NQR/Koordinierungsstelle für dem NQR, Wien (2016)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 21. Juni 2024