Kulturwissenschaft
Aspekte einer Soziokulturellen Theoriediskussion | |
Günther Dichatschek
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Einleitung | |
Die Studie ist begründet im persönlichen Interesse, Basiskenntnisse der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft zu erweitern. Die postgraduale Weiterbildung des Autors in Politischer Bildung und Interkulturellen Kompetenz soll mit Grundwissen der Kulturwissenschaft ergänzt werden.
In Anlehnung an JÄGER - LIEBSCH - STRAUB - RÜSEN (2011) wird in der Folge von Wissenschaftspositionen ausgegangen.
Teil I Grundlagen | |
1 Kulturvielfalt | |
Die Geschichte des Turmbaues zu Babel als biblische Parabel liefert Hinweise, die auch heute den Kontakt der Kulturen prägen.
Die Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt leben verstreut und erleben eine Kulturen- und Sprachenvielfalt (vgl. Gen. 1 , 4-9).
- Betont wird das Eigene und die Erfahrung des Anderen oder Fremden.
- Es ergibt sich die Frage des Umgangs mit der Verschiedenheit der Kulturen.
- In Zeiten großer Wanderungsbewegungen ist das traditionelle Kulturverständnis jedenfalls unter Druck geraten.
- Alternativ ist das gemeinsame Verständnis von Kultur als Kommunikation eine Antwort (vgl. LANG 2015).
Weitere Reaktionen sind eine Erneuerung der Erinnerungskultur und Bedeutung einer Interkulturellen und Politischen Bildung, das postkoloniale Verständnis von Kultur
(vgl. THIEMEYER 2016, 33-45).
- Als Gründe werden angeführt Deutschland/ Österreich als Einwanderungsländer bzw. Länder mit Auswanderung,
- einer sich ändernden Erinnerungskultur, Diskussionen um Eigentumsfragen an Kulturbesitz, NS - Raubkunst und kolonialer Sammlungen in Europa,
- das Fremde muss auch im eigenen Land gelernt werden (vgl. die Bedeutung "Interkultureller Kompetenz").
1.1 Herkunftskulturelle Identität | |
Auf dem Prüfstand steht das Modell einer herkunftskulturellen Identität. Es geht um die zunehmende Bedeutung interkultureller Kompetenz und Transkulturalität - Interkulturalität.
- Transkulturalität versucht nicht kulturelle Verschiedenheit zu nivellieren.
- Interkulturalität bezeichnet die Vorstellung, dass kulturelle Identität über Enkulturationsprozesse entstehen, in denen sich Menschen in Wechselwirkung mit sozialen, kulturellen und sonstigen Prägungen ihrer Umgebung befinden. Interkulturalität setzt beim konkreten Kulturträger an.
Es geht um eine begriffliche Gemengelage zu beiden Ansätzen (vgl. DÄTSCH 2018, 10-13). Eine Anwendbarkeit des Konzepts der kulturellen Übersetzbarkeit soll kulturelle Kontexte wirksam machen (vgl. die Begrifflichkeit nach BHABHA 1994, BACHMANN - MEDICK 2016).
1.2 Kulturelle Übersetzung | |
Von Interesse ist die "Theorie der kulturellen Übersetzung", die wenig bekannt ist (vgl. DÄTSCH 2018, 12).
Die folgenden theoretischen Konzepte zur Schärfung des Konzepts sind für die Praxis relevant.
- Einmal die Darstellung bei der Vermittlung von Inhalten, etwa der Inszenierung oder Konzeption einer Ausstellung.
- Zum Anderen die Frage nach den Repräsentationsstrategien, etwa von Intendanten, Kuratoren, Dramaturgen oder Lektoren und der Kulturpolitik.
- Es zeigt sich, dass die Einrichtungen und Institutionen als kulturelle Übersetzer agieren.
- Durch die Einladung fremder Kulturschaffender werden neue Perspektiven entwickelt. Damit entstehen Mitwirkende an Prozessen von kultureller Bedeutung. Benötigt werden zusätzlich Kenntnisse in der Kommunikation, Finanzierung und im Marketing (vgl. MANDEL 2008, 51-60).
2 Kulturbegrifflichkeiten | |
Die mitunter geradezu inflationäre Verwendung des Begriffs Kultur bedarf einer Analyse (vgl. KASCHUBA 1995, 27-46; DÄTSCH 218, 24-28).
Mit dem Begriff "Kulturalismus" wurde hier auf die Gefahren einer ausufernden Verwendung hingewiesen, im wissenschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Diskurs würden soziale Probleme mitunter zu kulturellen Problemen umbezeichnet.
- Mehr denn je scheint dies heute aktuell zu sein. Wenn über Geschichte, Gesellschaft oder Politik gesprochen werde, geschehe dies in "terms of culture" (vgl. KASCHUBA 1995).
- Man denke nur an die Globalisierungs- und Migrationsdebatte, ebenso an die Globalisierung durch die Ökonomie und Digitalisierung.
- Die Frage ergibt sich nach den weltweiten Vernetzungen nach kultureller Angleichung. Prozesse der Differenzierung in der Entwicklung berufen sich mitunter auf eigene Kultur (vgl. die belebte Diskussion um die sogenannte "Leitkultur").
Angesichts der Wortbedeutungen soll festgehalten sein, dass Kunst und Kultur nicht immer auf denselben Konzepten beruhen.
Kunst berührt Kultur dort, wo Praktiken einer Vermittlung bedürfen. etwa bei Kultureinrichtungen wie Theater, Film, Konzertveranstaltungen, Literaturhäusern, Museen, Galerien, Archiven, Bibliotheken und historischen Relikten.
2.1 normativer Begriff | |
Beschrieben wird vor allem künstlerische Tätigkeit und deren Artefakte, in der Regel als "Hochkultur" bezeichnet. Hier wird der Kulturbegriff als universal geltender Anspruch von Bildung und Moral erhoben (vgl. BOLTEN 2015, 42-54; DÄTSCH 2018, 23).
2.2 deskriptiver Begriff | |
Beschrieben wird als Kulturbegriff die Vorstellung, jede Formen menschlicher Praktiken wie etwa Sitten, Brauchtum, Lebensweisen sind mit einzubeziehen (vgl. die Verwendung in der Anthropologie, Ethnologie). Der Begriff kann in geschlossener (Nation, Sprache, Geographie, Religion) und offener Form (kulturelle Vernetzung, Prozessdenken) vorliegen (vgl. BOLTEN 2015, 48).
2.3 neue Begrifflichkeit | |
Seit der Einbeziehung der Sozial- und Kulturwissenschaften stellt sich der Begriff "Kultur" neu (vgl. die Perspektiven in der Kultursoziologie, RECKWITZ 2010) .
- institutioneller Kulturbegriff - Kulturbetrieb/ Kulturmanagement (vgl. KLEIN 2011, 1-8)
- populärkulturelle/ soziokulturelle Kulturpraktiken - Soziokultur, Jugendkultur, Subkultur (vgl. STOREY 2015)
Der Kulturbegriff kann Überlappungen und Vermischungen mit einbeziehen, Vernetzungen und Transkulturalität ergeben hybride Erfahrungen und Erkenntnisse (vgl. SCHNEIDER - THOMSEN 1997, 67-90).
2.4 Populärkulturen | |
Für die Politische Bildung sind die Formen der Populärkulturen von Interesse. Das Beispiel Großbritannien eignet sich gut für eine Zuordnung in Kultur und Gesellschaft (vgl. STURM 2019).
Einzubeziehen sind Aspekte wie
- Alter, soziale und ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Herkunft und Lebensort,
- ebenfalls wesentlich sind der Prozess der intellektuellen, geistigen und ästhetischen Entwicklung bzw. künstlerische und intellektuelle Tätigkeit.
- In den Lebensformen sind historische Perioden, Ideale und Symbole zu berücksichtigen.
Eine Nähe von Jugend und Populärkultur ist sinnfällig.
Nach kulturwissenschaftlich einschlägigem Begriffswörterbuch von WILLIAMS (1988) beinhaltet ein weiter Kulturbegriff nicht nur den Prozess der angeführten Aspekte und Wertvorstellungen und Wissen, auch die Gestaltungsformen der Umwelt und Institutionen (vgl. STURM 2019, 326-330).
- Im modernen Wortgebrauch dominieren die Kriterien der allgemeinen Verbreitung und Beliebtheit, aber auch Elemente der abwertenden Bedeutungen.
- Differenziert werden die Aspekte von Populärkultur unterschiedlich mit Massenkultur, Hochkultur, Kultur der Arbeiterklasse oder des Volkes.
- Populärkultur ist eine Kultur, die viele Menschen mögen,
- Texte und Praktiken entsprechen nicht dem Standard der Hochkultur,
- Kritik findet sich im Qualitätsverfall, ebenso in der manipulierenden und systemstabilisierenden Funktion,
- gegensätzlich gilt Populärkultur als Kultur vom Volk für das Volk gemacht,
- gedeutet wird auch Populärkultur als Bereich einer Entziehung einer Einordnung sozialer Gruppen in die herrschende Ordnung (vgl. STOREY 2015),
- im Zeitalter der digitaler Medien bleibt offen, ob ein Protestpotential oder ob Innovation (kreative Auseinandersetzung) bzw. profitorientierte Vermarktung (ökonomische Strukturen) entstehen kann.
Teil II Handlungsfelder | |
Folgt man der These einer Übersetzung kulturgeschichtlicher Kriterien bietet sich die Museumskultur an (vgl. VIEREGG 2006).
Nach DÄTSCH (2018, 311-323) wird im deutschsprachigen Raum beispielhaft die Museumstadt Berlin angesprochen. Für die Autorin trifft dies ebenso für die Städtische Museumskultur in Wien statt (vgl. die Bedeutung der großen Bundesmuseen, Bezirksmuseen und Privatmuseen: Stand 2019 183 Museen in Wien).
3.1 Museumsort | |
Ein Museum soll Ort der Besinnung und der Erkenntnis durch geschichtliche Erinnerung sein.
Es soll informieren, die Besucher zu Fragen der Geschichte anregen und Antworten auf Fragen anbieten.
Es soll zu kritischen Auseinandersetzung anregen, Verständnis ermöglichen, Identifikation bieten.
Es soll mit seinen Mitteln Wissen und Erfahrungsmöglichkeiten anbieten.
Es soll die geschichtliche Vorstellungskraft anregen und selbständige Urteile erleichtern.
3.2 Treffpunkt Museum | |
Museen sollten Orte gesellschaftlichen Treffens mit unterschiedlichen kulturgeschichtlichen Aufgabenstellungen bilden können, etwa
Kinderaktivitäten - Kindermuseen, Spielzeugmuseum,
Aktivitäten für Familien, Senioren und Jugendliche,
Migrantenaktivitäten - Kulturaustausch, Netzwerkarbeit, Globalisierung,
Literaturaktivitäten - Literaturkreise, Lesungen,
Universitäten - Studienaktivitäten - Studierende-Seminare?, Archive, Vernissagen, Ausstellungsbesuche-Objektsammlungen?, Praktika, Erkundungen, Projektarbeit und
Aktivitäten für Schulen, Erwachsenenbildung - Zeitzeugen, Exkursionen, Ausstellungsbesuche, Vorträge.
4 Kultur - Nation - Transkulturalität -Hybridität | |
Die Frage nach den Kulturträgern und kulturellen Merkmalen beschäftigt die Kulturwissenschaften.
Von Interesse sind die angeführten Bereiche (vgl. DÄTSCH 2018, 355-367).
4.1 Geert Hofstede | |
Als Beispiel einer Verallgemeinerung dient Geert HOFSTEDES Buch "Culture's Consequences. Comparing Values, Behaviors, Institutions, and Organizations Across Nations"(1980/2009).
Er vertritt den traditionellen nationalistischen Kulturbegriff für seine umfangreiche Untersuchung internationaler Wirtschaft.
Problematisch ist die Überbewertung der Prägekraft der Nation und die Vernachlässigung der weiteren Kulturträger sowie die Betonung der Nation als einzige Kulturträgerin und ihre determenistische Kraft (vgl. SCHMITZ 2015, 32-37).
4.2 Wolfgang Welsch | |
Das Individuum ist durchaus in mehreren räumlich entgrenzten Kulturen (transkulturell) verortet (vgl. WELSCH 2009, 3).
- Dazu gehören etwa das Geschlecht, die Altersgruppe, Hobbygemeinschaft, ethnische Gemeinschaften und Bildungsgänge.
- Eine Nation kann aus mehreren/ vielen Kulturen, Sprachen und Ethnien gebildet werden - man denke etwa an Indien, Belgien oder die Schweiz.
- Nationalstaaten können ihre Territorien verändern (man denke an Deutschland nach 1989), die Nationalität kann in Einwanderungsländern nicht der Lebenskultur entsprechen, ebenso kann eine Person mehrere Staatsbürgerschaften besitzen und damit mehreren Nation angehören.
- Diese Umstände lassen an der Trennschärfe zwischen nationalen Kulturen zweifeln. Zudem vernetzen und verengen die Medien die Kommunikation und Information. Eine weltweite Globalisierung etwa im Handel und der Kultur dynamisiert die Identität.
Der Kulturbegriff wird daher heute dynamisch aufgefasst und widerspricht der Annahme einer homogenen Einheit.
4.3 Homi Bhabha | |
Kulturen lösen sich von Orten und Nationen und nehmen hybride Strukturen an.
Homi K. BHABHA mit postkolonialer Perspektive zeigt, dass vermengte Kulturen keine Summe ihrer Einheit bilden. Vielmehr sind sie offen und hybrid. Der Mensch kann zwischen verschiedenen Kulturen wählen (vgl. BHABHA 2012).
Der Kulturtourismus zählt zu den wesentlichen Trends im globalen Tourismus (vgl. DÄTSCH 2018, 383-400). Hohe Wachstumsraten werden prognostiziert. Der ländliche Raum ist zunehmend auch von Interesse (vgl. HAUSMANN 2020).
- Ihm wird ein Erhalt der lokalen Kultur und die kulturelle Interaktion zwischen den Touristen und Einheimischen zugeschrieben (vgl. OECD 2009, 9-10).
- Wichtig ist die Erfahrung des kulturell Anderen.
- Ergeben sollte sich bzw. berührt werden sollte eine interkulturelle Verständigung und Verstehen sowie Formen der Transkulturalität.
- Diese Kontaktperspektive ermöglicht einen Perspektivenwechsel, wichtig ist die Rolle des Reiseführers ("cultural broker").
- Kritisch sind Abhängigkeiten zu vermerken, vor einer neo - kolonialen Einstellung ist zu warnen.
5.1 Begegnung mit dem Anderen | |
Es gilt als Bruch der Wahrnehmung ästhetische Wahrnehmungen des Anderen machen zu können. Ausformungen sind Einblicke in die Hochkultur und Populärkultur, Kunsthandwerk, Kulturstätten, Museen, Sprache, Theater, Musik und auch die Gastronomie (vgl. RICHARDS 2005, 24-25).
Es geht um Erleben einer fremden Kultur.
Der Ferntourismus beinhaltet den Reiz der Exotik.
Viele Touristen beschränken die bereiste Kultur auf traditionelle Kunst und Folklore.
Durch die Mischung von Anerkennung und Abstoßung kann es zur Wahrnehmung der Überlegenheit der eigenen Kultur kommen.
5.2 Reflexion | |
Die Kontaktzone bildet einen Raum mit Abgrenzungen vom Eigenen, Abhängigkeiten, Überlagerungen und Neugier.
Eine Frage der Perspektive bleibt die Suche nach Hybridität (Dekonstruktion) oder von Gemeinsamkeiten (Transkulturalität).
6 Kultur - Wissensgesellschaft | |
Geänderte Verhältnisse ergeben neue bzw. andere Sichtweisen und Handlungsbedingungen. Die Umsetzung ergibt neue Erwartungen und Herausforderungen an Institutionen einer modernen Gesellschaft etwa den Staat, die Wirtschaft, das Militär, die Bildungsinstitutionen bzw. das Erziehungswesen und die Kirchen.
6.1 Wissensgesellschaften | |
Im Buch von John Stuart MILL "The Spirit of Age" (1831/1942) wird die Überzeugung publiziert, dass ein gesellschaftlicher Fortschritt möglich sei, auf Grund einer Kultivierung einer Steigerung intellektueller Fortschritte (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 34-35).
- Die Möglichkeit gesellschaftlicher Aufwärtsentwicklung und besserer sozialer Bedingungen sind dagegen das Resultat sozialer Verbreitung des Wissens in der Gesellschaft.
- Als Bewunderer der Amerikastudie von Alexis de TOCQUEVILLES "Demokratie in Amerika" (1835-1840), wo Bildung und Wissen für die bzw. in der Demokratie von Bedeutung sind, dies vor allem in der Erfahrung der Bürger mit der Praxis der Mitbestimmung im politischen System.
- MILL hat dagegen Vertrauen in die sich verstärkende Fähigkeit von Aufklärung, Bildung und Wissen als hinreichende Bedingungen für die Stärke von Demokratien, in der Intellektuelle und Wissenschaftler mit zentralen politischen Funktionen ausgestattet werden sollen.
Ein häufiger Einwand gegen die Wissensgesellschaft ist ein historischer.
- Betont wird die Überzeugung, wir hätten schon immer in Wissensgesellschaften gelebt. Man denke nur an die Hochkulturen mit ihren Staats-, Wirtschafts-, Sozial- und Bildungssystemen, etwa Babylon, Sumer, Ägypten, Rom, China und das Aztekenreich.
- Die Überlegenheit ihres Wissens sogar der Informationsmittel, nicht nur der physischen Dominanz war wesentlich.
- Wissen ist eine universelle und anthropologische Eigenschaft des Menschen. Historisch an den "S" gekennzeichnet wie, dem Städtebau, den Straßen, der Schrift, dem Staatsgebilde und Steuern. Der Wissensbegriff wird ein Grundpfeiler einer Theorie der modernen Gesellschaft.
Für das Zusammenleben spielt Wissen ein Rolle, damit ändert es sich im Laufe der Zeit, das Selbstverständnis und seine kennzeichnende Faktoren (vgl. Allgemeinwissen, Spezialwissen, Ursachenwissen und Überblickswissen, praktisches Wissen; man denke an die Verbindung von Wissen, Bildung und Erziehung).
6.2 Wissen - Handlungsvermögen | |
Man kann davon ausgehen, dass Wissen als Fähigkeit zum sozialen Handeln (Handlungsvermögen) und Ergebnis von soziales Handeln und damit ein Modell für die Wirklichkeit darstellt (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 40-41).
- Wissen ändert die Realität, bereichert menschliches Können.
- Es verbindet zum sozialen Handeln.
- Wissen zu nutzen bedeutet Fähigkeit. Diese wiederum ergibt ein Potential zur Umsetzung und Handlungsorientierung.
- Als soziologische Kategorie betrachtet ist seine Verwendung ein Vermögen in Verbindung mit Verfügungsgewalt und rechtlich gesehen ein Eigentum.
Nach GIDDENS (1984, 21-22, 27) umfasst der Begriff "kowledgebility" praktisches Wissen und damit Bezug zum sozialen Handeln. Es entsteht Autorität, Solidarität und gesellschaftliche Macht in modernen Gesellschaften.
- Zu bedenken ist das Problem der Verwertbarkeit,
- damit auch der Faktor Macht, etwa in der Nukleartechnologie, in der Veränderbarkeit von Saatgut oder der Genetik sowie im Einsatz von Chemikalien.
Der Stellenwert des wissenschaftlichen Wissen resultiert zusätzliche Handlungsmöglichkeiten konstituiert. Das Wissen ist Basis eine fortschreitenden Modernisierung.
6.3 Risiken des Wissens | |
Unterschätzt werden weitgehend Risiken einer wissenschaftlich-technischen Entwicklung (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 46-48).
- Wesentlich ist ein emanzipatorisches Potential durch Wissen. Diese Sichtweise birgt laut Kulturwissenschaften ein Risiko, dass durch den Verzicht an einen natürlichen Fortschritt in der Natur und Menschenwelt und des Vertrauens an den humanen Sinn der intellektuellen und moralischen Anstrengungen ein befreiendes Potential der Wissenschaft schwer verständlich sein kann (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 46).
- Eine Entzauberung der Wissenschaftsgläubigkeit meint die Illusion aufzugeben, Wissenschaft bringe den Weg zur Wahrheit.
Eine realistische Einschätzung der gesellschaftlichen Rolle kommt zum Schluss, dass eine Ausweitung der Handlungsmöglichkeiten mit Risiken birgt, auch ein hohes befreiendes Potential für viele Menschen und soziale Gruppen besitzt.
Ein möglichst offener Zugang zu Bildungsinstitutionen sichert dieses Bemühen als demokratisches Recht einer weiten sozialen Wissensverteilung.
In modernen Gesellschaften bedarf es zunehmend einer Begleitung in Fort- und Weiterbildung mit fachspezifischen und ethischen Elementen. Als Herausforderungen gelten die Bildung einer Wissens- bzw. Bildungskultur und einer lebensbegleitenden Lernkultur (vgl. die Aufgabenstellung einer Schul- und Erwachsenenpädagogik).
Kulturwissenschaftlich ergibt sich eine Wende angesichts der zunehmenden Medialisierung und Globalisierung.
- Die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft erhebt mit der Kommunikation (vgl. SCHMIDT - ZURSTIEGE 2000) und
- die Kulturwissenschaft mit dem Paradigma der Kultur ihre Schwerpunkte (vgl. BÖHME - MATUSSEK - MÜLLER 2000).
Die Medienwissenschaft steht im Brennpunkt beider Trends, nicht zu übersehen ist in der Handlungsorientierung die Medienpädagogik bzw. Medienbildung (vgl. BACHMAIR 2010).
7.1 Medienbegrifflichkeit | |
- Verwendet wird der Begriff in den Wahrnehmungsmedien neben den Anschauungsformen von Raum und Zeit (vgl. die Bedeutung der Sinnesorgane),
- verwendet wird der Begriff in den Verbreitungs-, Verarbeitungsmedien- und Speichermedien (vgl. die Bedeutung von Stein, Papyrus, Maske, Fotografie, Funk, Telefon und Video),
- ebenso verendet wird der Begriff in den Kommunikationsmedien (vgl. die Bedeutung der Zeichensysteme, Gestik, Mimik, Tanz und Theater).
Gebrauchstheoretisch wird der Verwendungszweck des Mediums allgemein verwendet. Die Semantik des Begriffs tritt damit in den Hintergrund (vgl. JAEGER - LIBESCH 2011, 120-121).
7.2 Mediengeschichte | |
Einzugehen ist auf den historischen Zusammenhang zwischen Medien und Kommunikation.
Der Kontext zwischen dem technischen Verbreitungsmedium des Buchdrucks und dem Medium der Sprache wird mit dem Konzept der "lingue" deutlich.
- Vorrangig transportiert der Buchdruck die Sprache als Schrift gedruckte Kommunikation, vereinzelt Zeichnungen, Graphiken, Bilder und Fotografien (vgl. GIESECKE 2002).
- Die Einführung der Standardsprache lässt sich auf die Einführung von Wörterbüchern durch in massenmediales Kommunikationssystem zurückführen. Das Beispiel Österreich weist eindrucksvoll auf die Einführung des "Österreichischen Wörterbuchs" (Schulausgabe, Stand 2020, 43. Ausgabe) hin.
- Mit der Etablierung der elektronischen Massenmedien - Hörfunk, Fernsehen - kommt es zur Veränderung von Kommunikationsparadigmen.
- Mit dem Computer und Ausbreitung des Internets erweitert eine digitale Datenmaschine die bisherigen technischen Leitmedien und es kommt zur Relativierung der allgemeinen Kommunikationstheorie. Nach FASSLER (2001, 239) sind nun Meinungsbildung und Informationsverarbeitung in digitalen Netzwerken zusätzliche Aspekte mit der Notwendigkeit einer Sozialtheorie des Internet.
Eine mediengeschichtliche Problematisierung wirkt auf die Kulturwissenschaften.
Die angelsächsischen Länder haben bereits ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit den "Cultural Studies" eigene Fächer bzw. Studiengänge eingerichtet.
7.3.1 Stuart Hall | |
Als einer der Begründer und Hauptvertreter der "Cultural Studies" beschäftigt er sich mit kulturellen Praktiken und gab antikolonialistischen und antiimperialistischen Bewegungen wichtige Impulse. Die Begriffe "Thatcherismus" und "New Left" sind im Kontext mit seiner Person zu verstehen, er galt als führender Kulturtheoretiker Großbritanniens (vgl. KROTZ 2009, 210-223).
Das Forschungsfeld der Cultural Studies bedeutet Kultur im weitesten Sinn.
- Die Begründung fällt in die Gründung des Centre for Contemperorary Cultural Studies (CCCs).
- Das "magische Dreieck" der Cultural Studies setzt sich aus der "Trias Kultur - Macht - Identität" zusammen.
Der Einfluss der Medien insbesondere auf den Alltagsverstand erweist sich in der Produktion von sozialem Wissen, etwa in der Schaffung von Werten, Klassifikationen und Lebensstilen. Die damalige Medientheorie geht weg von der Apparatur hin zur Politik.
- Es entwickelt sich das Kommunikationsmodell Kodieren/ Dekodieren (1977) und stellt den Versuch dar, Kommunikation auf einer kulturell - politischen Ebene zu verstehen.
- Das Anliegen richtet sich gegen die Vorstellung von Inhalt als feststehende Bedeutung, die dann als Übertragung von Sender zum Empfänger analysiert werden könnte.
- Kodieren und Dekodieren operiert mit zur Verfügung stehenden Kodes Geschehnisse übersetzbar zu machen, die Nachricht wird mit Bedeutung versehen (vgl. MARCHART 2008, 145).
Stuart HALL unterscheidet in der relativen Autonomie der Konsumenten drei Lesearten.
- Vorzugslesart/ dominant - hegemonialer Ansatz mit der vollen Übernahme der konnotierten Bedeutung
- Ausgehandelte Lesart mit der Anerkennung der Legitimität der hegemonialen Definition, aufgestellte begrenzte eigenen Grundregeln
- Oppositionelle Lesart mit der Ablehnung der Nachricht
Repräsentation als soziale Praxis und Schlüsselelement für die Cultural Studies
- bündelt die Bedeutung und Sprache zu Kultur
- konstruiert ihre Bedeutung, die Zuschreibungen werden kulturell, sozial und sprachlich etabliert (vgl. die Ideen des Konstruktivismus).
Die Verbindung zur Bildung von Identität ergibt in Konsequenz Neue Ethnizitäten.
- Der Ausdruck wird bewusst für die Anerkennung des Stellenwertes, den Geschichte, Sprache und Kultur für die Konstruktion von Subjektivität und Identität einnehmen.
- In der Folge des Ausdrucks "differance" von Jaques Derrida ist Ethnizität entkoppelt von Rassismus, Nationalismus, Imperialismus und Staat.
- "Ethnische Minderheiten" mit ihrer binären Struktur erweitert Hall und rechnet jedem Individuum eine Herkunft mit bestimmter Geschichte und Erfahrung zu.
Zur Postmoderne nimmt Hall eine ambivalente Haltung ein. Er vermisst bei Michel Foucault eine ideologische Dimension im Diskursiven. Zum Verständnis im Diskursiven gehören für Hall die Repräsentation, Bedeutungsgebung oder Ideologie, Gesellschaften und ihre soziale Praktiken zu verstehen.
7.3.2 Andreas Reckwitz | |
Andreas RECKWITZ unterscheidet den Kulturbegriff in vier wirkungsmächtige Traditionen,
- den normativen Ansatz,
- den totalitätsorientierten Ansatz,
- den differenzierungstheoretischen Ansatz und
- den wissensorientierten Ansatz (vgl. RECKWITZ 2000, 64-90).
Gemeinsam ist den vier Traditionen, die Tendenz zu einem traditionalistischen Homogenitätsbegriff (vgl. RECKWITZ 2000, 543).
Wolfgang WELSCH (1999, 122-126) hat darauf hingewiesen, dass ethnische Fundierung und der interkulturelle Separatismus den normativen und der Multikulturalismus den differenztheoretischen Ansatz verbindet. Die Vertreter des multikulturellen Konzepts gehen von homogenen und erst sekundär hybridisierten Einzelkulturen aus.
Die Homogenitätsannahme von RECKWITZ und die Problemstellung von WELSCH wird von GIESECKE in seinem transmedialen Publikationsprojekt mit dem Buchdruck als Kulturkonzept in dreifacher Weise in Verbindung gebracht (vgl. Kap. 7.2).
- Kultur als homogenes System einheitlicher Regeln,
- Bildungsinstitutionen setzen soziale Homogenisierungsinstrumente ein, die der Gleichschaltung individueller Informationsverarbeitung dienen,
- letztlich erscheint Kultur als ein Regelsystem, sich auf einen homogenen Gegenstandsbereich bezieht symbolische Ordnung von Normen, Werten, Bedeutungen, Überzeugungen, Handlungsroutinen und Praktiken.
Dieses Kulturverständnis einer geprägten Industriegesellschaft wird nicht in Frage auch in einer Orientierung an elektronischen und digitalen Leitmedien gestellt (vgl. JAEGER - LIEBSCH 2011, 124).
7.3.3 Michael Giesecke | |
Er schlug die Entwicklung eines neuartigen Kulturkonzepts vor.
- Kultur als inhomogenes Netzwerk artverschiedener Elemente (vgl. GIESECKE 2002, 372),
- als Kultur bestimmende Vernetzung von sozialen, technischen und natürlichen Gegenständen wird als "Projekt einer ökologischen Theorie und Geschichte kultureller Kommunikation" untersucht.
- Er greift auf eine informationstechnische Metatheorie zurück, die Kommunikation als Parallelverarbeitung von Informationen beschreibt. Genutzt wird eine erweiterte technische Terminologie, dass sie als "Konzeptnetzwerk" die multiperspektivische Konstruktion der eigenen Grundlagen leistet.
- Diese projektierte "kulturelle Informatik" Versteht sich als kulturtherapeutische Beraterperspektive im Gegensatz zur systemtheoretischen Beobachterposition (vgl. GIESECKE 2002, 20 und 17).
Als Ausgangspunkt bietet sich eine kulturwissenschaftliche Flexibilisierung der Informationstheorie als ausgerichtete "corporate identity" an. Vorausgesetzt werden die Fundierungsverhältnisse zwischen Medien, Kommunikation und Kultur, kulturpolitische und pragmatisch demokratische geprägte Kommunikationsverhältnisse.
8.1 Kulturelle Vielfalt | |
Kulturelle Entwicklung lässt sich nicht über Innovation beschreiben, vielmehr über Ausdifferenzierungsprozesse als Teilbereiche von Kultur (Subsysteme).
Beispiele dafür sind die Wirtschaft, das Recht, die Kunst und Religion.
- Unterschiedliche Entwicklungen bilden sich heraus, Lebensbereiche und Lebensformen (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 21-33).
- Räumliche Trennungen und Rollenübernahmen ergeben Möglichkeiten sich in einer Kultur Sonderformen der Lebensweisen bzw. Lebensformen zu schaffen und zu erhalten. Ebenso entstehen in den Kulturbereichen zugeordnete Wissensbereiche.
- Zur Stärkung kommt es zu systemintegrierenden Leistungen, etwa einem normativen Konsens und Verhaltensnormierungen. Für die Religion gelten eigene Kommunikationsformen, Religiosität als "Religion in der Kultur" und eigene Binnenregelungen als Unterscheidung zu anderen Teilbereichen.
- In gewisser Hinsicht ist Religion ein kultureller Teilbereich, der die Differenzierungsfolgen ständig zurück zu nehmen versucht.
- Man denke an religiösen Vorgaben etwa für die Wirtschaft, das Recht und später die Wissenschaften.
- Daraus erklärt sich die Dynamik europäischer Entwicklung, in denen eine Kompetenz der Religion mit den in der Geschichtlichkeit zunehmenden Kompetenzen anderer Professionen in Konflikt tritt.
- Wenn Grenzen wie in der Renaissance und Aufklärung erreicht sind, ergeben sich Orientierungskonflikte. Das religiöse Sinnsystem ist dann ein Sinnsystem unter anderen oder anderen in seiner Reichweite eingeschränkt werden(vgl. Säkularisierung).
Mit einer Zunahme kultureller Komplexität ist ein Anwachsen der Freiheit in der Wahl von Orientierungen möglich, bis hin zu einem Wechsel der Religion oder ohne religiöses Bekenntnis.
Dies scheint ein strukturelles Problem monotheistischer Religionen zu sein. Besonders der Anspruch der alleinigen Wahrheit und der Folgerungen muss auf einer Metaebene bedient werden.
Diese gerät in die Hände von Spezialisten, die Anwendungsregeln und Anspruchsbereiche für die einzelnen Metaebenen vorgeben (vgl. LUHMANN 1977, 89-90, 106). In modernen Staaten gibt es in der Folge etwa theologische Bildungsinstitutionen, Seelsorge und caritativ-diakonische Einrichtungen (vgl. in diesem Kontext Österreich).
Damit kommt es zur Professionalisierung von Religionen. Systeminterne Ansprüche werden erzeugt (vgl. die Verbindung von Staat und Religion). Eigene Deutungsmuster entwerfen eigene Semantiken (vgl. die Bemühungen in der Ökumene mit dem Projekt "Ökumenische Schöpfungszeit").
8.2 Passung von Religionen | |
In der Verschiedenheit kultureller Subsysteme, positiver Religionen zu den umgebenden Teilsystemen, entsteht das Problem einer "Passung"(Anpassung). Wie genau passt eine Religion in ihre Kultur (vgl. GLADIGOW 1999, 13-31).
- Die großen Religionen und ihre Vorstellungen und Leitideen orientieren sich an einer früh - agrarischen Stufe kultureller Entwicklung mit dem entsprechenden begrenzten technologischen Repertoire.
- Agrarische Praxis, einfache handwerkliche Techniken und ein beschränktes Rechts- und Wirtschaftssystem sind ein Orientierungsmuster für religiöse Operationen (vgl. CANCIK - GLADIGOW - KOHL 1993, 289-298).
Einer eigenen Entwicklungslogik folgen die großen professionell geführten Religionen mit naturwissenschaftlichen Paradigmen, etwa in den New - Age -Entwürfen, auch im Einsatz neuer kommunikativer Medien,
- historisch der Erfolg der Reformation mit dem Buchdruck und
- aktuell Bibel - TV im deutschsprachigen Raum.
8.3 Verlust der Einheit | |
Nach der herrschenden Meinung soll der Verlust einer Einheit von gesellschaftlichem und religiösem Bewusstsein eine Folge des Säkularisierungsprozesses in der Neuzeit sein (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 25).
- Eine Einheit bestehe nur noch bei besonderen religiösen Gruppierungen, wobei die Prämisse sei, ein Mensch könne nur eine Religion haben.
- Die Folge sei, Religion decke alle gesellschaftlichen Wandlungsprozesse ab.
Nach BERGER (1980) kommt es zu einem freien Wechsel der Orientierungssysteme, wie er in komplexen Kulturen vermutlich immer praktiziert worden ist.
- Eine Pluralisierung der sozialen Lebenswelten ist zum Problem der Privatisierung von Religion geworden.
- Goethes Selbsteinschätzung kann als Beispiel gelten. Als Dichter und Künstler sei er Polytheist, als Naturforscher Pantheist und als sittlicher Mensch sinngemäß Christ.
9.1 Politischer Kulturbegriff | |
"Political culture" fügte sich in die politischen Wissenschaften ein. Es fand aber kein Paradigmenwechsel statt (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 413).
- Entpolitisierende Ansätze im Kontext des Kulturbegriffs wie der "ligustic turn" und interaktionistische Konzepte fanden keine Aufnahme.
- Zudem kam es mit den sechziger Jahren in der Politikwissenschaft zu einem methodischen Schub, etwa zu quantifizierenden und großen Datenmengen und Makroperspektiven, die Politikforschung wurde eine empirische Sozialwissenschaft.
- Die entstandenen Politische Bildung in den siebziger Jahren vollzog ebenfalls den "political turn" im Kontext der "realistischen Wende" in der Pädagogik und der zunehmenden Hinwendung zur entstandenen Zeitgeschichte.
Politik ist - auch im Alltagsverständnis - in hohen Maß von kulturellen Codes bestimmt.
- Man beachte nur die Rituale in bzw. von Wahlkämpfen, die symbolische Politik, die substanzlosen Politikersprache, Verallgemeinerungen der "politischen Klasse"(Sprache und Argumentation meist in abwertender Art).
- Kennzeichnend ist das politische Feld mit symbolischem Handeln, ritualisierter Kommunikation und unausgesprochenen Annahmen.
- Die Sinnhaftigkeit von Politik erfolgt häufig durch Traditionsschöpfung und Zitation, Stellvertretungshandeln und symbolische Repräsentationen.
Es kommt in der Folge zu einer kulturwissenschaftlichen Umorientierung, die einen Schub durch die weltpolitischen Wenden seit den späten achtziger Jahren begründet und motiviert (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 413)
Von Interesse ist daher der eingeführte Kulturbegriff (" cultural turn") in der Tradition zu Talcott PARSON im Kontext mit der empirischen Sozialforschung (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 414).
- Unter dem Titel "The Civic Culture" legten die US - Politologen Gabriel ALMOND und Sidney VERBA (1963) eine international vergleichende Studie vor, die nach dem Ansatz der "Comparative Politics" die Faktoren des Zustandekommens von Politik erfassen wollte.
- Comparative Politics entstand aus dem Dekolonisationsprozess und der folgenden Staatenbildung in der Dritten Welt und Erkenntnis, dass institutionelle Muster, Handlungsorientierungen und Wertordnungen nicht ohne weiteres vergleichbar seien.
- Es geht um Einstellungen von Bürgern zur Politik. die Wahrnehmung von Regierungshandeln, politische Kenntnisse und Vorstellungen der eigenen Rolle als Staatsbürger.
- Der US - Politologe Murray EDELMAN (1964/1976) sieht in seinem Buch "The Symbolic Uses of Politics" Symbolisierungen als ein Mittel der Manipulation.
- Politik wird als Spektakel zum Ablenken von den Machtverhältnissen konstruiert.
- Es geht auch um eine Modernisierung der Wahlkämpfe und der Demokratie (vgl. EDELMAN 1988; DÖRNER - VOGT 2002, 43-68).
- Seit den achtziger Jahren hat eine Aufnahme kulturwissenschaftlicher Ansätze stattgefunden, etwa einer Analyse symbolischer Politik der italienischen Linken (vgl. KERTZER 1988). Demnach bedarf es durch die Komplexität der Probleme, möglicher Lösungen und kollektiver Identitäten der Symbole.
9.2 Perspektiven | |
Politik als Kommunikation und der fortschreitende Prozess der Virtualisierung und Digitalisierung haben einen zunehmenden Stellenwert.
Der weltgeschichtliche Wandel seit den späten achtziger Jahren und der 11. September 2001 lässt erkennen, das kulturelle Codes eine wichtigere Rolle spielen werden und im Zeichen partikulärer Identitätspolitik auch eher trennend als gemeinschaftsbildend sein werden (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 421).
Kulturwissenschaftliche Orientierung wird als Zukunftsaufgabe der Politischen Bildung zunehmend wichtiger werden (vgl. die IT - Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Politische Bildung, Interkulturelle Bildung). Wir leben mitten in einem epochalen Gestaltwandel.
- Die Frage nach der Zukunft der Nationalstaaten ist gestellt (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 422).
- Hochgerüstete Militärapparate vermögen Konflikte heutiger Intensität wie Anschläge, Terror und individuelle Aktionen nicht verhindern (vgl. den IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Friedenslernen).
- Das Versagen staatlicher Strukturen etwa in Afrika und Lateinamerika hat noch keine schlüssigen Antworten gefunden.
- Neben dieser Perspektive gibt es die Dimension einer Stärkung übernationaler Institutionen (vgl. am Beispiel der EU die Zielsetzung von Konfliktlösungen und einer langen Friedensperiode, die Stärkung von Bürgerrechten und der Zivilgesellschaft bzw. Vergesellschaftlichung der Politik; BECK 1993).
Ungeachtet dieser Konzeption hat etwa das Ende des West - Ost - Konflikts zu keiner friedlichen Weltordnung geführt, im Gegenteil einem Aufbrechen von kulturellen und ethnischen Konflikten mit großer Brutalität. Das Phänomen Gewalt mit ritualisierten Abläufen und Regellosigkeiten ist kein Übergangsphänomen in internationalen Beziehungen geworden (vgl. SOFSKY 1996).
Die Frage nach den kulturellen Prägungen wird von der Frage der Legitimität begleitet. Gewalt wird auch von einer Rechtfertigung medialer, juristischer und politischer Umstände bzw. politischer Strukturen flankiert (vgl. Gewalt im Nahen Osten).
9.3 Politische Kultur von Demokratie | |
Die Erfindung der Demokratie und Zivilgesellschaft in der Antike hatte als kulturelle Voraussetzung die Schrift und ihre kommunikative Nutzung (vgl. BRUNKHORST 2000, 43-45).
Dominierend bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren die Großreiche (vgl. die Ausnahme des Imperium Romanum).
- In Frankreich und den USA kam es Ende des 18. Jahrhunderts zur Verfassungsrevolution (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 489).
- In der Folge entsteht eine Identität von Herrschenden und Beherrschten mit einer Verrechtlichung mit individuellen Freiheitsrechten und einem Legalismus des Rechtssystems.
Der Ort der demokratischen Revolution war jetzt der National- und Territorialstaat.
In der Folge kommt es national - ökonomisch von nationaler Selbstbestimmung zum Imperialismus als globalisierter Klassenkampf, kulturell als Spannungsbogen europäischer und nationaler Hegemonie.
In der Folge expandiert durch die Globalisierung der Eurozentrismus in den entstandenen Funktionssystemen von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Verkehr, Militär, Recht bis zum Sport. Aktuell kommt es zum Abbau durch Konzepte einer De - Kolonisierung und Internationalisierung.
Die entstehende Weltgesellschaft kennzeichnet sich in der politischen Kultur von Demokratie und Zivilgesellschaft durch die Elemente
- Öffentlichkeit - Weltoffenheit,
- Gesetzgebung - Parlamentarismus und
- Globalisierung.
10. 1 Einführung | |
Es ist strittig, ob die Kulturpädagogik eine Teildisziplin der "Pädagogik" bezeichnet ist oder ob eine eigenständige Ausbildung im praktisch-künstlerischen Tun im Kontext mit der sich drauf beziehenden wissenschaftlichen Reflektion gemeint ist (vgl. CLOER 1989. 21-27; JAEGER - STRAUB 2011, 602).
- Es gibt Überschneidungen mit Subdisziplinen der Erziehungswissenschaft, Schulpädagogik und Erwachsenenpädagogik (vgl. für alle drei Bereiche beispielhaft die Subdisziplinen Politische Bildung, Interkulturelle Kompetenz, Lernkulturen, Persönlichkeitsbildung und Ethik).
- Unklar ist die die Heterogenität der Praxisbereiche und Unbestimmtheit des Berufsfeldes.
- Als Arbeitsgebiete werden genannt Theater, Museen, Stadtteilarbeit, Musik- und Kunstschulen (vgl. das Fehlen von Kulturerziehung als Unterrichtsprinzip in der Fachliteratur).
- Es geht thematisch um eine Aneignung kultureller Artefakte und eine sinnliche Bereicherung in einer als weitgehend rational-technokratisch eingeschätzten Lebenswelt.
- Das Lamento über eine lebensferne "Buchschule" erweiterte sich über eine Kulturklage mit einer Verlustbilanz (vgl. JAEGER - STRAUB 2011, 603).
Die unklare Situation ergibt in der Folge, dass viele Überblicksdarstellungen von kulturwissenschaftlichen Fragestellungen die Pädagogik aussparen (vgl. NÜNNING - NÜNNING 2003).
- Gründe dürften wohl der Mangel an Übereinstimmung im Begriff Kultur sein.
- Ähnliches gilt für Konzepte für den Bildungsbegriff.
- Man denke nur an die römische Klassik, in der "cultura" Pflege meinte.
- Cicero prägte den Begriff "cultura animi", er im weitesten Sinne Bildung bedeutete (vgl. JAEGER - STRAUB 2011, 602).
- Im deutschsprachigen Selbstverständnis erhalten erst im 19. Jahrhundert Bildung und Kultur einen entscheidenden Sinn. Sie stehen für gesellschaftliche Entwicklungen, die als Verfall und Modernisierungskrise wahrgenommen werden.
Bei Gustav KLEMM 1851 wird Kultur als eine Art von sittlicher Pädagogik gesehen, die taugliche Staatsbürger macht (vgl. BÖHME - MATTUSEK - MÜLLER 2002, 35). Es kommt hier dazu, dass der Kulturbegriff und das Verständnis von Pädagogik in ihrer Bedeutung reduziert im Gebrauch sind.
Kultur und der in Folge bevorzugte Gesellschaftsbegriff werden ab den siebziger Jahren zu einer Kategorie erweitert, die eine Breite an Arbeitsfeldern bezeichnet.
- Die kulturpädagogische Arbeit orientiert sich politisch und gesellschaftsbezogen an der sozialen Realität und deren Veränderbarkeit, bezogen auf den individuellen Menschen.
- Ein umfassender Kulturbegriff bezeichnet Lebens-und Sozialformen, nicht nur den Bereich des künstlerischen (vgl. etwa Streitkultur, Wohnkultur, Esskultur, Städtekulturen).
10.2 Entwicklung | |
10.2.1 Sozialer Strukturwandel | |
In diesem sozialen Strukturwandel hat die Verwendung des Kulturbegriffs in der (Pädagogik) Erziehungswissenschaft unterschiedliche Funktionen.
- Ermöglicht wird eine Wiederbelebung kulturkritischer, phänomenologische und lebensphilosophischer Traditionen.
- Die geisteswissenschaftliche Pädagogik erfuhr kulturwissenschaftlich eine neue Wertschätzung (vgl. MOLLENHAUER 1983).
Wenn in der Orientierung und den Einführungen zur Kulturwissenschaft die "Pädagogik" gelegentlich übergangen wird, zeigt sich ihre Bedeutung in entsprechenden universitären Studiengängen (vgl. etwa Universität Hildesheim, Gesamthochschule Siegen, Universität Bayreuth; in Österreich Kunstuniversität Linz, Abt, Kulturwissenschaft).
- Auffallend sind Publikationen zu Medientheorien/ Konzepten und ein Anschluss an ehemals geisteswissenschaftliche Disziplinen.
- Thematisiert werden auch interkulturelle Gegenstands- und Erfahrungsbereiche. Die Politische Bildung beachtet auch kulturwissenschaftliche Bereiche (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Ausgabe Politik und Zeitgeschichte, B50/2001, "Politische Kultur - politische Bildung", Bonn).
10.2.2 Wilhelm Humboldt | |
Von Interesse sind die Überlegungen von Wilhelm HUMBOLDT (1980, 234-240).
- Er begrüßt die Ziele der Französischen Revolution und verachtet ihre Durchführung.
- Es geht um die Vollendung der Ausbildung der Menschheit, als ein Ganzes (vgl. HUMBOLDT 1980, 234).
Er denkt vor allem in bildungspraktischer Perspektive, weil er in seinem Bildungsideal die Verschiebungen im geistigen Erfahrungskapital aufgreift und forciert.
- Er bündelt unterschiedliche Traditionen, bringt die Kritik am Absolutismus und bürgerlichen Erwerbsleben zum Ausdruck.
- Formuliert werden mit dem Bildungsideal die Ansprüche der Schicht, die ihre höheren Individualisierungschancen nutzen will und als gebildete Stände bzw. Klassen aufgewertet werden.
- "Kultur" versteht sich nach dem Vorbild der Klassik als ein Bildungsideal mit den Eigentümlichkeiten der Personen und den dafür gestalteten Institutionen.
10.2.3 Reformpädagogik | |
Allgemein beklagte man den Verfall und Verlust der Lebendigkeit von "Bildung", die Abstraktion der Wissenschaft von der Lebenswelt, das Nützlichkeitskalkül, den Schwund bindender Werte, die Produktion sinnlosen Wissens (vgl. aktuell "träges Wissen").
Ein Materialismus beherrsche das Denken und Handeln der Menschen.
- Dekadenz und antidemokratische Haltungen verhindern sozialreformerische Impulse und Programme.
- Beklagt werden absterbende Ideale (vgl. im Folgenden JAEGER - STRAUB 2011, 608 - 612).
- Folgen zeigen sich in einer Aufwertung der nationalen Kultur. Die ältere Bedeutung der Kultivierung wird angesprochen.
Ellen KEY (1902/ 1991, 43) mahnt eine "neue Ethik" ein, sie plädiert für ein Jahrhundert des Kindes in ihren Studien.
Viele berufen sich in ihrer Kritik auf NIETSCHE und seine Konzeption des Übermenschen. Er sieht hinter die Kulissen der Deutschen Klassik und deren neuerlicher Beachtung.
Es entwickeln sich in der universitären Lehre pädagogische Konzepte, die ihre Kulturkritik im Rückgriff auf KANTs Erkenntniskritik ausrichten.
- Der Kulturbegriff gewinnt in den pädagogischen Revisionsvorstellungen vermehrt an Bedeutung.
- Er bleibt vage, vorbereitet wird eine nationalistische Ideologisierung im Vorfeld des Ersten Weltkrieges.
- Reformpädagogische Schulversuche und lebensphilosophische sowie neukantische Traditionen im Kontext mit geisteswissenschaftlich - hermeneutischer Richtung wenden sich der Aufgaben und Ziele von "Kultur" zu.
Als wichtige Vertreter gelten Eduard SPRANGER, Theodor LITT und Wilhelm FLITNER.
- Sprangers Werk über die Lebensformen (1914) in der Neufassung formuliert, Erziehung ist Kulturtätigkeit, die auf persönliche Wesensformung gerichtet ist, erfolgt an dem gegebenen objektiven Geist, letztes Ziel ist die Einbindung des autonomen Geistes (sittlich - idealer Kulturwillen) (vgl. SPRANGER 1927, 382).
- Theodor Lessing ruft als Folge des Ersten Weltkrieges die Volkshochschulen in Deutschland als Kulturwert aus (vgl. LESSING 1995, 110).
- Wilhelm Flitner erinnert 1950 an Sprangers kritisierte "Kulturpädagogik" und Hegel und Dilthey, der objektive Geist mache geistige Selbstbildung aus (vgl. FLITNER 1966, 46-47).
- Kulturpädagogische Reaktionen, etwa mit dem Prinzip der Jugendgemäßheit aller Erziehung wird 1925 etwa umschrieben mit "Vaterland - Kultur - Nation - Kultur - Wissenschaft - Kunst - Kultur - Volk - Rasse - Kultur" (vgl. BERNFLD 1981/1925, 101). Es verwundert nicht, dass Reaktionen darauf das Feld für eine NS - Propaganda mit bereiten (vgl. JAEGER - STRAUB 2011, 611).
10.2.4 Paradigmenwechsel | |
Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte die geisteswissenschaftlich - hermeneutische Richtung der Pädagogik an den Universitäten.
- Ende der sechziger Jahre endete diese Epoche und führte sozialwissenschaftliche Grundlagentheorien und empirische Untersuchungen ein.
- In den achtziger Jahren kam mit der Ausrichtung von Pädagogik zur Erziehungswissenschaft die Bildungswissenschaften und in der Folge kulturwissenschaftliches Denken dazu.
- Die veränderten Gesellschaftsbedingungen der neunziger Jahre erfordern zunehmend, etwa in Form inter- bzw. transkultureller Beziehungen und einer entsprechend ausgerichteten Politischen Bildung sowie kulturwissenschaftliche Konzeptionen.
Eine Kulturpädagogik - kulturwissenschaftliche Bildungswissenschaft ist notwendig anzuknüpfen.
11.1 Realität und Repräsentation | |
Natur und Umwelt sind von Interesse am Verhältnis Realität und Repräsentation.
Menschen konstruieren Natur und Umwelt
- ideel mit Konzepten - Modellen und
- materiell mit Eingriffen, Veränderungen und künstlichen Formen.
Es existieren Konstruktionen und Produkte des Handelns mit eigener Realität. Diese Normierungen ergeben sich nicht von selbst, sie entstehen aus menschlichen Bemühungen und einem Verständnis von Zusammenhängen in der Natur. Möglichkeiten und Grenzen ergeben Bereiche sozialer und politischer Bewegungen, Ideologien bis zu Staaten (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 65).
- Natur und Umwelt können sich nicht selbst ausdrücken, ihre Gesetze mitteilen und über ihre eigenen Repräsentanten verfügen.
- Hingegen verfügen Individuen, Ideologien, soziale Gruppen und Bewegungen oder Staaten über Äußerungen, die ihre Repräsentanten bzw. Gegner getätigt haben und eine historische Überlieferung bilden.
11.2 Veränderungen in den Jahrhunderten | |
Natur und Umwelt in Europa bestehen seit Jahrhunderten nicht mehr in der ursprünglichen Form. Sie sind durch Menschen verändert, geschaffen und konstruiert worden bzw. werden. Vorstellungen von einer unberührten Natur und Modelle bzw. Bilder davon, werden im Sprachgebrauch und in den Medien verbreitet.
Natürlich ist die Natur schon lange nicht mehr, "Künstlichkeit" ist immer mehr vorhanden. Die Natur, auf die wir uns berufen, um "ihre Zerstörung aufzuhalten, gibt es nicht mehr" (BECK 1988, 62). Es ergeben sich Fragen nach dem Schutz, der Ausprägungen des Verhältnisses von Umwelt und Natur.
Weil sich Umwelt und Natur nicht äußern können, in welchem Zustand sie sich befinden, müssen Menschen Messverfahren, Modelle, Konzepte entwickeln, in denen sich auch wie immer beide Faktoren vertreten fühlen. Menschen können sich vornehmen, Positionen und Interessen betroffener Lebewesen in Flora und Fauna sowie der Umwelt zu vertreten. Die Verfahren in den Herangehensweisen wie (natur -) wissenschaftlich, literarisch, populärkulturell oder ideologisch sind höchst unterschiedlich (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 66).
11.3 Umweltprobleme und Wahrnehmungen | |
Um die menschliche Wahrnehmung zugänglich zu machen, sind Indikatoren und Verfahren notwendig. Die Grenzen des menschlichen Wahrnehmungsvermögen durch die Sinnesorgane der heutigen Umweltprobleme sind offensichtlich und gegeben.
Debatten über Natur und Umwelt haben die Aufgabe, Vorstellungen über den Zustand zu vermitteln. Eine ideale Natur in ihrer Vorstellung hat eine lange Tradition. Sie gehen bis in die Zeit der Industrialisierung vor rund 200 Jahren, wobei Bilderwelten eine Rolle spielten (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 66 -67).
- Westliches Denken über Natur und Kultur wurde in den letzten Jahrzehnten in Untersuchungen aufgegriffen wie bei Clarence GLACKEN von der Antike bis zum Beginn der Neuzeit (GLACKEN 1967).
- Folgende Entwicklungen behandelt Donald WORSTER (1977), Peter COATES (1998) greift die jüngsten postmodernen Entwicklungen ach außerhalb Europas auf. Interessant sind die Debatten in den USA, weil die Konzepte hier der wilden Natur bis heute als Idealvorstellungen verbreitet werden (CRONON 1995).
- Eine lange Tradition in Europa hat die Landschaftsmalerei (SCHNEIDER 1999). Auch das Christentum mit seiner Wahrnehmung der Schöpfung hat Bedeutung (KROLZIK 1980).
- 1798 erschien in London von Thomas Robert MALTUS "An Essay on the Principle of Population" (deutsche Übersetzung "Versuch über das Bevölkerungsgesetz" Berlin 1879), das bis heute die moderne Umweltdebatte beeinflusst. Inhaltlich behandelt Maltus nicht direkt die Fragen der Natur und Umwelt, vielmehr der Bevölkerungsvermehrung als Ursachen der Umweltprobleme und gilt bis heute als ein Faktor der Umweltdebatte/ Empfängnisverhütung - Seuchen, Hungersnöte, Kriege (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 67 - 68).
In den fünfziger und sechziger Jahren erfuhr die Debatte Unterstützung mit dem Aufkommen der Ökologie und der Kybernetik (wissenschaftliche Forschungsrichtung, die Systeme verschiedenster Art wie biologische, technische, soziologische Systeme auf selbsttätige Regelungs- und Steuerungsmechanismen hin untersucht), die im Zusammenhang stehen. Nachdrücklich hat diesen Anspruch der Club of Rome 1972 mit seinem "Bericht zur Lage der Menschheit" unterstützt (vgl. MEADOWS 1972).
11.4 Erwartungshaltungen | |
Die Erwartungen waren bei der Veröffentlichung groß und bereits kurze Zeit später enttäuschend, weil sich die Situation verschlimmert hat,
- man denke 1974 verhungerten 10 bis 30 Millionen Menschen auf der Erde,
- an die Debatte über den Treibhauseffekt,
- an Forderungen nach alternativen Energien und
- den Preisanstieg von fossiler Energie.
Die Forderungen gingen weiter an Einschnitte in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, nicht nur in den Industrieländern (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 69).
- An Entwürfen gab es keinen Mangel, gekennzeichnet waren die Bemühungen auch von der Annahme, frühere und kleine Gesellschaften hatten in größerer Harmonie mit der Natur gelebt. Unterschiedlich waren die Ansichten über den Zeitraum. Klaus MEYER - ABICH (1984, 148) bezog sich etwa auf den Zustand der Natur gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
- Der Höhepunkt einer Realität zur Rückkehr zum einfachen, bäuerlichen Leben im Einklang der Natur als Staatsdoktrin 1933, in der Folge mit dem benötigten "Raum für das deutsche Volk im Osten", wurde mit dem Zweiten Weltkrieg und Einmarsch in Polen und der Sowjetunion begonnen (vgl. RÖSSLER/ SCHLEIERMACHER 1993, 136 - 147).
- Abgesehen von Vertretern fundamentaler ökologischer Bewegungen wie "deep ecology" spielen solche Vorstellungen heute keine Rolle (vgl. DEVALL 1990). Der Trend geht von eher kleinräumigen zu flächendeckenden Konzepten (vgl. die Bemühungen der EU 2024 zur "Renaturierung").
- Historisch - kulturelle Fragestellungen und folgernde Erkenntnisse für ein Leben im Gleichgewicht/ Einklang mit der Natur sind meist mit der Annahme verbunden, der Kontakt mit der modernen Welt zerstöre das Gleichgewicht (vgl. CROSBY 1991).
- Von Interesse sind die Frauen- und Umweltbewegung, weil sie gegen eine "mechanistische"/ technologische männliche Weltauffassung sich begreifen (vgl. MERCHANT 1997, 12; in der Folge JAEGER - RÜSEN 2011, 72). Beeinflusst wird die Sehnsucht mit den Bildern einer ländlichen, kleinstädtischen oder dörflichen Lebensweise. Unterstützt wurde dies in den achtziger Jahren durch die "small - is - beautiful" - Vorstellung.
- Das angestrebte Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur setzt voraus, dass Menschen Rücksicht auf die Natur nehmen. Auch die Natur soll die Harmonie nicht gefährden (wie Unwetter, Sturm, Hitze, Trockenheit, Überschwemmungen und lange Winter). Die Idylle einer Natur zeigt sich in Gärten, Parks oder lieblichen Landschaften.
- Eine neue Entdeckung waren im 18. Jahrhundert und sind bis heute als Naturereignis hoch geschätzt, die Alpen aus der Sicht einer "positiven wilden Natur" (vgl. GROH - GROH 1981, 94; aktuell "Nationalparks" etwa in Österreich und "mountain - biking").
Zusammenfassend muss man festhalten, die jetzige und neue Wahrnehmung ist notwendig. Wetterkapriolen, Trendsportarten notwendige Korrekturen/ Eingriffe in der Natur, zunehmend Landschaftsschutz, ein aktuelles Mobilitäts- und Tourismusverhalten lassen und benötigen eine notwendige Sensibilität im Verhalten von Mensch und Natur.
11.5 Eingriffe in die Natur | |
Mit dem Ende der neunziger Jahre setzen sich die Gefahrensituationen eines Fehlverhaltens im Umgang mit der Natur kontinuierlich in einem Gegenwartsverhalten durch.
Neben sozialen Gruppierungen in ihrem Engagement mit einer Resonanz für ein Ökosystem im Mikro-, Meso- und Makrobereich, entwickelt sich ein Bemühen um
- individuelle Haltung im Umgang mit der Natur und dem Ökosystem,
- notwendigen Eingriffen in die Natur bzw. Landschaft wie Regulierungen, Schutzbauten in einer lokalen und regionalen Raumplanung und
- ihren Schutz und einer Förderung in Renaturierungen.
11.6 Gegenwartshaltungen | |
Ausdruck dieses sozio - kulturellen Diskurses findet sich in
- der "Gaia - Hypothese", benannt nach der griechischen Göttin der Erde, die auf James LOVELOCK (1979) zurückgeht. Er bezeichnet damit das globale Ökosystem, welches er als hochkomplexe organische Einheit sieht (vgl. JAEGER - RÜSEN 2011, 77),
- der zunehmenden Orientierung an kleinen Welten und Idealvorstellungen,
- der kulturellen Deutungsmuster für einen humanen Lebensstil und sozio - religiösen Haltungen (wie "Ökumenische Schöpfungszeit"),
- der Absage reiner ökonomischen Nutzung und Gewinnmaximierung,
- der Debatte über die Art, die Entwicklung der Natur und Umwelt auszusehen hat.
Festzuhalten sind im Kontext einer soziokulturellen Theoriediskussion die Möglichkeiten einer Agrarpädagogik und Umweltpädagogik im Einklang der verschiedenen Aspekte > https://www.haup.ac.at/ (14.9.2024)
Literaturverzeichnis | |
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Zum Autor | |
APS - Lehramt (VS - HS - PL 1970, 1975, 1976), zertifizierter Schülerberater (1975) und Schulentwicklungsberater (1999), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)
Absolvent Höhere Bundeslehranstalt für alpenländische Landwirtschaft Ursprung - Klessheim/ Reifeprüfung, Maturantenlehrgang der Lehrerbildungsanstalt Innsbruck/ Reifeprüfung - Studium Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), 1. Lehrgang Ökumene - Kardinal König Akademie/ Wien/ Zertifizierung (2006); 10. Universitätslehrgang Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ MSc (2008), Weiterbildungsakademie Österreich/ Wien/ Diplome (2010), 6. Universitätslehrgang Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), 4. Interner Lehrgang Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016) - Fernstudium Grundkurs Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium, Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung (2018), Fernstudium Nachhaltige Entwicklung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium, Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung (2020)
Lehrbeauftragter Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien/ Berufspädagogik - Vorberufliche Bildung VO - SE (1990-2011), Fachbereich Geschichte/ Universität Salzburg/ Lehramt Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung - SE Didaktik der Politischen Bildung (2026-2017)
Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche Österreich (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks Tirol (2004 - 2009, 2017 - 2019) - Kursleiter der VHSn Salzburg Zell/ See, Saalfelden und Stadt Salzburg/ "Freude an Bildung" - Politische Bildung (2012 - 2019) und VHS Tirol/ Grundkurs Politische Bildung (2024)
MAIL dichatschek (AT) kitz.net
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