Netzwerk Gegen Gewalt - Ein Offenes WikiWeb - Jeder kann sich beteiligen!

Tourismus

Grundwissen Tourismus    

Aspekte eines Fachbereichs im Kontext Politischer Bildung    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Grundwissen Tourismus   
Aspekte eines Fachbereichs im Kontext Politischer Bildung   
Vorbemerkung   
Einleitung   
Teil 1 Aspekte Politische Bildung   
1 Massentourismus vs. Sanfter Tourismus   
1.1 Freizeitverhalten   
1.2 Alpenkonvention 1989   
2 Tourismus und Nachhaltigkeit   
2.1 Problemfrage   
2.2 Kulturraum - Naturraum   
2.3 Nachhaltigkeit und Bildung   
2.3.1 Umbruchsituation   
2.3.2 Konzept Nachhaltige Entwicklung   
2.3.3 Regionale Gegebenheiten   
2.3.4 Modell Regionales Lernen   
3 Alpentourismus   
3.1 Einleitung   
3.2 Ökologische Dimension   
3.3 Ökonomische Bewertungsdimension   
3.4 Soziale Dimension   
3.5 Kulturelle Dimension   
3.6 Almwirtschaft   
3.7 Alpinethik   
3.7.1 Bergsport und Alpinstil   
3.7.2 Berg als Grenze   
3.8 Wandel der Alpen durch Tourismus   
4 Tourismus und Kulturalität   
4.1 Kulturelle Identität   
4.2 Kulturelle Zusammenhänge   
4.3 Dienstleistungskultur   
4.3.1 Behauptungen   
4.3.2 Kritik   
4.3.3 Moderne Gesellschaft   
5 Städtetourismus   
5.1 Begriff   
5.2 Tourismusarten   
Buchbesprechung   
Teil 2 Aspekte Tourismusmanagement   
6 Grundlagen Betriebswirtschaftslehre   
6.1 Historische Einführung   
6.2 Unterschied zur Volkswirtschaftslehre   
6.3 Managementlehre   
7 Tourismus   
7.1 Entwicklung des Tourismus   
7.2 Tourismusangebot   
7.2.1 Definition   
7.2.2 Grundlagen   
7.3 Tourismusmärkte   
7.4 Tourismusmanagement   
7.5 Tourismusökonomie   
8 Personalmanagement   
8.1 Personalwirtschaft   
8.2 Personalbedarfsermittlung   
8.3 Personalbeschaffung   
8.4 Personaleinsatz   
8.5 Personalentlohnung   
8.6 Personalentwicklung   
9 Unternehmenspolitik   
10 Nachhaltiger Tourismus   
10.1 Umsetzungsversuche   
10.2 Alpenraum   
10.3 Europäische Union   
10.5 Beispiel Tirol 2024   
Literaturhinweise   
Zum Autor   

Vorbemerkung    

Wer sich mit der Thematik als Einwohner eines alpinen Tourismuszentrums beschäftigt, merkt die Fülle von Aspekten und ist dankbar für interessante Anregungen.

Ich danke Theresa Mitterer - Leitner für ihre Expertise und Hans Nosko für seinen Beitrag.

Günther Dichatschek

Einleitung    

Der Tourismus gehört zu den weltweit am stärksten wachsenden, aber auch zu den komplexesten Wirtschaftsbereichen. Das erfolgreiche Führen von Unternehmen der Tourismuswirtschaft ist eine große Herausforderung.

Dies gilt umso mehr, als die Digitalisierung voranschreitet und sich die Geschäftsmodelle und Machtstrukturen stark verändern.

Die ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Stellenwert in touristischen Entscheidungen.

Teil 1 Aspekte Politische Bildung    

1 Massentourismus vs. Sanfter Tourismus    

Die Erschließung des alpinen Raumes war die Grundlage für einen Massentourismus, der zu Beginn des von vorigen Jahrhunderts sich entwickelte (vgl. BÄTZING 2018, 150-159).

In vielen Tälern war der Tourismus die Grundlage für eine Besiedelung und einen wirtschaftlichen Nutzen.

Alpine urbane Zentren und Tourismuszentren wurden bzw. werden in diesem Entwicklungsstadium intensiv genützt (vgl. BÄTZING 2018, 160-163).

Problembereiche gibt es, wenn der Tourismus in Gebiete vorstößt, die für keine Besiedelung geeignet sind.

Fragen treten bei der Gestaltung des Tourismus mit Millionen Gästen auf, wenn Erlebnislandschaften in einem sensiblen Raum verlangt und geplant werden.

Der Nutzen für einen Großteil der Bevölkerung ist fraglich (vgl. überdimensionale Infrastrukturen, hoher Strom- und Wasserverbrauch, hohe Müllkapazitäten, teure Baugründe, Verkehrschaos).

Gefordert sind Steuerungsmechanismen, um Raumordnungspläne und regionale Entwicklungen abstimmen zu können.

1.1 Freizeitverhalten    

In diesem Zusammenhang ist etwa das zunehmende Freizeitverhalten der Bevölkerung im alpinen Raum zu sehen (vgl. BÄTZING 2018, 24-27).

Der Drang, die alpine Landschaft zu genießen, bringt für das Wild - man denke allein in Tirol gibt es rund einen Bestand von 200 000 Tieren - in Unruhe, damit können die notwendigen Abschusszahlen jährlich nicht erfüllt werden.

Es bedarf funktionierender Steuerungsmachanismen zwischen der Jägerschaft und den Tourismusverbänden > https://tirol.orf.at/news/stories/2953841/ (18.12.2018).

Im Wintertourismus steigt der Druck durch den Klimawandel.

Gebiete sollen erschlossen werden, die bis jetzt Rückzugsräume waren (vgl. Freizeitparks im Hochgebirge BÄTZING 2018, 194-205).

Heute bildet der alpine Raum das Ziel von rund 120 Millionen Gästen.

Zu beachten sind Bemühungen um einen Naturschutz als Erhaltung der Realität im alpinen Raum (vgl. BÄTZING 2018, 168-169).

Die Erhaltung und Förderung von Nationalparks mit Naturbeobachtungen, Vermehrung des biologischen Wissens und einer Erhaltung von geschützten Großräumen verdient vermehrt Beachtung.

1.2 Alpenkonvention 1989    

Die völkerrechtlich verbindliche Konvention - geschlossen 1989 in Berchtesgaden von den Umweltministern von Deutschland, Frankreich, Italien, Slowenien, Liechtenstein, Österreich, der Schweiz und Europäischen Gemeinschaft - dient der Erhaltung des alpinen Großraumes und umfasst eine Präambel und 14 Artikel.


Artikel 1 umfasst den Anwendungsbereich.

Artikel 2 betrifft die allgemeinen Verpflichtungen wie die Achtung, Erhaltung und Förderung der Bevölkerung und Kultur, die Raumplanung, Luftreinhaltung, der Bodenschutz, Wasserhaushalt, Naturschutz und die Landschaftspflege, Berglandwirtschaft, der Bergwald, der Einklang von Tourismus und Freizeitaktivitäten, die Belastung von Verkehr, die Erzeugung von Energie und Abfallvermeidung.

Artikel 3 beschreibt die Forschungsaktivitäten und systematische Beobachtung der in Artikel 2 genannten Gebiete.

Artikel 4 dokumentiert die Zusammenarbeit im rechtlichen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Bereich.

Artikel 5 umfasst die Organisation der Konferenz der Vertragsparteien (Alpenkonferenz).

Artikel 6 umfasst den Aufgabenbereich der Alpenkonferenz.

Artikel 7 behandelt die Beschlussfassung in der Alpenkonferenz.

Artikel 8 bezieht sich auf die Bestimmungen des Artikel 7 mit den Aufgaben des Ständigen Ausschusses.

Artikel 9 bezieht sich auf das Sekretariat der Alpenkonferenz.

Artikel 10 betrifft Änderungen des Übereinkommens.

Artikel 11 bezieht sich auf Protokolle und ihre Änderung.

Artikel 12 regelt die Unterzeichnung und Ratifizierung des Übereinkommens.

Artikel 13 regelt eine Kündigung des Vertragswerkes.

Artikel 14 regelt die Notifikationen.


IT - Hinweis

Geltende Fassung 2021 > http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010876 (22.9.21)

2 Tourismus und Nachhaltigkeit    

Die vielen Definitionen und Praktiken von Nachhaltigkeit ergeben einen umfassenden Themenblock. Der konstitutive Faktor ist die Kontinuität. "Sustainability" oder "Durée" verweisen im englisch- und französischsprachigen Raum gleichermaßen auf den Kern von Kontinuität, wonach zeitlich und räumlich Zusammenhänge nicht unterbrochen sind (vgl. WÖHLER 2001).

Nachhaltigkeit als ununterbrochene Fortdauer der Weltzusammenhänge schließt vieles ein,

  • die Zielsetzungen eines Schutzes der Ökosphäre < Ökologie
  • eine stabile wirtschaftlichen Entwicklung < Ökonomie
  • die gerechte Verteilung der Lebenschancen < Soziales
Werden diese drei Ziele zusammen in einem Raum erreicht, ist eine kontinuierliche Entwicklung auf Dauer sichergestellt.

2.1 Problemfrage    

Da sie nicht nur gleichrangig sind, sondern auch gleichzeitig erreicht werden sollen, in dem Prinzip "Nachhaltigkeit" vereinbar erscheinen, stellt sich die (Problem-) Frage, wer diese Vereinigung bzw. Vermittlung leisten solle.

Will man nicht Nachhaltigkeit als eine wünschbare Versöhnung des Menschen mit der Naturwelt begreifen und dadurch die "Sehnsucht nach der verlorenen Kontinuität" erfüllt sehen sowie die Schließung der komplexen Welt auf der Basis eines alleinigen Strukturprinzips als Illusion feststellen, muss das Problem der Nachhaltigkeit eindeutig benannt werden.

2.2 Kulturraum - Naturraum    

Die Trennung von Kultur (Gesellschaft) und Natur (Umwelt) soll mit dem Konzept "Nachhaltigkeit" wenn nicht aufgehoben, so doch überbrückt werden. Nachhaltigkeit beinhaltet demzufolge beides - Kultur und Natur. Nachhaltigkeit ist ein "Quasi - Objekt", das zwischen Natur und Kultur vermittelt (vgl. WÖHLER 2001).

Vermittelnde "Quasi - Objekte" oder auch "Grenzobjekte" wie "Biodiversität", "Waldsterben", "Ozonloch" und eben "Nachhaltigkeit" stellen Hybride dar. Die Natur - Gesellschaft - Dichotomie wird mit diesen jedoch nicht aufgehoben. Indem die Ziele stabile wirtschaftliche Entwicklung und gerechte Verteilung der Lebenschancen mit dem Ökosphärenschutz korrespondieren (sollen), dienen Hybride wie Nachhaltigkeit idealerweise dazu, verschiedene Interessen zu befriedigen.

Da sich wirtschaftliche Interessen stets vor dem Hintergrund des Ökosphärenschutzes legitimieren müssen, liegt es auf der Hand, dass sie den Nachhaltigkeitsdiskurs strategisch so anlegen, dass sie das als "Naturschutz" definieren, was sie ökonomisch effizient bewerkstelligen können. Natur bzw. Ökosphäre wird in diesem Diskurs ständig neu definiert und somit abgegrenzt, d. h. dem eigenen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich zugeordnet.

Wie der Schutz der Ökosphäre im Gleichklang mit der gerechten Verteilung von Lebenschancen steht, wird sich danach entscheiden, in welchem Maße Menschen sich in die Verantwortungs- und somit Kostenpflicht für den Ökosphärenschutz nehmen lassen. Je mehr Naturschutz sozialisiert, in die gesellschaftliche Zuständigkeit gelegt wird, desto entscheidender hängen die Lebenschancen von Grenzziehungen darüber ab, was "natürlich" ist und welcher soziale Anteil das "Natürliche" bedingt.

Nachhaltigkeit als Diskurskonzept ist also ein Kommunikations- und Kooperationsmedium, das all diese strukturellen Spannungen und ungeklärten Verantwortungen sowie Interessen zusammenführt. Nachhaltigkeit integriert die soziale Welt im Namen "der Natur".

2.3 Nachhaltigkeit und Bildung    

Der Tourismus reagiert zunehmend auf der Grundlage des Diskurses über Nachhaltigkeit auch mit Bildungsveranstaltungen in der Dichotomie Kulturraum und Naturraum (Bildungs- und Kulturtourismus).

2.3.1 Umbruchsituation    

Die Welt befindet sich aktuell in einer vielschichtigen Umbruchssituation. Globalisation wurde dominierender Begriff, Hoffnungen und Ängste vor den Folgen bzw. Veränderungen werden geweckt (vgl. REIN - STRADAS 2015).

Veränderungen zeigen sich in der Wirtschaft, Finanzwelt, den Informationstechnologien, zukünftiger Bildung und fordern für die Gesellschaft und Einzelnen die Frage nach Konsequenzen und der Fähigkeit, die Zukunft bestehen zu können. Das Bildungssystem reagiert nur in Ansätzen bislang, das Interesse der Politischen Bildung ist gegeben.

Es gibt Memoranden zu "Zukünftiger Bildung" mit Analysen und Forderungen an eine Neuorientierung der Bildungspolitik. Die Diskussion über den weltweiten Wandel greift zu kurz. Die Grundlinien beruhen auf der politischen und ökonomischen Annahme, dass sich wirtschaftliches Wachstum national und global dauerhaft realisieren lässt.

Für den lokalen und globalen Bereich gibt es ein begrenztes Ökosystem mit begrenzten Ressourcen.

2.3.2 Konzept Nachhaltige Entwicklung    

Der Wandel zu einer nachhaltigen Welt erfordert ein Umdenken auf unterschiedlichen Ebenen. Benötigt werden globale politische Vereinbarungen über eine gerechtere Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen und über die Möglichkeiten von Lebenschancen. Veränderungen beginnen schon im Alltag (vgl. zu Gemeinwohlorientierung PUFÉ 2017, 295).

Für die Politische Bildung ist das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung eine Herausforderung und Möglichkeit für einen Bildungsprozess.

Seit den ersten Diskussionen über Nachhaltige Entwicklung auf Grund des Brundtland - Berichts "Unsere gemeinsame Zukunft" erhielt das Bildungssystem eine zentrale Rolle. Die Agenda 21 - Entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm für Nachhaltige Entwicklung 1992 der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCED) in Rio de Janeiro - sprach von einem Mentalitätswandel, herbeizuführen durch Bildung. Lernende sollen sich mit Nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzen können und befähigt werden, ein eigenständiges Leben zu führen sowie an der Gesellschaft zu partizipieren ( vgl. MEISCH 2014, 5).

Diese Zielstellung lässt das Wissenschaftssystem nicht nur interdisziplinäres und transformatives Wissen erarbeiten, sondern bildet in Lehr - Lern - Prozessen Menschen.

Die Herausforderung für die Umsetzung liegt darin, dass das Leitbild als zu unbestimmt gilt. In der Folge entleert sich der Begriff "Nachhaltige Entwicklung" durch seine inflationäre Nutzung in der Nachhaltigkeitsliteratur eines spezifischen Sinnes. Das Konzept ist nicht so beliebig, wie oft behauptet wird. Allerdings gibt es Gründe, die es schwer machen, von dem nur einen Zustand der Nachhaltigkeit zu sprechen.

Der normative Kern "Nachhaltiger Entwicklung" ist die Idee der inter- und intragenerationellen Gerechtigkeit im Blick schwindender natürlicher Ressourcen, abnehmender Fähigkeit von Ökosystemen, menschliche Emissionen aufzunehmen und einer zunehmender Umweltzerstörung.

Das Konzept verpflichtet sicherzustellen, dass jeder Mensch die Möglichkeit besitzt, ein gutes und autonomes Leben führen kann. In der Folge sind Basis die natürlichen Lebensgrundlagen für jetzt und die Zukunft, sie zu erhalten und sogar wiederherzustellen.

Irritierend ist jedoch, dass von nur einem genau zu definierenden Zustand Nachhaltiger Entwicklung zu sprechen. Es gibt viele unterschiedliche Ausformungen, die kultur-, ort- und zweitabhängig sind.

Zwei Prozesse ergeben die Gründe der Unterschiedlichkeiten,

  • physische wie die Ökosysteme und der Klimawandel sowie
  • soziokulturelle wie Gesellschaften, kulturelle Identitäten, soziopolitische Umbrüche und die Demographie.
Zu beachten sind ebenfalls ethische Auffassungen wie das Gute und Gerechte. Die ethisch richtige Praxis ergibt sich aus den vorhandenen Sachumständen und Wert- und Normbezügen mit möglichen Alternativen.

2.3.3 Regionale Gegebenheiten    

Räumliche Zusammenhänge spielen im Bildungsbereich und der Fort- und Weiterbildung eher eine unbedeutende Rolle. Allerdings ist eine regionale, räumlich - differenzierte Sichtweise wesentlich. Es gilt komplexe Aspekte zu beachten (vgl. KELLNER 2015, 130 - 135).

So wie die Gesellschaft regionale Räume - Dörfer, Gemeindeverbände, Marktgemeinden und Kleinstädte - wahrnimmt, so wird auch das Bild von einer Lern- und Wissensvermittlung transportiert. Regionale und ländliche Räume werden mit Rückständigkeit und geringer Bildung bzw. Ausbildung verbunden. Hinzu kommt eine Abwanderung durch die Wahl von Ausbildungsstätten. In der Folge entstehen ein "Brain drain" und damit für die Lebens- und berufliche Laufbahn ungünstige Zukunftschancen.

Gegensätzlich werden Ursprünge von Bildung in der Regionalität gesehen. Kleinschulen werden als Orte einer Vermittlung von sozialer Kompetenz wahrgenommen, ökologisches Lernen findet im ländlichen Raum statt. Vermittlung von Werten verläuft in scheinbarer Homogenität und Harmonie. Überschaubarkeit und Individualität wird als gegeben bezeichnet. Persönliche Kommunikation kann in kleinen Räumlichkeiten leichter stattfinden.

Formen der Bildungsvermittlung sind zu beachten, insbesondere auf Grund der vorherrschenden Infrastrukturen mittels organisierter Bildung (vgl. Bildungs- und Konferenzzentren, nationaler und internationaler Organisationen). Der Tourismus hat das größte Interesse, auf der Mikroebene/ lokaler Bereich und Mesoebene/ regionaler Bereich die Strukturen zu verbessern (vgl. Raumordnung, Bauordnungen, Mobilitätsbedingungen, Naturverträglichkeitsprüfungen und Bedarfserhebungen).

2.3.4 Modell Regionales Lernen    

Ein Modell "Regionales Lernen" umfasst regionale Identität, Partizipation und Gestaltungkompetenz. Dies bedarf erwachsenenpädagogischer Impulse ( vgl. BAUMGARTNER 2021, 13-32).

Lernprozesse im regionalen Bereich sind in der Regel generationenübergreifend.

  • Es betrifft den Zusammenhalt von sozialen Gruppen und verschiedenen Bildungsschichten, der Wohndauer und des Sozialstatus.
  • Von Interesse ist in diesem Zusammenhang die Ähnlichkeit mit dem Bildungsauftrag einer Politischen Bildung.
  • Bildungsträger vermitteln in ihrem Rollenverständnis Wissen und Können zur Gestaltung lokaler und regionaler kultureller, sozialer, ökonomischer und ökologischer sowie wertorientierter Ansätze.
Lernen für regionale Räume umfasst die Förderung des Lebensraumes, also Wechselwirkungen erkennen, zu bewerten, antizipierend und reflektiert zu denken. Wissen und Gefühle sollen ein konkretes Handeln ergeben. Dies ist die Voraussetzung für ein künftiges Engagement.

Dieses Lernen umfasst Lernumgebungen mit Lerngegenständen, die eine originale Begegnung ermöglichen. Dies sind Räume und Zeiten für persönliche Erlebnisse, praktische Auseinandersetzungen, Ausprobieren für Ideen und Pläne in Verbindung mit Reflexionen.

Regionale Räume bieten viele Möglichkeiten. Regionale Phänomene ergeben Verknüpfungen mit überregionalen Entwicklungen und globalem Denken.

Man denke an

  • Verkehrsprobleme,
  • Gewerbegebiete,
  • Handel,
  • Bildungsinstitutionen mit Angeboten,
  • Netzwerkarbeit und
  • den Tourismus.
Handlungsorientiertes Lernen umfasst neben den Originalbegegnungen ganzheitliches Lernen (Lernen mit allen Sinnen), Selbständigkeit und Selbsttätigkeit der Lernenden, planvolles und zielgerichtetes Lernen, Orientierung an Erfahrungen, Interessen und Neigungen der Teilnehmenden mit aktuellen und zukünftigen Handlungssituationen, Öffnung der Bildungsinstitution für Lernen in realen Problemsituationen ("komplexe Realität").

Eine Förderung der Partizipation findet durch Formen der Dokumentation von Ergebnissen, Reflexion von Zielen und Handlungsabläufen in Verbindung mit deren Bewertung statt.

Eine Verbindung von Lehrenden und Lernenden soll bereits im Vorfeld in Formen von Zielsetzung, Planung, Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung und Transfer stattfinden.

Als Element einer Politischen Bildung vermag Regionale Bildung einen Beitrag zur regionalen Identität, Persönlichkeitsbildung und pluralen Gesellschaft zu leisten. Angesprochen ist der Erwerb von Gestaltungskompetenz.

Lerntheoretische Grundlage ist das situative Lernen. Sozialpsychologisch bezieht das Konzept sich auf personale Identität bzw. Ich - Identität.

Persönliche Voraussetzungen spielen eine Rolle. Bereits im Vorfeld können engagierte Personen bzw. Gruppen mit ihrem Vorwissen einen Beitrag leisten. Eine dauerhafte Beteiligung ist anzustreben. Als didaktisches Element erweist sich eine Binnendifferenzierung als Förderung der Lernenden.

Originale Begegnungen in Form von Erkundungen, Teilnehmerbefragungen, aktiver Selbstaneignung und alltäglichem Erkenntnisgewinn weisen auf eine didaktische Gestaltung von Lernprozessen hin.

3 Alpentourismus    

3.1 Einleitung    

Die Alpen haben im Zuge ihrer touristischen Erschließung neue Funktionszuweisungen und damit einen neuen Stellenwert in Europa erfahren. Wandel und Veränderung werden dabei kritisch beleuchtet (vgl. im Folgenden BACHLEITNER 2002).

Tourismus in den verschiedenen Alpenräumen und Regionen stieß und stößt auch heute noch auf unterschiedlichste Entwicklungsmöglichkeiten und Bedingungen. Wohl auch deshalb kommt es zu konträren Bewertungen. Diese reichen von euphorischer Zustimmung - die Alpenräume seien kaum anderweitig nutzbare Räume - über stille Akzeptanz und Duldung bis zu vehementer Ablehnung. So spricht etwa Hans HAID vom heutigen Tourismus in den Alpen als einem "Goa in den Alpen" und meint konkret: "Auf einer Fläche von knapp über 180 000 Quadratkilometer leben zwischen 11 und 13 Millionen Alpenbewohner. Sie werden heimgesucht, genährt und kahl gefressen von 120 Millionen Gästen mit 500 Millionen Übernachtungen in fünf Millionen Gästebetten" (vgl. HAID 1997, 30-43).

Auf einer abstrakten inhaltsbezogenen Ebene umfasst heute das Bewertungsspektrum des (Alpen-)Tourismus eine ökologische, eine ökonomische, eine soziale sowie aktuell eine kulturelle Dimension. Jede dieser Bewertungsdimensionen zeigt eine deutliche Polarisierung: Die (sozio) kulturelle Bewertung bewegt sich etwa zwischen kultureller Bereicherung und Identitätsstärkung der Region und Entfremdung/ Überfremdung einschließlich kultureller Prostitution.

Diese in ihrer Grundtendenz kritische Ab- und Verurteilung des Tourismus hat eine ihrer Wurzeln - wie uns die Geschichte des Antitourismus zeigt in der protestantischen (puritanischen) Ethik, die gegenüber dem Handlungsfeld des Genießens und Vergnügens negativ eingestellt ist und mit einer Reflexionsblockade reagiert: In den Bereich der Wissenschaften gehörten nur Ernsthaftes und Leistungsbezogenes.

Eine jüngere Ursache der Tourismuskritik liegt darin, dass das Bild, das der Einzelne vom Tourismus entwirft, vorrangig auf dem Wege des Vergleichs mit dem Bisherigen, dem Gewohnten und Vertrauten entsteht. Der Wandel vom romantischen Bergtourismus zum erschließungsintensiven (automobilen) Alpentourismus, der Bergdörfer und Tallandschaften verändert, liegt erst knapp 30 Jahre zurück.

Bevor - und dies soll das Ziel der vorliegenden Ausführungen sein - das Bewertungsbild des Alpentourismus skizziert wird, sollen Hauptdimensionen kurz beschrieben werden, die auch den Bewertungswandel mitgestalten.

3.2 Ökologische Dimension    

Mit dem Wachstum des Alpentourismus war auch eine flächenintensive Nutzung bisher nur vereinzelt beanspruchter Regionen verbunden. Die Alpen als Freiraum, der als Kontrast zu den Zwängen der Zivilisation in den letzten 50 Jahren immer intensiver genutzt wurde, erhielten langsam eine neue Kontur sowie neue Funktionszuschreibungen. Gleichzeitig stieg die Angst vor ihrer ökologischen Zerstörung und Übernutzung. Insbesondere alle outdoor - Aktivitäten - vom variantenreichen alpinen Wintersport über Kletter- und Wanderaktivitäten sowie spezifische Wassersportarten wie Canyoning, Rafting in den Alpenflüssen usw. bis hin zum Golfsport - verändern die Natur- und Kulturlandschaft der Alpenregionen (vgl. BACHLEITNER 2002).

Die mit dieser teils intensiven Nutzung verbundenen Anschuldigungen und Verurteilungen sind so vielfältig, dass sich positive Akzente wie die damit verbundenen und auch vermehrten Anstrengungen für den (Natur-) Landschaftsschutz geradezu bescheiden ausnehmen. Während viele der anfänglich durchaus als relevant erachteten Kritikpunkte, die aus einer ökologischen Perspektive erhoben wurden, über gesetzliche Maßnahmen behoben wurden, konnte das Problem der "Automobilität", sei es lokaler Tourismusverkehr oder (interregionaler) touristischer Transitverkehr, bisher nicht gelöst werden. Die vereinzelten Ansätze verkehrsfreier Fremdenverkehrsorte sind zaghaft und mit erheblichen Umstellungs- und Einstellungsveränderungen verbunden.

Auch die oft bewusst überinterpretierten und überzeichnet vorgebrachten "Horrorszenarien" von Umweltschäden, die ursächlich mit dem Alpentourismus verbunden und mit irreversiblen ökologischen Folgen verknüpft sein sollen, können wenig zu seiner Verhinderung beitragen.

Erst in jüngster Zeit setzt eine Entideologisierung ein, die sich in einer abgewogenen und entemotionalisierten Beurteilung der ökologischen Folgen des Tourismus ausdrückt, in Form eines "nachhaltigen Tourismus".

Trotz des angesteuerten integrativen Ansatzes in der Tourismusentwicklung in den Alpen bestimmen drei konträre Positionen den aktuellen ökologischen Diskurs: eine Relativierungs-, eine biologistische (biozentrische) und eine empirische Position.

Die Grundintention der Relativierungsposition besteht darin, die Schadensdiskussion einschließlich der empirischen Befunde von der unmittelbaren emotionalen auf eine höher gelagerte Abstraktionsebene zu heben. Ziel ist es, in vergleichender Vorgehensweise die Auswirkungen touristischer Erschließungen zu relativieren. Mögliche Veränderungen, Beeinträchtigungen und ursächliche Zusammenhänge von Tourismus und Natur werden dabei keineswegs geleugnet, vielmehr wird der Nachweis einer meist geringen Wirkung über Relationen herausgearbeitet. Die dabei forcierte quantitative "Verharmlosung" besitzt mehrere Dimensionen, über welche eine Relativierung herbeigeführt werden kann:

- eine Relativierung über Massen - Flächenbilanzen/ Frequenzen;

- eine Relativierung auf gleicher qualitativer Ebene;

- eine Relativierung innerhalb gleicher Wirkungen;

- eine Relativierung im Vergleich zu großen Umweltbeeinträchtigungen.

Derartige Relativierungen, die sich traditionell auf naturwissenschaftlich - quantitativer Datenebene bewegen, sollten jedoch um jene kulturalistische Perspektive ergänzt werden, die zeigt, dass Natur auch das Ergebnis menschlicher Praxis ist und daher gesellschaftlich (mit) produziert wurde. Über die soziale Aneignung von Natur wird die Natur nicht nur anders gedacht, sondern sie wird letztlich kulturspezifisch (mit) erzeugt. Da die Sicherheit einer vorgegebenen, unberührten Natur nicht mehr vorhanden ist, gilt es einen neuen Orientierungsmaßstab zu entwickeln. Die Vergleichsebene für Bewertungen, die man ursprünglich in einem statischen Naturzustand zu finden geglaubt hatte, muss nun gesellschaftlich neu definiert werden.

Die hinter der biozentrischen Position stehenden Intentionen gehen von einem Naturverständnis aus, welches die Natur als abzugrenzendes und vor menschlichen Eingriffen zu schützendes Territorium ausgibt. Weitreichende tourismusbezogene Eingriffe und Belastungen der (Natur-) Landschaft werden abgelehnt. Der Mensch spielt in der biozentrischen Sichtweise eine untergeordnete Rolle; er hat sich im "Zweifelsfalle" der Ökoethik zu beugen.

Die Vertreter dieser Position haben es bislang verabsäumt, die sicher schwierige und weitreichende Frage zu beantworten, welche Natur es denn nun tatsächlich zu schützen gilt, zumal uns auch die Ökologie nicht sagen kann, wie "natürlich" die Natur sein soll. Die in der biozentrischen Position forcierte Maxime, nicht einzugreifen, ist erkenntnistheoretisch blind und letztlich auch inhuman, denn in dem Versuch, Naturbelassenheit durch "Nichtstun" herbeizuführen, ist das Mängelwesen Mensch unter allen seiner Handlungsalternativen ein Störfaktor der Natur. Der biologistische Rückzug mit seiner Berufung auf die zu schützende Natur ist auch insofern erfolglos, als die soziale Erzeugung der Natur längst eingesetzt hat. So kann gesagt werden: Die Natur vor den Menschen schützen heißt in letzter Konsequenz, sie zu zerstören. Die Natur durch den Menschen zu produzieren bedeutet dagegen, sie zu erhalten.

Die Strategie der empirischen Position besteht in dem Versuch, die Wirkungen des Tourismus und der Freizeitindustrie auf die natürliche Umwelt (äußere Natur) über das biologische Methodenrepertoire - bevorzugt im Rahmen von Längsschnittdesigns - zu analysieren. Es liegen jedoch erst wenige umfassende Langzeitstudien vor. So notwendig und wünschenswert solche Basisdaten sind, so vordringlich ist es auch, eine doppelte kritische Distanz gegenüber diesen zu entwickeln, denn zum einen sind sie auf sehr kleinräumige Flächen beschränkt, mit vielen Selektiva (unterschiedlichste Ausgangslagen, verschiedene Exposition usw.) belastet und somit nicht generalisierbar; zum anderen ist es ebenso von Wichtigkeit, die Daten in einen umfassenderen, eben sozioökonomischen und soziokulturellen Bezugsrahmen zu setzen.

So ist etwa die Feststellung der Auswanderung von fünf Arten aus einem pflanzensoziologischen Verbund auf Grund von Skisportaktivitäten und die Ansiedlung von zwei resistenten Sorten zwar ein empirisch - biologischer Befund, er sagt jedoch nichts über eine humanökologische Perspektive des Skitourismus aus. Derartige Studien, die in ihren Analysemittelpunkt den anthropogenen Einfluss auf die Natur setzen, liefern ein Wissen über die Natur, welches Mensch und Natur voneinander trennt. Die Transdisziplinarität - nicht die üblicherweise eingeforderte Interdiziplinarität - könnte hier hilfreich sein.

3.3 Ökonomische Bewertungsdimension    

Tourismus ist für viele ein vordergründig ökonomisches Handlungsfeld, das in zahlreiche Wirtschaftsbereiche ausstrahlt. Demgemäß erfolgt die Wahrnehmung des Tourismus anhand ökonomischer Kriterien, da er (zumindest im österreichischen Alpenraum) als entscheidender Devisenbringer gilt, der die Kaufkraft in den touristifizierten Regionen erhöht. Neben der direkten (primären) Tourismusindustrie hat sich zwischenzeitlich eine "ergänzende" sowie eine "touristische Randindustrie" entwickelt, welche die Zentrierung auf die ökonomische Wahrnehmungs des Tourismus weiter verstärkt (vgl. BACHLEITNER 2002).

Die beiden Pole der ökonomischen Bewertung stellen sich folgendermaßen dar: Tourismus gilt einerseits als wirtschaftliche Notwendigkeit für strukturschwache Alpenregionen, die sich für andere Industriezweige wenig eignen. So werde etwa die Abwanderung der Bewohner in den landwirtschaftlich nur mehr wenig genutzten Tallandschaften gestoppt; Tourismus schaffe zahlreiche, wenngleich eher saisonale Arbeitsplätze und erhöhe damit gleichzeitig das Steuereinkommen der Regionen. Andererseits gilt Tourismus als ein Faktor, der die Lebenshaltungskosten der Bewohner entscheidend erhöht und etwa zur Steigerung der Bodenpreise führt (Nachfrage nach Zweitwohnsitzen).

Doppelt negativ wirkt sich schließlich ein möglicher Rückgang des Tourismus aus, da ein zweifacher Wohlstandsverlust droht: Realeinkommen und Steuereinkommen sinken. Gerade in Phasen stetig wechselnden Nachfrageverhaltens der Gäste, wie es sie seit den neunziger Jahren immer gab, wird die touristische Monokultur in den Alpenregionen zum wirtschaftlichen Risiko.

Zudem ergibt sich im Zuge der Tourismusentwicklung in den Alpen ein starker Konzentrationsprozess des touristischen Angebots in einigen wenigen Zentren und Regionen. Dies brachte und bringt enorme wirtschaftliche Zwänge mit sich, da die mit hohen Investitionskosten verbundenen ständigen qualitativen Verbesserungen hohe Auslastungsquoten erforderlich machen.

Die ökonomische Bewertungsdimension erweist sich somit als höchst ambivalent, und zwar in Abhängigkeit von der jeweiligen regionalen Ausprägung und Auslastung.

3.4 Soziale Dimension    

Neben der ökologischen und ökonomischen Einschätzung des Tourismus setzte auch eine sozialkritische Beurteilung des Massentourismus in den Alpen ein, da die "Bereisten" durch den Tourismus mit starken Veränderungen im alltäglichen Lebensvollzug konfrontiert waren.

Schlagzeilen in den Medien wie etwa "Aufstand der Bereisten" oder "Schützt uns vor Massentourismus" waren im Alpenraum keine Seltenheit (vgl. BACHLEITNER 2002) .

Die "klassische" Sozialkritik am Tourismus geht in drei Richtungen.

  • Tourismus führe zur Auflösung sozialer Bindungen und zum Schwund des lokalen Sozialgefüges, da er mit seiner Dominanz des Kommerzdenkens wenig Raum für Sozialität lasse (sozialstrukturelle Bewertungsdimension).
  • Tourismus verändere die Identität und Mentalität der Bereisten, da es durch die Fremden zur Überfremdung des Selbst und der Region komme.
  • Zu Negativeffekten durch den Tourismus komme es vor allem bei jenen, die im touristischen Dienstleistungsbereich tätig sind, da hier aufgrund der zeitlichen/ saisonalen Beanspruchungen gesundheitsbezogene Beeinträchtigungen auftreten könnten.
Die Konfrontation mit dem Fremden und Andersartigen forciert bei so manchem das Gefühl von Ablehnung und Unsicherheit für das Selbst und Ich, das dann als Bedrohung durch den Tourismus empfunden werden kann, wenngleich nicht muss.

Auf der positiven Bewertungsseite wird in diesem Zusammenhang von sozialer Bereicherung und der Möglichkeit eines Sozialisationsfelds für Aufgeschlossenheit gegenüber dem Fremden und kulturell Andersartigen gesprochen.

Tourismus biete sich als Chance für vielfältige Sozialisationsmöglichkeiten im soziokulturellen Bereich an, Fremdenverkehr und Alpen sind "kulturelle Curricula", gleichsam eine "Schule Europas" für gegenseitige Lernprozesse.

3.5 Kulturelle Dimension    

Die jüngste Facette der Bewertungsdimension stellt im Zuge des zunehmenden Kulturalismus in postmodernen Gesellschaften der vom und über Tourismus ausgelöste Kulturwandel dar. Das Spektrum der Einstellungen reicht auch hier vom angeblichen Kulturverlust bis zur Wiederbelebung und Verdichtung von kulturellen Aspekten (vgl. BACHLEITNER 2002).

Vier Positionen sind anzuführen.

  • Durch Tourismus drohe generell ein Kulturverlust, da jeder Tourismus die über lange Zeiträume hinweg gewachsenen Traditionen und Strukturen der Zielregion verändere.
  • Durch Tourismus verkomme das regionale Brauchtum. Folklore werde zum Folklorismus, da die sinnstiftenden Funktionen durch die Inszenierung für den Tourismus verloren gehen, ein artifizieller Charakter werde erkennbar (Verlust des "Authentischen").
  • Umgekehrt trage der Tourismus zur Stärkung, Wiederbelebung und Pflege regionaler Kultur - insbesondere des Brauchtums - bei. Er belebe auch alte Handwerkstraditionen und stärke die kulturelle Identität der Region.
  • Ausgehend von dieser Polarisierung wird u. a. ein "Kultur-/ Sozialschutz" analog dem "Naturschutz" für Regionen mit überforciertem Tourismus gefordert.
Entlang der vier aufgeführten Dimensionen erfolgte in den letzten 50 Jahren die Bewertung und Einschätzung des Tourismus in den verschiedenen Alpenregionen. In den einzelnen Entwicklungsphasen des Tourismus ist dabei eine unterschiedliche Akzentuierung dieser Bewertungsperspektiven festzustellen.

3.6 Almwirtschaft    

Der alpine Raum gilt als ideale Fläche für die Almwirtschaft (vgl. MAIR 2019, 5; Klimawandel wirkt sich auf Almen aus > https://tirol.orf.at/news/stories/2976847 [20.4.20019], "Dokumentation am Feiertag" Kuh, Schaf, Wolf & Klima > https://tirol.orf.at/tv/stories/3168228/ 13.8. 2022]).

Die unterschiedliche Nutzung von Nieder-, Mittel- und Hochalmen ist für die bergbäuerliche Bewirtschaftung wesentlich.

Ebenso bedeutend sind die unterschiedlichen Formen von Rinder-, Stier-, Pferde-, Schaf- und Ziegenalmen.

Wesentlich sind die Besitzverhältnisse wie Privat-, Genossenschafts-, Servituts- und Gemeindealmen.

Die Bauweisen unterscheiden Almhütten als Stein- und Holzbauten.

Für das Almpersonal ist "Kost" (Ernährung), Kleidung, Tracht, Entlohnung und Almleben wesentlich.

Die Almen gelten seit ihrer wirtschaftlichen Nutzung auch als Kulturraum (vgl. Feste, Lieder und Almsagen - Erholungsraum).

Die Universität Innsbruck erforscht im Projekt Stella hydrologische Verhältnisse im Tiroler Brixental im Almbereich (vgl. https://www.uibk.ac.at/geographie/stella/stella-executive-summary.pdf > Version 2/6.11.2017 [21.12.2018]).

Unterschiedliche Aspekte bei Nutzung ergeben aus dem Interessenskonflikt von Ökonomie und Ökologie.

Almbewirtschaftung durch Jausenstationen bilden eine zusätzliche Einnahmequelle der ansässigen Bergbauern.

  • Saisonal werden die Almen im Sommer bewirtschaftet und verwerten gleich die erzeugten Produkte aus der Viehwirtschaft.
  • In den Wintersportregionen gibt es den ganzjährigen Betrieb, allgemein in Verbindung mit einem Liftbetrieb.
  • Allgemein hat die Viehwirtschaft keine Bedeutung aus ökonomischen Gründen mehr.
Für den Tourismus/ Bergwanderer und Schisportler bilden die Almen einen wichtigen Teil der Bergwelt. Die Möglichkeiten der Verpflegung und Übernachtung erleichtern die Bewegung und Durchführung von Touren erheblich.

Ökologie und Ökonomie bedürfen eines Ausgleichs zur Nutzung und Erhaltung der Almregionen.

3.7 Alpinethik    

Im gesamten Bereich des Bergsportes sind es Prinzipien, die das menschliche Verhalten regeln (vgl. NOSKO 2024).

Der ethische Grundgedanke setzt auf ein Verhalten, das

• den Wert des menschlichen Lebens schützt,

• andere Menschen durch das eigene Verhalten nicht gefährdet,

• Hilfe leistet und

• mit der Natur sorgsam umgeht.

Es fördert das Verständnis für einen natur- und umweltverträglichen Bergsport, den Vorrang von öffentlichen Verkehrsmitteln bei alpinen Aktivitäten und freier Zugang zur Bergwelt als Grundlage des Berg- und Naturerlebnisses.

Menschen jedes Alters sollen im alpinen Raum willkommen sein und entsprechend ihrem Leistungsvermögen tätig sein können. Der Sport soll von allen Gruppen verantwortungsbewusst ausgeübt werden.

Aus – und Weiterbildung soll auf breiter Ebene erfolgen und an die einzelnen Zielgruppen speziell angepasst werden.

3.7.1 Bergsport und Alpinstil    

Generell setzt offensichtlich der Leistungsalpinismus auf Selbstregulation und moralische Werte.

Genaue Prinzipien, die das menschliche Verhalten am Berg regeln, sind eher freiwillig, sollten sich aber mit den anfänglich genannten ethischen und moralischen Grundsätzen übereinstimmen.

Erste Hilfe leisten bei Unfällen ist ethisch gut und richtig, einen Verunfallten im Stich lassen ist immer inhuman.

• Auslösen alpiner Gefahren wie Steinschlag, Lawinen vermeiden

• Faires Verhalten gegenüber anderen Bergsteigern

• Was darf man, was darf man nicht

3.7.2 Berg als Grenze    

Die Sportethikerin Claudia Pawlenka bringt es auf den Punkt:

Im Bergsport brauche es keine "künstliche Regelwillkür", die Grenzen setze, sondern der Berg selbst sei die Grenze oder die naturgegebene Physis des Alpinisten und ein informelles Regelwerk.

Die Frage bleibt, ob ein informelles Regelwerk allein noch taugt < https://www.nzz.ch/gesellschaft/lebensart/outdoor/ethik-und-moral-am-berg-1.18523583

"Der Kampfsport kennt Konkurrenten und Rivalen, aber der Alpinist konkurriert nur mit einem – und das ist er selbst" (Viktor Frankl).

Was passiert, wenn das Bergsteigen zu einer reinen Form der sportlichen Leistung ohne Ethik wird?

IT - Hinweis

https://www.dolomitenstadt.at/story/sisyphos-am-berg/ (16.6.2024)

Hier ist der Bergsteiger selbst gefordert, indem er den Sinn seines Handelns nicht in der Steigerung seines Bekanntheitsgrades sieht sondern wächst "auf dem Sockel der Pyramide aller Erfahrungen und Werte, die wir unterwegs gewonnen haben"( Walter Bonatti).

3.8 Wandel der Alpen durch Tourismus    

Hält man sich vor Augen, dass man weder im Mittelalter noch in der frühen Neuzeit etwas von den erschreckenden Gebirgszügen im Alpenraum wissen wollte, so erkennt man den rapiden Wandel im heutigen Bild der Alpen (vgl. BACHLEITNER - SCHIMANY 1999, BACHLEITNER 2002, MATHIEU 2015).

Setzt man den Zeitrahmen der Betrachtung für die Veränderung der Alpen durch Tourismus kürzer an, so wird es erheblich schwieriger, den Tourismus als wesentliche Ursache für die Transformationen verantwortlich zu machen. Wenngleich man sich heute - sei es unter raum- und verkehrsplanerischen, sei es aber auch nachfrageorientierten Aspekten - klare Aussagen über den Wandel der Alpen durch Tourismus wünscht, ist die Antwort mit einer Unsicherheit belastet.

Dies hat die folgenden Gründe.

  • Tourismus stellt zweifelsfrei nur einen Faktor des Wandels dar; er ist als Motor für Veränderungen sozial, strukturell und kulturell mit anderen gesellschaftlichen Faktoren kombiniert und lässt sich aus dieser Verknüpfung nicht exakt isolieren.
  • Tourismus in den Alpenregionen - selbst ein multidimensionaler Faktor: sei es als Erholungs-, Abenteuer- oder Kurtourismus usw. - trifft auf völlig verschiedene Bedingungen und löst in Abhängigkeit davon unterschiedliche Effekte bzw. Veränderungen aus. Eindeutigkeit fehlt dabei.
  • Ein Wandel durch Tourismus vollzieht sich nicht nur im visuellen, also wahrnehmbaren Bereich, wie dies gerne von Kritikern dokumentiert wird. Er vollzieht sich auch kommunikativ, das heißt hier in der aktiven Auseinandersetzung mit örtlichen Bedingungen und den beabsichtigten Perspektiven.
  • Zu diesen grundsätzlichen Aspekten, die die Aussagen zum Tourismus als Motor für Veränderungen erschweren, gesellt sich ein weiteres, eher wissenschaftsbezogenes Einflussfeld. Ein Blick in die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, die sich mit dem Wandel und der Veränderung durch Tourismus beschäftigen, zeigt, dass letztlich jede der beteiligten Disziplinen ihr spezifisches Bild vom Wandel entwirft und entwickelt.
  • Dabei gewinnt man den Eindruck, dass das Bild des Wandels durch Tourismus in den einzelnen Wissensdisziplinen deutlich vom Stellenwert und der Bedeutung des Wandels im Theoriegebäude der Disziplin abhängt.
  • So entwerfen etwa Geschichte und Soziologie - beides Wissenschaftsdisziplinen, bei denen Wandel, Veränderung, Transformation eine erhebliche Rolle spielen - ein völlig anderes Bild vom touristischen Wandel als etwa die Volkskunde, die in ihren Erzählungen von Natur und Vergangenheit die Alpen in romantisierter Form beschreibt und aktuellen Entwicklungen eher moralisierend begegnet.
  • Beschreibungen, die von einem gravierenden Wandel mit den tiefsten Einschnitten ausgehen, findet man bei Ökologen - insbesondere in der Landschaftsökologie -, die den Wandel von der Kultur- und Naturlandschaft mit visueller Komparatistik anprangern.
  • Die Geographie schließlich, in der der Wandel ebenfalls ein entscheidendes Konzept darstellt, beschreibt die Dynamik der Entwicklung in den Alpen - insbesondere die Tertiarisierung einschließlich des Dienstleistungssektors Tourismus - als wesentlichen Entwicklungsimpuls, der zu einer Aufwertung der Alpen zu einem europäischen Freizeit- und Erholungsraum führe.
Es soll und kann nun im Einzelnen nicht näher auf die vier Bewertungsdimensionen und die Ergebnisse der Beschreibungen in den einzelnen Disziplinen eingegangen werden.

Vielmehr sollen in einem integrativen Ansatz die Ergebnisse einer Studie über den Wandel des Tourismus in österreichischen Alpenregionen skizziert werden.

  • Stellen wir also abschließend die Frage nach dem Wandlungspotenzial des Tourismus, der Richtung des Wandels und den Effekten beziehungsweise Folgen, die auf sozialwissenschaftlicher Analyseebene aufzeigbar sind, dann lässt sich für eine längsschnittliche Betrachtungsweise folgendes festhalten.
  • Tourismus als Sozialphänomen mit bestimmter zeitlicher Rhythmik stellt eine Determinationsgröße für strukturelle regionale Veränderungen dar. Dieses Veränderungspotenzial hängt entscheidend vom regionalen Umgang mit Tourismus ab, Tourismus und seine Effekte sind in ihren Rahmenbedingungen steuerbar, diese treten nicht zwingend auf.
  • Ein Wandel durch Tourismus vollzieht sich letztlich langsam, wenngleich typische wahrnehmbare Schlüsselphänomene auftreten können, die vor allem als veränderte Raum-/ Landschaftsempfindungen zum Ausdruck kommen.
  • Ein Wandel durch Tourismus vollzieht sich vor allem durch und über Kommunikation; diese gestaltet das (wahrnehmbare) Bild des Tourismus. Dieser Prozess wird seinerseits durch gesamtgesellschaftliche Diskurse und Einstellungen, wie Ökologiebewusstsein und Erlebnisorientierung, geprägt.
  • Tourismus wird als Motor des Wandels, der soziale Veränderungen oder strukturelle Brüche einleitet, erfahren. Er ist als entwicklungsbestimmender Faktor aber selten klar abgrenzbar, da das Veränderungspotenzial und die Veränderungen durch den Tourismus im Bewusstsein Einzelner unterschiedlich registriert werden. Außerdem ziehen die Entwicklungen verschiedenste Effekte nach sich, die auch die ästhetischen Wahrnehmungen differieren lassen. Tourismus verändert die Landschaft, sei es durch Hotelbauten, Sportzentren, Skianlagen oder sonstige Infrastruktureinrichtungen; Tourismus führt zu hohem Verkehrsaufkommen mit enormen Parkplatzproblemen in Landgemeinden und zu anderen negativen Begleiterscheinungen des Massenbetriebs (etwa Überfüllung von Gaststätten, Wanderwegen, erhöhtes Preisniveau). Die subjektiven Einschätzungen all dieser Entwicklungen sowie der Rolle des Tourismus variieren jedoch beträchtlich.
  • Die Annahme eines tief greifenden oder raschen Wandels von persönlichen Identitäten und Mentalitäten durch überforcierten Tourismus kann auf empirischer Ebene nicht bestätigt werden, zumal Tourismus - als eine Einflussgröße unter vielen - nicht problemlos als Einzelvariable isolierbar ist und insgesamt nicht als Einzelphänomen wahrgenommen wird.
  • Klar ist hingegen, dass sich die regionalen Selbstdarstellungen und Diskurse im Laufe der Zeit und in Übereinstimmung mit den touristischen Wünschen und Urlaubspräferenzen wandeln, womit eine sukzessive Veränderung regionaler affektiver Bezüge, der regionalen Identifikationsmuster, einhergeht.
  • Einzelbefunde sowie selektive Beobachtungen über negative Veränderungen durch den Tourismus scheinen stimmig, ohne jedoch einen Gesamttrend erkennen zu lassen.
Insgesamt gesehen zeigt sich, dass trotz der oft befürchteten und auch formulierten Bedenken gegenüber der "Touristifizierung" im vorliegenden Fall keine dramatische Entleerung - sei es kulturell, sozial oder ökologisch - der Räume und Regionen stattfindet. Die "Touristifizierung" vollzieht sich langsam und in einer aktiven Auseinandersetzung, in welchen die Regionalpolitik zielsetzend eingreifen sollte.

4 Tourismus und Kulturalität    

Im Folgenden wird auf die Aspekte der kulturellen Identität und Zusammenhänge sowie der Dienstleistungskultur im Tourismus eingegangen (vgl. THIEM 2022).

4.1 Kulturelle Identität    

Je weiter die Globalisierung voranschreitet, umso mehr scheint die Eigenart der Regionen - ihre kulturelle Identität - in den Blickpunkt des Interesses zu rücken.

Es gibt im Hinblick auf diese Identität seit einiger Zeit zwei gegenläufige Tendenzen.

  • Die eine weist in Richtung Vereinheitlichung und Angleichung der Kulturen im Sinne des wirtschaftlichen Wohlstandes und Wachstums, die andere in Richtung einer Zunahme der Bedeutung der kulturellen Identität der Regionen.
  • Im zweiten Falle ist eine neue Betonung regionaler Eigenart im Sinne der umfassenden Wohlfahrt des Menschen auszumachen, wozu die Identität maßgeblich beiträgt. Zugleich nimmt in vielen Ländern die Besorgnis zu, von der Einheitskultur - auch gegen ihren Willen - überrollt zu werden: durch die weltweit operierenden Wirtschaftskonzerne, durch zunehmend vereinheitlichte Erziehungssysteme, durch die Medien und durch den internationalen Tourismus.
Es fällt auf, dass in der Debatte um den Tourismus und seine kulturellen Wirkungen vor allem die negativen Aspekte, also die Gefahren diskutiert werden. Das geht zum Teil so weit, dass mögliche positive Aspekte, also Chancen, gar nicht in Erwägung gezogen werden. Zum anderen wird häufig die Wirkung auf die Kultur der Zielregionen des Tourismus ins Zentrum des Interesses gerückt, die Bedeutung für die Kultur der Entsenderegionen jedoch vernachlässigt.

Man sollte nicht von einem wertenden, engen Kulturbegriff aus, sondern von einem beschreibenden, weiten. Tourismus, Fremdenverkehr und Reisen werden im Folgenden als Synonyme verwendet mit der folgenden Umschreibung: Es handelt sich um die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus der Reise und dem Aufenthalt von Personen ergeben.

4.2 Kulturelle Zusammenhänge    

Während in der Literatur üblicherweise nur zwei am Tourismus beteiligte Kulturen unterschieden werden - die Kultur der Reisenden und die Kultur der Bereisten -, gibt es durchaus Ansätze zu einer stärkeren Differenzierung. Diese beruht darauf, dass der Tourismus weitere eigenständige Kulturen begründet (vgl. THIEM 2022).

Zwei auf Seiten der touristischen Entsende- bzw. Quellregion und zwei weitere auf Seiten der touristischen Empfangsregion. Im Folgenden werden sie knapp umrissen.

  • Die Kultur der Quellregion umfasst das, was für die Einwohner einer touristischen Entsenderegion typisch ist. "Idealtypisch" wird hier die moderne Industriegesellschaft angenommen mit den Merkmalen extreme Rationalisierung, Arbeitsteilung, Atomisierung des Lebenszusammenhanges.
  • Die Ferienkultur ist das, was für die Gesamtheit der direkt vom Tourismus Betroffenen aus einer industriegesellschaftlichen Entsenderegion typisch ist. Sie umfasst den Lebensstil, den Touristen auf Reisen pflegen, sowie Reiseveranstalter, Reisebüros und touristische Werbung.
  • Die Dienstleistungskultur stellt das dar, was für die vom Tourismus Betroffenen einer bestimmten Empfangsregion (in ihrer Eigenschaft als Wirtschafts- und Erholungsraum) typisch ist; sie umfasst den Lebensstil, den Einheimische in ihrer Rolle als Gastgeber praktizieren, sowie die in einer Region geschaffenen Einrichtungen für den Tourismus.
  • Die Kultur der Zielregion ist das, was für alle Bewohner einer touristischen Empfangsregion (in ihrer Eigenschaft als Lebens- und Wirtschaftsraum) typisch ist.
Dieses Modell weist zwar einen hohen Abstraktionsgrad (insbesondere werden die Kulturen nicht als eigene Systeme dargestellt) und idealtypische Vereinfachungen auf (Entsenderegion als Industriegesellschaft, Empfangsregion als ländliche Randregion), erscheint aber zur Darstellung der grundsätzlichen Wirkungsmechanismen gerade deshalb geeignet.

Im Zentrum stehen die Wirkungen der Dienstleistungskultur auf die Kultur der Zielregion und die Funktion der Ferienkultur für die Kultur der Quellregion.

4.3 Dienstleistungskultur    

Die kulturelle Identität ist eine wichtige Voraussetzung der Lebensqualität, gilt aber heute in vielen Fällen als gestört oder gar zerstört. Daher leistet die Stärkung der kulturellen Identität einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität des Einzelnen wie der Gesellschaft. Es wird hier kein starres Identitätskonzept zugrunde gelegt, sondern Identität als Prozess aufgefasst. Voraussetzungen der Identität sind Sicherheit, Aktivität und Pluralismus, die hier als konkrete Unterziele gelten sollen; dementsprechend sind Unsicherheit, Inaktivität und Anonymität dem Ziel der kulturellen Identität abträglich (vgl. THIEM 2022).

4.3.1 Behauptungen    

Es gibt in der Tourismusliteratur einige Behauptungen, die seit Jahren, gar seit Jahrzehnten unverändert pauschal weiter erhoben werden.

Sie werden im Folgenden beispielhaft aufgeführt.

- Durch den Tourismus drohender Kulturverlust ist eine grundsätzlich negative Erscheinung.

- Durch den Tourismus werden ursprüngliche und intakte Gemeinschaften bedroht und zerstört.

- Der Tourismus führt zu einer negativ zu bewertenden Dominanz des Kommerzdenkens.

- Durch den Tourismus ausgelöste Transformation von Folklore in Folklorismus ist ein Zeichen der Kulturzerstörung und daher negativ zu werten.

- Schutz und Erhaltung der einheimischen Kultur sind wünschenswert.

4.3.2 Kritik    

Diese pauschalen Behauptungen offenbaren eine Reihe von Annahmen, die es kritisch zu hinterfragen gilt.

- Ein museales, starres Kulturverständnis: Wandel ist ein Wesensmerkmal, nicht Bedrohung von Kultur. Nötig ist ein dynamisches Kulturverständnis.

- Mangelnde Empathie: Die Bewertung kulturellen Wandels kann letztlich nur aus der Sicht der Einheimischen selbst vorgenommen werden, nicht aus Erfahrungen, Befürchtungen, Idealvorstellungen der Zentren heraus.

- Kulturpessimismus: Häufig wird von einem Idealbild einer Kultur ausgegangen (etwa die "heile Welt des Dorfes") und jede Abweichung davon wird als Zerfall gewertet.

- Ein romantisches Bild der Randregionen: Es wird unterstellt, dass der Tourismus in unberührte, traditionelle Gemeinschaften einbreche. Tatsächlich aber ist auch dort die Entwicklung hin zur modernen Identität bereits weit fortgeschritten.

- Mangelnde Unterscheidung zwischen Form und Funktion von Kulturelementen: Wo Folklorismus verdammt oder Revitalisierung pauschal begrüsst wird, ist im Allgemeinen nur vom Existieren eines Kulturelementes die Rede. Welche Funktion es hat, ob sich diese Funktion gewandelt hat und was das für das gesamte "System Kultur" bedeutet, wird häufig nicht berücksichtigt.

- Missachten historischer Bezüge: Die Tourismusliteratur ist zu häufig nur auf sich selbst bezogen und vernachlässigt die Ergebnisse beispielsweise der Volkskunde. Dort werden viele Erscheinungen, welche die Tourismuskritik dem Reisen zuschreibt, in ganz anderen Zusammenhängen ebenfalls beschrieben und analysiert und keineswegs so pauschal beurteilt (vgl. TSCHOFEN 1999).

- Vergleich des Tourismus heutiger Prägung mit alten Reiseformen: Es wird immer wieder eine Rückkehr zur alten "Reisekultur" gefordert, deren Hauptmerkmale als Langsamkeit, Achtsamkeit und Rücksichtnahme unterstellt werden. Der moderne Massentourismus jedoch ist weder vom Ausmaß noch von der Form, noch von der Motivation her den alten Formen vergleichbar. Tourismus heute ist aus Sicht der Einheimischen in erster Linie eine ökonomische Aktivität, die der Existenzsicherung oder wenigstens Verbesserung dient. Die Dienstleistungskultur fördert den Pluralismus in der Kultur der Zielregion.

4.3.3 Moderne Gesellschaft    

Es ist ein Kennzeichen der modernen Gesellschaft, dass Identität weniger durch die Kontinuität der Eigenart als vielmehr durch die Neugestaltung oder Wiederbelebung von Eigenart ihre Bestätigung erfährt. Eine breite Auswahl an Identifikationsmöglichkeiten erlaubt einerseits die (Wieder-) Gewinnung von Eigenart im Sinne der Abgrenzung nach außen und andererseits die Integration unterschiedlicher - beispielsweise altersspezifischer - Gruppen nach innen. Zum Pluralismus sowohl durch zeitliche wie auch durch räumliche Orientierung kann die Dienstleistungskultur materiell (etwa durch Einkommen) wie immateriell (etwa durch förderndes Interesse) Entscheidendes beitragen (vgl. FREYER 2015, 302 - 304).

Mit Pluralismus durch zeitliche Orientierung ist in erster Linie die Revitalisierung gemeint, also keine Fortsetzung alter Traditionen, sondern die Wiederbelebung alter, nicht mehr gelebter Kulturelemente. Die wieder zunehmende Bedeutung der Landwirtschaft, gerade auch in der jüngeren Generation, in einigen Orten im schweizerischen Berggebiet belegt dies.

Die räumliche Orientierung beruht auf dem Austausch mit anderen Kulturen und äußert sich vor allem in Innovationen. Sie ergibt sich nicht nur durch die Touristen selbst, sondern auch durch auswärtige Arbeitskräfte, die wegen des Tourismus zuziehen. Postmaterielle Werte können auf diesem Wege nachgewiesen werden

Materielle Sicherheit, Verhaltenssicherheit, Gefühl des Aufgehobenseins in einer Gruppe, positives "Wir" - Gefühl in der Abgrenzung gegen außen - all dies sind Aspekte der Sicherheit im Hinblick auf kulturelle Identität. Der Tourismus kann dazu ganz grundlegend einen Beitrag leisten, indem er durch neue Arbeitsplätze die materielle Existenz sichern hilft. In verschiedenen Tourismusregionen ist eine positive Bevölkerungsbilanz aufgrund des Tourismus zu verzeichnen. Auffallend ist gerade in Orten mit langer Tourismustradition, dass das Selbstbewusstsein als Gruppe nach eventueller anfänglicher Verunsicherung schließlich steigen kann.

Sowohl Wille als auch Fähigkeit einer Gruppe zu eigenständiger Gestaltung, zu Abwehr von Fremdbestimmung, zu Wahrnehmung vergrösserter Aktivitätsangebote im Freizeitbereich, zu Verwirklichung sozialer Mobilität usw. sind Ausdruck vorhandener Aktivität in einer Region.

Durch die Dienstleistungskultur wird das Freizeitangebot nicht nur für Touristen, sondern auch für die Einheimischen erhöht. So entstehen Sport- und Kulturveranstaltungen zum Teil auf höchstem Niveau, die in Art und Umfang in der Kultur der Zielregion sonst nicht vorhanden wären. Das "Schleswig - Holstein Musik Festival" oder das "Lockenhaus Festival" in Deutschland und der "Kultursommer Niederösterreich" in Österreich, um Beispiele herauszugreifen, werden ja durchaus nicht nur von Touristen besucht. Außerdem gibt es zahlreiche Beispiele in den Bergregionen, in denen - allerdings in der Regel erst nach erheblichem "Leidensdruck" - die Bevölkerung einen deutlichen Willen zur Abwehr von Fremdbestimmung durch die Dienstleistungskultur entwickelt.

Die Aktivität ist dort besonders hoch, wo neben der Abwehr eines Projektes die Entwicklung von Alternativen aus der Kultur der Zielregion heraus tritt. Dies kann zum Beispiel auch im schweizerischen Berggebiet nachgewiesen werden.

5 Städtetourismus    

Den Begriff „Städtetourismus“ gibt es noch nicht so lange, jedoch ist es ein sehr altes Phänomen. Seine Anfänge lassen sich bereits über 2000 Jahre rückverfolgen. Schon die Griechen und später die Römer unternahmen Städtereisen. Einerseits aus geschäftlichen und politischen Gründen, andererseits auch aus anderen Gründen wie Gladiatorenkämpfe.

Besonders der Geschäftsreiseverkehr, der durch den Handel bestimmt worden ist, nahm eine immer wichtigere Stellung ein. Auch Privatreisen waren durchaus schon üblich, jedoch waren diese meist den Adeligen vorbehalten. Sie bereisten während ihrer „Grand Tour“, die sich über Jahre hinweg zog, die wichtigsten Höfe und Städte Europas. Somit kann man Städtereisen als die „Urform des Reisens“ bezeichnen (vgl. WENGE 2004, 6).

5.1 Begriff    

Der Begriff „Städtetourismus“ wird laut LESER (1997) folgendermaßen definiert: „Städtetourismus ist eine Reise in eine historisch oder kunstgeschichtlich bedeutsame oder durch ihre natürliche Lage, ihre Einkaufsmöglichkeiten oder ihr Freizeitangebot attraktive Stadt zum Zweck eines relativ kurzfristigen Aufenthalts (in der Regel 1 – 4 Tage). Städtetourismus wird als Individual- oder Gesellschaftsreise – häufig im Rahmen einer Rundreise – durchgeführt und findet häufig an Wochenenden statt“ (LESER 1997, 811).

Unter dem Begriff Städtetourismus versteht man nicht nur Reisen aus privaten Gründen, sondern auch einen Sammelbegriff für viele Fremdenverkehrsarten dar.

5.2 Tourismusarten    

Zu diesen Tourismusarten zählen

Städtebesuch (Sightseeing)

Veranstaltungsbesuchsverkehr (Eventtourismus)

Abendbesuchsverkehr

privater Einkaufsverkehr

Einzelgeschäftsreiseverkehr

Tagungsveranstaltungsverkehr

Kongress- und Konferenzverkehr

Messereiseverkehr

Kur- und Badeverkehr

Pilgertourismus

Aufgrund der vielen unterschiedlichen Fremdenverkehrsarten, die unter den Begriff Städtetourismus fallen, ist es sinnvoll eine Aufteilung nach dem Reisegrund zu machen.

Einerseits kann man hierbei unterteilen jene Reisen, die vorwiegend aus privaten Gründen gemacht werden und jene Reise, die vorwiegend aus geschäftlichen Gründen unternommen werden.

Die Gruppe der privat reisenden Personen umfasst alle Menschen, die zur Freizeitgestaltung oder der Gesundheit wegen in Städte reisen. Die Gruppe der geschäftlich reisenden Personen umfasst alle Menschen, die aufgrund von Tagungen oder zur Weiterbildung in Städte reisen.

Jedoch kann man in der Praxis meist keine eindeutigen Grenzen zwischen diesen beiden Gruppen ziehen, eine Unterteilung ist trotzdem sehr sinnvoll, da der Besuch der einzelnen Gruppen unterschiedliche Wirtschaftszweige betrifft.

IT - Hinweise

http://soziologie.soz.uni-linz.ac.at/sozthe/freitour/FreiTour-Wiki/Staedtetourismus.htm (3.8.2024)

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240304_OTS0023/staedtetourismus-erholte-sich-vollstaendig-257-mio-naechtigungen-2023 (3.8.2024)

https://www.dw.com/de/top-ten-europas-meistbesuchte-städte/g-66862030 (3.8.2024)

https://www.wissenswertes.at/staedtetourismus (4.8.2024)

Buchbesprechung    

Michael Reimelt (2004): Elemente für ein nachhaltiges Tourismuskonzept, Libertas Paper 60, 79 S., Rangendingen ISBN 3-921929-05-9

Im Jahr 2000 wurden weltweit 650 Millionen Touristen gezählt – Schätzungen besagen, dass sich dieser Wert in den nächsten zwanzig Jahren verdoppeln wird. Doch Fremdenverkehr bringt nicht nur die Weltbevölkerung in Bewegung, er hat sich mittlerweile zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt. Für 38 Prozent aller Staaten ist er zur wichtigsten Devisenquelle geworden, etwa zehn Prozent aller Berufstätigen verdanken dem Tourismus direkt oder indirekt ihre Arbeit.

Natürlich sind nicht alle Auswirkungen des Fremdenverkehrs positiv. Vielfältige negative Effekte bestehen im ökologischen, soziokulturellen aber auch im ökonomischen Bereich – viele davon sind nur schwer reversibel. Es sind genau diese Effekte, die es erfordern, auch dir Tourismusindustrie auf ihre Nachhaltigkeit hin zu überprüfen und entsprechend zu verändern.

Die UNO hat 1992 mit der Agenda 21 das wohl bekannteste Aktionsprogramm zur nachhaltigen Entwicklung verabschiedet. Auch wenn diese Agenda nicht unmittelbar auf den Fremdenverkehrssektor ausgelegt war, lassen sich doch alle darin enthaltenen Grundsätze auf diesen Sektor umlegen. Genau zehn Jahre später erkannte die UNO auch die Notwendigkeit, Tourismus nachhaltig zu gestalten und rief, unterstützt von zahlreichen NGOs das "Jahr des Ökotourismus" aus.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, durch den Tourismus verursachte Probleme zu erkennen, um auf Basis dieser Analyse Instrumente zu diskutieren, die diese negativen Effekte minimieren und Tourismus nachhaltig gestalten. In diesem Band werden zunächst die relevanten Begriffe des Tourismus und der Nachhaltigkeit definiert. In Anschluss daran werden die ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Effekte allgemein diskutiert um allgemein gültige Lösungsinstrumente zu erarbeiten.

In der Folge werden wichtiger Begriffe geklärt, die dieser Arbeit zugrunde liegen. Es werden generelle Auswirkungen des Fremdenverkehrs erläutert und Wege zum nachhaltigen Tourismus aufgezeigt. Die gewonnenen Erkenntnisse werden noch zusammengefasst.

Die weitere Publikation von Michael Reimelt „Kreta – Fallstudie für ein nachhaltiges Tourismuskonzepts“ wendet die gewonnenen Erkenntnisse auf die spezielle Situation der griechischen Insel Kreta an.

IT - Hinweis

https://www.amazon.de/Kreta-Fallstudie-nachhaltiges-Tourismuskonzept-Libertas/dp/3921929040 (3.8.2024)

Teil 2 Aspekte Tourismusmanagement    

Angesprochen wird ein betriebswirtschaftliches Grundwissen für die Tourismusbranche. Es deckt beispielhaft Bereiche einer touristischen Betriebswirtschaftslehre ab (vgl. DETTMER - HAUSMANN 2008, BEA - SCHWEITZER 2009, KOLBEK - RAUSCHER 2020).

Entwickelt werden soll eine Denkhaltung zum verantwortungsvollen, aktiven Handeln („Management“) im touristischen Bereich.

6 Grundlagen Betriebswirtschaftslehre    

Nach KOLBEK - RAUSCHER (2020, 3-10) bilden die Grundlagen kaufmännischen Denkens und Handelns die Entstehung der Betriebswirtschaftslehre/ BWL, die Unterscheidung zur Volkswirtschaftslehre/ VWL, die Wirtschaftsthemen, die Bedeutung des Bereichs Management und die Denkhaltung.

6.1 Historische Einführung    

Ein Ortswechsel ist so alt wie die Menschheit, in der Folge kommt es zu Reisen. Tauschen von Waren und Gütern, in der Folge das Feilschen um Preise und Mengen und ihre Werte gehen bis in die frühen Hochkulturen zurück. Buchführung ist in Babylon für das Jahr 1728 v. Chr. belegt.

  • Im antiken Griechenland sind die Werke " 0ikonomikos" von Xenophon (um 875 v.Chr.) und die Lehre vom Wirtschaftsbetrieb von Aristoteles (um 350 v.Chr.) bekannt ((vgl. BEA - SCHWEITZER 2009, 1-2).
  • Ab dem 12. Jahrhundert entwickelte sich ein Rechnungswesen. Diese deskriptiven Ansätze entwickeln sich in der frühen Neuzeit und Übergang in die Moderne ab Ende des 18. Jahrhunderts zu normativen Ansätzen mit Planungsgedanken und letztlich bis heute zu betriebswirtschaftlichen Überlegungen (vgl. KOLBEK - RAUSCHER 2020, 3-4).
  • Durch die Nationalstaatenbildung und die wachsenden Kolonialreiche erhielt die Volkswirtschaftslehre zunehmend Bedeutung. Die vorherrschende kameralistisch - handwerklich geprägte Wirtschaftsstruktur mit Kleinunternehmen wird durch große und anonym geführte Industrie- und Dienstleistungsunternehmen erweitert, für die es keine Ausbildung vorerst gab.
  • In Europa führte dies zur Gründung von Handelshochschulen 1898 in Leipzig und Wien, 1906 in Berlin und 1910 in München (private bzw. städtische Trägerschaft, Widerstand der Universitäten; vgl. BEA - SCHWEITZER 2009, 4; STEINMANN - SCHREYÖGG 2005, 40-41). Fachlich führte es zur Entwicklung im deutschsprachigen Raum zu "systemorientierten Managementkonzepten". In der Folge entwickelte sich eine "praktisch - orientierte Wissenschaft" (vgl. SCHWAIGER - MAYER 2009).
  • In den USA verlief die Entwicklung in Folge der großen Flächenausdehnung räumlich verteilter Unternehmen zu spezifischen Führungsaufgaben (vgl. Eisenbahn- und Rohstoffkonzerne). Der Handlungsdruck führte zur betriebswirtschaftlichen Ausbildung an Universitäten und branchenbezogener Berufsverbände (vgl. Business Schools, in Harvard 1908). Die US - Ausbildung hat daher einen Ausbildungsschwerpunkt auf reale Praxis - Fälle ("case studies"). Dies führt zu "verhaltenswissenschaftlicher Management - Konzepte".
Betriebswissenschaftslehre hat heute einen festen Platz in der Wissenschaft.

Wissenschaftssystem
EinzelwissenschaftenWissenschaftslehre
Geistes-, Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften
Philosophie, Politik,
Bildungswissenschaften,
Technik

modifiziert nach VAHS - SCHÄFER - KUNZ 2015, 17 - 19

6.2 Unterschied zur Volkswirtschaftslehre    

Die Betriebswirtschaftslehre/ BWL befasst sich mit der Wirtschaft in Betrieben, Kooperationen mit anderen Betrieben und den umgebenden Wirtschaftsbereichen. Ein Unternehmen besteht aus einem oder mehreren Betrieben (vgl. BEA - SCHWEITZER 2009, 24).

Die Volkswirtschaftslehre/ VWL befasst sich mit der Wirtschaft in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen und den Beziehungen zwischen den einzelnen Betrieben (vgl. BEA - SCHWEITZER 2009, 24). Die Mikroökonomie befasst sich mit der Verbindung von VWL zu BWL.

Als Beispiel dieser Schnittmenge gilt die Preisbildung. Die VWL betrachtet die Marktgleichgewichte, die Koordination der Vielzahl der Wirtschaftspläne in den Marktformen (vgl. OTT 1986, 27 - 31). Die BWL betrachtet vorrangig die Wettbewerbsorientierung des Preises mit Optimierungsmaßnahmen.

6.3 Managementlehre    

Die Interessen der Eigentümer oder Leitungsinstanzen des Unternehmens stehen im Mittelpunkt mit dem Ziel einer zielgerichteten Führung. Die zusammenhängenden Fragen ergeben das Fachgebiet der "Unternehmensführung".

In der englischen Sprache wird dies gleichwertig im Unternehmenskontext bezeichnet als "Management". In der Folge ergeben sich die Bezeichnungen "managen" (organisieren bzw. leiten), "Management" (Führungsebene) und "Manager/ Managerin" (Führungskräfte) (vgl. KOLBECK - RAUSCHER 2020, 6; STEINMANN - SCHREYÖGG 2005, 6 -7).

"Managementfunktionen" bezeichnen bestimmte Aufgabenbereiche in Führungsposition wie in der Planung, Organisation und Kontrolle. "Management - Qualitäten" müssen auch Mitarbeiter/innen aufweisen, im Tourismus betrifft dies im Tagesgeschäft etwa die Flugbegleiterin, einen Reiseleiter oder Reisebüroexpedient. Im Krisen- oder Notfallmanagement gilt dies besonders.

Bezüglich einer Ausbildung gibt es aktuell akademische Ausbildungen als Kurzform berufsbegleitend in Universitätskursen (vgl. TU Graz in Österreich > https://www.tugraz.at/studium/studienangebot/universitaere-weiterbildung/kurse-und-seminare/management-von-unternehmensprozessen-und-kulturen-in-der-digitalen-transformation [14.8.2024]), gefordert ist der quartäre Bildungsbereich/ "Berufliche Erwachsenenbildung".

Unternehmensführung betrifft als Herausforderung nicht nur die Eigentümerinteressen, ebenso die der Mitarbeiter, Umweltbedürfnisse und sozio - kulturelle Faktoren (vgl. OESTERLE - SCHMID 2009, bes. 95 - 139).

7 Tourismus    

Die Definition des Tourismus der "Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen" (UNWTO) im Jahr 1993 zeigt die Breite und das Phänomen Tourismus. "Tourismus umfasst die Aktivitäten von Personen, die an Orte außerhalb ihrer gewohnten Umgebung reisen und sich dort zu Freizeit-, Geschäfts- oder bestimmten anderen Zwecken nicht länger als ein Jahr ohne Unterbrechung aufhalten" (vgl. FREYER 2015, 2; HEUWINKEL 2019).

Tourismuskategorien der UNWTO sind der

  • Internationaler Tourismus - Nationaler Tourismus
  • Inlandstourismus - Einreiseverkehr, Binnenreiseverkehr, Ausreiseverkehr
7.1 Entwicklung des Tourismus    

Nachfolgend wird die die historische Entwicklung des Tourismus in Mitteleuropa skizziert (vgl. KOLLBECK - RAUSCHER 2020, 12 -14).

  • Im Mittelalter hatte Reisen einen ökonomischen oder religiösen Zweck.
    • In der Regel waren es Handelsreisen mit Warentransporten auf Handelswegen mit entsprechender Infrastruktur (Beherbergung, frische Pferde, Verpflegung).
    • Bei Schiffstransporten bestand die Gefahr der Piraterie.
    • Fahrende Handwerker und Gesellen mussten in fremden Städten mit Tätigkeiten bleiben.
    • Pilgerfahrten hatten religiösen Zwecke mit Unterstützung des Almosenwesens, ökonomisch wurden in einem Ablass zeitliche Sünden vergeben.
  • Jahrhundertelang konnte nur der Adel und Klerus einen Ortswechsel an vertrauten Orten wie Sommerresidenzen, Jagdschlössern und Klöstern sich leisten.
  • Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden bewusst fremde Orte zum Ziel.
    • Mit der planmäßigen Kolonisierung entstanden romantisierende und realitätsferne Vorstellungen über die Ferne und die Menschen (Exotik Afrikas).
    • Der Drang in unerschlossene alpine Gebiete mit Gipfeln war nicht zu übersehen.
  • Im Industriezeitalter mit der Verstädterung und den Folgerungen bekam die Erholung einen zentralen Stellenwert.
  • Die beiden Weltkriege verlangsamten die Entwicklung.
  • In den Wirtschaftswunderjahren beeinflussten das eigene Auto, Massenmotorisierung die individuelle Reisetätigkeit und den Entfernungsbereich.
  • Gleichzeitig entstand ein organisiertes Reisen, zuerst mit der Bahn, in der Folge mit Flugzeug und damit einem Qualitätsempfinden.
  • Ab den achtziger Jahren rückte das Erlebnis und Freizeitereignis ("Event") in den Vordergrund (Abhebung von der erholungssuchenden Masse). Die Motive in der Tourismusgeschichte richten sich nach den aktuellen Entwicklungen in den Lebensstilen (vgl. HEUWINKEL 2019, 101).
    • Seit der Jahrtausendwende erweitern sie sich in den Bereichen Luxus (sich etwas gönnen),
    • Gesundheit (Erholung, bewusste Lebensführung) und
    • Nachhaltigkeit (Lebensführung im Einklang der Natur, Zukunftsfähigkeit und Beständigkeit/ Wertestruktur).
  • In den neunziger Jahren entstanden Tourismuskonzerne in Verbindung mit Freizeitunternehmen wie Themenparks und Kreuzfahrtschiffangeboten.
7.2 Tourismusangebot    

7.2.1 Definition    

Durch die Komplexität der Leistungen und Vermarktung bedarf es einer Definition des Angebots (vgl. FREYER 2025, 158 - 159; KOLBECK - RAUSCHER 2020, 14 -15).

  • Die Wirtschaftsgüter müssen entsprechend ihrer Wertschöpfung eingeordnet werden.
  • Die Dienstleistung bezüglich des Zeitraumes muss aufgeteilt werden.
Touristische Leistung
ReisevertriebReiseveranstaltungVerkehrHotel - GastgewerbeBetreuung - Urlaubsgebiet
stationärklassischAnreiseHotellerieZielgebietstourismus
mobilvirtuellvor OrtGastronomielokale Dienstleister
online AbreiseMobil 

modifiziert nach FLIESS 2009, 11 - 25; FREYER 2015, 158-159; KOLBECK - RAUSCHER 2020, 15

7.2.2 Grundlagen    

  • Materialität - Konsum der Leistungen führt zu physischem Erleben, Dienstleistungen benötigen materielle Bestandteile und Sachgüter mit Serviceleistungen
  • Uno - acto - Prinzip - Produktion und Konsum fallen räumlich und zeitlich zusammen, ungebundene Dienstleistung beim Reiseveranstalter (Produktion, Buchung und Konsum) - in der Folge
  • Standortgebundenheit und fehlende Lagerfähigkeit - Kapazitätsplanung und Preisbildung (vgl. vor allem Luftverkehr und Hotellerie)
  • Integration eines externen Faktors - der Gast wirkt auf die Qualität ein (ggf. auch Mitproduzent)
  • Reisevertrieb beinhaltet alle stationären (Reisebüro), ebenso mobile Formen (Reiseberater, Reise TV, Onlineformen) - internationaler Einkauf von Kontingenten und Katalogproduktion
  • Systembetreiber mittels Informationsflusses zwischen Unternehmen mit Informations- und Buchungsmöglichkeit für den Endkunden (vgl. FREYER 2015, 348 - 352). Die Central Reservation Systems (CRS), Global Distribution Systems (GDS) und Web - basierte Systeme (WBS) entwickelten sich in den vergangenen Jahrzehnten (vgl. SCHULZ - WEITHÖNER - EGGER - GOECKE 2015).
  • Mobilitätsleistungen umfassen den
    • landgestützten Verkehr (Auto, Bahn, Bus, Fahrrad, zu Fuß),
    • Schiffs- und Luftverkehr.
    • Beherbergungen und Verpflegung übernehmen die Hotellerie und Gastronomie ("touristische Kernleistungen").
    • Die Gästebetreuung gilt mit Zielgebietsmanagement (Transferleistungen, Ortsbetreuung, Beschwerdemanagement) zusammen als touristisches Leistungsangebot.
  • Die Touristen erfahren in zeitlicher Abfolge die Reise im Erlebnisablauf (Buchung, Anreise, Erholung, Erlebnis, Heimkehr, Erinnerung und Erzählung) aus verschiedenen Perspektiven wie Qualität, Sicherheit, Preis und Status.
Damit entsteht aus der Sicht der Anbieter im Marketing eine besondere Herausforderung.

7.3 Tourismusmärkte    

Nachfrage und Angebot findet auf vielen touristischen Teilmärkten statt. Hinweise auf neue Erkenntnisse liefert die "Tourismusökonomie". Die Sicht auf touristische Produkte wird erweitert (vgl. LETZTNER 2010, 22- 30).

  • Touristische Faktoren (Attraktionen/ Anziehungspunkte) werden definiert, neben der nötigen Infrastruktur gibt es nicht - produzierbare Anziehungspunkte wie berühmte Bauwerke, Natur, Kultur, Klima, Ausstellungsgegenstände, Gastfreundlichkeit und regionale Wohlfahrtseffekte.
  • Die volkswirtschaftlichen Faktoren Arbeit, Kapital, Boden und Wissen sind wesentlich.
Touristische Märkte entstehen durch das Zusammentreffen der Nachfrage und einem Angebot. Touristisch spielen Zeit, Qualität, Menge und Dienstleistungsmöglichkeiten eine Rolle (vgl. MALERI - FRIETZSCHE 2008).

7.4 Tourismusmanagement    

Zwei Perspektiven für eine Betriebsführung sind (vgl. KOLBECK - RAUSCHER 2020, 25)

  • die touristisch - orientierte im Sinne einer Zielgruppenorientierung und
  • die management - orientierte im Sinn der betriebswirtschaftlichen Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse.
Die Komplexität eines Tourismusmanagementmodells wird im Folgenden skizzenhaft an dem ganzheitlichen Ansatz von Claus STEINLE (2005, 26 - 28, 36 - 41) vorgestellt. Jeder der sechs Dimensionen besitzt einen bestimmten Leitgedanken.

  • Dimension Funktionsbereiche - die touristische Wertschöpfungskette kommt zur Geltung (siehe Pkt. 7.2.2).
  • Dimension Managementprozesse - die kaufmännische Steuerung, Geschäftsführung mit ihren Abteilungen/ Stäben sind auf direkte Vorgesetzte und Mitarbeiteraktionen reduziert.
  • Dimension Soziale Systeme - es betrifft die Führung des Gesamtunternehmens über die Führung der Produkte, ein Mitarbeitender ist immer Mitglied mehrerer sozialer Systeme (wie Familie, Unternehmen und Abteilung). Wesentlich sind die Kommunikationsprozesse innerhalb der Systeme.
  • Dimension Geschäftsprozesse - Input - Faktoren wie Vorbereitung auf Verhandlungen und interne Absprachen sowie Output - Faktoren wie durchzuführende Geschäftsprozesse bilden die zentralen Stränge eines Unternehmens.
  • Dimension Werte und Strategien - Fragen des Führungsstils und öko - sozialer Nachhaltigkeit werden geführt.
  • Dimension Räume - spielen eine große Rolle für die geographische Ausbreitung, Vernetzungen und Kommunikationsformen.
7.5 Tourismusökonomie    

Die Tourismusökonomie stellt die Frage nach den Funktionsweisen, den Entwicklungen und gesamtwirtschaftlichen Effekten in der Destination/ Region, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft. Versucht werden tourismuspolitische Aussagen für Entscheidungsträger zu treffen (vgl. LETZNER 2010, 20 - 30, 53 - 76, 93 - 196; KOLBECK - RAUSCHER 2020, 30).

  • Angesprochen sind die Bereiche zudem der Marktgleichgewichte bzw. Ungleichgewichte, Preisbildungen, Verteilungen von Ressourcen und externe Effekte.
  • In der gesamtwirtschaftlichen Perspektive zeigt sich der Schwerpunkt der Wertschöpfung im personalintensiven tertiären Sektor (vgl. die Bedeutung des Personalmanagements).
  • Im Management und der Ökonomie bestehen Berührungspunkte und Überschneidungen wie
    • die Bedeutung des Tourismus in der Wirtschaft, der Kultur, den Sozialstrukturen und Politik (Beispiele Österreich und Ägypten mit Abhängigkeiten von Tourismus).
    • wirtschaftlich nachhaltige Maßnahmen positive Auswirkungen im Tourismus sich auswirken.
8 Personalmanagement    

Das Personalmanagement setzt sich aus den folgenden Teilbereichen zusammen, die skizzenhaft besprochen werden (vgl. zum Überblick KOLBECK - RAUSCHER 2020, 239 - 263).

8.1 Personalwirtschaft    

Die Personalwirtschaft beschäftigt sich mit dem menschlichen Wirtschaftsfaktor, wobei die Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen und zu fördern ist. In der Dienstleistungsorientierung des Tourismus ist die menschliche Arbeit ein bedeutender Faktor.

Deutlich wird das an den Personalkosten als dem größten Kostenblock eines Dienstleistungsunternehmens.

Teilbereiche sind in einer Personalwirtschaft ein (e)

  • Personalbedarfsermittlung,
  • Personalbeschaffung,
  • Personaleinsatz,
  • Personalentlohnung,
  • Personalentwicklung,
  • Personalfreisetzung und
  • Personalführung.
Trends sind zu beachten aus den Auswirkungen eines demographischen Wandels, Wertewandels, der Globalisierung und Digitalisierung.

8.2 Personalbedarfsermittlung    

Sie bemisst die notwendigen Arbeitskräfte/ Mitarbeiter für die einzelnen Bereiche. Ausgangspunkt ist der aktuelle Personalstand, der mit dem aktuellen Stand abzugleichen ist.

Der aktuelle Personalstand ist abhängig von Abgängen und Zugängen. Kommt es zu einer Unterbesetzung wird eine Beschaffung notwendig. Im umgekehrten Fall gibt es eine Freistellung.

Vier Dimensionen folgen zu einer Abgleichung.

  • Quantitativ ergibt sich die Zahl der Mitarbeiter - Organisation.
  • Qualitativ ergeben sich die Fähigkeiten und Qualifikationen - Anforderungsprofile .
  • Zeitlich ist der Zeitraum bestimmend - Saisonabhängigkeit.
  • Räumlich ergeben sich die Orte einer Einsetzung - Inland bzw. Ausland.
8.3 Personalbeschaffung    

In der Folge werden geeignete Beschaffungsmaßnahmen benötigt. Der Prozess startet mit Personalwerbung. Zunächst wird die Art und Weise einer Werbung festgelegt, weiters erfolgen die Schritte der Auswahl und die Einstellung.

Wege der Personalbeschaffung
Interne BeschaffungswegeExterne Beschaffungswege
Innerbetriebliche AusschreibungArbeitsmarktservice/ AMS
PersonalentwicklungPersonalberatung
VersetzungStellenanzeige/ Presse - Online
MehrarbeitArbeitnehmerüberlassung
UrlaubsverschiebungHochschulmarketing

modifiziert nach OLFERT 2015, 130

8.4 Personaleinsatz    

Der Einsatz beschäftigt sich mit der Zuordnung der Mitarbeiter auf die vorhandenen Stellen im Unternehmen.

Wesentlich ist dabei der

  • Arbeitsinhalt (Spezialisierung),
  • Arbeitsort (Arbeitsplatz/ Abteilung) und
  • die Arbeitszeit (Flexibilisierung/ Job Sharing).
8.5 Personalentlohnung    

Die erbrachte Leistung wird mit einer Entlohnung abgegolten.

Abhängig sind die Kriterien von

  • Arbeitsbewertung - Leistungsgerechtigkeit,
  • Leistungsbewertung - Arbeitsvertrag und
  • Formen der Vergütung
    • Grundvergütung - Zeitlohn, Akkord, Prämienlohn
    • ergänzende Vergütung/ Zuschläge, Gratifikationen und Zuwendungen
    • erfolgsabhängige Vergütung/ Erfolgsbeteiligung, Kapitalbeteiligung
    • Sachleistungen, Firmenwagen, betriebliche Einrichtungen und Betriebsrente
8.6 Personalentwicklung    

KonzeptMaßnahmeMethoden
Into -JobVorbereitung - Einarbeitung
in neue Stelle/ Aufgaben
Berufsausbildung
Trainee - Programm
Duales Studium
On - JobBildung am ArbeitsplatzAnleitung durch Vorgesetzten
Job Rotation
Job Enrichment
Job Enlargment
Projektarbeit
Off - JobBildung außerhalb ArbeitsplatzSeminare
Tagungen
Konferenzen
Fallstudien
E - Learning
Corporate Universities
Bildungsurlaub

modifiziert nach JUNG 2017, 282 und HOLTBRÜGGE 2018, 145 - 151

9 Unternehmenspolitik    

In diesem Zusammenhang soll die ökonomische Seite von zwei Aspekten her betrachtet werden (vgl. STEINLE 2005, 78 - 86).

  • Die Unternehmensphilosophie steht für die Weltanschaulichkeit des Unternehmens, besonders das Menschenbild, Kundenverständnis und die Stellung in den Umwelten.
  • Die Unternehmensethik aus dieser Grundrichtung sollte eine Reihenfolge von Werten ergeben, denen sich das Unternehmen in seinem Handeln verpflichtet fühlt.
Für die Unternehmensleitung erschweren sie den Umgang im Tagesgeschäft. Sie zwingen zu einem normativen Anspruch und klaren Aussagen. In Familienunternehmen und Personengesellschaften sind solche Leitbilder und Grundsätze häufiger kodifiziert.

In Leitbildern werden grundlegende Leistungsziele, Führungs- und Organisationsziele sowie Sozialziele benannt (vgl. STEINLE 2005, 131, 139 - 154; KREIKEBAUM - GILBERT - BEHNAM 2028, 64 - 67). Bei Tourismusbetriebe sollten jedenfalls Ziele einer Unternehmenskultur aus interkulturellen Gründen vorhanden sein.

Fallstricke sind explizite Vorgaben einer wertorientierten Unternehmensführung. Zu beachten ist das Meinungsbild (Image) in Medien und der Öffentlichkeit.

10 Nachhaltiger Tourismus    

10.1 Umsetzungsversuche    

"Nachhaltige Unternehmensführung" ist ein viel diskutiertes Themenfeld im Bereich der Managementlehre. Bereits 1998 kommt es zu höchst unterschiedlichen Begrifflichkeiten.

  • Die Undifferenziertheit führte dazu, dass Wirtschaft und Politik die Themen unterschiedlich auslegen und anwenden, je nach Partikularinteressen (vgl. BAUMGARTNER - RÖHRER 1998).
  • Zehn Jahre später sieht man bereits Umsetzungsversuche im Tourismus als ein Bewertungssystem (vgl. BAUMGARTNER 2008).
  • In Anlehnung an LUGER (2022, 254 - 297) bedarf es vielfältiger Wege zur Nachhaltigkeit im Tourismus. Anzusetzen ist bei der Art des Transports und dem Verkehr von und zu Urlaubsorten (vgl. REIN - STRADAS 2015).
10.2 Alpenraum    

Der Alpenraum ist als zentrales Tourismusziel/ Destination ebenfalls ist als sensibler, Natur-, Lebens- und Tourismusraum von hoher Automobilität gekennzeichnet. Von zentraler Bedeutung ist die Bereitstellung umweltfreundlicher Verkehrsmittel für eine klimaschonende Regionalpolitik.

  • Ein Verkehrsverbund von Schiene (Bahn) und Straße (Bus) erleichtert einen Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel. Erwünscht sind ein guter Gepäckservice, Shuttledienste und multimodale Angebote.
  • Lokalbahnen in ihrer Bedeutung mit den entsprechenden Anschlüssen sind nicht zu unterschätzen.
  • Beispiele wie eine Reiseplattform der Tourismusregion Villach - Faaker See hat der VCÖ prämiert, digitale Reisekarten erleichtern die Reisegewohnheiten (vgl. LUGER 2022, 256). Man beachte auch die Notwendigkeit einer Beratung, Unterstützung und ggf. Begleitung (vgl. die Bedeutung beruflicher Fortbildung).
10.3 Europäische Union    

International von Bedeutung ist die "Green Deal" der Europäischen Union als ein Gesetz, Europa bis 2050 emissionsfrei zu machen. Als Zwischenziel bis 2030 sind 55 Prozent aller Treibhausgase einzusparen.

Für den Tourismus ist herausfordernd wie in allen Wirtschaftsbereichen

  • Einsparungen im Energiesektor,
  • Umstellung der Heizungsprozesse und
  • thermische Isolierung der Beherbergungsbetriebe vorzunehmen.
An Visionen und Maßnahmen wurden in Österreich Forderungen des Nachhaltigkeitsdiskurses in Dokumenten und als Zielsetzungen und Rahmenbedingungen für den Tourismus das 5. Aktionsprogramm der EU oder die Protokolle der Alpenschutzkonvention zu der Umweltentwicklung aufgenommen.

IT - Hinweis

https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010876 (20.6.2022)

Bereits 1995 wurden die Prinzipien und Ziele einer nachhaltigen Tourismus- und Freizeitwirtschaft festgelegt, eine Umsetzung nicht nur in Österreich hinkt erheblich nach (vgl. LUGER 2022, 259).

Die Entwicklung zum Schutz des Alpenraumes als Lebens- und Kulturraum liegt im gesamtgesellschaftlichen und öffentlichen Interesse, einem Erwerbszweig mit touristischer Infrastruktur, einer Verkehrspolitik und Raumplanung bzw. Raumordnung (vgl. DOLLINGER 2021).

Nachhaltige Entwicklung im alpinen mitteleuropäischen Kulturraum beachtet die Faktoren (vgl. LUGER 2022, 261-262)

  • Raumplanung,
  • Verkehr,
  • Land- und Forstwirtschaft,
  • Umwelt- und Naturschutz und
  • Wasser- und Energieversorgung.
10.5 Beispiel Tirol 2024    

Wie aktuell die Bemühungen um eine Erhaltung und Verbesserung einer Nachhaltigkeit sind, zeigt das Beispiel Tirol 2024.

Wie sich die zwölf Millionen Touristen in Tirol wirklich auf die Umwelt, die Wirtschaft oder die Einheimischen auswirken, soll nun erhoben werden. Wo man bei der Nachhaltigkeit – Stichwort Wasser, Energie oder Abfall – stehe, sei nämlich nicht immer klar, sagt der Leiter der neuen Beobachtungsstelle, Tourismus - Experte Hubert Siller.

„Schwierig wird es, wenn man aus diesen Aspekten den touristischen Einfluss heraus messen muss. Gerade wenn es um ökologische Themen geht, muss man festhalten, dass die Datengrundlagen im Moment keine sehr guten sind“, so Siller.

Länder sollen durch mehr Daten voneinander lernen. In 45 Ländern weltweit werden entsprechende Daten erhoben, auch um Regionen untereinander und voneinander lernen zu lassen – unter anderem, was Gäste zufrieden macht, ohne Einheimische zu überfordern.

Das Problem seien die Spitzen beim Tourismus. "Diese Spitzen müssen wir lenken und managen, da erhoffen wir uns natürlich auch Antworten aus diesem Dialog“, sagt Hubert Siller.

IT - Hinweis

https://tirol.orf.at/stories/3269250/ (18.8.2024) .

Literaturhinweise    

Agenda 21. Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung, Rio de Janeiro, Juni 1992 > http://www.un.org/Depts/german/conf/agenda21/agenda_21.pdf. (11.10.20)

Bachleitner R. (Hrsg.) (1998): Alpiner Wintersport: eine sozial-, wirtschafts-, tourismus- und ökowissenschaftliche Studie zum alpinen Skilauf, Snowboarden und anderen alpinen Trendsportarten, Innsbruck - Wien

Bachleitner R. / Schimany P. (Hrsg.) (1999): Grenzenlose Gesellschaft - grenzenloser Tourismus?, München - Wien

Bachleitner R. (2002): Alpentourismus - Bewertung und Wandel, in: Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte B 47/ 2001, Bonn > https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/25886/alpentourismus-bewertung-und-wandel/ (3.8.2024)

Bätzing W. (2018): Die Alpen. Das Verschwinden einer Kulturlandschaft, Darmstadt Baumgartner Chr. - Röhrer Chr. (1998): Nachhaltigkeit im Tourismus. Umsetzungsperspektiven auf regionaler Ebene, Wien

Baumgartner Chr. (2008): Nachhaltigkeit im Tourismus. Von 10 Jahren Umsetzungsversuchen zu einem Bewertungssystem, Innsbruck

Baumgartner Chr. (2021): Nachhaltige Tourismus Entwicklung. Erfahrungen aus ländlich - alpinen Regionen, in. Brandl St. - Berg W. - Herntrei M. - Steckenbauer Chr./ Lachmann - Falkner S. (Hrsg.): Tourismus und ländlicher Raum. Innovative Strategien und Instrumente für die Zukunftsgestaltung, Berlin, 13-32

Bea Fr. X. - Schweitzer M: (2009): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. I: Grundlagen, Stuttgart

Bieger Th. (2007): Dienstleistungsmanagement. Einführung in Strategien und Prozesse bei Dienstleistungen, Bern - Stuttgart - Wien

Bieger Th. - Beritelli P. (2013): Management von Destinationen, Oldenburg

Dettmer H.- Hausmann Th. (2008): Betriebswirtschaftslehre für das Gastgewerbe, managementorientiert, Hamburg

Dettmer H.- Hausmann Th. - Schulz J.M. (2008): Tourismus - Management, München

Dichatschek G. (2021): Regionale Bildung. Aspekte einer Erwachsenenpädagogik eines europäischen Kulturraumes im Kontext Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2022): Zukunftsfähige Bildung. Aspekte einer Gestaltung des Lebensraumes im Kontext Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2023): Grundwissen Ökologie - Theorie, Praxis und Handlungsfelder im Kontext Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. - Nosko H. (2024): Die Alpen im Wandel der Zeit. Aspekte einer Soziokulturellen Theoriediskussion eines Kulturraumes, Saarbrücken

Dollinger Fr. (2021): Das Dilemma und Paradoxie der Raumplanung, Wien

Fliess S. (2009): Dienstleistungsmanagement. Kundenintegration gestalten und steuern, Wiesbaden

Freyer W. (2015): Einführung in die Fremdenverkehrsökonomie, Berlin - München - Boston

Grunwald A. - Kopfmüller J. (2012): Nachhaltigkeit, Frankfurt/ M. - New York

Haan G. de (2002): Die Kernthemen der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, in: Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik 25(1), 13-20

Hachtmann R. (2007): Tourismus - Geschichte, Göttingen

Haid H. (1997): Goa in den Alpen - Mit Mut, Witz und Widerstand für eine ökologische Regionalentwicklung, in: Kreib Y./ Angela Ulbrich A. (Hrsg.): Gratwanderung Ökotourismus. Strategien gegen den touristischen Ausverkauf von Kultur und Natur (Ökozid, 13), Gießen, 30-43

Heuwinkel K. (2019): Tourismussoziologie, Konstanz

Inmann K. (Hrsg.) (1995): Verreiste Berge. Kultur und Tourismus im Hochgebirge, Innsbruck

Holtbrügge D. (2018): Personalmanagement, Berlin

Jung H. (2017): Personalwirtschaft, Berlin - Boston

Kellner W. (2015): Community - Education und informelles Lernen. Bildungspolitische Akzente für gemeinwesenorientierte Erwachsenenbildung, in: Leben. Lernen. Glauben. Evangelischer Bildungsbericht 2015, 130-135

Keul A. G./ Bachleitner R./ Kagelmann H.G. (Hrsg.) (2000): Gesund durch Erleben? Beiträge zur Erforschung der Tourismusgesellschaft, München

Kreikebaum H. - Gilbert D.U. - Behnam M. (2008): Strategisches Management, Stuttgart

Kohlbeck H. - Rauscher M. (2020): Tourismus - Management. Die betriebswirtschaftlichen Grundlagen, München

Leser H. (Hrsg.) (1997): Diercke Wörterbuch Allgemeine Geographie, München - Braunschweig

Letzner V. (2010): Tourismusökonomie. Volkswirtschaftliche Aspekte rund ums Reisen, München

Luger K. (2022): Tourismus - Über das Reisen und Urlauben in unserer Zeit, Wiesbaden

Maleri R.- Fritzsche U.(2008): Grundlagen der Dienstleistungsproduktion, Berlin - Heidelberg

Mair B. (2019): Zwischen Heimat und Erholung, in: Tiroler Tageszeitung, 15. 4.2019, 5

Mathieu J. (2015): Die Alpen. Raum - Kultur - Geschichte, Stuttgart

Meisch S. (2014): Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik - Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Das Konzept und seine Potentiale für traditionelle Volluniversitäten, Bd. 10/1, Arbeitsstelle Hochschuldidaktik, Universität Tübingen, Tübingen

Mitterer - Leitner Th. (2023): Tourismusgesinnung von Landwirt:Innen in der Region Wilder Kaiser - Management Center Tourismus - Endbericht, Innsbruck > https://www.ttr.tirol/sites/default/files/2024-05/Tourismusgesinnung LW Wilder Kaiser.pdf (2.8.2024)

Neuenfeldt H. - Rose O. (1997): Stadttourismus als Wirtschaftsfaktor in Aachen, Göttingen

Nosko H. (2024): Alpinethik > http://www.netzwerkgegengewalt.org/wiki.cgi?Alpinethik (3.8.2024) Oesterle M. - J./ Schmid St. (Hrsg.) (2009): Internationales Management. Forschung. Lehre. Praxis, Stuttgart

Olfert Kl. (2015): Personalwirtschaft, Herne

Ott A. E.(1986): Grundzüge der Preistheorie, Göttingen

Pufé I. (2017): Nachhaltigkeit utb 8705, Konstanz und München

Rein H. - Stradas W. (Hrsg.) (2015): Nachhaltiger Tourismus, Konstanz - München

Schulz A.- Weithöner U. - Egger R.- Goecke R. (Hrsg.) (2015): eTourismus: Prozesse und Systeme. Informationsmanagement im Tourismus, Berlin - München - Boston

Schwaiger M. - Mayer A. (Hrsg.) (2009): Theorien und Methoden der Betriebswirtschaft. Handbuch für Wissenschaftlicher und Studierende, München

Steinle Cl. (2005): Ganzheitliches Management. Eine mehrdimensionale Sichtweise integrierter Unternehmensführung, Wiesbaden

Steinmann H. - Schreyögg G. (2005): Management. Grundlagen der Unternehmensführung, Wiesbaden

Suchanek N. (2000): Ausgebucht - Zivilisationsfluch Tourismus, Stuttgart

Thiem M. (2002): Tourismus und kulturelle Identität, in: Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte B 47/ 2001, Bonn > https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/25889/tourismus-und-kulturelle-identitaet/ (3.8.2024)

Tschofen B. (1999): Berg - Kultur - Moderne. Volkskundliches aus den Alpen, Wien

Wenge Chr. O. (2004): Städtetourismus in Barcelona und Madrid unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Reisenden, Köln

Vahs D. - Schäfer - Kunz J. (2015): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart

Wöhler K. (2001): Tourismus, in: Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte B 47/ 2001, Bonn > https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/25875/tourismus/ (2.8.2024)

Zum Autor    

APS - Lehramt (VS - HS - PL 1970, 1975, 1976), zertifizierter Schülerberater (1975) und Schulentwicklungsberater (1999), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)

Absolvent Höhere Bundeslehranstalt für alpenländische Landwirtschaft Ursprung - Klessheim/ Reifeprüfung, Maturantenlehrgang der Lehrerbildungsanstalt Innsbruck/ Reifeprüfung - Studium Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), 1. Lehrgang Ökumene - Kardinal König Akademie/ Wien/ Zertifizierung (2006); 10. Universitätslehrgang Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ MSc (2008), Weiterbildungsakademie Österreich/ Wien/ Diplome (2010), 6. Universitätslehrgang Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), 4. Interner Lehrgang Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016) - Fernstudium Grundkurs Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium, Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung (2018), Fernstudium Nachhaltige Entwicklung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium, Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung (2020)

Lehrbeauftragter Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien/ Berufspädagogik - Vorberufliche Bildung VO - SE (1990-2011), Fachbereich Geschichte/ Universität Salzburg/ Lehramt Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung - SE Didaktik der Politischen Bildung (2026-2017)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche Österreich (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks Tirol (2004 - 2009, 2017 - 2019) - Kursleiter der VHSn Salzburg Zell/ See, Saalfelden und Stadt Salzburg/ "Freude an Bildung" - Politische Bildung (2012 - 2019) und VHS Tirol/ Grundkurs Politische Bildung (2024)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 17. August 2024