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USA

Grundwissen USA    

Demokratie, Lebensalltag, Besiedelung und Kolonisierung im Kontext Politischer Bildung    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Grundwissen USA   
Demokratie, Lebensalltag, Besiedelung und Kolonisierung im Kontext Politischer Bildung   
Widmung   
Danksagung   
Vorbemerkung   
I Demokratie - Lebensalltag   
Hinführung   
1 Entwicklung der Großregionen   
1.1 Definition des Landes   
1.2 Neue Welt   
1.3 Süden   
1.4 Nordosten   
1.5 Mittlerer Westen   
1.6 Westen   
2 Einwanderung   
3 Gesellschaft   
4 Bildungssystem   
5 Politik   
6 US-Wahlen 2020   
7 Zwischenwahlen 2022   
Literaturverzeichnis I   
II Indianer Nordamerikas - Kolonisierung   
8 Vorbemerkung   
9 Euroamerikanische Kolonisierung   
10 Perspektivenwechsel des Bildes Nordamerikas   
11 Aspekte einer US-Geschichte ab 1763   
11.1 Unabhängigkeit der USA   
11.2 Entwicklungsphasen der Besiedelung   
11.3 Neuzeitliche Aspekte der Geschichte der USA   
12 Aspekte einer Politischer Bildung   
13 Zeittafel   
Literaturverzeichnis II   
IT-Autorenbeiträge   
Zum Autor   

Widmung    

Meinen Töchtern Katrin und Sabine

Danksagung    

Ein komplexes Thema benötigt Unterstützung und Begleitung.

Dankbar bin ich meinem Freundeskreis des Universitätslehrganges Politische Bildung.

Zu danken habe ich für die technische Hilfestellung bei der Manuskripterstellung Helmut Leitner.

Ebenso danke ich für die jahrelange reibungslose Autorenbetreuung dem Akademikerverlag.

Günther Dichatschek

Vorbemerkung    

Die Basis und Begründung für die Studie bildet die Rolle der USA mit Stand Herbst 2020 und die

  • Absolvierung des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt ( Modul 3 "Vergleichende Politik: Europa und USA", Modul 8 "Normen, Werte, geistige und weltanschauliche Grundlagen der Demokratie"),
  • Lehre in der tertiären und quartären Erwachsenenpädagogik sowie
  • Auseinandersetzung mit der Fachliteratur und Medien.
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und beleuchtet überblicksmäßig das US-Selbstverständnis und den Kontext bedeutender politischer, wirtschaftlicher und religiöser Fragen in den Großregionen, der Einwanderung, Gesellschaft, Bildung, Politik, den US-Wahlen 2020, Zwischenwahlen 2022 und den Indianern Nordamerikas (vgl. SILBERFELD 2008, PACKER 2014, LAMMERT-SIEWERT-VORMANN 2016, MEHNERT 2020; FEEST 2000, WEGENER 2005, OESER 2008, BERG 2013, MATTIOLI 2018).

I Demokratie - Lebensalltag    

Hinführung    

Mit Amerika, eigentlich den "Vereinigten Staaten von Amerika"/ USA, wird ein Land unbegrenzter Möglichkeiten der "Neuen Welt" und Freiheit und Gleichheit gemeint.

Für die Generation des Autors war es die Vorstellungswelt der Care-Pakete, des Kaugummi, von Donald Duck, Cinderella, Hollywood, dem Wilden Westen und Naturschutzgebieten mit dem Yellowstone-Nationalpark.

Etikettiert wird es als das Land des Kapitalismus, in dem Geld alles ist, einer Mickymaus-Kultur, des eigenen Entertainments, des totalen Konsums und der Fastfood-Ketten.

Für den Besucher der achtziger Jahre sind es die Eindrücke der grandiosen Natur, einsamen Motels und unendlichen Highways, unverbindlicher Einladungen und der Kontraste in der Gesellschaft etwa von Geld verdienen ("to make money") und Ehrenamtlichkeit, einer Dynamik des Landes, rasanten demographischen Entwicklung (Weiße, Latinos, Afro-Amerikaner und Asiaten) und dem ländlichen Landesinneren und urbanen Ballungszentren.

Konfliktstoffe der jüngste Zeit bilden soziale Bewegungen und Krisen im eigenen Land. Spuren hinterlässt die Finanzkrise, Hurrikans und zusehends polarisierende Auseinandersetzungen in der Politik sowie gesamtgesellschaftliche Veränderungen wie etwa die "Me Too Kampagne" und "Tea Party Bewegung" 2009.

Das US-Staatsvolk zerfällt in rivalisierende "tribes", die in ihren eigenen Wahrheiten leben und mit denen kein demokratischer Rechtsstaat sich machen lässt (vgl. MEHNERT 2020, 12-14).

Schwer wiegen langfristige Trends wie Silicon Valley als neues Machtzentrum, im Westen, Technologiegiganten wie Google, Facebook und Amazon sind zu beachten mit ihren sozialen Medien einer Konkurrenz zum Staat.

Die Folgen der Globalisierung machen auch vor den USA nicht halt. Die USA stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie viele moderne Industriestaaten. Bisher hat sich die US-Gesellschaft mit allen Gegensätzen und ihren Kulturkämpfen als robust gezeigt und sich durch ihren Optimismus als eine bemerkenswerte kollektive Fähigkeit ausgezeichnet.

Das Land ist eine präsidiale und föderale Republik mit knapp 330 Millionen Einwohnern in einem Territorium von 9,5 Millionen km2 und versteht sich als Gegenmodell zum alten Europa.

1 Entwicklung der Großregionen    

Die USA sind keine homogene Nation, das Land nimmt immer wieder neue Einwanderer auf (MEHNERT 2020, 17-80).

  • Zudem gibt es Unterschiede zwischen den großen Regionen wie Neuengland ("Osten"), die Südstaaten ("Süden") und dem pazifischen Nordwesten ("Westen"). Colin WOODWARD beschreibt in seinem 2011 erschienen Buch "American Nations" nicht weniger als elf rivalisierende Regionalkulturen in Nordamerika, deren Wurzeln bis in die Anfänge der Kolonialzeit reichen.
  • Die gegensätzlichen Mentalitäten gehen auf die ethnisch-kulturellen Gruppen der niederländischen Kaufleute, spanischen Missionare, englischen Quäker, karibischen Sklavenhändler, schottischen Hochlandbauern, irischen und italienischen Auswanderer anderen kulturellen Gruppierungen wie Asiaten zurück, die seit dem 16. Jahrhundert und in der Folge Teile des Kontinents besonders prägten.
  • Der sprichwörtliche Patriotismus der US-Amerikaner mit dem Symbol des Sternenbanners und der Nationalhymne mit der rechten Hand auf dem Herz ist nicht zu verwechseln mit blinder Staatstreue zu Washington, spielen doch die einzelnen Bundesstaaten eine bedeutende Rolle. Grenzen ergeben sich hier in der US-Toleranz.
1.1 Definition des Landes    

Die landläufige Definition des Landes bezieht sich auf Christoph Columbus 1492 und seine Entdeckung für Europa, wenn es auch von Seefahrern aus Skandinaviern um 1000 an den Küsten des Kontinents befahren wurde. Der Name und die Bedeutung wurde um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert im Auftrag vom Herzog von Lothringen dem Freiburger Kartographen Martin Waldseemüller für eine aktualisierte Weltkarte mit einem Begleittext vom Elsässer Matthias Ringmann gegeben.

In Anlehnung an ein Büchlein des italienischen Seefahrers Amerigo Vespucci wurde der bislang unbekannte Kontinent "Americus Vesputius" bezeichnet, den man für den eigentlichen Entdecker hielt. 1507 wurde die Weltkarte in einer Auflage von 1000 Exemplaren gedruckt in Umlauf gebracht und in Frankfurt vorgestellt.

Mit der in der Folge verwendeten Bezeichnung "Neue Welt" entstanden Sehnsüchte und ein Gegenbild zur Zivilisation des alten Europa.

1.2 Neue Welt    

Die Humanisten der Renaissance sahen mit der Entdeckung der Neuen Welt ein "Goldenes Zeitalter" sich entwickeln, der en Absolutismus in Europa überwinden würde. Die indigene Bevölkerung Amerikas, bezeichnet als Indianer, wurden als glückliche im Naturzustand lebende Bevölkerung von Michel de Montaigne in "Des Cannibales" 1580 dargestellt, als Gegenbild der dekadenten Zivilisation in Europa.

Europäische Siedler im 17. Jahrhundert berichteten über eine beschwerliche Bewirtschaftung, Gefahren der Wildnis und blutigen Zusammenstößen mit den Ureinwohnern. Damit wurde die Vision einer neuen Welt fragwürdiger. In der Folge der Naturphilosophen des 18. und der Romantik des 19. Jahrhunderts gab es wieder Vorstellungen einer gerechteren Neuen Welt.

Die Amerika-Sehnsucht wurde letztlich mit den Lederstrumpf-Romanen der 1820er Jahre von James Cooper gefördert. Ein Bestseller zu Amerika bildeten 1782 die "Briefe eines amerikanischen Farmers" von Hector St.John de Crevecceur, zunächst in Englisch, später in französischer, deutscher und niederländischer Übersetzung.

Gefördert wurden die Hoffnungen der Reformkräfte in Europa durch den Aufstand gegen die Kolonialmächte, die Unabhängigkeitserklärung 1776 und US-Verfassung von 1787.

Bis heute eine wesentliche Beschreibung von Politik und Gesellschaft mit Bedeutung bis heute stammt von Alexis de Tocqueville in seinem zweibändigen Werk "De la democratie en Americque" (1835 - 1840) mit eigenen Beobachtungen in den USA von 1831, die er von 1831 1832 bereist hatte. Er beschreibt das Gleichgewicht der demokratischen Kräfte der US-Institutionen, den politischen Bürgersinn für eine Stabilität der Republik. Er sieht das Modell der USA als Beispiel für die Demokratie in Frankreich.

In der Folge des 19. Jahrhunderts machte sich Skepsis breit, ob das neue Amerika den Erwartungen der Alten Welt entsprach. Beispielhaft gab es die Faktoren vom gerodeten Naturzustand an der Ostkünste, dem edlen Wilden und den Pionieren ("Frontier") mit dem Drang jenseits der Siedlungsgrenze in den Westen.

Kritik entstand besonders am aufkommenden Kapitalismus und dominierenden Dollar sowie dem Umgang mit der Natur. Sehnsucht und Furcht kennzeichneten die Einschätzung des amerikanischen Experiments. Den europäischen Eliten war die republikanische Form der Staatsführung im 19. Jahrhundert suspekt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die USA militärische Großmachtmund und es entstand ein ökonomischer Konkurrenzdruck durch den Rohstoffreichtum und die wachsende Bevölkerung.

Noch heute gibt es die Extreme von Sehnsucht und Abneigung in der Tendenz zu einem Amerika-Bashing, nunmehr dazukommend die Aspekte einer Massenkultur mit Kulturindustrie (Popkultur), dem "america way of life" und dem Beginn polarisierender politischen Kultur.

Gesellschaftlichen Konsens gibt es im Phänomen Faszination und wirklicher Amerika-Erfahrung, mitunter hinderlich als Amerikanisierung.

1.3 Süden    

Die Besiedelung der Atlantikküste begann durch englische Protestanten im 17. Jahrhundert, etwa mit der Gründung von Jamestown im heutigen Virginia 1607 und Plymouth im heutigen Massachusetts 1620.

Um einen Territorialstreit zwischen den Kolonien Pennsylvania und Maryland zu verhindern, zog man im Auftrag der streitenden Parteien von 1763 bis 1767 eine schnurgerade Grenze, die als "Mason-Dixon-Linie" symbolisch den Norden und Süden der USA trennen sollte.

Bald nach der Unabhängigkeit 1776 begannen die Gegensätze.

  • Im Norden gab es Kleinbauern und Fabriken des beginnenden Industriezeitalters deckten ihren Arbeitskräftebedarf mit europäischen Einwandernden. Schutzzölle sollten sie vor der europäischen Konkurrenz eingeführt werden.
  • Im Süden dominierte die Plantagenwirtschaft, hauptsächlich mit Baumwollfeldern mit Sklaven als Arbeitskräfte. Die Südstaaten benötigten die Ausfuhr nach Europa und den Freihandel.
Konfliktstoff war die Frage des politischen Gleichgewichts in der Union. Die US-Verfassung garantierte nur den Fortbestand der Sklaverei in den Staaten, in den sie 1787 bereits bestand.

Mit der Vergrößerung der USA in den Westen wurde in keinem westlichen Staat Sklavenhaltung zugelassen. So kam zur politischen Grundsatzfrage und zum Bruch 1861 mit der Abspaltung von sieben Südsaaten von der Union. Gegründet wurden die "Konföderierten Staaten von Amerika", in der Folge schlossen sich noch vier Staaten an. Kentucky und Missouri waren gespalten und wurden daher von beiden Seiten für sich beansprucht.

Der folgende mehr als vierjährige Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd fand letztlich ausschließlich auf dem Gebiet des Südens statt. William Sherman mit 60 000 Mann-Armee zog plündernd und brennend durch Georgia und die Carolinas. Der Süden wurde verwüstet, 600 000 Tote und die Ermordung des US-Präsidenten Abraham Lincoln.

Nach dem Bürgerkrieg wurde die Sklaverei in der Union abgeschafft. Vier Millionen Sklaven in Freiheit brachten neue Probleme, Rassismus und Ausgrenzungen schwarzer Mitbürger. Zudem entstand ein kollektives Gedächtnis des Südens mit der Erfahrung einer Niederlage und dem Verlust des Territoriums.

Formen einer eigenen Religiosität entstehen im "bible belt" des Südens und ein französisches Erbe in Louisiana in Kombination mit einem eigenen Patriotismus. Dazu gehört die Verehrung konföderierter Militärführer, das "Stone Mountain-Felsenrelief" in Georgia mit Jefferson Davis, Robert E. Lee und Thomas Jackson (vgl. den geringeren Bekanntheitsgrad als "Mount Rushmore" mit Washington, Jefferson, Lincoln und Th. Roosevelt in North Dakota).

Heute meint man mit den Südstaaten die elf Sezessionsstaaten Alabama, Arkansas, Florida, Georgia, Louisiana, Mississippi, North Carolina, South Carolina, Tennessee, Texas und Virginia. Mitte des 20. Jahrhunderts verbindet man die Erfolge der schwarzen Bürgerrechtsbewegung mit dem Baptistenpastor Martin Luther King, friedlichen Protesten und der Rassentrennung in Schulen, Krankenhäusern und öffentlichen Verkehrsmitteln.

John F. Kennedy beschwor 1963 den "New South", indem wir keinen Süden mehr kennen, keinen Norden, keinen Osten und keinen Westen, sondern nur mehr eine Nation (vgl. MEHNERT 2020, 29-30). Es war seine letzte große Rede.

Den nostalgisch verklärten Alten Süden hat Margaret Mitchells Bestseller "Vom Winde verweht" (1936), verfilmt mit Vivian Leigh und Clark Gable, berühmt gemacht. Ergänzt wurde die Romantik touristisch und kulturell der Region als Wiege von Blues, Gospel und Jazz mit dem Zentrum in New Orleans.

Seit der Jahrtausendwende verbindet man mit dem Süden vor allem Forschungszentren, High-Tech-Industrie und Finanzwirtschaft in den Städten Atlanta, Charlotte und Houston. Ein Bevölkerungs- und Kulturmix ("Hybridisierung") kennzeichnet die Region durch den Zuzug von Fachkräften aus dem In- und Ausland.

Die Entwicklung der Südstaaten-Großstädte ist vergleichbar mit den Regionen des Südwestens im "sun-belt". Neben dem ökonomischen und demographischen Wandel änderte sich auch die politische Landschaft.

1.4 Nordosten    

Der US-Nordosten mit einer knapp 800 km langen Küste umfasst von Boston bis nach Washington ein Gebiet. New York ist die größte Stadt in dieser Region. Seit 1961 werden die zusammenwachsenden Ballungszentren auch als " Megapolis" als neue Siedlungsform in einem urbanen Trend bezeichnet. 1961 lebten rund 33 Millionen Menschen, allein ein Viertel der US-Bevölkerung, in der Region. Es entstand der Ruf innovativer Lebensformen.

Historisch betrachtet träumten die ersten Siedler ("Pilgrims") um 1620 von einer neuen Gesellschaft, etwa einer Einheit von Religion und Regierung. Mit der Gründung der ersten Baptistenkirche 1639 in Providence (später Rhode Island) wurde die Religions- und Glaubensfreiheit sowie Trennung von Kirche und Staat verankert. Nach dieser von Pastor Roger Williams Ablehnung des totalitären Anspruchs der Puritaner gründete 40 Jahre später der Quäker William Penn in Pennsylvania am Delaware River eine weitere Kolonie mit Religionsfreiheit.

Erfahrungen aus Europa nützen nichts. Man lernte von den heimischen Indianern. Hauptsächlich führt man Krieg gegen die "Native Americans". Konflikte mit der englischen Krone häuften sich. Fleiß und wirtschaftlicher Erfolg galten bei den ersten Siedlern in dieser dynamischen Mischung als ein Zeichen der Gnade Gottes. Bis heute gilt die puritanische Arbeitsethik als ein uramerikanischer Wert.

Weniger religiöse Utopie und mehr wirtschaftlich motivierte Toleranz zeigt sich bei der Gründung von New York. "New Amsterdam" bis 1664 war als solches weltoffen und multikulturell. Henry Hudson entdeckte 1609 für die Dutch East India Company die Insel Manhattan. Man wollte keinen Glauben und Kultur verbreiten, vielmehr Geld verdienen. Dies ist die Geburtsstunde einer Geldaristrokratie. Höhepunkt des "Gildet Age" in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren John Pierpont Morgan (Bankier), Andrew Carnegie (Stahlmagnat), John Rockefeller(Ölmagnat) und Cornelius Vanderbilt (Eisenbahnmagnat).

Das Goldene Zeitalter war der Höhepunkt des Wachstums. Einwandererzahlen und die Bevölkerung stiegen, etwa New York hatte 1850 rund 500 000, 50 Jahre später bereits 3.4 Millionen Einwohner. Boston blieb kleiner. Einen Einschnitt in die Entwicklung gab es in den dreißiger Jahren. Der Nordosten kämpfte in den sechziger Jahren mit Konjunkturkrisen und Strukturproblemen. Die Schwerindustrie schrumpfte im rasch. Hart traf es mit Massentlassungen der schwarzen Großstadtbevölkerung. Die Hoffnung auf ein besseres Leben im Norden erfüllte sich nicht. Trotz keiner Rassentrennung wie im Süden, war sie im Norden nicht weniger ausgeprägt (vgl. MEHNERT 2020, 43).

In diesem Kontext ist von Interesse das Buch von Walter Thabit "How East New York Became a Ghetto "(2003). Banken und Immobilienfirmen betrieben in bestimmten Stadtbezirken eine gewinnbringende Bevölkerungspolitik. Weiße Familien wurden mit günstigen Kaufangeboten und Hypothekenkrediten für neue Häuser in die Vororte weggelockt. Die zu verkaufenden Häusern wurden zu überhöhten Preisen an farbige Familien verkauft oder vermietet. Mit der weißen Bevölkerung verließen auch Geschäfte, Institutionen und Firmen mit Arbeitsplatzangeboten die Bezirke. Reduziert wurden ebenso städtische Dienstleistungen wie Schulen, der Straßenbau und die Müllabfuhr. Die Bezirke kamen alle in eine Ghettoisierung.

Ähnlich gab es eine Entwicklung in New Jerseys größter Stadt Newark, wo Mitte der sechziger Jahre bereits jeder dritte 16- bis 19jährige Afroamerikaner arbeitslos war. In Ghettos verfielen die Gebäude, die Stadt plate durch die Ghettos neue Highways, Gebäudeblocks hatten für einen Klinik-Neubau zu weichen.

Ausgerechnet im Norden, der 100 Jahre vorher gegen die Sklaverei einen Krieg gegen den Süden führte, protestierten Afro-Amerikaner gewaltsam gegen Not und Diskriminierung (vgl. Malcolm X als Sprecher der Emanzipationsbewegung "Nation of Islam", 1964 seine Ermordung; in der Folge wurden die "Black Panther" aktiv).

1968 wurden nach der Ermordung von Martin Luther King ganze Viertel in Washington, Baltimore, Philadelphia, New York und bis in den Mittleren Westen in Detroit und Minneapolis verwüstet.

1975 stand New York vor der Pleite. In den achtziger Jahren wurde die Metropole ein Umschlagsplatz für Crack und harte Drogen. In den achtziger Jahren galt Washington DC als Mörderhauptstadt der USA. Der Nordosten verlor seine führende Stellung.

Im Vergleich zu anderen Regionen blieb der Nordosten ökonomisch und politisch bedeutend. Viele Institutionen haben hier ihren Sitz, die UNO, Weltbank, der Internationale Währungsfonds, die Bundesregierung der USA, acht Ivy-League-Universitäten ( Brown, Columbia, Cornwell, Dartmouth, Harvard, Pennsylvania, Princeton, Yale) und Spitzenhochschulen wie das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die Region, besonders Neuengland, gilt als Gebiet mit vielen Zweitwohnsitzen und einem Tourismus als Flucht aus der Großstadt und der Sehnsucht nach einem Kleinstadtparadies im ländlichen Amerika, wer es sich leisten kann.

1.5 Mittlerer Westen    

Die geographische Lage mit ihren Wetterextremen und die riesige Größe und Weite der Region, allein in die Dakotas passt ganz Deutschland, kennzeichnen den Mittleren Westen. Im 17. im Bereich der Großen Seen und im Ohio-Gebiet südlich des Erie-Sees begann des Besiedelung. Ende des 18. Jahrhunderts wurde das "Nordwest-Territorium" geschaffen. In der Folge entstanden die Staaten Ohio, Indianan Illinois, Michigan, Wisconsin und ein Teil Minnesotas. Hier lebten 45 000 "Native Americans" , rund 4000 Europäer zumeist als Pelzhändler.

In der Folge entwickelten es sich Jahrzehnte später neben einer großen Holz-und Landwirtschaft bedeutende Zentren der Industrie in den Großstädten Chicago, Detroit, Milwaukee und Cincinnati. Für die Schwerindustrie waren die Kohle- und Erzvorkommen wesentlich. Bald entstanden an den Großen Seen und am Ohio-River Stahlwerke und Fabriken. 1825 baute man den Erie-Kanal als durchgängige Wasserstraße vom Erie-See zum Hudson-River bis nach New York. Dieser Transportweg brachte der Stadt einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung.

Als industrielle Region mit massiver Einwanderung aus Deutschland, Irland und Skandinavien wurde der Nordwesten ein Zentrum politischer Reformbewegungen. Es entstanden die US-Gewerkschaftsbewegungen. In diesem Kontext entwickelte sich eine bessere Infrastruktur wie der Straßenbau und im Zuge der zunehmenden Besiedelung ein planvoller Schulbau. Das Bildungsideal lebte weiter und wurde mit dem Bau öffentlicher Hochschulen im Mittleren Westen erweitert und ergänzt zu den privaten Eliteuniversitäten an der Ostkünste.

Im Mittleren Westen gibt es die "Great Plain States" Iowa, Kansas, Missouri, Oklahoma, Nebraska, North Dakota und South Dakota. Sie entstanden im 19. Jahrhundert größtenteils aus der ehemaligen französischen Kolonie Louisiana, einem Gebiet mit 2 Millionen km2 westlich des Mississippi. Das Gebiet wurde 1803 von Thomas Jefferson von der französischen Regierung abgekauft und gilt als größter Grundstückskauf der US-Geschichte.

Um 1930 rächten sich die Monokulturen mit durch die Menschen riesigen verursachten Umweltkatstrophen in der US-Geschichte. Das fehlende Präriegras hielt die Krume nicht mehr fest, in der Folge kam es zu anhaltenden Dürreperioden und Staubstürmen. Große Teile der Region wurden unbewohnbar. Bis 1940 verließen 2,5 Millionen Bewohner die Region. Farmer wurden Wanderarbeiter und zogen in den Westen. Die "Okies" wanderten über Oklahoma nach Kalifornien. John Steinbeck setzte 1939 mit seinem Roman "Früchte des Zorns" ein literarisches Denkmal dieser Entwicklung.

An den Großen Seen waren die industriellen Monokulturen, in der Folge kam es hier zum "zum "Rust Belt". Die Eisenhütten und Stahlwerke von Duluth, Minnesota bis Cleveland, Ohio verfielen. Armut und Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung führte zu Aufständen. Die Autostadt Detroit geriet in diesen Niedergang, ganz Viertel wurden Geisterstädte.

In der Folge entstanden typisch für die USA eine Vielzahl von sozialen Identitäten und eine Polarisierung der Gesellschaft.

1.6 Westen    

Als eine der vier US-Großregionen gehören die Pazifikstaaten Alaska, Hawaii, Kalifornien, Oregon und Washington sowie die Gebirgsstaaten Arizona, Colorado, Idaho, Montana, Nevada, New Mexiko, Utah und Wyhoming zum "Westen". Mitunter zählt man auch Texas dazu.

Betont wird immer die Distanz zum Ostküsten-Etablishment und politischen Mainstream in Washington (vgl. Senator John Mc Cain aus Arizona als republikanischer Präsidentschaftskandidat 2008).

Als "Western" gilt die Mischung aus Mut, Widerstandskraft und Schlitzohrigkeit.

Als Klassiker des Ost-West-Gegensatzes gilt der Streit um den Naturschutz und Schutzgebiete. Der Osten mit der Bundeskompetenz ist dafür zuständig, der politische Gegensatz ist damit gegeben. Bei dem Streit geht es tatsächlich oft um Bauspekulationen, Bodenschätze und in westlichen Prärien um Weideland bei schneller Vergrößerung der Herden.

Der Westen ist die Region der "Frontier". Hier war die Grenze von der Kolonialzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zwischen der Zivilisation (Besiedelung) und Wildnis (freies Land). Die indianische Bevölkerung verminderte sich in vier Jahrzehnten von 400 000 auf weniger als 250 000 Menschen.

Um 1500 war Nordamerika nur von einigen Indianerstämmen bewohnt und lud daher zur Besiedelung ein. Das Massensterben der Urbevölkerung geschah durch Epidemien aus Europa wie Masern Pocken, Cholera, Tbc, Gelbsucht und Grippe.

Die Landgier der Einwanderer konnte nicht durch Krieg, Koexistenz, Abschottung oder Anpassung verhindert werden. 1830 unterschrieb US-Präsident Andrew Jackson den vom Kongress mit knapper Mehrheit verabschiedeten "Indian Removal Act". Das Gesetz sah die Zwangsdeportation aller "Native Americans" vor. Am "Pfad der Tränen" kamen 4000 Indianer um. Letzter Höhepunkt der Indianerpolitik mit Vertreibung war im 19. Jahrhundert das "Massaker von Woanded Knee" 1890.

Längst nicht alle weißen US-Bürger waren mit der auf Vernichtung ausgerichteten Indianerpolitik einverstanden. Davy Crockett kämpfte dagegen, bekannt als Volksheld in der Schlacht um Alamo. In der Folge setzte er sich als Abgeordneter aus Tennessee im US-Repräsentantenhaus um 1830 für ein friedliches Zusammenleben mit den Native Americans ein.

Mit dem offiziellen Abschluss der Eroberung des Westens erblühte die Frontier-Romantik etwa mit Billy the Kid und Buffalo Bill.

In der Folge kamen die Wild West - Serien auf. Als TV-Familiensaga lief ab 1959 mit 430 Folgen "Bonanza" über Ben Cartwright. Der "Marlboro Man" machte sogar fast 50 Jahre lang Reklame.

Die Wildwest-Legenden mit mehr Phantasie als Fakten sollen die Erfahrungen der Amerikaner zwischen Zivilisation und Wildnis als Pioniere mit Tatkraft, Individualität, Selbstverantwortung und robuster Körperkraft glorifizieren. Erst dadurch konnte im Gegensatz zu Europa ein freiheitliches und demokratisches US-Gemeinwesen entstehen. Die moderne Variante der Frontier mit Beginn des 21. Jahrhunderts mit demographischem Wandel durch Zuwanderung in Form des "urban frontier" erlebten die Städten Houston, Phoenix und Las Vegas. Die Technologiegiganten wie Microsoft, Apple, Amazon und Facebook überholten längst die klassischen Industrieunternehmen der anderen Großregionen. Ein ständiger Wandel kennzeichnet die Dynamik des US-Westens. Als Zentrum dieser Umbrüche gilt Kalifornien.

Als Impuls zur Wanderung in den Westen im 19. Jahrhundert folgte das Goldfieber mit dem Nugget-Fund im Sacramento-Tal 1848. San Francisco und die Bevölkerung Kaliforniens wuchsen schnell.

In der Wirtschaftskrise um 1890 wurde am Klondike-River in Alaska Gold gefunden (vgl. Charlie Chaplin 1925 im Stummfilm "The Gold Rush). Es ging jetzt nicht mehr um die Vorstellung der Puritaner von Fleiß und Sparsamkeit. Die Mischung von Kühnheit, harter Arbeit und Glück über Nacht erhielt für die US-Gesellschaft künftig Bedeutung.

Kennzeichnend letztlich für den Westen ist die Entwicklung von Los Angeles in einem Erdbebengebiet, mit dem Bauen in der Fläche und der Entwicklung der Vororte wie Santa Monica, Long Beach und San Bernardino. Im Zeitalter des Automobils entstand eine Autofahrer-Gesellschaft mit Folgerungen von ungeheurem Ausmaß.

2 Einwanderung    

Der 17jährigen Irländerin Annie Moore als erster Immigrantin 1892 auf Ellis Island der neuen und zentralen Sammelstelle für Einwanderer im Hafen von New York wurde ein Denkmal gesetzt. Die USA waren schon immer ein großes Einwanderungsland.

Heute ist eine Einreise in das Land mit viel Prozeduren und Aufwand verbunden. Entsprechend streng sind die Kontrollen, von Pässen und Visa, Fingerabdrücken und Formularen sowie Fragen. Wer allerdings eine "Green Card" besitzt hat, ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht, Arbeitserlaubnis und wird Einwohner der USA.

Der Diskurs über die richtige Einwanderungspolitik ist beständig. Der Grundkonflikt liegt im Protektionismus einerseits und andererseits in der Notwendigkeit von Einwanderung von Fachkräften, billigen Arbeitskräften und der Menschenrechtssituation mit Hilfestellung für Flüchtlinge und Asylanten.

Eine Zukunft ohne Einwanderung ist kaum denkbar. 2060 wird fast jeder fünfte Einwohner im Ausland geboren sein (vgl. MEHNERT 2020, 98). Drei Jahrhunderte hatte das Land eine weiße Mehrheit und viele kleine farbige Minderheiten. Zukünftig dreht sich das Verhältnis. Das Land wird "minority majority".

3 Gesellschaft    

Die US-Gesellschaft ist durch bestimmte Normen und Werte gekennzeichnet, die im Folgenden beispielhaft angesprochen werden. Zu beachten ist der Umstand, dass die USA historisch sich als Gegenstück zu Europa verstehen.

  • Zur Alltagskultur gehören Freundlichkeitsrituale. Bereits in der Unabhängigkeitserklärung 1776 wird "Liberty" und "Happiness" zu den Rechten gezählt.
  • Entsprechend gehören drei Grundregeln beachtet, ein positives Auftreten, nicht alles wörtlich nehmen und nicht allzu ehrlich zu sein.
  • US-Bürger tun sich mit Direktheit schwer.
Soft skills sind notwendig, also soziale Umgangsformen bedürfen einer Beachtung. Mit kleineren und größeren Unterschieden im Verhaltenskodex gilt es umzugehen.

  • US-Bürger schneiden ihr Steak beim Essen in kleine Stücke und essen mit der Gabel weiter.
  • Alkoholische Getränke werden nicht offen getragen.
  • Der Umgang mit Waffen ist in weiten Teilen der USA normal.
  • Der unterschiedliche Umgang mit Nähe und Distanz kann zu Missverständnissen führen.
  • Angesprochen wird man oft nur mit dem Vornamen.
  • "Friendship" bedeutet nicht unbedingt Freundschaft.
  • "I love it" gilt in den USA für alles und jedes.
  • Geselligkeit funktioniert anders. "Small talk" ist vorherrschend, kontroverse Themen werden gemieden. Gesprächspartner werden oft gewechselt. Spontane Einladungen darf man nicht ernst nehmen. Bei Einladungen mit Zeitrahmen hält man sich strikt daran.
  • In jeder Großregion der USA gibt es eine Vielfalt von eigenen Konventionen. Zu beachten sind soziale Nischen in der vielfältigen US-Gesellschaft.
  • Wesentlich sind die Eigenschaften als zupackende Gesellschaft, Hilfsbereitschaft auf Gegenseitigkeit und Anhänger anderer Sportarten wie Baseball und Super Bowl.
4 Bildungssystem    

Das US-Schulsystem ist einheitlich und denkbar einfach.

  • Mit fünf Jahren wird eingeschult, zunächst in die Vorschulklasse, hier "Kindergarten" benannt. .
  • Von der ersten bis zur fünften Klasse geht an in die Grundschule.
  • Dann folgen drei Jahre "junior high" oder "middle school".
  • Zuletzt vier Jahre "Highschool". Alle lernen gemeinsam, es gibt weder Gymnasium noch Sonderschule. Angeboten wird eine Art Leistungskurs-System für die besten Lernenden.
  • Überall in den USA wird der "school spirit" als Identifikation mit ihrer Schule zelebriert. Es zeigt sich am "spirit day" im Tragen der Kleidung in den Schulfarben.
  • Die traditionelle Abschlussfeier "prom" der Highschool gilt als ein Meilenstein im Leben der Heranwachsenden.
In der Realität sind die Schulen völlig verschieden. Öffentliche Schulen stehen unter der Verwaltung der einzelnen Bundesstaaten und Gemeinden. Lehrpläne und Schulbudgets sind ebenso verschieden. Reiche Staaten und solche mit armen Bezirken haben uneinheitliche Schulqualitäten (vgl. MEHNERT 2020, 241).

Umstritten ist eine Bildungsreform, die Lehrerausbildung soll verbessert werden, es geht im öffentlichen Diskurs um den Mediengebrauch, einen ideologischen und politischen Druck in den Bundesstaaten, die Auseinandersetzung zwischen öffentlichen und privaten Schulen in ihrem Lernniveau, natürlich auch um ein effizientes Bildungsmanagement.

Die US-Aristokratie ist die Elite der universitären Bildung. Ungeachtet der Absolventen der privaten Universitäten im Nordosten verdanken sie die Sonderstellung der Tradition für US-Verhältnisse und historischen Bedeutung, denn viele US-Präsidenten und bedeutende Persönlichkeiten der US-Gesellschaft waren und sind Absolventen.

Heute ist Diversität an diesen Universitäten oberstes Gebot. Dem gesellschaftlichen und politischen Wandel wird Rechnung getragen. Zudem gibt es Konkurrenz der kalifornischen Standford Universität, der University of Chicago und das MIT in Boston. Die Absolvierung bedeutet eine soziale Währung.

5 Politik    

Zum besseren Verständnis der US-Politik bedarf es der Kenntnis des kulturell-politischen Mainstreams, der die 50 Bundesstaaten kennzeichnet. Daher wurde auch dieser Beitrag mit der Entwicklung der Großregionen begonnen.

Wer sich im aktuellen politischen Diskurs mit dem letzten Wahlkampf auseinandersetzte, analysiert zunächst die gängige Interpretation. Die weiße, arme und ungebildete Landbevölkerung in der Mitte der USA hatte sich von einem Bündnis von Populisten, Rassisten, der religiösen Rechten und Medien beeinflussen lassen. Allerdings gaben die Nichtwähler den Ausschlag, die 2012 noch gewählt hatten. Damit hatten Millionen Wählende der Gegenkandidatin die Stimme verweigert.

Wahlen in einer Demokratie bestimmen und fallen mit der Teilnahme am Wahlakt. Im Falle der USA bestimmen sie die Innenpolitik, massiv auch die Wirtschafts- und Außenpolitik. Im konkreten Fall waren dies das Verhältnis zu Medien, der Gesundheitspolitik, China-Politik, dem NAFTA-Handelspakt mit Kanada und Mexiko, dem Verhältnis zu internationalen Organisationen, zur NAT0 und Europa (vgl. MEHNERT 2020, 263).

Auffallend waren die vielen Rücktritte und Entlassungen in der Personalpolitik des Weißen Hauses. Gehalten wurden die altbekannten Ziele der Republikanischen Partei wie weniger Regulierung der Wirtschaft, weniger Verbraucher- und Umweltschutz, mehr Kohle- und Erdölförderung, mehr Geld für das Militär, Berufung konservativer Bundesrichter mit der Ernennung auf Lebenszeit.

Ein Überraschungseffekt wurde mit der Steuerreform 2017 erreicht. Zwei von drei US-Bürgern zahlen weniger Einkommenssteuer. Reiche profitierten stärker von der Reform. Die Unternehmenssteuer wurde deutlich von 35 auf 21 Prozent gesenkt.

Sich mit der Rolle eins aktiven Zuschauers auseinanderzusetzen, begann mit der Amtseinführung von Donald Trump. Bürgerrechtsorganisationen protestierten etwa gegen das Einreiseverbot für Muslime aus bestimmten Ländern und gegen die Abschiebung illegaler Einwanderer.

6 US-Wahlen 2020    

Am 3. November 2020 enden die folgenreichsten Wahlen seit Abraham Lincolns Wiederwahl im Bürgerkrieg 1864, die während des Amerikanischen Bürgerkrieges (1861-1865) stattfanden. Tatsächlich stand sowohl damals als auch im Jahr 2020 die Zukunft der US-amerikanischen Demokratie zur Disposition (vgl. SILBERFELD 2020, 1-5).

Der 45. Präsident der USA hat eine Veränderung demokratischer Institutionen und Normen in Verbindung mit einer Glaubwürdigkeit im Ausland in Gang gesetzt, etwa die Reaktion auf den COVID-19-Ausbruch und die Vermengung von Geschäften des Weißen Hauses mit privaten Geschäften (vgl. https://www.forbes.com/sites/danalexander/2020/09/11/trumps-businesses-raked-in-19-billion-of-revenue-during-his-first-three-years-in-office (31.1020)

Die Wahl geht zwischen dem republikanischen Präsidenten Donald Trump und dem demokratischen Herausforderer Joe Biden, wobei es für die Wählerschaft Grauzonen gab, die in der Wahl ein Schwenken möglich machen.

Stil und Inhalt der Wahlauseinandersetzung waren höchst unterschiedlich, etwa Trump auf die Stärke der Wirtschaftsbilanz vor Corona und die Ernennung einer konservativer Richterschaft, Biden auf staatspolitische Kompetenz, Anstand und einer Vereinigung des gespaltenen Landes.

Die Wahl bietet klare Alternativen, unklar sind diese durch die Kombination von globaler Pandemie und Wahlbeeinträchtigung. Umfragen zeigen Biden in republikanischen Hochburgen Arizona, Georgia und auch Texas an der Spitze oder einem Kopf-an-Kopf-Rennen.

Das Wahljahr 2020 weist auf drei Faktoren hin, die anders als andere Wahlen verlaufen.

  • Die Briefwahl wird vermehrt in Anspruch genommen, um eine mögliche Gefährdung am Wahltag zu vermeiden.
  • Der Präsident verfolgt eine mehrgleisige Strategie, um eine Wahlbeteiligung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen niedrig zu halten. Die Verringerung der Anzahl der Wahllokale und Entfernung der Wahlurnen für die Briefwahl und einer Einleitung rechtlicher Verfahren zur Wahlzeit, verunsichert das Vertrauen in ein Endergebnis. Zahlreiche Wahlbeobachter sollen hier eingesetzt werden.
  • Einzigartig in der Geschichte der USA weigert sich ein Präsident, eine reibungslose Amtsübergabe zuzusichern (vgl. "US-Kapitol gestürmt" > https://orf.at/stories/3196326 [7.1.21]; Impeachment-Prozess > https://orf.at/stories/3201358/ [14.2.21]).
Diese Faktoren führen zu Unsicherheiten und auch zu einem Zweifel um den Zustand der Demokratie (vgl. BIERLING 2021).

In der letzten Phase des Wahlkampfes werden von Biden die finanziellen Vorteile ausgenützt, die Swing States mit Wahlwerbung überschwemmt. Trump veranstaltet eine Reihe von Kundgebungen, um den Eindruck von einer breiten Unterstützung zu geben.

Schnelle Wahlergebnisse wird es kaum geben durch die Flut an Briefwahlzetteln und deren Auszählung in den einzelnen Bundesstaaten nach Abschluss der Wahlen am 3. November.

  • Dies kann dazu führen, dass es Tage oder Wochen bis zum Endergebnis dauert. Diese Unsicherheit ergibt Möglichkeiten zu Unzulänglichkeiten.
  • Derzeitiger Stand gängiger Meinungen mit Stand 1.11. ist, dass nur ein klarer Sieg Bidens rhetorischen und juristischen Anfechtungen durch Trumps Wahlkampfteam zuvorkommen würde.
Bei der Wahl 2020 werden alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses besetzt, allerdings durch die Manipulation von Wahlkreisgrenzen wird es lediglich bei zehn Sitzen zu einem tatsächlichen Rennen kommen (vgl. "Wahlkrimi auch um US-Kongress " https://orf.at/stories/3187205 [2.11.20]).

Der Kalender der Wahlen bestimmt die Termine der Abstimmung der 538 Wahlleute, des US-Kongresses und der Ablegung des Amtseides.

  • 14.12. - 538 Wahlleute stimmen in ihren Bundesstaaten ab
  • 6.1. - Bekanntgabe ab 19 h MEZ in gemeinsamer Sitzung der beiden Kammern des US-Kongresses - Senat 100 Sitze und Repräsentantenhaus 435 Sitze - der Namen des nächsten Präsidenten und Vizepräsidentin wird verlautbart
  • 20.1. - Ablegung des Amtseides vor dem Kapitol nur mit Ehrengästen (Inauguration) > https://orf.at/stories/3198299/ (21.1.21) > https://orf.at/stories/3198271/ (21.1.21)
7 Zwischenwahlen 2022    

Am 8. November 2022 hatten die USA die "Midterms" (Zwischenwahlen) mit der Neuwahl des Repräsentantenhauses und eines Drittels im Senat. Die US-Demokratie lebt von unterschiedlichen Ansichten bzw. Parteien, aber diesmal gibt es doch besondere Fragen mit drei möglichen Szenarien.

  • Möglich wäre eine Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus und eine hauchdünne Mehrheit der Demokraten im Senat. Oft verliert ein Präsident in beiden Kammern bei den Midterms Sitze. Damit kann er größere Gesetzesvorhaben kaum durch den Kongress mehr bringen. Das kann Folgen über die USA hinaus haben wie internationale Blockaden.
  • Sollten die Republikaner in beiden Kammern die Mehrheit gewinnen, käme Regieren durch Dekrete, Untersuchungen in beiden Kammern möglicherweise, Gesetzesinitiativen der Republikaner und/ oder Blockaden bei Nominierungen hoher Ämter.
  • Bei Ausbau der Mehrheit gibt es mehr Spielraum und damit keine Diskussion um demokratische Regeln und eine neue Realität.
Ergebnisse der Zwischenwahlen

Die Republikaner hatten nach den letzten Prognosen mit einem Erdrutschsieg gerechnet. Die Hoffnung wurde in der Wahlnacht enttäuscht. Nur bescheidene Zugewinne gab es im Repräsentantenhaus. Am Abend lagen sie mit 198 zu 175 Sitzen vor den Demokraten. 218 Sitze sind für eine Mehrheit notwendig. Die Sitzverteilung im Senat lag bei 49 für die Demokraten zu 48 für die Republikaner. Erwartet wird, dass drei der übrigen Sitze an die Republikaner und einet an die Demokraten gehen. Das Zünglein an der Waage ist damit Georgia, wo der künftige Senator mehr als 50 Prozent der Stimmen haben muss. Am 6. Dezember wird daher in einer Stichwahl entschieden.

Quelle

Salzburger Nachrichten, 10.11. 2022, 3

IT-Hinweis

https://orf.at/stories/3293052/ (9.11.2022)

https://orf.at/stories/3293077/ (9.11.2022)

https://www.orf.at/#/stories/3293134/ (10.11.2022)

Literaturverzeichnis I    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.

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Volkmer M.- Werner K. (2020): Die Corona-Gesellschaft. Analysen zur Lage und Perspektiven für die Zukunft, Bielefeld

Woodward C. (2011): American Nations, New York

II Indianer Nordamerikas - Kolonisierung    

8 Vorbemerkung    

Wer in jungen Jahren Karl May gelesen hat, ist mit dem Kampf des indianischen Amerikas und seinem Überlebenskampf konfrontiert worden. In der Folge sah man die US-Filmwestern, zunächst einige im Kino und später im Fernsehen. Dass das alles mit der Realität nicht stimmen konnte, ahnte man schon damals. Weiße Trapper, Siedler, Cowboys, die US-Kavallerie, Forts und feindliche Indianer beherrschten die Szene.

Anhänger des "American Indian Movement" besetzten 1973 den Weiler Wounded Knee in South Dakota. Wochenlang lieferten sich Oglala Lakota und ihre Anhänger in Pine Ridge Scharmützel mit der US-Nationalgarde, wobei die Aufmerksamkeit auf die schwierige Lage im Reservat gelenkt wurde. Selbstbewusst engagierten sich die Indianer für ihre Sache.

Die Tragödie zwischen 1860 und 1890 in den Great Plains in Dee Browns Bestseller "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" (1972) öffnete die Augen.

  • Zusätzlich kamen/kommen noch die Phänomene von Massengewalt, Rassismus und Siedlungskolonialismus (vgl. MANN 2007, MARX 2015).
  • Das Interesse stieg mit der Auseinandersetzung mit Themen ethnischer Verfolgung von Minderheiten in der Politischen Bildung (vgl. RUBINSTEIN 2004).
Schwerpunkt sind Aspekte der Politischen Bildung ( http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Politische Bildung, Lernfeld Politik, Europa als Lernfeld, Globales Lernen, Interkulturelle Kompetenz; vgl. DICHATSCHEK 2017).

9 Euroamerikanische Kolonisierung    

Eine fast völlige Ausrottung der ersten Bevölkerung ("First People") ist Teil der amerikanischen Geschichte. Sie zählt zu den großen Menschheitskatastrophen - zusammen mit dem Niedergang der indianischen Hochkulturen in Mittel- und Südamerika - vor dem 20. Jahrhundert. In Zahlen ausgedrückt erkennt man das Ausmaß. Im großen Gebiet nördlich des Rio Grande 1492 lebten ungefähr fünf bis zehn Millionen Native Americans, 1900 waren es noch 237 000 Menschen indianischer Herkunft (vgl. MATTIOLI 2018, 15).

Der spanische Eroberer Juan Ponce de Leon entdeckte 1513 Florida. In der Folge ging eine nicht exakt ermittelbare Zahl nordamerikanischer Indianer an Krankheiten, Hunger, Versklavung, auch an Kriegen, Massakern, Umsiedlungsaktionen, Kopfgeld-Jagden und systematischer Kulturzerstörung zugrunde.

Ganze Indianervölker wurden vernichtet, andere überlebten bis heute und sind von den Ereignissen der euro-amerikanischen Kolonisierung bis in die Gegenwart gezeichnet.

Die bis heute mitunter unverstandene Katastrophe stellt die Frage, ob nach der Besitznahme des Kontinents für die dort lebenden Menschen die Ereignisse eine Fortschrittsverheißung gewesen sei (vgl. ECKERT 2006, 112).

  • Heute wird deutlich, dass die radikale Umgestaltung der Welt mit Verdrängung, Unterwerfung und Dezimierung der indigenen Völker verbunden ist.
  • Verdrängungsprozesse von beispielloser Dynamik im Zeichen von Moderne wurden ausgelöst.
  • Im 19. Jahrhundert verringerte sich die Vielfalt von menschlichen Kulturen im Zeichen nationaler Staatenbildungen und bewirkte eine beinahe Auslöschung von Ureinwohnern.
  • Mit dem Abholzen von Wäldern, Abbau von Rohstoffen und Umpflügen von Grasland (Prärien) veränderten sich die Ökosysteme in den außereuropäischen Räumen.
Mit der Zerstörung des indianischen Nordamerikas ergeben sich andere Perspektiven der Geschichte der USA, die das Bild bis heute beeinflussen.

10 Perspektivenwechsel des Bildes Nordamerikas    

Bis in die sechziger Jahre war die US-Geschichte geprägt von einer Geringschätzung der First People.

In der Geschichtsdarstellung wurde zwar von militärischen und wirtschaftlichen Erfolgen berichtet, die nationale Geschichte der USA wurde als ein einzigartiger Erfolg und Fortschritt dargestellt.

  • Das Freiheitsprinzip der Aufklärung und die englischstämmigen Pioniere im Kampf gegen die Wildnis ("Fontier") wurden betont(vgl. WEARNE 2003).
  • Es entstand 1893 bei der Weltausstellung von Chicago erstmals die "Frontier-These" (Frederick Jackson Turner). Die Geschichte der USA wurde durch eine These der Westexpansion mit Pioniersiedlern stark beeinflusst (vgl. GRABBE 2001).
  • Typische US-Eigenschaften wie Individualismus, Egalitarismus und Freiheitsliebe wurden (und werden bis heute) gepriesen. Im Grenzland werden die Siedler erst zu Amerikanern und nirgendwo sonst liegt der Ursprung nationaler Tradition.
  • Die First People wurden zum Kontrast von Zivilisation und Fortschritt.
  • Die Frontier seien zu einer militärischen Trainingsschule für die junge Nation geworden.
US-Geschichte handelte bis um 1970 davon, wie aus Untertanen des englischen Königs tatendurstige Pionierfarmer wurden, die in den Westen des Kontinents eindrangen und durch harte Arbeit zu Wohlstand kamen.

  • Der Untergang der indianischen Kultur war unvermeidbar, ein notwendiges Kapitel in der US-Geschichte (vgl. MATTIOLI 2018, 18).
  • Ausgeblendet wurde in der US-Indianerpolitik Tod, zwangsweise Umsiedelung, Rassismus und ein kultureller Genozid.
Letztlich verdanken die USA ihr Landimperium einer Wiederbesiedelung des Kontinents. Es kommt zur bitteren Erkenntnis, dass die US-Gesellschaft auf den Gräbern von Hunderttausenden von Indianern_innen errichtet wurde (vgl. OESER 2008).

11 Aspekte einer US-Geschichte ab 1763    

Mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 war Nordamerika ein indianisches Land. Abgesehen von kleinen Siedlungen am Atlantik, am St. Lorenz-Strom und den Großen Seen sowie am Golf von Mexiko gab es kaum eine euroamerikanische Präsenz zwischen Appalachen und Pazifik (vgl. SCHNURMANN 2009; MATTIOLI 2018, 18-19).

  • Viele indianische Gesellschaften nutzten den Kontinent trotz des Siedlungsdrucks an den Rändern.
  • Mit dem zunehmenden Druck einer Einwanderung hatte sich 100 Jahre später das Bild völlig geändert.
  • 1914 schien es so, dass durch Zwangsassimilation die indianische Bevölkerung aussterben würde.
11.1 Unabhängigkeit der USA    

Mit der Unabhängigkeit der USA 1783 begann für die nordamerikanischen Indianer eine neue Epoche (vgl. DEPKAR 2008).

  • Zunächst gab es einen Herrscherwechsel von König Georg III. zu George Washington.
  • Ein tiefgreifender Wandel der US-Gesellschaft tolerierte kein indianisches Land.
  • Mit dem Niedergang des Indianertums kam es zum Aufstieg und einer Entfaltung der USA.
  • Die USA betraten die Weltbühne, mit imperialen Ansprüchen.
    • Man trat gegenüber den Indianern als Kolonialmacht auf.
    • Imperial vereinnahmte man die ehemaligen britischen, französischen, spanischen, mexikanischen und russischen Gebiete, teils durch Kauf, Verträge über Abtretungen oder militärische Eroberungen und Annexion (vgl. SCHUMACHER 2009, 74-94).
  • Ein neues Gesellschaftsmodell erprobte die Besitznahme von Grund und Boden. Eigenes Land zu erwerben in der Neuen Welt, mit dem Mut einen neuen Anfang zu beginnen, führte in der Folge zu einer einzigartigen kapitalistischen Eigentümergesellschaft.
  • Der US-Landrausch führte zur Enteignung größten Stils.
11.2 Entwicklungsphasen der Besiedelung    

In einer ersten Phase entwickelte sich eine agrarische Siedlergesellschaft mit einem Neubau einer nationalen Gesellschaft (vgl. MARX 2015, 2). Damit wurden die First People an den Rand der entstehenden Gesellschaft gedrängt und büßten angestammte Lebensräume, politische Selbstbestimmung und wirtschaftliche Überlebensfähigkeit ein.

In einer zweiten Phase im 19. Jahrhundert entwickelte mit dem Sozialexperiment einer Einrichtung von Reservaten die kulturelle Fremdbestimmung. Mit Epidemien, Todesmärschen, Auflösung von Winterlagern, Massakern, Hungersnöten, Umerziehungsaktionen und militärischen Konflikten verstärkte sich der Rückgang der indianischen Bevölkerung (vgl. MATTIOLI 2018, 22-24).

In der dritten Phase gingen die First People in der US-Gesellschaft infolge einer Binnenhomogenisierung unter.

Aus dieser Phasenentwicklung ergibt sich eine exemplarische Gebietsstudie über die Besiedelung der USA (vgl. BERG 2013, 160-164).

  • Nordosten der USA - erste Kolonialzeit und Gründungsjahre der Vereinigten Staaten von Amerika (1700-1809)
  • Südosten der USA - Umsiedelungsära (1815-1839)
  • Südwesten der USA - ursprünglich spanische, dann mexikanische und schließlich amerikanische Kalifornien in den Goldrauschjahren (1848-1860)
  • Konflikte in den Great Plains (1840-1890)
11.3 Neuzeitliche Aspekte der Geschichte der USA    

Als neue Blickrichtung ergänzt sich die indianische Geschichte durch Aspekte der Kulturgeschichte des indianischen Nordamerikas von seinen Anfängen bis 1800.

  • Colin G. CALLOWAY hat in seinem Basiswerk "One Vast Winter Count" (2003, bes. 426) weniger die Richtung Atlantik-Pazifik betrachtet, vielmehr eine Nord-Süd-Betrachtung durchgeführt. In dieser Darstellung wird etwa die Bedeutung von aus Mexiko stammenden Kulturgütern wie der Maisanbau und das Pferd betont.
  • Ebenso ist die aus Mittelamerika stammende Pockenepidemie zu beachten, die zwischen 1775 und 1782 das indianische Nordamerika dezimierte. Dadurch wurde der Westen ausgedünnt (vgl. MATTIOLI 2018, 27).
  • Zu beachten ist in der indianischen Geschichte Nordamerikas der Umstand, dass es nie eine gemeinsame indianische Sprache und Spiritualität, eine gleichbleibende Sozialorganisation und damit einheitliche Lebensweise gab. Auch gab es keine alphabetische Schrift, nur mündliche Überlieferung. Einen "Einheitsindianer" gab es nie.
  • Dadurch ist für die indianische Geschichte die Quellenlage äußerst dünn. Vorhandene Quellen sind daher möglichst mit indianischen Augen zu sehen. Beispielhaft gilt dies für LUTHER STANDING BEAR, der beide Welten als Kind kannte - als Kind bei den freien Sioux in den Great Plains lebte, bevor er 1879 auf eine Internatsschule in Carlisle/Pennsylvania kam - und seine Erinnerungen 1933 in "Land of the Spotted Eagle" niederschrieb (vgl. MATTIOLI 2018, 28-29).
  • Nordamerikas indigene Kulturen waren und sind ebenso verschieden wie jene Europas (vgl. DITTMANN 1994, 4).
Eine nicht abgeschlossene Debatte gibt seit den achtziger Jahren über die korrekte Bezeichnung der nordamerikanischen Indianer.

  • Als Oberbegriff gilt "indigene Völker". Diese werden als außereuropäische Ethnien verstanden, die durch Kolonialisierung ihre politische Autonomie verloren, aus ihrem bewohnten Land vertrieben, zwangsweise assimiliert und oft physisch vernichtet wurden. Indigene Völker besitzen eine überschaubare Größe, eine Verbundenheit mit ihrem Land, ein Wertesystem der Ahnen, eine Selbstversorgerökonomie, verstreut liegende Dörfer und einen kulturellen Konservatismus.
  • Die UNO hat in der Generalversammlung vom 13. September 2007 eine "Allgemeine Erklärung der Rechte der indigenen Völker" verabschiedet. Damit wurden die Menschenrechte von Ureinwohnern anerkannt, ebenso das Recht auf Selbstbestimmung und die Verfügungsgewalt über ihr Land und die dort liegenden Bodenschätze.
Der Begriff "Indian" (Indianer) ist problematisch, weil er geographisch falsch und zudem doppeldeutig ist. Er kann im Englischen auch als Inder gedeutet werden. Seit den siebziger Jahren setzen sich die Begriffe "Native Americans", "First People" und "First Americans" durch.

12 Aspekte einer Politischer Bildung    

Die Geschichte Nordamerikas ist mit der fast völligen Vernichtung der indigenen Völker verbunden.

Ab dem 17. Jahrhundert vernichteten die einwandernden Europäer die Lebensformen und Wirtschaftsstrukturen und besetzen das Land. Blutige Konflikte und tödliche Krankheiten dezimierten die Urbevölkerung.

Die Europäer assimilieren aus Überlegenheitsgefühlen die First People und vernichteten ihre Kultur.

Im US-Unabhängigkeitskrieg am Ende des 18. Jahrhunderts ringen die indigenen Völker um ihre Autonomie.

Die US-Gesellschaft und Politik weist im 19. Jahrhundert indigenen Völkern Reservate zu und betreibt eine Ausgrenzung und Unterdrückung.

Zu beachten ist die Verneinung bzw. Verhinderung aller hochgehaltenen Werte - Normen und Rechte der USA wie Freiheit, Unabhängigkeit, Autonomie, Bürgerrechte und Partizipation.

13 Zeittafel    

Im Folgenden werden beispielhaft wesentliche Daten in Form einer Zeittafel aufgezeigt.

Zeittafel
um 1300:Von Mexiko aus verbreitet sich als Basis des indianischen Ackerbaues der Anbau von Mais, Bohnen und Kürbis
um 1400:Im Nordosten bilden sich Irokesen- und Huroren-Föderationen
um 1500:5 bis 10 Millionen Indianer leben in Nordamerika
um 1700:Die indianische Bevölkerung beträgt rund 1,5 Millionen
  
1521:Florida wird für Spanien in Besitz genommen
1607:In Virginia entsteht die erste englische Siedlung
1608:Quebec wird erste französische Siedlung
1633-16734:Im Nordosten dezimiert eine Pockenepidemie die indianischen Völker
1637:Englische Siedler verüben ein Massaker am Mystic River
1680-1692:Pueblo-Indianer vertreiben spanische Missionare
1680-1750:Entlaufene und gestohlene Pferde breiten sich in den Great Plains aus, es ensteht in der Folge eine nomadische Bisonjäger-Kultur
1750:1,25 Millionen Siedler leben in den 13 britischen Atlantikkolonien, 25 Jahre später sind es 2,5 Millionen
1750-1760:Russische Pelzhändler siedeln sich an der Küste Alaskas an
1769:Spanien kolonisiert Kalifornien und bildet ein System von 21 Missionen
1776:Die USA proklamieren ihre Unabhängigkeit
1775-1783:Im Unabhängigkeitskrieg führen die Amerikaner in Frontiergebieten auch einen Krieg gegen indianische Völker. Es kommt zu einer Dezimierung der First People durch eine Pockenepidemie.
1803:Die USA erwerben von Frankreich das Louisiana-Gebiet und verdoppeln ihr Territorium.
1814:Massaker unter General Andrew Jackson in Tohopeka
1821:Mexiko wird unabhängig. Im mexikanischen Texas siedeln sich US-Bürger an.
1830:Beginn der Umsiedelung im Osten in "Indian Territory" durch den "Indian Removal Act"
1838:Ein Viertel der Cherokee sterben auf dem "Trail of Tears"
1848:Mexiko tritt den Südwesten an die USA ab
1849-1855:Goldrausch in Kalifornien, Zehntausende der First People kommen um
1853:Umsiedelung indigener Gemeinschaften in Reservate auf Grund einer neuen Indianerpolitik durch den Indianerbeauftragten Luke Lea
1877:Sitting Bull setzt sich nach der Schlacht am Little Bighorn nach Kanada ab
1887:Im "Dawes Act" wird Reservatsland in das Eigentum weißer Farmer und Rancher übertragen
1889:Die "Große Sioux-Reservation" wird verkleinert und in sechs Reservate zerstückelt
1890:Massaker durch die US-Kavallerie am Wounded Knee Creek
1900:In den USA leben unter den 76 Millionen Einwohnern 237 000 Indianer auf 2,3 Prozent der Gesamtfläche fast nur in Reservaten
1907:Theodore Roosevelt und der Kongress weigern sich den indianischen Bundesstaat "Sequoyah" zu gründen

Quelle

Mattioli 2018, 460-464

Literaturverzeichnis II    

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IT-Autorenbeiträge    

Die Autorenbeiträge dienen der Ergänzung der Thematik.

Netzwerk gegen Gewalt

http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index:

Politische Bildung

Interkulturelle Kompetenz

Erwachsenenbildung

Zum Autor    

APS-Lehramt - VS-HS-PL (1970-1975-1976); zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater (1975/1999); Lehrbeauftragter am PI des Landes Tirol (1990-2002), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol(1993-2002)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/Doktorat? (1985), des 10. Universitätslehrganges für Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt/MSc (2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/Wien/Diplome (2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/Diplom (2012), der Personalentwicklung der Universitäten Wien/Bildungsmanagement/Zertifizierung (2010) und Salzburg/ 4. Interner Lehrgang für Hochschuldidaktik/Zertifizierung? (2016), des Online-Kurses "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner_innen"/ TU Graz-CONEDU-Werde Digital.at-Bundesministerium für Bildung/ Zertifizierung (2017), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium - Comenius Institut Münster/Zertifizierung (2018)

Lehrbeauftragter am Institut für Erwachsenen- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien-Berufspädagogik-Vorberufliche Bildung (1990/1991-2010/2011), am Fachbereich Geschichte/ Universität Salzburg - Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung/ Didaktik der Politischen Bildung (2015/2016, 2017Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche in Österreich, Kursleiter an den Salzburger VHSn Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg (2012-2019), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017-2019)

Aufnahme in die Liste der sachverständigen Personen für den Nationalen Qualifikationsrahmen/NQR, Koordinierungsstelle für den NQR/Wien (2016)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 11. November 2022