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Bildungsreform

Bildungsreform    

Aspekte einer Bildungsreform im Kontext Politischer Bildung    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Bildungsreform   
Aspekte einer Bildungsreform im Kontext Politischer Bildung   
Danksagung   
Vorbemerkung   
I Österreich   
1 Bildungspolitik   
1.1 Bildung und Forschung   
1.2 Lerninhalte des Polytechnischen Lehrganges   
2 Ethikunterricht - Diskussion zur Einführung eines verpflichtenden Unterrichtsfaches   
Salzburger Nachrichten, 4.9.2012, 9 "Ethik und Religionskunde" für alle in der Oberstufe   
Podiumsdiskussion an der Universität Wien, 25.10.2012   
SAAT Nr. 11/2013, 2 "Ethik und/oder Religion"   
3 Bildungsinstitutionen und Interkulturalität   
3.1 Zunehmende Zuwanderung in Österreich   
3.2 Studie über Integration von Migranten der zweiten Generation/Vorarlberg   
3.3 Tagung "Schule mit Migrationshintergrund", Februar 2008, Universität Hamburg - verikom - Heinrich Böll-Stiftung - ZEIT-Stiftung - Vodafone-Stiftung/7 Thesen   
3.4 Interkulturalität in Bildungsinstitutionen   
Elementarbildung/Kindergarten   
Sprachbildung   
Bildungsbenachteiligungen   
Übergang in die Arbeits- und Berufswelt   
Bildungssituation   
Selektivität des Bildungssystems   
Diversität   
Interkulturalität und Hochschule/Universität   
Erwachsenenbildung bzw. Weiterbildung und Interkulturalität   
4 Aspekte einer Schulreform in Österreich   
4.1 "Bildungspolitische Aufklärung - Um- und Irrwege der österreichischen Schulreform"   
4.2 "Ein 'Schulbuch' mit 180-Grad-Wendung"-Salzburger Nachrichten/3. 9.2012, 2   
4.3 Leitartikel/Tiroler Tageszeitung v. 18.11.2012, 5 "Moderne Schulen braucht das Land"   
4.4 DER STANDARD, 28.2.2013, 32 "Nebenregierung macht's vor"   
4.5 Zum Stand einer Schulreform/November 2013   
5 Studie "Visible Learning"/John Hattie   
6 Universität und Lehrerbildung   
7 Unbildung zwischen Pisa und Bologna/Liessmann   
8 Wie Schüler Schule erleben   
9 Studie der Wirtschaft - Mängel in der Unterrichtsverwaltung/2015   
10 Evaluierungsbericht zur Neuen Mittelschule/2015   
11 Bildungsreform/ Reformansätze vom 17.11.2015   
12 Bildungsreform 2017 - Maßnahmen für eine Schulautonomie   
13 Schulautonomiepaket 2017   
13.1 Organisation des Unterrichts   
13.2 Lehrerauswahl   
13.3 Schulzusammenlegung   
13.4 Schulpartner   
13.5 Bildungsdirektion   
13.6 Bildungsreform 2017 - Einigung von SPÖ, ÖVP und Grünen   
13.7 Schuljahr 2017/2018 - Neuerungen   
14 Zukunft. Für unser Österreich - Regierungsprogramm 2017-2022   
14.1 Zukunft und Gesellschaft - Bildung   
14.2 Zukunft und Gesellschaft - Wissenschaft   
15 Integrationsbericht 2018 - Brennpunktschulen   
16 Neuer Lehrplan für Polytechnische Schulen   
II Europäische Perspektiven - Bildungswesen in Europa   
17 Rückgang der Zahlen der Lernenden im schulpflichtigen Alter   
18 Trend zur längeren Schulbildung   
19 Hochschulbildung   
20 Gesamtausgaben für Bildung   
21 Lehrerbildung - Arbeitsbedingungen   
22 Schulautonomie   
23 Qualitätssicherung   
Literaturhinweise I-II/ Auswahl   
III Digitales Lernen und Lehren   
Vorbemerkung   
24 Einführung   
25 Digitalisierung   
25.1 Begrifflichkeit   
25.2 Wandelphänomene   
25.3 Bildungssysteme und Digitalisierung   
26 Technische Übersicht   
27 Fernunterricht   
27.1 Mediengestütztes Lernen   
27.2 Technologische Innovationen   
27.3 Technologiegestütztes Lernen   
27.4 Gemeinsames Lernen im Web 2.0   
28 Didaktik   
28.1 Einführung   
28.2 Übersicht Lerntheorien   
28.2.1 Behaviorismus   
28.2.2 Kognitivismus   
28.2.3 Konstruktivismus   
28.2.4 Konnektivismus   
28.3 Lehrzieltaxinomien   
29 Medienpädagogik   
29.1 Strömungen der Medienpädagogik   
29.2 Medienkompetenz   
30 Medienbasiertes Lernen   
30.1 Planung und Gestaltung   
30.2 Instruktion   
30.3 Digitale Potenziale   
30.4 Technische Infrastruktur   
30.5 Entwicklung von Lehr- und Lernsituationen   
30.6 Problembereiche   
31 Leistungsbeurteilung mit E-Assessment-Systemen   
32 Lernen und Lehren in der Erwachsenenpädagogik   
Literaturhinweise III   
IV Bildungssoziologie   
Vorbemerkung   
33 Einleitung   
34 Grundbegriffe   
34.1 Bildung   
34.2 Erziehung - Sozialisation   
35 Erste Phase der Soziologie der Bildung und Erziehung   
35.1 Einführung   
35.2 Emile Durkheim   
35.3 Karl Mannheim   
35.4 Sputnik-Schock   
35.5 Bildungsreform   
35.6 Talcott Parsons   
35.7 Theodor W. Adorno   
35.8 Michel Foucault   
36 Bildungs- und Erziehungstheorie heute   
36.1 Pierre Bourdieu   
36.2 Niklas Luhmann   
36.2.1 Soziale Systeme   
36.2.2 Luhmanns soziologische Erziehungsreflexion   
36.2.3 Gesellschaftliche Funktion der Erziehung   
37 Bildung und Schule   
37.1 Schule und Gesellschaft   
37.2 Schulautonomie   
37.3 Schulkulturen   
38 Bildung und Hochschule   
38.1 Kurzgeschichte der Universität   
38.2 Fachkulturen   
39 Bildung in der Lebensgeschichte   
39.1 Lebenslauf   
39.2 Kindheit   
39.3 Jugend   
39.4 Erwachsenenalter - Bildung   
40 Migration   
40.1 Bildung und Erziehung   
40.2 Bildungsdisparitäten   
40.3 Integration   
41 Reflexion   
Literaturhinweise IV   
Zum Autor   

Ausbildung ohne Bildung führt zu Wissen ohne Gewissen.

(Daniel Goeudevert 2001)

Danksagung    

Wer sich mit Bildungsreform beschäftigt, merkt die komplexe Thematik und Bedeutung im Kontext der Politischen Bildung.

Dankbar bin ich dem Freundeskreis für die Anregungen und Hinweise.

Zu danken habe ich Helmut Leitner für die technische Unterstützung bei der Manuskripterstellung und die fachliche Begleitung bei der Digitalisierung.

Für die jahrelange reibungslose Autorenbetreuung danke ich dem Akademikerverlag.

Günther Dichatschek

Vorbemerkung    

Die Studie Bildungsreform versteht sich als Diskussionsbeitrag für Lehrende, Eltern, Lernende, Studierende und alle Bildungsinteressierte, Aspekte einer notwendigen Bildungsreform zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufzuzeigen.

Es gehört zum Selbstverständnis, dass in solche Überlegungen auch das Bildungswesen in Europa mit einbezogen wird. Mit der Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union (EU) ist der Kontext zu europäischen Bildungssystemen gegeben.

Hinweise auf IT-Netzwerke, Links und Literaturberichte sollen Aspekte des Themenbereichs vervollständigen.

Angesprochen werden alle Bereiche von Bildungsinstitutionen - von der Elementar-, Primar- und Sekundarbereich bis zum tertiären und quartären Bildungsbereich. Aspekte einer Digitalisierung und Bildungssoziologie vervollständigen die Überlegungen.

Die Studie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr beruht sie auf dem persönlichem Interesse eines Lehrenden und einem fachlichen Engagement.

I Österreich    

1 Bildungspolitik    

1.1 Bildung und Forschung    

Welche Wissens-, Sozial- und Handlungselemente müssen Menschen am Beginn des 21. Jahrhunderts besitzen, um von Umbrüchen in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Medien, Umwelt und (inter-)kulturellen Phänomenen nicht überrollt zu werden? Was sollen sie verstehen und wie gestalten können?

Menschen müssen in die Lage versetzt werden, durch Teilhabe an inhaltlich erneuerten und ausgebauten Wissensbeständen in einer Bildungsgesellschaft selbst und/oder mit anderen in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung und in situativem Zusammenhang Sachbezüge herzustellen. Im laufenden Diskurs einer notwendigen Schulreform - aus meiner Sicht Bildungsreform - bedarf es zunächst einer Definition grundlegender Ausgangspositionen.

Dazu zehn Thesen:

  • Bildungsziel ist eine Vielzahl von Ideen und Erneuerungsvorschlägen.
  • Bedarfsorientierte Qualifikationen relativieren sich, weil ein zukünftiger Bedarf nicht vorhersehbar ist.
  • Informationstechnologien ändern sich selbst in kürzester Zeit wie auch das Wirtschaftsleben in einer globalisierten Welt sich ständig verändert.
  • Bildungspolitik hat daher mehr in Bildung und Forschung zu investieren. Wissen, Können und Umsetzung bilden Kapital und Basisqualifikationen.
  • Es bedarf einer Orientierung zu Erziehung und Verständnis von Humanität - kultureller, ökonomischer, demokratischer, religiös-ethischer, medialer und ökologischer Werte.
  • Ausbildung beinhaltet einen Bedarf an lebensbegleitender Bildung und Lernen, das Trichtermodell ist untauglich, neue Lehr- und Lernformen sind notwendig geworden.
  • Gefordert sind alle Bildungsinstitutionen, vom elementaren bis quartären Bereich.
  • Kooperationsmodelle müssen Bildungsbemühungen ermöglichen und unterstützen können.
  • Die Selbstverantwortung von Schulen und Universitäten/Hochschulen bedarf einer Stärkung, ebenso Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
  • Bildungsmanagement ist eine Grundvoraussetzung.
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Zur Gestaltung und Bewältigung des Lebensalltags benötigt man Allgemeinbildung.

  • Diese ermöglicht ein breites Interessensspektrum und damit eine Breite von Fort- und Weiterbildung.
  • Neben der Vermittlung von Basisqualifikationen bedarf es einer Internationalisierung in den Bildungsinstitutionen und Betrieben/Unternehmungen.
  • Interkulturalität, die Vielfalt von Behinderungen und Notwendigkeit von Gleichberechtigungen werfen das Problem von "Diversity Management" im Bildungsbereich auf.
  • Sonderpädagogik erhält so einen anderen Stellenwert. Ohne Allgemeinbildung, vorberufliche und berufliche Bildung sowie inhaltlich-organisatorischer Bildungsreform ist eine positive Stellung in Gesellschaft, Alltag und Berufswelt nicht möglich.
  • In der Folge bedarf es eines zeitgemäßen schulischen Fächerkanons mit einer zeitgemäßen Lehrerbildung,
  • Folgerungen für eine EU-konforme frühkindliche, Schul- und Hochschulbildung mit anschließender Fort- und Weiterbildung/Erwachsenenbildung.
  • Letztlich hat das in eine konsequente Umsetzung mit einem realisierbaren Zeitmanagement in einem gesamtgesellschaftlichen Konsens zu münden.
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Der Standard, 12. Juni 2012, 31 - Günther Dichatschek

Tiroler Tageszeitung, 24. Juni 2012, 24-25 - Günther Dichatschek

Frühe Differenzierung ohne Positiveffekte > http://orf.at/stories/2249392/2249393/ (13.10.2014)

1.2 Lerninhalte des Polytechnischen Lehrganges    

Mit der Installierung des Polytechnischen Lehrganges ("Poly") in der Schulreform 1962 wurde ein Schultyp geschaffen, der in seinen Bildungs- und Lehrinhalten beispielhaft ist. Man denke in seiner Lehrplankonstruktion an Fächer wie Berufsorientierung, Lebenskunde, Politische Bildung, Seminare in beruflicher Grundbildung und die Berufskundlichen Tage/Woche.

In seiner Schulorganisation ist er unatttraktiv geblieben, weil er nicht jene Schülergruppe erreicht, die weiterführende Schulen - AHS, BMS/BHS - besucht. Damit erreicht dieser Schultyp nur eine bestimmte Klientel, nicht aber die Allgemeinheit. In diesem Dilemma lassen die Schulpolitiker bis heute die nunmehrige Polytechnische Schule.

Offensichtlich kommt es nun nach Jahrzehnten zu notwendigen neuen Überlegungen. Jedenfalls sind die Bildungs- und Lehr-/Lerninhalte dringend in einem Bildungskanon eines allgemeinbildenden Schulsystems notwendig, denn der Beitrag des allgemeinbildenden Schulsystems zur vorberuflichen Bildung - Schul-, Studien- und Berufswahl mit einer Einführung in die Arbeits- und Berufswelt - in Verbindung mit Politischer Bildung und dringend auch Interkultureller Bildung gehört zu einem zeitgemäßen schulischen Bildungsauftrag.

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Salzburger Nachrichten, 2. März 2013, 32 - Günther Dichatschek (vgl. Punkt 4.4)

Bundesschulpreis 2014 > http://tirol.orf.at/news/stories/2673164/ (11.10.2014)

Schlechter Ruf > https://noe.orf.at/stories/3171411/ (31.8.2022)

2 Ethikunterricht - Diskussion zur Einführung eines verpflichtenden Unterrichtsfaches    

Die staatliche Verordnung, derzeit als Schulversuch seit 1977 in der AHS-Oberstufe, hat anspruchsvolle Lernziele und ein entsprechendes Anspruchsniveau.

Ob "Ethik" Disziplinierung und Passivität oder Kritik und Engagement fördert, hängt von Eltern, Bildungspolitikern, Unterrichtenden und Didaktikern ab. In der Diskussion über ein neues verpflichtendes Unterrichtsfach werden 'Rechtsprobleme aufgeworfen:

  • Darf öffentliche Schule einen Unterricht über Sinn- und Wertfragen einrichten, ohne gegen das Prinzip weltanschaulicher Neutralität zu verstoßen?
  • Welche inhaltlichen Vorgaben sind von Rechts wegen möglich und nötig?
  • Lassen sich Wertverbindungen, die ein solcher Unterricht nicht vermeiden kann, durch Verfassung und Schulgesetzgebung in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft legitimieren?
Aus der Perspektive eines Lehrenden - APS-Lehrer, Lehrbeauftragten, Erwachsenenbildner, Absolventen der Universitätslehrgänge Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz - soll ein neues verpflichtendes Unterrichtsfach einen fachspezifischen Beitrag zur Erziehungsaufgabe beschreiben.

Daher sind entwicklungs- und sozialisationstheoretischen Konzepte zu berücksichtigen.

Das Motiv der Einführung des Faches im Schulversuch war das Bestreben, den Freizeitanreiz bei der Abmeldung vom konfessionellen Religionsunterricht zu beseitigen.

Der "Internationale Bund der Konfessionslosen" hat daher den Vorwurf erhoben, die Einführung des "Ersatzunterrichts" sei eine repressive Maßnahme, mit der der Bestand des konfessionellen Religionsunterrichts gesichert werden soll.

Kritiker sehen in lehrplanspezifischen Bezügen auf einen Mindestkonsens über Grundwerte den Versuch, eine Ordnungsethik des Staates durchzusetzen. Es geht also um die verfassungsrechtliche Legitimität des Faches, gesetzliche Bestimmungen wie Aufgabe und Inhalte, Verpflichtungen auf bestimmte Werte und Sinntraditionen sowie das Problem eines sittlichen Mindestkonsenses.

Einen Dissens gibt es zur Frage, ein Ethikunterricht sei für die aus konfessionellen Religionsunterricht ausgetretenen Unterrichtenden verfassungswidrig.

Das Bundesverfassungsgesetz garantiert und der § 2 Schulorganisationsgesetz 1962 i.d.g.F. schränkt keinesfalls die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit ein.

Der Staat kann auf Grund seiner weltanschaulichen Neutralität nur einen religiös neutralen Unterricht einführen. Der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ist hinfällig, weil fälschlicherweise unterstellt wird, ein "Ersatzunterricht" sei nicht religiös neutral und schränke zumindest die negative Religionsfreiheit ein (Recht, keine Religion zu haben).

Sinn- und Wertfragen in den Bildungszielen der österreichischen Schule sind Erziehungs- und Unterrichtsauftrag für die gesamte Schulzeit - wie die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten; selbständiges kritisches Urteil, eigenverantwortliches Handeln; Freiheit und Demokratie; Toleranz, Achtung vor der Würde des Einzelnen, Respekt vor anderen Überzeugungen; friedliche Gesinnung im Geist der Völkerverständigung; Erklärung ethischer Normen und kulturell-religiöser Werte; Bereitschaft zu sozialem Handeln und politischer Verantwortung; Wahrnehmung von Rechten und Pflichten in der Gesellschaft; Orientierung in der Arbeits- und Berufswelt; Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Unterrichtsprinzipien/ Richtlinien unterstreichen diese Bildungsziele in ihrer Bedeutung, wobei schulische Randfächer entsprechend schwach positioniert sind (etwa Politische Bildung/politische Kompetenz, Berufsorientierung/vorberufliche Kompetenz, Kunsterziehung-Werkerziehung/kreative Kompetenz). Beispielsweise fehlt "Interkulturelle Kompetenz" in Form eines Fachbereiches.

Ein eigenes Fach Ethik wertet didaktisch und methodisch den pädagogischen Bereich auf, mindert den Zeitdruck auf andere Fächer und legitimiert den hohen Stellenwert von Sinn- und Wertfragen in der Gesellschaft. Übrig bleibt immer die Frage der weltanschaulichen Neutralität.

Das Bundesverfassungsgesetz zeigt durch die Aufnahme der Grundsätze der Menschenrechtskodifikationen (hier der Religionsfreiheit) und der Gesetze zum Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften auf, dass eine Wertorientierung als Prinzip der weltanschaulichen Neutralität positiv zu verstehen ist.

Mit der Förderung der verschiedenen Gruppierungen ermöglicht der Staat ein öffentliches Wirken mit den Aufgaben einer sittlichen Motivierung, des sozialen Engagements und einer Sinnvermittlung. Dies ist als Förderung verschiedener Überzeugungen im Rahmen demokratischer Normen zu verstehen, um das Gemeinwohl zu sichern und zu vergrößern.

Schulisch drückt sich dies durch den Religionsunterricht aus, wobei die Religionsgemeinschaften in Form der Bindung an ihre Glaubensgrundsätze - in Übereinstimmung mit der Bundesverfassung - inhaltlich eigenverantwortlich den Unterricht gestalten (vgl. NIPKOW 1996, 71-82; BATTKE-FITZNER-ISAK-LOCHMANN 2002, 93-99).

Im Unterschied zum Religionsunterricht hat für den Staat das Toleranzgebot Vorrang. Daraus ergibt sich zwingend, dass eine Austrittsmöglichkeit in einem staatlich verantworteten Unterrichtsfach - zu Sinn und Wertfragen - nicht eingeräumt werden muss, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Faches in Form von Lehrplan, Lehrerbildung und Verfassungskonformität die Wertneutralität garantieren (vgl. BUCHER 2001, 55). Ein solches Fach hat nicht zum Inhalt, dem Nichtreligiösen die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Sinn- und Wertfragen zu ersparen. Der Staat darf von seinen Bürgerinnen und Bürgern Pflichten und Leistungen verlangen, ohne dadurch die Gewissensfreiheit zu verletzen (vgl. SCHMIDT 1983, 14).

Eine Fach-, Sozial- und Handlungskompetenz Unterrichtender ergibt sich aus der Aus-, Fort- und Weiterbildung künftiger Lehrender.

  • Die Ausbildung ist eines der größten Probleme des Faches, weshalb es als positiv anzusehen ist, dass die Universität Wien ab dem WS 2000/2001 ein Diplomstudium Ethik eingerichtet hat. Der Lehrgang umfasst die Bereiche Grundfragen der Ethik, religiöse und außereuropäische Moralsysteme, Probleme der angewandten Ethik (Bio-, Medizin- und Wirtschaftsethik), lebensweltliche und didaktische Fragen (etwa Generationenprobleme. Geschlechterdifferenz), wobei die Ausbildung nicht an einem Institut angesiedelt ist.
  • Daraus ergibt sich eine interfakultäre Ausbildung mit den Bereich Philosophische Ethik, naturwissenschaftliche Disziplinen/ Ökologie, Jugendsoziologie, Religionswissenschaft, Moralpädagogik/ Didaktik, Moralpsychologie/ Entwicklungspsychologie und Theologische Ethik.
  • Gefordert ein vollwertiges Lehramtsstudium, eine Gleichwertigkeit im Fächerkanon.
Die Frage der Zulassung wird/ wurde kontrovers diskutiert und entzündet sich an der Kombination Katholische und Evangelische Theologie, nunmehr auch Islamischen Pädagogik (vgl. das Grundrecht auf Lernfreiheit/AHStG § 5 i.d.g.F.).

Wer unterrichten darf, ist ebenso strittig. Als Minimalkonsens gilt, wer die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, das Bundesverfassungsgesetz mit den Folgegesetzen und Menschenrechtskodifikationen anerkennt und umsetzt, ethische Reflexion in der Lage ist zu betreiben, den Unterricht zu keiner Indoktrination benützt und Religion als Menschheitsphänomen mit Respekt begegnet (vgl. BUCHER 2011, 309-310).

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Literaturhinweise/Auswahl - Ethikunterricht

Battke A.-Fitzner Th.-Isak R.-Lochmann U. (Hrsg.) (2002): Schulentwicklung-Religion-Religionsunterricht. Profil und Chance von Religion in der Schule der Zukunft, Freiburg-Basel-Wien

Bucher A.A. (2001): Ethikunterricht in Österreich, Innsbruck-Wien

Nipkow K.-E. (1996): Schule und Religion in pluralen Gesellschaften. Eine notwendige Dimension einer Theorie der Schule, in: Zeitschrift für Pädagogik, 34. Beiheft, Weinheim-Basel, 71-82

Nipkow K.E. (1998): Bildung in einer pluralen Gesellschaft, Bd. 2: Religonspädagogik im Pluralismus, Kap. 12 "Die Pluralität von Ethikunterricht und Religonsunterricht ", Gütersloh, 495-539

Schmidt H. (1983): Didaktik des Ethikunterrichts I - Grundlagen, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz

Schmidt H. (1984): Didaktik des Ethikunterrichts II - Der Unterricht in Klassen 1-13, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz

IT-Hinweise Ethik- und Religionsunterricht

Konrad Liessmann fordert verpflichtenden Ethikunterricht für alle und nicht nur als "Restfach" für Religionsabmelder > http://derstandard.at/1358304758111/Religionen-sind-keine-Anleitung-zum-guten-Leben (27.1.2013)

Neuausrichtung eines Ethikunterrichts > http://www.orf.at/#/stories/2137362/ (30.9.2012)

Skepsis gegenüber verpflichtendem Ethikunterricht http://religion.orf.at/stories/2547445/ (30.9.2012)

Forderung nach kombinierten Ethik- und Religionsunterricht/"Ethik und Religionskunde" http://religion.orf.at/stories/2547596/ (30.9.2012)

Ethikunterricht für alle geplant http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wzbildung/schule-aktuell/482640_Ethikunterricht-fuer-alle-geplant.html (30.9.2012)

ÖVP: Ethik - nur Ersatz für Religionsunterricht http://www.orf.at/#/stories/2143411/ (30.9.2012)

Salzburger Nachrichten, 4.9.2012, 9 "Ethik und Religionskunde" für alle in der Oberstufe    

Gastkommentar: Der Religionspädagoge Anton Bucher hat 1999 den Ethikunterricht evaluiert. In seinem Beitrag fordert er, dass Staat und Religionsgemeinschaften zusammen das neue Fach entwickeln.

Der Evaluationsbericht über den Ethikunterricht - damals Schulversuch - wurde 2001 präsentiert. Empfohlen wurde die Übernahme in das Regelschulwesen als alternatives Pflichtfach und nicht als Ersatzgegenstand. Die Begründung lautete, dass dieser Unterricht nachweislich ethische Einstellungen der Schülerinnen und Schüler wünschenswert verändern könne - etwa in Richtung weniger Fremdenfeindlichkeit und weniger Relativismus.

In den folgenden Jahren geschah wenig. Aber im Mai 2011 fand die Parlamentarische Enquete über Ethikunterricht statt, mit dem einhelligen Konsens: 14 Jahre Schulversuch sind genug.

Unterrichtsministerin Claudia Schmied forderte Ethikunterricht für alle. Nur zu verständlich. Ethik betrifft alle, ethische Maximen müssen verallgemeinbar sein. Und dass mehr Ethik vonnöten ist, merkten auch politische Parteien, die ethische Standards formulierten.

Am konfessionellen Religionsunterricht will die Ministerin nichts ändern. Auch das ist verständlich angesichts der Tradition und Macht der Kirche, die sich dem Ethikunterricht lang widersetzt hat. Wenn Ethikunterricht, dann als zusätzliches Fach. Verständlich, dass Familien- und Schülerverbände Mehrbelastungen befürchten, von den Kosten ganz zu schweigen!

Dem Obmann der Schülerunion, Daniel Perschy, ist recht zu geben: "Der momentane Religionsunterricht ist schon lange kein rein konfessioneller mehr." Auch Kirchenvertreter wie der Salzburger Weihbischof Laun sehen dies so. In der Tat: Unsere Befragungen von Religionslehrer/-innen zeigten, dass diese primär die Mündigkeit ihrer Schüler/-innen anzielen sowie ethische Kompetenz und religionskundliches Wissen. Nur für 29 Prozent steht im Vordergrund, dass die Kinder und Jugendlichen die Glaubenslehre der Katholischen Kirche kennenlernen, unter deren Image viele leiden. Dass sie Andersgläubige tolerieren lernen, unterstützen 91 Prozent stark.

Die naheliegende Konsequenz ist ebenso redlich, kostengünstig und pädagogisch wünschenswert: Zumindest in der Oberstufe ein Fach "Ethik und Religionskunde", verpflichtend für alle, idealiter konzipiert vom Staat in ökumenischer Kooperation mit den Religionsgemeinschaften.

Redlich wäre diese Lösung, weil faktischer Religionsunterricht in der Oberstufe von Ethikunterricht, wie empirisch untersucht, kaum mehr zu unterscheiden ist. Kostengünstiger, weil nur noch eine Lehrkraft zu remunerieren wäre. Wünschenswert, weil in einem gemeinsamen Unterricht über Ethik und Religionen eher gewährleistet ist, dass Schülerinnen und Schüler gemeinsame ethische Maximen erarbeiten können (Stichwort: Weltethos); zugleich könnten sie ihre eigene religiöse Identität in der dialogischen Begegnung mit anderen Traditionen formen (wie dies in Studien zu interreligiösem Unterricht mehrfach nachgewiesen ist).

Ein solches Fach haben - in Kooperation von staatlichen Stellen und Religionsgemeinschaften - die katholischen Kantone der Innerschweiz erarbeitet.

Worum es an staatlichen Schulen letztlich gehen muss: um die ethische Bildung aller Schülerinnen und Schüler - weniger um die Interessen von Religionsgemeinschaften.

Anton Bucher ist Ordinarius für Religionspädagogik an der Universität Salzburg und Fachbereichsleiter Praktische Theologie.

Podiumsdiskussion an der Universität Wien, 25.10.2012    

Anlass der Diskussion ist die gegebenenfalls flächendeckende Einführung eines Ethikunterrichts, als Pflichtfach für jene Schülergruppe, die den Religionsunterricht nicht besucht.

Die Fragestellung der Podiumsdiskussion in der Aula am Campus der Universität Wien war: Sind Ethik und Religion überhaupt gleichwertige Alternativen?

Gleich zu Beginn der Veranstaltung stellte der Wiener Philosoph und Ethikexperte Konrad Paul Liessmann klar, dass fundamentale Unterschiede zwischen Ethik und Religion eine Behandlung beider Begriffe in einem Atemzug verhindern. Dem Vorhaben, einen Ethikunterricht flächendeckend als "Ersatzpflichtgegenstand" zum Religionsunterricht einzuführen, sei daher jegliche fachliche bzw. sachliche Basis entzogen.

Aufsehen erregte Liessmann mit der Bemerkung, dass er im Rahmen des Diskurses eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Zielsetzung und Inhaltsgestaltung des Ethikunterrichts als künftiges Pflichtfach für alle Schüler vermisse. Liessmann zeigte sich auch verwundert, dass im Rahmen des Religionsunterrichts, entgegen der Kernkompetenz der Glaubensvermittlung, vermehrt auf Ethik und andere Religionen eingegangen wird.

Abg. zum Nationalrat und Bildungssprecher der Grünen Harald Walser bezog sich hingegen auf seine Praxis als Schuldirektor und plädierte wiederholt für die Einführung eines für alle Schüler verpflichtenden Ethik- und Religionsunterrichts. Dieser gehöre vom Religionsunterricht entkoppelt, um eine freie und sachliche Auseinandersetzung mit den zentralen Fragen, die die österreichische Gesellschaft beschäftigen, zu ermöglichen.

Dieser Forderung schloss sich auch der Religionspädagoge Anton Bucher an, der sich mit der Evaluierung des Schulversuchs Ethikunterricht intensiv befasst hat. Für Bucher haben Ethik und Religion in einem gemeinsamen Fach zu verschmelzen.

Eytan Reif von der "Initiative Religion ist Privatsache" veranschaulichte die fundamentalen Unterschiede zwischen den beiden Fächern, wie sie auch in der Praxis gelebt werden. Zahlreiche Themen, die im Rahmen des Ethikunterrichts behandelt werden wie Geschlechterverhältnis, Menschenrechte und Religionskritik, können im Rahmen des Religionsunterrichts nicht behandelt werden. Für Reif liefert die homophobe Grundeinstellung der Orthodoxen Kirchen gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen das beste Beispiel für die Absurdität einer Entweder- oder Regelung, wie von der ÖVP und den Religionsgemeinschaften gefordert.

Für Reif sei zudem der gegenständliche politische Diskurs zur Einführung eines Ethikunterrichts als Ersatzpflichtgegenstand "verlogen", da er lediglich die Sekundarstufe II betrifft und daher nicht die Wertevermittlung, die ja bereits in einem früheren Alter zu beginnen hat, sondern die Verhinderung der Abmeldung seitens religionsmündiger Schüler vom Religionsunterricht bezweckt. Dabei bezog sich Reif auch auf die wiederholten Behauptungen Gerda Schaffelhofers als Präsidentin der Katholischen Aktion, wonach Ethik lediglich als Ersatz für Religion, die, gegenüber Ethik, ohnehin "ein Mehr anbietet", zu betrachten ist.

Der Wiener Experte für Islamische Religionspädagogik Ednan Aslan konzentrierte sich ausschließlich auf die IGGiÖ. Für ihn habe der islamische Religionsunterricht um jeden Preis geschützt zu werden, um den dringend notwendigen innergemeinschaftlichen Diskurs zu fördern und Radikalisierungstendenzen entgegen zu steuern.

Für Eytan Reif veranschaulichte der Verlauf der Diskussion, dass bezüglich der Rollen, die Religion und Ethik spielen und des Verhältnisses der beiden zueinander, kein Konsens herrscht bzw. herrschen kann. "Dies entzieht jedoch die Basis für das von der ÖVP und der Kirche favorisierte Ethikunterrichtsmodell, das auf dem jetzigen Schulversuch basiert", so Reif, der den derzeit geltenden Schulversuch als "verfassungswidrig, und das gleich auf mehreren Ebenen", betrachtet.

Digitale Pressemappe: Religion ist Privatsache > http://www.ots.at/pressemappe/13620/aom

SAAT Nr. 11/2013, 2 "Ethik und/oder Religion"    

Pünktlich seit dem Schulbeginn läuft die Diskussion und wirft mehr Fragen als Anworten auf. In einer Gesellschaft mit einer Vielfalt von kulturellen und religiösen Identitäten gibt es Kinder und Heranwachsende mit und ohne Religionsbekenntnis.

Die Bildungspolitik ist gefordert, Bildungsangebote in Sprachen, Naturwissenschaften, Kultur, Religion, Politik, Ethik, Ökonomie, Technik und Kunst anzubieten. Denk- und Handlungsmuster sollen sich entwickeln können. Ein konfessioneller Unterricht stellt die eigene Religion in den Mittelpunkt. Ethik reflektiert Fragen abendländischer Kultur. Wer Bildung im umfassenden Sinne als notwendig erachtet, muss sie auch anbieten und Lehrende ausbilden.

Dazu gehört das Fach Ethik - und selbstverständlich Religion.

Günther Dichatschek, Kitzbühel

3 Bildungsinstitutionen und Interkulturalität    

Ausgehend von der IST-Situation in Österreich mit einer zunehmenden Tendenz zur Zuwanderung aus der EU bedarf es bei einer notwendigen Bildungsreform Überlegungen zum Verhältnis Bildungsinstitutionen und Interkulturalität.

Beklagt wird ein fehlendes bis mangelhaftes Verständnis, das im Zusammenhang mit Zuwanderung, Pluralität und Globalisierung der Gesellschaft Folgerungen notwendig macht.

Schülerinnen und Schüler aus Migrantenfamilien gelten allgemein als Problemschüler. Schulen mit hohem Ausländeranteil sind mit dem Etikett für niedrige Lernstandards und höherem Gewaltpotential behaftet. Schulabschlüsse sind in der Regel niedriger, die Klientel findet sich häufiger in Haupt- und Sonderschulen.

Dass dem nicht so sein muss, weiß man aus Vergleichen in Europa und Nordamerika.

Eine Schule mit Kindern und Jugendlichen von Einwandererfamilien ist für alle Schülerinnen und Schüler gut. Die Gesellschaft kann davon profitieren. Dies zeigt sich in der Effizienz eines Bildungssystems in den weiterführenden Bildungsinstitutionen, wobei der schulischen Vorsozialisation eine wesentliche Bedeutung zukommt.

3.1 Zunehmende Zuwanderung in Österreich    

In keinem EU-Land ist die Zuwanderung so stark durch Migration geprägt wie in Österreich. Mit Stand vom 27. Juni 2012 stellt dies die "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/OECD" in ihrer Ausgabe zum "Internationalen Migrationsausblick" fest. Die Zuwanderung in die OECD-Länder sank zwar das dritte Jahr in Folge 2010, begann aber in den meisten Ländern 2011 wieder zuzunehmen.

Die Personenfreizügigkeit aus der EU - Migration aus der EU - in Österreich hat mehr Bedeutung als in allen anderen EU-Staaten. 2010 machte die Zuwanderung fast 64 Prozent aus. Zum Vergleich: Die Personengruppe, die nicht aus der EU zuwanderte und unter die gesteuerte Arbeitsmigration fällt, lag unter zwei Prozent. Im gleichen Jahr immigrierten laut OECD 98 300 Personen nach Österreich, 66 400 wanderten aus. Hauptherkunftsland war Deutschland (17 800 Deutsche wanderten ein), weitere Herkunftsländer waren Rumänien, Serbien und Ungarn. An fünfter Stelle lag die Türkei.

Die Neumigration spielt laut OECD eine bedeutende Rolle für den Arbeitsmarkt. Die Beschäftigungssituation von Migranten habe sich in Österreich stark verbessert. seit 2008 stieg die Beschäftigungsquote um fast zwei Prozentpunkte auf 67 Prozent, während sie in der OECD krisenbedingt um über drei Prozentpunkte sank.

4,1 Millionen Migranten wanderten dauerhaft in die 23 OECD-Staaten ein, das ist ein Rückgang von 2,5 Prozent gegenüber 2009. Der Rückgang infolge der Wirtschaftskrise machte sich vor allem in den europäischen Ländern bemerkbar. In Irland etwa sank die Zuwanderung um 55 Prozent, nach Griechenland um 31 Prozent, nach Portugal um 17 Prozent. Bisherige Daten für das Jahr 2011 deuten auf eine zunehmende Abwanderung aus diesen Ländern hin.

Der Bericht enthält erstmals auch Zahlen zur dauerhaften Einwanderung in die EU. 2010 wanderten rund 1,2 Millionen Migranten aus Nicht-EU-Ländern in die EU ein, verglichen mit 1 Million in die USA. Arbeitsmigration macht 40 Prozent der Zuwanderung in die EU aus, aber nur 6 Prozent der Zuwanderung in die USA, wo drei Viertel der Zuwanderung über Familienmigration erfolgt.

Laut OECD führten viele Länder restriktivere Migrationspolitiken ein. Besorgniserregend ist die Situation von arbeitslosen jungen Migranten, die zielgerichteter politischer Maßnahmen bedürfen. Nach dem Bericht der OECD ist es nicht klar, wie lange die Zuwanderung hoch qualifizierter Kräfte aus Asien noch zunehmen wird, da die Nachfrage in den expandierenden Volkswirtschaften der Region steige. 2010 war jeder zehnte Migrant chinesischer Staatsbürger.

IT-Hinweis:

http://www.orf.at/stories/2128034/2128028/ (28.6.2012)

3.2 Studie über Integration von Migranten der zweiten Generation/Vorarlberg    

Erste Ergebnisse einer TIES-Studie zur "Integration der zweiten Generation von Zuwanderern/Vorarlberg" wurden am 21. Juni 2012 in Bregenz vorgestellt. TIES steht für "The Intergration of the European Second Generation" und umfasst als internationales Forschungsprojekt die Länder Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich - hier Vorarlberg, Wien und Linz - sowie Spanien, Schweiz und Schweden.

Personen türkischer Herkunft der zweiten Generation in Vorarlberg sind weniger gebildet als Personen aus Exil-Jugoslawien. Fast 80 Prozent der türkischen Eltern haben maximal eine Pflichtschule besucht, jugoslawische Eltern rund 40 Prozent und 20 Prozent der Eltern ohne Migrationshintergrund.

Die beiden letzten Gruppen haben mit einer Form von Berufsausbildung ihr höchstes Schulniveau erreicht, während diese Ausbildungsmöglichkeiten in der Türkei nicht vorhanden waren. Kinder türkischer Eltern in Schweden und Frankreich haben bessere Chancen als in Österreich. In diesen Ländern werden Defizite besser ausgeglichen. Der Bildungserfolg hänge wesentlich vom Engagement der Eltern ab. Die Forderung nach Förderung der Talente sei weniger eine moralische als eine Frage nach Effizienzgründen.

Über das Bildungsniveau der Migranten zweiter Generation berichtet die Studie, dass 13 Prozent der Gruppe ohne Migrationshintergrund höchstens eine Pflichtschulabschluss, Personen ex-jugoslawischer Herkunft 28 Prozent und Personen türkischer Herkunft 47 Prozent erreichen. Über eine berufsbildende Schule bzw. Lehre als höchsten Abschluss verfügen 56 Prozent ohne Migrationshintergrund, 62 Prozent ex-jugoslawischer Herkunft und 44 Prozent türkischer Herkunft.

Der Wirtschaftsstandort Vorarlberg benötigt heute zunehmend qualifizierte Facharbeiter. Niedrige Bildungsabschlüsse bedeuten schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt (und Bildungsmarkt). Davon ist die zweite Generation türkischer Herkunft am stärksten betroffen.

Berufspädagogisch bedeutet dies die Notwendigkeit einer stärkeren Förderung der zweiten Generation von Migranten in ihren Bildungschancen, unabhängig von familiärer Herkunft und bildungsferner Gruppierung.

IT-Hinweis:

http://vorarlberg.orf.at/news/stories/2538135/ (28.6.2012)

3.3 Tagung "Schule mit Migrationshintergrund", Februar 2008, Universität Hamburg - verikom - Heinrich Böll-Stiftung - ZEIT-Stiftung - Vodafone-Stiftung/7 Thesen    

Verlängerung der Grundschulzeit:

Die Aufteilung der Kinder auf die Sekundarstufe I erfolgt zu früh. Für Kinder mit Migrationshintergrund ergibt dies geringere Lernansprüche, ein wenig förderliches Lernklima und geringere Lernvorbilder. Schulen haben sich auf unterschiedliche Lernniveaus einzustellen und individuelle Fördermaßnahmen zu ermöglichen. Auch für lernstarke Schüler ist diese Praxis förderlich.

Stärkung der Durchlässigkeit des Schulsystems und der Umwege in der Sekundarstufe

Das Schulsystem ist vor allem von oben nach unten durchlässig und sollte auch umgekehrt offen sein. Ziel sollte ein Abschluss nach Möglichkeit mit höherer Qualifikation sein. Umwege sollten eine zweite oder dritte Chance für einen höheren Bildungsabschluss ermöglichen, werden heute nicht als Normalfall angesehen und daher kaum begangen.

Ausweitung und Institutionalisierung von niedrigschwelligen nicht-kommerziellen Förderangeboten

Mentoring- und Förderkonzepte in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz zeigen, dass Jugendliche häufig einen individuellen Förderunterricht haben, der schulisch nicht ausreichend berücksichtigt wird (einschließlich sozial-emotionaler Aspekte/Motivation und Lebensperspektiven). Wenn junge Studierende Jugendlichen als Mentoren zur Seite stehen, hat dies für beide Seiten positive Wirkungen. Die Konzepte können mit geringen Mitteln umgesetzt werden.

Diversität an Schulen darf nicht länger als Problem gesehen werden.

Diversität muss als Chance und nicht als Problem gesehen werden. Beispiele von Grundschulen in Bremen und Berlin zeigen dies. Dies gilt übrigens auch für Kinder mit Lern- und Körperbehinderungen. Voraussetzung ist eine Kultur der Wertschätzung von Unterschiedlichkeit, wie etwa der Erstsprachenunterricht in den häufigen Herkunftssprachen. Maßnahmen wie das Gebot der deutschen Sprache auf dem Schulhof sind deshalb nicht hilfreich.

Interkulturelle Bildung und Diversity Management müssen verpflichtender Bestandteil der Lehrerausbildung für alle Schulformen sein

Kulturelle und soziale Diversität ist in der Ausbildung als Normalfall und nicht als "krisenhafte Ausnahme" anzusehen. Lehrerkollegien sollen die Vielfältigkeit der Gesellschaft widerspiegeln. Dies bedeutet auch eine Ausgeglichenheit von Frauen und Männern in allen Schulformen, so auch die Aufwertung der Tätigkeit an Grundschulen.

Enttabuisierung der Begriffe "Diskriminierung" und "Rassismus"

An Schulen gibt es vielfältige Formen von Rassismus und Diskriminierung. Das geht von offener Gewalt und Ausgrenzung von Schülern oder Gruppen anhand bestimmter Merkmale über Mobbing gegenüber Lehrern und Schülern bis hin zu subtilen, häufig nicht beabsichtigten Mechanismen mit diskriminierender Wirkung in der konkreten Interaktion zwischen Beteiligten im Unterricht oder außerhalb. Solche Erfahrungen sind in erschreckender Weise "alltäglich" und können Betroffene traumatisieren. Es muss eine Kultur des Dialogs an den Schulen etabliert werden, zu der sowohl private Initiativen als auch staatliche Programme beitragen können. Dies sollte in der Lehrerinnenbildung berücksichtigt werden. Eine Haltung der klaren Reaktion und Intervention ist wichtig.

Eltern mit geringen Bildungsvoraussetzungen, in schwieriger sozialer Lage oder mit Verständnisproblemen aufgrund geringer Deutschkenntnisse müssen in die Lage versetzt werden, die Schulbildung ihrer Kinder aktiv zu begleiten.

Dazu gehören die aktive Einbeziehung in die Mitsprachegremien der Schule ebenso wie die Vermittlung von Kenntnissen und Wissen über Schul- und Berufswege. Die Gruppe der Eltern mit Migrationshintergrund ist heute vielfältiger denn je: Viele Eltern sind hier geboren, andere erst vor kurzem zugewandert. Unterschiedliche Voraussetzungen, Vorstellungen und Erwartungshaltungen gegenüber der Schulbildung ihrer Kinder sind vorhanden.

Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule muss neu definiert werden. Eine Schule, die einen nicht unerheblichen Teil der Lernarbeit der Kinder auf die Eltern überträgt, ist falsch konzipiert und benachteiligt Kinder von Eltern mit schlechten Bildungsvoraussetzungen.

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Literaturhinweise:

Neumann U.-Schneider J. (2011): Schule mit Migrationshintergrund, Münster-New York-München-Berlin, bes. 15-17

Binder S. (2012): Interkulturelles Mentoring für Schulen, in: Erziehung und Unterricht 3-4/2012, 367-382

3.4 Interkulturalität in Bildungsinstitutionen    

Bildung im Prozess der Interkulturalität bzw. Interkulturelle Kompetenz hat eine zweifache Bedeutung: Einmal geht es um Partizipationschancen in der Gesellschaft, zum anderen ist sie entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Individuums und der Gruppe/Gruppierung.

Personen der Einwanderungsgesellschaft haben zudem gleiche Chancen, die ihnen aus den Menschenrechtskodifikationen zustehen. Aus den internationalen Vergleichssstudien zu den Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern ist die Koppelung zwischen Bildungserfolg, sozialer Schicht und Migration ersichtlich. Schulleistungen weisen auf eine Unterrepräsentanz in mittleren und höheren Schule bzw. eine Überrepräsentanz in Haupt- und Sonderschulen hin (vgl. NEUMANN-KARAKASOGLU 2011, 47).

Sprachliche Bildung gilt in der öffentlichen Debatte als Problembereich, wobei die Maßnahmen sich auf Integrationskurse bei Erwachsenen, vorschulische und schulische Sprachförderung beziehen. Bedacht wird kaum die individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit sowie Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Einstellungen der Klientel für eine Persönlichkeitsbildung (vgl. den Auftrag der Politischen Bildung für die Funktion einer Einwanderungsgesellschaft im interkulturellen Bildungsprozess). Darunter ist konkret die Auseinandersetzung mit sprachlichen, kulturell-religiösen, (vor-) beruflichen, landeskundlichen, ökonomischen, ökologischen und politischen Aspekten zu verstehen.

Diversität wird so zum Normalfall, nicht zur Ausnahme (vgl. HUNFELD 2004). Interkulturalität wird damit Bestandteil einer Allgemeinbildung, womit die Forderung einer Ausrichtung auf die Schule und alle Bildungsbereiche erforderlich wird.

Elementarbildung/Kindergarten    

Eine untergeordnete Rolle spielt (bisher)die Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern unter drei Jahren. Kinder von ausländischen Mitbürgern wären hier im besonderen eine Zielgruppe. Für den Kindergartenbesuch gilt, dass ausländische Eltern ihre Kinder deswegen hinschicken, damit vor Schulbeginn ausreichend Deutsch gelernt werden soll.

Man betrachtet damit die Einrichtung als schulvorbereitend. Einrichtungen der Elementarpädagogik können dies nicht leisten, weil dort die Fachkräfte für "Deutsch als Zweitsprache" nicht ausgebildet sind und der Kindergarten(bisher)sich nicht als erste Stufe des Bildungssystems versteht. Der "Mitnahmeeffekt" des Kindergartenbesuches kommt mitunter nur bedingt zustande, weil nicht alle Kinder entwickelte Deutschkenntnisse besitzen.

Sprachbildung    

Als gesicherte Erkenntnis gilt, dass Kinder durch den simultanen Erwerb mehrerer Sprachen keinesfalls überfordert sind, obwohl ihr Wortschatz in den jeweiligen Sprachen nicht demjenigen der einsprachig aufwachsenden Kinder entspricht (vgl. GOGOLIN-NEUMANN 2009, 53-67, 163-196). Die lebensweltliche Zweisprachigkeit unterstützt den Erwerb einer zweiten Sprache.

Zu beachten ist auch, dass die Herkunftssprache - nicht Dialekte und restringierte Codes - für eine Vielzahl von Erwachsenen eine wichtige Funktion im Alltag und der interkulturellen Kontakte besitzt. Zweisprachigkeit als Nutzen für Bildung, Alltag und Berufsleben bedarf förderlicher Umwelt- und Lernbedingungen. Dazu gehört vor allem ein interkulturell und mehrsprachiges Lehrpersonal, das mit pädagogischen Konzepten der Diversität vertraut ist. Angebote von ergänzendem Unterricht in der Herkunftssprache wie auch sprachliche Vermittlung der Lehr- und Lernangebote im Fachunterricht gehören zu einem zeitgemäßen Angebot von Schulen (vgl. NEUMANN-KARAKASOGLU 2011, 50).

Bildungsbenachteiligungen    

Ursachen für Bildungsbenachteiligungen von ausländischen Kindern sind nicht eindeutig aufzuklären. Benannt werden sozioökonomische und kulturelle Faktoren sowie die vom Elternhaus verwendete Sprache. "Im gehobenen Bildungsmilieu wirkt sich die Tatsache, dass Deutsch nicht die Familiensprache ist, nicht mindernd auf den Schulerfolg der Kinder aus" (NEUMANN-KARAKASOGLU 2011, 52).

Trotz Benachteiligungen von Mädchen mit Migrationshintergrund im Alltag fallen bei Schulleistungsstudien die Ergebnisse zugunsten der Mädchen aus. Qualitative Studien belegen das höhere Bildungsinteresse. Zu bemerken ist die signifikante Erhöhung ausländischer Studentinnen gegenüber ihren Studienkollegen. Neben einem möglichen höheren Einstieg in die Ausbildung gibt es auch ein Streben nach Autonomie gegenüber einem zukünftigen Partner und dem Elternhaus. Mädchen berichten in ihren Schulbiographien von Vorurteilen von Lehrenden (vgl. NEUMANN-KARAKASOGLU 2011, 52; HUMMRICH 2002; WEBER 2003).

Übergang in die Arbeits- und Berufswelt    

Für den Bildungserfolg junger Frauen ist der Übergang von Schule/ Universität in die Arbeits- und Berufswelt mit der Berufswahl problematischer gegenüber ihren männlichen Peers, die zumeist schlechtere Voraussetzungen haben (vgl. die Ausführungen zur Vorberuflichen Bildung in Österreich). Erklärungsversuche gibt es in den Vorbehalten von Arbeitgebern/Personalchefs, dem eingeschränkten Berufswahlspektrum junger Frauen, einer geringeren Mobilität durch höhere Familienbindung sowie mitunter früherer Heirat und Praktiken von Diskriminierungen.

Zu beachten ist auch eine mögliche Steuerung des Geschlechtsverhältnisses durch politische Institutionen (vgl. NEUMANN - KARAKASOGLU 2011, 52-53; DICHATSCHEK 1991, 631-637 und 2008, 445-451; OSTENDORF 2005).

Aus Sicht der Berufspädagogik bietet sich das vorberufliche Lernpaket - im interkulturellen Kontext - in den Schulen an, insbesondere in der Sekundarstufe I/"Berufsorientierung" (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberuflichen Bildung).

Bildungssituation    

Der Stand der Bildungssituation für ausländische Schülerinnen und Schüler ist unterschiedlich.

Zwei Grundprinzipien erscheinen für eine Förderung wesentlich zu sein:

  • das durchgängige Angebot sprachlicher Bildung - Kindergarten, Schule, Elternhaus, außerschulische Bildungs- und Jugendeinrichtungen, Organisationen/Institutionen in den Communities - mit einer qualifizierten Ausbildung der Unterrichtenden/Lehrenden und regionalspezifischen innovativen Schulkonzepten sowie einem Aufbau einer Bildungsinfrastruktur.
  • Vieles spricht auch für eine Beratung/Schulung der Eltern in Fragen der Erziehung und Sprachförderung, damit Kompetenzen und Ressourcen der Familien genutzt und erweitert werden können (vgl. etwa in Großbritannien die "early excellence centers", in den Niederlanden "Pyramide", in Deutschland "Rucksack" und "family literacy").
Zu verweisen ist im außereuropäischen Kontext auf den beispielhaften "Toronto School District Board/Schulbezirk Toronto" mit den pädagogischen Bemühungen für eine Teilhabe und Chancengleichheit von Kindern mit und ohne Zuwanderungshintergrund für ein ganzheitliches Bildungskonzept in einer Einwanderungsgesellschaft in Form einer Zusammenarbeit mit der multikulturellen Elternschaft und Migrantenorganisationen sowie der Gewinnung von Personal mit interkulturellem Hintergrund und der Kooperation mit öffentlichen Stellen (vgl. NEUMANN-KARASKASOGLU 2011, 53; KUGLER 2011, 285-293).

Selektivität des Bildungssystems    

Für einen Abbau der Selektivität des Bildungssystems sprechen die Ergebnisse der Forschungslage, dass die Zuweisung zu den verschiedenen Schulformen pädagogisch höchst umstritten sind und damit die Klientel in ihren Lern- und Entwicklungsmilieus benachteiligt wird.

Die Selektion nach der vierten Schulstufe ist nachgewiesenermaßen umstritten, da eine frühe Festlegung im weiteren Bildungsgang vorhanden ist und negative Erwartungseffekte für Kinder aus Zuwandererfamilien, und nicht nur für diese, sich ergeben. Dies gilt ebenso für die Schulübertritte am Ende der Sekundarstufe I.

Für die Sekundarstufe I mit Hauptschule bzw. (Neuer) Mittelschule und der Unterstufe des Gymnasiums sowie der Sonderstellung der Polytechnischen Schule in der Sekundarstufe II sind Neuorientierungen notwendig geworden (Fächer bzw. Fächerbündel/Stundentafel, Lehrerbildung, Schulform, Bildungsmanagement, Lehrerberufsbild).

Ebenso gilt dies für die Sonderschulen.

Zudem bedarf es in besonderem Maße günstiger Schüler-Lehrer-Relationen und gut ausgebildeter Lehrender, regional auch zusätzlicher Ressourcen wie professioneller Beratung und einer sozialer Betreuungen der Schülerschaft.

In jedem Fall bedarf es in allen Schulformen eines attraktiven Leistungsprofils.

IT-Hinweise:

http://salzburg.orf.at/news/stories/2538878/ (27.6.2012)

http://www.orf.at/#/stories/2128538/ (30.6.2012)

Diversität    

Bei fast allen Maßnahmen schulischer interkulturell-pädagogischer Bemühungen berücksichtigt man je nach Ressourcenlage die Kinder von Zugewanderten, kaum aber die Gruppe der bereits Eingewanderten und die Klientel mit Migrationshintergrund. Diversität mit kultureller Vielfalt und gesellschaftlicher Pluralität wird demnach sehr unterschiedlich gehandhabt (vgl. die Ziele Politischer Bildung und Interkultureller Kompetenz). Demnach sind Schulen notwendig, die nicht-österreichische Staatsbürger, Ausländer oder Zugewanderte nach ihrem Status einteilen, vielmehr alle Unterrichtenden als gleichrangige Mitglieder der Schulgemeinschaft verstehen.

Hinweis: "Österreich und seine Sprachen" http://derstandard.at/1343743852676/Oesterreich-zur-Sprache-bringen > Karte vergrößern (5.8.2012)

"Unabdingbar ist ein multikulturell zusammengesetztes und interkulturell geschultes pädagogisches Personal, das die Arbeit an Haltungen und Einstellungen als permanente Aufgabe betrachtet und nicht als Kompetenz, die in einer punktuellen Fortbildung erlangt bzw. durch einzelne Kollegen als Experten abgebildet werden kann" (NEUMANN-KARAKASOGLU 2011, 55).

Sprache/Mehrsprachigkeit, Pluralität der Kulturen/Religionen und Normen/Werten sind Kennzeichen von gesellschaftlicher Pluralität.

Der Ansatz des Konzepts des "Religionsunterrichts für alle" , als ein Fach bekenntnisorientiert vereint von allen zentralen Religionsgemeinschaften gestaltet, gewinnt in Europa an Bedeutung (vgl. COUNCIL OF EUROPE 2008).

  • Ziele wären religiöse Mündigkeit, Dialogkompetenz und eine integrative Funktion des Religionsunterrichts.
  • Beachtet werden muss die Binnendifferenzierung innerhalb der Religionen und die religiöse Praxis.
Literaturhinweise:

Battke A.-Fitzner Th.-Isak R.-Lochmann U. (Hrsg.) (2002): Schulentwicklung-Religion-Religionsunterricht, Freiburg-Basel-Wien ISBN 3-451-27635-6

Salzbrunn M. (2014): Vielfalt/Diversität, Bielefeld ISBN 978-3-8376-2407-6

Interkulturalität und Hochschule/Universität    

Der Erwerb der Studienberechtigung und Eintritt in die Studienphase ist ein Kennzeichen der Effizienz des Schulsystems.

Zu unterscheiden hat man zwischen Ausländerinnen/Ausländern (EU-Bürgern) und Migrantinnen/Migranten. Vermehrt werden technische, rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge belegt, aus eigener Erfahrung kennt der Autor Studierende in den Bildungswissenschaften.

Lehramtsstudien werden zurückhaltend angenommen, angesichts der Interkulturalisierung wären hier mehr Studierende wünschenswert.

In der laufenden Diskussion um eine Erhöhung der Studienerfolge geht es um bessere Nostrifikationsbedingungen, eine durchgängige Sprachbildung bis in den tertiären Bildungssektor, eine vermehrte akademische Bildungslaufbahnberatung für Migrantinnen und Migranten und breit angelegten Coaching-Angebote (vgl. USA, UK und Canada mit ihren Angeboten).

Für eine Kultur der sozialen und interkulturellen Solidarität an Universitäten und Hochschulen helfen staatliche und private Finanzierungsprogramme, Betreuungs- und Unterstützungsangebote und grundsätzlich eine interkulturelle Kompetenz der Lehrenden.

Erwachsenenbildung bzw. Weiterbildung und Interkulturalität    

Der Begriff "Erwachsenenbildung/EB" wird in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet und nur selten definiert.

Die Organisationsformen von EB sind überaus vielfältig, Allgemeine und Berufliche EB gelten gemeinhin als Unterscheidungsformen (vgl. LENZ 2005).

Rechtliche Grundlagen sind das "Gesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens 1973" mit der Novelle 2000.

Einrichtungen der EB und gesetzliche Grundlagen sind zudem

  • das Bundesinstitut für EB/Strobl,
  • die Abteilungen V/8 und V/10 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur,
  • das Handelskammergesetz 1946/1983/WIFI,
  • das Schulorganisationsgesetz 1962 und Teilrechtsfähigkeit 1997,
  • das Arbeitsmarktgesetz 1994/Umschulungen-berufliche Weiterbildung,
  • das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, das Arbeitsverfassungsgesetz 1974,
  • das Studienberechtigungsgesetz 1985,
  • das Landwirtschaftsgesetz 1992,
  • das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge 1993,
  • das Berufsreifeprüfungsgesetz 1997,
  • das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz 1998/§ 11 (Bildungskarenz-Weiterbildungsgeld),
  • das Universitätsgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung 2004/Donau-Universität Krems.
Es bedarf vereinheitlichter Regelungen, um EB/WB angemessen strukturieren und organisieren zu können (vgl. LENZ 2005, 23-29).

EB/WB ist so effizient, wie ihre Lehrenden fachlich gebildet sind, Strukturen, Methoden und Didaktikformen sowie ihr Bildungsmanagement pädagogisch und organisatorisch greifen (vgl. LENZ 2005, 53-58). Schulische Vorsozialisation ist ein Aspekt, der den biographischen Ansatz in der EB bedeutungsvoll macht.

Eingefordert werden muss in einer zeitgemäßen Bildungsreform eine grundlegende allgemein bildende Basisausbildung und in der Folge eine berufliche Erstausbildung mit einem anschließend zeitgemäßen Angebot einer Weiterbildung mit Qualifizierungsmaßnahmen und beruflicher Verwertung.

Der Begriff "Weiterbildung/WB" wird mitunter als passender angesehen, jedenfalls in der EU durchgängig verwendet. In der Wissenschaft wird unter WB meist funktionales Weiterlernen, unter EB dagegen personenbezogenes Lernen verstanden (vgl. NOLDA 2008, 12).

Für den interkulturellen Ansatz sind vorrangig zwei Aspekte von Bedeutung.

  • In der Allgemeinen EB sind Elemente der Sprachbildung und Politischen Bildung von Interesse. Wenn auch die Klientel der Zuwanderer regional unterschiedlich angesprochen und erfasst wird, ist hier ein Ansatz für lebensbegleitendes Lernen gut zu erkennen.
  • In der Beruflichen EB geht es vorrangig um Zusatzqualifikationen für den Bereich der Arbeits- und Berufswelt. Damit ist auch WB mit beruflicher Verwertung in der Verantwortung.
Einzufordern ist die interkulturelle Kompetenz der Lehrenden - für die Gruppe der Zuwanderer und der österreichischen Staatsbürger. Hier sind entsprechende Aus- und Fortbildungen für alle Lehrenden, Trainer, Berater, Coaches und Bildungsmanager angebracht.

Ebenso einzufordern ist - im Modell der "Weiterbildungsakademie Österreich/wba" und einem Masterlehrgang für EB beispielhaft praktiziert - der generelle Nachweis von Kompetenzen für die EB/WB, ist doch die Buntheit der Akteure in der Erwachsenenpädagogik so vielfältig, dass dringend Kompetenzen/ Qualifikationen nachzuweisen sind.

  • Es fehlt dzt. eine gesetzliche Anerkennung eines entsprechenden Berufsbildes.
  • Unklarheit besteht ebenso über die Zuordnung zu einem Berufsfeld, das Berufsfeld "Pädagogische Berufe" wäre diskussionswürdig.
Der quartäre Bildungsbereich wird dann Anerkennung finden, wenn die Akteure Professionalität - mit Aus-, Fort- und Weiterbildung - nachweisen und praktizieren können (vgl. NOLDA 2008, 114-120).

IT-Hinweis:

http://www.wba.or.at > Absolventen

Literaturhinweis:

Dichatschek G.(2005): Theorie und Praxis evangelischer Erwachsenenbildung, in: AMT und GEMEINDE, Heft 7/8 2005, 126-130

4 Aspekte einer Schulreform in Österreich    

IT-Hinweise:

Schulbildung steht auf dem Prüfstand/Schuljahr 2012-2013 > http://www.orf.at/stories/2138876/2138877/

Gesamtschule - Schulversuch > http://tirol.orf.at/news/stories/2548420/

Mangelware akademischer Nachwuchs > http://www.orf.at/stories/2140323/2140324/

4.1 "Bildungspolitische Aufklärung - Um- und Irrwege der österreichischen Schulreform"    

Eine Vielzahl von Impulsen für eine notwendige Schulreform am Beginn des 21. Jahrhunderts ergeben sich aus dem Sammelband von Bernd HACKL und Hans PECHAR "Bildungspolitische Aufklärung - Um- und Irrwege der österreichischen Schulreform" (2007) ISBN 978-3-7065-4531-0.

Im Folgenden sollen exemplarische Überlegungen, mitunter vom Autor ausführlicher kommentiert, vorgestellt werden. Festzuhalten ist jedenfalls, dass jede Stellungnahme zur Entwicklung und Gestaltung von Schule von fachlichen/pädagogischen, demokratischen und gesamtgesellschaftlichen Aspekten auszugehen hat.

Pragmatismus und Berücksichtigung einer Vielzahl von sachlich fundierten Argumenten gehören unabdingbar zu einer seriösen Reformdiskussion.

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Susanne DERMUTZ weist in ihrer ausführlichen historischen Analyse darauf hin, dass der ihrer Meinung nach wenig erfreuliche Status der österreichischen Schule auf strukturelle Eigenheiten der Bildungspolitik des dem Ende des Zweiten Weltkrieges zurückzuführen ist (S. 9-27). Ein Versagen der Erziehungswissenschaft mit ihrer Verpflichtung zur Kritik und Aufklärung wird genauso aufgezeigt wie die Strukturprobleme der Bildungspolitik in der Zweiten Republik in Form einer Instutionalisierung einer "Bildungspartnerschaft". Das "Schulgesetzwerk 1962", die "Schulversuche zur Schulreform" mit ihrer Implementierung an den Hauptschulen in den 70er und 80er Jahren waren die zwei einzigen (gescheiterten) Initiativen für eine Strukturreform der Sekundarstufe I. In den 90er Jahren beginnt eine Ausrichtung der Schule "am Markt" mit einem Sparpaket, später mit "Autonomie" und dem Auftreten von schulischen und bildungspolitischen Strukturproblemen. Dazu werden drei Thesen vorgestellt (frühzeitige Selektion im Bildungssystem garantiert die Reproduktion traditioneller Hierarchien der Gesellschaft, Verzweigung einer demokratisch ausgerichteten Reform des Bildungssystems, Vortäuschung einer durch Wissenschaft legitimierten Bildungspolitik; S. 10-11). Weitere Kapitel sind die Effektivierung der Selektion, die Interessen der Katholischen Kirche und die Kritik am System der Bildungspolitik. Schwachpunkte des Schulsystems wie etwa die Bereiche eines neuen Fächerkanons/Fächerverbunde, der Polytechnischen Schule (9. Schuljahr), Sonderschule, Vorschulerziehung, Unterrichtsprinzipien und Ausbau einer Schulentwicklung fehlen.

Lorenz LASSNIGG ergänzt die Analyse mit "hard facts" und kritisiert die Verschleppung einer Vereinheitlichung der Sekundarstufe I (S. 28-45). Er führt in die Diskussion die Veränderung der Bildungspfade (S. 30-31), PISA-TIMESS und Co. (S. 34-40) und Reformkomponenten (S. 41) ein. Gerade diese erscheinen neben einem Ausblick (S. 42) besonders interessant zu sein(effizientere Governance-Strukturen, Förderung der Diversität, Rückzug der Regierung, Abschaffung von äußerer Differenzierung bis zur 9. oder 10. Schulstufe, bessere Koordinierung der Bildungspfade mit besserer Berücksichtigung der Bedürfnisse und Orientierung für eine weitere Bildung am Ende der Pflichtschule, bessere Steuerung der Bildungsausgaben und ausreichende Ressourcen, Evaluierung der Qualitätsverbesserung, Selbstevaluierung mit externer Überprüfung, Entwicklung von Standards-Leistungsindikatoren-nationalen Testsystemen, Strukturen von Systemmonitoring, Verbreitung von "best practice" und gezielte Unterstützung von schwachen Schulen, Zugang von benachteiligten Kindern zur vorschulischen Erfahrungen, Aufmerksamkeit für neue Technologien und Fremdsprachen, Standards für die Lehreraus- und Weiterbildung bei Berücksichtigung von praktischen und akademischen Aspekten sowie eine Reform des Notensystems von der Norm-Referenzierung zu einem kriteriumsreferenzierten System.

Georg Hans NEUWEG durchleuchtet die Konzepte der Grundlagen der unterschiedlichen Standardisierungsstrategien und folgert daraus, dass eine Einführung beim gegenwärtigen Wissensstand ein Experiment mit ungewissem Ausgang sei (S. 46-62).

Herbert ALTRICHTER beschäftigt sich folgerichtig mit der bisherigen Aufnahme und Wirkung von Bildungsstandards und konstatiert wenig Akzeptanz, Effekt und flankierende Unterstützung (S. 63-79).

Bernd HACKL kritisiert bei seiner Beschäftigung des schulischen Unterrichts drei typische Ausprägungen einer zeitgeistigen Didaktik, die die schwierige Aufgabe einer Erschließung von Lernendem und Sache aus den Augen verliert (Methodisierung-Naturalisierung-Eliminierung; affirmative Innovationen; S. 80-97).

David PHILLIPS und Takahiro KONDO geben einerseits Einblicke in die englische Schulreform mit der Gefahr einer neoliberalen Idee einer Diversifizierung durch Konkurrenz und andererseits dem Problem der Geschichtsbewältigung (als Aufgabe einer Politischen Bildung)der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges (S. 120-145).

Martin HEINRICH plädiert für eine Kultur der "antagonistischen Kooperation" bei Fragen der Schulreformsteuerung (S. 146-159). Er fordert eine ungleiche Machtverteilung von staatlicher Verwaltung und schulischem Alltag, ohne auf wechselseitige Ansprüche und Kontrollverfahren zu verzichten. Damit ist die Thematik "Schulreform und Governanceperspektive" auf dem Tisch.

Hans PECHAR geht auf den Anspruch von Chancengerechtigkeit ein und interpretiert als doppeltes Anliegen eine Beseitigung von sozialen, ethnischen und Genderbarrieren sowie eine Gewährleistung eines gehaltvollen Bildungsfundamentums. Der Themenbereich einer Inklusion als Chancengerechtigkeit im Pflichtschulbereich wird angesprochen (S. 160-177).

Helmut SEEL setzt sich mit der Geschichte der Lehrerbildung und einer Vereinheitlichung der Ausbildung für die Sekundarstufe I auseinander. Als wichtige Steuergröße für eine Schulreform plädiert er für eine Einführung einer stufenspezifischen Lehrbefähigung/Bachelor-Master(S. 178-193).

In Fortsetzung dazu zeigt Christian HOLZMANN die unzureichende Verknüpfung der theoretischen Lehrerausbildung und den späteren praktischen Anforderungen auf. Dies führt zu einem häufig bloßen Kopieren erlebter, nicht immer guter methodischer Vorbilder(S. 194-203; vgl. HACKLs Beitrag S. 81-85).

Einblick in aktuelle Tendenzen der Hochschulentwicklung und ihre Hintergründe gibt Elsa HACKL, wobei Eigendynamiken der europäischen Bildungsmigration angesprochen werden (S. 204-214). "Wozu ins EU Ausland gehen, wenn die Studien im Europäischen Hochschulraum ohnehin zunehmend harmonisiert werden?" (S. 210). Hat das ERASMUS-Programm seine Exklusivität verloren? Wie gestaltet sich das Mobilitätsmuster internationaler Studierender?

Zuletzt zieht Rupert VIERLINGER in Erinnerung an den Bildungsphilosophen und Schulreformer John Dewey seine Schlüsse aus der Auseinandersetzung um die pädagogische Zukunft mit einem Blick in die Geschichte der Schulreform (S. 215-225). Von Interesse sind die Ausführungen zur Leistungsbeurteilung und sein Plädoyer für die "Direkte Leistungsvorlage/Portfolio-System" (S. 223-225).

In der Publikation fehlen Themenbereiche wie

  • die pädagogische Bedeutung und der daraus zu ziehende Gewinn einer Vorschulerziehung.
  • die pädagogische Bedeutung des Lernpakets "Berufsorientierung/Lebenskunde/Politische Bildung" (dzt. nur in der Polytechnischen Schule). Diese Fächerkombination bietet Lebenshilfe im Rahmen schulischer Bildung.
  • die pädagogische und gesundheitliche Bedeutung von Sport und Bewegung, wobei eine Kombination von Fach und Gesundheitslehre sich anbietet. Initiativen liegen vor und sollten genützt werden.
  • die pädagogische Bedeutung von Politischer Bildung als zentraler Bildungsbereich von Demokratie mit umfangreichen Teilbereichen. Kritik- und Pluralismusfähigkeit gehören zu jener Spannung im Bildungsbereich, die zu Mehrstimmigkeit gehört. Wo diese fehlt, herrscht Eintönigkeit.
  • die pädagogische Bedeutung von Migration und Bildung'. Je gebildeter Eingewanderte sind, desto höher ist die Bereitschaft, sich einzugliedern und die Folgen der Migration positiv zu bewältigen.
  • die pädagogische Bedeutung von Religion und Ethik. Unter dem Druck wesentlicher Veränderungen von Gesellschaft und Umwelt wird nach dem Sinn, Zweck und der Zukunft eines Religions- und Ethikunterrichts gefragt.
  • die Erstellung eines grundlegend neuen Fächerkanons für eine Schule zu Beginn des 21. Jahrhunderts, zu der beispielhaft Politische Bildung (in ihrer Gesamtheit), Vorberufliche Bildung (Bedeutung für die Schul-, Studien- und Berufswahl), Gender/Geschlechtergerechtigkeit?, Ökologie, Ökonomie, Ethik, Medienkunde, Technik/Naturwissenschaften, Interkulturalität, Sprachen/Literatur und Kreativität gehören. Folgerichtig haben sich neue/andere Lehramtsstudien zu etablieren.
  • die Bedeutung von Schulentwicklung i.e. und w.S. mit einer Erhöhung der Unterrichtsqualität, einem Abbau der Zensurenmentalität und damit neuer Leistungsbeurteilungsmodelle, der Mitbestimmung und Mitverantwortung der Klassen- und Schulgemeinschaft (Schulleitung-Lehrerkollegium-Eltern-externe Experten-ggf. Schülerschaft) sowie Aspekten der regionalen, nationalen und internationalen Entwicklung (etwa Mobilitätsmaßnahmen von EU-Bildungsprogrammen für Lernende und Unterrichtende/EU-Lehrer-Betriebspraktika).
  • die Bedeutung von Bildungsmanagement, personenbezogen als Bildung des Subjekts und systembezogen als Management von Lernprozessen. Es geht parallel dazu um eine Professionalisierung von Bildungsträgern und -anbietern.
  • Interkulturalität (Interkulturelle Kompetenz) in ihrer Vielfalt und Bedeutung in einer Gesellschaft, die politisch, wirtschaftlich, sprachlich/ethnisch und kulturell/religiös durch Diversität gekennzeichnet ist.
  • die kontinuierliche Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung. "Lebensbegleitendes Lernen" ist in pädagogischen Berufen bei vorhandener geringer Halbwertzeit im Zeichen von Tendenzen einer zunehmenden Interkulturalität und Globalisierung eine unabdingbare Notwendigkeit und erhöht die notwendige Professionalität im Lehrberuf.
  • die Ressource "Unterrichtender/Lehrender" mit ihrer Persönlichkeit und Fachlichkeit, die in der Bedeutung und den Möglichkeiten zu geringe Beachtung findet. Ebenso findet eine zu geringe Beachtung die Ressource "Schulleitung", "Schulaufsicht", "Schulärztlicher Dienst", "Schulpsychologischer Dienst" und '''"Schulsozialarbeiter/innen".
  • die gesellschaftliche Stellung von Schule als Träger von Bildung und Kultur.
  • eine Fort- und Weiterbildung in ihrer Bedeutung als Fortsetzung schulischer und beruflicher Erstausbildung, als Aufgabe allgemein bildendender und berufsbildender Schulen und damit als Brückenschlag zur Erwachsenen- bzw. Weiterbildung.
  • die räumliche Struktur und Bauweise von zeitgemäßen Schulen mit Kulturräumen, Rückzugsräumen, sozialen Einrichtungen, Erholungsräumen und Lärmschutzmaßnahmen.
  • die Einbindung von außerschulischen Experten bei schulpädagogischen und organisatorischen Maßnahmen sowie in der Öffentlichkeitsarbeit.
4.2 "Ein 'Schulbuch' mit 180-Grad-Wendung"-Salzburger Nachrichten/3. 9.2012, 2    

Helmut Schliesselberger

"Nie mehr Schule" von Andreas Salcher bringt nicht nur provokante Kritik, sondern auch konstruktive Vorschläge.

Schüler A ist außergewöhnlich begabt, seine Eltern sind Arbeiter und er wohnt in einem abgelegenen Dorf. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass er in Österreich die Matura machen wird, liegt bei zehn Prozent. Schüler B ist das Kind von Akademikern und lebt in einem bürgerlichen Bezirk in Wien. Sein Talent ist überschaubar. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass er in Österreich die Matura machen wird, liegt bei 80 Prozent. - Einer von vielen Fehlern im (Schul-)System, die Andreas Salchers neues Buch über das heimische Schulwesen, das "ständig teurer - und schlechter" wird, aufzeigt.

Autor A (Salcher) ist außergewöhnlich begabt, heikle Themen in Buchform aufzubereiten. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass es auch sein punktgenau zum Schulstart erscheinendes "Schulbuch" in die Bestsellerlisten schafft, dürfte näher bei 80 als bei zehn Prozent liegen. Das Buch "Nie mehr Schule - Immer mehr Freude" bringt aufrüttelnde Fakten und provokante Thesen, auch wenn nicht alles neu ist.

Die meisten Schulen sind laut Salcher "Fernlerninstitute mit Anwesenheitspflicht für die Schüler am Vormittag und Nachlernpflicht für ihre Eltern am Nachmittag". Dies, obwohl unser Schulsystem das vierteuerste der Welt ist und laut Salcher auf dem besten Weg ist, das teuerste zu werden. Ein Schulsystem, in dem zu viele 15-jährige nicht lesen können.

Ein Schulsystem, in dem mangels geeigneter Auswahlverfahren zu oft die falschen Leute in den Lehrerjob "flüchten" und in dem es ein Grundbedürfnis von Schülern und Lehrern gibt: Möglichst wenig Zeit in der Schule absitzen zu müssen. Ein Schulsystem, in dem 3,7 Millionen Überstunden verbraucht werden, obwohl über das Jahr gerechnet nur an jedem zweiten Tag Unterricht stattfindet und in dem es "gesetzlich voll gedeckt" ist, dass sich ein AHS-Lehrer in 35 Berufsjahren keine einzige Stunde fortbildet. Ein Schulsystem, in dem so gut wie jeder Reformansatz seit Jahrzehnten abgewürgt wird. All das sind Versatzstücke der "tödlichen Schule", die nur Angst und Langeweile fördert. Salcher spricht vom "Virus, der die natürliche Neugierde bei Kindern im Keim erstickt, genauso wie er die Freude von Lehrern an ihrem Beruf schleichend absterben lässt. Seit Generationen hat dieser Virus viele Schüler, Lehrer und Eltern infiziert, dass sie sich eine andere, bessere, lebendige Schule nicht einmal vorstellen können."

Salcher kann - und stellt sich und dem Leser in einem "Buch im Buch" Beispiele "lebendiger Schulen" vor. Dreht man "Nie mehr Schule" nämlich um 180 Grad um den Rücken, hält man "Immer mehr Freude", ein weiteres Büchlein in der Hand. In diesem zeigt Salcher, wie lebendige Schule funktioniert. Anhand von mutigen Best-Practice-Modellen, bei denen die alte Schule der Einzelkämpfer aufgegeben wurde. Vom "Cooperativen Offenen Lernen", wie es an einer Handelsschule in Steyr entwickelt wurde, bis zur Helene-Lange-Schule, an der die Schüler fünf Wochen lang nur Theater spielen und dadurch sogar in Mathematik besser werden.

Salchers provokante Thesen und schmissig komprimierte Vorwürfe an das alte, "tödliche" Schulsystem werden zum x-ten Mal für heftige, symptomatische Reaktionen und Systemverteidigungsdiskussionen sorgen. Viel wichtiger wäre es, über die mutigen pädagogischen Therapieansätze zu diskutieren. Über Schulen, in denen Kinder berührt und nicht perfektioniert werden, in denen Lehrer in Teams arbeiten, in denen Pausenglocken und starre Fächertrennungen abgeschafft wurden.

Hinweis

Andreas Salcher(2012): Nie mehr Schule, Salzburg ISBN 3-7110-0032-0

4.3 Leitartikel/Tiroler Tageszeitung v. 18.11.2012, 5 "Moderne Schulen braucht das Land"    

Liane Pircher

"Wenn das Ganztagesmodell wirklich Schule machen soll, muss es umgebaut werden. Räumlich. Inhaltlich. Wer zahlt, ist strittig."

Rein rhetorisch gesehen sind wir in Österreich einer Ganztagesschule politisch näher denn je. Bundeskanzler Faymann hätte einen Beschluss in diese Richtung lieber gestern als heute. Auch die ÖVP ist mittlerweile dafür, mehr Plätze als geplant zu schaffen. So weit, so gut.

Natürlich braucht es mehr Ganztagesschulen. Und natürlich müssen diese eine Verschränkung von Unterricht und Freizeit bieten. Allerdings muss das Vorhaben kindgerecht umgesetzt werden. In einer zeitgemäßen Ganztagesschule sitzen Schüler nicht den ganzen Tag eingepfercht im Klassenzimmer. Nein, in einer solchen können sich Kinder zwischen Ess- und Freizeiträumen bewegen. Und zwar so, wie es ihrer Entwicklung entspricht: drinnen und draußen. Spielend. Laufend. Entspannend (chillend, um es in der Sprache der Jungen zu sagen). Wenn es in jeder Stadt Spielwiesen für Hunde gibt, muss es in und rund um Schulen genug Raum für Kinder geben. Es braucht Platz für Bewegung, Musik, gesundes Essen, Freizeit(Kreatives etc.) und genug Arbeitsplätze für Lehrer und/oder Freizeitpädagogen. Nur so macht eine moderne Ganztagesschule wirklich Sinn. Nur so haben Eltern und Kinder ein gutes Gefühl. Nur so sind mehr Familien nicht der Meinung, dass Kinder besser aufgehoben sind, wenn sie nachmittags daheim betreut und von Mama als Chauffeur von einem Kurs zum nächsten kutschiert werden. All das würde aber einen gewaltigen Schulneu- und umbau bedeuten. Wer dies finanziert, ist strittig, zudem eine Bau-Offensive bei Pflichtschulen Landessache ist. In einer "echten und durchdachten" Ganztagesschule sollen Kinder aller sozialen Schichten gefördert werden, intellektuell wie körperlich, zu Hause soll nichts mehr für die Schule erledigt werden müssen - damit das Realität wird, muss viel Geld in die Hand genommen werden. Wer aber zahlt's wirklich?

4.4 DER STANDARD, 28.2.2013, 32 "Nebenregierung macht's vor"    

Lisa Nimmervoll

Sie werden ja manchmal etwas despektierlich als "Nebenregierung" tituliert: die Sozialpartner. Aber mit ihrem neuen Bildungsprogramm haben Arbeiter-, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer sowie Gewerkschaftsbund ein elaboriertes bildungspolitisches Konzept auf der Höhe der Zeit und in die Zukunft weisend vorgelegt, zu dem man nur sagen kann: schade, dass es "nur" die Nebenregierung ist, die so etwas hinkriegt, die solche Sprünge über ideologische Hürden und parteipolitische Gräben schafft - und nicht die "richtige" Regierung.

Die bräuchte jetzt nur zugreifen, wenn sie sich denn trauen würde. Denn die Sozialpartner zielen auf lang schwelende Probleme im Bildungssystem. Die Neudefinition der Schulpflicht etwa lässt sich unter das Motto "Abschließen statt absitzen" subsumieren. Es soll nicht mehr wie bisher reichen, neun Schuljahre abzusitzen - egal, was mit den gescheiterten Schulexistenzen passiert. Hurra, die Schule ist sie los! Die Gesellschaft aber nicht. Also soll jeder - jeder! - Jugendliche mit 15 gleiche Mindeststandards erfolgreich und verlässlich vermittelt bekommen haben.

Das ist eine radikale Neuorientierung. Da ist es gar nicht nötig, das Wort Gesamtschule auszusprechen, auch wenn genau das gemeint ist. Vielleicht ist das ja die ironische Reverenz der Nebenregierung an die Regierung: Sie wissen, wie die anderen ticken. Aber sie wissen auch: Wenn Sozialpartner lernfähig sind, sind es Parteien vielleicht auch.

Schulreformvorschläge der Sozialpartner

  • zwei verpflichtende kostenfreie Kindergartenjahre
  • Neudefinition der Schulpflicht: Erreichung von Mindeststandards in Deutsch, Mathematik und Englisch für alle Schüler, egal in welcher Schulform
  • Aus für die Polytechnische Schule: die Neue Mittelschule soll ein Jahr länger dauern bzw. die anderen Schulformen auf der neunten Stufe aufsetzen
Quelle

DER STANDARD, 28.2.2013, 32

4.5 Zum Stand einer Schulreform/November 2013    

Dem Beobachter fällt aktuell auf, dass neue Ausdrücke eher die Bildungsszene verunsichern als klären. Studiengebühren heißen nun Studienbeiträge, die Hauptschule wird - etwas verändert - Neue Mittelschule benannt, ein Aufnahmeverfahren wird zu einer Potenzialanalyse stilisiert.

Statt einer Aufnahmeprüfung, die 1971 abgeschafft wurde, will man die Qualität der AHS erhalten und die Potenziale der Schülerinnen und Schüler überprüfen. Dass Zehnjährige sich entwickeln, also verändern, scheint als entwicklungspsychologisches Phänomen kaum bekannt zu sein. Man will also nicht nur selektieren, vielmehr auch die AHS-Schülerzahlen reduzieren. Das schafft mehr (Neue) Mittelschulen und soll die Exklusivität der AHS stärken.

Will man die Zwei Klassen-Schulpädagogik mit dem Schulgesetzwerk 1962 überwinden, kann eine gemeinsame Sekundarstufe I nur eine gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen sein, wobei es der österreichische Bildungsgeschichte gut täte, diese zu beachten und zu berücksichtigen.

Das hieße in der Realität,

  • dass man zunächst einen Bildungskanon für das 21. Jahrhundert definiert.
  • Dieser Bildungskanon ist in einen Fächerkanon bzw. Fachverbünde mit fachspezifischen Didaktiken zu transformieren.
  • In der Folge ist eine dem nationalen und internationalen Stand entsprechende Lehrerbildung als Aus-, Fort- und Weiterbildung zu installieren. Lehrende sind die Trägerinnen und Träger von Bildung, von der Elementar- bis zur quartären Bildung.
So manches Problemfeld würde sich konsequenterweise erübrigen, denn die Erfordernisse für die Bildungssysteme (auch für die Schule) ergeben sich von selbst.

Jedenfalls hat Bildung in einer Demokratie gesellschaftliche Ungleichheiten zu überwinden bzw. zu verhindern.

Schulische Potenziale im Kontext mit Schulpädagogik und Fachdidaktiken sind vorhanden. Sie zu nützen, ist Aufgabe einer zeitgemäßen Bildungspolitik.

IT-Pressehinweis

http://orf.at/stories/2207170/2207171/ (20.11.2013)

5 Studie "Visible Learning"/John Hattie    

Ab Mai 2013 gibt es in deutscher Sprache - "Lernen sichtbar machen" - die Studie "Visible Learning" des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie. Seine zentrale Erkenntnis: Es kommt vor allem auf die Unterrichtenden und Lernenden an, weniger die Strukturen.

15 Jahre hat John Hattie 700 englischsprachige Metaanalysen von rund 50 000 Bildungsstudien mit etwa 250 Millionen Lernenden analysiert. 2009 erstmals veröffentlicht, zeigt es sich, dass es weniger auf die Strukturen als vor allem auf die Unterrichtenden und Lernenden ankommt.

Hattie schränkt allerdings ein: Seine Megastudie beschränkt sich auf englischsprachige und hoch entwickelte Länder. Entsprechend lassen die Ergebnisse Indizien ableiten, die Resultate dürfen aber nicht überbewertet werden.

Unterrichtende und Lernende sind die wichtigste Faktoren, wenn auch nicht die einzigen im komplexen Bildungsgeschehen, wie die Übersetzer Wolfgang Beywl und Klaus Zierer betonen. Hattie hat 138 Faktoren in seiner Studie ausgemacht, die das Lernen fördern bzw. behindern können und sie nach ihrer Effektstärke gereiht.

Wenngleich viele Metastudien aus Neuseeland und Australien verwendet wurden - nur ein Drittel erschien nach 2000 - und die statistische Qualität und das weitgehende Aussparen qualitativer Forschung Kritik erzeugt, konnte ein Großteil der Bildungsakteure davon überzeugt werden, dass zumindest Anhaltspunkte in der Megastudie für das richtige Lehren und Lernen geliefert wird.

Zentraler Aspekt der Studie ist die Art, wie Lehrende unterrichten und das Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler steuern.

  • Sie sollen keine Zeit mit Unwichtigem vergeuden, immer von individuellen Lernstand ihrer Klientel ausgehen, Ziele klar vorgeben und ihnen zeigen, wie man sie erreichen kann.
  • Permanente Rückmeldungen über die Wirkung des Unterrichts ermöglichen den Fortschritt im Unterricht ("Unterricht mit Feedback").
Die stärksten Effekte bringen die Schülerinnen und Schüler mit. Das Vertrauen in die eigene Leistung und der Unterricht ihrem Entwicklungstand entsprechend sind wesentliche Faktoren. Neben dem Feedback sind weitere starke Faktoren der Besuch von Kindergarten und Vorschule, der Unterricht von Hochbegabten, klare Lernziele und Strategien, um diese zu erreichen. Eine gute Beziehung zu den Unterrichtenden gehört ebenso dazu.

Kaum Auswirkungen auf die Leistung haben laut Hattie die mitunter heiß diskutierten Fragen der Struktur wie Leistungsdifferenzierung, kleinere Klassen, Lehrerausbildung und Lehrpläne.

Seine Botschaft: Will die Bildungspolitik die Ergebnisse des Unterrichts verändern, dürfen sich ihre Eingriffe nicht auf Strukturfragen beschränken. Es werde sich nichts ändern, wenn weiterhin die wichtigste Form der Klassenzimmer-Aktivität im Fragen, Abrufen und Erwerben großer Mengen an Oberflächenwissen besteht, und solange bloß Beschäftigung und Geschäftigkeit angestrebt werden. Nach Hattie haben neue pädagogische Konzepte wie in Österreich etwa die Neue Mittelschule mit innerer Differenzierung, Individualisierung oder Team-Teaching geringe Effekte. Keine dieser Maßnahmen bringe etwas, wenn die Unterrichtenden weiter unterrichten wie bisher.

Hattie warnt: Korrelation ist nicht mit Ursache zu verwechseln. Faktoren mit nur geringer positiver Wirkung sind nicht von vornherein keine Investition wert. Das Geflecht von Wechselwirkungen rund um einzelne Faktoren muss mitberücksichtigt werden. Bildung erschöpft sich nicht in messbarem Nutzen. Kinder benötigen Zeit für Familie, Freunde und (sogar) Langeweile.

Pressehinweise

Salzburger Nachrichten, 20.4. 2013, 48

DER STANDARD, 27.4.2013, 6 "Gute Schule ist guter Unterricht" > http://derstandard.at/1363709349858/Gute-Schule-ist-guter-Unterricht

Literaturhinweis

John Hattie(2013): Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von "Visible Learning" besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer, Baltmannsweiler, ISBN 978-3-8340-1190-9

6 Universität und Lehrerbildung    

Überlegungen im Rahmen einer Bildungsreform zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie pädagogischen Führungskräften sind an drei Begriffspaaren festzuhalten. Es geht um

  • Strukturen und Inhalte,
  • Erstausbildung und Weiterbildung sowie
  • wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung und Praxisorientierung.
Die Partnerschaft "Universität-Lehrerbildung" ist weithin EU-konform und bedarf in einer Bildungsreform einer Neugestaltung. In Österreich ist sie durch die Verschiedenheit der Lehrerbildung in der APS und BPS sowie in der AHS/BMS-BHS nicht nur inhaltlich, auch ideologisch belastet.

Reformen in einer "School of education" sind vorhanden, zu beachten sind jedenfalls auch universitäre Standards der Lehrenden mit den Elementen Wissen-Struktur-Fachdidaktik-Praxisorientierung-Umsetzung (vgl. Gemeinsames Lehramtsstudium an Hochschulen - beispielhaft > http://tirol.orf.at/news/stories/2700576/ [19.3.201]).

Die Lehrerbildung ist kein Beiwerk einer Universität, vielmehr ein hochschuldidaktischer Auftrag mit großer Ressourcenwirksamkeit, dem große gesellschafts- und bildungspolitische Wirksamkeit zukommt.

IT-Autorenhinweis

Netzwerk gegen Gewalt > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Lehre an der Hochschule

7 Unbildung zwischen Pisa und Bologna/Liessmann    

Der Philosoph Konrad P. Liessmann lässt in einer pointierten Geisterstunde kein gutes Haar an den Reformen im Bildungsbereich.

Bereits 2006 hatte Konrad LIESSMANN in seiner "Theorie der Unbildung" mit der derzeitigen Bildungspolitik abgerechnet. 2014 ist nun die Streitschrift "Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Eine Streitschrift" herausgekommen. Auf sie soll im Folgenden eingegangen werden.

Schon im Vorwort wird massive Kritik angeführt. Verachtet werden die toten Sprachen, der Kanon der klassischen Literatur, profunde historische Kenntnisse, ein eurozentrisches Weltbild mit den Idealen der Aufklärung, ästhetische Sensibilität mit elaborierter Sprache. Reduziert werde der Bildungsbegriff auf aktuell notwendige Kulturtechniken und eine anspruchsvollere berufliche Ausbildung. Es stellt sich demnach die Frage, wie jemand glücklich sein solle, der ständig seine Fertigkeiten ("skills") schulen und Kompetenzen erwerben soll, um im Wettbewerb bestehen zu können und Bildungsbelast abwerfen soll, um für das Neue gerüstet zu sein. Nur ökonomische Rentabilität und Fremdbestimmung wird erfahren. Der Mensch erhält den Eindruck, "[...] dass im Gegensatz zur herrschenden Bildungsideologie die großen und einträglichen Karrieren in der Wirtschaft und im Sport, in den Medien und im Show-Business ganz ohne Bildung möglich sind, und er wird sich betrogen fühlen. Glück sieht anders aus" (S. 9). Das Eingeständnis des sokratischen Nichtwissens für eine Verunsicherung als Gegensatz der vermeintlichen Hochbegabten und selbsternannten und selbstgewissen neuen Eliten wird verlangt. Es müsse die Freiheit und Lust des Denkens, die Freiheit und Lust am Erkennen, die Freiheit und Lust am verstehen und die Lust am Schönen geben - ohne Verwertungs- und Praxiszwang. Dem stehe schon bei Studierenden die Notwendigkeit des Sammelns der richtigen "credit points" und die Hetze zum ersten Praktikum entgegen. Es gehe beim Thema Bildung nur mehr um "Abrichtung, Anpassung und Zufriedenheit durch Konsum" (S. 10), eigentlich um eine "einzige riesige Sprechblase, ein Gespenst, das nicht um Mitternacht, sondern zur besten Unterrichtszeit sein Unwesen treibt: Geisterstunde!" (S.10). Damit ist der Titel der Schrift erklärt. Man weiß nun, warum jedes der elf Kapitel mit dem Aufschrei "Es ist gespenstisch" eingeleitet wird.

Der PISA-Test gibt trotz Schwächen in der Konstruktion, Durchführung und Auswertung nach wie vor den Takt in der Bildungsdiskussion an. Ziel aller Bildungsreformen sei ein neuer Analphabetismus, der Kindern konsequent jede Chance beraubt, Neugierde auf Wissen zu entwickeln.

Aufgezeigt wird, wie die Universitäten unter der "Bologna-Ideologie" leiden, die davon ausgeht, dass Studien als Berufsausbildung zu konzipieren seien, bei denen es nicht um Wissenschaft und Forschung, vielmehr um Kompetenzen und Fertigkeit gehe (S. 12-16; vgl. LENZEN 2014).

Auch in der Schule habe die Kompetenzorientierung dazu geführt, dass in der (angeblichen) "Wissensgesellschaft" der Erwerb von Wissen - also Neugierde, Freude, Auseinandersetzung mit den Inhalten wie Kreativität, Erkunden und Experimentieren, reflexives Verhalten - vernachlässigt wird. In diesem Zusammenhang holt LIESSMANN bei der Kritik der Schulen weit aus (S. 118-130). Festgestellt wird, dass keine Institution (mit Ausnahme vielleicht der Katholischen Kirche) sich so allen Veränderungen verweigert. Lärm, Disziplinlosigkeit, die große Zahl weiblicher Lehrkräfte, nachlässig gekleidete Lehrer, Sitzkreise und Whiteboards werden negativ beschrieben (S. 119). Negativ kommt ein Schulmanagement davon. Die Schulleitung als Top-Management mit exzellent ausgebildeten Lehrkräften in Hightech-Klassenzimmern mit kleinen Gruppen von hochmotivierten, neugierigen und kreativen Lernenden aus verschiedensten Ländern, fächerübergreifend ganztägig unterrichtet bzw. betreut, bei Wahrung aller Chancen und hoher sozialer Verantwortung verhindert ein Bild auf die Realität (S. 120). Wilhelm von Humboldt wird zitiert mit den drei Stadien des Unterrichts in Form von Elementarunterricht, Schulunterricht und Universitätsunterricht (Grundschule, "mittlere Schule", "Hohe Schule"). Nicht immer müssen diese Einrichtungen in einer strengen Abfolge zueinander stehen. Welche Kulturtechniken, welches Wissen und welche Organisation benötigt man? In diesem Zusammenhang wird kritisch die "Vererbbarkeit von Bildung" hinterfragt. Wenn Herkunft statt Begabung mehr gilt, warum soll dann diese Haltung in einer Gesamtschule sich ändern? Es geht um eine andere Erklärungsmöglichkeit, etwa um die Konzeption von Schule in Form von Unterrichtsqualität (Didaktik, kreativen Umgang mit Sprache, kinderfreundliche Methodik, verbindliche Kenntnisse) und forschendes Lernen, um Schulmilieu und Kommunikationsstil bzw. Beziehungskultur (S. 124, 125-126/"Hattie-Studie").

Nicht gut kommt die Lehrerbildung weg, "Bologna" lässt grüßen. Etwas undifferenziert werden die "schools of education" gesehen, geht es doch hier um eine Kooperation von Pädagogischen Hochschulen und Universitäten (S. 125).

Den Stellenwert von Bildung richtig einzuschätzen bedarf es der Unterscheidung zur Ausbildung (S. 129). Liessmann lässt hier die schulorganisatorische Aufteilung in allgemein bildende und berufsbildende Schulen in ihrem Bildungsauftrag offen.

In einem ganzen Kapitel wird auf Bildungsexperten und deren (Selbst-)Inszinierungen eingegangen und auf die "Knotenpunkte" der aktuellen Unterrichtspraxis ("Unbildung") hingewiesen (S. 30-44).

Kritisiert werden die Thesen, wonach es nichts Schlimmeres als Frontalunterricht und nichts Besseren als Projektarbeit, Teamteaching, verbale Beurteilung und Auflösung traditioneller Fächer und Disziplinen zugunsten von Fächerbündelungen gebe (S. 61-77).

Von Interesse ist die Kritik an der Flut an akademischen Abschlüssen und ihrer Entwertung. Im Kontext dazu steht die Jagd nach zusätzlichen Qualifikationen (S. 18). Im Zuge der "Bologna-Reform" kommt es durch die Nobilitierung bestimmter berufsorientierter Ausbildungsgänge zu akademischen Abschlusszertifikaten. Anzusprechen ist die flächendeckende "De-Qualifizierung" der Studien im Zuge der Bologna-Reform mit einer Verschulung und Ent-Wissenschaftlichung der Bachelor-Studiengänge, damit einer Entakademisierung der Universitäten und Hochschulen (vgl. S. 20-21; SCHULTZ-HURRELMANN 2013, 217) (vgl. in der Liessmann-Schrift das Fehlen der Nennung der einzigen Weiterbildungsuniversität in Österreich, der universitären und außer-universitären Universitäts- bzw. Hochschullehrgänge und der Einforderung universitärer Standards in diesem Bereich der tertiären Bildung).

Literaturhinweise

Tanjev Schultz-Klaus Hurrelmann (Hrsg.) (2013): Die Akademikergesellschaft. Müssen in Zukunft alle studieren?, Weinheim-Basel ISBN 978-3-7799-2753-2

Konrad Paul Liessmann (2014): Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Eine Streitschrift, Wien ISBN 978-3-552-05700-5

Dieter Lenzen (2014): Bildung statt Bologna!, Berlin ISBN 978-3-8437-0870-8

IT-Hinweis

Wissenschafterin kritisiert "PISA-Wahn" > http://salzburg.orf.at/news/stories/2701041/ (22.3.2015)

8 Wie Schüler Schule erleben    

Außergewöhnlich an dem Band von Fritz BOHNSACK (2012) "Wie Schüler die Schule erleben" ist das Heranziehen der Empirie für eine Untersuchung eines Bildes der Schulsituation der nächsten Generation. Interessant ist der Gesamteindruck von Schule - natürlich unter Benutzung von quantitativen, qualitativen und ethnographischen Arbeiten. Neben jüngsten werden auch ältere Untersuchungen vergleichend einbezogen (S. 11).

Eingefordert wird pädagogische Relevanz (S. 187). Zudem ist der Autor gegenüber modischen Strömungen unbestechlich (S.9). Ausgehend von der Reformpädagogik kommen Daten zu Fragen wie "Wohlbefinden", "Passungsverhältnisse", "Leistungsschwäche" und "Versager" vor. Der Autor mahnt die Akzeptanz der Schwäche an (S. 10).

Interpretationen aus dem Bereich der Bildungsforschung erfolgen in einer Auseinandersetzung mit der Reformpädagogik.

Zentral ist die Frage des Erlebens von Schule und von Anerkennung aus der Schülerperspektive behandelt. Beeindruckend sind die Vergleiche mit Befunden aus den siebziger Jahren, die heute vielfach vergessen sind. Jedenfalls sind sie lehrreich, wenn es um eine Rückbesinnung auf pädagogische Gedankenfiguren geht - auch dann, wenn sozialwissenschaftliche Theorien als Professionstheorien in die Lehramtsausbildung einfließen.

Literaturhinweis

Fritz Bohnsack (2012): Wie Schüler die Schule erleben. Zur Bedeutung der Anerkennung, der Bestätigung und der Akzeptanz von Schwäche, Opladen-Berlin-Toronto ISBN 978-3-8474-0049-3

9 Studie der Wirtschaft - Mängel in der Unterrichtsverwaltung/2015    

Das "Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft"/ ibw nennt in der Kurzexpertise "Schulgovernance - Eckpunkte für einen Paradigmenwechsel (2015)" die Schulverwaltung "suboptimal". Kennzeichen seinen vielfältige Akteure, eine zersplitterte Kompetenzverteilung mit administrativen Mehrgleisigkeiten und ein Auseinanderfallen von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung.

Der Autor Kurt Schmid kritisiert die starke Verpolitisierung der operativen und administrativen Ebenen. Schwachstellen des Schulsystems seien auch die Detaildichte der gesetzlichen Vorgaben.

Verbesserungsvorschläge sind etwa

  • eine Verstärkung der Schulautonomie, insbesondere in Personalangelegenheiten und der Mittelverwendung in den Schulen,
  • bundeseinheitliche Rahmenlehrpläne und externe Überprüfung der Bildungsstandards mit klar definierten Mindestlevels,
  • schulinterne und schulexterne Evaluierungsmodi und
  • ein Wegfall der Schulbürokratie auf Landesebene, damit eine schlankeren Verwaltungsstruktur.
Aus der Sicht des Autors ergeben sich Vorteile.

  • Mehrfachkompetenzen und Parallelstrukturen des aktuellen Systems würden beseitigt.
  • Ein offener Lehrerarbeitsmarkt würde entstehen.
  • Die Qualitätskontrolle könnte zwischen inhaltlicher und administrativer Dimension getrennt werden.
Ziel ist ein Schulsystem, das sich weniger mit sich selbst und mehr mit den Lernenden beschäftigt.

Literaturhinweis

ibw - Kurt Schmid: "Schulgovernance - Eckpunkte für einen Paradigmenwechsel (2015)", Wien, 2015, ISBN 978-3-902742-99-5

10 Evaluierungsbericht zur Neuen Mittelschule/2015    

Der Beitrag der Neuen Mittelschule zur Förderung von Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit ist nach den bisher vorliegenden Daten eher gering, heißt es in dem Evaluierungsbericht der Universität Salzburg, der Universität Linz und der Pädagogischen Hochschule Linz, der von Bildungsministerium in Auftrag gegeben wurde.

  • Beim Eintritt in diese Schulform seien wesentliche Weichenstellungen bereits getroffen und bedeutende Einflüsse auf das Vorwissen und das Lernverhalten der Lernenden hätten bereits stattgefunden.
  • Die Bildungsdebatte wäre in die falsche Richtung gelaufen. Statt sich um Bildung im Kindergarten und der Volksschule zu bemühen, dreht sich die Debatte seit vielen Jahren um eine gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen. Dies betrifft Lernende, bei denen bereits eine erste Laufbahnentscheidung getroffen wurde.
  • Die Evaluierung ergab, dass Lernende der Neuen Mittelschule keine besseren Schulleistungen erbringen als ihre Vorgänger in der Hauptschule, obwohl der Systemwechsel 300 Millionen € gekostet habe. Schon der Rechnungshof habe kritisiert, dass der damalige Schulversuch ohne eine Überprüfung auf ihre Wirkung in die Regelschule übernommen wurde.
  • Der Evaluierungsbericht weist auf eine falsche Grundvoraussetzung hin. Die Neue Mittelschule wurde nicht als Gesamtschule konzipiert, vielmehr als Konkurrenz zur allgemein bildenden höheren Schule.
IT-Hinweise

http://orf.at/stories/2267486/2267490 > Keine Leistungsverbesserung der Schüler (3.3.2015)

http://orf.at/stories/2267609/2267620/ > NMS nur neues Kürzel für alte Probleme? (4.3.2015)

Der Standard, 3.3.2015 > http://derstandard.at/2000012438122/Neue-Mittelschule-nicht-besser-als-Hauptschule?ref=nl

https://www.bmbf.gv.at/schulen/bw/nms/evaluationsbericht.html > Vollversion des Evaluationsberichts (5.3.2015)

http://wien.orf.at/news/stories/2699545 > Mittelschule: Externe Initiativen als Hilfe (14.3.2015)

Pressehinweis

Salzburger Nachrichten, 3.3.2015, 2 "Neue Schule, aber nicht mehr Chancen"

11 Bildungsreform/ Reformansätze vom 17.11.2015    

Ab dem Schuljahr 2016/2017 werden in fünf Bereichen Reformen eingeführt.

  • Aufwertung der Kindergärten
    • Ein Bildungskompass soll die Stärken und Schwächen ausloten. Ab dem Alter von 3, 5 Jahren sollen verpflichtende Potenzialanalysen durchgeführt werden, deren Ergebnisse werden an die Volksschule weitergegeben. Damit soll ein kindgerechter Übergang gestaltet werden.
    • Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr wird eingeführt. Die Kostenfrage ist noch offen. Ausnahmen gibt es bei genügend Deutschkenntnissen. Die Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik werden in BHS überführt. Eine Akademisierung der Ausbildung gibt es nicht.
  • Ausbau der Schulautonomie
    • Abweichungen vom Lehrplan der Volksschule sind zu fünf Prozent, in der AHS-Unterstufe/NMS bis zu 33 Prozent und in der AHS-Oberstufe/BMHS bis zu 20 Prozent möglich.
    • Die Schulen sollen die Öffnungszeiten - Unterricht plus Nachmittagsbetreuung - zwischen 7 und 18 Uhr festlegen können.
    • Das Schulleitungspersonal wird auf fünf Jahre bestellt und soll Management-Funktionen übernehmen. Eine Mitsprache bei der Auswahl der Lehrenden und bei der Nichtverlängerung von Dienstverträgen sowie ein Vetorecht bei zugeteilten Lehrenden gibt es.
    • Der finanzielle Spielraum der Schulleitung vergrößert sich. Eingesetzt werden können externe Lehrende, Psychologen und Sozialarbeiter.
    • Ein bundeseinheitliches Objektivierungsverfahren bei der Bestellung des Leitungspersonals erfolgt.
  • Erprobung der Gesamtschule
    • Die Bundesländer dürfen Modellregionen schaffen, in denen die Schulen der Zehn- bis Vierzehnjährigen in maximal 15 Prozent der Schulstandorte erprobt werden. Schulen können auch gegen ihren Willen dazu gezwungen werden. Privatschulen sind von dieser Regelung ausgenommen.
    • Für Modellregionen gibt es keine zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten. Eine erstmalige Evaluation gibt es 2015.
  • Verwaltung durch Bund und Länder
    • In allen Bundesländern werden Bildungsdirektionen erreichtet, die die Landesschulräte(Bundesbehörden) und Schulabteilungen der Landesregierungen(Landesbehörden) ablösen. Die Bildungsdirektionen sind eine gemeinsame Bund-Länder-Behörde.
    • Der Leitung obliegt einem Bundesbediensteten, der über Vorschlag des jeweiligen Landeshauptmannes vom Bildungsministerium für fünf Jahre bestellt wird.
    • Die neue Behörde verwaltet Bundes- und Landeslehrer, das Bundesverwaltungspersonal und die Schulaufsicht.
    • Die Verrechnung aller Lehrenden erfolgt über das Bundesrechnungszentrum.
  • High-Speed-Internet bis 2010
    • Ausgestattet wird jede Schule bis 2020 mit High-Speed-Internet und WLAN.
    • Ab 2017 wird eine "Bildungsstiftung" eingerichtet, die mit einem Fixbetrag ausgestattet wird und durch private steuerbegünstigte Zuwendungen höher dotiert werden kann.
    • Unterstützt werden sollen daraus innovative Digitalisierungsprojekte und pädagogische Konzepte.
Offen bleiben etwa die Fragen (Stand 17.11.2015)

  • der Kosten für das zweite Kindergartenjahr,
  • ob es nicht ein neues Dienstrecht benötigt, wenn eine Schulleitung schlechte Lehrende entlassen darf.
  • Die wesentliche Rolle von Eltern fehlt in diesem Ansatz.
  • Zu fordern sind die Definition von Bildungszielen und einer Bildungspflicht.
  • Es fehlen Qualitätssteigerungsmaßnahmen in der APS.
  • Ebenso fehlen Maßnahmen gegen einen Schulabbruch.
  • Es fehlen Aussage zu einer Verbesserung der Lehrerbildung.
  • Nicht angetastet wurde das land- und fortwirtschaftliche Schulwesen mit den Verwaltungen von zwei Ministerien und einzelnen Schulabteilungen.
  • Kritisch ist zu vermerken, dass bisher nur Ansätze einer Verwaltungsreform und bisher noch unzureichenden finanziellen Ressourcen umgesetzt werden sollen.
  • Ebenfalls kritisch ist zu bemerken, dass noch keine parlamentarische Mehrheit für diesen Lösungsansatz gegeben ist.
12 Bildungsreform 2017 - Maßnahmen für eine Schulautonomie    

In der laufenden Debatte über Maßnahmen einer größere Schulautonomie zeigen sich mit Stand Jänner 2017 drei Aspekte, die im Folgenden dargelegt werden.

  • Zunächst geht es um die Frage, welche Probleme durch die Reform behoben werden sollen/können. Autonomie für Schulen ist jedenfalls eine wichtige Voraussetzung für Innovationen, also für eine Verbesserung der Schulqualität. Es bedarf gewisser Bedingungen, so
    • einer Neuordnung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern sowie
    • einer Umverteilung der finanziellen Mittel zwischen den Schulen (vgl. einen Sozialindex zur Finanzierung).
    • Mängelverwaltung kann kein Ziel einer Schulautonomie sein.
  • Eine Ausweitung einer Lehrplan-Autonomie ist begrüßenswert (vgl. das Korsett der 50 Minuten-Einheit, fächer- und jahrgangsübergreifender Unterricht). Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass Autonomie in pädagogischer, organisatorischer, finanzieller und personeller Hinsicht praktiziert werden kann.
    • Deutlich zeigt sich dies in der Auswahl Lehrender. Es bedarf eines professionellen Personalmanagements für eine qualifizierte Personalentwicklung (vgl. die Notwendigkeit von [verpflichtender]Fort- und Weiterbildung bzw. Nachqualifizierung).
    • Es zeigt sich auch im derzeitigen Fehlen eines modernen Lehrerdienstrechts, in dem solche Aspekte zu berücksichtigen sind.
  • Ein dritter Schwachpunkt zeigt sich im Konzept der Freiwilligkeit. So soll der Umbau des Schulsystems in Gang kommen.
    • Direktorinnen und Direktoren sollen ihre Position an übergeordnete Clusterleitende abgeben.
    • Nichts wird bis jetzt über einen Zeitrahmen gesagt, bis wann welche Maßnahmen umgesetzt werden sollen.
    • Mit dem Erstellen eines Autonomiehandbuchs für Schulleiter sollen 2017/2018 einige "Leuchtturmschulen" beginnen. 2025 soll das Programm Realität werden.
13 Schulautonomiepaket 2017    

Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP haben sich nach monatelangen Verhandlungen auf ein Schulautonomiepaket geeinigt. Schulen erhalten

  • mehr Freiheiten,
  • Regelungen der Zusammenlegung zu Clustern und
  • eine neue Schulverwaltung.
Breite Ablehnung des Schulautonomiepakets weist auf weitere schwierige Verhandlungen (Stand 27.4.2017; vgl. http://orf.at/stories/2389061/2389063).

Im Folgenden geht es fünf Positionen, die kontrovers diskutiert werden.

13.1 Organisation des Unterrichts    

In Zukunft können Schulen allein die Klassengröße in einzelnen Fächern entscheiden. Die Eröffnungs- und Teilungszahlen werden nicht mehr zentral vorgegeben, sondern vor Ort festgesetzt. Dadurch soll ein flexibler Unterricht ermöglicht werden, etwa ein klassenübergreifender Projektunterricht.

Die 50 Minuten-Stunde ist nicht mehr die Regel. Die Schulen können selbst festlegen, wie lange eine Unterrichtseinheit dauert. Die 50 Minuten sind nur noch als Berechnungsgröße für die Personalbewirtschaftung und Ressourcenzuteilung notwendig.

Die Öffnungszeiten können freizügiger festgelegt werden. So kann von 7 bis 8 Uhr morgens eine Betreuung durch geeignete Personen angeboten werden.

13.2 Lehrerauswahl    

Bei Bewerbung von mehreren Lehrkräften um eine Stelle soll die Schule entscheiden können. Grundsatz ist, dass die Schule die Entscheidungskompetenz besitzt, die verwaltungstechnischen Aspekte der Aufnahme, wie Dienstvertrag und Bezug, bei der Schulverwaltung bleiben.

13.3 Schulzusammenlegung    

Knapp 80 Prozent der Pflichtschulen und rund 15 Prozent aller Bundesschulen haben weniger als 200 Lernende. Damit die Schulen zusammenarbeiten und ihre Ressourcen besser nützen können, sollen bis zu acht benachbarte Schulstandorte zu einem Cluster zusammengeschlossen werden können. Die Aufgabe der bisherigen Schulleitung übernimmt die Clusterleitung, wobei zwischen Pflichtschulen, für die das Land zuständig ist, und mittleren und höheren Schulen, für die der Bund zuständig ist, unterschieden wird.

Die Gründung von Pflichtschul-Clustern soll gemeinsam von den betroffenen Schulerhaltern(Gemeinden bzw. Städte), der Schulverwaltung im Bundesland, den Lehrern und der Elternvertretung beschlossen werden. Die Entscheidung erfolgt vor Ort und wird nicht durch das Bildungsministerium gesteuert. So kann auf regionale Gegebenheiten Rücksicht genommen werden.

Bundesschulen finden sich zu einem Cluster zusammen, wenn dies von den Schulstandorten gewünscht wird und bestimmt Kriterien erfüllt sind, etwa eine Schule hat zum Zweitpunkt des Zusammenschlusses weniger als 200 Schüler oder die Schülerzahl weist in den letzten drei Jahren eine fallende Tendenz auf und die Schulstandorte sind nicht weiter als fünf Kilometer voneinander entfernt.

13.4 Schulpartner    

Die Neuerungen erfordern eine Neuregelung der Schulpartner. Die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte der Schulpartner auf Schul- bzw. Clusterebene konzentrieren sich zukünftig auf den pädagogischen Bereich. Organisatorische und personelle Agenden sind in der Verantwortung der Schulleitung bzw. Clusterleitung. Die Elternvertreter besitzen ein Vetorecht, in der Folge entscheiden die Bildungsdirektion.

13.5 Bildungsdirektion    

Pro Bundesland gibt es eine Bildungsdirektion, die für den gesamten Schulbereich verantwortlich ist. Neben dem Direktor bzw. Präsidenten gibt es einen Ständigen Beirat, dem Vertreter der Landes- und Bundeslehrer und Elternvertretung angehören.

Abgeschafft werden die Amtsführenden Präsidenten bzw. Vizepräsidenten und die Kollegien des Landesschulrates. Eine eigene Verordnung regelt die Spitze der Bildungsdirektion.

13.6 Bildungsreform 2017 - Einigung von SPÖ, ÖVP und Grünen    

Bestandteil des Pakets bzw. der Einigung der drei Parteien vom 19.6.2017 und dem parlamentarischen Beschluss vom 28.6.2017 ist die Schaffung von Modellregionen für die Gemeinsame Schule der 10- bis 14-jährigen und die Schaffung von Bildungsdirektionen.

  • Bundesweit dürfen nur 15 Prozent aller Schulen die Gesamtschule erproben.
  • Außerdem darf eine einzelne Modellregion nicht mehr als 5000 AHS-Unterstufenschüler umfassen(vgl. die Modellregion Vorarlberg oder das Burgenland).
  • Zentraler Punkt ist der Zusammenschluss von bis zu acht Schulen als sog. Cluster unter einer gemeinsamer Clusterleitung.
    • Ressourcen sollen besser ausgenutzt werden, Lehrende auch an anderen Schulen unterrichten. Frei gewordene Ressourcen sollen in Verwaltungspersonal investiert werden.
    • Der Zusammenschluss von Schulen ist grundsätzlich freiwillig, ausgenommen sind Kleinschulen mit sinkender Schülerzahl.
    • Die Clusterleitung erhält in bestimmten Bereichen mehr Rechte(flexible Gruppengrößen, Mindest- und Klassenhöchstzahlen sowie Teilungsziffern fallen weg).
  • Der zweite Teil der Reform betrifft die Schulverwaltung. Die Verwaltung soll ähnlich den östlichen Bundesländern unter einem gemeinsamen Dach erfolgen. Die Landesschulräte sollen in Zukunft Bildungsdirektionen genannt werden.
  • Zudem müssen an den Standorten Lehrende und Eltern zustimmen. Erreicht werden muss eine einfache Mehrheit, die Teilnahme von mindesten einem Drittel der abstimmungsberechtigten Eltern und zwei Drittel bei den Lehrenden.
Strittig ist der Begriff Bildungsreform zu diesem Zeitpunkt, da eher von einer schulischen Verwaltungsreform zu sprechen ist. Die aktuelle Parlamentsdebatte ging daher auch davon aus, dass künftige Reformschritte notwendig sein werden.

IT-Hinweise

http://orf.at/stories/2396026/2396029 "Weichenstellung in die richtige Richtung" (19.6.2017)

http://www.bmb.gv.at/autonomiepaket (28.6.2017)

13.7 Schuljahr 2017/2018 - Neuerungen    

In den AHS und BHS wird die neue Oberstufe umgesetzt.

  • Als Maßeinheit gelten die einzelnen Semester. Das Schuljahr muss nicht insgesamt positiv abgeschlossen werden, vielmehr jedes Semester.
  • Positive Teilleistungen bleiben erhalten, auch bei negativer Jahresbeurteilung. Zwei negative Semestermodule können in die nächste Klasse mitgenommen werden.
  • Der Start der "neuen Oberstufe" kann bis zu zwei Jahre verschoben werden. Derzeit machen davon mehr als 90 Prozent der AHS und die Hälfte der BHS Gebrauch.
  • Mit der Reform sollen die Lernenden auf die Semestergliederung an den Hochschulen vorbereitet und ihre Eigenverantwortung gestärkt werden.
  • Das "Last-Minute-Lernen" im letzten Semester soll unterbunden werden.
  • Umfangreiche Module je Semester müssen in allen Fächern positiv abgeschlossen sein.
  • Eine Negativbeurteilung kann durch eine Semesterprüfung ausgebessert werden. Die Prüfung umfasst nur den Teil des Stoffes, der nicht beherrscht wurde. Eine zweimalige Wiederholung ist möglich.
  • Ein Aufsteigen in die nächste Klassen ist mit zwei negativen Modulen möglich. Diese müssen aber dann vor dem Eintritt in die Reifeprüfung nachgeholt werden.
  • Einmal in der Oberstufe/Sekundarstufe II ist ein Aufsteigen mit drei Negativbeurteilungen in die nächste Schulstufe bei Zustimmung der Klassenkonferenz möglich.
  • Ebenso können Lernende durch Vorziehen einzelner Gegenstände Semesterprüfungen früher ablegen und damit überspringen. Damit kann die Reifeprüfung auch früher abgelegt werden.
Es kommt zu Änderungen bei den Schulversuchen.

  • Eine zeitliche Befristung ergibt sich aus der Höchstdauer, die sich aus der Zahl der betroffenen Schulstufen plus zwei Schuljahre ergibt.
  • In der Folge muss entschieden werden, ob die Schulversuche in das Regelschulwesen überführt werden. Die Übergangsfrist dauert bis 2015.
Es können nicht mehr schulpflichtige außerordentliche Lernende freiwillig ein zehntes Schuljahr absolvieren.

Ein freiwillig elftes bzw. zwölftes Schuljahr gibt es für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Frühgeburten können später eingeschult werden.

Bis zum 30. Juni 2018 sind die Stellen der neuen Bildungsdirektoren_innen zu besetzen. Die neue Behördenstruktur tritt 2019 in Kraft.

Die Hauptschule läuft aus, die Neue Mittelschule wird durchgängig eingeführt.

- - -

Pressehinweise

Salzburger Nachrichten, 18. November 2015, 2 "Bildungssystem kommt in Bewegung"

Salzburger Nachrichten, 19. November 2015, 8-9 "Die Bildungsreform ist noch lange nicht unter Dach und Fach"

Salzburger Nachrichten, 3. Jänner 2017, 3 "Diese Bildungsreform ist nur ein Scheinriese"

Salzburger Nachrichten, 4. März 2017, 4 "Schulen können nun Klassengröße festlegen"

Salzburger Nachrichten, 28. April 2017, 1, 2 "Schulreform: Lehrer drohen mit Streik", "Die Schulreform weckt zahlreiche Bedenken"

Salzburger Nachrichten, 20. Juni 2017, 1-2 "Die Politik öffnet den Weg in Richtung Gesamtschule"

Salzburger Nachrichten, 31. August 2017, 3 "Semesternoten werden zur Hürde"

IT-Hinweise

http://wien.orf.at/news/stories/2742862/ > "Häupl: Gemeinsame Schule bis 2015" (18.11.2015)

http://news.orf.at/stories/2310353/ > "Bildungsreform: Experte fürchtet 'De-facto-Verländerung' " (18.11.2015)

http://orf.at/stories/2310388/2310393/ > "Weniger als erhofft, mehr als erwartet" (18.11.2015)

http://www.orf.at/stories/2310814/ > "RH-Moser kritisiert Bildungsreform" (21.11.2015)

http://orf.at/stories/2389061/2389063 > "Bereits mehr als 800 Stellungnahmen (28.4.2017)

14 Zukunft. Für unser Österreich - Regierungsprogramm 2017-2022    

14.1 Zukunft und Gesellschaft - Bildung    

Zieldefinition Bildung (S. 59)

  • Qualitätsvolle Elementarpädagogik durch höhere Standards bei Bildung und Betreuung
  • Differenziertes Schulsystem erhalten und ausbauen
  • Vereinheitlichung und Standardisierung der Benotung und kontinuierliche Feststellung des Leistungsfortschritts
  • Stärkung der Aufsicht über Bildungseinrichtungen, stärkere Sanktions- und Kontrollmöglichkeiten
  • "Land der Meister" - Lehre durch mehr Durchlässigkeit und moderne Ausbildungsmöglichkeiten attraktiver machen
  • Auslandsschulwesen als Visitenkarte Österreichs
Politische Bildung (S. 65)

Erweitern von Geschichte und Sozialkunde durch "Staatskunde und politische Bildung" ab der 5. Schulstufe zur Vermittlung der staatlichen Grundrechte und der rechtsstaatlichen Prinzipien. Entsprechende Änderung der Lehrerausbildung im Fach Geschichte.

14.2 Zukunft und Gesellschaft - Wissenschaft    

Zieldefinition Wissenschaft (S. 69)

  • Bessere Studienbedingungen an Universitäten und Fachhochschulen - höhere Durchlässigkeit
  • Hochschulsektor unter Bedachtnahme gezielter Profilbildungen ausbauen und stärker an gesellschaftlichem Bedarf ausrichten
  • Faire Rahmenbedingungen für Studium: moderate Studienbeiträge, Studienförderung und Serviceeinrichtungen
  • Effektive Universitätsgovernance und Digitalisierung der Hochschulen: Vorreiterfunktion einer Verwaltung im öffentlichen Bereich
  • Karriereperspektiven für die besten Köpfe schaffen
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IT-Hinweise

https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf (17.12.2017)

http://orf.at/stories/2419162/2419160/ (17.12.2017)

https://science.orf.at/stories/2987484/ (26.6.2019)

15 Integrationsbericht 2018 - Brennpunktschulen    

Unter Brennpunktschulen versteht man Schulen mit Lernenden aus sozialen Minderheiten, niedrigem sozioökonomischem Familienstatus und schwachen Leistungsergebnissen.

An solchen Schulen fällt Lernen nicht nur Kindern aus Risikogruppen schwer. Auch Kinder mit guten Lernvoraussetzungen schneiden schlecht ab. Das zeigt der Integrationsbericht 2018.

An einer Wiener Volksschule ohne besondere Herausforderungen haben deutschsprachige Kinder bildungsfreundlicher Eltern ein Risiko von fünf Prozent, schlecht Lesen und Schreiben zu lernen. An einer Brennpunktschule sind es 25 Prozent.

  • Kinder mit Migrationshintergrund, anderer Alltagssprache als Deutsch, Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss und geringer beruflicher Position haben Nachteile bei einem Besuch einer Brennpunktschule.
  • Schon in einer Volksschule mit geringen Herausforderungen liegt das Risiko, mit geringer Schreib- und Lesekompetenz die Schule zu verlassen, bei 45 Prozent.
  • In einer Brennpunktschule steigt das Risiko auf 85 Prozent, die Daten im Integrationsbericht des Wiener Stadtschulrates zeigen.
In Wien ist der Anteil an Schulen mit sozialer Benachteiligung - wie generell in Ballungsräumen - ausnehmend hoch. Laut "Index der sozialen Benachteiligung" haben 57 Prozent der Volksschulen eine sehr hohe bzw. hohe Belastung (35 bzw. 22 Prozent).

Österreichweit sind es 20 Prozent (je 10 Prozent pro Kategorie).

Größer wird die Kluft bei einem Vergleich der Neuen Mittelschulen.

  • In Wien fallen 78 Prozent in die Kategorie der Belastung(66 Prozent sehr hoch, 12 Prozent hoch).
  • Österreichweit sind es 22 Prozent(15 bzw. sieben Prozent).
An den AHS ist der Anteil an Brennpunktschulen deutlich kleiner.

  • In Wien sind es 26 Prozent(12 bzw. 14 Prozent).
  • Österreichweit sind es acht Prozent (drei sehr hoch bzw. fünf Prozent hoch belastet).
IT-Hinweis

Integrationsbericht 2018 > https://bmeia.gv.at/integration/integrationsbericht/ (15.9.2018)

16 Neuer Lehrplan für Polytechnische Schulen    

Die Polytechnische Schule (PTS) erhält ab dem kommenden Schuljahr einen neuen Lehrplan. Unter anderem wird der Fächerkanon neu zusammengestellt, der Gegenstand "Berufsorientierung und Lebenskunde" wird umbenannt und mit mehr Stunden ausgestattet. Außerdem wird der alternative Pflichtgegenstand "Angewandte Informatik" eingeführt.

Derzeit besuchen rund 15 000 Lernende den PS. Zum Vergleich: 2006 waren es noch mehr als 21 000. Der neue Lehrplan beinhaltet eine stärkere Berufsorientierung und fokussiert insbesondere auf Kompetenzen, die den Anforderungen der modernen Arbeitswelt entsprechen.

Der Kanon der Pflichtgegenstände wird neu geordnet. Aus "Deutsch" wird "Deutsch und Kommunikation" (drei Wochenstunden), aus "Mathematik" wird "Angewandte Mathematik" (drei Wochenstunden), aus "Politische Bildung und Wirtschaftskunde"" wird "Politische Bildung, Wirtschaft und Ökologie" (zwei Wochenstunden), dafür entfällt das Pflichtfach "Naturkunde und Ökologie, Gesundheitslehre" (bisher eine Wochenstunde).

Die so gewonnen Stunde fließt in das Fach "Berufs- und Lebenswelt" (früher "Berufsorientierung und Lebenskunde"), das nun drei statt zwei Wochenstunden umfasst. Dazu kommen wir bisher die Pflichtgegenstände "Lebende Fremdsprache (Englisch)" mit drei Wochenstunden, "Bewegung und Sport" (zwei) sowie "Religion"(zwei).

Neu geordnet wurden auch die alternativen Pflichtgegenstände, das sind Fächer, aus denen eine bestimmte Anzahl verpflichtend ausgewählt werden müssen. Diese sind je nach PTS-Cluster bzw. Fachbereich - z. B. Holz, Bau, Elektro, Handel und Büro, Tourismus - unterschiedlich etwa Technisches Zeichnen, Buchführung und Wirtschaftsrechnen, Naturwissenschaftliche Grundlagen und Übungen.

Darüber hinaus wurden die Inhalte des aus dem Jahr 1997 stammenden Lehrplans in den einzelnen Gegenständen überarbeitet. Außerdem wird die bisher ohne Zeitvorgabe gestaltete Orientierungsphase am Beginn des Schuljahres mit der Empfehlung einer Mindestdauer von vier Wochen versehen.

Dazu wird als zweite Phasen des Schuljahres die Umsetzung einer Schwerpunktphase empfohlen, in der neben dem gewählten Fachbereich ausgewählte Lernergebnisse von bis zu zwei anderen Fachbereichen als Ergänzungsbereich vorgesehen werden können.

IT-Hinweis

Neuer Lehrplan für den PS < https://www.orf.at/stories/3175826/ (1.8.20)

II Europäische Perspektiven - Bildungswesen in Europa    

Eine Übersicht über die Thematik ergibt sich aus dem Eurydice-Netz als institutionelles Netzwerk aus 35 nationalen Abteilungen in den 31 Ländern, die am Aktionsprogramm im Bereich des lebensbegleitenden Lernens teilnehmen sowie einer europäischen Abteilung innerhalb der Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA) in Brüssel, die die Aktivitäten des Netzwerks koordiniert.

  • Das Eurydice-Netz wurde 1980 auf Initiative der Europäischen Kommission gegründet und trägt zur Zusammenarbeit im Bildungswesen bei. Veröffentlicht werden Daten des Bildungssystems und der Bildungspolitik in den betroffenen Ländern sowie vergleichende Analysen zu spezifischen Bildungsthemen in Europa.
  • Zielgruppe sind Personen und Institutionen, die auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sowie in den europäischen Einrichtungen am Prozess der politischen Entscheidungsfindung im Bildungsbereich mitwirken.
17 Rückgang der Zahlen der Lernenden im schulpflichtigen Alter    

Bis 2010 ist mit einem Rückgang der Altersgruppe der 5- bis 9-Jährigen in der EU-27 von etwa 11 Prozent zu rechnen. Extremer ist die Situation der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen, wobei in manchen Staaten ein Rückgang von mehr als 40 Prozent erwartet wird. Damit gibt es einen deutlichen Rückgang der Gesamtzahl der Lernenden im schulpflichtigen Alter (vgl. RAT 2006 und EUROPÄISCHE KOMMISSION 2006a).

Zu beachten ist ebenso, dass die Altersklassen der Lehrenden, die kurz vor der Pensionierung stehen, überproportional vertreten sind. In zahlreichen Staaten wird in absehbarer Zeit ein hoher Prozentsatz der Lehrkräfte in den Ruhestand treten.

Neben diesen Auswirkungen auf die Schülerzahlen und den Lehrerbedarf im Pflichtschulbereich und für die folgenden Bildungsgänge gibt es Möglichkeiten einer Verbesserung der Qualität und Funktionsweise der Bildungssysteme mit einer Anpassung der Personal- und Materialausstattung. Zu beachten sind die folgenden Vorausschätzungen.

  • Der Anteil der Lernenden und Studierenden an der Gesamtbevölkerung liegt in den meisten europäischen Staaten zwischen 15 und 25 Prozent. Durch den Rückgang der Zahl der jungen Menschen in den vergangenen Jahren lässt sich der Rückgang von etwa 5 Prozent an der Gesamtbevölkerung erklären.
  • In Europa sind bei den Lehrenden im Primarbereich die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen und der 40- bis 49-Jährige am stärksten vertreten. In den meisten Staaten sind die Lehrenden im Sekundarbereich älter diejenigen im Primarbereich.
  • In sechs Staaten wird in den nächsten zehn Jahren ein Prozentsatz der Lehrenden im Sekundarbereich, die in den Ruhestand treten, von mehr als 40 Prozent erwartet.
18 Trend zur längeren Schulbildung    

In den meisten europäischen Staaten dauert die Vollzeit-Pflichtschule neun oder zehn Jahre, wobei die Schullaufbahnen für alle Lernenden bis zum Ende der Sekundarstufe I (14 oder 156 Jahre) ähnlich sind.

  • Reformen umfassen in mehreren Staaten eine Verlängerung der Pflichtschulzeit und Bemühungen den Anteil der Schulabbrecher zu senken (vgl. falls erforderlich, ein Verbleiben im Schulsystem bis zum Alter von 18 Jahren).
  • Die Pflichtfächer und die Unterrichtszeit nimmt in fast allen Ländern im Unterrichtsvolumen für die Natur- und Sozialwissenschaften sowie Fremdsprachen zu.
  • Entsprechend den Empfehlungen des EU-Parlaments und des Rates werden Anstrengungen unternommen, damit Lernende Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen entwickeln, die für ein Erwachsen- und Berufsleben eine Grundlage bilden.
  • Bemühungen zur Unterstützung benachteiligter Lernender sollen das Bildungspotenzial ausschöpfen (vgl. RAT 2006).
Daraus ergeben sich die folgenden Aspekte einer Sicherstellung zum Erwerb von Kernkompetenzen.

  • Die Bildungserwartung eines 5-Jährigen umfasst etwa 14 bis 19 Jahre. Im Vergleich zu 2002 hat sich in einer Gruppe von Staaten die Bildungserwartung um mehr als ein Jahr erhöht.
  • Im Primarbereich gilt als wichtigstes Fach die Unterrichtssprache, gemessen an der Zahl der anberaumten Unterrichtsstunden.
  • Im Sekundarbereich nimmt der Stundenanteil in der Unterrichtssprache und in Mathematik ab, das Unterrichtsvolumen für die Natur- und Sozialwissenschaften sowie Fremdsprachen in fast allen Staaten zu. Informations-und Kommunikationstechnologie (IKT) wird als Unterrichtsfach nur ein kleiner Teil der Unterrichtzeit gewidmet, häufig ist sie in andere Fächer integriert oder in technischen Fächern unterrichtet.
  • Schulbücher gelten für den Primarbereich als wichtigstes Instrument zum Erlernen von Lesen. Gegenüber 2001 ist ein Anstieg bei der Verwendung neuer Technologien für das Erlernen von Lesen zu verzeichnen.
  • Der Unterricht im Klassenverband ist die häufigste Unterrichtsform. In vielen Staaten wird diese Methode durch weitere Unterrichtsformen wie leistungsdifferenzierte Gruppen oder individualisiertes Lernen ergänzt.
  • In fast allen Bildungssystemen erhalten Lernende aus Migrantenfamilien mit fremder Muttersprache Sprachförderungen innerhalb der regulären Unterrichtsstunden und/oder in eigenen Gruppen bzw. Klassen.
19 Hochschulbildung    

In den Jahren 1998 bis 2006 nahm die Zahl der Studierenden im Tertiärbereich allein um 25 Prozent zu, wobei ein stetiger Anstieg in der EU zu verzeichnen ist (vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION 2006b; EURYDICE 2009c).

  • In den meisten Staaten müssen Studierende einen finanziellen Beitrag zu Studienkosten leisten.
  • Gleichzeitig kommen Studierenden finanzielle Unterstützungsmaßnahmen zugute, die nach verschiedenen Kriterien zur Deckung von Lebenshaltungskosten eingeführt wurden.
  • Die Kommission forderte die Mitgliedsstaaten auf, die Modernisierung europäischer Universitäten voranzutreiben, um Änderungen bei der Regulierung, Verwaltung und Finanzierung zu erreichen und dem Qualifizierungsbedarf der Arbeitskräfte zu begegnen.
Die folgenden Aspekte betreffen die Hochschulbildung und den wachsenden Bedarf an Finanzierung.

  • 2006 kamen im Durchschnitt 123 weibliche Studierende auf 100 männliche Studierende. Frauen sind in drei Bereichen in der Überzahl: Erziehungswissenschaften, Gesundheits- und Sozialwesen sowie Geisteswissenschaften und Kunst. Männer sind stärker vertreten in Technik/Technologie, Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik. Seit 2002 ist diese Situation weitgehend unverändert.
  • Studiengebühren sind in 16 Staaten eine häufige Form der privaten Beteiligung, wobei zwischen den verschiedenen Staaten zu zahlende Beiträge erheblich sich unterscheiden.
  • In fast allen Staaten gibt es finanzielle Unterstützungen zur Deckung der Lebenshaltungskosten und/oder Bezahlung von Verwaltungsgebühren und Beiträgen zu den Studienkosten.
Festzuhalten ist die Zahl der ERASMUS-Studierenden (Studienaustausch in den EU-Ländern), die steigend ist und mitunter Schwierigkeiten bei der Nostrifikation (Studienanerkennung) ergibt.

20 Gesamtausgaben für Bildung    

Der aufgebrachte Anteil der EU-Staaten für das Bildungswesen des Bruttonationalprodukts/BIP liegt relativ stabil um 5 Prozent. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern mit erheblichen Veränderungen in den letzten Jahren. In nahezu allen Staaten steigen die Kosten pro Lernenden bzw. Studierenden mit der Bildungsstufe. Es gilt daher die Notwendigkeit, schneller und konkreter Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung einzuleiten, insbesondere angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise, um die Qualität in Forschung, Wissen und Bildung zu verbessern (vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION 2006a).

Eine direkte Unterstützung in Form von Kindergeld, Darlehen und/oder Steuervergünstigungen bietet die finanzielle Unterstützung für Familien mit Schülern und die Teilnahme an weiterführenden Bildungsgängen nach der Schulpflicht.

Die folgenden Aspekte weisen auf die Bedeutung einer gesicherten Finanzierung hin.

  • Die jährlichen Kosten in der EU belaufen sich durchschnittlich pro Schüler im Primarbereich auf 4800 €, in der Sekundarstufe auf 5600 € und in der Hochschulbildung auf 8300 €.
  • In fast allen Ländern besucht die Mehrheit der Lernenden öffentliche Schulen, an Privatschulen sind rund 2,5 Prozent der Lernenden angemeldet.
  • In allen Ländern machen die Personalausgaben der größten teil der Bildungsausgaben aus, etwa 72 Prozent der jährlichen Ausgaben in der EU.
  • Im Pflichtschulbereich werden die Ausgaben je nach Kostenart auf zentraler und/oder lokaler Ebene getroffen. In nur vier Ländern werden die Bildungsausgaben auf regionaler Ebene finanziert und eingesetzt.
  • In vielen Staaten werden die öffentlichen Ausgaben für das Lehrpersonal von der Zentralregierung festgelegt, während die Ausgaben für nicht lehrendes Personal, Betriebskosten und bewegliche Güter zwischen der zentralen Ebene und lokalen Institutionen aufgeteilt sind bzw. nur die lokale Ebene zuständig ist.
21 Lehrerbildung - Arbeitsbedingungen    

Lehrende haben als Schlüsselakteure zahlreich Verantwortlichkeiten und Pflichten, die häufig über die normale Interaktion mit Lernenden hinausgehen.

2007 hat der Rat der Qualität und Quantität der Lehrerbildung sowie der Lehrerfortbildung eine hohe Priorität eingeräumt (vgl. RAT 2007).

Es gibt nach wie vor große Unterschiede zwischen den formellen Anforderungen und der Realität im Alltag sowie den verfügbaren Mitteln.

Die folgenden Aspekte einer Lehrerbildung und der Arbeitsbedingungen Lehrender weisen auf die Bedeutung einer Anerkennung dieser Berufsgruppe hin.

  • Die meisten Lehrenden im Primar- und Sekundarbereich I sowie alle Lehrenden der Sekundarstufe II werden im Hochschulbereich mit einer akademischen Qualifikation ausgebildet.
  • Im Primar- und im Sekundarbereich I sind die meisten Lehrenden Frauen (mehr als 60 Prozent). In der Hochschulbildung sinkt der Frauenanteil unter 40 Prozent.
  • Immer häufiger wird eine spezifische Unterstützung junger Lehrender bei der Planung und Bewertung des Unterrichts bzw. einer speziellen Ausbildung angeboten. In nur elf Staaten gibt es eine formelle Unterstützung in Form einer "Ausbildungsphase".
  • Obwohl Fortbildung offiziell in vielen Ländern als berufliche Pflicht angesehen wird, ist sie in der Praxis optional.
  • In fast allen Ländern wird die Arbeitszeit von Lehrenden nicht nur als Zahl der Unterrichtssunden definiert, sondern auch als Präsenszeit in der Schule bzw. als Gesamtarbeitszeit festgelegt.
In fast allen Ländern liegt das offizielle Ruhestandsalter bei 65 Jahren. Häufig scheiden Lehrende aber bereits aus dem aktiven Dienst aus, wenn sie die erforderliche Zahl von Dienstjahren und/oder das Mindestalter für einen Ruhestandsbezug erreicht haben.

22 Schulautonomie    

Ursprünglich als Grundprinzip angestrebt - Unterrichtsfreiheit, lokale Schuldemokratie, Dezentralisierungsprozess - hat sich Schulautonomie als Instrument zum Erreichen von Bildungszielen bildungspolitisch in Europa entwickelt. Schulen und Lehrende wird eine größere Freiheit zur Verbesserung der Qualität von Bildung eingeräumt (vgl. EURYDICE 2007b und 2008).

Trotz des gemeinsamen Ziels bestehen große Unterschiede bei der Umsetzung in Europa sowie im Umfang und der Art der Umsetzung.

Die folgenden Aspekte weisen auf die Bedeutung der Thematik hin.

  • In vielen Ländern wird den Schulen eine Autonomie in der Verwendung öffentlicher Mittel für Betriebsausgaben und die Verwaltung des Lehrpersonals eingeräumt.
  • Bei der Einstellung Lehrender verfügen die Schulen und lokale Behörden in vielen Ländern über eine Autonomie.
  • Schulleiter verwenden im Durchschnitt mehr als 40 Prozent ihrer Arbeitszeit für Verwaltungsaufgaben (Personal, Mittelverwaltung) und deutlich wenig für Lehrtätigkeit.
  • Lehrende haben wenig Einfluss auf Inhalte der Lehrpläne, verfügen aber über große Spielräume der täglichen Unterrichtsgestaltung, der Methodenwahl und Wahl der Unterrichtsmaterialien sowie der Schülergruppen-Bildung und internen Leistungsbewertung.
  • Viele Länder haben Elternvertreter, die in Verwaltungsräten oder Verwaltungsorganen mitbestimmen, mitunter beratende Funktionen besitzen.
  • In etwa der Hälfte der Länder bestehen spezifische Vorschriften für die Errichtung von Elternvertretungen.
23 Qualitätssicherung    

Neben der Bildung von Schulpolitiken für eine Schulautonomie wurden verschiedene Maßnahmen eingeleitet, die eine kontrollierte Steuerung und Evaluation von Bildungssystemen ermöglichen.

Mit der Steuerung wird eine Prüfung des Systems, seine Qualität, Maßnahmen zur Rechenschaftspflicht und eine Anpassung zur Leistungsverbesserung angestrebt. Die Steuerung wird auf der Ebene der Schulen, regional oder national, vorgenommen.

In Europa werden zentrale standardisierte Kriterien für externe Evaluationen von Schulen oder Tests als Instrument für Messungen und eine Steuerung der Qualität eingesetzt. Landesweite Tests von Lernenden, etwa als externe Abschlussprüfungen, finden statt (vgl. EURYDICE 2009b).

Die folgenden Aspekte zeigen wesentliche Überlegungen zur Thematik auf.

  • In vielen Ländern finden Evaluationen durch einen Schulbesuch der Schulaufsicht oder Schulpersonal intern oder Mitglieder der Schulgemeinschaft statt.
  • Viele Länder verfügen über aktualisierte Kriterienkataloge der zentralen Ebene für eine externe Evaluation.
  • Zunehmend an Bedeutung finden externe Tests zur Leistungsmessung Lernender auf nationaler Ebene.
  • Ergebnisse externer Evaluierung werden in mehr als einem Drittel der Länder veröffentlicht.
Literaturhinweise I-II/ Auswahl    

Angeführt sind jeden Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.

Battke A.-Fitzner Th.-Isak R.-Lochmann U. (2002) (Hrsg.): Schulentwicklung-Religion-Religionsunterricht. Profil und Chance von Religion in der Schule der Zukunft, Freiburg

Boos-Nünning U.-Karakasoglu Y. (2006): Viele Welten leben. Zur Lebenssituation von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund, Münster-New York-München-Berlin

Brauer M. (2014): An der Hochschule lehren. Praktische Ratschläge, Tricks und Lehrmethoden, Berlin-Heidelberg

Council of Europe (Hrsg.) (2008): White Paper on Intercultural Dialogue. "Living Together as Equals in Dignity", 118th Ministerial Session, Strassbourg, 7 May 2008, Strassbourg: Coucil of Europe

Dichatschek G. (1991). Schulische Berufsorientierung von Mädchen. Probleme, didaktische Ansätze und bildungspolitische Forderungen, in: Erziehung und Unterricht 7/8 1991, 631-637

Dichatschek G. (2007): Lebens- und Lernbedingungen von Kindern und Heranwachsenden in der EU. Ein Beitrag zur politischen und Menschenrechtsbildung im Rahmen der "Education for Democratic Citizenship", in: Erziehung und Unterricht 1-2/2007, 129-138

Dichatschek G. (2008): Aspekte der vorberuflichen Bildung in Schule und Hochschule, in: Erziehung und Unterricht 5-6/2008, 445-451

Dichatschek G. (2017): Didaktik der Politischen Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder der Fachdidaktik der Politischen Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2021): Berufsorientierung - Theorie, Praxis und Handlungsfelder. Aspekte des Überganges von der Schule in die Arbeitswelt, Saarbrücken

Dichatschek G. (2021): Interkulturelle Kompetenz. Theorie, Praxis und Handlungsfelder im Kontext Interkultureller Öffnung und Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2022a): Schulentwicklung 1 - Unterrichtsentwicklung und Personalentwicklung. Gestaltung, Verwaltung und Machbarkeit im Kontext Politischer Bildung, Saarbrücken

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III Digitales Lernen und Lehren    

Vorbemerkung    

Die folgende Studie zu Themen des "Lernens und Lehrens mit Technologien" hat ihre Grundlage in der Bedeutung der verschiedensten Anwendungen, Einsatzgebieten, Perspektiven und Technologien. Der zunehmende Einsatz erfordert eine Auseinandersetzung mit dem Fachgebiet in einem interdisziplinären Ansatz.

Ausgangspunkt der Überlegungen sind die

  • Absolvierung des Online-Kurses "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner*innen"/ TU Graz, CONEDU (2017),
  • Absolvierung der Fernstudien Erwachsenenbildung und Nachhaltige Entwicklung/ Comenius Institut-Münster (2018, 2020) und
  • Auseinandersetzung mit der Fachliteratur.
Die Überlegungen beruhen ausschließlich auf persönlichem Interesse, einer langen Netzwerkarbeit und versteht sich als Einstieg in ein weites Themenfeld.

24 Einführung    

Als Einstieg in ein interdisziplinäres Themenfeld technologiegestützten Lernens und Lehrens geht es zunächst um Grundbegriffe.

Hilfreich sind deutschsprachige Handbücher als Einführung zum Online-Lernen ISSING-KLIMSA 2008, zum E-Learning HOHENSTEIN-WILBERS 2002, Innovativen Lernsystemen KUHLMANN-SAUTER 2008, erziehungswissenschaftlich als Einführung in ein Lehren und Lernen mit Medien STRITTMATTER-NIEGEMANN 2000.

Basis der Studie sind EBNER-SCHÖN 2011 und der Online-Kurs "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner*innen" der TU Graz/CONEDU 2017.

Lerntechnologien bilden zunächst digitale Geräte und Anwendungen zur Unterstützung des Lernens und Lehrens wie Präsentationstechnologie (Tageslichtprojektor, Diaprojektor), Kommunikationstechnologie (Telefon FAX), Computertechnologie (PC, Laptop), Internettechnologie (E-Mail, World Wide Web) und Sensortechnologien (RFID, GPS bei Mobiltelefonen).

  • E-Learning - Lern- und Lehrsituationen in Verbindung mit Computer und Internet (häufig Netzwerken),
  • Online-Lernen - Lern- und Lehrsituationen für das internet- bzw. intranetgestützte Fernlernen,
  • Blended Learning (gemischtes Lernen) - Präsenzunterricht ergänzt mit Online-Phasen,
  • Wikis -Lern- und Lehrsituationen mit Inhalten von mehreren Benutzern,. aber nicht gleichzeitig bearbeitbar,
  • formal-learning (gesteuertes Lernen), non-formal-learning (selbstgesteuertes Lernen) und informal learning (natürliches Lernen im Alltag),
  • lebenslanges Lernen (lifelong learning, lebenSbegleitendes Lernen) - lebensumspannendes Lernen und Lehren
Bezugsdiszipline bilden hauptsächlich der pädagogisch-psychologische Bereich und die Informatik. Kleinere Fachgebiete bilden die Medienpädagogik, Berufspädagogik, Personalentwicklung, Bildungsmanagement und Organisationsentwicklung.

Thematisch geht es um eine Einführung, Digitalisierung, technische Übersicht, Fernunterricht, Didaktik, Medienpädagogik, medienbasiertes Lernen, Leistungsbeurteilung und Lernen und Lehren mit Erwachsenen. Erkennbar ist die Weite des Themenfeldes durch die Bezugsdiszipline.

25 Digitalisierung    

Im Folgenden wird auf die Begrifflichkeit, Wandelphänomene und Bildungssysteme eingegangen.

25.1 Begrifflichkeit    

"Digital" kommt vom Englisch "digit" und bedeutet Ziffer, meint ursprünglich wohl in Zahlen gefasst. Eigentlich etwas, das unabhängig vom Computer ist. Etymologisch dürfte das von arabischen "diglit" kommen, das ursprünglich "Finger" bedeutet. es verweist auf das Zählen mit den Fingern, das daraus entstehende Dezimalsystem. Man findet das etwa in den Qualitätsdatteln "Diglit Nur" ("Finger des Lichts").

Digital ist somit nahe an Dezimal. Der Computer ist aber eigentlich nicht digital, sondern binär. Das Digitale/Dezimale ist ein Thema des "interface" bzw. Schnittstelle zum Menschen. Die binären Codes werden zum Zwecke der Kommunikation (HCI Human-Computer-Interface) in dezimale Ziffern und Zahlen verwandelt als Software-Angelegenheit. Hätte der Mensch acht Finger, wäre unser Zahlensystem vermutlich oktal, die CPUs (Central Processing Units) der Computer wären in einer oktalen Welt unverändert binär.

25.2 Wandelphänomene    

Das Elektrische (-e-Mail, e-Car, AT), Informatorische (i-X, iPad) und Digitale durchdringt immer mehr unser Welt, im Sinne des "uniquituouscomputing" (allgegenwärtiger Computer) bis zum kommunikationsfähigen Chip in der Schilift-Karte und in jedem Produkt. Der Lautsprecher wird zum Spracherkennungs-Endgerät (Alexa), der Kühlschrank der Zukunft "weiß" um einen Inhalt, die personenfreie Supermarkt-Kassa der Zukunft "liest" den Inhalt des Einkaufswagen durch Kommunikation mit den Produkten.

Das Orwellsche "1984" wird mehrfach übertroffen. Jedes Handy verortet seinen Träger und belauscht tendenziell mit Mikro und Kamera seine Umgebung. Die Smartwatsch/ Fitnessuhr vernimmt jeden Pulsschlag und Schritt der und protokolliert bzw. signalisiert Stress und Schlafqualität.

Erfindungen oder Ereignisse beeinflussen langfristig eine Entwicklung, oft im Verlauf von Jahrhunderten, auch in Form eines Lebenszyklus. Man denke etwa Acker, Eisen (zeit), Segelschiffahrt und Elektrizität. Auch die Entwicklung und Nutzung des Computers ist mitten in einer stürmischen Entwicklung, deren Ende oft nahe vermutet wird, aber derzeit 2022 weder inhaltlich noch zeitlich voraussehbar ist.

Digitalisierung als Nutzbarmachung von Computertechnologien ist ein Marathon, ein "moving target", nichts was sich erledigen lässt. Veranschaulicht wird diese Entwicklung beispielhaft. Apple setzt beginnend in 2020Q4 mit "Apple Silicon" neue Maßstäbe und schiebt die Grenzen des auf preiswerten Enduser-PC/Tablets/Smartphones Machbaren hinaus. Durch den Übergang auf 5-nm-Fertigungsprozess noch höher integrierte, leistungs-stärkere, energie-sparsamere und kosten-günstigere CPUs möglich sind. CPU wird zur SOC (System on Chip) aufgewertet, zusätzliche Komponenten zur CPU werden hinzugenommen: leistungsfähige GPUs (grafic processor unit) und erstmals spezielle Prozessoren, die ML (machine learning, neuronale Netzwerke wie etwa Spracherkennung und Bilderkennung) hochleistungsfähig unterstützen. Im ersten Chip M1 arbeiten auf diese Weise nun 32 Prozessoren parallel. Damit erfolgt ein fast disruptiver Entwicklungssprung, mit einem Anspruch auf Marktführerschaft, der die Konkurrenz (Indel, AMD, Nividia) aufrüttelt und zu massiven Reaktionen/ Innovationen/ Preissenkungen zwingen wird.

Für ein digitales Lernen und Lehren bedeutet dies einen weiteren Schub in Richtung leistungsfähigerer und preisgünstigerer mobiler Endgeräte in 2021-2022, verbunden mit Softwareprodukten wie Lernsoftware mit leichter Einsetzbarkeit und hochwertiger künstlicher Intelligenz.

25.3 Bildungssysteme und Digitalisierung    

Bildungssysteme sind träge Systeme, die Entwicklungen hinterherhinken. Das gilt für Österreich im Vergleich zum weltoffenen-kompetitiven (wettbewerbausgerichteten) Deutschland und zur finanzstark-ökonomieverständigen-partizipativdemokratischen Schweiz.

Entsprechend wären notwendig

  • eine Reform und Flexibilisierung des Bildungssystems als Ziel an sich (lebensbegleitende Weiterbildung, Weiterqualifizierung Lehrender),
  • eine Reform der Inhalte mit transparenter Neubewertung aller Wissensbausteine und Kompetenzen,
  • Voraussetzung neuer Fächer und Fächerverbünde,
  • ausreichende und gleichmäßig fließende Budgetmittel für eine Digitalisierung der Bildung als Daueraufgabe,
  • andere Reformnotwendigkeiten wie Lehrerbildung, Migration und Schularchitektur nicht zu marginalisieren,
  • digitale Potenziale mit mehr Partizipation und Zusammenarbeit zu heben und
  • Bildung zur Förderung von individuellen Stärken und lebendiger Vielfalt unter Einbeziehung aller Stakeholder einzusetzen.
26 Technische Übersicht    

Angesprochen sind Endgeräte im Bildungsprozess und Unterricht in ihrer Verwendung, historisch von der Kreidetafel bis zum PC-Laptop-Netbook (vgl. genau EBNER-SCHÖN 2017, 23-30).

  • Kreidetafel - geht auf James Pillans (1778-1864) zurück (vgl. WAGNER 2014, 170)
  • Whiteboards - Weiterentwicklung ab 1990 mit speziellen Filzstiften verwendet
  • Diaprojektoren - 1926 von Leitz (Wetzlar) entwickelt, Dias und Diastreifen werden durch ein Objektiv auf eine Fläche projiziert
  • Tageslichtprojektor (Overhead-Projektor) - 1960 entwickelt für transparente Folien für eine Projektionsfläche bei Tageslicht, Blickkontakt des Lehrenden zum Publikum
  • Epiprojektoren (Episkop) - Projektion undurchsichtigen Papiers ("Auflichtprojektion")
  • Fernseher, Videorekorder, DVD-Player - Fernseher geht auf ein Patent von Paul Nipkow 1886 zurück, in der Folge kommt es zu Flachbildschirmen verschiedener Größe - Videorekorder zeichnen Filme auf und spielen sie ab, 1996 kommt es zum DVD-PLayer mit hoher Kapazität
  • Touchscreen - Interaktion mit einem Computer durch Berührung des Bildschirms, früher oft bei Info-Monitoren und Bankomaten, heute in Mobiltelefonen, Tablet-PC, Laptop und MP3-Player
  • Videoprojektor ("Beamer") - Videosignal eines Computers oder DVD-Players auf Leinwand
  • PC, Laptop, Netbook - erster elektronscher Computer von Konrad Zuse um 1938-1945 entwickelt, moderne Computer basieren auf John von Neumann in den vierziger Jahren, der erste Laptop als mobiler PC wurde 1975 von IBM vorgestellt, das Netbook als kleinste Version hat oft nur eine geringe Leistung
  • Interactive Pen Displays - berührungsempfindlicher Bildschirm mit Stift, vergleichbar mit einem Tablet-Computer
  • Mobiltelefone - mit dem Smartphone als Mobiltelefon und Funktionalität von Personal Digital Assistents erweitert sind die Geräte ausgestattet mit hochauflösender Kamera, Internet, GPS-Modulen und Touch-Displays, erstes Smartphone 1992 von IBM entwickelt ("Simon")
  • aktuelle und zukünftige Technologien - wichtigste Zukunftstechnologie sind die Tablet-Computer in einer derzeit angebotenen Form als Apple iPad.
Multi-Touch-Technologie wurde erstmals 2005 für ein Steuerungspult von Mischpulten eingesetzt. In der Folge kam es zu den heute bekannten "Slates" (Tablet-Computer ohne externe Tastatur).

Die Vielfalt der Technologien in der Lehre und den Bildungsprozessen weist auf die weiteren Möglichkeiten hin. Allgemein gibt es immer Schwierigkeiten und Skepsis in der Verwendung, klar ist der weitere Weg im technologischen Fortschritt unter Beachtung der Medienpädagogik und Ingenieurpädagogik in Verbindung mit Informatik (vgl. WAGNER 2014, MELEZINEK 1977).

27 Fernunterricht    

Die Funktion von Interaktion, räumlicher und zeitlicher Flexibilität mit möglicher Didaktik wird als Entwicklung in drei Generationen (Entwicklungsabschnitte) unterschieden, ab ca. 1850 die Korrespondenz-Generation, ab ca. 1960 die Telekommunikations- oder Open-University-Generation und die Computer-und Internet-Generation ab ca. 1990.

Zu beachten sind in der Folge die Entwicklungen des Online-Lernens und neuere Entwicklungen eines mobilen und gemeinsamen Lernens (vgl. PETERS 1997, 27; EBNER-SCHÖN 2027, 45-53).

27.1 Mediengestütztes Lernen    

Technologiegestütztes Lernen ist mediengestütztes Lernen. Lernen steht im engen Zusammenhang mit Lehren, die Basislerntheorie bilden eine Lernkultur und die Didaktik.

Medien ermöglichen eine erweiterte Kenntnis von Inhalten und Lerntechniken. Kommunikation und Rückmeldungen(Feedback) als sozialer Prozess zwischen Lernenden und Lehrenden sowie der Kontakt zwischen den Lernenden ergeben eine moderne Interaktion durch eine IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie).

Die Entwicklung des Internets und die Didaktikmöglichkeiten für ein Online-Lernen ergaben einen Paradigmenwechsel.

  • Inzwischen bieten Universitäten Online-Kurse und Studiengänge.
  • Es gibt E-Learning in Schulen, in der Erwachsenenbildung im quartären Bildungsbereich und in der betrieblichen Qualifizierung (vgl. DICHATSCHEK 2017, 2018; Online-Kurs "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner*innen"/ TU-Graz, CONEDU 2017).
Fernlernen kennzeichnet die räumliche und zeitliche Trennung von Lehrenden und Lernenden, Medien ermöglichen erst Lernprozesse, eine Interaktion und Flexibilität. Unterschiedlich sind die didaktischen Möglichkeiten und inhaltlichen Angebote sowie die Zertifizierungsmöglichkeiten und Teilnehmergebühren.

27.2 Technologische Innovationen    

Nach GARRISON (1985, 239-240; zit. nach EBER-SCHÖN 2017, 46) werden drei Generationen/Entwicklungsabschnitte technologischer Innovation als Paradigmenwechsel des Lernens und Lehrens im Fernstudium unterschieden. Wesentlich sind die Printmedien, Telekommunikationsmedien und der Computer (zweikanalige Kommunikation), ergänzend unikanalig Radio, Fernsehen oder DVD.

  • Printbasierter Fernunterricht - Studienbriefe bzw. Unterlagen zum Selbststudium (vgl. LANGENSCHEIDT-TOUSSAINT Französisch Sprachkurse mit Lautschrift und in der Folge mit Schallplatte), wesentlich ohne Betreuung in den Anfängen und daher eigentlich kein Fernunterricht. Großbritannien gründete 1875 in Pretoria(SA) die "University of South Africa (UNISA)" als erste Fernuniversität der Welt.
  • Fernuniversität und Telekommunikation
    • Vorreiter ist die 1969 gegründete britische Open University (OUUK). 1974 wurde im deutschsprachigen Raum die Fern-Universität in Hagen gegründet, die heute noch die größte Universität Deutschlands ist. In den folgenden Fernuniversitäten wurde ein systemischer Ansatz angewandt, Prozesse der Kurskonzeption, mediendidaktische Aufbereitung und fachliche und organisatorische Betreuung der Studierenden in einem arbeitsteiligen Prozess. Studienzentren nach dem Vorbild der OUUK mit dem Zugang zur Technologie, Videokonferenzen, Studienmaterialien, Bibliotheksdienst, Studienberatung und Prüfungszentren bilden mit ihrer Gründung einen wichtigen Teil des Betreuungssystems (Fern-Universität Hagen mit 13 Regionalzentren).
    • Telekommunikationsmedien ermöglichen die Übertragung und Kommunikation von Ton, Bild und Text. Durch die Fülle der Möglichkeiten wie Telefon, FAX, TV, Video und Radio sowie Audio-, Video-und Computerkonferenzen entsteht die Bezeichnung "Multimedia Distance Teaching", neben den Fernuniversitäten auch etwa in Australien in den "Buschschulen" eingesetzt.
  • Computer - Internet ("Computer Assisted Learning"/ CAL)
    • Interaktion versteht sich als die Verbindung zum Computerprogramm, wobei allerdings der Programmierte Unterricht ohne soziale Interaktion und einem Dialog zwischen Lernenden und Lehrenden sowie Lernenden untereinander wenig erfolgreich ist.
    • 1989 veröffentlichte der Brite Tim BERNERS-LEE (CERN/ ""European Organization for Nuclear Research") ein Proposal mit der Vorstellung eines netzwerkbasierten Systems, in der Folge als "World Wide Web" (WWW) bezeichnet. Murray TUROFF vom New Jersey Institute of Technology (1995) gilt als Erfinder der Computerkonferenzmethode ("Computer M3ediated Communication"/CMC und Entwickler der CMC-Plattform "Virtual Classroom". In der Folge haben sich die heutigen Lern- und Campus-Management-Systeme entwickelt. Der persönliche Dialog und Tools für gemeinsames Lernen und Arbeiten sind der wertvollste Beitrag der neun Technologie für das Fernstudium (vgl. KIRKWOOD 1998, 1228-241, zit. nach EBNER-SCHÖN 2017, 50).
27.3 Technologiegestütztes Lernen    

Mitte der neunziger Jahre hat sich das Online-Lernen bzw. E-Learning stark entwickelt. Beispielhaft sind die USA mit 2007 2,9 Millionen Studierenden in Online-Kursen (vgl. ALLEN-SEAMAN 2008 > http://www.sloan-c.org/publications/survey/pdf/staying_the_course.pdf [7.1.21]).

In der Folge entschieden sich immer mehr jünger Personen nach der Schule für ein Online-Studium, die Gruppe der 25 bis 44jährigen gilt als die größte. In den USA wurden die Präsenzuniversitäten immer teurer und durch das notwendige Geld verdienen wird ein Studium in Teilzeit ein günstiges Bildungsangebot.

Mobile Endgeräte wie Handys und Tablet-Computer ermöglichen ein E-Learning am PC und den just-in-time Zugang zu Wissen und Information. Der demokratische Bildungsprozess erfährt damit eine Steigerung in seiner Entwicklungsstufe.

27.4 Gemeinsames Lernen im Web 2.0    

Web 2.0 ist eine Bezeichnung zur Beschreibung von neuen interaktiven Anwendungen des Internet und WWW. Die Nutzer können selbst Inhalte erstellen. Beispiele dafür sind die Wikis, Wedblogs und "Social Tagging" (gemeinschaftliches Indexieren) sowie Bild- und Video-Sharing-Portale.

Kooperatives Lernen bietet sich an (vgl. ERPENBECK-SAUTER 2007). Es entstehen eine Vielzahl von Web-Angeboten, die über keinen eigenen Datenbestand verfügen, vielmehr Daten von Dritten in neuen Diensten kombinieren ("Mash-Up"). Die Kreativität der Nutzer wird ein wesentliches Element. Beispiele sind Wikipedia und Flickr. Die Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten aus der Web-1.0 - Phase schwinden. "Soziale Netzwerke" wie Xing, Facebook, StudiVZ und Youtube sowie Kommunikationsmedien wie Blogs schaffen Räume von Kommunikation im Internet (vgl. WOLLING 2009, 7-18).

"Personal Learning Environments" (PLE) sind webbasierte Mashups mit einer individuellen Lernumgebung. Das selbstgesteuerte und aktive Lernen der Studierenden rückt mehr in das Zentrum (vgl. SCHAFFERT-KALZ 2008, 1-24).

28 Didaktik    

Lerntheorien bilden eine wichtige Grundlage für didaktische Entscheidungen und Lehrstrategien. Als Paradigmen gelten Behaviorismus, Kognitivismus, Konstruktivismus und mit Einschränkung Konnektivismus (vgl. EBNER-SCHÖN 2017, 93).

Ziele eines Lehrvorhabens sind entscheidend für eine Umsetzung bzw. Gestaltungsstrategie, unterstützt wird eine Analyse der Zielvorhaben durch Lehrzieltaxonomien. Zwei klassische Formate bilden darbietendes und entdeckendes Lehren in Verbindung mit entsprechender Lernumgebung.

28.1 Einführung    

Didaktik wird heute in der Erziehungswissenschaft als Wissenschaft vom Lehren und Lernen definiert (vgl. KLAFKI 1995, 92-93). Die Abgrenzung der Didaktik von der Methodik als Begriff spielt heute kaum eine Rolle. In der beruflichen Aus- und Weiterbildung wird Didaktik oft mit einer planmäßigen Vorgehensweise beim Lehren gleichgesetzt. Angenommen wird die Wechselwirkung zwischen Lehrenden, Lernenden und den Lehrinhalten (vgl. "Didaktisches Dreieck").

Lehren wird als zielgerichtetes Verhalten bzw. Handeln verstanden (vgl. STRITTMATTER-NIEGEMANN 2000, 9-10). Zu Lehrfunktionen gehören Motivation und Motivierung, Informationsvermittlung, Sichern des Verstehens und Verarbeitens, Sicherung des Behaltens und Erinnerns der Inhalte, im Ausmaß und der Zusammenstellung sowie der Sequenzierung (Abfolge), Sicherung des Wissenstransfers (Anwendung des Wissens) auf neue Aufgaben und Situationen und eine Anleitung zur Realisierung (Betreuung und Begleitung).

In der modernen Lehr-Lernforschung wird die Bezeichnung "scaffolding" in solchen Lehrmaßnahmen verwendet, um Lernenden eigene Einsichten zu verhelfen (vgl. SHUELL 1996, 752). Die folgenden Lernfunktionen von Lernenden und/oder der Lernumgebung initiiert, sollen einen angestrebten Lernerfolg erzielen, etwa Erwartungen generieren, Motivieren, Vorwissen aktivieren, Aufmerksamkeit lenken, Enkodieren (Einspeicherung kognitiver Inhalte), Vergleichen, Hypothesen generieren, Wiederholen, Rückmeldungen erhalten, Bewertungen erhalten, Überprüfen("monitoring") sowie Kombinieren und Integrieren des Gelernten. Offen bleibt die (Fach-) Didaktik und welche Sequenzen die Lernfunktionen erbringen sollen.

28.2 Übersicht Lerntheorien    

28.2.1 Behaviorismus    

Der Behaviorismus hat als Lerntheorie bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts die Prinzipien der Lernpsychologie dominiert. Grundlage ist das Reiz-Reaktions-Modell. Das Gehirn wird als Organ gesehen, das auf Reize mit angeborenem oder erlerntem Verhalten reagiert. Neue Reize formen das Verhalten.

Beim klassischen Konditionieren ein neutraler Reiz zeitlich mit einem Reiz gekoppelt, der eine reflexartige Reaktion auslöst, das funktioniert bei physiologischen und emotionalen Reaktionen (Furcht, Stress; vgl. WATSON-RAYNER 1920,1-14).

Beim operanten Konditionieren wird ein spontanes Verhalten mit einem angenehmen Reiz oder der Entfernung unangenehmer Reize verstärkt und damit geformt (vgl. SKINNER 1954, 221-233). Das Verhalten wird durch eigenes Tun und Nachahmung erlernt. Mit dem "Lernen am Modell" hat BANDURA (1977) um kognitive Aspekte erweitert.

Lernen als Sonderform des Verhaltens wird als eine Form des Trainings verstanden. In der Folge kommt es zwangsläufig zu einer autoritären Rolle des Lehrenden (vgl. EBNER-SCHÖN 2011, 95).

28.2.2 Kognitivismus    

Mit Beginn der achtziger Jahre kommt es durch die zunehmende Bedeutung der technischen Gebiete, benannt als "Informationsverarbeitungsparadigma", zum lerntheoretischen Führungsanspruch (vgl. BAUMGARTNER-PAYR 1999). Lernen gilt als mentaler Prozess, der sich in der Informationsverarbeitung im Computer modellieren lässt.

Es kommt zur Aufnahme und Verarbeitung von Informationen mit dem Erwerb von Wissen. Lern- und Lehrprozesse sind zumeist sprachlich codierte Informationen vom Sender (Lehrenden) zum Empfänger (Lernenden). Der konnektionistische Ansatz ergänzt oder modifiziert mit biologischen Modellen den Kognitivismus (vgl. REY 2000).

Kennzeichnend ist die Kennzeichnung und Suche nach kognitiven Prozessen. Die Lehrenden bereiten Inhalte didaktisch auf, um die Informationsverarbeitung zu erleichtern. Das Kommunikationsverhältnis ist bidirektional (vgl. BAUMGARTNER-PAYR 2004).

28.2.3 Konstruktivismus    

Varianten dieser Lerntheorie beziehen sich auf die Erkenntnistheorie, Neurobiologie, Gehirnforschung; Kommunikationswissenschaft, Wissenssoziologie und Kognitionsforschung (vgl. PÖRKSEN 2001). Gemeinsam den wissenschaftstheoretischen Ansätzen ist die Auffassung, dass sich die Realität nicht objektiv wahrnehmen und beschreiben lässt und daher nicht voraussetzungsfrei erkannt werden kann (vgl. EBNER-SCHÖN 2011, 96).

Denken, Wahrnehmung und Erkenntnis beruhen auf den Konstruktionen eines Beobachters. Der Mensch bildet ein System, das mit der Umwelt verbunden ist. Unser Gehirn reagiert nur auf bereits verarbeitete und interpretierte Information von außen (Autopoieis). Lernen ist demnach ein autopoietischer Vorgang, von außen angeregt oder gestört.

Es bedarf Lernumgebungen mit komplexen Problemen und authentischen Inhalten, der Anregung eigener Erfahrungen und Anlässen für sozialen Austausch (vgl. REUSSER 2006, 151-168). Wissen ist demnach eine individuelle und soziale Konstruktionsleistung des Menschen.

Feldstudien mit teilnehmender Beobachtung und interpretativen Verfahren sollen komplexe Phänomene besser verstehen. Der Mensch unter dem Aspekt des Konstruktivismus gestaltet seine Umwelt und verändert sie. Lehren und Lernen gelten als unterschiedliche Systeme, eventuell lose verbunden. Demnach erscheint Lehren wenig sinnvoll (vgl. EBNER-SCHÖN 2011, 96). Als Coach hat der Lehrende einen Erfahrungsvorsprung und unterstützt Lernaktivitäten.

28.2.4 Konnektivismus    

Als eigene Lerntheorie umstritten, versteht Konnektivismus Lernen als einen selbstorganisierten Prozess, der sich in Netzwerken vollzieht und in der Bereitstellung von Verbindungen besteht.

Es verlagert sich der Ansatz auf ein verteiltes Wissen zur Nutzung in realen und virtuellen Netzwerken ( vgl. MOSER 2008). Der Ansatz geht von der Beobachtung aus, dass Menschen eher neue Zusammenhänge in einer medialen und technisierten Welt herstellen als Neues konstruieren. Ausgehend von einer sich rasch ändernden Welt, Entscheidungen treffen zu müssen, werden diese bereits als Lernakt gesehen.

Eine Vermittlungsdidaktik ist hier nicht möglich. Die Lernenden sind in der Verantwortung, sich gegenseitig zu unterstützen und die vorhandenen Informationsquellen zu nützen. Lehrende können bestenfalls Netzwerke ermöglichen.

28.3 Lehrzieltaxinomien    

Als Klassifikationsschema mit einheitlichen Regeln werden Gegenstände, Prozesse oder Phänomene geordnet.

Eine Lehrzieltaxinomie ordnet konkrete oder abstrakte sowie fachliche oder überfachliche Lehrziele. Verschiedene Dimensionen des Lernens wie kognitive, emotionale und motorische Lehrziele können festgemacht werden. Das klassische Beispiel einer Lehrzieltaxinomie bildet die Taxinomie in den fünfziger Jahren von BLOOM und Mitarbeitern mit kognitiven, affektiven und psychomotorischen Lehrzielen (vgl. BLOOM-KRATHWOHL 1956).

In der Folge haben ANDERSON und KRATHWOHL (2001) die Taxonomie von Bloom überarbeitet. Ihre Matrix bezieht sich ausschließlich auf die Kognition (Faktenwissen, Konzeptwissen, Prozesswissen, Metakognitionswissen/ Wissen über das eigene Wissen).

Als Alternative werden mitunter Lernzieltypen empfohlen (vgl. OSER-PATRY 1990). Die Lehrziele sind weder hierarchisch noch nach Dimensionen klassifiziert. Jeder Lernzieltyp wird einer bestimmten Lernform zugeordnet und bildet damit ein Basismodell.

  • Lernen durch Eigenerfahrung und entdeckendes Lernen,
  • Begriffs- und Konzeptbildung zum Aufbau von Fakten, Sachverhalten und vernetztem Wissen sowie
  • Routinebildung und Training von Fertigkeiten als Ziel einer Automatisierung.
29 Medienpädagogik    

Medienerziehung bzw. Medienbildung ist aus unserem Bildungssystem aktuell nicht wegzudenken. Pädagogik und Didaktik bilden Schwerpunkte. Als weites Themenfeld gibt es unterschiedliche Strömungen in der Medienpädagogik.

Nach EBNER-SCHÖN (2011, 103-105) spielen aktuell die bewahrpädagogische, kritisch-emanzipative, bildungstechnologische und handlungsorientierte Medienpädagogik eine Rolle. Ziel ist die Ausbildung von Medienkompetenz, das Web 2.0 erhält zunehmende Bedeutung.

Unterschiedliche Fachbereiche mit ihren Fragestellungen beeinflussen die Medienpädagogik, die Erziehungswissenschaft, Medienwissenschaft, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Soziologie (vgl. SWOBODA 1994, 11-24; BAACKE 2007, 4).

Erziehungs- und Bildungsprozesse betreffen etwa die Freizeit, Aus- und Fortbildung, Politische Bildung, Interkulturalität, Wirtschaftspädagogik und Berufspädagogik.

29.1 Strömungen der Medienpädagogik    

Verschieden Strömungen der Medienpädagogik unterscheiden sich im Laufe der Zeit, bestehen mitunter bis heute parallel nebeneinander wie die traditionell bewahrpädagogische, kritisch-emanzipative, bildungstechnologische und handlungsorientierte Position.

  • Die bewahrpädagogische Position steht für eine Schutz vor schädlichen Medieneinflüssen im Erziehungsprozess der neuen Medien und Massenmedien (vgl. POSTMAN 2003, SPITZER 2006).
  • Dir kritisch-emanzipative Position geht von der Kritischen Theorie aus, eine Auseinandersetzung mit Print- und E-Medien und ihren Herrschaftsstrukturen zu führen. Die Sozialwissenschaften setzen auf politisch-orientierte Gesellschaftsveränderung (vgl. GANGUIN-SANDER 2008, 62). Es fehlt dem Ansatz die Praxis und Handlungsorientierung, in der sie wirksam hätten werden können. Für die Politische Bildung von Interesse wäre eine Bildung einer Gegenöffentlichkeit und das aktive politische Individuum.
  • Die bildungstechnologische Position bemüht sich um die Einsatzmöglichkeiten von Medien in Bildungsprozessen, um Lehre und Lernen zu verbessern (vgl. HÜTHER-PODEHL 2004, 117).
  • Die handlungsorientierte Position verbessert die Benützung. Die handlungsorientierten Medien der achtziger Jahr mit einem Bürgerjournalismus und offenen Kanälen verbessern die Nutzung von Medien, in der Folge entsteht das Konzept der Medienkompetenz. Damit erkennt man den Kontext der Medienpädagogik mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen und der aktuellen partizipativen Struktur mit den Web 2.0 Medien.
29.2 Medienkompetenz    

Mit BAACKE (2007) erhielt der Begriff Bedeutung, wobei Medienkompetenz aus dem Konzept der "Kommunikativen Kompetenz" von Jürgen HABERMAS entwickelt wurde.

Hier wird die umfassende Fähigkeit des Menschen sich zu verständigen, mittels Symbolen sprachlicher und nicht-sprachlicher Art, verstanden (vgl. SCHORB 2009, 50-56). Ziel ist die Gestaltung und Veränderung des Zusammenlebens von Menschen.

  • Kommunikation ist demnach auf eine soziale Realität ausgerichtet. In der Vielfältigkeit der Begrifflichkeit ist Medienkompetenz von der aktuellen Medientechnologie abhängig (vgl.
STRITTMATTER-NIEGEMANN 2000, 38; EBNER-SCHÖN 2011, 107).

  • Abgedeckt wird in der kognitiven Dimension die Medienkunde, in der Handlungsorientierung die Mediennutzung, in der moralischen Dimension die Medienethik und in der ästhetischen Dimension die Mediengestaltung.
  • Den Aufbau von Medienkompetenz im formellen Lernen bzw. Lehren betrifft die Schule, Hochschule und außerschulischen Bildungsbereich der Jugendarbeit und besonders Berufliche Bildung.
Digitale Medienkompetenz bedeutet ein aktive (Erstellung, Gestaltung, Publikation) und passive Kompetenz (Konsum, Auswertung, Bewertung) mit der Besonderheit

  • Digitale Medien sind tendenziell Massenmedien (weltweiter Zugriff),
  • für den Einzelnen fast kostenfrei,
  • für die Betreiber mit erheblichen Kosten verbunden, finanziert zumeist durch Einnahmen aus Produkten oder Benutzungsgebühren,
  • Bildungsanbieter benötigen ein IT-Budget und
  • zielgerichteten Werbeflächen und einer Auswertung der Benutzer ("gläserner Mensch").
30 Medienbasiertes Lernen    

30.1 Planung und Gestaltung    

Die Konzeption mediendidaktischer Lehrmedien in medienbasierter Lernumgebung bedarf systematischer Planung und Gestaltung.

Lehrmedien müssen anders als bei der Planung im Unterricht die Grundlage für weitgehend selbständiges Lernen bis in alle Einzelheiten konzipiert und entwickelt werden (vgl. STRITTMATTER-NIEGEMANN 2000, 7-17). Aus heutiger Sicht ist der fehlende Bezug zu einem psychologischen Modell des Lehr-Lern-Prozesse problematisch.

Eine andere Entwicklung, die in Europa kaum verwendet wird, entwickelte sich in Nordamerika. "didactical" im nordamerikanischen Englisch hat eine eher negative Konnotation. Sie steht für einen rigiden und lehrerbestimmten Unterricht im Stil der religiösen Sonntagsschulunterweisung (also frontal-dominierend-reproduzierend-auswendig-lernend im Format eines didaktischen Materialismus).

Planungsmodelle für Bildungsangebote unterscheiden verschiedene Lehrziele und Lehrzielkategorien in bestimmter Folge von Lernschritten.

Dieses "Instructional Development Model"/ ID umfasst den Schulunterricht bis zur computerunterstützten Lernumgebung (vgl. GUSTAFSON-BRANCH 1997).

Kern dieses Ansatzes bzw. der Theorie sind

  • Empfehlungen, was zu tun ist,
  • unter bestimmten Rahmenbedingungen mit bestimmten Lernvoraussetzungen,
  • Lernziele einer Kategorie zu erreichen.
30.2 Instruktion    

Instruktion geht von Instruktionstheorien aus und umfasst Demonstrieren, Erzählen und Erklären sowie Materialien, Aufgabenanforderungen und Reaktionen auf die Aktivitäten Lernender.

Damit ist Instruktion umfassender als Unterricht und beinhaltet die Entwicklung von Lehrmedien und deren Einsatz (vgl. STRITTMATTER-NIEGEMANN 2000, 8). ID hat in den USA seit den sechziger Jahren eine Technologie der Planung und Gestaltung von Bildungsprozessen auch in der Weiterbildung entwickelt, Pionier ist Robert M. GAGNE (1985). Unterschieden werden fünf Lehrzielkategorien.

Grundprinzip der ID ist die Sicherung der Lernvoraussetzungen für die folgenden Lehrinhalte. Erforderlich ist eine Kategorisierung der Fähigkeiten.

  • Sprachliches Wissen - Bezeichnungen, Argumente, Faktenwissen und Theorie,
  • Kognitive Fähigkeiten - Unterscheidungsfähigkeit, anschauliche und abstrakte Begriffe, Regeln und Problemlösung,
  • Kognitive Strategien - Methodenentwicklung zur Effizienzverbesserung von Denk- und Lernprozessen,
  • Einstellungen - mentale Zustände bei Handlungsentscheidungen gegenüber Menschen, Dingen und Ereignissen,
  • Motorische Fähigkeiten - praktische Aufgaben unter Benutzung von Geräten und Materialien, Verfahren korrekt und flüssig in angemessener Zeit und Genauigkeit erfüllen.
Für die angestrebten Lernresultate werden entsprechende Lehrmethoden empfohlen. GAGNE (1985, 245) unterscheidet eine spezifische Abfolge von Lehrereignissen ("Lehrschritte"). Damit werden die notwendigen Lernbedingungen für die Aneignung der Fähigkeiten bezeichnet.

  • Gewinnen von Aufmerksamkeit
  • Information über Lehrziele
  • Aktivierung von Vorwissen
  • Darstellung des Lehrstoffes
  • Anleitung zum Lernen
  • Ausführung des Erlernten
  • Rückmeldungen geben
  • Kontrolle der Leistung und Beurteilung
  • Sicherung des Transfers
30.3 Digitale Potenziale    

Digitale Potenziale bilden

  • eine verstärkte digitale Kommunikationsmöglichkeit und Partizipation aller Beteiligten des Bildungssystems,
  • digitale Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien, etwa eine kostenfreie Gesamtbibliothek bis zur Reifeprüfung, ein Memory-Stick für jeden Staatsbürger,
  • Digitale Erklärvideos integrierbare in den Unterricht,
  • Aufbau von Online-Kursen in den einzelnen Bildungsbereichen für Qualifikationen und
  • Gamification von Lerninhalten, Flipped Classroom (Lernen zu Hause).
30.4 Technische Infrastruktur    

Bandbreite ist der Ausdruck für die Datenmenge in Bit oder Byte, die über eine bestimmte Datenleitung pro Zeiteinheit/ Sekunde transportiert werden kann. Moderne Internetverbindungen für Videos und schnelle Downloads werden als "Breitband" bezeichnet und liegen im Bereich 1-1000 MBit/s.

Server im Eigentum und unter Kontrolle einer Bildungsinstitution zur digitalen Unterstützung der Lehrenden und Lernenden dienen beim digitalen Lernen und Lehren in der Bildungsinstitution und von Zuhause ("distance Learning").

Allgemein verfügbare digitale Mediensammlungen (digitale Mediathek) bilden Speicherbereiche nach Fachbereichen und nach Zeitablauf.

30.5 Entwicklung von Lehr- und Lernsituationen    

Das Phänomen M 0 0 C (Massive Open Opline Course) meint Online-Kurse, die von zahlreichen Lernenden absolviert werden können. Bekannt wurden solche Online-Kurse von US-Elite-Universitäten, die für einige Jahre zu einer Zukunftsvision der universitären Bildung wurden.

Digitale Bildung eröffnet Entwicklungsvisionen für ländliche und periphäre Gebiete.

  • Lernende können hochqualitative Studien und Abschlüsse absolvieren ohne abzuwandern. Notwendig ist eine Breitband-Versorgung, in der Folge für die Gründung und Ansiedlung von Unternehmen.
  • Für eine Attraktivität der Region für städtische Zuzügler und Touristen ist ebenso die Breitband-Versorgung unabdingbar.
30.6 Problembereiche    

Als mediierende Position gelten Vor- und Nachteile auch für digitales Lernen und Lehren.

  • Als "Lernen mit Tastatur und Bildschirm" wird die soziale Seite verdrängt, weil Lernen im Kontakt und durch Kommunikation durch den Folter einer Videoübertragung behindert wird. Vermutlich wird es Verlierer und Gewinner geben, Menschen mit und ohne Talent dafür.
  • Geschaffen wird eine Vertrautheit mit digitalen Produkten und Werkzeugen, was sowohl im Alltag als auch in der Wirtschaft verlangt werden.
  • Die Versuchung "Kopieren und Einfügen" lässt schwerer die Eigenleistung ablesen. Es besteht die Gefahr einer solchen Einstellung durch die Schule und Mitnahme bis in den universitären Bereich ohne Unrechtsbewusstsein (Stichwort "Plagiate").
Unverzichtbar ist digitales Lernen und Lehren in bestimmten Situationen, die einen Erwerb zur Fähigkeit von Selbst-Organisation und Selbst-Disziplin notwendig machen. Zu beachten sind diese Teilschritte auf einem Weg zur Bildungs-Autonomie mit Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation (lebensbegleitendes Lernen).

31 Leistungsbeurteilung mit E-Assessment-Systemen    

Nach der Phase der Vermittlung von Wissen erhalten zunehmend computerunterstützte Prüfungen Bedeutung.

E-Assessment-Systeme ergeben eine elektronische Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Kontrollen eines Lernfortschritts. Im Folgenden geht es um didaktisch-methodische und organisatorische Aspekte.

  • Eine Lernfortschrittskontrolle it die Abfrage, Messung und Bewertung des internalisierten Wissens und der Methodenbeherrschung eines Lernenden. Ziel ist die Information über den Lernstand.
  • E-Assessments haben die Anforderungen auf die Dimensionen der Didaktik, Methodik und Organisation zu erfüllen (vgl. GRUTTMANN 2010). Zu beachten ist ergänzend die technische Unterstützung.
Didaktik - Einfluss auf Lehr- und Lernziele, beeinflusst die Art der Lernfortschrittskontrolle (LFK) - formatives Assessment mit mehreren kleineren Prüfungen im Rahmen des Lernprozesses, kontinuierlicher Überblick über Lernfortschritte - summatives Assessment mit Erreichen des Lernziels, Abschluss der Lernphase mit Zertifizierung - diagnostisches Assessment mit unterschiedlichen Formen wie lernbegleitendem oder selektivem Charakter

Methodik - konvergente Aufgaben mit genauer Definition der Lösung( etwa Multiple Choice-Aufgaben) - divergente Aufgaben erfassen Hintergrundwisssen, Lösungswege und Begründung (etwa Freitextaufgaben)

Organisation - Gliederung notwendig in Phasen

  • Vorbereitung - Fragenkatalog, Teilnehmerliste, Raum- und Zeiteinteilung sowie Datenaufnahme
  • Durchführung- Systembetrieb, Anwesenheit und Identität der Teilnehmenden, Hinweise auf Durchführung und
  • Nachbereitung - Korrektur der Arbeiten, Rückmeldung und Notenlisten, Archivierung
E-Assessment-Systeme können eine Verbesserung der Effizienz und Effektivität bewirken. Die drei Dimensionen sind zu berücksichtigen. Die zunehmende Zertifizierungsnotwendigkeit im Hinblick auf eine Leistungsorientierung in der Gesellschaft und in den Bildungssystemen macht vermehrt LFK und Prüfungen notwendig.

32 Lernen und Lehren in der Erwachsenenpädagogik    

Lernen und Lehren im tertiären und quartären Bildungsbereich mit Technologien ermöglicht

  • mehr Selbststeuerung,
  • Anwendungsorientierung und Flexibilität,
  • bei der Gestaltung von Lehr- und Lernangeboten in Studieninhalten, beruflicher Fortbildung und privaten Kontexten sowie dem lebensbegleitenden Lernen.
Zu beachten sind die bestehenden Vorbehalte und/oder fehlenden institutionellen Rahmenbedingungen. Mit den Möglichkeiten des Web 2.0 und zunehmenden Internationalität der Erwachsenenpädagogik erhalten technologiebasierte Bildungsprozesse eine Bedeutung (vgl. E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa/ EPALE > https://ec.europa.eu/epale/de/resource-centre/content/netzwerk-gegen-gewalt ; > https://epale.ec.europa.eu/de/node/152088 [12.01.21] ).

Im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern bedarf es vermehrter interessanter Angebote.

Erwachsenenpädagogik betrifft den tertiären Bildungsbereich (Hochschulen) und quartären Bildungsbereich mit Allgemeiner Erwachsenenbildung und der Breite der Beruflichen Erwachsenenbildung mit Berufsqualifikationen.

  • Aus dieser Perspektive geht es in Bildungsprozessen um neues Wissen auf dem Hintergrund der Vorbildung (vgl. die Bedeutung einer professionellen Bildungsberatung).
  • Technologie wird dem Wunsch nach Selbststeuerung gerecht, indem sie zu einer Flexibilität in den Lern- und Lehrprozessen führt. Ein Zugang zum Lernen wird erleichtert und individuelle Lernwege unterstützt.
  • Technologiegestütztes Lernen ersetzt keinesfalls die notwendige Interaktion der Lernenden mit Lehrenden face-to-face und erreicht keine vergleichbare Qualität wie Präsenzveranstaltungen. Blended-Learning-Konzepte bilden einen Königsweg.
  • Ältere Erwachsene und medienaffine jüngere Erwachsene bedürfen eines sicheren Umgangs mit den Medien und einer Einsicht in einen Mehrwert.
  • Ein sinnvoller Technologieeinsatz setzt eine Medienkompetenz der Lehrenden voraus (vgl. die Bedeutung des Online-Kurses "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner*innen"/TU Graz-CONEDU).
  • Erwachsenenpädagogik für Lehrende gilt als am wenigsten professionalisierter Bildungsbereich, zumal die Breite der Ausbildung der Lehrenden keineswegs eine professionelle Aus-und Fortbildung voraussetzt (vgl. für den Hochschulbereich die Angebote der internen Personalentwicklung bzw. Interne Lehrgänge für Hochschuldidaktik; für den Bereich der Allgemeinen Erwachsenenbildung die Weiterbildungsakademie Österreich, interne Aus- bzw. Fortbildungsangebote der einzelnen Institutionen; EBNER-SCHÖN 2011, 387-388).
  • Erfolgreiche Bildungskonzepte setzen Medien und Technologie auf mehreren institutionellen und didaktischen Ebenen ein. In Frage kommen Web 2.0., Soziale Online-Netzwerke, Wikis oder Blogs. Web 2.0 bietet etwa "Peer-Learning" an und kann neben den anderen Möglichkeiten gut in "Blended-Leaning-Konzepte" eingebunden werden.
Die Frage der Zukunft technologiegestützter Erwachsenenpädagogik wird vermutlich die folgenden Ziele längerfristig betreffen (vgl. ISSING 2002).

  • Politische Ziele - Zugang zur Bildung
  • Ökonomische Ziele - Erhöhung der Kostenflexibilität, Reduktion von Leerlaufzeiten
  • Didaktische Ziele - Erhöhung der Lerneffizienz und Anwendungsorientierung
  • Inhaltliche Ziele - Förderung der Medien-, Selbstlern- und sozialen Kompetenz
Literaturhinweise III    

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IV Bildungssoziologie    

Vorbemerkung    

Als Teildisziplin der Soziologie ist der Themenbereich für die Erziehungswissenschaft und das Lehramt von Interesse ( vgl. LÖWW-GEIER 2014, 11).

  • Aus der "Pädagogischen Soziologie" (vgl. BÖHMISCH 1996) entwickelte in einem Paradigmenwechsel sich die "Soziologie der Bildung und Erziehung".
  • Mit der Soziologie werden die gesellschaftlichen Grundlagen beleuchtet.
  • Entsprechend sind sie in der Folge die Themenbereiche aufgebaut.
Grundlage der folgenden Überlegungen und inhaltlichen Auseinandersetzung sind die Basiswerke der Bildungssoziologie und Universitätslehrgänge bzw. der Interne Lehrgang für Hochschuldidaktik.

33 Einleitung    

Max Weber definierte 1920 Soziologie als Wissenschaft, "[...] welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will" (original WEBER 1921, 1; 1980). Sein Ausgangspunkt ist der subjektiv gemeinte Sinn, mit dem die Menschen ihre Handlungen intentional verstehen. Aufgefordert ist nun die Soziologie, sinnhafte Handlungssituationen zu rekonstruieren und nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen.

Emile Durkheim geht einer anderen Vorstellung von Soziologie nach. Soziale Ordnung lasse sich nicht über individuelle Handlungen erklären, vielmehr durch das "Kollektivbewusstsein", das in in einer Gesellschaft für alle Gruppen Gültigkeit besitzt und die Generationen verbindet (vgl. DURKHEIM 1999, 128). Die Soziologie ist für ihn die Wissenschaft von den Institutionen, deren Entstehung und Wirkungsart (vgl. DURKHEIM 1961, 100). Aufgabe wäre die "soziale Tatsachen" zu analysieren, die individuelle Handlungen erbringen.

Der Gegenstand der Soziologie hat sich in der Folge verfeinert und neuen Erkenntnissen angepasst. Die Grundidee einer Analyse der Strukturen, Institutionen und Systeme ist geblieben, heute werden in Konzeptionen Individual- und Kollektivebene verknüpft (vgl. LÖW-GEIER 2014, 13).

Am Thema Bildung zeigt sich die Aktualität der Forschung ab der siebziger Jahre wie in den Themen (LÖW-GEIER 2014, 16-20)

  • soziale Ungleichheit mit Aspekten der Schulreform, Reformuniversitäten und verschobener Selektion (vgl. HARTMANN 2007, 2013) sowie dem Unvermögen soziale Ungleichheit über Bildung zu beheben, ein Problem bleibt die Beteiligung an Bildungsprozessen schichtenspezifisch und vor allem interkulturell,
  • Bildung als ökonomische Frage mit Aspekten des Fachkräftemangels, zunehmender Verrechtlichung und Bürokratisierung der Bildungsinstitutionen, unterstellten informationstechnologischen Modernisierungsrückstand, lebensbegleitenden Lernen für fast alle Erwerbstätigen,
  • innovativer Bildungsunternehmen mit Aspekten einer Orientierung an Schlüsselqualifikationen, Kompetenzen, Ablehnung eines normierter Bildungskanons, Bildungsmanagement und Personalentwicklung,
  • PISA mit Aspekten einer Erweiterung großer Gruppen in der Bildungsbeteiligung und Bestimmung der Bildungslandschaft als "Wissensgesellschaft" als Prinzip einer modernen Gesellschaft (vgl. STEHR 2000, 78) und der Unterteilung von Wissen in Alltags-, prozedurales und wissenschaftliches Wissen,
  • Bildungsinstitutionen des Staates, Wirtschaft, Kirchen, Justiz und Wissenschaft in Verbindung mit der Durchsetzungsfähigkeit der Institutionen durch das Zutrauen in Lösungen in einem Zuwachs und Akzeptanz an Wissen (vgl. WINGENS 1999, 433-446),
  • Globalisierung mit Aspekten internationaler Konkurrenz von Bildung und Transformation in internationalen Standards.
34 Grundbegriffe    

Im Folgenden werden die Begrifflichkeiten Bildung und Erziehung/ Sozialisation soziologisch betrachtet.

34.1 Bildung    

Soziologisch entstammt der Bildungsbegriff einem normativ-idealistischen Umfeld.

  • Gleichzeitig ist Bildung in der modernen Gesellschaft eine Ressource.
  • Jenseits normativer Vorstellungen gibt es einen Verwertungsprozess von Bildungsinhalten und Zertifikaten, welcher für die heutige Gesellschaft konstitutiv ist.
  • So ist Bildung Ideal und Kapital gleichermaßen (vgl. LÖW-GEIER 2014, 21).
Das klassische Bildungsideal beginnt am Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung der Gesellschaft (vgl. LÖW-GEIER 2014, 22-24).

  • Es ist gegen den Utilitarismus, das Effektivitätsdenken und die Ausbildung gerichtet.
  • Das Bildungsideal im Neuhumanismus ist eine Vorstellung von der Verwandlung der Welt durch das Individuum. Vordenker sind Schiller, Herder und Wilhelm von Humboldt.
  • Bildung soll im Sinne der Selbständigkeit im Denken und Handeln sowie die Freiheit zu Urteil und Kritik ermöglichen (vgl. die Zielsetzung der Politischen Bildung).
  • Besonders HUMBOLDT bezieht sich auf das Ideengut der Antike. Wurzeln werden in der griechisch-hellenistischen Antike gesehen, dem Konzept der Paideia als Formung des Menschen zur Vollkommenheit an Leib und Seele.
  • Paideia wird als Notwendigkeit für das Gemeinwesen betrachtet.
  • In der Idee steckt die Vorstellung einer individuellen Entfaltung durch Wissens- und Entscheidungszuwachs. Über Bildungsprozesse lernt das Individuum die gesellschaftlich relevanten Inhalte kennen.
Wilhelm von HUMBOLDT greift auf die antiken Ideen zurück und prägt theoretisch den Bildungsbegriff und verankert die bürgerlichen Bildungsvorstellungen institutionell (vgl. HUMBOLDT 1964, 175).

  • Mit der Reform in ein dreigliedriges Bildungssystem Elementarschule-Gymnasium-Universität kommt es zur Legitimierung und Durchsetzung eines Reformkonzepts.
  • Die Trennung von Allgemeinbildung und Berufsbildung sowie eine allgemeine Menschenbildung wird eingeführt.
  • Aufbauend auf den Elementarunterricht sollen Kenntnisse einzelner Gewerbe in einer Berufsausbildung erworben werden, der Bildungsprozess im Gymnasium allgemein bildend und damit persönlichkeitsbildend und in der Folge in einem universitären Bildungsprozess vertieft werden.
  • In dem auf Männern vorbehaltenen Bildungsprozess entwickelt sich Bildung zu einer begehrten Ressource (vgl. BOLLENBECK 1994). Bürgerliche Mädchen mit der traditionellen Rolle einer Hausfrau, Gattin und Mutter sollen vor Einseitigkeit und Entfremdung durch die Industrialisierung geschützt werden.
Der Bildungsbegriff schafft ein Kulturverständnis und in der Folge Entscheidungsgrundlagen und Urteilsvermögen sowie Wissenszuwachs und Persönlichkeitsbildung. Bildung gewinnt damit an gesellschaftlicher Bedeutung. Damit haftet Bildung ein Moment von Emanzipation und Demokratie an. Höhere gymnasialuniversitäre Bildung verankert sich im öffentlichen Bewusstsein als eigentliche Bildung (vgl. LÖW-GEIER 2014, 23).

Soziologisch weist Bildung in diesem Kontext auf Selbstreflexion, ökonomische Funktionalität, staatliche Beeinflussung und Hierarchie und verlangt in der Folge Bedingungen der modernen Gesellschaft in Form eines demokratischen Zugangs, emanzipatorischer Bedingungen und Gleichheitsgrundsätzen.

34.2 Erziehung - Sozialisation    

Die Begriffe Erziehung, Bildung und Sozialisation überlappen sich bis heute in ihrer Bedeutung (vgl. LÖW-GEIER 2014, 24-26). Jeder Begriff setzt einen anderen Akzent.

Am klarsten ist Erziehung definiert. Verstanden ist er allgemein als die geplante Beeinflussung Heranwachsender (vgl. KRÜGER-HELSPER 2002).

  • Die Beeinflussung ist natürlich gesellschaftlich beeinflusst, sind doch der Erziehenden gesellschaftliche Akteure.
  • Ziel ist die zu Erziehenden zu Mitgliedern der Gesellschaft zu bilden.
  • Der Aspekt der Integration ist über den Sozialisationsbegriff definiert.
  • Die Soziologie interessiert die Wirkung der Erziehungsstile. Ebenso wird analysiert der Erziehungsbereich als gesellschaftliches System im Verhältnis zu anderen Systemen (vgl. LUHMANN 1996, 14-52).
Zentraler für die Soziologie ist der Sozialisationsbegriff als Beziehung zwischen Lernenden und Erziehenden, auf den aktuellen oder lebensbegleitenden Lernprozess.

Soziales formt das menschliche Handeln. Menschen eignen sich im Handeln und durch Kommunikation gesellschaftlich Regeln, Deutungsmuster und Wissensbestände aktiv an und bilden kognitive, affektive und handlungsorientierte Fähigkeiten, ein Verständnis der eigenen Person und individuellen Handlungsfähigkeit aus (vgl. HURRELMANN 2012).

Diese Vergesellschaftung bezeichnet man als Sozialisation, die im Vergleich zu Erziehung den umfassenderen Begriff bildet.

Grundannahmen der Soziologie an Bildungs- und Erziehungsprozessen sind Folgen des Handelns, strukturelle Bedingungen durch familiäre Einflüsse und der Peer Group sowie lebensbegleitende Faktoren wie Schul-, Hochschul-, Medien- und Berufssozialisation.

35 Erste Phase der Soziologie der Bildung und Erziehung    

35.1 Einführung    

Im Folgenden wird auf das klassische soziologische Feld in Bildung und Erziehung eingegangen (vgl. LÖW-GEIER 2014, 29-42).

Einführend wird auf die USA, Frankreich und Deutschland eingegangen.

  • Als klassischer Autor für Bildung und Erziehung gilt für die amerikanische Soziologie Lester F. WARD, der mit Franklin H. GIDDINGS wird die gesellschaftliche Bedeutung des Erziehungssystems und soziale Prägung des Geschehens betont. Diese Einsicht führt in den USA zu einer öffentlichen Diskussion, ob nicht die Erziehungswissenschaft in eine Soziologie der Erziehung und Bildung überführt werden soll.
  • In Frankreich führt Emile DURKHEIM über soziologische Erkenntnisse Erziehungsziele und pädagogisches Handeln in die Pädagogik ein und betont implizit die Soziologie zur Leitwissenschaft der Pädagogik.
  • Die Debatte im deutschen Sprachraum läuft langsamer und wird von Pädagogen in eine andere Richtung geführt.
    • Paul BARTH sieht bereits 1896 eine Verbindung von Pädagogik und Gesellschaft. Eine ausführliche Debatte entsteht erst in den zwanziger Jahren über den Kontext beider Diszipline (vgl. GEIGER 1974, 85-105, original 1930).
    • Paul LUCHTENBERG plädiert 1925 für eine Trennung.
    • Aloys FISCHER und Carl WEISS plädieren wiederum für eine Soziologie als Hilfswissenschaft der Pädagogik und bezeichnen die Verbindung als "Pädagogische Soziologie".
    • Vereinzelte Versuche einer eigenen pädagogischen Soziologie existieren neben der Soziologie der Bildung und Erziehung (vgl. BÖHNISCH 1996).
Durch diese Auseinandersetzung hat sich die geisteswissenschaftliche Pädagogik mit ihrer individualistischen und idealistischen Bildungstradition weitgehend in eine sozialwissenschaftliche Erziehungswissenschaft gewandelt (vgl. KRÜGER-RAUSCHENBACH 1994, 7-16).

Im Folgenden werden exemplarisch fünf Theoretiker der ersten Phase im Kontext gesellschaftspolitischer Ereignisse vorgestellt (vgl. PLAKE 1987).

35.2 Emile Durkheim    

Geboren im lothringischen Epinal 1858 gilt er als einer entscheidenden Gründungsväter der Soziologie der Bildung und Erziehung sowie überhaupt als erster Fachwissenschaftler der Soziologie.

Seine kritisch-moralische Perspektive auf Gesellschaft wird vom Elternhaus und dem Zeitgeist beeinflusst. Schon früh betont er eine auf der Soziologie basierende Morallehre für die Lehrer(innen)bildung und später die Schulbildung.

Später vertritt er an der Sorbonne die beiden Fächer Pädagogik und Soziologie, bemerkenswert der Wandel des Lehrstuhls von Pädagogik in Erziehungswissenschaft und in der Folge die Notwendigkeit empirischer Forschung statt normativer Begründungszusammenhänge.

Erziehung ist nach Durkheim die Einwirkung der Erwachsenen auf jene, die für das soziale Leben noch nicht reif sind.

Ziel ist physische, intellektuelle und sittliche Zustände im Kind zu schaffen bzw. zu entwickeln, die die politische Gesellschaft und das spezielle Milieu von ihm verlangen (vgl. DURKHEIM 1972, 30).

Unter Erziehung wird ein Vergesellschaftungsprozess als Eingliederung des Individuums in die Gesellschaft verstanden.

  • Gleichzeitig muss Erziehung auf gesamtgesellschaftliche und gruppenspezifische Interessen ausgerichtet sein, wobei die gesellschaftliche Differenzierung etwa in Milieu, Klassen und Schichten zunehmend spezielle Funktionen vom Kind verlangen.
  • Eine Vielgestaltigkeit von Erziehungspraktiken bzw. Inhalten leitet sich daher ab.
  • Schichtenübergreifend bedarf es spezifischer Normen einer Gesellschaft wie das Gemeinsame einer Kultur zu internalisieren (vgl. DURKHEIM 1999, 42; 1972, 26-28).
35.3 Karl Mannheim    

Geboren in Budapest 1893 findet er in Heidelberg als Habilitand von Alfred Weber eine Wirkungsstätte und etabliert sich in Wissenssoziologie mit der These, dass die Vielfalt der Ideensysteme auf drei Typen reduziert werden könne, Liberalismus, Konservatismus und Sozialismus.

Jede dieser Richtungen deutet er als Funktion einer besonderen Seinsart, welche durch sich wandelnde Klassen- und Generationsstrukturen bestimmt sei. In der Folge ist abzuleiten, dass das soziologische Wissen immer in Weltauslegungen eingebettet ist (vgl. MANNHEIM 1929, 45). Aufgabe der Wissenssoziologie ist die Untersuchung der Zeit- und Ortsgebundenheit des Denkens.

Den Lehrstuhl für Soziologie in Frankfurt/M. erhält er 1929, flieht nach 1933 nach England und lehrt an der London School of Economics. Er verändert seine Perspektive auf soziale Bedingungen, unter denen demokratische Gesellschaften angesichts totalitärer Bedrohung überleben können. In den Vordergrund rücken Fragen der Erziehung. Sein Assistent William A.C. STEWART veröffentlicht nach seinem Tod 1947 Manuskripte zur Erziehungssoziologie (vgl. MANNHEIM-STEWART 1973, original 1962). Ungeklärt sind eventuelle Textstellen von Stewart.

Erziehung wird begriffen als langsame Eingliederung, die durch das Individuum durchlaufen muss und Gesellschaft sich ebenfalls entwickelt und wandelt (vgl. MANNHEIM-STEWART 1973, 34).Das Individuum als soziales Selbst entwickelt sich im gesellschaftlichen Kontext, der generations- und schichtenspezifisch ist. Es geht um Primärgruppen wie Gleichaltrige, die Nachbarschaft, Sekundärgruppen wie die Schule. Die soziologische Aufmerksamkeit ist gerichtet auf Menschen zu bilden und gesellschaftliche Strukturen dafür zu schaffen. Das bedeutet mit Verboten und Hemmungen sparsam umzugehen und Erziehungskonzepte entsprechend zu gestalten, eine Aufgabe der Soziologie der Erziehung (vgl. MANNHEIM-STEWART 1973, 117).

35.4 Sputnik-Schock    

1957 schickt die Sowjetunion als erstes Land einen Satelliten in eine Umlaufbahn der Erde.

Die Forderung nach einer Bildungsreform wird nach wahrgenommenen (Technologie-) Defiziten dringlicher.

Georg PICHT 1964 publiziert in "Christ und Welt" eine Analyse der "Bildungskatastrophe". Geringere Absolventenzahlen der Sekundarstufe II (AHS), sinkende öffentliche Bildungsausgaben bei gestiegenem Bruttosozialprodukt und Modernisierungsrückstände im Bildungswesen werden aufgezeigt (vgl. zusammenfassend GOLDSCHMIDT 1991).

35.5 Bildungsreform    

Im Kontext mit sozialen Bewegungen wie der Arbeiterbewegung und Frauenbewegung entsteht zu Beginn des 20. Jahrhunderts Reformpädagogik und mit Regierungspolitik eine allgemeine Grundschulbildung, höhere Mädchenschulen und das Duale Berufsausbildungssystem (vgl. FRIEDEBURG 1992).

In der Bildungsreform der sechziger Jahre beeinflusst erstmals die Soziologie die Reformen. 1962 wird mit Hellmut BECKER das Berliner Institut für Bildungsforschung in der Max-Planck-Gesellschaft, das spätere Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, gegründet. Dieter GOLDSCHMIDT legt einen soziologischen Schwerpunkt.

Die Notwendigkeit einer Bildungsreform ermöglicht einen öffentlichen Diskurs um Fragen der Bildung im Kontext einer Soziologie der Bildung und Erziehung. Das zentral soziologische Thema sind soziale Ungleichheiten bestehender Strukturen.

"Chancengleichheit" soll Nachteile an Lebenschancen abbauen. Die Kunstfigur des katholischen Mädchens vom Lande, welches auch die Chance auf ein Studium erhält, wird immer wieder zitiert, weil hier die Benachteiligungen weiblichen Geschlechts, ländlicher Regionen und bildungsferner Haushalte zusammengefügt sind (vgl. LÖW-GEIER 2014, 36-37).

In der Folge analysieren empirische Untersuchungen im Erziehungssystem die Funktion der Selektion und Allokation (vgl. zusammenfassend KRAIS 1996, 118-146).

Bildung wird als Bürgerrecht begriffen und es entsteht die Forderung nach aktiver Bildungspolitik (vgl. DAHRENDORF 1965). Nur sie ist in der Lage, Verhaltensweisen aufzubrechen und daher die Praxis der Schulen und Entscheidungen der Eltern über die Schullaufbahn zu verändern.

Impulse für die Hochschulbildung kommen auch von der Studentenbewegung, die Ende der sechziger Jahre in Auseinandersetzung mit der NS-Vätergeneration, der Diskriminierung von Minderheiten und dem Vietnamkrieg als imperialistische Bestrebung der USA sich bildet. Angeprangert werden autoritäre Strukturen und faschistische Traditionen an Hochschulen. In der Folge kommt es zu Reformen in der Hochschulgesetzgebung (vgl. FRIEDEBURG 1992, 387-388).

35.6 Talcott Parsons    

Geboren 1902 in Colorado Springs/USA, in den fünfziger und sechziger Jahren durch seine strukturell-funktionale Theorie beeinflusst er die Soziologie nachhaltig.

Entsprechend hat er einflussreich die Schule als soziales System untersucht (vgl. PARSONS 1997, original 1964). Ausgehend von der Annahme, die moderne Gesellschaft sei durch drei "revolutionäre Strukturwandel" gekennzeichnet: die industrielle Revolution, demokratische Revolution und Bildungsrevolution (vgl. PARSONS 1990, original 1972, 11).

Die Bildungsrevolution bedeutet eine Universalisierung der Schulbildung, und Differenzierung des Hochschulwesens. Wissen wird zur Voraussetzung der Handlungsfähigkeit es Einzelnen und der Gesellschaft (vgl. PARSONS 1990, 13-15).

Durch die Aufwertung der Bildung wächst die Bedeutung des Erziehungssystems, Schule wird neben der Familie eine entscheidende Sozialisationsinstanz (vgl. PARSONS 1997, 192-193).

Ihre Funktion muss die Persönlichkeitsbildung und Übernahme der Erwachsenenrolle sein. Parsons gelangt zur Erkenntnis, dass soziale Ordnung nur auf der Basis eines Werte- und Normenkonsens möglich ist. Zur Verwirklichung bedarf es einer Motivation und der Identifikation.

Schulisch gibt es in den unteren Klassen zwei verschiedene Formen von Leistung, kognitive (Informationen, Fertigkeiten, Wissen) und moralische Leistung (Betragen, Respekt, Rücksichtsnahme) schulisch mit Noten und Beurteilungen bewertet. Wesentlich ist die Identifikation mit Lehrenden. Mit der Abgrenzung von den Eltern verlassen Lernende früher die Schule und wechseln in das Berufsleben.

Für die Soziologie der Bildung und Erziehung folgt aus den Erkenntnissen, dass die soziale Schichtung eine Funktion des Bildungssystems ist, dass Schichtungstheorie und Bildungstheorie eng verbunden sind.

35.7 Theodor W. Adorno    

Geboren in Frankfurt/M. 1903 ist Theodor Adorno eng mit dem 1920 gegründeten Institut für Sozialforschung verknüpft. Erst im Exil entsteht eine enge Zusammenarbeit mit Max HORKHEIMER und damit das soziologische Profil des Philosophen und Musikkritikers/ Komponisten Adorno.

1931 erhält er die Lehrbefugnis an Universitäten. 1933 flieht er und in der Folge ist er am Oxford Merton College und nimmt nach einigen Jahren die Einladung Horkheimers als Mitarbeiter am Institute of Social Research an der Columbia University in New York an.

Mit der gemeinsam verfassten "Dialektik der Aufklärung" (HORKHEIMER-ADORNO 1988) wird sein erziehungssoziologisches Denken stark beeinflusst. Problematisiert wird der Vernunftglauben, der totalisierende Tendenzen aufnehmen kann. 1950 kehrt Adorno nach Frankfurt/M. zurück und geht an die Universität.

Er greift in den gesellschaftlichen Diskurs ein, welche Lehren eine "Erziehung nach Auschwitz" ziehen kann (vgl. ADORNO 1977, original 1966, 674).

  • Zentrale Ursache für ein Bestehen von KZ und Terror im Sinne von Auschwitz sei der Zerfall etablierter Autoritäten des Kaiserreichs.
  • Es bedarf ganz im Geist der Aufklärung menschlicher Autonomie (vgl. ADORNO 1977, 679).
  • Alle Bemühungen müssen gegen die "blinde Vormacht aller Kollektive" gerichtet sein (vgl. ADORNO 1977, 681).
  • Gefühlskälte und die Unfähigkeit zu lieben, die Auschwitz möglich machen, entstünden aus angst- und schmerzverleugnender Erziehung.
  • Eine solche Erziehung ist eine Schulerziehung, die ohne Angst vor Mächtigen, Diskurse und Analysen zulässt.
  • Hintergrund ist eine Soziologie, die gesellschaftliche Kräfteverhältnisse unter der Oberfläche öffentlich macht (vgl. LÖW-GEIER 2014, 41).
35.8 Michel Foucault    

Geboren 1926 in Poitiers arbeitet er ein Leben lang an der Schnittstelle zwischen Philosophie, Geschichtswissenschaft und Soziologie. An historischen Texten erforscht er, wie Wirklichkeiten gemacht werden.

Sein Augenwerk richtet er auf die historisch-gesellschaftlichen Bedingungen. Es geht keineswegs um eine historische lineare Entwicklung, vielmehr geht er von verschiedenen Bedeutungskontexten nebeneinander aus. Geschichte verläuft demnach diskontinuierlich und in Sprüngen.

Das Interesse bezieht sich vor allem auf Machtverhältnisse. Die Durchdringung der Gesellschaft von Macht erläutert Foucault an Institutionen der Medizin, der Justiz, an Praktiken der Sexualisierung, der Pädagogik, im Militär, die mit Mitteln hierarchischer Überwachung, normierender Sanktionen und Prüfung arbeiten (vgl. LÖW-GEIER 2014, 42).

Das Beispiel der Pädagogik weist auf Machtverhältnisse.

  • In der Schule zeigt sich räumlich etwa die Anordnung der Klassenzimmer entlang der Gänge wie Zellen und
  • in Internaten die großen Schlafsäle, mitunter mit Trennwänden zwischen den Betten.
Macht entfaltet sich durch gegliederte Kontrolle und Sichtbarmachung der "Insassen".

  • Die Menge der Lernenden unterliegen einer gemeinsamen Normierung.
  • Ein Fehler ist schon, das vorgeschriebene Niveau nicht zu erreichen.
  • Disziplinarstrafen dienen Abweichungen zu verringern.
  • Das "Normale" etabliert sich als Zwangsprinzip im Unterricht und Einführung einer standardisierten Erziehung (vgl. FOUCAULT 1977, 237).
36 Bildungs- und Erziehungstheorie heute    

Zu den seltenen Soziologen, die sich aktuell mit der Theorie der Bildung und Erziehung beschäftigen und Bildungs- und Erziehungsfragen berücksichtigen, gehören Pierre Bourdieu und Niklas Luhmann.

36.1 Pierre Bourdieu    

1930 in Bearn geboren und schafft den Sprung in die französischen Eliteschulen und Hochschulen, in der Folge auch als Professor an das College de France.

Dieser ungewöhnliche Bildungsgang weckt Bordieus Interesse an Bildungsprozessen und schärft den Blick für Reproduktionsmechanismen der "herrschenden Klasse" über Bildung (vgl. LÖW-GEIER 2014, 43-47).

Im Laufe seiner Berufsbiographie erstellt er ein theoretisches Gerüst als Basis für seine Analysen zusammen mit Loic D.J. WAQUANT in einem gemeinsamen Band "Reflexive Anthropologie" (vgl. WAQUANT 1996, 17-93).

  • Die Gesellschaft ist von "sozialen Strukturen", also einer erhebbaren Verteilung materieller und verinnerlichter Strukturen durchzogen (vgl. WAQUANT 1996, 24).
  • Beide Strukturen in ihrem praktischen Handeln und Verhalten, Gefühlen und Urteilen stehen in einem Kontext.
  • Reproduziert werden auf diese Weise gesellschaftliche Strukturen erneut.
Ergänzend schlägt Bourdieu zur Kategorie der Struktur das Begriffspaar "Sozialer Raum/Feld" und "Habitus" vor (vgl. die Matrix in LÖW-GEIER 2014. 45).

  • Sozialer Raum/Feld ist das Gesamt der Verhältnisse zwischen den Gruppen der Menschen, das auf Formen von Macht bzw. Kapital basiert. Es bildet ein Spannungsfeld, das sich zwischen den Gruppen und Konkurrenten aufspannt.
    • Gruppen unter homogenen Bedingungen werden zu objektiven und mobilisierten "Klassen" zusammengefasst.
    • Geschlecht ist für Bourdieu ein klassenbildendes Merkmal mit vielen Spielarten der Weiblichkeit.
  • Die Teilbereiche der Gesellschaft werden als "Felder" bezeichnet. Jedes Feld hat eine eigene Logik ("Kräftefelder"). In ihnen entsteht im sozialen Handeln der Akteure eine Dynamik, welche das Feld in einen Mikrokosmos verwandelt.
  • Die wissenschaftliche Einteilung von Klassen für Bourdieu als empirische Handlungs- und Beobachtungspraxis der Akteure ist der "Habitus" als geistige und körperliche Denk- und Handlungsschemata nach Klassen (vgl. WAQUANT 1996, 37).
  • Bourdieu belegt eine Übereinstimmung von Feld und Habitus und folgert eine unbewusste Unterwerfung unter gesellschaftliche Verteilungsprinzipien, Gesellschaft und Herrschaft reproduziert wird.
  • Durch die Entstehung von habituellen gleichen Praxisformen und gesellschaftlicher Beziehungsstruktur entsteht der "soziale Raum" als ein "Raum der Lebensstile" (vgl. BOURDIEU 1983, 277-278).
  • Der Raum der sozialen Positionen die sozialen Strukturen ("Klassenlage") erfasst, beschreibt der Raum der Lebensstile, der durch den Habitus sich ergibt, die subjektive Lebenspraxis (vgl. für Frankreich BOURDIEU 1983 und Deutschland SCHULZE 1997).
  • Bourdieu differenziert zwischen einer hierarchischen Klassenstruktur mit mehr oder weniger Kapital je nach eingesetztem und weicht die Vorstellung gegenüber stehender Klassen auf und entwickelt en Bild von vielfältigen Klassenrelationen. Gemeint wird nicht nur ökonomisches Kapital (Geld und Eigentum), auch kulturelles Kapital (Bildung und Ausbildung), soziales Kapital (soziale Beziehungen), das Macht entwickelt. Da alle Kapital besitzen, betrachtet Bourdieu die Relationen.
Seine Soziologie besteht hauptsächlich aus Studien über die Reproduktionstrategien (Wiederherstellung) und Konversionsstrategien (Umwandlungen, Veränderungen) , die Gruppen entwickeln, um ihre Position zu verbessern. Aufgabe der Soziologie ist die verborgenen Strukturen aufzudecken. Zerstört werden die Mythen, mit denen Machtausübung verschleiert und Herrschaft reproduziert wird (vgl. LÖW-GEIER 2014, 47).

36.2 Niklas Luhmann    

Geboren 1927 in Lüneburg und arbeitet als Jurist in der öffentlichen Verwaltung. 1960/1961 wird er beurlaubt für das Studium der Verwaltungswissenschaft und Soziologie an der Harvard University.

Die Theorie von Talcott PARSONS beeinflusst ihn nachhaltig. Nach dem Aufbaustudium Verwaltungswissenschaft, Promotion und Habilitation wird er 1968 Professor für Soziologie in Bielefeld.

Seine Systemtheorie geht aus der kritischen Auseinandersetzung der Parson'schen Systemtheorie hervor und bezieht Anregungen aus modernen interdisziplinären vor allem biologisch/ neurophysiologischen systemtheoretischen Entwürfen (vgl. LÖW-GEIER 2014, 52-58).

Gedanklicher Ausgangspunkt ist ein kybernetisches Modell, dem gleiche Schemata von Systemen, Steuerung, Kontrolle, Selbstreferenz und Selbstorganisation in der Technik, Biologie und in sozialen Prozessen unterstellt werden (vgl. VARELA 1982, 82-93; LÖW-GEIER 2014, 53).

Luhmann interessiert in seiner funktional-strukturell genannten Theorie wie Systeme funktionieren und wie einzelne Funktionen sich historisch verändern.

Unter einem sozialen Prozess versteht er eine Konfiguration aufeinander verweisender Handlungen. Jedes System besitzt eine abgrenzte Umwelt.

  • Dazu gehören alle Handlungen, die nicht in den Sinnkontext des Systems gehören (vgl. LUHMANN 1991, 9). Systeme leisten in einer komplexen Welt die Funktion, Komplexität zu reduzieren.
  • Luhmann trennt sich in der Folge vom Handlungsbegriff und betont Kommunikationen als das verbindende Element. Er versteht nicht Menschen als Urheber, vielmehr wird Kommunikation als Produkt sozialer Systeme aufgefasst (vgl. LUHMANN 1990, 31).
  • Verschiedene Systeme lassen sich unterscheiden, lebende, neuronale, psychische, technische und soziale.
36.2.1 Soziale Systeme    

Als Soziologe bezieht er sich besonders auf soziale Systeme.

  • Diese versteht er als autopoietische Systeme, also als Prozesse der Selbsterschaffung und Selbsterhaltung eines Systems (vgl. LÖW-GEIER 2014, 53). Das bedeutet, dass Systeme operativ geschlossen und durch ihre eigenen Elemente sich immer wieder neu reproduzieren. Systeme sind diesem Sinn autonom. Allerdings kann die Umwelt eines Systems verändernd einwirken.
  • Menschen sind in diesem Verständnis nicht Urheber der Kommunikationen, vielmehr Kommunikation wird als Produkt sozialer Systeme gefasst (vgl. LUHMANN 1990, 31).
  • Kommunikation ist die elementare Einheit von Systemen.
  • Sie ist selektiv und besteht aus verschiedenen Möglichkeiten wie Information, Mitteilung und Verständnis.
  • Unterschieden werden drei Typen sozialer Systeme, Interaktion, Organisation und Gesellschaft (vgl. LUHMANN 1991, 10-12).
  • Einzelne Systeme ohne gemeinsame Symbolik mit binären Codes bilden Wirtschaft, Politik, Recht, Religion, Erziehung, Wissenschaft und Kunst. Sie operieren mit eigener Logik bzw. eigenem Sinnhorizont.
36.2.2 Luhmanns soziologische Erziehungsreflexion    

Dies bildet in der Bildungssoziologie ein besonderes Interesse. Soziale Systeme beobachten sich selbst (vgl. LÖW-GEIER 2014, 55-58).

Das Erziehungssystem bei der Selbstbeobachtung hat Selbstreflexionsprobleme und nutzt demnach einen fremden Blick (vgl. LUHMANN-SCHORR 1988).

  • Ausgegangen wird von der Annahme, dass durch die Differenzierung sich ein autonomes Teilsystem etabliert hat.
  • Das System benötigt zur Weiterentwicklung Reflexion. Die Erziehungswissenschaft ist eine besondere Art der Sicherung und Produktion von Wissen für die Erziehung (vgl. LUHMANN-SCHORR 1988, 368).
  • Luhmann und Schorr bezeichnen als zentrales Problem die Chancengleichheit. Abgelehnt wird jede Selektionsfunktion. Pädagogen reagieren darauf, indem sie die Probleme an den Rand des Systems verschieben, in den Übergang zum Beruf. Das Selektionsproblem wird erheblich damit verschärft. Statt Chancengleichheit wird der Begriff "Karriere" vorgeschlagen (vgl. LUHMANN-SCHORR 1988, 274).
  • In der Folge wird die These aufgestellt, dass Erziehungssystem von grundlegenden Paradoxien durchzogen sei. Behandelt wird Ungleiches gleich, schulleistungsbedingte Ungleichheiten werden sich selbst zugerechnet (vgl. LUHMANN 1996, 25).
  • Ungleiche Lernende werden gleich eingestuft, um Leistungsdifferenzen (scheinbar) hervorbringen und messen zu können (vgl. LUHMANN 1996, 26).
  • Das Erziehungssystem schafft sich "Klassiker", wobei verkannt wird, dass Wissenschaft (Erziehungswissenschaft) sich von der (Schul-)Pädagogik grundlegend unterscheidet (vgl. LUHMANN 1996, 36) .
36.2.3 Gesellschaftliche Funktion der Erziehung    

Im letzten Werk 2002 "Das Erziehungssystem der Gesellschaft" von Dieter LENZEN herausgegeben, wechselt Luhmann die Perspektive und behandelt die gesellschaftliche Funktion der Erziehung.

Das Erziehungssystem trage zum Erhalt der Gesellschaft bei, durch Erziehung der Menschen zu Personen.

  • Es bilde Eigenschaften für die Übernahme von Pflichten und Aufgaben, auch für die statusadäquate Positionen durch Sozialisation und Erziehung.
  • Bildungsinstitutionen bilden den Rahmen für Aktivitäten zur Herstellung von "Personen" in geregelten Bahnen. Sie stellen sicher, dass Erziehung jeden und jede erreicht.
37 Bildung und Schule    

Im Folgenden wird auf Schule und Gesellschaft, Schulautonomie und Schulkulturen eingegangen.

37.1 Schule und Gesellschaft    

Das Bildungssystem ist in verschiedene Leistungs- und Fachbereiche gegliedert (vgl. LÖW-GEIER 2014, 88-92). Gegliedert ist das Bildungssystem in den Elementar-, Primar- und Sekundarbereich sowie den tertiären und quartären Bildungsbereich.

  • Kindergarten und Grundschule richten sich an alle Kinder.
  • Die institutionalisierte Vorschulerziehung basiert auf Freiwilligkeit und endet mit dem 6. oder 7. Lebensjahr.
  • Der Schulbesuch ist Pflicht. Damit ist die Schule in die Struktur des modernen Staates eingebunden.
  • Das Recht auf Beschulung für alle bildet einen Bestandteil der bürgerlichen Gesellschaft.
  • Der Staat bestimmt die Kernelemente der Schule wie die Inhalte, Prüfungen, Zugangs- und Berufsqualifikationen.
  • Legitimiert ist der Staat zur Gestaltung schulischer Praxis, weil in einer Demokratie Menschen Wahl- und Mitwirkungsrechte besitzen und daher eine eigene Meinung und über Geschäftsfähigkeit verfügen müssen.
  • Schulische Bildung bezieht sich daher auf die grundlegende Entwicklung kognitiver, sozialer und affektiver Fähigkeiten und damit auf die Bildung von Autonomie in einem Beziehungsgefüge.
  • Nach Helmut FEND und seinem Bezug auf Talcott PARSONS werden die Funktionen der Schule unterschieden (vgl. FEND 1974, 68-70).
    • Qualifikationsfunktion - für das Beschäftigungssystem und Reproduktion der Gesellschaft
    • Allokations- und Selektionsfunktion - Zuweisung der Lernenden nach bedarfsgerechter Verteilung von Wissen in verschiedene Berufsgruppen
    • Integrations- und Legitimationsfunktion - Ausstattung der Lernenden mit sozialen und politischen Kompetenzen als loyal-kritische Mitglieder der Gesellschaft mit dominanten Normen, Werten und Interpretationsmustern.
Über diese Funktionen hinaus wird Schule mit einer Erwartungshaltung betrachtet und gleichzeitig ihre Defizite festgehalten.

In der Tradition reproduktionslogischer Argumentation, wie sie in den USA und dem UK im Begriff "new sociology of education" entstanden sind, rücken Konflikte, Opposition und Widerstand in den Blick (vgl. KOLBE-SÜNKER-TIMMERMANN 1994, 11-33). Betont wird die Notwendigkeit sozialer Stabilität und der Analyse der Reproduktion.

In der funktional differenzierten Gesellschaft führe die Zugehörigkeit zu verschiedenen Systemen zur Multiinklusion.

  • Die Biographisierung individueller Perspektiven ermöglicht der Schule die Organisation von Laufbahnplanung, Mitwirkungsmöglichkeiten und Planung von speziellen Lerninhalten.
  • Fachbereiche der modernen Schule wie Politische Bildung, Interkulturelle Kompetenz, Vorberufliche Bildung, Angewandte Ethik und Praktika erhalten zunehmende Bedeutung.
37.2 Schulautonomie    

Ob sich der Staat aus Entscheidungen der Schulpolitik zurückziehen soll, wird kontrovers diskutiert. Verschiedene Modelle stehen zur Diskussion.

Grundsätzlich geht es um die Verlagerung von Entscheidungen auf die Ebene der Einzelschule.

  • Konkret also um Curricula, die Leistungsbeurteilung, Schulorganisation, Zeitrhythmen, Altersstrukturierung der Klassen, Verwendung der Ressourcen Geldmittel, Räume und Personal sowie der Bildung von Entscheidungseinheiten mit Lehrenden, Eltern, Lernenden und Schulleitung.
  • Für und gegen die Schulautonomie gibt es Argumente und Gegenargumente (vgl. TIMMERMANN 1996, 59-88).
    • Finanzielle Selbstbestimmung - zumeist mit Kürzungen diskutiert, als Aufgabe bleiben Kürzungen ausgerechnet bei Bildung unbeantwortet,
    • Erweiterung der Wahlmöglichkeiten von Eltern und Schule - Konkurrenz zwischen Schulen bei Bildungsangeboten, Eltern kaum in der Lage eine Qualität der Schule zu beurteilen, Berücksichtigung von Gesamtinteressen,
    • Effizienz von Schulautonomie - Schwerpunkte sind pädagogisches Handeln, Wirtschaftlichkeit und Effizienz, Gefahr von Zeit- und Wirtschaftlichkeitsdruck,
    • Gerechtigkeit - in marktgesteuerten Bildungshaushalten können finanzstärkere Haushalte für Bildung mit Schulgeld zuzahlen, zu beachten sind Sponsoren, Partnerschaften und Stipendien,
    • Gestaltungsprozesse - Bildungsprozesse mit pädagogischen Programmen und Zusatzangeboten erweitern das Bildungsangebot.
37.3 Schulkulturen    

Unabhängig von Schulautonomie werden Schulen unter Profilierungszwang gebracht und werben mit spezifischen Profilen wie pädagogischen Programmen und Zusatzangeboten.

Schulkultur wird nicht über ein normatives Ideal gebildet, vielmehr in der Tradition der Alltagspraxen, Rituale, Symbole und Interaktionsformen (vgl. in der Folge HELSPER-BÖHME-KRAMER-LINGKOST 2001, 17, 25).

  • Nach den Autoren geht es um die symbolische Ordnung der einzelnen Schule, in Spannung mit dem Realen (gesellschaftliche Strukturierung), Symbolischen (Interaktionsprozesse) und Imaginären (Selbstverständnis der Schule).
  • Schulkultur entsteht demnach in einer Wechselwirkung zwischen Handeln und Strukturen.
  • Begründet wird die Schulkultur zwischen den Akteuren und den strukturellen Bedingungen als symbolische Ordnung der Einzelschule.
  • Die jeweils gemeinsame kulturelle Ordnung in den Schulen richtet sich nach den sozialen Milieus und Lebensformen.
38 Bildung und Hochschule    

Im Folgenden wird verkürzt auf die Universitätsgeschichte und auf die Fachkulturen mit Hinweis auf die Erziehungswissenschaft eingegangen ( vgl. LÖW-GEIER 2014, 101-109).

38.1 Kurzgeschichte der Universität    

Die Institution Universität entsteht im Hochmittelalter zunächst in Bologna, Reggio, Vicenza, Arezzo und Padua zwischen 1158 und 1222. In Neapel wird 1224 die 'erste Staatsuniversität durch Kaiser Friedrich II von Hohenstaufen gegründet.

Zeitgleich entstehen vor allem in Frankreich, England, und Spanien Universitäten. In deutschen Territorien begründet 1348 in Prag Karl IV die erste Universität (vgl. LÖW-GEIER 2014, 101).

Von Beginn an ist die Geschichte der Universität mit der Geschichte der Kirche verbunden. Lehrende sind Geistliche oder werden Geistliche, um Universitätslehrer zu werden.

Die Basis der Aufteilung in Fakultäten bildet die Artistenfakultät, aus der die Philosophische Fakultät hervorgeht. Im Mittelalter übersteigt die Gesamtzahl der Studierenden an Universitäten im deutschen Sprachraum selten 700. Das Lehrstoffniveau der Artistenfakultät wird heute mit der gymnasialen Oberstufe verglichen (vgl. SEITENFADEN 1988, 20). Das Aufnahmealter lag in der Regel bei 15 Jahren. Vorlesungen dienten dazu, ein Buch öffentlich vorzulesen und zu kommentieren, weil die Mehrzahl der Studierenden sich Bücher nicht leisten konnten.

Im 16. und 17. Jahrhundert zeigt sich, dass mit der flächendeckenden Gründung von Universitäten Knotenpunkte sich bündeln und auch städtische Zentren sich bilden (vgl. Landkarte der Gründung der Universitäten SEIDENFADEN 1988, 26). Mit der Entwicklung der Territorialstaaten wird der Einfluss der Landesfürsten größer. Die Kurfürsten übernehmen Richterfunktionen, regulieren Ausbildungsprogramme und Zugänge, zahlen Gehälter und vertreten angemessen Interessen der Universität.

im 18.und 19. Jahrhundert verbreitet sich die Idee der Bildung gegen die Ausbildung. Forschung und Diskussion werden wichtige Bestandteile. Europaweite Bedeutung gewinnt die Idee der Nationalerziehung. Das führt zu Vorlesungen und Disputationen zunehmend auf Deutsch gehalten werden. Das an Kirche und Tradition geknüpfte Latein wird in den Hintergrund gedrängt.

Die "Humboldtsche Universitätsidee" zielt auf ein emphatisches Bildungsverständnis, das Bürgertum und die deutsche Nation zu stärken. Frauen dürfen ab 1900 studieren.

Aus der Tradition der universitären Idee und Entwicklungsgeschichte sind heute Universitäten angesichts der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Globalisierung "Dinosaurier" in der modernen Welt (vgl. STICHWEH 1988, 63-74). In ihren vorkapitalistischen Organisationsformen werden sie nicht wie "Unternehmen" geführt, vielmehr als lokale Einrichtungen des Staates. Auch Privatuniversitäten expandieren nicht wie Wirtschaftsunternehmen.

Im Hochschulwesen bilden sich Widersprüche zwischen Lokalität und Globalisierung und traditioneller Bildungsidee und Rentabiltätsvorstellung zwischen Bildung und Ausbildung.

38.2 Fachkulturen    

Hochschulen - Universitäten und Fachhochschulen - sind keine homogenen Gebilde, vielmehr ausdifferenziert in Fachkulturen.

Studierende eignen sich fachspezifische Inhalte und für ihr Fach typischen Habitus an. Barbara FRIEBERTSHÄUSER (1992) hat sich ausführlich mit der Einführung in das Studium der Erziehungswissenschaft beschäftigt. Spezifische Werte und Erfahrungen ergeben in der Folge ein habituelles Verhalten und einen internen Zusammenhalt.

Studierende finden unterschiedliche Ausgangsbedingungen und Wissensvorstellungen in ihren Fächern vor, die ihre berufliche Sozialisation beeinflussen werden.

In der Erziehungswissenschaft bedarf es für eine Berufslaufbahn Zusatzqualifikationen, etwa ein Lehramt, Erwachsenenbildung, Universitätslehrgänge und/oder Beratungsmanagement.

Berufsfelder sind etwa die Lehre, das Bildungsmanagement und die Beratung.

39 Bildung in der Lebensgeschichte    

Die Bildungs- und Erziehungsidee basiert hauptsächlich auf der Vorstellung, das Kind müsse durch pädagogische Begleitung und Bildung in das Erwachsenenalter geführt werden (vgl. LÖW-GEIER 2014, 115-125).

Mit dem Bürgertum und dem Humboldtschen Bildungsbegriff entsteht durch die Idee der Formbarkeit des individuellen Lebens die Bildung eigener Lebensphasen, die im Kontext mit dem Bildungsbegriff stehen. In der Folge werden Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter unterschieden.

39.1 Lebenslauf    

Martin KOHLI (1985) kommt in der Folge zu einer "Institutionalisierung des Lebenslaufs". Damit kommt es einer allgemeinen Einteilung der Lebenszeit in eine Vorbereitungsphase auf die Erwerbsarbeit, Berufsphase und eine Altersphase.

Der Lebenslauf dient einer Strukturierung der lebensweltlichen Abschnitte bzw. Horizonte in der Orientierung der Individuen und ihrer Planungen von Handlungen mit einer Verzeitlichung des Lebens (vgl. KOHLI 1985, 3).

Die Abfolge des Lebenslaufs von Kohli stößt auf Gegenbeispiele. Man denke nur an die Mehrheit der Frauen bei mangelnder Erwerbstätigkeit durch Erziehungsphasen und einer möglichen Wiedereingliederung in den Beruf oder einem zweiten Bildungsweg.

Die Vorstellung einer Normalbiographie geht von der Sequenz des Schulsystems und Berufslebens aus.

Von großer Bedeutung für die Soziologie der Bildung und Erziehung ist die Sequenzialisierung des Lebenslaufs in den Blick zu nehmen (vgl. LÖW-GEIER 2014, 117).

39.2 Kindheit    

Die Kindheit als Lebensphase einer eigenen Welt ist historisch gesehen neu.

  • Phillipe ARIES (1975) weist auf das 16. und 17. Jahrhundert, in dem Kinder wie kleine Erwachsene behandelt werden.
  • Erst im 17. und 18. Jahrhundert setzt ein Prozess der "Entdeckung der Kindheit" ein.
  • Mit dem Übergang von der feudalen in die bürgerliche Gesellschaft verändert sich die Einstellung zu Kindern in emotionaler Verbundenheit (vgl. ARIES 1975, 48) .
  • Im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung kommt es zur Bildungsidee (vgl. BLANKERTZ 1982).
  • Die Masse der Bevölkerung lebte auf dem Land als Bauern, Handwerker und Heimarbeiter in einer Großfamilie mit Verwandten, in Bauernhöfen mit Mägden und Knechten in Gemeinschaft (vgl. ROSENBAUM 1990, 30)
Die Folgen dieser Entwicklung für die kindlichen Lebensbedingungen sind

  • die Freistellung der Kinder von Arbeitsprozessen und Widmung der Bildungsprozesse,
  • die Kindheit als Schutzraum,
  • zu beachten die "schwarze Pädagogik" nicht als Widerspruch zur Schutzidee,
  • Kinder dienen zunehmend weniger der finanziellen Sicherheit des Haushalts.
Zu beachten sind die strenge Disziplinierung, Kontrolle und pädagogische Dressur.

Gravierende Einschnitte sind zu vermerken mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. In den Nachkriegsjahren folgt ein wirtschaftlicher Aufschwung mit hohen Konsum.

Bildung gilt als förderwürdiges Gut, mit den neunziger Jahren setzt sich ein individuelles Konzept kindlicher Förderung durch.

Milieubedingte Bildungsprogramme/Hobbys werden in der Folge angeboten, etwa vom Musikunterricht, Sport und Ferienlager.

39.3 Jugend    

Der Jugendforschung kommt in einer hochkomplexen Gesellschaft eine besondere Bedeutung zu (vgl. zusammenfassend MITTERAUER 1986).

  • In der feudalen Gesellschaft unterscheidet sich die Lebenslage nach Schicht und Stand. Die Mehrheit der ländlichen Bevölkerung praktiziert den Übergang zur Erwachsenenphase nach subjektiver Einschätzung. Ein komplexes Verständnis von Jugend fehlt.
  • Ende des 18. Jahrhunderts wird der Begriff "Flegeljahre" gebräuchlich.
  • Der männliche Jugendliche bürgerlicher Herkunft und mit höherem Bildungsabschluss bedarf einer sozialen Verlängerung für die Entwicklung seiner Zukunftspläne nach HURRELMANN (1993).
  • Ende des 19. Jahrhunderts entsteht der Begriff "Backfisch" als romantisierendes Jugendbild.
  • Die Lebensumstände im beginnenden 20. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch eine Urbanisierung, der Bildungsmöglichkeiten, größeren Freizeitbereich und Möglichkeiten eines Studiums.
  • Jugendbewegungen entstehen, der Nationalsozialismus knüpft an das Jugendideal widerstandslos an.
  • Die zeitliche Verlängerung der Jugend gründet sch in der Verlängerung der Schulzeit und den Ausbildungszeiten.
  • Chancen und Risiken ergeben zunehmend die Notwendigkeit von Lebensplanung und Vereinbarkeiten von Familie und Berufsmöglichkeiten.
  • Pragmatisch werden in der Folge Lebensformen und gesellschaftliches bzw. institutionelles Engagement gesehen.
  • Jugendkulturen gewinnen an Bedeutung (vgl. WILLIS 1991; Arbeiten des "Birminghamer Centre for Contempory Cultural Studies").
Unterschieden werden verschiedene Formen der Jugendkulturen (vgl. LÖW-GEIER 2014, 123).

  • Religiös-Spirituelle - Anhänger asiatischer Religionen, Pfadfinder und Mitglieder religiös-gebundener Vereine
  • Kritisch-Engagierte - Frauen-, Friedens-, Ökologie-, Antiglobalisierungsbewegungen
  • Körperorientierte - Sport, Abenteuer, Modellierung des eigenen Körpers
  • Institutionell-Orientierte - Vereins- und Verbandsarbeit
Gemeinsam ist den Jugendkulturen die Familienablösung, Gleichaltrigenkontakt, Partizipationsmöglichkeiten, Entwicklung eigenständiger Konsumgewohnheiten und Freizeitplanung.

39.4 Erwachsenenalter - Bildung    

EU, OEEC und UNERSCO haben mit der Idee der "education permanente" die Öffentlichkeit auf lebenbegleitendes Lernen hingewiesen.

  • Sich fort- und ggf. weiterzubilden wurde zu einer Erwartung an alle im erwerbsfähigen Alter.
  • 1987 formulierten die Lehrenden des College de france in ihren "Vorschlägen für das Bildungswesen der Zukunft" den Bildungsbegriff selbst als einen solchen in einem prozessualen Sinne.
  • Für die Umstrukturierung des Bildungssystems schlugen sie einen kontinuierlichen Wechsel von Bildung und Berufstätigkeit vor (vgl. COLLEGE DE FRANCE 1987, 272).
  • Die Einschätzung des Bildungsprozesses variiert (vgl. BOLDER-HENDRICH 2000, 18-20).
  • Durchgesetzt hat sich die Haltung einer Sicherung des Arbeitsplatzes und weniger einer Höherqualifizierung mit besserer Entlohnung. Kritisch wird die marktförmig organisierte Fortbildung und Verwendung der Freizeit in einem ständigen Druck gesehen.
  • In der Erwachsenenbildung zeigt es sich, dass Bildungsprozesse unmittelbare Qualifikationen zeigen sollten, wenn sie nicht nur zum Gegenstand einer biographischen Konstruktion werden sollen (vgl. LÖW-GEIER 2014, 124).
  • Bildung als Selbstformung ist ein Akt der Selbstformung und der Selbstreflexion.
  • Bildungsprozesse bieten eine Chance gewohnte Pfade zu verlassen und den Habitus zu erweitern oder neu zu gestalten.
40 Migration    

In Migrationsprozessen verlassen Menschen Orte und suchen neue auf. Flucht, Asyl, Vertreibung, Zuzug zu Verwandten, Binnenwanderung und bessere Lebensbedingungen bilden Gründe von Wanderung (vgl. HAN 2010).

Klaus BADE (1994) spricht vom homo sapiens als einem homo migrans. Nomadentum und mittelalterliche Völkerwanderung sind lebensgeschichtliche Dimensionen. Auch von gesellschaftlicher Mobilität im Zeitalter der Migration wird gesprochen (vgl. LÖW-GEIER 2014, 139).

Von Migration sind neben Migrierenden auch die Aufnehmenden betroffen.

Migration kennzeichnet eine relative Dauerhaftigkeit, also eine zeitliche Dimension.

Die UN definiert als Migrant jemanden, der für ein Jahr oder länger außerhalb seines Landes lebt (vgl. KOSER 2011, 29).

Unterschieden werden Migrantentypen nach PRIES (2010) in vier große Gruppen und können so leichter gegenstandsnah bestimmt werden.

  • Emigration bzw. Immigration - dauerhaftes Verlassen, Pflege sozialer Bezüge zum Herkunftskontext (Auswanderung)
  • Rückkehrmigration - "Gastarbeitermigration"
  • Diasporamigration - Flucht und Vertreibungsgründe mit starken historischen, politischen und religiösen Kontexten in der Diaspora und
  • Transmigration - Migrationsprozess auf Dauer gestellt mit neuen sozialen Verflechtungen.
40.1 Bildung und Erziehung    

Im Kontext ist der Bereich Migration vor allem mit Ergebnissen nationaler und internationaler Schülerkompetenztests (PISA, IGLU, TIMMS) sowie einer Bildungsberichterstattung (OECD) zu sehen.

Österreich und Deutschland gelten einwanderungspolitisch als Länder in Europa, in denen die "Integration" von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in das Bildungssystem und darüber hinaus bisher nur mangelhaft gelingt (vgl. OECD-BILDUNGSGBERICHT 2012).

Migration soll im Folgenden auf einer Makro-, Meso- und Mikroebene gesellschaftlicher Praktiken und der Akteure beleuchtet werden. Eine soziologische Darstellung der Bildungssituation geht von der Erhebung-und Datenlage aus. Elemente sind der Migrationshintergrund, die Staatsbürgerschaft und Illegalität.

Dem hohen Anteil von rund 25 Prozent der Lernenden stehen erhebliche Bildungsdisparitäten gegenüber.

  • Dies beginnt mit der frühkindlichen Partizipation an den Angeboten im Elementarbildungsbereich.
  • In der Folge kommt es im Primarbereich zu hohen Zurückstellungen bei der Einschulung und der höheren Wahrscheinlichkeit von Wiederholungen in der Grundschule.
  • Die Selektionshürde des Bildungsübergangs in weiterführende Schulen besonders der AHS zeigt klare Unterschiede gegenüber Nichtmigrierten mit Abschulungen.
  • In der Sekundarstufe II sind in der Folge Jugendliche mit Migrationshintergrund weniger.
  • Höher sind sie wiederum in Berufsvorbereitungs- und Berufsfördermaßnahmen.
  • Leistungsunterschiede ergeben sich in den Fächern Deutsch und Mathematik, hier besser als in Deutsch.
  • Die Heterogenität dieser Schülergruppierung weist auf die Herkunftsländer und ihr Qualifikationsniveau. Türkische und italienische Lernende schneiden am schlechtesten ab (vgl. LÖW-GEIER 2014, 144).
  • Bildungserfolgreiche Lernende sind keineswegs "highly skilled migrants", wesentlich ist der Typ Transmigration und ihr bilinguales Kulturkapital einsetzen.
  • Nach den Bildungsabschlüssen im Vergleich der ersten und der folgenden Generationen erreichen die meisten Migrantenkinder gegenüber den Eltern überhaupt einen oder einen höheren Schulabschluss.
Festzuhalten bleibt die Notwendigkeit einer Verbesserung der Bildungssituation schulpädagogisch, erwachsenenpädagogisch und berufspädagogisch im Kontext der Institutionen Schule, Lehrerbildung, Erwachsenenbildung und interkulturelles Bildungsmanagement.

40.2 Bildungsdisparitäten    

Die Ursachen einer "Schlechterstellung" (vgl. MECHERIL 2004) sind unterschiedlich und werden im Folgenden verkürzt dargestellt (vgl. LÖW-GEIER 2014, 145-148).

  • Als Ursachengeflecht können der migrationsspezifische und schichtenspezifische Strang gelten (vgl. GEISSLER/WEBER-MENGES 2008, 18-20). Die schichtspezifische Erklärung macht den niedrigen sozioökonomischen Status als Ursache für Disparitäten verantwortlich.
  • Meritokratische Defizite der Lehrenden in der Leistungsbeurteilung verfälschen die tatsächliche Leistung (vgl. DITTON 2004, 251-280).
  • Differenzen entstehen in der Unterschiedlichkeit der Kenntnisse in der Unterrichts-und Verkehrssprache.
  • Ebenfalls entstehen Unterschiedlichkeiten in der Verfügung über ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital ( vgl. etwa Sprache, Alltagsgewohnheiten, ethnische Zusammensetzung, Freundeskreis, Zeitungslektüre bzw. TV-Gewohnheiten).
  • Die Sozialisation im Elternhaus wird als primärer Effekt in Verbindung mit der sozioökonomischen Lage im Kontext von Bildungsinvestitionen und einem wertschätzenden Habitus bezeichnet.
  • Ein weiterer Faktor liegt in den Handlungsstrategien der Situation bestimmt durch Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht, Bildungsorientierung, Beratungsmöglichkeiten, Förder- vs. Anti-Diskriminierungsmaßnahmen.
  • Ethnische Zugehörigkeiten und deren Zuordnung im gesellschaftlichen Kontext hieße Verteilungskonflikte auszublenden.
Die Beachtung der einzelnen Faktoren und interkulturelle Kompetenz im Kontext organisationsentwicklungstechnischer Maßnahmen in einem Bildungsmanagement reduzieren leistungsfremde Benachteiligungen.

40.3 Integration    

Im aktuellen Diskurs wird der Prozess der Eingliederung von Migrierenden verstanden. Im Sinne des Zusammenhalts der Gesellschaft lässt sich Integration auch verstehen.

Integrationskurse vermitteln Wissen in Österreich Wissen über das Land und sollen die Bereitschaft fördern.

Differenzierungsprozesse in einer modernen Gesellschaft weisen auf die Pluralität von Normen, Werten und kulturellen Lebensweisen. Dies wird von Klassikern der Soziologie bereits bei DURKHEIM als Arbeitsteilung, MANHEIM als Ideensysteme oder bei WEBER als Wertsphären angesprochen. Auch PARSONS geht von verschiedenen Systemen des Gesamtsystem aus.

Migration und Integration wird international verschieden analysiert. Petrus HAN zeigt in den traditionellen Einwanderungsländern die Kontexte zur Migrationssoziologie (vgl. HAN 2010, 305).

Im deutschsprachigen Raum entwickelte Hartmut ESSER Integrationstheorien in den Stufen Akkulturation-Integration-Assimilation (2008, 81-107).

  • Unterschieden wird zunächst grundsätzlich eine Systemintegration von einer Sozialintegration.
  • Die Systemintegration betrifft den Zusammenhalt der Teile des Ganzen, der Nationalstaaten, Konzerne und supranationalen Institutionen/ EU.
  • Die Sozialintegration betrifft den Zusammenhalt der Akteure bzw. Gruppierungen, die Inklusion der Akteure in die jeweiligen sozialen Systeme und die politische Ordnung, Gewährung von Rechten, Erwerb von Sprachkenntnissen, Beteiligung am Bildungssystem und Arbeitsmarkt, interethnische Freundschaften/Kooperationen und Beteiligung am öffentlichen Leben mit Identifikation mit dem Aufnahmeland.
  • Grundsätzlich kann es eine Systemintegration ohne Sozialintegration geben.
  • Resultierend unterscheidet ESSER die folgenden vier Konstellationen (vgl. ESSER 2004, 46)
    • Fehlen jeder sozialen Integration Marginalität
    • Integration in beide Systeme multiple Inklusion
    • Integration nur in die ethnische Gruppe individuelle Segmentation
    • Integration nur in die Aufnahmegesellschaft individuelle Assimilation.
In der Migrationssoziologie greift ESSER auf theoretische Modelle zurück, Milton M. GORDON und Robert PARK oder Samuel N. EISENSTADT in den USA. Integration heißt bei den US-Klassikern Verschmelzung von Identitäten der Einwanderer und den gesellschaftlichen Institutionen.

Identität und Gesellschaft werden als verschieden angesehen (vgl. GEISEN 2010, 22, 31). Individuen sind als integrationsbedürftig anzusehen.

41 Reflexion    

Soziologie und Erziehung führt in den Diskurs zwischen den Fachbereichen Soziologie und Erziehungswissenschaft mit den Grundthesen der Klassiker und der zeitgenössischen Theoretiker ein.

Neue Diskurse um Bildung und Schule sowie Hochschule und Bildung in lebensgeschichtlicher Perspektive mit der Thematik Migration erweitern die Bildungssoziologie.

Unverkennbar ist der Kontext zur Politischen Bildung, Interkulturalität, Schul-, Erwachsenenpädagogik und Hochschuldidaktik, Angewandter Ethik und Teilbereichen der Berufspädagogik.

Das persönliche Interesse des Autors bestimmt den Beitrag. Erweitert wird durch die Fachliteratur die bildungssoziologische Perspektive.

Literaturhinweise IV    

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Zum Autor    

APS-Lehramt VS-HS-PL (1970-1975-1976) - Schüler- und Schulentwicklungsberater/ Zertifizierung (1975, 2009), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)

Absolvent des Studiums Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt / MSc (2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/ Wien/Diplome (2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), des 4. Internen Lehrganges Hochschuldidaktik / Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016), der Fernstudien Erwachsenenbildung / Comenius-Institut Münster/ Zertifizierung (2018) und Nachhaltige Entwicklung/ Comenius-Institut Münster/ Zertifizierung (2020)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Berufspädagogik - Vorberufliche Bildung / Universität Wien (1990-2011), am Fachbereich Geschichte/ Lehramt - Didaktik der Politischen Bildung/ Universität Salzburg (2016, 2018)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche Österreich (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerk Tirol (2004-2009, 2017-2019), Kursleiter an den VHSn Salzburg Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg (2012-2019))

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© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 2. September 2023