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Lehrerbildung

Lehrerbildung    

Theorie und Praxis der Professionalisierung der Ausbildung Lehrender, Schulleitender und des Schulqualitätsmanagement    

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Lehrerbildung   
Theorie und Praxis der Professionalisierung der Ausbildung Lehrender, Schulleitender und des Schulqualitätsmanagement   
Vorbemerkungen   
LEHRERBILDUNG ÖSTERREICH - EU   
1 Ziele und Standards in der Lehrerbildung   
1.1 Begriffseingrenzung - Notwendigkeit   
1.2 Probleme der Standardisierung   
1.3 Entwicklung von Standards im System   
2 Aspekte österreichischer Lehrerbildung - Entwicklungstendenzen   
2.1 Pädagogische Akademien - Pädagogische Hochschulen   
2.2 Universitäten   
2.3 School of Education   
2.3.1 Universität Innsbruck   
2.3.2 Universität Salzburg   
2.4 Entwicklungsphasen der Lehrerbildung   
2.5 Entwicklungsbereiche   
2.5.1 Berufsfeld - Laufbahnberatung   
2.5.2 Praxisbeurteilung   
2.5.3 Berufseinführung   
3 Aspekte europäischer Lehrerbildung   
3.1 Europäische Bildungspolitik   
3.2 Lehrerbildung in der europäischen Bildungspolitik   
3.3 Lehrerausbildungssysteme in der EU   
3.4 Internationalisierung in der Lehrerausbildung   
3.5 Beispiel Island   
FACHDIDAKTIK LEHRERBILDUNG   
4 Fachdidaktik in der Lehrerbildung   
4.1 Fachdidaktik Geschichte - Theorie und Praxis von Lehre und Didaktik   
4.1.1 Didaktik der Geschichte   
4.1.2 Begrifflichkeit   
4.1.3 Basistheorien   
4.1.4 Postmoderne   
4.1.5 Narrativität   
4.1.6 Geschichtsunterricht   
4.1.7 Geschichtsbewusstsein   
4.1.8 Struktur eines Geschichtsbewusstseins   
4.1.9 Gedächtnisforschung   
4.1.10 Geschichtskultur   
4.1.11 Didaktik - Themen und Inhalte   
4.1.12 Kompetenzen   
4.1.13 Bildungsstandards   
4.1.14 Methodik   
4.1.15 Präsentationsformen - Medien   
4.1.16 Arbeitsformen   
4.1.17 Sozialformen   
4.1.18 Methodenprinzipien   
4.1.19 Unterrichtsplanung   
4.1.20 Reflexion   
4.1.21 Literaturverzeichnis Didaktik Geschichte   
4.2 Politische Bildung   
4.2.1 Politikwissenschaft   
4.2.2 Demokratie   
4.2.3 Mehrparteiensysteme   
4.2.4 Einparteiensysteme   
4.2.5 Wahlen - Medien   
4.2.6 Parteien - Parteisysteme   
4.2.7 Verbände - Neokorporatismus - Mitbestimmung   
4.2.8 Konflikte der internationalen Politik   
4.2.9 Frieden - Konflikte   
4.2.10 Internationale Organisationen   
4.2.11 Politische Ideengeschichte   
4.2.12 Reflexion - Ausblick   
4.2.13 Literaturverzeichnis/Lernfeld Politik   
4.3 Pädagogische Professionalität - Diversity   
4.3.1 Critical incidents im Diversity-Ansatz   
4.3.2 Lernvoraussetzungen-Lernzugänge-Lernwege   
4.3.3 Didaktische Differenzierung   
4.3.4 Kompetenzorientierung   
4.3.5 Bewertung   
4.3.6 Literaturverzeichnis/Professionalität-Diversity   
SCHULLEITERBILDUNG ÖSTERREICH   
5 Aspekte der Schulleiterbildung Österreich   
5.1 Schulleiterausbildung   
5.2 Fortbildung   
5.3 Literatur   
6 Fortbildung in Forschung und Praxis   
6.1 Anforderungen   
6.3 Wirkungen   
6.4 Literatur   
SCHULQUALITÄTSMANAGEMENT   
7 Schulqualitätsmanagement Österreich   
7.1 Erweiterung Schulautonomie   
7.2 Bildungsregionen   
7.3 Aufgabenbereiche   
7.4 Herausforderungen   
7.5 Anforderungsprofil   
IT-Autorenbeiträge/Lernfeld Politik   
Literaturverzeichnis Lehrerbildung   
IT-Autorenbeiträge   
Zum Autor   

Günther Dichatschek

Vorbemerkungen    

Ausbildung ohne Bildung führt zu Wissen ohne Gewissen.

(Daniel Goeudevert 2001)

Mit internationalen Bildungsevaluationen, Aspekten von Lehre und Forschung der universitären Lehrerbildung, Bildung nach Bologna und einem Lehrermangel in bestimmten Fächern ist die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen geworden (vgl. LEMMERMÖHLE-JAHREIS 2003, 3; ARNOLD 2015).

  • Experten, Evaluationen und Kommissionen bestätigen fast übereinstimmend mangelhafte Qualifikationen und Effektivität.
  • Internationale Leistungsvergleiche weisen auf Mängel hin, wenngleich unterschiedlich argumentiert wird.
  • Hochschulreformer wollen Instrumente, um internationale Aspekte vermehrt - im Einklang mit der Bologna-Erklärung - umsetzen können.
  • Die Bildungspolitik wünscht sich eine schnelle Rekrutierung von Lehrenden und
  • Universitäten stehen unter erhöhten Studierendenzahlen unter dem Druck einer Lehramtsausbildung.
Einigkeit besteht über die Notwendigkeit einer Reform.

Die übrigen Fragen wie etwa die Wirkung, Intensität und Nachhaltigkeit von Lehren und Lernen an Hochschulen (nicht nur in der Lehrerbildung), nationale und internationale Lehrerbildungskonzepte umzusetzen, der Zusammenhang zwischen Lehrerbildung und Lernleistungen in der Schule oder Praxisanteile einer notwendigen Professionalisierung vermehrt zu beachten, erweisen sich als wesentlich.

Ausgangspunkt der Überlegungen zur Professionalisierung einer Lehrerbildung sind für den Autor

  • die Lehraufträge in Aus- und Weiterbildung/Vorberuflicher Bildung/ Universität Wien (1990/1991-2010/2011; vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich)und in Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung (Lehramt)/ Universität Salzburg (2016, 2018, vgl. DICHATSCHEK 2017a),
  • die Lehraufträge in "Berufsorientierung" am Pädagogischen Institut des Landes Tirol (1993-2003),
  • das Absolvieren des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/Doktorat (1985), der Seminare I und II des BMUK/Wissenschaftliche Landesakademie für Niederösterreich "Didaktik der Lehrer/innen-Bildung/Europaorientierte Lehrer/innen-Bildung"/Krems (1993-1994), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg/Master (2008), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/Universität Salzburg/Diplom (2012), der Weiterbildungsakademie Österreich/Diplome (2010), der Personalentwicklung für Mitarbeiter der Universität Wien/Bildungsmanagement/ Zertifizierung (2008-2010), der Personalentwicklung der Universität Salzburg/4. Interner Lehrgang für Hochschuldidaktik/ Zertifizierung (2015/2016), des Fernstudiums Erwachsenenbildung und Nachhaltige Entwicklung / Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium am Comenius-Institut Münster/ Zertifizierung (2018, 2020)
  • die Auseinandersetzung mit Erwachsenenpädagogik und Weiterbildung (Hochschuldidaktik) (vgl. DICHATSCHEK 2017b) und
  • die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur.
Die Arbeit versteht sich als persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Tätigkeit in der Lehrerbildung.

Die Studie gliedert sich in die Kapitel

  • Lehrerbildung Österreich - EU,
  • Fachdidaktik Lehrerbildung,
  • Schulleiterausbildung Österreich und
  • Schulqualitätsmanagement.
LEHRERBILDUNG ÖSTERREICH - EU    

1 Ziele und Standards in der Lehrerbildung    

Als Reaktion auf PISA entstand ein Bekenntnis zu "Standards", die bisher als "Ziele" bezeichnet wurden. Es geht um Forderungen in einer neuen Semantik, ohne dass eine Evaluation klar wäre (vgl. OELKERS 2003, 54).

Drei zentrale Forderungen ergeben sich:

  • die Erfüllbarkeit,
  • eine Beschränkung und
  • die Überprüfbarkeit.
Innerhalb einer bestimmten Zeit muss man lernen können, was voraussetzt, dass nach Prioritäten geordnet wird (d.h. eine begrenzte Lernzeit mit der Möglichkeit einer Überprüfung).

Im Folgenden geht es um eine Begriffseingrenzung für eine Reform der Lehrerbildung, um allgemeine Probleme der Standardisierung und die Entwicklung von Standards in der Lehrerbildung im bestehenden System.

1.1 Begriffseingrenzung - Notwendigkeit    

Standards können nur formuliert werden, wenn sie Festlegungen ergeben, d.h. sie ergeben Entscheidungen, was verbindlich ausgeschlossen wird. Es ergeben sich demnach Festlegungen, was nicht fehlen darf, um eine bestimmte Qualität zu erreichen (vgl. in der Arbeitswelt die Qualität eines Hotels oder Autos).

Für die Ausbildung gelten ebenso verlässliche Kriterien, die zunehmend von Assessment-Centers beurteilt werden (vgl. in der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung gelten für eine Zertifizierung als Lehrender und Planender ein Assessmentverfahren im Rahmen der Qualifizierung der Weiterbildungsakademie Österreich). In der Lehrerbildung scheut man Standards, weil sie als Einengung der Freiheit wahrgenommen werden (vgl. OELKERS 2003, 56).

Für deren Notwendigkeit spricht die Praxis.

  • Einschätzungen berufsqualifizierter Effekte während des Studiums ("Schulpraktika"), erziehungswissenschaftliche Studieneffekte, die Fachdidaktik und das Studium der Unterrichtsfächer sind zu beachtende Kriterien (vgl. beispielhaft die Online-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Schule, Fachdidaktik Geschichte, Lehre an der Hochschule).
  • Kritik kommt bei der fehlenden Kooperation zwischen Universität und schulischem Unterrichtspraktikum.
  • In der Schulpädagogik gewinnt man den Eindruck, dass spezifische Angebote für Lehramtsstudierende fehlen (vgl. die Trias Pädagogik-Schulpädagogik-Fachdidaktik).
Nach TENORTH (2000, 77), SCHAEFERS (2002, 65-88)und TERHART (2002)versteht sich die heutige Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft nicht als Berufswissenschaft für angehende und praktizierende Lehrkräfte, obwohl sie aus diesem Grund an Universitäten etabliert und ausgebaut worden ist.

  • Dies betrifft die einzelnen Bereiche der Fachdidaktik in ihrer Vielfalt als Praxisvorbereitung.
  • Ebenso geht es um lernpädagogische und sozialpädagogische Inhalte.
  • Aspekte eines Bildungsmanagements (schulpraktische Kenntnisse, Organisation, Verwaltung, Stunden- und Lernplanung, Elternarbeit), der Beratung und Selbstreflexion gehören ein- bzw. ausgebaut.
  • Neue Teilbereiche der Schulpädagogik wie beispielhaft Politische Bildung, Vorberufliche Bildung, Interkulturelle Kompetenz und Globales Lernen sind vermehrt zu berücksichtigen (vgl. die entsprechenden IT-Autorenbeiträge in diesem Netzwerk).
Offensichtlich geht es um Systemprobleme, womit Inhaltsprobleme auf die Studierenden abgewälzt werden (vgl. die damit entstehenden Konsequenzen der notwendigen Fort- und Weiterbildung nach den ersten Berufsjahren im Rahmen einer beruflichen Selbstreflexion als Resultat von Ausbildung-Erwartungen-Notwendigkeiten).

1.2 Probleme der Standardisierung    

Die Unterschiedlichkeit der Lehrveranstaltungen und methodisch-inhaltlichen Leistungsanforderungen macht es notwendig, sich drei Problemen zu stellen.

  • Worauf bezieht sich die Ausbildung?
  • Was sind die Ziele?
  • Wie wird die Wirksamkeit überprüft?
Kritisch ist zu bemerken, dass in der Lehrerbildung das Theorie-Praxis-Problem augenfällig betont wird.

  • Die gegenseitige Abhängigkeit von Theorie und Praxis kommt kaum bis zu wenig vor.
  • Zudem ist die Feedback-Kultur zwischen Universität und Schule zu gering ausgebildet.
  • Schule als "lernendes System" ist kaum geläufig (vgl. KLEICKA 2002, 60).
  • Zu bemängeln ist die Anpassung im Schulpraktikum an das Schulniveau, nicht aber ein Niveau, das durch Ausbildung sich erneuert. Jeder Ausbildungsteil bezieht sich auf sich selbst, Transfereffekte werden kaum bis gar nicht angestrebt. Damit ist eine Standardisierung im Berufsfeld unerlässlich.
  • Als Berufsfeld ist der Unterricht, die Unterrichtsinhalte, die Organisation Schule und das gesellschaftlich-politische Umfeld zu verstehen.
  • Belastend für Studierende sind die Erziehungsarbeit, Beurteilungen, Konfliktsituationen, Beratung, individuelle Förderung, Umgang mit heterogenen Klassen, Elternarbeit, Weiterbildung, ein guter Zeitrahmen und Schulentwicklung (vgl. die Reihenfolge der Tätigkeitsbereiche; KLEICKA 2002, 28).
  • Alle Ziele bzw. Standards beziehen sich auf eine bestimmten Zeitrahmen, müssen sich überprüfen lassen und umsetzbar sein (vgl. die Möglichkeit der Umsetzung bei TERHART 2002, 22-24).
1.3 Entwicklung von Standards im System    

Zu unterscheiden sind fachliche (Fachbezug) und überfachliche Standards (fachübergreifend).

Als Kerncurriculum kann man von Bildung, Erziehung, Gesellschaft - Lernen, Verstehen, Entwicklung - Schule, Unterricht, Lehrerberuf - Lernplanung, Lerndiagnose, Beratung ausgehen (vgl. OELKERS 2003, 66).

Da ein Kerncurriculum nicht ausreichend ist, gibt es Vorschläge (vgl. TERHART 2002, 30-32)

  • für Standards für Ausbildungssituationen/Prüfungs-und Einstellungsbedingungen,
  • für Standards für ausgebildete Lehrende und
  • für Standards für das Steuerungssystem der Lehrerbildung (Steuerung durch Wissen und eigene Organisation).
Merkmale sollten die Festlegung der Inhalte, Leistungsniveaus und Ressourcen sein. Zu bedenken ist die Notwendigkeit eines Controlling, das über die kommunikative Abstimmung hinausgeht (Festlegung von Zielen, Zeitrahmen und Überprüfungsrahmen).

Zu bedenken ist die Kontroverse mit der Konzeption eines "offenen Unterrichts".

2 Aspekte österreichischer Lehrerbildung - Entwicklungstendenzen    

In Österreich kommen unterschiedliche Konzeptionen und teilweise unterschiedlichen Organisationsstrukturen zum Tragen. Für die Grundausbildung sind - mit Ausnahme von Sonderfällen - zwei Institutionen zuständig (vgl. MAYR-TEML 2003, 133-156).

2.1 Pädagogische Akademien - Pädagogische Hochschulen    

Pädagogische Akademien(PA) bildeten ab 1968 in sechssemestrigen Studiengängen Lehrende für Pflichtschulen(Grundschulen, Hauptschulen, Polytechnische Lehrgänge/Schulen, Sonderschulen - Berufsschulen)aus. Als verbindende Ausbildung boten sie eine einphasige, theoretische und praktische Lehrerbildung an. Nach Abschluss konnten die Absolventinnen und Absolventen als "Diplompädagoginnen/Diplompädagogen" sofort einen Dienstposten/Stelle antreten.

PA haben eine "Übungsschule", um Studierenden von Beginn an einem Tag der Praxis Hospitation und Unterricht zu vermitteln.

Alle Lehrenden der PA müssen ein Lehramt für Pflichtschulen mit besonderer Qualifikation einer Lehrtätigkeit an Pflichtschulen nachweisen. Professoren der PA haben zudem ein Studium vorzuweisen. Lehre und Betreuung der Studierenden gehören zu ihrem Lehramt.

In einem längeren Prozess der Umwandlung in "Pädagogische Hochschulen (PH)" ab 2007 wird ein Bakkalaureat vergeben, wobei sich die Praxisausbildung von der PA nicht substantiell unterscheidet.

2.2 Universitäten    

Künftigen Lehrenden für allgemein und berufsbildende mittlere und höhere Schulen(AHS-BMS) wird eine neunsemestrige universitäre Berufsvorbildung in zwei Fächern mit Praktika an Schulen vermittelt. Abschluss des Studiums ist der Master, ein externes einjähriges Unterrichtspraktikum (mit Betreuungslehrern und pädagogisch-didaktischen Seminaren) und in der Folge die Lehrberechtigung im Schuldienst.

Das Studium "Lehramt" kennt individuell unterschiedliche "Unterrichtsfächer". Herausgestellt wird dabei das Gemeinsame des Lehrens und die Zuständigkeit einer eigenen Studienkommission (früher gab es für jedes Lehramtsfach eine eigene Studienkommission). Die pädagogische Ausbildung beginnt bei Studienbeginn mit "praxisbezogenen Lehrveranstaltungen".

2.3 School of Education    

Am Beispiel der Universitäten Innsbruck und Salzburg werden die derzeitigen Modelle vorgestellt.

2.3.1 Universität Innsbruck    

Gegründet wurde die School of Education am 1. Mai 2012. Die Universität Innsbruck koordiniert die Lehrer-Ausbildung durch eine eigene Fakultät. Zwei Institute beinhalten einerseits die Lehrerbildung bzw. Schulforschung und andererseits thematische Arbeitsbereiche der Fachdidaktik.

Das Modell der "School of Education" beinhaltet die Federführung der Ausbildung durch die Universität. Pädagogische Hochschule und Universität sind in der Fakultät verbunden.

Pressehinweis

http://derstandard.at/1334796191679/Lehrer-Ausbildung-Uni-Innsbruck-besiegelt-School-of-Education (25.4.2012)

2.3.2 Universität Salzburg    

Entstanden ist die "School of Education"/SoE aus dem Interfakultären Fachbereich "Fachdidaktik - Lehrerbildung". Die School of Education wurde am 1. Mai 2012 gegründet.

Die Ausbildung Lehrender der AHS, BMS und BHS erfolgt für 17 Studienfächer in enger Kooperation mit den universitären Fachbereichen, für fünf künstlerische Studienfächer mit der Universität Mozarteum. Zudem besteht eine enge Kooperation mit Schulen in den Bundesländern Salzburg und Oberösterreich sowie der Pädagogischen Hochschule Salzburg.


IT-Hinweis

http://www.uni-salzburg.at/index.php?id=49279 (13.9.2015)

2.4 Entwicklungsphasen der Lehrerbildung    

Im Folgenden soll verkürzt die Entwicklung in Zehnjahresschritten dargestellt werden.

  • Mit der Einführung der PA 1968 wurde - als Abgrenzung zur damaligen universitären Lehrerbildung mit marginaler pädagogischer und schulpraktischer Ausbildung - mit dem Prinzip der Einphasigkeit an einem Tag der Woche bzw. externen mehrwöchigen geblockten Praktika Hospitation und Unterrichtstätigkeit vermittelt. Von Anfang an im Kontext mit theoretischen Studienveranstaltungen sollten die Studierenden auf eine Lehrtätigkeit im Schuldienst vorbereitet werden. Organisatorisch konnte man auf die Tradition der "Lehrerbildungsanstalten" (LBA) zurückgreifen. Erziehungswissenschaftlich fundierte Theorie und Praxis waren der Bildungsauftrag. "Unterrichtsanalyse" waren der Ort der Reflexion der Hospitation und des eigenen Unterrichts. "Schulpraktische Ausbildung" bezog sich auf eine Operationalisierung des Lehrerverhaltens in Beobachtung, Training und Beurteilung. In der Praxis kam der damalige Theorie-Praxis-Konflikt der siebziger Jahre deutlich zu Tage.
  • Zu Beginn der achtziger Jahre betonte der neue Lehrplan der PA die curriculare Dimension einer theoretischen und schulpraktischen Ausbildung. Statt Einzelveranstaltungen sollte ein integrierendes Studium treten, das durch überlegten Methodeneinsatz und geplante Abfolge von Lerninhalten einen Kompetenzzuwachs ermöglichen. Akademieeigene Studienpläne sollten die Vorgaben konkretisieren. Geblockte Praktika ersetzten die Tagespraktika, mitunter kam es schon zu Studienbeginn zu einem einwöchigen Praktikum. In der Folge sollte es einem methodisch-didaktischen Repertoire an Handlungsmöglichkeiten kommen (vgl. die Sequenzierungsvorschläge und Materialien bei BUCHBERGER-RIEDL 1987). Die verordneten Ausbildungsschwerpunkte blieben vielen Praxislehrenden und Studierenden innerlich fremd und wurden als additiv hinzugefügt angesehen.
  • Die Probleme von Theorie und Praxis als Koppelung rückten zu Beginn der neunziger Jahre in den Blickpunkt der Ausbildungslehrenden (vgl. an Universitäten bei Betreuungslehrenden). Eine Professionalisierung dieser Lehrenden erwies sich aus Rückmeldungen der Studierenden als notwendig (vgl. MAYER-TEML 2003, 139). In der Schulpraxis sollte nach dem "4 K - Modell" gearbeitet werden - kooperativ (miteinander), kontinuierlich (längerfristig), kriterienbezogen (schwerpunktmäßig) und kontextbezogen (berufspraktisch).
  • Neben Versuchen der Ausbildung für ein Lehramt für Lehrerbildner kam es zu einem Handlungsforschungsprojekt zur Förderung der Beratungskompetenz für Praxisbetreuer und Übungsschullehrender. Das 4 K-Modell wurde mit der Dimension "Kreativität" erweitert.
  • Reflexiv betrachtet ergibt der beachtliche Aufwand, insbesondere an PA, die Frage nach der Wirksamkeit.
    • Praxisanteile in der Ausbildung weisen darauf hin, dass ein Berufseinstieg leichter gelingen kann, wenngleich eine Betreuung im Anfangsstadium der Lehrtätigkeit sich als notwendig erweist.
    • Es zeigt sich ebenso, dass beträchtliche Unterschiede in der Qualität der einzelnen Lehrerbildungsinstitutionen vorhanden sind. Zielführend ist jedenfalls die Beseitigung von Schwachstellen und vorhandene Stärken abzusichern und auszubauen (vgl. die Bedeutung einer persönlichen Reflexion mit einer Auseinandersetzung in der notwendigen Fortbildung mit der Thematik "wissenschaftliche Theorien vs. subjektive Theorien"; vgl. MAYR-TEML 2003, 141-142).
2.5 Entwicklungsbereiche    

Nach diesen Diskussionsthemen soll auf das Berufsfeld, die Laufbahnberatung, die Beurteilung von Praxisleistungen und die Begleitung/Betreuung von Berufsanfängern eingegangen werden.

2.5.1 Berufsfeld - Laufbahnberatung    

Wie bei vorberuflichen Beratungsmaßnahmen wird gerne von der Annahme ausgegangen, dass Berufseinsteigende über das Anforderungs- und Tätigkeitsprofil und von einem Laufbahnkonzept bereits Bescheid wissen. Allerdings müssen auch Studierende wissen, dass es kaum attraktive Alternativen zur Tätigkeit im Schuldienst gibt (vgl. die Lehrtätigkeit und das Bildungsmanagement in der Erwachsenenbildung, universitäre Lehrtätigkeit und die geringen Karrierelaufbahnen im Bereich der Schulleitung und Schulaufsicht sowie als Verwaltungspädagogen).

Daraus ergeben sich notwendige Maßnahmen.

  • Zunächst müssen Studienbedingungen so gestaltet werden, dass ein Berufseinstieg mit den notwendigen Berufsanforderungen möglich ist. Damit werden Studienabbrüche vermieden.
  • Erkundungsmöglichkeiten wie Besuch von Lehrveranstaltungen, Praktikumsmöglichkeiten und Expertengespräche gehören zum Angebot.
  • Ebenso gehört dazu eine Laufbahnberatung für Interessenten eines Lehramtsstudiums (vgl. die notwendige Ausbildung von Beratenden; internetgestütztes Material["Titel Career Counselling for Teachers/CCT"]).
2.5.2 Praxisbeurteilung    

Zur Praxisbeurteilung gehören selbstgesteuertes Lernen, Kooperationsfähigkeit, Reflexionsbereitschaft und forschendes Lernen.

Ziel ist ein Prozess einer professionellen Kompetenzentwicklung.

Ebenso ist zu wissen, dass Praxisleistungen einer Leistungsbeurteilung unterliegen (verbal - Ziffernbenotung). Problembehaftet ist für Studierende, dass nur das zählt, was auch benotet wird (vgl. das Problem der Fortsetzung der schulischen Zensurenmentalität im künftigen Berufsleben; zur Förderung der Lernförderung in der Praxisausbildung mit Lerntagebücher, Entwicklungsberichten, Selbst- und Fremdeinschätzungen SCHRATZ-TSCHEGG 2001, 17-25).

2.5.3 Berufseinführung    

Begleitung bzw. Betreuung sind hilfreich für den Übergang in eigene Unterrichtstätigkeit.

  • Genützt werden sollen Lernchancen, die sich in dieser Phase einer Neuorientierung ergeben. Hier entscheiden sich bereits künftige Haltungen und Tendenzen im Bezug auf Innovationen und dynamischen Haltungen bzw. einer Resignation (vgl. BECK-HUTTEL-SCHRATZ 2001, 83-87).
  • Zu sprechen ist von einem Professionalisierungskontinuum, das auf lebensbegleitendes Lernen - besser auf die Notwendigkeit planmäßiger Fort- und Weiterbildung - zielt. Es bedarf demnach der Erstellung solcher Konzepte, die neben einer Fortbildung von Lehrenden am Beginn ihrer Berufslaufbahn auch qualifizierte Weiterbildung mit dem Ziel einer Höherqualifizierung aufweisen.
  • Lehrerbildung als Begriff umfasst demnach eine Basisausbildung (Grund-), regelmäßige Fortbildungsmaßnahmen und Weiterbildung (etwa Kurzstudien, Universitätslehrgänge und Lehramtszusatzstudiengänge).
3 Aspekte europäischer Lehrerbildung    

Die Schule und mit ihr die Hochschulen ist zukünftig für die Gesellschaft mindestens so wichtig wie der Markt der IT-Technologien für die Ökonomie. Was Lehrende leisten müssen, um den Bildungsauftrag und die gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen, bedarf des Tätigkeitsfeldes für zeitgemäße Studiengänge.

Zeitgemäß bedeutet in der Lehrerbildung die Verbindung eines fachwissenschaftlichen Studiums in mindestens zwei Fächern, ein fachdidaktisches Studium in mindestens zwei Fächern, ein erziehungswissenschaftliches Studium und schulpraktische Studien (vgl. HILLIGUS 2003, 157).

Diese Komplexität unterscheidet ein Lehramtsstudium von anderen Studiengängen, in denen ein Hauptfach studiert wird und in denen sich Studierende einer einzigen Fakultät zugehörig fühlen. Für Österreich gilt zudem die Zweifachausbildung einerseits für Pflichtschullehrer an Pädagogischen Hochschulen und andererseits für Lehrende der AHS, BMS und BHS an Universitäten.

Als Kritikpunkte werden genannt

  • die Beliebigkeit des erziehungswissenschaftlichen Studiums,
  • der mangelhafte Berufsfeldbezug der Lehrerausbildung,
  • die mangelhafte Verzahnung von Erziehungswissenschaft, Fachwissenschaften und Fachdidaktiken,
  • der geringe Stellenwert der Fachdidaktik und schulpraktischer Studien an Universitäten.
Im Folgenden wird auf die europäische Bildungspolitik, die Lehramtsausbildung und Lehrerausbildungssysteme in Ländern der EU eingegangen (vgl. HILLIGUS 2003, 163-179).

3.1 Europäische Bildungspolitik    

Kennzeichnend für die Bildungspolitik in der EU sind

  • die dürftigen finanziellen Mittel, bezogen auf die gesteckten Ziele und
  • die Weisungsbefugnisse bei den Mitgliedsstaaten (vgl. für Österreich die Aufsplitterung der bildungspolitischen Zugehörigkeit für die Pädagogischen Hochschulen beim Bundesministerium für Bildung und Frauen und für Universitäten beim Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft[Stand 2015]).
Gleichzeitig erkennt man im Rahmen der Europäischen Union(EU) die Notwendigkeit im Bildungssektor, die Mobilität und Freizügigkeit zu fördern (Austausch von Schülern und Studierenden, Fremdsprachenerwerb, Behandlung europäischer Themen, Übergang von Schule in die Berufswelt und gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen[Nostrifikation]).

Relativ spät wurde die allgemeine Bildung berücksichtigt, dies dann, weil deren Förderung wirtschafts- und sozialpolitisch von Bedeutung ist (vgl. die von der EU wiederholt angesprochene Förderung des "humanen Kapitals").

Im Gründungsvertrag der EU von Maastricht (1992) wird die Entwicklung einer europäischen Dimension im Bildungswesen als Ziel genannt.

  • Artikel 126 nennt als Auftrag, dass die Gemeinschaft zur Entwicklung einer hochstehenden Bildung dadurch beiträgt, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten fördert und deren Tätigkeit unterstützt und ergänzt.
  • Als eine Zielsetzung der Qualitätsentwicklung der Bildung steht die Förderung der Mobilität der Lehrenden (und Lernenden) sowie der Ausbau eines Erfahrungsaustausches über Probleme im Bildungssystem.
Eine Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften wurden ausgeklammert, Fördermaßnahmen wurden in Verbindung mit Empfehlungen dafür gesetzt.

1995 gaben die EU-Kommissionen für Bildung und Soziale Angelegenheiten unter dem Thema "Lehren und Lernen. Auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft" ein Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung heraus. Man müsse die erreichten Fortschritte bei der wirtschaftlichen Integration durch Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten ergänzen (vgl. WEISSBUCH 1995, 5).

Mit fünf Zielen wurde über die Ausbildung hinaus auch die Weiterbildung angesprochen (vgl. die Formulierung der EU ohne Unterscheidung von Fort- und Weiterbildung; WEISSBUCH 1995, 46-47).

  • Förderung der Aneignung neuer Kenntnisse,
  • Annäherung von Schule und Unternehmungen,
  • Bekämpfung von Ausgrenzungen,
  • Beherrschen von drei Gemeinschaftssprachen und
  • Gleichbehandlung von materiellen und berufsbildungsspezifischen Investitionen
Die EU-Gipfel von Lissabon (2000) und Stockholm (2001) unterstrichen die Initiativen und lösten den Begriff "kognitive Gesellschaft" durch "Wissensgesellschaft" ab. Als Ziele wurden formuliert

  • die Erhöhung der Wirksamkeit allgemeiner und beruflicher Bildung in der EU,
  • der leichtere Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung für alle und
  • die Öffnung allgemeiner und beruflicher Bildung gegenüber der Welt.
3.2 Lehrerbildung in der europäischen Bildungspolitik    

In der Bologna-Erklärung von 1999 vereinbarte die EU-Bildungsminister Ziele eines "Europäischen Hochschulbildungsraumes'''.

  • Einführung eines Systems leicht verständlicher Abschlüsse,
  • Einführung eines Leistungspunktesystems (ECTS),
  • Förderung der Mobilität,
  • Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung (ENQUA) und
  • Förderung der erforderlichen europäischen Dimension im Hochschulbereich.
Für Österreich hat die Erklärung eine wesentliche Bedeutung erhalten. Für die Lehrerbildung - obwohl nicht angesprochen in der Erklärung - gelten demnach Bachelor/Master-Studiengänge (vgl. die in der Erklärung angesprochenen zwei Hauptzyklen mit einem ersten Abschluss nach drei Jahren[mit Bachelor] und einem zweiten Zyklus [mit Master und/oder Promotion]).

Im Jahr 2000 erschien von BUCHBERGER-CAMPOS-KALLOS-STEPHENS0N das "Green Paper on Teacher Education in Europe", das den Schwerpunkt auf die Entwicklung der Professionalität in der Lehrerbildung legt (vgl. die im Green Paper ausgedrückte geringere Bedeutung von Strukturen der Lehrerbildung). Aspekte sind demnach

  • Funktionen und Aufgaben einer Lehrerbildung in sich wandelnden Gesellschaften,
  • die Verbindung von Lehrerausbildung-Lehrerprofession-Schule und
  • die Funktion einer Forschung zur Verbesserung der Lehrerbildung sowie die Rolle von Lehrerausbildung und Lehrberuf im europäischen Integrationsprozess (ebd., 7).
  • Die Autoren betonen als Reform-Empfehlungen eine Erhöhung der Autonomie und der Verantwortung lehrerausbildender Institutionen, die Bereitstellung personeller und finanzieller Ressourcen für Projekte zur Reform von Ausbildungsprogrammen und Ausbildungscurricula sowie Konzepte für Forschungs- und Entwicklungsprofile. Aktionspläne für berufsbegleitende Fortbildung, Gründung von Partnerschaften und die Steigerung der Professionalität werden ebenso genannt.
Auf der Aktionsebene werden Reformbestrebungen durch das "Leonardo-Programm" unterstützt, das sich in Programmteilen und Aktionsbereichen gliedert.

  • Ob eine Nutzung für Entwicklung von Curricula und Lehr- und Lernmaterialien für die Lehrerbildung genützt wird, entzieht sich der Kenntnis des Autors.
  • Bedeutung kommt dem "Thematic Network on Teacher Education in Europe"/TNTEE mit Untersuchungen zur Lehrerausbildung und Best-Practice-Beispielen.
3.3 Lehrerausbildungssysteme in der EU    

Beeindruckend ist zweifelsohne die Vielfalt der Systeme in den Mitgliedsstaaten. Zudem gibt es etwa in Deutschland noch Unterschiede im Staat auf Grund der Kulturhoheit der 16 Bundesländer. Durch das nationale Gefüge stehen die Lehrerbildungssysteme in den einzelnen Staaten unter dem Einfluss der (bildungs-)politischen Diskussionen.

Lehrerbildungsinstitutionen sind in der EU im Informationsnetzwerk Eurydice vorzufinden (vgl. http://www.eurydice.org), wobei nach Zielen, Inhalten, Lernkulturen, Prüfungsmodalitäten und Organisationsstrukturen unterschieden wird.

Es geht demnach beispielhaft um den/die/das

  • Grad der Professionalisierung - forschendes Lernen, Selbstorganisation, Selbsttätigkeit, Problemlösungskompetenz, Beurteilungs- und Bewertungsfähigkeit(SF), Orientierung an "skills"(UK),
  • Institutionalisierung - Universitäten(SF), Pädagogische Hochschulen(CH), Pädagogische Hochschulen und Universitäten(A),
  • Ausbildungsmodell - Ausrichtung am Berufsfeld Schule(Theorie und Praxis)(D, SF, ES), konsekutive Modelle(F, I), beide Systeme in England,
  • Ausbildungsphasen - Abschlussprüfung mit Lehrbefugnis(DK, F, A, D),
  • Steuerungsmechanismen - Autonomie in Hochschule-Schule-Lehrende(SF), staatliche Anordnungen(D, A), rigide Vorgaben und Kontrollen/"National Curriculum"-OFSTED(England), Ausrichtung an Standards(CH),
  • Ausbildungslänge - Mindestlänge in der EU in der Grundschulausbildung drei Jahre, Sekundarausbildung vier Jahre.
3.4 Internationalisierung in der Lehrerausbildung    

Wenig verbreitet sind Auslandserfahrungen und internationale Perspektiven in der Phase der Ausbildung von Lehramtsstudierenden.

  • Internationalisierung versteht sich als Maßnahmen, die Mobilität Studierender zu erhöhen, Auslandserfahrungen zu ermöglichen und Beratung bzw. Förderung bereitzustellen.
  • Darüber hinaus bedeuten für die Lehrerbildung Verbindung zu interkulturellem, globalem Lernen und der Einbau internationaler Perspektiven (vgl. KNIGHT 2008).
  • Wesentlich ist das Kennenlernen anderer Lernkonzepte und Lernkulturen, um Diversität im Klassenraum umsetzen zu können. "Diversity" ist das leitende Handlungsmotiv in dieser ersten Phase der Ausbildung.
Neben dem Zuwachs von Kenntnissen und Erfahrungen der Lehramtsstudierenden bezieht sich Internationalisierung auch auf eine generelle Haltungskomponente in der Gesellschaft.

  • Diversität und Inklusion - in Schulen und gesamtgesellschaftlich - sind Aufgaben von Hochschulen geworden.
  • Interkulturelle Öffnung ist dringend notwendig, geht es doch neben Studierenden auch um Mitarbeitende mit Zuwanderungsgeschichte an Hochschulen.
Internationalisierung umfasst alle Ebenen' einer Lehramtsausbildung wie die Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Schulpädagogik (vgl. Vergleichende Erziehungswissenschaft). Wesentlich ist demnach die Verzahnung von Theorie und Praxis (vgl. Möglichkeiten von EU-Lehrerbetriebspraktika/ERASMUS, begleitende Praktika an Auslandsschulen)

Stellenwert der Internationalisierung in der Lehramtsausbildung

Perspektivenerweiterung

Sensibilisierung

Empowerment

Förderung interkultureller Handlungskompetenz

"diversity education"

soziokulturelles Bewusstsein

Internationalisierung von Lehr- und Lerninhalten

Reflexionsfähigkeit

Förderung fremdsprachlicher Kompetenz

3.5 Beispiel Island    

Ein Blick auf das Beispiel Island lässt Erfahrungen erkennen, die auf Land, Leute und das Verständnis von Schule hinweisen (vgl. KARLSSON 2015, 172-183).

Voraussetzung ist

  • die Kenntnis interkultureller Kompetenz und des ausländischen Schulsystems bzw. seiner Schulkultur in seinen Grundzügen.
  • Nordeuropäische Staaten sind für ihre gute Schulbildung bekannt.
  • Grundvoraussetzung ist bei einem Praktikum, dass an der Schule Deutsch unterrichtet wird.
Das isländische Schulsystem beinhaltet vier Ausbildungsstufen. Zumeist sind Schulen staatlich organisiert und verwaltet. Schulbeginn ist der August, das erste Semester endet mit dem Kalenderjahr. Im Mai endet das zweite Semester, anschließend werden nur noch Abschluss-Schularbeiten geschrieben(vgl. als Überblick über das isländische Schulsystem > http://eng.menntamalaraduneyti.is [24.9.2016]).

  • Die Leikskoli ist Krippe, Kindergarten, Vorschule und Schule. Es besteht keine Verpflichtung zum Besuch.
  • Die Grunnskoli ist verpflichtend, absolviert werden zehn Klassen. Eingeschult wird in der Regel mit dem vollendeten fünften Lebensjahr in Jahrgangsklassen. Die Grunnskoli ist einer Gesamtschule ähnlich mit einem staatlich-zentralen Lehrplan.
  • Die Framhaldsskoli hat jene Lernenden, die in freier Wahl die Schullaufbahn fortsetzen. Die Angebote richten sich nach den Stärken der Lernenden. In der Regel dauert diese Schulform vier Jahre. Aufnahmekriterien sind die Noten der Grunnskoli.
    • Die Menntaskolinn ist mit der gymnasialen Oberstufe vergleichbar. Dort wird das studentsprof (Reifeprüfung) erreicht. Schwerpunkte sind Technik oder/und Sprachen.
    • Als weitere Form gibt es die Fjölbrautaskoli (Berufskollegs).
  • Hochschulen (Haskoli) gibt es derzeit vier staatliche und drei private.
Kennzeichnend ist der technisch perfekte IT-Einsatz und die Whiteboards in den Klassen.

  • Eine WLAN-Verbindung ist frei verfügbar, entsprechend sind Mobiltelefone erlaubt und teilweise in den Unterricht integriert.
  • Ab der Grunnskoli sind als Sprachen Isländisch, Dänisch und Englisch obligatorisch, in der Folge kann Deutsch als Viert- bzw. Folgesprache gewählt werden(vgl. die Notwendigkeit von Fremdsprachkenntnissen auf Grund der Insellage).
  • Wesentlich ist der Bezug im Unterricht zum persönlichen Lernstatus.
  • Eigeninitiative wird erwartet, eigenständiges Lernen mit unterstützenden Rahmenbedingungen gefördert.
FACHDIDAKTIK LEHRERBILDUNG    

4 Fachdidaktik in der Lehrerbildung    

Im Folgenden werden Autorenbeiträge zur Lehrerbildung vorgestellt. Zu beachten ist jeweils der Kontext zur Politischen Bildung.

4.1 Fachdidaktik Geschichte - Theorie und Praxis von Lehre und Didaktik    

Nach PANDEL (2013, 5-6) hat die Geschichtsdidaktik in den letzten vierzig Jahren drei Entwicklungen durchlaufen.

  • Es kam zu einer Veränderung der Geschichtsdidaktik im Gefüge der Universitätsdisziplinen. Aus dem allgemeinen Unterricht wurde ein Fachunterricht mit dem zentralen Faktor "Inhalt" (vgl. die Vermengung von Geschichte zunächst mit Sozialkunde und in der Folge mit Politischer Bildung[GSKP]; dazu ausführlich der IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Politische Bildung, allgemein: Schule, Lehre an der Hochschule).
  • Geschichtsdidaktik ist disziplinär unterschiedlich institutionell zugeordnet (vgl. dazu die Zuordnungen an den Instituten der Erziehungswissenschaft, Geschichtswissenschaft und eigenen Departments).
  • Strukturveränderungen und ihre Reichweite ergeben sich an der Entwicklung des Bildungssinns, wobei heute die Lernenden an der Sinnbildung beteiligt sind,
    • man beachte die kombinierten Lehr- und Arbeitsbücher,
    • die Quellenarbeit mit der Quelleninterpretation,
    • die Projektarbeit mit eigener Zielsetzung der Lernenden und
    • die erweiterte Kompetenz der Geschichtskultur - nicht nur Lehrende im Unterricht, ebenso auch Pädagogen der Archiv-, Museums- und Gedenkstättenpädagogik. Die Fachdidaktik ist demnach wesentlich erweitert worden.
Bedenklich ist der Verlust der gesellschaftlich-sozialen Lebenswelt. Soziologische Tatsachen gehören aufgenommen.

Was in den sechziger und siebziger Jahren mit kompensatorischer Erziehung und Sozialisation berücksichtigt wurde, wird heute als "soziales Milieu" vernachlässigt (vgl. die Berücksichtigung bzw. Vernachlässigung von "Hochkultur" und "Risikogruppen"; vgl. dazu das Schulfach "Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung" mit einer notwendigen Definierung des Stellenwertes von Sozialkunde bzw. der Vernachlässigung zugunsten einer Politischen Bildung).

Hintergrund der fachlichen Bemühungen um eine Fachdidaktik in Geschichte ist

  • die jahrzehntelange Auseinandersetzung mit dem Schulfach "Geschichte-Sozialkunde" (Lehramt APS/Lehrender-Lehrerbildner),
  • die universitäre Lehre mit Teilbereichen der Politischen Bildung in Vorberuflicher Bildung (Universität Wien) und der Kombination von Sozialkunde und Politischer Bildung im Schulfach GSKP (Universität Salzburg),
  • die Absolvierung des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung(vgl. das Modul "Zeitgeschichte") und des 7. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz (vgl. die Inhalte der IK und der Kontext zu den Kulturwissenschaften),
  • die Absolvierung der Weiterbildungsakademie Österreich (vgl. die Qualifizierung zur Erwachsenen- und Weiterbildung)und
  • zuletzt die Teilnahme am EU-Projekt "World Class Teacher/Teaching"(Fachbereich GSKP) (vgl. IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Globales Lernen, Warum lernen wir was und wie wir lernen).
4.1.1 Didaktik der Geschichte    

Mit der Epoche der Aufklärung entstand ein modernes Wissenschaftssystem.

  • Die Erfahrung eines methodisch geregelten Forschungsprozesses mit Ergebnissen neuen Wissens war eine neue Erfahrung.
  • Die Verbreitung neuen Wissens bedeutet Didaktik. Dies ist die Wurzel für eine Geschichtsdidaktik (vgl. PANDEL 1990).
  • Wissenschaft wird öffentlich und soll sich auf viele soziale Gruppen verteilen.
  • Dem standen politische, kirchliche und gesellschaftliche Bestrebungen entgegen,
    • man denke an die Entstehung einer Antididaktik mit ihrer Methodenvielfalt wie kirchlichem Index/1559 "Index librorum prohibitorum" in der römisch-katholischen Kirche, Abschaffung erst 1967; staatlicher Zensur; staatliche Verbote wie etwa Versammlungen und bestimmte Berufsausübungen; Bücherverbrennungen/vgl. die Vernichtung der Bücher der Mayas in der Zeit des Kolonialismus],
    • zur Antididaktik gehört auch die soziale Begrenzung von Wissen/Trennung von Volksschulen und Gymnasien/"Bildungsbegrenzung".
  • Mit der Festlegung des lehrbaren Wissens grenzt man auch anderes Wissen aus (vgl. die heutigen Richtlinie und Lehrpläne für Schulen sowie die akademische Lehrfreiheit an Universitäten).
Zur der spezifisch geschichtswissenschaftlichen Didaktik gehören die Erzählung, die Historiomathie (geschichtliche Lehre und geschichtliches Lernen), das historische Denken und der Kontext zur allgemeinen Didaktik.

Historisches Wissen beinhaltet die Form der Erzählung, der Weitergabe und Verbreitung (Narrativität). Der sozialen und zeitlichen Ausdehnung wird damit Rechnung getragen.

Bedingungen sind nach CHLADENIUS (bereits 1752)eine perspektivische und wahre Erzählung, von Generation zu Generation (Kanalisierung), möglichst störungsfrei und entsprechend den Zuhörenden verständnisvoll (vgl. die Aufnahmefähigkeit der Rezipienten; CHLADENIUS 1752/1985, 159-160,190). Der Jugend werden bei der Fortsetzung der Geschichte mitunter Schwierigkeiten unterstellt, weshalb Ursachen und Bedeutung von Geschichte mit "Denkmälern" - Artifakte, Feste, Urkunden, Experten - als Motive zur Rezeption und Weitergabe empfohlen werden (vgl. ebda., 191, 194-196). Mit dieser Didaktik ist die Geschichtswissenschaft angesprochen und nicht die Pädagogik.

Dialog als Erzählform und Weitergabe betrifft demnach die Mitlebenden und Nachlebenden. Er muss zudem tradierwürdig sein.

Ohne Zwecksetzung - etwa Patriotismus und Liebe zum Herrscherhaus - ist die Erzählung didaktisch funktionsfähig:

Die Geschichtswissenschaft wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts als arbeitsteilige Fabrik im Sinne von Adam SMITH aufgefasst(vgl. die Beschreibung als Zusammenarbeit des Theoretikers, Schreibers, Lehrers und Forschers).

Die damalige Theorie der Geschichtswissenschaft bestand aus zwei Teilen - der Histographie(Regeln der Geschichtsschreibung) und der Historiomathie (Regeln der Lehre und des Lernens der Geschichte /lehrerzentriert als didaktische Präsentation - schülerzentriert als selbständiges Lernen; vgl. BLANKE-FLEISCHER 2003, 203-204).

Die Geschichtswissenschaft hat selber Regeln des Lehrens und Lernens hervorgebracht.

  • Demnach haben für das Schreiben und Lehren nur Historiker und nicht Pädagogen die Kompetenz besessen (vgl. PANDEL 2013, 12 mit der Bemerkung, dass Pädagogen so tun, als wären sie in 20 Fächern zu Hause).
  • Aus heutiger Sicht muss man den damaligen Historikern Recht geben, wie etwa die Einrichtung von Zentren für Fachdidaktik an Universitäten zeigen.
Die Geschichtswissenschaft enthält drei Dimensionen in Form der Forschung, der Theorie und Didaktik. Sie besteht nicht nur

  • aus empirischem Wissen mit Reflexionswissen (als Voraussetzung des gewonnen Wissens und einer Funktion von Lebenswelt),
  • einer Geschichtstheorie/"Historik" (als Voraussetzungen des eigenen Tuns und deren Folgen) und
  • einer Geschichtsdidaktik (als Ermöglichung historischen Denkens mit entsprechenden Lern- und Vermittlungsprozessen).
Wissenschaft beruht auf Denkweisen und steht damit im Kontext mit anthropologischen Grundlagen (Art der Denktätigkeit).

  • Die Geschichtsdidaktik ist damit Reflexion historischen Denkens und Handelns in der Geschichte. Verpflichtet ist sie somit der Didaktik der Geschichte und der Didaktik einer Denkweise des Alltags.
  • Sie ist nicht ausschließlich auf die Schule zu beziehen und auch nicht einer Instanz für fachwissenschaftliche Ergebnisse.
  • Vielmehr ist sie der Lebenswelt verpflichtet, "[...]da das alltagsweltliche historische Denken strukturell mit dem fachwissenschaftlichen übereinstimmt" (PANDEL 2013, 21).
Es bedarf einer Bestimmung von Denkformen und erst in der Folge auf die Ergebnisse des Nachdenkens einzugehen. Zentrale Begriffe' sind

  • die Erfahrung,
  • die Erzählung (narratives Wissen) und
  • die kulturelle Kohärenz.
Die Erfahrung ist als Kenntnis der subjektiven Wirklichkeit auf das Einzelne gerichtet.

  • In der Geschichtswissenschaft handelt es sich eigentlich um eine Differenzerfahrung, die in Zeitdifferenzen, in Vergangenheit, in einer Lebenswelt besteht (man denke an Bauten, Mode, technische Geräte, aber auch an politisches Handeln).
  • Es bedarf einer historischen Sensibilität, zumal es auch im Kontext von Kulturen, Lebensformen, Stilen und Deutungsmustern geht.
  • In vielen Fällen läuft im Alltag dies unbewusst ab, wobei etwa bei Museumsbesuchen und im Reisetourismus bewusst organisierte Differenzerfahrungen ablaufen.
  • Erfahrungen als historisches Denken erfolgt auch in Sprache. Einzelne sprachliche Begriffe drücken Differenzen aus (vgl. die Verschiedenheit der Bedeutungen von "Untergang"[Rom ist genau so untergegangen wie die Titanic]oder "Anschluss"[technisch in der Elektrizität als Kontakt zur Stromquelle, historisch als Einnahme Österreichs 1938 in das Dritte Reich]).
Erzählung bedarf der Sprache und Erzählbarkeit.

  • Die Geschichtswissenschaft unterscheidet nomologisches (Gesetzeswissen) und narratives Wissen (Verknüpfung von Zeitdifferenzen).
  • Historisches Wissen besitzt eine narrative Struktur (vgl. den Unterschied zu den Natur- und Sozialwissenschaften). Man denke an die Notwendigkeit einer Erzählmethodik.
Kulturelle Kohärenz bedeutet einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Ergebnissen des Nachdenkens herzustellen (Kontinuität). Historisches Denken umfasst die Ereignisse im Plural und Singular.

  • Im Singular erkennt man Geschichte, etwa bezogen auf kulturelle Kohärenz (vgl. die Zusammenhänge im Epochen und Generationen - nicht nur kulturell, auch politisch).
  • Dies hat in der Folge eine Ausdifferenzierung der Geschichtswissenschaft ergeben - epochenbezogen etwa die Geschichte des Mittelalters und systematisch etwa die Zeit- und Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (vgl. die Bedeutung für die Forschung, die Probleme für das Lernen von Geschichte).
  • Für die Didaktik stellt sich das Problem um
    • den Zusammenhang der Epochen und
    • eine sinnvolle Verknüpfung gleichzeitiger Ereignisse (vgl. die Bemühungen um eine modulare Gestaltung der Lehrpläne).
Die Historiomathie setzte sich im 19. Jahrhundert nicht durch. Ökonomische Gründe blockierten die Entwicklung zu einer Disziplin.

  • Es kommt zunächst zur Konstituierung einer Schulpädagogik an den Philosophischen Fakultäten als lehrerbildende Universitätsinstitute.
  • In der seminaristischen Volksschullehrerbildung im 19. Jahrhundert bis heute an den Pädagogischen Hochschulen blieb/bleibt es bei der Zentraldisziplin Schulpädagogik/Unterrichtslehre.
  • Erst in den späten sechziger Jahren begann man zu akzeptieren, dass die Fachdidaktik nicht mehr eine Teildisziplin der Pädagogik bildet (vgl. KOCHAN 1972, 173-186, 187-208). Eine "Brückenschlagfunktion" zwischen der Geschichtswissenschaft und der Erziehungswissenschaft kann als Position inzwischen als überholt gelten.
  • Nunmehr bilden fachdidaktisch Institute für Geschichte Lehramtskandidaten aus (vgl. für Österreich die beiden Fachdidaktikausbildungen für Geschichte und Sozialkunde-Politische Bildung/Universität Salzburg; allgemein zur Ausbildung von Lehrenden sie IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Schule, Pkt. 49.3 ).
Die pädagogische Schultheorie' versuchte bis in die sechziger Jahre im Kontext mit der jeweiligen Schulform für alle Fächer verbindende Ziele zu finden (vgl. für Österreich die Schulreform 1962).

  • Für die Sekundarstufe I galt bis dorthin etwa die Hinordnung auf eine bestimmte Gesellschafts- und Berufsschicht.
  • Mit den siebziger Jahren zerbrach mit den bildungspolitischen Reformen diese Schichtungstheorien (vgl. beispielhaft die Bemühungen um Vorberufliche Bildung/ "Berufsorientierung", Informatik, der Einführung bestimmter Fächer und Seminare im Polytechnischen Lehrgang bzw. in der Folge der Polytechnischen Schule als Vorbereitung auf eine modernes Arbeits- und Berufswelt, die AHS-Oberstufen-Schulversuche).
  • Nunmehr gibt es keinen allgemeinen Unterricht, daher keine allgemeine Didaktik.
  • Eine Erstarkung der Fachdidaktiken entsteht in der Folge (vgl. PANDEL 2013, 19). Wolfgang KLAFKI (1994, 49)sprach von einer Gleichstellung der allgemeinen Didaktik mit den Fach- und Bereichsdidaktiken.
Für die Geschichtsdidaktik entstanden eigene Begrifflichkeiten, etwa die Narrativität, der Gegenwartsbezug, die Multiperspektivität, die Quellenorientierung, die Museumserkundung und Archivarbeit. Aus der Allgemeinen Didaktik wurden die Handlungsorientierung, das Rollenspiel, die Gruppenarbeit und der Projektunterricht übernommen.

Die Kulturwissenschaften betreffen in dieser Wissenschaftsgruppe außer der Geschichte die Sozial- und Kulturanthropologie, die Kultursoziologie, die Literaturwissenschaft, die Interkulturelle Kompetenz, die Migrationsforschung, die Philologien und die Geschichtsdidaktik.

Gegenstand der Kulturwissenschaft ist die Lebenswelt (vgl. NÜNNING-NÜNNING 2008, HOHENBALKEN/TOSIC 2009, TREICHEL-MAYER 2011, FISCHER-SPRINGER-ZACHARAKI 2013, PANDEL 2013). Begrifflichkeiten sind demnach Kultur, Kulturwissenschaft und Geschichtsdidaktik.

  • Kultur als Dimension der Wirklichkeit unterteilt sich in Kognition (Wissenschaft und Technik), Expression (Kunst und Literatur) und Evaluation (Recht und Moral). Entsprechend gibt es soziale Handlungsräume wie den Wissenschaftsbetrieb, Kunstbetrieb, ein Rechtssystem und religiöse Gemeinden (vgl. KOLMER 2008). In der Gesellschaft ist Kultur eine Art zur Identitätsbildung zur Sinnbildung und ein Abgrenzungskriterium (soziale/nationale Distinktion) (vgl. HABERMAS 1981, 209).
    • Der Zentralbegriff für Kultur ist die Bedeutung mit einer Sinngebung aus der Wirklichkeit.
    • Durch diese Vielfalt und die sozialen und historischen Gruppen der Menschen auf allen Kontinenten entsteht eine Vielfalt der Kulturen.
    • Historiker beschäftigen sich in ihrem Sinnverständnis mit Produkten der Vergangenheit, etwa Dokumenten, Kunstwerken, Gegenständen, Gütern, Techniken und Theorien. Sie ergeben eine Sinndeutung und ein Sinnverständnis für eine zeitüberschreitenden Verständigung.
    • Sinn wird fremd, wenn er in anderen Kulturen entstanden ist (Interkulturalität).
    • Bedeutung erhält Kultur, wenn menschliche Handlungen, Personen, Ereignisse, Orte und Imaginationen folgen. Mit Hilfe von narrativen Sinnbildungen der Geschichtsschreibung überführen Historiker die Handlungen in die Vergangenheit.
    • Die Deutung des Sinns erfolgt in der Gesellschaft in der Institution "Geschichtsunterricht" im Bildungssystem für die nachwachsende Generation.
    • Natürlich hat Kultur auch eine Kehrseite. Gesellschaftliche Wirklichkeiten ergeben sich aus der Herrschaft (Sprachunterdrückung, Zensur, Kolonialpraktiken), Wirtschaft (Förderungen, Mäzenatentum) und sozialen Ungleichheiten (Zugangs- und Partizipationsformen). Normen, Werte und Weltanschauungen spielen ebenfalls eine Rolle (vgl. die Kehrseite mit Fremdenhass, Rassismus und Nationalismus - man beachte die Funktion der Menschenrechte, des Missbrauchs von Erkenntnissen und den politischen und religiösen Fundamentalismus).
    • In diesem Zusammenhang ist die Meinung, das Wissen über die Vergangenheit belehrt, naiv angesichts der Erfahrungen mit stattgefundenen und aktuellen Konflikten und Kriegen. Anzusetzen ist in der Relevanz des Faches.
      • Die Diskussion geht um den Beitrag der Geschichte zur Politischen Bildung und umgekehrt(vgl. die Gegenargumentation mit Politischer Bildung als ein eigenes Unterrichtsfach).
      • Der Geschichtsunterricht bedarf eines entsprechenden Verhältnisses von Wirtschaft, Kultur und Politik.
      • Der Geschichtsunterricht benötigt Erkundungen mit einem Selbstlernprozess in Museen, Gedenkstätten und Archiven sowie Spezialthemen wie etwa der Umweltgeschichte und Frauengeschichte.
      • Die Sozialkunde besitzt eine marginale Stellung im Fächerkanon (vgl. dagegen die Unterrichtsrelevanz von Lebens- und Berufskunde/Berufsorientierung).
  • Mit der Beschränkung auf Politik entstand in der Folge eine Entwicklung zur "Historischen Sozialwissenschaft". Seit den neunziger Jahren läuft die Diskussion um eine Etablierung einer "Historischen Kulturwissenschaft" (vgl. DANIEL 2001).
    • Geschichte will die Wirklichkeit um die Dimension symbolischer Sinnwelten in ihrer Bedeutung erweitern.
    • Subjektive Aspekte von Kultur mit der Bildung von Identitäten/Nationalismus ergänzen kulturell den politisch-gesellschaftlichen Wandel. Kultur ist in diesem Sinne eine analytische Kategorie. Politik und Ökonomie bedürfen eines kulturellen Kontextes (vgl. beispielhaft den Zweiten Weltkrieg politisch-ökonomisch mit dem Aufbau einer Rüstungs- und Atomindustrie sowie großzügigen Aufbauprogrammen in Europa und der kulturellen Ergänzung der Macht von Symbolen, Unterhaltungsbetreuung an der Front mit Soldatenrundfunk/Einsatz von Filmstars und Propagandafilmen).
    • Geschichte als Kulturwissenschaft beschäftigt sich zudem beispielhaft mit Festkulturen, Jugendkultur, Subkulturen, Volksglauben, Natur und Landschaft, Wohnkultur, der Kulturgeschichte der Ernährung und der Kindheitskultur.
    • Neue Themen betreffen - unter dem Einfluss der Anthropologie der Migration - fremde Kulturen im Kontext mit Zuwanderung und Globalisierung (vgl. dazu die interkulturelle Bildung als Bildungsauftrag).
Um Sinn und Bedeutung von kulturellen Inhalten erfassen zu können, bedarf es der Begründung.

  • Geschichte beschäftigt sich mit dem Wissen um Vergangenheit in einer Kognition (Wissenschaft), Expression (Kunst und Literatur) und Evaluation (Recht und Moral).
  • Geschichtskultur ist jener kulturelle Bereich, den wir alle täglich erleben.
  • Untersucht werden in der Geschichtswissenschaft Materialien, die die Vergangenheit liefert ("Quellen" - Schriften, Bilder, Gegenstände). Mit historischen Methoden werden diese untersucht(vgl. zu der Museumswissenschaft VIEREGG 2006).
  • Neben wissenschaftlichen Werken bzw. Studien, Romanen und Filmen findet Geschichte auch in den Köpfen der Menschen statt ("Geschichtsbewusstsein"). Dieser Kontext findet mit der Geschichtskultur und der Wissenschaft statt.
  • Von Interesse ist die Bedeutung von Geschichte für die Lebensgeschichte der nachwachsenden Generation, wobei dies über die Geschichtsdidaktik, ihre Empirie und das methodische Handeln stattfindet.
Beschäftigt man sich mit dem Arbeitsbereich der Geschichtsdidaktik, so ist eine Übersicht über die Funktionen und Subthemen der Geschichtsdidaktik hilfreich. Damit lassen sich die einzelnen Konzeptionen verglichen.

Felder der Geschichtsdidaktik sind (vgl. PANDEL 2013, 47-50)

  • Theorie - Denkmodelle, Zusammenhang der einzelnen Felder,
  • Bedingungen - Lernumstände, politisch-kulturelle Konstellationen, Schulorganisation/Schulformen, Geschichtsbewusstsein der Lernenden,
  • Gegenstand - Gegenstand, Dimensionen und Entwicklung der Geschichte,
  • Ziel - Gründe, Rolle, Kompetenzen/Fähigkeiten-Fertigkeiten-Arten der Kompetenzen-Bewährungsfelder, Beitrag zur Politischen Bildung,
  • Auswahl - Themenbereiche und ihre Notwendigkeit,
  • Methoden - Erkenntnismethoden, Unterrichtsmethoden, Arbeits- und Sozialformen, Erwachsenenpädagogik,
  • Medien - Präsentationsformen und ihre Eigenarten, Herstellung, Medien der Geschichtskultur/Filme, Romane, Theater,
  • Grundsätze didaktisch-methodischen Handelns - Wissenschaftsorientierung, Handlungsorientierung, Realbegegnungen/Erkundungen, Expertengespräche/"oral history",
  • Geschichtsbewusstsein - Auswirkungen, Vorwissen, Fachdiskurs, Lebensgeschichte und
  • Empirie - Forschung innerhalb der Teilbereiche und deren Zusammenhänge.
Wie dieses Handeln zu lösen ist, bedarf einer Definition von Geschichtsdidaktik (vgl. ausführlich RÜSEN 1977, 50; JEISMANN 1977, 12; WALZ 1998, 694-723; BERGMANN 2000; SCHÖNEMANN 2003, 11-22). Beispielhaft werden drei Ansätze angesprochen.

  • Jörn RÜSEN bezieht sich auf historisches Denken als spezifische Form von Lernen. Lernen ist eine Reflexionsform, die historische Erfahrungen in lebenspraktische Erkenntnis umsetzt (Selbstreflexion). Vermittlungsprozesse wie etwa die Medien bleiben unerwähnt.
  • Karl-Ernst JEISMANN bezieht sich auf das Geschichtsbewusstsein in der Gesellschaft (Inhalte, Denkfiguren, historische Vorstellungen), nicht gemeint ist das individuelle. Das Geschichtsbewusstsein ist demnach eine Zielsetzung.
  • Klaus BERGMANN bezieht sich auf die Lernenden. Gefragt wird nach der Bedeutung mit historischem Wissen und Erfahrung für den Einzelnen, also Bildung und Selbstbildung.
Es zeigt sich,

  • dass die Zentralbegriffe Vermitteln, Selbstreflexion, Geschichtsbewusstsein und Selbstbildung bei den einzelnen Autoren als gemeinsame Begriffe vorkommen.
  • Gemeinsam ist auch der Bezug auf Schule und außerschulische Lebenswelt mit den Institutionen und Formen der jeweiligen Bildung.
  • Mit "Vermittlung" ist weniger die Lehrerzentriertheit gemeint, eher die Begriffe Entwicklung-Erziehung-Bildung.
4.1.2 Begrifflichkeit    

Es bedarf zunächst einer näheren Bestimmung und des Bestandes der Geschichte (Begrifflichkeiten).

Die Geschichtstheorie(Historik) ist die Theorie der Geschichtswissenschaft(nicht der Geschichte). Untersucht werden Impulse, Voraussetzungen, Bedingungen, Möglichkeiten einer Überführung von Vergangenheit in geschriebene Geschichte(vgl. PANDEL 2013, 51-60; KOLMER 2008).

  • Theorie reflektiert die Praxis der Wissenschaft.
  • Ausgangspunkt ist, was Geschichte ist und wie historisches Wissen zustande kommt.
Drei Ebenen des Geschichtsbegriffes ergeben sich aus der Unterscheidung in der Aufklärung,.

  • Die geschehene Geschichte bezeichnet Ereignisse.
  • Die referierte Geschichte enthält die Nachrichten(Quellen).
  • Die dargestellte Geschichte bezeichnet die Geschichtsschreibung(Historiographie).
Fachdidaktisch geht es für die Lernenden um das Verhältnis der Ebenen zueinander als ein Grundwissen("Wissenschaftspropädeutik"). Kritisch muss hingewiesen werden auf Geschichtserzählungen, fiktive Quellen, lebensgeschichtliche Ansätze von zweifelhaftem Wert(vgl. Einführungen und Hinführungen zur Geschichte in Schulbüchern wie "Meine Familie"; vgl. dazu die Gedächtnislücken und die didaktische Notwendigkeit von Archivarbeit/etwa Urkunden, Schriftstücke, Fotographien, Orden, Münzen und Tagebücher).

4.1.3 Basistheorien    

Geschichte ist nicht wiederherstellbar, daher entwickeln Historiker bestimmte Vorstellungen bzw. Theorien über Geschichte in ihrem Charakter, ihrer Struktur und ihrem Verlauf.

Basistheorien sind grundsätzliche Theorierichtungen, die den gesamten historischen Prozess und bestimmte Anschauungen mit bestimmten Ereignissen betreffen (vgl. beispielhaft vier Basistheorien von Leopold von RANKE, Karl MARX, Max WEBER und Fernand BRAUDEL; vgl. PANDEL 2013, 62-86).

  • Leopold von RANKE sieht im Historismus Geschichte als einen Prozess der Selbstentfaltung von Ideen an. In jeder Epoche gibt es eine "bestimmte Tendenz" (Renaissance > Kunst, Reformation > Religion, Aufklärung > Utilisierung). Mit "Fortschritt" wird das Fortschreiten der Zeit gemeint, also eine Aufeinanderfolge geistiger Tendenzen.
  • Karl MARX sieht im Historischen Materialismus mit Friedrich ENGELS zunächst die Befriedigung primärer Bedürfnisse (Essen, Trinken), ehe man Geschichte machen kann. Der Geschichtsbegriff ist materialistisch, ein sozioökonomischer. Geschichte ist ein gesetzmäßiger Prozess.
    • Materielle Produktivkräfte entwickeln sich weiter - man denke an Handmühle, Windmühle, Dampfmühle und Elektromühle - und ergeben ein Stufenschema in der Gesellschaftsentwicklung (vgl. Sklavenwirtschaft, Feudalismus, Kapitalismus und Kommunismus).
    • Das Basis-Überbau-Theorem als umstrittenes Element marxistischer Geschichtstheorie hat an der Basis die Produktionskräfte bzw. Produktionsverhältnisse und als Überbau werden juristische und politische Verhältnisse sowie Ideen, Philosophie, Weltanschauungen, Ideologien und Religion zusammengefasst.
  • Max WEBER mit seiner Konzeption der Basistheorie findet in der Geschichtswissenschaft Beachtung (vgl. seine Ablehnung von Rankes Selbstentfaltung und den Ideen von Marx der Entwicklung der Produktionskräfte). Geschichtswissenschaft sei Gesetzeserkenntnis. Wissenschaft hat den Zweck des Erkennens der sozialen Wirklichkeit. Die Reduktion des Empirischen auf "Gesetze" ermöglicht dies. Für Weber ist geschehene Geschichte ein Chaos ohne Struktur, das erst vom Historiker strukturiert wird. Dies hängt von Wertgesichtspunkten ab, die an die soziale Wirklichkeit herangetragen werden. Weber nennt diese Gesichtspunkte "Wertideen"(vgl. dazu im heutigen Sprachgebrauch die Bedeutung als "Interesse"). Ohne diese gibt es nach Weber keine Stoffauswahl (vgl. die Bedeutung für Autoren in der Konstruktion der Lehrpläne).
    • Wertideen sind Sinngebungen, Werthaltungen und Wertdeutungen von Individuen bzw. Gruppen. Sie erzeugen aus den Ereignissen soziale Sachverhalte(vgl. etwa Migration, Widerstand, Folterpraxis, Rotes Kreuz - erst Historiker interpretieren diese Sachverhalte).
    • Webers Ablehnungen von Materialismus und Historismus betreffen das "Gesetzeswissen" (vgl. die Definition als "nomologisches Wissen" mit Theorien, Aussagen über Gesetzmäßigkeiten und komplexen Begriffe).
    • Es stellt sich die Frage, wie individuelle mit generellen Aussagen verbunden werden können. Diesen Kontext sieht Weber in der Entwicklung von "Idealtypen" (vgl. das Beispiel "Bürokratie" als theoretisches Konstrukt mir den Merkmalen einer Bindung an Regeln, fester Kompetenzverteilung/Arbeitsteilung, Ämterhierarchie, Aktenführung/Schriftlichkeit, Unpersönlichkeit/ohne Ansehen der Person und Laufbahnprinzip/Karriereaufstieg). Idealtypen lassen sich in historischen Erscheinungen an Beispielen erläutern (vgl. etwa mittelalterliche Kanzleien, Kolonialverwaltung des 19. Jahrhunderts und Kontore).
    • Zweck des Idealtyps ist die Eigenart von Kulturerscheinungen aufzuzeigen.
  • Die "Annales-Historiker" und in der Folge Fernand BRAUDEL bemühten sich um strukturelle Faktoren. Damit öffneten sie in Frankreich der Soziologie, Psychologie, dann der historischen Geographie und Demographie das Forschungsfeld. Kritik kam an der Geschichtswissenschaft mit der politik- und ereignisgeschichtlichen Darstellung (Fakten, Ereignisse, Symbole, Ideen).
    • Man geht von drei Zeitschichten aus.
      • Die Ereignisgeschichte betrifft die Geschichte von Tagen,
      • die zyklische Geschichte einen Zeitraum von zehn bis 50 Jahren("soziale Zeit" > etwa Wirtschaftsgeschichte) und
      • die Strukturgeschichte lange Zeitabläufe wie etwa die Klimageschichte und Demographiegeschichte.
    • Schulgeschichtsbücher bevorzugen die Ereignisgeschichte. Strukturgeschichte wäre demnach etwa das Papsttum, Wirtschaftsformen und Mentalitäten(etwa der Antisemitismus).
4.1.4 Postmoderne    

Das Unbehagen der bisherigen Theorieansätze greift die postmoderne Geschichtstheorie auf (vgl. RÜSEN 1993, 17-30; CONRAD-KESSEL 1994). Ihre Vertreter beteiligen sich nicht an der Argumentation von modern vs. vormodern, sie sehen sich jenseits der Moderne (vgl. Jacques DERRIDA, Hayden WHITE, Roland BARTHES).

  • Ihre Vertreter ziehen die Konsequenz zu einer Hinwendung der Geschichtswissenschaft zur Sprache ("ligustic turn"; "textualistische Theorie"). Es gibt keine Gattungsunterschiede, alles ist Text.
  • Außerhalb des Textes gibt es nichts.
  • Historiker machen aus Texten wieder Texte (intellektuelles Spiel).
  • Ein Blick auf die Vergangenheit sei unmöglich. Man könne durch die Quellen nur frühere Konstruktionen von Wirklichkeit erkennen.
  • Daraus ergibt sich die Forderung, ohne Basistheorien Geschichte zu schreiben.
Einwände gegen die Theorie gibt es auf verschiedenen Ebenen.

  • Geschichtswissenschaft als Forschung wird verneint (vgl. die die Ablehnung der Quellen und die Bedeutung der Rhetorik des Textes).
  • Weil es keine Gattungsunterschiede gibt, besitzt Geschichte keinen kulturellen Wert für die Gegenwart und Zukunft.
  • Geschichte hat keinen Platz für eine Ethik.
  • Geschichte ist eine Denkweise, die in der Lebenswelt vorhanden ist.
4.1.5 Narrativität    

Die Narrativität umfasst das Verhältnis von referierter und dargestellter Geschichte und Geschichtsschreibung (vgl. PANDEL 2013, 86-105).

Arthur DANTO(1965, 241, 243) stellte zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen die Unvollständigkeit und Unvollkommenheit der Quellen, also die referierte Geschichte zur Diskussion.

  • Problematisiert wurde das Selbstverständnis der Historiker, dass Schwierigkeiten beim Schreiben von Geschichte aus der Unzuverlässigkeit der Quellen resultieren. Das Spezifische der Tätigkeit sei die Archivrecherche und Quellenkritik. Danto verwendet als Sammelbegriff dafür die "Chronik". Der ideale Chronist produziert ideale Quellen("ideale Chronik"), die alle Teile der Geschichte, alle Regionen, alle Epochen und alle Gruppen enthält. Alltags- und Weltgeschichte ist enthalten.
  • Allerdings ist in der "idealen Chronik" keine Aussage über Ereignisse enthalten, die erst in der Zukunft des Augenzeugen liegen. Dies ist Aufgabe des Historikers. Eine Quelle ist keine Geschichte.
Diese Art der Erzählung wird in der Geschichtswissenschaft als Narrativität bezeichnet. Das Grundmuster besteht in der Verknüpfung von mindestens zwei verschiedenen, zeitlich differenten Ereignissen. Sprachlich soll eine Verlaufsstruktur entstehen(vgl. die Formulierung "zweiter Dreißigjähriger Krieg" 1914-1945; ein Chronist hätte 1618 nicht vom ersten Dreißigjährigen Krieg sprechen können).

  • Satzübergreifende Großformen des Erzählens sind die Historiografie, Biografie, Autobiografie und fiktionale Romane.
  • Die zentrale Aufgabe des Historikers ist die Geschichtsschreibung. Quellenarbeit notwendig, aber nicht hinreichende Bedingung für die Definition des Historikers.
  • Narrativität unterscheidet die Geschichtswissenschaft von den Soziologie, Politikwissenschaft, Ökonomie und der Psychoanalyse.
Es gehört zu den Eigenheiten des Geschichtsunterrichts, dass bis heute Lernenden nicht gezeigt wird, wie Geschichte zu schreiben ist. Es bedarf einer Ergänzung durch die Historiografieorientierung (vgl. PANDEL 2010).

Die moderne Geschichtsschreibung umfasst die Retrospektivität, Temporalität, Konstruktivität, Selektivität und Partialität (vgl. PANDEL 2010, 75-77).

  • Die Retrospektivität beginnt erst mit der Beendigung des Geschehens (Ausgang, Zukunft der Akteure).
  • Die Temporalität zeigt den Zeitverlauf mit allen Veränderungen, Entwicklungen und Zyklen auf. Zweitkonzepte sind die Ereigniszeit, Konjunktur du Strukturzeit. Die Narrativität erfolgt im Erzählen.
  • Im Konstruktionsvorgang spielt die Selektivität eine Rolle. Historische Erzählungen nehmen nicht alle Ereignisse in einem Zeitraum auf.
  • Für die Konstruktivität werden Theorien in zeitlicher Abgrenzung verwendet(Historik/Theorie der kurzen Reichweite-Theorien mittlerer Reichweite-Strukturtheorie).
  • In der Partialität ist die dargestellte Geschichte raum-zeitlich und thematisch begrenzt(Personen, Ereignisse, Verläufe einer bestimmten Zeit). Selbst eine Global- oder Weltgeschichte ist nur eine Geschichte mit besonderen Gesichtspunkten. Jede Geschichte muss für eine andere Geschichte anschlussfähig sein.
Für den Unterricht gibt es die Geschichtserzählung und das Schulgeschichtsbuch.

  • Die Erzählung enthält keine Retrospektivität und bildet nur zeitlich begrenzte Skizzen. Zudem ist die Sprache die der Belletristik, eine Analyse ist schwer durchführbar (Ideologie, Fehlen von Elementen, Ziel des Verfassers). Erzählungen bilden angenommene Welten ohne einen Zwang zu einer historischen Genauigkeit (vgl. das Fehlen von Quellen). Als Lehrbehelf sind sie wie ein Baugerüst, das nach der Ausführung wieder entfernt wird.
  • Das Schulgeschichtsbuch soll Lernende aktiv sein und zugleich sollen sie standortorientiert rezeptiv sich verhalten. Vier Elemente soll ein Schulbuch für Geschichte aufweisen (vgl. wie allerdings diese Elemente in narrative Strukturen transformiert werden können, wird nicht gesagt).
    • Verfasser- bzw. Autorentexte als Ableitung der Historiografie müssen für Lernende rezipierbar sein.
    • Fremdtexte sind in der Regel Quellenauszüge und Historikerzitate.
    • Visuelles Material muss von den Lernenden verbal bearbeitbar werden können.
    • Arbeitsaufträge in Schulbüchern müssen eigene Textelemente ergeben.
4.1.6 Geschichtsunterricht    

Im Folgenden sollen Definitionsmerkmale von Unterricht bzw. Lehre und Strukturmerkmale des Geschichtsunterrichts angesprochen werden (vgl. PANDEL 2013, 107-122).

Unterricht bzw. Lehre, im Folgenden Unterricht, ist eine besondere Form von Wissenserwerb. In der Diskursivität als besondere Form von Unterricht lernt man in Kommunikation mit anderen, ohne praktische Probleme lösen zu müssen (frei von Handlungszwang).

In Freiräumen schafft man Denkprozesse.

Bedingungen für Unterricht sind

  • die Institutionalisierung mit Schule bzw. Erwachsenenbildungsinstitutionen. Damit sind Kommunikations- und Handlungsbedingungen verbunden (also Lerninhalte und Bewertungs- und Auswahlhandlungen).
  • In der Professionalisierung erteilt sach- und sozialkompetentes Personal den Unterricht, das Lernen plant und organisiert.
  • In der Planbarkeit unterscheidet sich Unterricht vom alltagsweltlichen Lernen (vgl. formelles und informelles Lernen). Planung ergibt einen methodischen Aufbau des Lernprozesses.
  • Mit der Intentionalität hat Unterricht die Vorgabe von außen, Lernprozesse und Zielvorgaben erfüllen zu müssen (vgl. SCHULZ 1980, 15). Die Intention (Absicht)ergibt die Einflussnahme auf den Lernprozess (Wissenschaftlichkeit, Erfahrungswert, Tradierung).
  • In der Unterrichtung zeigt sich die Autorität, der Wissensvorsprung und schulisch die Weisungsgebundenheit Lehrender als Problem (vgl. der Wert des Vorwissens in der Erwachsenenpädagogik und universitär die akademische Lehrfreiheit der Lehrenden).
Wenn der Unterricht Orientierung für Gegenwart und Zukunft der Teilnehmenden ermöglichen soll, dann erzeugt er historisches Wissen durch die Lernenden.

  • Bestimmte Themen (Groblernziele) und Inhalte (Feinlernziele) werden zur Diskussion gestellt, es darf aber keine verbindliche Deutung geben (vgl. die Gefahr einer Affirmation und einer kanonisierten Tradition. Eine Interpretationsfähigkeit und selbständige Urteilsfähigkeit dürfen nicht unterbunden werden).
  • Im kommunikativen Durchsprechen zeigt sich die Qualität des Unterrichtsprozesses, es wird/soll ein Nachdenkprozess und Überdenken eigener Situationen angeregt.
An Geschichte zeigt es sich, dass es viele Lernorte gibt.

  • Neben dem Unterricht gibt es beispielhaft das TV (Dokumentationen), das Museum, die Altstadt, die Fabrik, das Schloss (Burgen), Gedenkstätten und Archive mit alten Zeitungen-Dokumenten-Münzen-Briefen.
  • Lernen und Unterricht sind nicht identisch.
Das Behandeln von Themen und Inhalten ergibt sich in einem pädagogischen Feld, das von sechs Aspekten (Strukturmomenten) bestimmt wird. Praktisch-didaktisches Handeln erfordert damit eine Kombination dieser Aspekte in Planung und Durchführung mit dem Erreichen von Lernzielen.

Aspekte eines Geschichtsunterrichts sind

  • das Thema - Sachverhalt der Geschichtswissenschaft,
  • der Inhalt - didaktische Intentionalität,
  • die Lernziele - Grob- und Feinziele,
  • die Kompetenzen - fachspezifische Problemlösungsfähigkeiten,
  • die Variablen - Träger der Kognition (Medien, Methoden) und
  • Bedingungen und Voraussetzungen - Verarbeitungsweisen von referierter, dargestellter und erlebter Geschichte im Kontext von Gesellschaft und Lernbedingungen.
4.1.7 Geschichtsbewusstsein    

Lehrende sollen wissen, welche kognitiven Voraussetzungen Lernende mitbringen, um unterrichtliche Bemühungen ausrichten zu können. Schwerpunkte seit den fünfziger Jahren waren die Reifung/Stufentheorien, Sozialisation, das Geschichtsbewusstsein und die Gedächtnisforschung (vgl. PANDEL 2013, 123-160).

Im Wesentlichen geht es um die Altersplatzierung (Altersgemäßheit), die Lernprogression (Aufbau des Unterrichts) und den Dualismus von biologischen und sozialen Faktoren (Begabung und Lernen sowie Umwelt und Reifung).

Große Verbreitung in der Geschichtsdidaktik erlangten Heinrich ROTH und Waltraud KÜPPERS für die Entwicklung eines organischen Reifeprozesses. Unter den Didaktikern genoss Jean PIAGET großes Ansehen.

  • Bei Roth gab es die Stufen des Tatsachenhungers, des Verstehenwollens und der existentiellen Beteiligung. Ein Begriff der Modelle war das "Erwachen" (des Interesses, des Bewusstseins).
  • Küppers ging über die Art und Weise des Lehrens auf die Inhalte ein - kindnahe (affine) und kindferne (diffuge) Stoffe wurden als historische Themen und Inhalte unterschieden. Phasenfremdes Lehrgut sollte vermieden werden.
  • Kritik an den unterrichtlichen Folgen im Geschichtsbild Jugendlicher kam von Ludwig von FRIEDEBURG und Peter HÜBNER (Elemente jugendlichen Geschichtsbildes: übermächtige Subjekte/"Hitlerzeit", personalisierte Kollektive/"der Russe", stereotype Ordnungskategorien/Kapitalismus-Kommunismus) (vgl. FRIEDEBURG-HÜBNER 1964).
  • Ein bis heute gültiges Geschichtsbild von Klaus BERGMANN stützt sich auf das Konzept des multiperspektivischen Unterrichts - Personalisierung im Geschichtsunterricht-Erziehung zur Demokratie - mit der Darstellung von Geschichte aus der Sicht großer Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Handelnden (vgl. BERGMANN 1972, 346-348).
Jean PIAGET stellt seine Experimente wohltuend nüchtern vor, allerdings spielt Geschichte als Wissenssystem und als Lebenswelt keine Rolle. Sein vierstufiges Modell stammt aus Beobachtungen in Experimentalsituationen mit Probanden.

  • Sensomotorische Stufe(0-2) - Koordination von Hand und Auge,
  • Voroperationale Stufe(2-7) - pädagogisches Denken auf der Grundlage der Wahrnehmung,
  • Stufe des konkreten Operierens(7-11) - operiere in Gedanken mit konkreten Objekten und
  • Stufe des formalen Operierens(ab 12) - Möglichkeit des abstrakten Denkens.
Auf Grund dieses Modells zog die Geschichtsdidaktik den Schluss, erst ab 12 Jahren den Beginn des eigentlichen Geschichtsunterrichts anzusetzen. Aus den Stufenfolgen ließ sich keine Ableitung für eine Altersplatzierung für die nachfolgenden Klassen vornehmen. Es ist deswegen verwunderlich, dass das Stufenmodell in der Geschichtsdidaktik einen so hohen Stellenwert einnahm.

Übereinstimmung herrscht heute über das Verhältnis von biologischen und sozialen Einflüssen. Je jünger das Kind ist, desto bestimmender ist der Einfluss biologischer Determinanten. Je älter das Kind wird, umso größer sind die sozialen Einflüsse. In der Geschichtsdidaktik wird der Anteil des Sozialen, Kulturellen und Historischen immer mehr als entscheidende Faktoren der Persönlichkeitsentwicklung angesehen (vgl. PANDEL 2013, 126).

Weil die bisherigen Theoriemodelle die soziale Umwelt nicht einbezogen, folgte die Geschichtsdidaktik seit den siebziger Jahren der Sozialisationsforschung mit ihrer Differenzierung nach Sozialschichten (vgl. SÜSSMUTH 1980).

  • Der Ansatz geht von der gesellschaftlichen Bedingung des Subjekts und seiner Befähigung zu politischem Handeln aus.
  • Der Prozess folgt einer aktiven Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt. Schichtzugehörigkeit, Geschlechterrolle und Generationenrolle galten/gelten als zentrale Untersuchungsfelder.
Sozialisation meint Individualisierung(Individualität) und Vergesellschaftung (Sozialität) (vgl. HURRELMANN-ULICH 1991; HURRELMAMN 2012; PANDEL 2013, 128; vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index. Schule, Pkt. 47).

  • Als Prozess ist Sozialisation eine Entwicklung, in der subjektive Elemente/Merkmale durch eine mit Macht und Herrschaft ausgestattete Gesellschaft hergestellt werden.
  • Historische und soziokulturelle Ordnungen sind nach dem Prinzip der Ungleichheit organisiert.
  • Dieser komplexe Lern- und Bildungsprozess bildet die soziale Konstitution des Subjekts. Die Forschung will wissen, wie Lernende Werte, Normen und Präferenzen einer Gesellschaft wahrnehmen bzw. übernehmen. Von Interesse sind die Sozialisationsagenturen mit ihren Normen und Werten (etwa die Familie, Schule, Peergroup, Medien und außerschulische Institutionen[Freizeit, Bildung, Beruf]).
Die Geschichtsdidaktik hat die Identität und Lebensgeschichte übernommen.

  • Der Geschichtsunterricht im Kontext mit Sozialkunde soll Hilfestellung geben, diese zwei Kategorien aufzubauen und zu entwickeln.
  • Eng damit verbunden ist das Konzept der Emanzipation. Bildungsinstitutionen, zunächst die Schule und in der Folge Erwachsenenbildungsinstitutionen, soll zu emanzipatorischem Handeln befähigen.
  • In der Forschung ist die soziale Schichtung von Interesse.
Politische Sozialisation als Bereich der Geschichte und Politischen Bildung umfasst einen Ausschnitt der allgemeinen Sozialisation und versucht politisch relevante Motive, Einstellungen und Verhaltensweisen zu erklären.

Kritisch ist zu festzuhalten, dass eine politische Sozialisation nicht existiert. Jede Sozialisation ist politisch, findet in einem politischen Feld statt und ist somit auch politisch relevant.

  • Man hat zu unterscheiden zwischen
    • parteipolitisch mit den Merkmalen des politischen Konflikts, parteipolitischen Einflusses und dem Ethos Macht sowie
    • (staats-)politisch als Bildungsfaktor mit Merkmalen wie der Untersuchung von Wählerverhalten, Kenntnis nationaler und internationaler Symbole und Institutionen, Parteienkenntnis, Mediennutzung, politischem Rollenverhalten und gesellschaftlichen Normen bzw. Werten sowie einem Demokratieverhalten.
    • In einer weichen Version geht es um den Umgang mit Geschichte, dem Schulfach und Politischer Bildung (historisch-politische Sozialisation),
    • während in einer harten Version nach politischer Präferenz in unterschiedlichen Formen gefragt wird. Diese Unterscheidung gilt nicht nur für den schulischen Bereich, ebenso für die Allgemeine Erwachsenenbildung und Ausbildung in Parteiakademien.
Die Sozialisationstheorie verlor in der Geschichtsdidaktik an Einfluss.

Kritisch ist zu vermerken, dass etwa die aktuelle Situation der Geschlechterrollen, am Arbeitsmarkt, bei Bildungsproblemen, in der Zuwanderung, beim Verhalten gegenüber Flüchtlingen, gesellschaftlicher Diversität, bei Bildungsgängen, im Berufseinstieg, bei Berufslaufbahnen und Freizeitverhalten sowie in der Vielfalt von Werten, Normen und Einstellungen sehr wohl einen Kontext mit Sozialisationsinstanzen aufweisen (vgl. beispielhaft HURRELMANN-ULICH 1991, 321-613; HURRELMANN 2012, 77-185).

Bis in die siebziger Jahre galt das Geschichtsbewusstsein als normativer Begriff (vgl. man denke an die belasteten Begriffe wie Volkszugehörigkeit und Volksschicksal). Er war somit inhaltlich bestimmt (vgl. dazu ROTH 1965, 86-87; KÜPPERS 1961, 91). Mit dem verbreiteten Begriff "Geschichtsbild" wird versucht, inhaltlich eine Vorstellung von Geschichte vorzunehmen. Lernenden schreibt man vor, was und wie sie über Geschichte zu denken haben.

Heute geht man vom sinnvollen Begriff eines individuellen Geschichtsbewusstseins aus. Falsch wäre die Bezeichnung für ein besonders umfangreiches historisches Wissen. Zwar ist der Begriff nicht ohne historisches Wissen denkbar, aber viel Wissen geht im Erwachsenenleben verloren, das allerdings im Bewusstsein des Lernenden eine Struktur ausgebildet hat, die "Geschichtsbewusstsein" erzeugt. Schule beeinflusst somit in ihrem Unterricht, in ihrer Kommunikation und in ihren Impulsen im Kontext ihres Bildungsanspruchs (vgl. SCHIEDER 1983, 457).

Die Verbindung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bildet Geschichtsbewusstsein.

Mit der Umorientierung als Folge der bildungspolitischen Entwicklung der siebziger Jahre, einer Änderung der Schülerpopulation und in der Folge der Einrichtung einer geschichtsdidaktischen Lehramtsausbildung (1961 erstmals in Hessen) entwickelt sich ein eigenes Konzept mit eigenen empirischen Studien (vgl. BORRIES-PANDEL-RÜSEN 1991).

Inzwischen ist Geschichtsbewusstsein fachspezifisch abgesichert. Ausgehend von wissen(schafts)orientiert und selbstreflexiv wird verlangt, dass Lernende Geschichte deuten sollen (in Form eigenen Denkens, über Alternativen verfügen). PANDEL (2013, 134) fügt kritisch an, dass Lernende weder das eine noch das andere im Unterricht mitbekommen. Sinnvoll wäre, das Schwergewicht auf Diskurse(Kommunikation) und Praktiken(Reflexionsprozesse) der Alltagswelt zu legen. Grenzen im Unterricht ergeben sich in der Selbsttätigkeit, damit in der Betätigung mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (vgl. die Chancen einer Kombination des Unterrichtsfaches in den Bereichen Geschichte-Sozialkunde-Politischer Bildung mit fachspezifischen Zielen, die sich unterrichtlich erreichen lassen).

4.1.8 Struktur eines Geschichtsbewusstseins    

Nach PANDEL(2005)ergeben sich sieben kombinierbare Dimensionen zu einem Geschichtsbewusstsein (vgl. PANDEL 2013, 137-150).

  • Temporalbewusstsein(gestern-heute),
  • Wirklichkeitsbewusstsein(real-fiktiv),
  • Wandelbewusstsein(statisch-veränderlich),
  • Identitätsbewusstsein(wir-ihr),
  • politisches Bewusstsein(oben-unten),
  • ökonomisches Bewusstsein(arm-reich) und
  • moralisches Bewusstsein(richtig-falsch).
4.1.9 Gedächtnisforschung    

Im klassischen Geschichtsunterricht spielt das Gedächtnis in der individualpsychologischen Kategorie eine Rolle, wobei Einprägen und Behalten ein besonderes Element sein sollte (vgl. PETHES-RUCHATZ 2001). Im Merkwissen das, was im Gedächtnis abgelegt wurde, wieder abrufbar (Reproduktion des Gelernten; vgl. die Empfehlung des Auswendiglernen FINA 1973, 126).

  • In der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung beschreibt HALBWACHS (1985, 73) das Gedächtnis als sozialen und kulturellen Sachverhalt ("kollektives Gedächtnis" mit dem Träger einer Gruppe, wobei die Perspektiven der einzelnen Mitglieder bestimmend sind).
    • Unterschieden wird das autobiographische und historische Gedächtnis.
    • Die gelebte Geschichte ist entscheidend.
  • Dazu gibt es noch die Rekonstruktivität der Erinnerung. Erinnerungen sind Konstruktionen. Die Inhalte verändern sich, die Genauigkeit hängt von der Zeitlänge und Häufigkeit des Abrufens ab (vgl. die Erinnerungstrübung). Wenn Lernende nicht den Bezug zur zu ihrer Lebenswelt vermittelt bekommen, sind alle Bemühungen um Nachhaltigkeit umsonst.
  • Zu bedenken ist auch das Erzählen von Begebenheiten anderer, bis die Erzählenden glauben, sie seien ihnen selbst zugestoßen ("Quellenamnesie"). Jeder Erinnerungsvorgang wird nach einer eigenen Logik konstruiert.
  • Wesentlich ist also die Differenz von Geschichtswissenschaft und sozialem Gedächtnis. Gruppenbezogenheit und Rekonstruktivität sind als neue Faktoren zu berücksichtigen. Dies ist auch für die "Oral-History"-Methode zu bedenken (vgl. damit den Bedeutungsverlust des pädagogischen Dreiecks Lehrender-Lernender-Sache).
Harald WELZER (2002)hat sich mit der Tradierung von Geschichte und dem Einfluss von "Familie" befasst. In der familiären Kommunikation entsteht die Zeitdimension (früher-heute).

  • Zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr entsteht das autobiographische Gedächtnis(vgl. die Gebundenheit an eine Erzählfähigkeit).
  • Mit drei Jahren erzählen Kinder allein.
  • Ab fünf Jahren sind Kinder chronologisch sicher.
  • Mit sechs Jahren können sie der Erzählung eine narrative Struktur geben (Anfang-Höhepunkt-Lösung).
  • Am Ende des Jugendalters ist das autobiographische Gedächtnis genau so ausgebildet wie bei Erwachsenen und in allen Ebenen ausgeprägt.
  • Kinder erinnern sich auch an die Erinnerungen anderer Familienmitglieder.
    • Solche Tradierungsmuster wirken wie die "stille Post" (vgl. der entstehende Rechtfertigungsdruck, die Faszination und Überwältigung sowie das Bemühen um Distanzierung bei Erzählungen und Beschönigungen).
    • Sie sind verschieden von schulischen Deutungsmustern und daher für die Verwendung von Narrativität in der Geschichtsdidaktik untauglich.
4.1.10 Geschichtskultur    

Die Umorientierung der Geschichtsdidaktik zu einer "Fachdidaktik Geschichte" bringt eine Erweiterung des Themenbereiches mit sich.

  • Schulisches Lernen ist nur ein Bereich einer Erfahrung und des Lernens von Geschichte(nunmehr im Kontext mit Politischer Bildung).
  • Außerschulische Geschichtskultur erhält über die Erwachsenenbildung eine vermehrte Bedeutung, baut auf dem Vorwissen auf und setzt sich mit vielfältigen Form der Darstellung von Geschichte auseinander (vgl. PANEL 2013, 161).
Im Folgenden geht es um Erinnerungskultur, Geschichtspolitik, Geschichtskultur und deren Umsetzung (vgl. PANEL 2013, 161-177).

Definiert wird diese Form des Umgangs mit Geschichte als Praxis sozialer Gruppen mit ihren eigenen persönlichen Erinnerungen als Veteranen, Vertriebene, Heimkehrer und Opferverbände.

Ein Spezifikum ist der Widerspruch zum Forschungsgegenstand. Nach JARAUSCH-SABROW (2002)wird auch von einem "verletzten Gedächtnis" gesprochen.

Dieser Themenbereich ist nunmehr Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung und bezeichnet den politischen Gebrauch von Geschichte (vgl. FREI 1996).

Es geht demnach um das Bemühen von Gruppen, Geschichte mit politischen und gesetzlichen Mitteln durchzusetzen ("Memorialkultur"). Darunter fallen Gedenktage, Denkmäler und Gedenkstätten. Vergangenheitsbewältigung ist eine Unterform von Geschichtspolitik.

Es geht aber auch um Einrichtungen zur Entschädigung von Verfolgten und Zwangsarbeitern(vgl. beispielhaft in Deutschland die Einrichtung von Behörden für die Stasi-Akten). Historiker untersuchen im Unterschied zu Politologen Geschichtspolitik als Gegenstand der Zeitgeschichte. Damit fließen die Ergebnisse als Themen in den Geschichtsunterricht ein.

Als Aufarbeitung von Systemwechseln ist Geschichtspolitik von besonderem Interesse (beispielhaft Franco-Regime in Spanien, Apartheid in Südafrika, Ende des Nationalsozialismus, Wende 1989; vgl. in Deutschland der neue Begriff "Transitionsforschung").

Mit dem Begriff sollten jene Massenmedien bezeichnet werden, die sich mit Geschichte beschäftigen (Film, TV).

In der Folge ging es auch um die Beschäftigung mit historischen Museen (vgl. PELLENS-QUANDT-SÜSSMUTH 1984; VIEREGG 2006). Damit sind die Inhalte umschrieben(historische Umwelten in Museen, Erlebniswelten und Bau-Ensembles).

Geschichtskultur hat Dimensionen der Macht(Politik), Wahrheit(Wissenschaft) und Schönheit(Ästhetik). Ergänzen muss man heute Ethik und Ökonomie (vgl. PANDEL 2013, 165; man denke an die vielen Formen einer Kommerzialisierung von Geschichte im Tourismus und Formen von Märkten als Volkskultur).

Nicht verwechseln darf man Geschichtskultur mit Kulturgeschichte.

Definiert ist Geschichtskultur mit den Merkmalen

  • der lebensweltlichen Präsenz (historische Filme, Belletristik, Jugendbücher, bildende Kunst, Theaterstücke/Festspiele und Ausstellungen) und Mythen und Legenden (vgl. die Bedeutung in diesem Zusammenhang von Geschichtslügen),
  • der Event-Charakter mit seiner Flüchtigkeit des Ereignisses. Geschichtsdidaktik hat hier Probleme, auf Geschichtskultur zu reagieren (vgl. die Notwendigkeit einer aktuellen Auseinandersetzung mit der Aktualität von TV-Dokumentationen, Ausstellungen und neuesten Filmen im Kontext mit den lehrplanmäßigen Themen) und
  • dem Gattungswechsel. Geschichtskultur beruht auf der medialen Refiguration des Geschichtswissens (vgl. die Veränderung von Geschichte durch Intermedialität/"Media-Switch"). Dies beruht auf Veränderungen der Darstellungskonventionen(beispielhaft die Thematik "Holocaust" mit dem entsprechenden Spielfilm, der die Historiographie, Publizistik und Dokumentation in der bisherige Konvention durchbrach; vgl. die heftige kulturelle Debatte bei MÄRTHESHEIMER-FRENZEL 1979[etwa ebda. 39 mit der Vermischung von Erfundenem und Authentischem]). Andere Länder sind vergleichsweise großzügig im Umgang mit historischen Themen.
Festzuhalten ist, dass dieser Media-Switch eine demokratisierende Funktion besitzt, denn er erreicht mehr Interessierte als ein Ausgangsmedium.

Um einen Zugang zur Geschichtskultur zu finden, bedarf es eines Zuganges.

  • Bezugspunkt ist das wissenschaftliche Wissen, das auf politische Geschichte verengt ist (vgl. den Beitrag zur Politischen Bildung).
  • Geschichtskultur wird nur in wenigen Aspekten wahrgenommen. "Man gibt sich der Illusion hin, dass Schülerinnen und Schüler mit ihrem begrenzten Schulbuchwissen in den Kontroversen und Imaginationen der Geschichtskultur die zugrundeliegende historische Triftigkeit erkennen können. Man muss feststellen, dass der gegenwärtige Geschichtsunterricht die Geschichtskultur noch gar nicht wahrgenommen und sich nicht auf sie eingelassen hat"(PANDEL 2013, 172; vgl. ausführlich MÜTTER-SCHÖNEMANN-UFFELMANN 2000).
  • Schule kann bedingt auf geschichtskulturelle Ereignisse eingehen. In die Unterrichtsplanung können Feste und Jahrestage eingezogen werden. Lernende müssen über die Schule hinaus geschichtskulturelles Wissen sich selbst aneignen. Methodenorientierung ist daher wichtig.
Ungelöst die Problembereiche "Schulentwicklung - schulnahe Lehrpläne" und Ansätze einer Weltgeschichte und Immigrationsgeschichte/Globalisierung (vgl. MEIER 1975, 101-115; ERDMANN 1999; KÖRBER 2001; PANDEL 2013, 196-203).

  • Wenn es zu schulnahen Lehrplänen im Rahmen einer standortgebundenen Schulentwicklung kommt, bedarf es einer curricularer Konstruktion, um Innovationen der Geschichtsforschung und gesellschaftlicher Problemlagen wahrnehmen zu können.
  • Auslöser für Ansätze einer Weltgeschichte/Universalgeschichte/Global History und Immigrationsgeschichte/Migration-Fremdheit-Interkulturalität ist die gegenwärtige Entwicklung der Globalisierung (vgl. die IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Globales Lernen, Interkulturelle Kompetenz). Beide Prozesse bringen nicht nur Homogenisierung, vielmehr auch Diversitäten, die eine Kritik an national- und eurozentrierten Lehrplänen verstärken.
4.1.11 Didaktik - Themen und Inhalte    

Der Geschichtsunterricht steht vor dem Problem, geschichtliches Wissen zu tradieren. Neben dem quantitativen gibt es das qualitative Problem, denn Wissen veraltet und verliert so seine Tradierfähigkeit. Bei der Auswahl der Inhalte geht es um

  • das kulturelle Selbstverständnis einer Gesellschaft (kulturelle Identität, kommunikatives Gedächtnis),
  • Erziehung und Bildung der nächsten Generation (staatliche Verwaltungsakte/Bildungsgut-Lehrplan-Richtlinien; Innovationen) und
  • die Vermittlung ausgewählter Begebenheiten als Legitimation staatlichen Handelns (vgl. der Kontext zu Gender, Politischer Bildung, Friedenserziehung und Interkulturalität/Migration).
  • Vergangenheitsbezüge zur Gegenwart sind damit sicher zu stellen.
  • Lehrplanentwicklungen ergeben sich aus gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Veränderungsprozessen. Eine Lehrplankonstruktion beinhaltet demnach
    • eine Gegenwartsanalyse (Politikwissenschaft, Sozial- und Kulturwissenschaft),
    • Fragen der Vergangenheit (Geschichtswissenschaft),
    • Transformation der Befunde in Themen und Inhalte sowie
    • Themen und Inhalte in ein Anordnungssystem mit Schwerpunktaufgaben festlegen (Unterrichtsstunden-Epochen-Projekte).
4.1.12 Kompetenzen    

Für die Geschichtsdidaktik begann die Diskussion um Kompetenzen durch die 2001 veröffentlichte PISA-Studie ("Programme for International Student Assessment"). In der Geschichtsdidaktik ist der Begriff nicht neu und wurde als Sammelbegriff für Fähigkeit oder Fertigkeit verwendet (vgl. PELLENS 1978, 211-226). Mit dem "Weinert-Report" 1999 für die OECD erhielt das Kompetenz-Modell Bedeutung.

Mit Kompetenz wird nicht ein bestimmtes Ereigniswissen bezeichnet, vielmehr wie man mit historischem Wissen umgeht. Abzugrenzen ist in der Geschichtsdidaktik der Begriff von der Berufspädagogik (Sach-, Methoden-, Sozial- und Personalkompetenz) (vgl. PANDEL 2013, 208).

Drei Kriterien bezeichnen Kompetenzen:

  • die domänenspezifische Problemlösungsfähigkeit - (geschichtsbezogene)Kenntnisse und (geschichtsbezogene)Fertigkeiten der Fachdisziplin/des Fachbereiches,
  • die kreative Problemlösungsfähigkeit - kreative Leistungen in variablen Anwendungen (für Geschichte etwa die narrative Kompetenz) und
  • die mehrgliedrige Fähigkeiten - Sammlung von Können, Routinen, Regeln und Techniken situationsbedingt und situationsentsprechend (für Geschichte etwa Interpretationskompetenz, ästhetische-literarische-wissenschaftliche Kreativität).
In der Geschichtsdidaktik gelten in der laufenden Diskussion in Deutschland zehn Kompetenzmodelle (vgl. allgemein ZIENER 2006, 44; geschichtsdidaktisch PANDEL 2013, 212).

  • Sachkompetenz,
  • Deutungs- und Reflexionskompetenz,
  • Medien - bzw. Methodenkompetenz,
  • Handlungskompetenz,
  • Urteilskompetenz,
  • Orientierungskompetenz,
  • Fragekompetenz,
  • historische Interpretationskompetenz,
  • Kommunikationskompetenz und
  • Präsentationskompetenz.
Da Lernprozesse nicht linear verlaufen, vielmehr auf- und absteigend über verschiedene Stufen hinweg, wird auch der Begriff Kompetenzausprägung verwendet. Beispielhaft zeigt sich dies in der narrativen Kompetenz, wie Geschichtsdarstellungen im Laufe des Unterrichts über Jahre hinweg an Umfang, Komplexität, Kohärenz und Strukturen zunehmen.

Kompetenzsysteme lassen sich in zwei Modelltypen einteilen. Das Komponentenmodell etwa umfasst fachspezifische Aufgaben wie Quellentexte in unterschiedlicher Länge und verschiedenem Schwierigkeitsgrad mit Hilfe des Stufenmodells für Geschichte.

Für die Geschichtsdidaktik finden sich Kompetenzen in der kulturellen Lebenswelt.

Als historische Kompetenzen gelten demnach die

  • Erzählkompetenz mit
    • narrativer Kompetenz(Ereignisse zeitlich und sprachlich ausdrücken, Erzählhandlungen unterscheiden, Kohärenzen herstellen) und
    • Interpretationskompetenz(Kenntnis der Techniken der Interpretation[Zeichendeutung, Hermeneutik, Interpretationsregeln]) und die
  • Kulturkompetenz mit
    • der Gattungskompetenz (Unterschiede von Text-, Bild- und Gegenstandssorten, Bestimmung von Aussagenwerten, Diskurse führen) und
    • geschichtskultureller Kompetenz (Unterschiede von Fakten und Fiktionen, Erinnerungskonflikte, Interessen-Lügen-Imagination, Werturteile).
4.1.13 Bildungsstandards    

Im Bildungsbereich versteht man unter "Standard" eine Norm als Richtgröße, um Qualität zu bestimmen.

Bildungsstandards sind staatliche Vorgaben, die erwartete Lernleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt (in der Regel am Ende eines Schuljahres).

Der Begriff "Bildung" ist allerdings unpassend und missverständlich, weil Bildung nicht messbar ist. Verständlicher wären "Leistungsstandards" (vgl. Mindest- und Regelstandards [Fundamentum, Additivum]; PANDEL 2013, 240).

Standards haben bestimmte Gütekriterien wie Fachlichkeit, Fokussierung auf einen Kernbereich, Kumulation (aufeinander folgende Teilleistungen), Verbindlichkeit (Mindestanforderungen), Differenzierung, Verständlichkeit und Realisierbarkeit. Hier wird deutlich, dass fächerübergreifendes Lernen im Hinblick auf domänenspezifische Kompetenzen fächerübergreifend nicht durchführbar ist.

Bildungsstandards ergeben eine geänderte Bildungspolitik.

  • Die Vorgaben der Lehrpläne zeigen an, dass eine geringe Steuerungsfähigkeit vorhanden ist.
  • Deshalb werden Mindeststandards festgelegt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht werden sollen. Messinstrumente dafür sind möglichst zentrale Tests, Vergleichsuntersuchungen mit kompetenzbasierten Aufgaben und standardisierte Kontrollen/Inspektionen(Evaluationen durch die Schulaufsicht). Lernleistungen der Lernenden und Lehrleistungen der Unterrichtenden werden überprüft.
  • Ein Kennzeichen der Bildungsstandards ist die mangelhafte Unterscheidung zwischen Kompetenz und historischen Ereigniswissen.
  • Um Kompetenzen im Geschichtsunterricht zu fördern, bedarf es neuer Aufgabenformate für Impulse von Denkaufgaben (vgl. die Notwendigkeit von größeren Zeitrahmen und Mehrgliedrigkeit[Einsatz von Regeln und Routinen, Können und Fertigkeiten]).
Kritisch ist zu vermerken, dass der Druck zur Kompetenzorientierung von transnationalen Experten ohne demokratische Legitimation ausgeht. Nationale Bildungsautoritäten wie Hochschulen bzw. Universitäten, Lehrerverbände und die Bildungsbürokratie verlieren ihre Definitionsmacht für kulturelle Orientierungen (vgl. MÜNCH 2009, 39, 41, 57).

4.1.14 Methodik    

Mit Hilfe der Methodik gelangen Lernende vom Nichtwissen zum Wissen.

Die folgenden drei Grundformen der Methodik haben sich im Geschichtsunterricht herausgebildet:

  • Versuch und Irrtum - es geht um unterschiedliches Lerntempo und den Erwerb eines formellen Schulabschlusses,
  • Fördern und Fordern, keine Abhängigkeiten - man benötigt für Transferleistungen Unterstützung und
  • Anleitung für eine Form von Kompetenz und Methodenorientierung. Unabhängig von der Bildungsinstitution können damit Lernende neues Wissen in neuen Situationen erwerben.
Welche Grundform gewählt wird, ist Aufgabe der Methodik.

Methodik ist ein Teilbereich der Didaktik. Unterrichtliches Handeln, Medien, Sozialformen und Arbeitsformen des Lernens sind die Kennzeichen von Handlungsanweisungen zum Erreichen von Lernzielen (vgl. GÜNTHER-ARNDT 2007).

Für die Geschichtsmethodik gelten domänenspezifische Elemente, wie sich am Beispiel "Unterrichtsmittel" (allgemeinpädagogisch)zeigt, wenn von Schrift-, Bild- und Sachquellen die Rede ist.

Methodik umfasst die Gestaltung von Lern- und Kommunikationsbedingungen für Lernende und meint das zielgerichtete Handeln.

Pragmatik meint die flexible Regelanwendung und ist verbunden mit methodischen Anwendungsregeln(vgl. dazu die Notwendigkeit einer Lehr- und Lernforschung).

Notwendig sind Motivation und Interessen der Lernenden. Methodisches Handeln bedarf der Tätigkeit des Lehrenden (Organisator von Lernprozessen, die ziel-, themen- und subjektadäquat ablaufen).

Methodische Qualitäten unterliegen der Sensibilität für die Bedürfnisse der Lernenden.

  • Eine Rolle spielt das Erfahrungswissen des Lehrenden.
  • In der Unterrichtspraxis wird die Methodik daran gemessen,
    • ob es Aktivierungschancen für die Lernenden gibt,
    • ob Lernende aktiv mit dem Unterrichtsgeschehen verbunden sind.
    • Wesentlich bei diesen Aktivitäten ist der Erwerb von Wissen. Damit ist die Didaktik angesprochen, die Ziel- und Inhaltsentscheidungen vorgibt.
    • Man kann nur von den Inhalten nach der Methode fragen und nicht umgekehrt. Es bedarf damit einer Passung von Zielen und Methoden.
  • Methodik kann ungeschickt eingesetzt werden, jedenfalls sind domänenspezifische Kenntnisse in der Geschichtsdidaktik(allgemein Fachdidaktik) notwendig.
Im Geschichtsunterricht bzw. der Geschichtsdidaktik bedarf es des folgenden methodischen Handelns (vgl. PANDEL 2013, 253).

  • Historisches Denken nach Nach-Forschung(forschendes Lernen - Interpretation, Narrativierung),
  • Perspektivenwechsel (Sichtwechsel - Perspektivität/Erfahrungsbildung, konkurrierende Urteilsbildung) und
  • Übermittlung mit Sinndeutung (Symmetrie von Lehrenden-Lernenden-Teilnehmenden am Lehr- und Lernprozess). Das Ereigniswissen beruht auf der Beschaffenheit von Methoden und Verfahrensweisen.
In der Geschichtsdidaktik bedarf es daher der folgenden Begrifflichkeit.

  • Unterrichtsmethode - Sicherstellung vom Ziel bis Ergebnis, Arbeits- und Sozialformen,
  • Forschungsmethode - Heuristik, Kritik, Hermeneutik und Analytik als Definition eines Geschichtsunterrichts,
  • Erkenntnismethode - Verfahren der Erkenntnisgewinnung(hermeneutisches Verständnis, analytisches Erklären, Interpretation), Lernen als historisches Denken und
  • Kulturtechniken - Lesen und Behalten, Recherchieren, Sammeln, Archivieren, Dokumentieren und Präsentieren.
Die Geschichtsdidaktik besitzt eine lernortabhängige Methodik (vgl. VIEREGG 2006; MAYER 2007, 389-407; PLEITNER 2007, 138-141; LANGE-LUX 2007; HESSE 2007).

  • Lernen findet auch in Museen, Archiven, Gedenkstätten und an originalen Orten statt.
  • Hier geht es um authentische Quellen, Gegenstände und Orte.
  • Es geht demnach um historisches Lernen, also um Forschungs- und Erkenntnismethoden.
PANDEL (2013, 268-269) weist darauf hin, dass mitunter museumspädagogische Aktivitäten weniger auf Objekte des eigenen Hauses als vielmehr auf einen historischen Nachhilfeunterricht eingehen.

4.1.15 Präsentationsformen - Medien    

Weil Geschichte sich nicht direkt wahrnehmen lässt und eine narrative Konstruktion darstellt, ist sie in unserem Gedächtnis nur sprachlich vorhanden. Die meisten Ereignisse in unserer Lebenszeit fallen nicht in unsere eigene Wahrnehmung und in unser eigenes Erleben. Sie sind nur über bestimmte Medien zugänglich. Damit eignen wir uns ein Geschichtswissen an. Dies gilt natürlich auch für Lehrende.

Die einzelnen Formen bezeichnen wir besser als "Präsentationsformen" , die die Eigenart historischen Denkens als Begrifflichkeit besser umreißen (vgl. PANDEL 2013, 271-306).

Marshall Mc LUHAN bezeichnet Medien als Körperextensionen, als Verstärker körperlicher Fähigkeiten (Telefon-Verstärkung der Stimme über weite Reichweiten, Fernglas-weiter sehen, Fahrrad-Verstärker der Geschwindigkeit; vgl. Mc LUHAN 1992; HÖRISCH 2004, 62-63).

Die Vielfalt der Medienbegriffe bzw. Präsentationsformen - Kommunikations-, Interaktions- und Steuerungsmedien - und der Medienarbeit - Massenmedien, neue Medien, Lernmedien - erfordert für die Geschichtsdidaktik eine genaue Beschreibung.

In den Kulturwissenschaften bezeichnen wir mit "Medien historischer Tradierung" die Auswirkungen für das historische Denken beispielhaft

  • die Mündlichkeit,
  • die Schriftlichkeit,
  • den Buchdruck und
  • elektronische Speichermöglichkeiten.
  • Damit werden die Unterschiede in den Wandlungsprozessen der verschiedenen Epochen dargestellt.
  • Je nach Medium bzw. Präsentationsform wird Geschichte gelernt bzw. gelehrt.
Man denke etwa an den Alphabetisierungsprozess im 18. Jahrhundert, womit auf eine Re - Oralisierung in der Tradierung verzichtet werden konnte (vgl. die heutige Situation bei Lernenden, die wohl Schulbücher besitzen[weniger Geschichtsatlanten] und dennoch zur mündlichen Wiedergabe der Inhalte angehalten werden).

Geschichtsdidaktisch ist von Interesse

  • die Wiederkehr der Stimme in den elektronischen Medien. Das gesprochene Wort veränderte den traditionellen Bildungskanon.
  • Zudem veränderten Comics Präsentationsformen, die bisher nicht üblich waren (vgl. die Veränderung durch ein sprachfreies und visuelles Lernen vs. "Jede Stunde ist eine Deutschstunde").
  • Kommunikationsformen sind über Netzwerke globalisiert. Globale Erinnerungsformen entziehen sich nationaler Bildungsprozesse.
Gegenwart und Vergangenheit sind für die Präsentationsform begründend.

  • Mit Ausnahme von Quellen verändert die Zeit die Präsentationsform (vgl. die grundlegende Bedeutung für den Geschichtsunterricht).
  • Gegenwärtige Medien in ihrer Vielfalt historisieren sich mit zeitlicher Dauer (vgl. die Dauer von 30 Jahren für Publikationen, Reden, Schulbücher, Presseartikel[Meldungen, Kommentare], Romane).
  • Für die Interpretation ist der Historisierungsgrad wesentlich (vgl. die historische Karte bzw. Altkarte und die heutige Geschichtskarte/Geschichtsatlas).
  • Historienfilme dagegen sind nach kurzer Zeit Quellen ("historische Historienfilme"). Ähnlich ist die Entwicklung bei Jugendbüchern und Romanen.
Der Bereich Geschichtsatlas und Hypermedia (Kombination von Bild, Film und Ton vor allem im Internet) verändert Formen der Quellenpräsentation. Erhöht wird der Grad an Intermedialität der Darstellung (vgl. den Fortschritt der Entwicklung bei Geschichtskarten und damit entdeckendem Lernen; vgl. die Entwicklung des "HGIS-Germany" am Institut für Europäische Geschichte/Mainz und der Umgang mit der Fülle von Möglichkeiten des Systems mit möglichen Überforderungen der Laien; RENZ 2009, 39-44).

Eine ideale Präsentationsform für historisches Lernen und Denken gibt es nicht, weil Lernen und Denken vielfältig ist. Forderungen ergeben sich mit und an Präsentationsformen.

  • Authentizitätsansprüche beruhen auf dem Geschichtsbewusstsein (Quellencharakter, Quellenbezug).
  • Anwendung von Kritik schwankt zwischen Vertrauen und Skepsis (vgl. Standortbezogenheit, Ideologie, Subjektivität, Emotionalität). In diesem Zusammenhang entstehen verzerrte Aussagen durch
    • ethnische, soziale, politische, kulturelle, ethische und Gender-Festlegungen.
    • Weltbilder in Form von Ideologien, Wertvorstellungen und Glaubenswelten spielen eine Rolle.
    • Kollektive Denkweisen und Denkgewohnheiten (Mentalitäten) verzerren Aussagen.
    • Ebenso verzerren politische, ökonomische, kollektive und individuelle Interessen Aussagen.
  • Sinnlichkeit/Visualität beruht auf der Historizität der Quellen (Museen, historische Ausstellungen, Archivbesuchen, bedingt Replikate und Nachbildungen).
  • Geschichte bedarf einer Mehrsinnigkeit, einer Fülle aller vergangenen Lebensäußerungen. Das Lebensgefühl vergangener Epochen muss nachvollziehbar sein.
  • Historisches Lernen verlangt Erzählzusammenhänge. Lernende sollen Erzählungen kennenlernen(Historiografie, Romane, Jugendbücher).
  • Historisches Lernen bewirkt Identitätserweiterung (Einbeziehung sozialer Gruppen/Formationen wie Bürgertum, Arbeiterschaft, Geschlecht und Region sowie historischen Fachbereich; vgl. DICHATSCHEK 1986[612-616] - "Landeskunde" als mögliche (Un-)Verbindliche Übung im Kontext mit Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung).
    • Es gilt im Rahmen des Objektivitätsgebots das Prinzip der Multiperspektivität, verschiedene soziale Sichtweisen darzustellen.
    • Zu beachten ist ebenfalls der Verwendungskontext (lehrerzentriert - medienzentriert - schülerzentriert - sachbezogen im Kontext zu einem historischen Fachbereich).
4.1.16 Arbeitsformen    

Die Entscheidung für Arbeitsformen ist situations- bzw. adressatenbedingt. Jede Arbeitsform erbringt einen Erkenntnisgewinn. Allerdings müssen die kognitiven, quellenorientierten und wissensgestützten Arbeitsformen vorrangig sein (vgl. PANDEL 2013, 309-316).

Typologie der Arbeitsformen

Gespräch - entdeckendes Lernen

fragend-entwickelndes Lernen - Ideologiekritik

Diskussion - Inhaltsanalyse

Frage - Interpretation, Argumentation

Vortrag/Schule - Erkundung (Aspekt-)

Vorlesung/Universität - Experten- und Zeugengespräche

Rollenspiel

Simulationen

Planspiel

Fallstudie

Projekt/Präsentation

Pro und Contra-Diskussion

Lernspiel

Computerspiel

Leistungsmessung - Wiederholen und Festigung/Überprüfung historischen Wissens (vgl. KNEILE-KLENK 2008)

4.1.17 Sozialformen    

Geschichtsdidaktische Lernprozesse bedürfen entsprechender Sozialformen, die sich nach Interaktions- und Kommunikationsprozessen unterscheiden lassen (vgl. PANDEL 2013, 317-329)

  • Gruppengröße - Einzelarbeit-Klassenverband, Kurs/Lehrgang
  • Dauer der Gruppe - Unterrichtsstunde, Epochalunterricht, Projekt
  • Merkmal der Gruppenzusammensetzung - Schülergruppe-Kurs für Reifeprüflinge, Erwachsenenlehrgang/Kurs
Sozialformen

  • Einzelunterricht - Privatunterricht, Nachhilfeunterricht, Hauslehrererziehung
  • Einzelarbeit - individuelle Form des Lernens, autodidaktisches Lernen, Hausübungen(mit Lernanweisungen), Stationenlernen
  • Partnerarbeit - Kooperation von zwei Lernenden (gegenseitiger Ausgleich von Defiziten)
  • Gruppenarbeit - innerhalb der Klasse und in der Projektarbeit-Kommunikationsverdichtung, Multiperspektivität
  • Frontalunterricht-Unterrichtsgespräch - Fragen und Aufträge an alle Teilnehmenden, geschichtsdidaktisch in oralen Kulturen vorherrschend als Weitergabe
  • Exkursion/Erkundung/Lehrpfad - Gruppen- und Paarbildungsprozesse mit Arbeitsaufträgen/ Aspekterkundung als Teilbereichserkundung, Dokumentation
4.1.18 Methodenprinzipien    

Methodik bedarf bestimmter Prinzipien, die Bedingungen definieren. Deren Anzahl verändert sich in der geschichtsdidaktischen Diskussion. Damit ergibt sich eine Erweiterung.

War in den siebziger Jahren die Wende zum Konstruktcharakter, kam in den achtziger Jahren die Wende zu Schüleraktivitäten und um 2000 die Wende zu fachspezifischen Problemlösungsfähigkeiten (vgl. die Einführung der Kompetenzorientierung in den Geschichtsunterricht; PANDEL 2013, 332-359).

Verbreitung und Gebrauch von Methodenprinzipien

  • Gegenwartsorientierung - Gegenwartsbezüge, Vergangenheitsbezüge
  • Forschendes und entdeckendes Lernen
  • Problemorientierung - Begriffe, Bereiche
  • Wissenschaftsorientierung - Wissenschaftspropädeutik
  • Multiperspektivität
  • Erfahrungsorientierung
  • Handlungsorientierung
  • Methodenorientierung
  • Projektorientierung
4.1.19 Unterrichtsplanung    

Die Neuausrichtung der Lehrerbildung stellt die Planbarkeit von Unterricht in ein anderes und neues Licht. Im Zentrum stehen Geschichtstheorie, Geschichtsdidaktik, Erziehungswissenschaft mit Lerntheorien und Lernpraxis (vgl. TERHART 2009, 178; FAUSTICH 2013).

Bei Lehramtsstudien fehlen eher Planungsfragen, Planungskompetenz wird zumeist zu Beginn der Unterrichtstätigkeit reflektiert. In der Folge kann es zu Routine und zur Wiederholung gleicher Arrangements kommen. Ebenso werden bestimmte Arbeitsformen und/oder Prinzipien bevorzugt, die einen Unterricht wenig abwechslungsreich werden lassen.

Auch die Form der Bildungsinstitution beeinflusst die Planung des Unterrichts (vgl. APS-Disziplinlosigkeit, AHS-Leistungsdruck, EB-Freiwilligkeit).

Unterrichtsmodelle bevorzugen mitunter die Präsentation von Unterrichtsmaterialien.

Ziel eines Planungsmodells sollte die Unterstützung praktischen Handelns durch planendes Denken sein.

  • Planung lässt sich auf reale Bedingungen von Unterricht ein.
  • Offene Handlungszukunft wird gedanklich antizipiert (Verknüpfung von Unterrichtsereignissen und Vorhaben mit zeitlicher Dauer).
  • Unterrichtserfahrungen ergeben sich aus persönlichen Erfahrungen (Schulpraxis in der Ausbildung, Praktika, eigener Unterricht) und Fremderfahrung (Mentor, Kollegen, Publikationen/Empirie).
Eingeplant werden

    • Thema und Inhalt,
    • Zeitbedarf,
    • Reihenfolge der Handlungen/Unterrichtschritte - Prinzipien,
    • Sozialformen,
    • Arbeitsformen,
    • Erkenntnisweisen - Medien/Präsentationsformen und
    • Themenstichworte.
  • Zielsetzung eines historischen Unterrichts ist ein Geschichtsbewusstsein, die Narrativität und der Erwerb von Kompetenzen.
  • Planung unterliegt dem Grundsatz der Rationalität(Nachvollziehbarkeit).
  • Methodische Kreativität ergänzt die Umsetzung von Unterrichtsqualität.
  • Der tägliche Praxisdruck benötigt den Einsatz von Instrumenten wie die "Didaktische Analyse" (vgl. KLAFKI 1958, 450-471; Ermittlung der thematischen Lernstruktur) und fertige Unterrichtsmodelle.
Planungsprozess nach SCHULZ (1981, 3)

  • Übereinstimmung über Planungsgrundsätze
  • Perspektivenplanung
  • Planung von Unterrichtseinheiten bzw. Projekten
  • Planung von Stunden/Doppelstunden/Wochenplanung
  • Planungskorrektur
Langfristige Planung beinhaltet die Entscheidung über die Art und Weise fächerübergreifenden Lernens (vgl. auch den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Schule, Pkt. 26).

  • Wissensbereiche verlangen historische, naturwissenschaftlich-technische, ökonomische, ökologische, künstlerisch-ästhetische, religiöse und ethische Gründe.
  • Mitunter entstehen neue Fächer, etwa "Europakunde", "Diktaturen" als Fach und/oder "Landeskunde". Es versteht sich von selbst, dass Lernende Fächer/Fächerbündelungen suchen, die sich aufeinander beziehen bzw. Themenbereiche zusammenfügen.
  • Fächerübergreifendes Lernen hat Tradition in den
    • Konzepten eines Gesamtunterrichts, Arbeitsunterrichts und kooperativen Unterrichts. Bindestrich-Fächer versuchen ebenfalls fächerübergreifende Aspekte zu vermitteln.
    • Behauptet wird, dass es ein überfachliches Wissen gäbe. Das Fachwissen sei zersplittert. Interdisziplinarität sei daher notwendig.
    • Die Grundschulpädagogik der zwanziger Jahre sah sich als Anwalt einer Ganzheitlichkeit.
    • In der Folge kam es zu Fachdisziplinen.
  • Mit der Veränderung der gesellschaftlich-politischen, kulturellen, ökonomischen, ökologischen und naturwissenschaftlich-technischen Dimension ergeben sich Problemstellungen, die nicht mehr disziplinär zu lösen seien(vgl. kritisch GUDJONS 1997, 41).
  • Enttäuschend sind die Praxisbeispiele. "Bedenklich ist dabei, dass diese Praxis des fächerübergreifenden Lernens hinter den erreichten Stand der einzelnen Wissenschaften zurückfällt" (PANDEL 2013, 370).
Zu unterscheiden ist Interdisziplinarität und disziplinäre Interdisziplinarität (vgl. PANDEL 2013, 371-374).

  • Interdisziplinarität meint ein disziplinverknüpfendes Arbeiten, das die einzeldisziplinäre Fächerung aufhebt. Im Unterricht ist dies wenig tauglich, weil sich über die Erfahrungsobjekte disziplinäre Erkenntnisse schichten(vgl. etwa beim Thema "Mensch" Erkenntnisse aus der Medizin, Psychologie, Anthropologie, Theologie und Pädagogik). Es entstehen neue Disziplinen(vgl. als Beispiele die Molekularbiologie und Neurolinguistik). Am Beispiel "Bild" lässt sich multidisziplinäres Arbeiten gut darstellen. Mit Kunstgeschichte, Philosophie, Ethnologie und Interkultureller Kompetenz entsteht die neue Disziplin "Bildwissenschaft".
  • Die andere Seite als disziplinären Interdisziplinarität zeigt sich in den Geschichtswissenschaften an einer Umorientierung und fächerübergreifenden Sichtweisen. Beispielhaft zeigt sich in der Interdisziplinären Sichtweise.
    • Wirtschaftsgeschichte arbeitet mit ökonomischen Theorien.
    • Sozialgeschichte arbeitet mit soziologischen Theorien.
    • Ethnohistorie und Psychohistorie beziehen sich bereits im Namen auf das jeweilige Fachgebiet (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index > Ethnologie).
    • Schulpädagogisch wird diese disziplinäre Interdisziplinarität kaum bis gar nicht zur Kenntnis genommen.
    • In der Erwachsenenpädagogik spielen in der Regel historische Themen nur insofern eine Rolle, als sie thematisch eng gebunden sind und damit eine fächerübergreifende Dimension sich nicht ergibt (vgl. fächerübergreifende Themen wären etwa "Kunst und Interkulturalität"[Bezug zur Kunstgeschichte und Interkultureller Kompetenz], "Verfolgung von Schriftstellern"[Bezug zur Germanistik], "Minderheitenpolitik"[Bezug zur Politischer Bildung]).
Konkrete Aussagen sind für Teillernziele, Stundenverläufe und Medien notwendig. Damit stehen Unterrichtsschritte, Lernphasen und Lernstufen im Vordergrund. In der Folge wird dies als Artikulationsstufen bezeichnet.

Artikulationsformen dienen zur Lösung eines/einer

  • Sachverhaltes, der geschichtsdidaktisch gegliedert wird, verständlich sein muss in einzelnen Gliederungsstufen,
  • Erkenntnisweise bzw. Logik, dass der Sinn des Themas schrittweise erfasst wird,
  • Lernprozesses, der Interesse, Aufmerksamkeit und möglichst Spannung enthält und
  • zeitlichen Gliederung bzw. eines Rahmens, der in einem sinnvollen Verhältnis von Aufwand und Wirkung steht(vgl. die Notwendigkeit eines Zeitbudgets).
Joachim ROHLFES (2005, 228-230)übernimmt das lernpsychologische Schema von Heinrich ROTH (1973, 228-230).

  • Motivation,
  • Schwierigkeiten,
  • Lösung,
  • Ausführung,
  • Einüben - Behalten und
  • Übertragung und Integration.
Michael SAUER (2003, 80)vereinfacht das Schema (Frage-Untersuchung-Erklärung).

In der Unterrichtsausbildung dominiert noch ein selbstgezimmertes Modell: Einstieg-Aufgabenstellung/Problemstellung-Erarbeitung-Ergebnispräsentation (mitunter wird noch als Motivation eine Wiederholung von fünf Minuten zu Stundenbeginn verlangt; vgl. PANDEL 2013, 400).

Diese inhaltsneutrale Unterstellung eines Unterrichtsschemas gibt es nach heutigem Stand nicht.

Lernprozesse verlaufen je nach Inhalt unterschiedlich ("domänenspezifisch", vgl. Pkt. 8). Geschichtsdidaktisch ergeben sich vier Schritte, die für die Unterrichtspraxis modifiziert werden müssen (vgl. PANDEL 2013, 402-412, 418).

  • Historische Frage - Fachdiskurs als Ausgangspunkt; Medien-Erzählung-Zitat-Tabelle-Lehrtext/Buch-Tafel,
  • Heuristik - Materialien/methodische Leitfragen (Quellen, Zeugen, Orte, Auswertung/Methoden, Stand der Geschichtsschreibung),
  • Darstellung - Gattungsart/Perspektiven und
  • narrative Erklärung - Gespräche leiten/kausal/Gründe-probabilistisch/Wahrscheinlichkeit-nomologisch/gesetzmäßig - Transfer.
4.1.20 Reflexion    

Im Folgenden wird auf die Wirklichkeit der Geschichtskultur und Hirnforschung eingegangen.

Didaktische Probleme ergeben sich aus gesellschaftlichen und politischen Veränderungen. Zudem bedarf es einer vermehrter Bedeutung in der Geschichtsdidaktik der Interkulturalität im Kontext mit Formen einer Diversität und Globalisierung. Die Frage nach einem fachgerechten Unterricht ergibt sich konsequenterweise.

Mit der Frage nach dem "Wozu heute Geschichte" kommt man zur Erkenntnis, dass die Wirklichkeit der Geschichtskultur eine andere geworden ist.

  • Beispielhaft erweist es sich, dass Problemstellungen sich verändert haben, etwa an die Stelle von Rassismus der "Kulturalismus" - Rassismus ohne Rasse - getreten ist.
  • Bedeutend ist die Fortsetzung von schulischem Lernen geworden. Geschichtliche Themen in der Erwachsenenpädagogik - im Kontext mit Politischer Bildung - sind relevant geworden. "Geschichtskultur ist der Geschichtsunterricht der Erwachsenen" (PANDEL 2013, 37; vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Lehrgang Politische Bildung in der Erwachsenenbildung, Lehrgang Ökonomische Grundbildung in der Erwachsenenbildung).
  • Trotz der Forderung nach mehr kulturellen Inhalten ist unstrittig, dass Geschichte einen Beitrag zur Politischen Bildung leistet. Wie schwierig die Kombination "Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung" sich darstellt, zeigen Lehrplankonstruktion und Auswahlfragen von Inhalten. Die Themen sind weiter geöffnet als man glauben würde.
  • Geschichte und Interkulturelle Kompetenz als Beitrag zu kulturellen Inhalten sind in einer vielfältigen Gesellschaft mit Internationalität und Globalisierung - pädagogisch auch mit internationalen Bildungs- und Austauschprogrammen - bedeutend geworden(vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz).
  • Die Quellensuche in Kontext mit historisch-kultureller Bildung ist im Bildungsbereich bescheiden und führt ein Randdasein.
    • Vermehrt sollten Erkundungen in Museen, Archiven, Ausgrabungs- und Gedenkstätten in Anspruch genommen werden.
    • Expertengespräche vervollständigen das Methodenrepertoire.
Was wir als Geschichte ansehen, hängt von den Kategorien, Modellen und Theorien ab, mit denen wir Vergangenes sehen. Zeitgemäße Geschichte hält sich an Theorieansätze. Die Vielfalt der Ansätze (Basistheorien) folgen aus Gründen einer intellektuellen Redlichkeit einer theoretischen Orientierung (vgl. PANDEL 2013, 84).

  • Als selbstverständlich wird der Historismus angenommen. In der neueren Kulturgeschichte gibt es Elemente eines neuen Historismus, die Gruppen und Ethnien darstellen. Für schulische Lehrplaninhalte sind sie eher von zweifelhaftem Wert.
  • Historische Sozialwissenschaften erfreuen sich einer Beliebtheit, zumal der Paradigmenwechsel von den Geistes- zu den Sozialwissenschaften in der Erziehungswissenschaft vollzogen, in der Folge mit den Kulturwissenschaften erweitert wurde und nunmehr als Bildungswissenschaft etabliert ist. In der Geschichtswissenschaft hat sich in der Folge der Konstruktivismus mit den Strukturen der Annales-Historikern verankert. Damit versteht man die verschiedenen Darstellungsformen bei gleicher Quellenlage.
  • Im Unterricht dominiert die Ereignisgeschichte, insbesondere in der Zeitgeschichte(vgl. die bessere Ausnützung in dem derzeitige Stundenrhythmus von 45 bzw. 50 Minuten).
  • Geschichte beschäftigt sich wenig mit der Ökonomie und Ökologie(vgl. die Lehrplanverbindungen mit der Geographie und Biologie).
  • Die Verbindung im Fächerkanon zur Politischen Bildung ist hinterfragbar,
    • zumal Studierende der Geschichtswissenschaft keinen Bezug zum Inhalt und der Breite der Thematik der Politischen Bildung haben (vgl. SANDER 2014).
    • PANDELs Bemerkungen der Verengung des Geschichtsunterrichts in den siebziger Jahren in Deutschland als einen Zubringer zur Politischen Bildung, der die Geschichtskultur vernachlässigte und die historische Orientierung nicht erweiterte, ergänzen kritisch die bisherigen Erfahrung für ein eigenes Fach "Politische Bildung" in seinem Umfang (vgl. PANDEL 2013, 232, 432; siehe auch BEHRMANN-JEISMANN-SÜSSMUTH 1978, 16).
    • In Österreich gibt es in der Polytechnischen Schule und in der berufsbildenden Pflichtschule["Berufsschule"] ein eigenes Pflichtfach. Unbestritten ist ein gewisser Bezug zur Geschichte(vgl. die "soziale Zeit" und die Strukturgeschichte in ihrer Bedeutung).
  • Webers Idealtypen sind für die Begrifflichkeit wesentlich. Der Trend zu einer sprachlichen Nivellierung verhindert historische Erkenntnisse, Fakten werden vereinfacht bzw. übertrieben. Das Konzept der Idealtypen dient jedenfalls der Schaffung präziser Begriffe.
Von Interesse ist die Bedeutung des Gedächtnisses in Verbindung mit der Hirnforschung (vgl. KANDEL 2006). Gerade dieser Bereich ist vermehrt zu beachten und ist für die Geschichtsdidaktik wesentlich.

  • Vier Hauptsysteme sind zu unterscheiden.
    • Das episodische (autobiographische)ist ein emotionales Gedächtnissystem und vergangenheitsorientiert.
    • Das semantische Gedächtnis ist dagegen kognitiv und ohne Selbstbezug orientiert (Wissenschaftswissen).
    • Das prozedurale Gedächtnis sichert motorische Fähigkeiten (Sport, Handwerk).
    • Das implizite Gedächtnis sichert die Wahrnehmung eines Reizes (vgl. die Bildung von Assoziationen).
  • Für die Geschichtsdidaktik ist die Annahme, dass auf dem autobiographischen das historische Denken aufbaut, damit nicht zu halten. "Geschichte ist keineswegs eine Erweiterung und Verlängerung von Lebensgeschichte in die Geschichte der Historiker hinein. Lebensgeschichtliche Erinnerungen und angeeignetes Wissenschaftswissen bleiben getrennt" (PANDEL 2013, 156). Gewisse methodische Praktiken sind daher zu revidieren (vgl. die Einführung in den Geschichtsunterricht und die Zeit über Familiengeschichte/Generationenfolge). Episodisches und semantisches Gedächtnis sind verschieden. Ebenso verlieren Stufensysteme ihre Plausibilität, weil hier zwei funktional voneinander unabhängige Gedächtnissysteme vorhanden sind (vgl. die Ausnahmefälle wie Krieg, Flucht und Vertreibung; vgl. PANDEL 2013, 157).
Das Fehlen einer gegenseitigen Verbindung von Weltgeschichte und interkulturellem Lernen als Folge einer Globalisierung im politisch-kulturell-ökonomischen Bereich erweist sich als Manko(vgl. die Konzeptionen im Jahrbuch 2005 der "Internationalen Gesellschaft für Geschichtsdidaktik" der USA, Japan, Italien und Australien). Weltgeschichtliche Curricula stehen vor dem Problem einer politisch-gesellschaftlichen Durchsetzungsfähigkeit.

  • Schaffen nostrozentrische Konzeptionen kollektive Identitäten, leistet Globalgeschichte dies nicht.
  • Das Beispiel Norwegen zeigt, dass vierbändige Schulbücher für Geschichte der Sekundarstufe I als zwei Bände Nationalgeschichte und zwei Bände Weltgeschichte konzipierbar sind (vgl. für den deutschsprachige Raum POPP 2003).
Die Debatte um einen guten Unterricht läuft in der Fachliteratur (vgl. GAUTSCHI 2009; JÜRGENS-STANDOP 2010; PANDEL 2013, 447-450). Unterstellt wird damit, dass es einen schlechten Unterricht gibt.

Mitunter gibt es einen falschen Unterricht (vgl. die Kritik von PANDEL 2013, 448-450).

  • Erkennbar ist er an der mangelhaften Fachsprache und Fachmethodik.
    • Interpretationen fehlen teilweise, ebenso die Perspektiven der Quellenschreiber.
    • Mitunter fehlt eine Perspektivenwahrnehmung, um den Aussagewert der Quellen abzuschätzen.
    • Aufgabenformulierungen sind mitunter fachwidrig.
  • Schulbücher wirken mitunter wie eine dogmatische Lehrererzählung in gedruckter Form(vgl. das Fehlen der Akzeptanz bzw. des Widerspruchs historischer Argumente, des Erkennens von Geschichtslügen, einer intersubjektiven Verständigung über Kulturgrenzen hinweg).
  • Die Kompetenzdebatte legt ein Defizit an sozial- und kulturwissenschaftlichem Wissen offen. Geschichtsdidaktisch verdient der Aspekt interkultureller Bildung besondere Aufmerksamkeit. POPP(2003) zeigt auf, wie weit der Geschichtsunterricht vom Konzept einer Weltgeschichte entfernt ist.
  • Die Vielfalt des Zugangs zur Geschichte zeigt sich in den Darstellungsprinzipien von
    • Längsschnitt - epochenübergreifende Zeitvorstellung,
    • Querschnitt - stillgestellte Zeit(Verknüpfung mehrerer Dimensionen),
    • Fall - kurze Dauer, exemplarisch,
    • Sequenz - alle Dimensionen in Gemengelage und
    • Vergleich - Gegenüberstellung zweier oder mehrerer Fälle/Quer- oder Längsschnitte, interkulturelle Gegenüberstellung
  • Aus der Sicht der Geschichtsdidaktik ist die Kombination mit Politischer Bildung untauglich, ist doch die domänenspezifische Didaktik eine andere. Ebenso ist eine Zubringerfunktion zur Politischen Bildung kein Bildungsauftrag des Faches Geschichte. Das derzeitige Fach Sozialkunde erübrigt sich, geht es doch im Bildungsauftrag der Politischen Bildung auf.
4.1.21 Literaturverzeichnis Didaktik Geschichte    

Angeführt sind diejenigen Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.


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4.2 Politische Bildung    

Politische Bildung im Kontext mit dem Teilbereich Politikwissenschaft ist deswegen von Interesse, weil die Politikwissenschaft als Leitwissenschaft wesentlich und durchaus ausbaufähig ist. Fachwissenschaftliches Wissen ist als Vermittlungsprozess von politischen Sachverhalten und Erkenntnissen notwendig (vgl. SANDER 2014, 47-48).

Der Beitrag bezieht sich auf die Auseinandersetzung mit den Inhalten, die für eine zeitgemäße Politische Bildung relevant sind. Bereits 1980 hat Anton PELINKA in einem Beitrag des Instituts für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck zur "Politischen Bildung in der Schule" Modellvorstellungen, Grundsätze und deren Anwendung, Organisationsformen, Möglichkeiten und Grenzen dargelegt (vgl. PELINKA 1980a, 59-69).

Aus heutiger Sicht geht es um ein Grundwissen, das eine Gesamtschau des Faches Politikwissenschaft beinhaltet. Behandelt werden demnach Politikbegriffe, Demokratie, Mehr- und Einparteiensystem, Wahlen, öffentliche Meinung, Parteisysteme, Verbände und Bürokratie, internationale Konflikte und deren Prävention, internationale Organisationen, Außenpolitik und die politische Ideengeschichte.

Beiträge zur Thematik ergeben sich aus der Liste der IT-Autorenbeiträge.

Wesentliche Impulse ergeben sich aus der

  • Absolvierung des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt,
  • Absolvierung des 7. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg,
  • Absolvierung der Weiterbildungsakademie Österreich und Lehrtätigkeit in der Erwachsenen- und universitären Weiterbildung sowie
  • der Auseinandersetzung mit der Fachliteratur und Tagungen.
4.2.1 Politikwissenschaft    

Als Sozialwissenschaft unterscheidet sich Politikwissenschaft von anderen Teildisziplinen durch den Untersuchungsgegenstand. Das Interesse bezieht sich auf Erkenntnisse über gesellschaftliche Zusammenhänge, deren Beobachtung, Beschreibung und Analyse.

Empirisch ist der Gegenstand, weil die Ergebnisse an der Wirklichkeit messbar sein müssen. Dies unterscheidet von der Spekulation. Theoretische Aussagen und Zusammenhänge der Praxis müssen zur politischen Wirklichkeit rückgekoppelt werden können. Sie müssen an der Wirklichkeit überprüfbar und veränderbar sein. Damit ist Politikwissenschaft die Lehre vom tatsächlichen Zustand gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse (vgl. PELINKA-VARWICK 2010, 14).

Forschung ist um Wertfreiheit bemüht. Allerdings gibt es im Forschungsvorgang Wertvorstellungen und Interesse.

Forschungsobjekt ist die Politik. Fließend ist die Grenze zwischen reinen politischen Objekten und Objekten anderer sozialwissenschaftlicher Teilbereiche, wobei es selbstverständlich ist, dass bestimmte Gebiete von mehreren Sozialwissenschaften untersucht werden (vgl. die verschiedenen Teilbereiche in den Forschungsgebieten etwa der Bildungsreform, Sozialpartnerschaft und Gewaltphänomenen).

Hauptrichtungen dieser thematischen Auseinandersetzung sind die empirisch-analytische, normativ-praktische und kritisch-dialektische Richtung. Diese drei Richtungen sind miteinander verbunden. Als Trias bilden sie die Nutzung empirischer Sozialforschung, einer direkten Verwertung und Politik sowie einer kritischen Distanz zu vorhandenen Verhältnissen.

Politikbegriffe und Definitionen sind die Begrifflichkeiten

  • gouvernementale Politik(staatsbezogen),
  • normative Politik(wertbezogen),
  • konfliktorientierte Politik(Politik und Auseinandersetzung),
  • historisierende Politik(Abhängigkeit und Veränderbarkeit),
  • partizipatorische Politik(Individuum und Politik ohne Staat),
  • deskriptive Politik(beschreibend),
  • konsensbezogen(Ausgleichs- und Friedensfunktion) und
  • ahistorische Politik(Zeitlosigkeit und Unveränderbarkeit).
Eine Fülle von Einzeldefinitionen zeigt, dass die verschiedenen Aspekte im Spannungsfeld der Begrifflichkeiten.

Der angelsächsische Bereich kennt für das deutsche Wort "Politik" drei Begriffe:

  • "polity" - formale Organisation (Verfassung, Normen, Institutionen),
  • "policy" - Inhalte (Ziele, Programme) und
  • "politics" - Prozesse (Interessen und Gestaltung).
Merkmale des Politischen sind die drei Phänomene

  • Knappheit - nicht alle Interessen können befriedigt werden,
  • Konflikte - Entstehung aus der Knappheit der Güter. Unterschiedliche Interessen ergeben sich in der Verteilung der Güter (Wirtschaftsverbände, Eliten-Masse, Großmächte-Kleinstaaten, unterschiedliche Wertvorstellungen) und
  • Macht - Politik mündet in Macht zur Durchsetzung des eigenen Willens (physische Macht, eigene Überzeugungskraft, Gewohnheit, Gesetz). Gestaltung und Veränderung der Machtverhältnisse sind Gegenstand der Politikwissenschaft. Als immanentes Phänomen ist Macht in der Gesellschaft vorhanden(Familie, Betrieb, Freizeit, Wirtschaftsverflechtungen). Ziel ist, gesellschaftliche Machtverhältnisse bzw. Konflikte - beispielhaft in den Bereichen Kultur, Wirtschaft und Recht - verbindlich zu regeln.
Politik stößt an Grenzen im gesellschaftlichen Zusammenleben bei

  • der Umsetzung der Menschenrechte als Produkt der Politik (vgl. 1776 und 1789; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) und
  • den Grenzen der Machbarkeit - Gestaltungsfähigkeit, Raum und Zeit, Partizipation und gesellschaftlichen Arbeitsteilung (etwa Gender, Erfahrung mit Politik und Inklusion; vgl. ROSENBERGER-SAUER 2004, REICH 2014).
Politikwissenschaft kann dem politischen Interesse nicht ausweichen. Dies gilt für jeden Wissenschaftsbetrieb. Umgekehrt hat die Wissenschaft auch ein grundsätzliches Interesse an der Politik(vgl. bei der Finanzierung und Legitimation, PELINKA-VARWICK 2010, 26).

Formen der Beziehung zwischen Politik und Wissenschaft ergeben sich im

  • dezisionistischen Modell - Trennung von Politik und Wissenschaft, als Entscheidungshilfe,
  • technokratischen Modell - Vorrangigkeit der Wissenschaft und im
  • diskursiven Modell - Diskurs zwischen Politik und Wissenschaft, keine Trennlinie.
Von Interesse ist der Missbrauch von Wissenschaft durch die Politik. Eine politisch gesteuerte Wissenschaft drückt eine Missbrauchsneigung aus. Als aktuelle Beispiele dieser Schwierigkeit sind das Verhältnis Politik und Genforschung, Politik und Sterbehilfe und Terror und Todesstrafe anzusprechen.

Die analytische Dimension zeigt sich im Verhältnis policy - polity - politics und deren Gestaltung.

4.2.2 Demokratie    

Anzusprechen sind Formen der direkten und indirekten Demokratie, von Konkurrenz/Konflikt und Konkordanz, Wahlen und dem Parlamentarismus, den Entscheidungsprozessen und der Verfassung und Gewaltenteilung.

Der Begriff "Demokratie" ist deswegen so unscharf, weil er unterschiedliche Bedeutungen in unterschiedlichen politischen Systemen beinhaltet. Zu unterscheiden ist zwischen direkter(plebiszitärer) und indirekter(repräsentativer) Demokratie, wobei eine Demokratie beide Elemente zu beinhalten hat.

  • Die direkte Demokratie entspricht dem Wortverständnis, dass das Volk direkt herrscht. Entwickelt wurde diese Form vor allem in kleinen Einheiten (etwa der attischen Polis, Kantone/Halbkantone der Schweiz, in Kibbuzim Israels). Aktuell werden plebiszitäre Elemente der Demokratie durch die technologische Entwicklung (IT, e-voting)in großen Einheiten auch gefördert.
    • Plebiszit(Volksabstimmung),
    • Volksinitiative(Volksbegehren),
    • Wahlen und
    • Demoskopie(Meinungsforschung).
  • Repräsentative(indirekte) Formen sind
    • Parlamentarismus(Parlament und Verfassungsorgane/Regierung und Verwaltung),
    • Parteien(wahlwerbende Gruppen),
    • Verbände(Kammern, Vereinigungen, Gewerkschaften) und
    • Neokorporatismus(Sozialpartner) als Kooperation von Verbänden und Verfassungsorganen (vgl. TALOS 2008).
Neben dem Mix von direkter und indirekter Demokratie benötigt eine Demokratie ebenso Elemente aus Konflikt und Konsens , also aus dem Wechselspiel von Konkurrenz und Konkordanz.

Erst der politische Konflikt erlaubt die Mitwirkung des Volkes mit Machtzuweisung, Machtkontrolle und Machtablösung. Es bedarf bestimmter Grundwerte in Form von Regularien in der Verfassung(formaler Konsens) und ihren Organen, um den Mechanismus einer demokratischen Kontrolle und Machtablöse funktionieren zu lassen. Mit "bestimmten Grundwerten" sind Regularien("Spielregeln") eines bestimmten Menschen- und Gesellschaftsbildes gemeint, die die Anerkennung von Grund- und Freiheitsrechten (Menschenrechten) beinhalten.

Politische Konflikte beinhalten in der Regel mehrere Alternativen, die für den Wähler zur Auswahl stehen. Dies bedeutet einen Konkurrenzkampf von zwei oder mehreren Parteien bzw. Kandidaten. Liegt ein Defizit an Konsens vor, werden Regularien nicht eingehalten, verschiedene Interessen ein Kampffeld, kann eine Demokratie daran zugrunde gehen.

Moderne Politsysteme bevorzugen entweder Aspekte eines Konflikts (Konkurrenzmodell) oder des Konsens (Konkordanzmodell). Konkurrenz bedeutet eine Auseinandersetzung mehrerer Parteien, Konkordanz Zusammenarbeit der politischen Eliten(vgl. etwa die Unterschiedlichkeiten daher in den angelsächsischen Politsystemen und den kleinen europäischen Demokratie wie der Schweiz, Österreich und den Niederlanden).

Ein Konsens kann in der Verfassung verankert sein, ebenso auch in der politischen Praxis (Verfassungswirklichkeit; vgl. die Schweizer Konkordanzdemokratie mit der derzeitigen "Vier-Parteien-Koalition"). Neue Verfassungen bevorzugen eine Präambel mit einer allgemeinen Erklärung oder einem Grundrechtskatalog, der wesentliche politische Rechte außer Streit stellt.

Als beispielhaft gilt etwa das Wahlrecht mit den Grundsätzen unmittelbar und direkt, frei und geheim sowie allgemein und gleich (vgl. in diesem Kontext die Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz 1971, die Aufhebung des Kurienwahlrechts in Österreich 1907, der Ausschluss vom Wahlrecht in einigen arabischen Staaten; zu vermerken ist ebenso der Ausschluss von einer demokratischen Mitbestimmung von Zugezogenen/Migranten bei legalem langjährigen Aufenthalt).

Ausschlusskriterien müssen genau definiert sein (etwa Alter, Behinderungsgründe, Handlungsfähigkeit).

Demokratischer Parlamentarismus hat als Kriterien eine

  • direkte Bestellung durch das Volk bzw. einer Kammer des Parlaments nach einem demokratischen Wahlrecht,
  • Gesetzgebung,
  • Kontrolle der Regierung,
  • Öffentlichkeit und ein
  • freies Mandat.
Die Praxis relativiert mitunter allerdings die Grundsätze.

  • Die Bestellung nehmen die Parteien vor, die intern über das Mandat entscheiden.
  • Die entscheidenden Phasen einer Gesetzgebung werden im vorparlamentarischen Raum vorgenommen. Damit wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
  • Die Kontrolle der Regierung übernimmt die Minderheit im Parlament (Opposition).
  • Parlamentarier verdanken ihr Mandat einer Partei bzw. Interessensgruppe.
  • Nationale Parlamente haben einen eingeengten Handlungsraum infolge der Internationalisierung und Europäisierung.
Parlament und Regierung haben eine gegenseitige Verantwortung. Dies betrifft rechtlich bei Vorwürfen der Verletzung von Gesetzen und politisch bei einem Misstrauensvotum.

Parlamentarische Entscheidungen werden arbeitsteilig getroffen, indem es eine

  • Trennung zwischen (öffentlichem) Plenum und (zumeist nichtöffentlichen) Ausschüssen und eine
  • Trennung zwischen vorparlamentarischem und parlamentarischem Bereich gibt.
Im Spannungsfeld zwischen Regierung und Opposition gibt es verschiedene Erscheinungsformen.

  • Fundamentalopposition - Ablehnung des Politsystems(etwa die Verfassung),
  • Alternativopposition - Konkurrenz und Konsens,
  • Scheinopposition - Inhalte weitgehend identisch,
  • Bereichsopposition - Kontrolle des anderen Koalitionspartners.
Eine Verfassung regelt die Machtzuweisung, Machtablösung und Machtkontrolle.

  • Hauptaufgabe der Verfassung ist die 'Machtbegrenzung.
  • In einer Demokratie sind Verfassung (Verfassungstheorie) und Realität (Verfassungswirklichkeit) nie ganz zur Deckung zu bringen (vgl. PELINKA-VARWICK 2010, 43).
Verfassungsarten sind

  • Normative Verfassungen - Übereinstimmung von Theorie und Praxis > Idealfall,
  • Nominale Verfassungen - teilweise Übereinstimmung zwischen Theorie und Praxis sowie
  • Semantische Verfassungen - Theorie und Praxis haben nichts gemeinsam > Unvereinbarkeit mit einer Demokratie(vgl. "Stalin-Verfassung" der Sowjetunion, NS-Ermächtigungsgesetz 1933).
Moderne Verfassungen sind vom Aspekt der Gewaltenteilung geprägt. Mit der Verteilung von Macht(Gewalt) auf mehrere Personen und Institutionen wird eine Machtkonzentration vermieden. Zeitgemäße Demokratien kennen drei Formen von Gewaltentrennung.

  • Institutionelle Gewaltenteilung - Gleichgewichtigkeit von Legislative, Exekutive und Judikative (vgl. die US-Präsidialform),
  • Zeitliche Gewaltenteilung - Trennung von Regierungsmehrheit und Opposition,
  • Föderative(vertikale) Gewaltenteilung - Verteilung auf mehrere Ebenen (Bundesstaat, Gliedstaaten/Bundesländer und Gemeinden).
4.2.3 Mehrparteiensysteme    

Im Folgenden werden politische und parlamentarische Systeme sowie präsidentielle und gemischte Systeme angesprochen (vgl. NASSMACHER 2004, 107-125, 164-207).

Politische Systeme als Ordnung von dauernder Macht (Herrschaft) weisen verschiedene Kriterien auf.

  • Sozioökonomische Infrastruktur - Zwischen Systemen der Ersten, Zweiten und Dritten Welt gibt es verschiedenste Voraussetzungen. Allein schon die Unterscheidung von "kapitalistisch" und "sozialistisch"("kommunistisch") weist auf Unterschiede im Privateigentum und Staatsaufbau hin.
  • Soziopolitische Infrastruktur - Systeme mit mehreren Parteien als kompetitive Systeme lassen einen Wettbewerb um Wählerstimmen zu (vgl. Parteienmonismus als Einparteiensysteme bzw. Nullparteiensysteme).
  • Verfassungsstruktur - Zu unterscheiden sind Systeme mit institutioneller Gewaltenteilung(präsidentielle Systeme) und zeitlicher Gewaltenteilung mit Mischsystemen(parlamentarische Systeme).
Ohne Beachtung der Dritten Welt für das 20. Jahrhundert sind drei politische Systeme in der "Industriegesellschaft" zu unterscheiden.

  • Liberale Systeme - Parteienpluralismus, kapitalistisches Wirtschaftssystem, demokratisch-egalitäre Grundform
  • Kommunistische Systeme - monistisches Parteiensystem, sozialistisches Wirtschaftssystem, antidemokratisch-antiegalitäre Grundform
  • Faschistische Systeme - monistisches Parteiensystem, kapitalistisches Wirtschaftssystem, antidemokratisch-antiegalitäre Grundform
Kennzeichen sind Spannungsverhältnisse zwischen Legitimität und Effektivität.

Sie ergeben sich aus dem Kontext zwischen einer Verflechtung von Parlament und Regierung. Dies zeigt sich nicht nur in der Gesetzgebung und Kontrollfunktion, ebenso auch in der Zusammensetzung der Regierung. Damit beherrscht die Regierung mit den beiden Apparaten des Staates und der Parteien im Grunde genommen das Parlament, was zu einer Entmachtung des Parlaments führt.

Sieben Merkmale kennzeichnen parlamentarische Systeme.

  • Regierung und Opposition sind unterscheidbar.
  • Es gibt eine Verknüpfung von Parlament und Regierung durch das Misstrauensvotum.
  • Als Gegenstück gibt es das Auflösungsrecht der Regierung mit Neuwahlen.
  • Eine Doppelmitgliedschaft in Parlament und Regierung ist zulässig und üblich.
  • Führungspositionen gibt es daher in Personalunion, mit Fraktionsdisziplin im Parlament und damit stabiler Mehrheiten und Entwertung des Misstrauensvotums.
  • Das Staatsoberhaupt hat eine reduzierte Stellung, der Regierungschef(bzw. Parteichef) besitzt die staatliche Macht. Das Staatsoberhaupt bestätigt durch Ernennung den Regierungschef und besitzt Kompetenzen bei Notstandsmaßnahmen.
  • Die zweite Kammer des Parlaments hat eine reduzierte Stellung(allgemein nicht direkt gewählt, Ausnahme Italien).
Eine Sonderstellung des Misstrauensvotums besitzt Deutschland in Form des "konstruktiven Misstrauensvotums". Mit der Abwahl des Regierungschefs und damit der Regierung bedarf es einer gleichzeitigen Neuwahl eines neuen Regierungschefs.

Kennzeichnend sind die weitgehende Trennung von Regierung und Parlament, also eine institutionelle Gewaltentrennung und damit voneinander unabhängige Bestellungsvorgänge. Ebenso kommt es zu einer getrennten direkten Wahl des Parlaments und des Staatsoberhaupts.

  • Fehlen einer Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament, daher kein Misstrauensvotum,
  • Fehlen eines Auflösungsrechts,
  • Ausschluss einer Doppelmitgliedschaft in Regierung und Parlament("Inkompatibilität"),
  • Führungspositionen sind nicht identisch mit der Parlamentsmehrheit,
  • die Opposition gefährdet nicht die Stellung des Staatsoberhaupts und damit der Regierung,
  • das Staatsoberhaupt ist gleichzeitig Regierungschef und damit gibt es eine Konzentration der Macht der Exekutive sowie
  • einem Zweikammer-System mit echter Aufgabenaufteilung und Aufwertung des Parlaments gegenüber der Regierung("Bipolarität").
Beispielhaft ist das Modell präsidentieller Systeme der USA (vgl. LÖSCHE 2008, 120-130; PELINKA-VORWICK 2010, 56-57).

  • Abgeschwächt ist die Trennung zwischen Legislative und Exekutive durch die Notwendigkeit der Kooperation (Budgetrecht des Parlaments, Veto des Präsidenten/Zwei-Drittel-Mehrheit Parlament, Bestellungsrecht mit Zustimmung des Senats, Ratifizierung von völkerrechtlichen Verträgen durch Senat). Es ergibt sich ein Plus des Senats, etwa in außenpolitischen Kompetenzen.
  • Die Amtsdauer des Repräsentantenhauses beträgt zwei Jahre, des Senats sechs Jahre.
  • Gewählt wird der Präsident von einer Versammlung von Wahlpersonen ("electoral college").
  • Bei Ausscheiden des Präsidenten vor Ablauf der Amtszeit folgt der Vizepräsident.
  • Ein Abberufungsverfahren("impeachment") ist ein gerichtsähnliches verfahren - Anklage durch das Repräsentantenhaus, Senat mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen - Verlust des Amts.
  • Als Besonderheit gilt die politische Macht der Gerichtsbarkeit("supreme court"/Oberster Gerichtshof). Mit der Ernennung durch den Präsidenten und der Zustimmung durch den Senat interpretieren die Mitglieder ständig die Verfassung der USA (vgl. beispielhaft die Rassentrennung, Todesstrafe und Abtreibung).
Merkmale des parlamentarischen und präsidentiellen Systems werden verbunden. Beispiele sind die Fünfte Republik in Frankreich (seit 1958), Deutschland (Weimarer Republik 1919-1933), Österreich (seit 1929), Portugal (seit 1976) und Russland (seit 1919).

  • Bipolarität des Wahlvorganges - Wahlvolk wählt unabhängig voneinander ein Parlament und ein Staatsoberhaupt.
  • Fusion von Exekutive und Legislative - Präsident und Parlamentsmehrheit bestimmen die Regierung.
Als Besonderheit gilt, dass in einem Konfliktfall zwischen dem Staatsoberhaupt und der Parlamentsmehrheit eine Pattstellung entsteht. Damit es nicht zu einem politischen Stillstand kommt, hat eine Partei auf die Nutzung ihrer Rechte zu verzichten (vgl. der Rollenverzicht des österreichischen Bundespräsidenten und der Rückzug das französischen Präsidenten 1986-1988, 1993-1995 und 1997-2002["cohabitation"]). In Russland widersetzte sich gewaltsam der Präsident 1993 gegen das Parlament. Die Verfassung gibt dem Präsidenten eine stärkere Position.

Als Sonderfall gilt die Schweiz (vgl. MOECKLI 2007).

  • Der Bundesrat(Regierung) legitimiert sich durch Parlamentsmehrheit. Beide Kammern - Nationalrat(direkte Wahl) und Ständerat(indirekte Wahl über Kantone) - wählen den Bundesrat.
  • Das Staatsoberhaupt (Bundespräsident) besitzt nur repräsentative Funktionen.
  • Parlamentarische Ämter und Regierungsamt sind unvereinbar.
  • Es gibt kein Misstrauensvotum und kein Auflösungsrecht.
  • Es gibt noch Einrichtungen der direkten Demokratie als Verfassungspraxis, etwa Initiativen und Abstimmungen auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene.
  • Konkordanzmechanismen sind die Konzentrationsregierung(Bundesrat) mit Verschränkung der Parteien, Sprachgruppen und Konfessionen.
  • Das Kollegialitätsprinzip im Bundesrat ergibt volle Gleichheit der Mitglieder, lediglich der Bundespräsident besitzt einen Ehrenvorrang (für ein Jahr).
4.2.4 Einparteiensysteme    

Besprochen werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Systeme im Kommunismus und Faschismus, in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie eine Grauzone zwischen Demokratie und Diktatur in Form von defekten Demokratien und hybriden Regimen.

Allgemein wird festgehalten, Vertreter aller Systeme dienen dem Gemeinwohl.

  • In Mehrparteiensystemen geht man davon aus, dass unter Gemeinwohl nicht von vornherein feststeht, was gemeint ist. Daher werden in pluralistischen Gesellschaften alle politischen Kräfte eingeladen, ihren Beitrag zu leisten (vgl. allerdings dazu, ob wirklich alle Interessen am Wettbewerb beteiligt werden können).
  • In Einparteiensystemen wird das Gemeinwohl von vornherein festgestellt. Der Nutzen für die Klasse, das Volk und den Staat benötigt keinen Wettbewerb.
Einparteiensysteme haben keine Kontrolle, freie Ablösbarkeit der Regierenden und keine Opposition.

In Nachfolgefragen kommt es in der Regel zu Machtkämpfen (vgl. Stalins Tod 1953 und nach Maos Tod 1976). Festzuhalten ist auch, dass nach dem Tod eines Diktators Einparteiensysteme zusammenbrechen(können)(vgl. Spanien 1976, Jugoslawien 1980).

Im 20. Jahrhundert haben sich kommunistische und faschistische Einparteiensysteme herausgebildet.

  • In der Faschismustheorie werden die Unterschiede zwischen kommunistischen und faschistischen Theorien und die Gemeinsamkeit zu liberalen Mehrheitsparteisystemen betont (vgl. das Schwergewicht der Theorieauseinandersetzung über die sozioökonomische Infrastruktur/Kapitalismus vs. Sozialismus; vgl. Reinhard KÜHNL).
  • Die Totalitarismustheorie hebt wiederum Gemeinsamkeiten zwischen kommunistischen und faschistischen Systemen hervor. Als Gegensatz werden die liberalen Mehrheitsparteisysteme gestellt (vgl. Hannah ARENDT).
  • Einheitsparteisysteme tendieren zur Unterdrückung Andersdenkender und sind totalitär strukturiert. Totalitär bedeutet, wenn alle Gesellschaftsbereiche unterdrückt werden (vgl. etwa Einheitspartei, Einheitskultur und Einheitsweltanschauung).
  • Die Zeitgeschichte weist auf Entwicklungen hin, dass Einheitsparteisysteme an Totalität verlieren und autoritäre Systeme annehmen(vgl. die Entstalinisierung, Spanien 1975, Jugoslawien 1980).
  • Kennzeichnend für Totalität sind der absolute ideologische Wahrheitsanspruch, abweichende Meinungen gelten als Verrat und der Monopolanspruch.
Länder der Dritten Welt haben anders geartete Rahmenbedingungen wie ein(e)

  • geringere Lebenserwartung,
  • geringeres Pro-Kopf-Einkommen,
  • höhere Analphabetenrate,
  • geringere Arbeitsproduktivität,
  • höhere Agrarquote und
  • höheres Bevölkerungswachstum.
Gewisse Merkmale sind seit den siebziger Jahren nicht mehr vorhanden (vgl. das Pro-Kopf-Einkommen von erdöl-exportierenden Ländern und das Senken der Analphabetenrate in Kuba).

Der europäische Kolonialismus hat auch die Entwicklung einer nachkolonialen Ära beeinflusst. Beispielhaft ist dies im indischen Parlamentarismus zu sehen, in dem es eine autochthone indische Tradition gibt, aber die Verfassungsstruktur Indiens dem Muster des britischen Systems folgt ("Westminster Demokratie").

Zu unterscheiden sind acht politische Systeme.

  • Feudale Systeme mit alten aristokratischen Strukturen (vgl. Saudi-Arabien, Marokko).
  • Pseudorepublikanische Systeme mit Parteien mit demokratischem Anspruch und geringer Opposition (vgl. Tunesien).
  • Konservative Militärdiktaturen mit der Dominanz des Militärs in Partei(en) und geringen bis keinen demokratischen Ansprüchen (vgl. Chile bis 1989, Südkorea bis in die achtziger Jahre).
  • Radikale Militärdiktaturen mit massiver Veränderung sozioökonomischer Verhältnisse und Befreiungskämpfen (vgl. Algerien bis 1990, Äthiopien bis 1991).
  • Mehrparteiensysteme mit Formen einer liberalen Verfassung und Anspruch auf Demokratie (vgl. Indien, Costa Rica).
  • Kommunistische Einparteiensysteme mit Formen wie kommunistische Einparteiensysteme der Industrieländer (vgl. Kuba, Vietnam, Nordkorea).
  • Eigenständige Einparteiensysteme mit der Zielsetzung spezifischer Bedürfnisse und Traditionen des eigene Landes sowie einem Modernisierungsanspruch(vgl. Uganda).
  • Fundamentalistische Systeme mit religiöser Tradition und Rückgriff auf vergangene Herrschaftsformen sowie einem politischen System mit konfessionellen Zielen (vgl. Iran, Sudan).
Von Besonderheit sind Übergangsformen im Sinne einer "Erziehungsdiktatur". Ziel ist die Überführung eines Einparteiensystems in eine Demokratie (vgl. die Versuche der Türkei unter Kemal Pascha Atatürk und Mexikos).

Die Frage, ob eine "Erziehungsdiktatur" einen Übergang zu einer Demokratie in solchen Ländern geeignet ist, zeigt sich an den Beispielen von China und Indien. Mit der Verbesserung von Effizienz nimmt man Verluste an Legitimität in Kauf (vgl. PELINKA-VARWICK 2010, 74-76). China (und ähnlich Vietnam) ist/sind die Ausnahme eines umfassenden Reformprozesses im Versuchsstadium eines nominell kommunistischen Einparteiensystem mit einem marktwirtschaftlich-kapitalistisch organisierten Wirtschaftssystem.

Liberale Systeme haben sich weltweit(auch)in unterentwickelten Staaten durchgesetzt, etwa in Portugal und Spanien (1974 bzw. 1976), 1989 und 1991 in den kommunistischen Systemen Europas (mit Ausnahme von Weißrussland, in Militärdiktaturen Asiens (Philippinen, Südkorea, Taiwan) und Lateinamerikas (Brasilien, Argentinien, Chile) und in Afrika (Nigeria). Der Systemwechsel/Transformation wird zu einem Übergang zu anderen Kriterien in Politik, Ökonomie und Pluralismus.

Der innere Zustand eines politischen Systems ist auch für die internationale Politik von Bedeutung. Politisches Verhalten, das regionale Umfeld und sozioökonomische Verhältnisse spielen eine Rolle.

Demokratie bedeutet konkurrierende Akteure, Verantwortung politischer Entscheidungen vor der Bevölkerung und Öffentlichkeit. Autokratische Systeme haben/benötigen diese Voraussetzungen nicht.

Allerdings gibt es genügend Systeme in einer Grauzone zwischen Demokratie und Diktatur. Die Transformationsforschung bezeichnet dies mit den Begriffen "defekte Demokratie" und "hybride Regime". Es gibt wohl Wahlen, Defizite gibt es allerdings in den Bürger- und Menschenrechten sowie in der Rechtsstaatlichkeit. Das Gewaltmonopol einer legitimen Gewaltausübung ist ebenfalls ein Kriterium (vgl. die Demokratische Republik Kongo, teilweise den Irak oder Afghanistan).

Noch lange ist es nicht globaler Standard ein leistungsfähiger, marktwirtschaftlicher und demokratischer Rechtsstaat zu sein. Mitunter haben Autokratien sogar eine Vorbildfunktion.

4.2.5 Wahlen - Medien    

Anzusprechen sind Wahlsysteme, Inhalte und Methoden der Wahlforschung, Probleme in der Umfrageforschung und Medien als Meinungsgestalter (vgl. NASSMACHER 2004; 34-63; NOHLEN 2009).

Parlamentswahlen und in der Regel Personalwahlen sind nach den außer Streit gestellten Grundsätzen eines demokratischen Wahlrechts direkt und unmittelbar, frei und geheim.

Kontrovers ist die Form der Umrechnung der abgegebenen Stimmen in Mandate, die in Mehrheitsparteisystemen von Bedeutung ist (vgl. NOHLEN 2009).

  • Bei der Verhältniswahl ist eine genaue und spiegelbildliche Umrechnung des Stimmenanteils einer Partei in einen Mandatsanteil zu erreichen. Voraussetzung sind demnach Parteien, nicht aber Wahlkreise. Um in den Genuss der Verhältniswahl kommen zu können, muss ein Mindestanteil von Stimmen erreicht werden. Regierungsbildungen sind in Form von Koalitionsbildungen bzw. Verhandlungen mit einem Regierungsprogramm langwieriger. Allerdings kann die Basis einer Regierung erweitert werden, das Regierungssystem repräsentativer gemacht und die Macht einer allein regierenden Partei verhindert werden.
  • Bei der Mehrheitswahl soll jeder Wahlkreis ein Mandat in das Parlament entsenden (vgl. den Umstand einer Persönlichkeitswahl). Voraussetzung sind hier (möglichst gleich große) Wahlkreise, nicht aber Parteien (die sich aber bilden). Gewählt ist das Mandat, das die meisten Stimmen erreicht, womit kleinere Parteien Mehrheiten erreichen können. Bei der relativen Mehrheitswahl ist der stimmenstärkste Kandidat gewählt (UK, USA), im absoluten Mehrheitswahlrecht benötigt der Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen (womit es oftmals zu Stichwahlen kommen kann). Regierungsbildungen sind bei klaren Mehrheiten einfacher und demnach schneller (vgl. im UK das Faktum eines "Schattenkabinetts").
  • Verhältniswahl und Persönlichkeitswahl zu verbinden gibt es
    • in Form der "personalisierten Verhältniswahl" in Deutschland. Jeder Wähler hat zwei Stimmen - die Erststimme wählt man den nach den Grundsätzen der relativen Mehrheitswahl einen Abgeordneten. Mit einer Zweitstimme wählt man die Liste einer Partei. Die Mandatsverteilung geht ausschließlich über die Zweitstimme (5 Prozent-Klausel). Bei der Verteilung der Mandate werden jedoch die in den Wahlkreisen von den einzelnen Parteivertreter gewonnenen Mandate auf die endgültige Mandatszahl angerechnet - wobei die Zahl der Wahlkreise 50 Prozent der Gesamtzahl der Mandate ausmacht. Dadurch herrscht zwar, bei der Vergabe der Mandate nach den Zweitstimmen selbst, der Grundsatz der Verhältniswahl - aber die Wählenden haben durch die Erststimme einen gewissen Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Bundestages" (PELINKA-VARWICK 2010, 84).
    • In Italien werden 75 Prozent der Abgeordneten in beiden Kammern nach dem Grundsatz der relativen Mehrheitswahl gewählt (Persönlichkeitswahl), 25 Prozent nach dem Grundsatz der Verhältniswahl.
Die Wahlforschung zeigt Zusammenhänge der Beeinflussung von Wählenden zwischen gesellschaftlichen Faktoren und der Stimmabgabe auf. In Mehrparteiensystemen sind solche Zusammenhänge von wesentlichem Interesse (vgl. FALTER-SCHOEN 2005). Gefragt wird in der Wahlforschung, wer wen warum wählt.

Bestimmungsfaktoren(Determinanten) werden auf verschiedenen Ebenen festgestellt.

  • Sozioökonomische Determinanten sind Lebensumstände, die mit ökonomischen Bedingungen direkt oder indirekt zusammenhängen. Einkommen, Vermögen, Beruf und sonstige Lebensumstände können das Wählerverhalten beeinflussen.
  • Sozialpsychologische Determinanten sind nicht ökonomisch bedingt, etwa Familientradition, Konfession und gesellschaftliche Gruppierung wie Volksgruppenzugehörigkeit und Minderheiten.
  • Institutionelle Determinanten beeinflussen insofern, wie etwa ein ungünstiges Wahlsystem für kleinere Parteien.
Zu beachten sind für ein wirkungsvolles Feststellen von Wahlverhalten Mehrfachbefragungen einer repräsentativen Gruppe, Befragungen einer Kontrollgruppe zur Vermeidung von Intervieweffekten (Abweichungen) (vgl. den in der Fachliteratur beschriebenen Modellfall Erie Country/Studie von LAZARSFELD-BERELSON-GAUDET 1940 im Bundesstaat Ohio).

Ein Index der politischen Prädispositionen weist auf Wahrscheinlichkeiten hin. Die Stimmabgabe ist deswegen prognostizierbar, weil Determinanten in Richtung einer Partei hinweisen.

Widersprechen sich Determinanten ("cross pressures"/Mehrfachbindungen), ist eine Prognostizierbarkeit kaum bzw. gar nicht gegeben.

  • Die Wahrscheinlichkeit einer Nichtwahl bzw. Meinungsänderung im Wahlkampf steigt (Hinweis auf Bindungslosigkeit).
  • Die Wahrscheinlichkeit einer anderen Wahlentscheidung steigt.
  • Die Wahrscheinlichkeit, im letzten Moment eine andere Entscheidung zu treffen, steigt.
Bei Mehrfachbindungen als Zeichen einer gesellschaftlichen Mobilität kommt es erst in Endphasen der Wahlauseinandersetzung zu Beeinflussungen.

Konfliktlinien bei parteipolitischen Konstellationen ergeben sich, wenn Befürworter und Gegner bei Abstimmungen sich trennen ("Cleavage-Theorie"). Kernaussage der Cleavage-Theorie ist, dass gesellschaftliche Grundkonflikte bereits vor längerer Zeit im Parteisystem vorhanden sind.

Neue Wählergruppen bzw. neue Parteien sind nur dann möglich, wenn soziale Veränderungen einer Gesellschaft stattfinden und damit neue Konfliktlinien entstehen (vgl. PELINKA-VARWICK 2010, 88).

Von Interesse sind die Stamm- und Wechselwähler, die Gründe des Nichtwählens und die Meinungsführer und Meinungsübernehmer als Multiplikatoren.

Die vielfältigen Formen der Gewinnung von Daten lassen verschiedene Methoden verwenden.

  • Die Umfrageforschung gehört zur Verhaltensforschung. Ein kleiner Teil der Wählerschaft(Stichprobe/sample)wird befragt, um Rückschlüsse über die Einstellung und das Verhalten zu ziehen. Die Determinanten müssen auf die gesamte Wählerschaft verteilt sein. Wenn man mit Zeitreihen arbeitet, können Ergebnisse verglichen werden.
  • Fokusgruppen(Zielgruppen) erheben die Wünsche bestimmter Zielgruppen, etwa Studierende, berufstätige Frauen über 40 Jahre oder Männer überdurchschnittlichen Bildungsniveaus. Qualitative Methoden wie intensive Gruppengespräche erheben Hinweise.
  • Bei der Wahlökologie werden alle Umweltfaktoren für das Wahlverhalten geprüft. Als Summe verschiedener Methoden gibt es etwa die Wahlgeographie(vgl. in den USA Erhebungen der Stimmabgabe von weißen Wählenden in Nachbarschaft von schwarzen Wählenden; in Deutschland beim Aufstieg der NSDAP die Verbindung mit dem Faktor Konfession und Beruf).
  • Wahlkampfmonographien liefern eine Darstellung einer kurzen Zeitspanne unmittelbar vor der Wahl.
  • Die Wahlstatistik wird etwa im Kontext mit Wahlökologie und der Umfrageforschung verwendet. Je mehr Daten vorhanden sind, desto umfangreicher ist die Statistik. Hochrechnungen aus vorliegenden Ergebnissen kleiner Wahleinheiten auf das Endergebnis sind eine besondere Form der Wahlstatistik.
Parteien versuchen aus unmittelbarem Interesse, Ergebnisse der Wahlforschung zum Instrument der Wahlauseinandersetzung zu machen, wobei Ergebnisse der Wahlforschung dazu benutzt werden.

Die Umfrageforschung einer vorzeitigen Veröffentlichung löst zwei mögliche Effekte aus.

  • Der Mitläufereffekt("bandwagon") soll eine Sogwirkung erzeugen, also sich der voraussichtlich stärkeren Partei anzuschließen.
  • Der Mitleidseffekt("underdog") erhofft bei ungünstigeren Ergebnissen ein Gleichgewichtsdenken der Wählenden, ebenso ein Sicherheitsdenken der anderen Partei(en).
Je größer die Stichprobe, desto größer der Annäherungswert an das Verhalten der Wählenden. Die Bandbreite ergibt mögliche Abweichungen.

Wesentlich sind die Antwortverweigerungen. Es gibt immer Wählende, die keine Antworten geben(wollen). Erste Ergebnisse einer Befragung (Rohdaten) ergeben immer Antworten ohne Zuordnungsmöglichkeit. Frühere Erfahrungen werden eingerechnet, besonders bei Annahmen größerer Wählerbewegungen.

Von Interesse ist eine Form der Umfrageforschung, die mit exit polls' bezeichnet wird. Befragt werden Wählende, wie sie gerade gewählt haben. Bei entsprechender Größe der Stichprobe erhält man unter Umständen vor der Auszählung der Stimmen ein genaues Ergebnis. Zudem können rasche Analysen über das Wahlverhalten abgegeben werden (Wählerstromanalyse).

Medien als Träger öffentlicher Meinungsbildung beinhalten Print- und elektronische Medien (vgl. NASSMACHER 2004, 52-57).

Sie erfüllen eine

  • Informationsfunktion(Wissen),
  • Artikulationsfunktion(Beeinflussung der politischen Meinung und Entscheidung)und
  • Kontrollfunktion(Aufzeigen von Entwicklungen).
Als Massenmedien sind sie für das politische System von Interesse. In einer Demokratie sind im Sinne der Marktwirtschaft die Medien dem Pressegesetz verpflichtet und hängen von Angebot und Nachfrage ab.

In Privatbesitz befinden sich in der Regel die Printmedien(Zeitungen), staatlich bzw. in öffentlich-rechtlichem Besitz in Europa teilweise sind die elektronischen Medien (Hörfunk, TV, Internet).

Das Demokratieproblem zeigt sich im Form des Wettbewerbs verschiedener Medien.

  • In öffentlich-rechtlichen Medien bedarf es einer inneren Mediendemokratie (etwa Redakteursstatute).
  • In Privatmedien ist ein Ausgleich mit einer Dominanz ökonomischer Interessen zu suchen, damit Meinungsvielfalt garantiert wird.
  • Meinungs- und Pressefreiheit ist ein Menschenrecht und steht nicht zur Disposition.
Eine Herausforderung für die Demokratie ist das Internet.

  • Als medialer Ausdruck einer Globalisierung entzieht sich das Internet einer traditionellen Kontrolle.
  • Es erweitert den Zugang zur Nutzung von Massenmedien (vgl. Online-Ausgaben der Tageszeitungen mit weltweiter Verbreitung).
  • Als neue Kommunikationsform ermöglicht es den Zugang zur Politik und deren Beeinflussung. "e-voting" und "cyber democracy" werden Effekte einer Demokratiequalität beschrieben. Problembereiche sind etwa die Wahrung des Wahlgeheimnisses und die Vermittlung von Wirklichkeit.
Kontrovers ist die Form der Beeinflussung von Medien.

  • Medien können Bewusstsein und Meinung erzeugen("Verursacherhypothese") (vgl. Medienkampagnen).
  • Medien können vorhandene Bewusstseinsinhalte und Meinungen abschwächen bzw. verstärken ("Verstärkerhypothese").
Die folgenden allgemein gehaltenen Entwicklungstendenzen im deutschen Sprachraum sollen zeigen, dass der mediatisierte Bürger Realität ist.

  • Elektronische Medien haben das Benutzerverhalten verändert.
  • Die Verbreitungsdichte des Hörfunks ist höher als die des Fernsehens. Zu beachten ist das Autoradio mit seiner Verbreitung in so gut wie allen Autos.
  • Das Aufkommen privater TV-Sender brachte kaum eine Ausweitung des TV-Konsums.
  • Bedeutungsvoll für den Medienkonsum ist eine Orientierung an der Elite der Medien, etwa an bedeutungsvollen Tageszeitungen und TV-Sendungen (vgl. im deutschen Sprachraum etwa Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, Die Welt, Der Standard, Salzburger Nachrichten, n-tv, Euro News).
  • Zunehmend bedeutend werden im Internet Bereiche wie Facebook und Twitter, die soziale Bereiche abdecken. Der Gedanke von "communities" fördert politische Impulse.
  • Bedenklich sind lokale Zeitungsmonopole. Hier erhält der Konsument ein relativ unkritisches Bild regionaler Ereignisse.
  • Die Informationsbeschaffung für überregionale und weltweite Ereignisse erfordert kommerzielle Fremdangebote von Nachrichtenagenturen, die die Nachrichtenselektion vornehmen (vgl. etwa AP, UPI, AFP, Reuter, dpa, APA).
  • Medienangebote werden zunehmend auf den Konsumenten zugeschnitten (vgl. den Unterhaltungsanteil von Medien mit den Elementen von Personalisierung, Simplifizierung und Emotionalisierung -"Human Touch").
  • Durch Werbung finanzierte Programme führen zu einer Homogenisierung, wobei sich die Frage ergibt, wie viel mediale Vereinfachung die Demokratie verträgt.
  • Zur Erreichung von Aufmerksamkeit und höheren Einschaltquoten ist ein Neuigkeitswert erforderlich, wobei zu beachten wäre, dass langfristig ein verzerrtes Bild in der Berichterstattung entsteht. Zusammenhänge werden nicht aufgezeigt. Hintergrundinformationen werden eher im Internet angeboten.
4.2.6 Parteien - Parteisysteme    

Anzusprechen sind die Funktion und Arten politischer Parteien, die innerparteiliche Demokratie, Parteiprogramme und deren Personalisierung, die Finanzierung und Parteisysteme (vgl. NASSMACHER 2004, 90-106; NIEDERMAYER-STÖSS-HAAS 2006; ANDERSEN 2009).

Demokratien benötigen ein Parlament, dieses benötigt Parteien. Schon im antiken Rom gab es Patrizier und Plebejer, in Byzanz grüne und blaue Parteien (Farbe nach populären Wagenlenkern).

Moderne Parteien sind das Ergebnis eines Parlamentarismus . Abgeordnete mit ähnlichen Meinungen, Interessen und Handlungsfeldern schließen sich zu Fraktionen(Gruppen) und diese zu einer Partei zusammen (vgl. den britischen Ausdruck für Fraktion "Party in parliament").

Das Europäische Parlament gliedert sich in Fraktionen, denen sich die Abgeordneten der auf nationaler Ebene gewählten Parteien zuordnen (vgl. etwa EVP-christlich-demokratisch, PES-sozialdemokratisch und sozialistisch, liberale und grüne Abgeordnete). In der Folge bilden sich Parteisysteme.

Drei Aufgaben erfüllen politische Parteien:

  • Integration - Parteien bilden einen überschaubaren Rahmen einer Vielzahl von Wertvorstellungen und Interessen (vgl. dagegen Flügelkämpfe in Parteien).
  • Rekrutierung - Auswahl von Personen für politische Positionen für politische Entscheidungen.
  • Legitimation - Machtanwendung soll allgemein akzeptiert werden und zu einer legitimen Herrschaft werden (vgl. die Notwendigkeit von Wahlen).
Die Geschichte moderner Parteien beginnt im britischen Parlament des 17. Jahrhunderts mit den Tories (später Konservative) und Whigs (später Liberale). In Europa entwickelten sich mit dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht im 19. und 20. Jahrhundert Massenparteien mit der Notwendigkeit von Organisationsmodellen( vgl. Parteimitgliedschaft, Mitgliedsbeiträge, Parteifunktionär).

Massenparteien unterscheiden sich in Mitgliederparteien und Wählerparteien. Die Mitgliederzahl zeigt sich im Kriterium der Organisationsdichte von Parteien.

Es zeigt sich, dass diese Entwicklung zu einer Konzentration auf Wahlkämpfe führt. Massenparteien sehen dies als Mittelpunkt ihrer Orientierung, wobei der Wahlerfolg das eigentliche Ziel darstellt. Politisches Marketing wird so immer bedeutender und erhält eine Aufmerksamkeit.

Abweichend davon bildete sich nach der Oktober-Revolution 1917 in Russland eine Kaderpartei (vgl. die politische Qualität der Mitglieder mit Qualifikationen und Vorleistungen).

Zwei Grundformen innerparteilicher Demokratie zeigen im Kontext einer wählerorientierten und mitgliederorientierten Partei die Unterschiede.

  • Mitgliederorientierte Parteien machen das Parteimitglied zum Parteibürger, zu einer Person im Entscheidungsprozess - in den Parteiorganen mit Hilfe der Parteidelegierten mit freiem Mandat, in der Regel bei Parteitagen (vgl. Parteibefragungen von Mitgliedern im Entwicklungsprozess eines Parteiprogrammes). Nicht beachtet wird in der Regel die entscheidende Gruppe der Wechselwählenden, die für einen Wahlsieg allgemein entscheidend ist. Damit geht man für gewöhnlich an der Realität des Mehrparteiensystems vorbei (vgl. PELINKA-VARWICK 2010, 103).
  • Wählerorientierte Parteien geben diese Entscheidung bei/in einer Wahl dem Wählenden weiter. Innerparteilich versucht man hier durch Vorwahl demokratische Elemente einzubringen
(vgl. die USA in ihrem Gesamtwahlsystem). Geschlossene Vorwahlen kennen nur registrierte Parteimitglieder, offene Vorwahl sind für alle Parteien wahlberechtigt. Das demokratische Defizit besteht in der finanziellen Abhängigkeit der Kandidaten für Vorwahlen. Vorwahlen verlängern die interne Wahlauseinandersetzung, weshalb der Parteitag("convention") immer mehr nur zur Bestätigung von Entscheidungen dient.

Parteien haben Programme, um ihre Ziele und Vorhaben zu formulieren.

  • Grundsatzprogramme bieten langfristige Orientierung mit Innen- und Außenfunktion.
  • Aktionsprogramme bieten kurzfristige Orientierung, die Außenfunktion dominiert.
Die Innenfunktion hat als Auftrag, verschiedene Flügel einer Partie zu integrieren und eine Identifikation mit dem Parteiprogramm zu erreichen. Die Außenfunktion hat bestimmte Wählerschichten anzusprechen und die Öffentlichkeit für eine Partei zu gewinnen (vgl. den Ausdruck "Schaufensterfunktion").

In Mehrparteisystemen ist davon auszugehen, dass Parteien nicht Wahlen gewinnen, um Parteiprogramme zu verwirklichen. Vielmehr formulieren Parteien Programme, um Wahlen zu gewinnen.

Die 'Personalisierung von Parteien konkurriert mit Parteiprogrammen. Personen übertreffen oft Programme bzw. treten an ihre Stelle. Sie können auch selbst zum Programm werden.

  • Internationale Beispiele dafür sind die italienische "Democrazia Cristiana/DC" und die japanische "Liberal-Demokratische Partei/LDP". Beide Parteien bestanden jeweils primär um eine Person und nicht um ein bestimmtes Programm(personenbezogene Gruppierung).
  • Das indische Parteiensystem zeigt, dass nach dem Tode Pandit Nehrus 1964 die Dominanz der Kongress-Partei geringer wurde. Andere indische Parteien ordneten auch Personen zu und versuchten Loyalitäten zu erreichen.
Für Wahlauseinandersetzungen und zur Führung bzw. ständigen Organisation benötigen Parteien finanzielle Mittel. Zu unterscheiden sind Eigen- und Fremdfinanzierung.

  • Eigenfinanzierungsmittel sind Mitgliedsbeiträge, Parteisteuern(Abgaben aus Einnahmen aus Schlüsselfunktionen/indirekte staatliche Finanzierung)und Parteibetriebe.
  • Fremdfinanzierungsmittel betreffen Spenden(Abhängigkeit von Geldgebern)und staatliche Finanzierung(Budgetmittel für eine Parteiarbeit).
In den USA wurde durch die "Watergate-Affäre"(1974)eine Kontrolle der Einnahmen eingeführt, wobei (Wahlkampf-)Kosten nach wie vor außer Kontrolle geraten können. Insbesondere durch die Vorwahlen entstehen hohe finanzielle Belastungen, so dass Kandidaturen finanziell gut ausgestattet sein müssen.

Das britische Modell der Kontrolle von Ausgaben, auch in Kanada praktiziert, bewirkt relativ billige Wahlauseinandersetzungen. Der Kontext von Ökonomie und Politik wird so relativiert.

Solche Systeme werden nach der Zahl der bedeutenden Parteien geordnet, etwa im UK als Muster eines Zweiparteiensystems(obwohl im UK mehr Parteien existieren und an Wahlauseinandersetzungen teilnehmen).

  • Zweiparteiensysteme weisen auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei Wahlen mit Mehrheitswahlrecht hin, wobei eine dritte Partei in der Regel chancenlos ist.
  • Zweieinhalb-Parteisysteme geben ein dritten Partei die Chance, das Zünglein an der Waage zu sein(etwa die FDP in Deutschland, früher die FPÖ in Österreich).
  • Vielparteiensysteme mit einer dominierenden Partei weisen auf eine traditionell führende Rolle einer Partei(etwa früher der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens).
  • Vielparteiensysteme ohne eine dominierende Partei weisen auf keine Führungsrolle einer Partei hin. Die Parteien besitzen ungefähr den gleichen Stimmenanteil(etwa die Schweiz).
  • Nullparteiensysteme wie Saudi-Arabien und Chile bis 1989 kennen keine Partei(en).
Wahlsysteme bestimmen die Parteienlandschaft. Das Mehrheitswahlrecht bevorzugt jedenfalls den Trend zu einem Zweiparteiensystem(etwa in den UDA und im UK). Die Verhältniswahl lässt eher Vielparteiensysteme entstehen.

Das Entstehen von vorhandenen ethnischen Strukturen - sprachlich, kulturell und religiös - lässt Schwierigkeiten aufkommen(etwa in Afrika/Nigeria). Am Beispiel der EU zeigt es sich, dass eine europäische politische Integration nur dann gelingen kann, wenn ohne nationale Parlamente mit ihren Parteisystemen ein eigenes europäisches Parteisystem etabliert wird - ohne nationale Loyalitäten.

Der Zustand der einzelnen Parteien zeigt sich in funktionierenden Demokratien im Verhalten der zwischenparteilichen Demokratie. Dies bedeutet Wettbewerb um Wahlstimmen, innerparteiliche Demokratie und ein Mehrparteiensystem.

4.2.7 Verbände - Neokorporatismus - Mitbestimmung    

Im Folgenden werden Funktion und Arten der Verbände, Zielgruppen, der Neokorporatismus, die Mitbestimmung und Verwaltung angesprochen (vgl. TALOS 2008).

Wichtige Organisationsformen in gegenwärtigen politischen Systemen sind Parteien und Verbände. Diese versuchen, die Entscheidungsträger zu bestimmten Handlungen zu bringen.

Verbände halten eine gewisse Distanz zu den zentralen Stellen von Regierung und Parlament. Verbände erfüllen eine Integrationsfunktion.

Im österreichischen politischen System erweist sich dies bei der Bundeswirtschaftskammer mit ihren Landesorganisationen(BWK), der Kammer für Arbeiter und Angestellte mit ihren Landesorganisationen(AK), der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern und den Landesorganisationen(LK), dem Österreichischen Gewerkschaftsbund und seinen Teilorganisationen(ÖGB) sowie der Industriellenvereinigung mit den Landesorganisationen(IVG).

Zudem kommen noch konfessionelle Verbände und Dachverbände humanitärer, sportlicher und anderer Art. Daraus ergibt sich eine Gliederung von wirtschaftlichen Verbänden und ideellen Verbänden.

Fließende Übergänge ergeben sich etwa bei Bürgerinitiativen und konfessionellen Verbänden, wenn es auch um ökonomische Ziele geht.

Verbände sehen sich in liberalen Systemen auch als "Druckgruppen" ("pressure groups"). Mit Interessenszielen versucht man, diese durchzusetzen und ein Gleichgewicht im politischen System zu erreichen bzw. zu erhalten.

Eingeteilt werden können Verbände in

  • freie Verbände mit freiwilligem Beitritt und Austritt (Vereine mit ihren Dachverbänden aller Art, NGOs, der ÖGB und die IVG) und
  • Pflichtverbände mit automatischer Zugehörigkeit (Pflichtmitgliedschaft bei Kammern durch bestimmte Berufstätigkeit).
  • Als besondere Rechtsform gelten konfessionelle Verbände. Diese sind mit Verträgen der jeweiligen Religionsgemeinschaft verbunden, wobei gleichzeitig der Status der Religionsgemeinschaft geregelt ist. In liberalen Systemen widerspricht der Fundamentalismus dieser Vorgangsweise.
Der englische Ausdruck "pressure groups" weist auf die Tätigkeit von Verbänden.

Verbände agieren mittels Expertentum, das politische System reagiert mittels politischer Impulse. Umgekehrt kann man auch davon ausgehen, dass das politische System Verbände entwickelt, die in der Folge reagieren.

Adressaten/Zielgruppen der Verbände sind

  • Parlamente, insbesondere wenn sie in präsidentiellen Systemen eigenständig agieren können (vgl. die USA als beispielhaftes Zusammenspiel beider Institutionen/"Lobbyismus"). Von einem internen Lobbyismus spricht man, wenn Verbändevertreter als Parteivertreter im Parlament sitzen. Externer Lobbyismus drückt sich in der Arbeit von außen aus.
  • Regierungen, in denen Verbändevertreter in Schlüsselpositionen sitzen.
  • die Verwaltung mit Anhörungsrecht bei anstehenden Entscheidungen und
  • politische Parteien. Hier gibt es vom Monopolcharakter mit einer einzigen Partei bis zur Zusammenarbeit mit mehreren Parteien Möglichkeiten der Kooperation.
Instrumente für einen Einfluss von Verbänden sind

  • Geld als Zuwendungen bzw. Entzug von Geld und
  • die Zahl von Wählenden als Anhänger von Verbänden, um politische Akteure zu beeinflussen.
Verbände neigen auch dazu, Kooperationen mit anderen Verbänden einzugehen und so Interessen durchzusetzen (vgl. die Sozialpartnerschaft in Österreich; TALOS 2008). In liberalen Systemen' zeigt sich dies in der Zusammenarbeit von Arbeitgeber-, Arbeitnehmerverbänden und dem Staat als Einflussmöglichkeit´("Neokorporatismus").

Korporatismus ist ein Begriff in der Politikwissenschaft, der Formen der Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen an politischen Entscheidungsprozessen beschreibt (vgl. PELINKA-VARWICK 2010, 121).

Neo-Korporatismus wird seit den siebziger Jahren die Theorie bezeichnet, weil man sich als Instrument vom klassischen Korporatismus abgrenzen will (Beteiligung an der Umsetzung politischer Entscheidungen, Ergänzung des Parlamentarismus). Damit kommt es zu einer Trias von Staat (Regierung), Arbeit (Gewerkschaften) und Kapital (Arbeitgeberverbände). Im Neokorporatismus und seinen Einrichtungen sollen grundsätzlich Spannungsfelder von Arbeit und Kapital gemildert werden. Arbeitskämpfe werden tatsächlich in Ländern mit solcher Einrichtung weniger durchgeführt.

In Österreich mit dem am stärksten entwickelten Neokorporatismus haben Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände in Form der "Paritätischen Kommission für Lohn- und Preisfragen" eine Einrichtung geschaffen, die ohne Staat von den Verbänden Konfliktbereiche lösen. Als Sozialpartnerschaft sind auch Aspekte der Mitbestimmung Aufgabenbereiche. Dies stellt den Versuch dar, in liberalen Systemen Arbeitsnehmern Mitsprache und Mitverantwortung zu geben (vgl. die Mitsprache als Parität).

  • Mitbestimmung im Arbeitsprozess und auf Betriebsebene (etwa Betriebsräte),
  • Mitbestimmung auf Unternehmensseite (Betriebsräte und Gewerkschaften) und
  • überbetriebliche Mitbestimmung (durch Gewerkschaften).
Neben der nationalen Mitbestimmung und Gleichberechtigung der Arbeitnehmer in Österreich gibt es die "Montan-Mitbestimmung" in Deutschland in der Eisen- und Stahlindustrie.

In den USA gab es vor dem Zweiten Weltkrieg im Reformprogramm des "New Deal" neokorporative Züge.

Verschiebungen und damit eine Abwertung des Neokorporatismus ergeben sich aus den Aspekten einer ökonomischen Globalisierung (vgl. die Aufhebung von Grenzen, der Rückzug von Regierungen aus der Sozialpolitik/"Neoliberalismus" mit dem freien Spiel der Kräfte des Marktes - in den USA "Reagonomics", im UK "Thatcherismus"). Damit kam es zu einem Rückgang der Organisationsbemühungen der Gewerkschaften. Die Unternehmerverbände setzen Direktverbindungen mit dem politischen System ein ("Lobbyismus"), ohne Absprachen mit den Gewerkschaften. In der Lohnpolitik besteht nach wie vor die Sinnhaftigkeit, Absprachen zwischen den Partnern durch Kollektiv- bzw. Lohnverträge zu regeln.

Verwaltungen dienen einer Regierung als bürokratische Hilfsapparate, um den politischen Willen durchzusetzen. Sie sind demnach ein neurales Instrument im Sinne legitimer politischer Interessen, einsetzbar für jede regierende politische Partei.

Die Praxis zeigt jedoch, dass eine vollständige Neutralität der Beamtenschaft nicht gegeben ist. Beamte bzw. Verwaltungsorgane beeinflussen politische Entscheidungen, durch erhaltende Informationen und Entscheidungen.

Der politische Charakter zeigt sich, dass im Parlamentarismus der vorparlamentarische Raum durch die Verwaltung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wesentlich beeinflusst wird. Eine zeitgemäße Verwaltung gibt sich großteils die Gesetze selbst, die sie dann vollzieht (vgl. PELINKA-VARWICK 2010, 125).

Die Verwaltung ist der Regierung mit ihrer Weisungsbefugnis direkt unterstellt. Das Primat der Politik über die Verwaltung widerspricht sich in der politischen Rolle der Verwaltung, etwa an der Mitwirkung der Verwaltung an der Gesetzgebung, am Ermessensspielraum der Verwaltung und der Interpretation der Gesetze und Verordnungen, die unvermeidlich politisch sind.

International weist sich dies einerseits im US-System des politischen Beamtentums (Besetzung der Spitzenpositionen vom jeweiligen US-Präsidenten auf Zeit) und andererseits im unpolitischen System des UK (Berufsbeamtentum im britischen "Civil Service").

In europäischen Regierungen neigt man dazu, diesem Dilemma mit einem politischen Beamtentum in Form eines "Ministerbüros" auszuweichen.

4.2.8 Konflikte der internationalen Politik    

Anzusprechen sind internationale Beziehungen, der West-Ost-Konflikt, Neutralität und Blockfreiheit, der Nord-Süd-Konflikt und die Globalisierung (vgl. NASSMACHER 2004, 399-427, 456-488; RITTBERGER-KRUCK-ROMUND 2010; SCHIMMELFENNING 201O; PELINKA-VARWICK 2010, 128-150; ASBRAND-SCHEUNPFLUG 2014, 401-412).

Diese beziehen sich auf die Zusammenarbeit und Konflikte zwischen Akteuren über nationale Grenzen hinweg. Es betrifft zwischenstaatliche und nichtstaatliche Beziehungen sowie internationale Organisationen und die Außenpolitik von Staaten.

Von Bedeutung sind Konzepte in der

  • Geopolitik (geographische Faktoren),
  • das Gleichgewicht der Mächte (Interessen der Akteure, Entspannungspolitik),
  • nationale Interessen (interne Antriebskräfte, Erhaltung von Handlungsspielräume von Staaten etwa in Phänomenen einer Globalisierung und Supranationalität) und
  • Interdependenz bzw. Anarchie (wechselseitige Abhängigkeiten, Herrschaftslosigkeit bzw. Autoritätslosigkeit).
Theoretische Schulen bzw. Denkschulen unterscheiden sich in ihren Auffassungen.

  • Die realistische Schule ist gekennzeichnet durch Eigeninteressen der Staaten, Sicherung der eigenen Handlungsspielräume und Bedrohung des Gleichgewichts der Kräfte.
  • Die idealistische Schule ist gekennzeichnet durch internationale Organisationen mit internationalen Beziehungen (vgl. den Vorteil von Kooperationsformen mit friedensstiftendem Charakter).
  • Die internationale Schule ist gekennzeichnet durch stabile internationale Zusammenarbeitsformen mit normativen Regeln. Notwendig sind gemeinsame Interessen und gemeinsamer Nutzen (vgl. die Schwierigkeiten bei der Initiierung und Erhaltung solcher Kooperationsformen).
  • Der Konstruktivismus ist gekennzeichnet durch die Erkenntnis, dass die Wirklichkeit als Erfahrungswirklichkeit konstruiert wird. In der Folge sind Grundlagen Ideen, normativen Grundlagen und kulturelle Hintergründe für politischen Handeln. Politische Realität ist das Ergebnis von sozialen Konstruktionsprozessen. Akteure bringen diese selbst hervor und können sie mit neuen Ideen, Normen und Werten verändern (vgl. Erkenntnisse des Interkulturalitätsdiskurses).
Diese Denkschulen sind als ergänzende Zugänge zu einer internationalen Politik zu verstehen.

Von 1945 bis 1989/1990 war dieser Konflikt beherrschend in den internationalen Beziehungen. Auf vier Ebenen fand die Auseinandersetzung statt.

  • Militärisch zwischen der NATO (Nordatlantik-Pakt) und dem Warschauer Pakt,
  • politisch zwischen dem westlich-liberalem System und dem kommunistischen System Osteuropas,
  • ideologisch zwischen dem Westen als "freie Welt" und dem Osten als "Weltrevolution" als Aufhebung der Klassengesellschaft und
  • ökonomisch westlich wirtschaftlicher Kooperation (OECD, EG) und östlich wirtschaftlicher Zusammenarbeit (COMECON).
Die Sowjetunion versuchte nach 1945 die sie umgebenden Staaten ihr politisches System einzuführen (vgl. europäische "Volksdemokratien"; 1949 Sieg Maos im chinesischen Bürgerkrieg vs. die USA unterstützende politische Systeme - "Truman-Doktrin" 1947, Politik der Eindämmung).

  • 1947- 1953 erste Phase des Kalten Krieges mit der Blockade Berlin 1948/1949 und dem Korea-Krieg 1950-1953,
  • 1953 Tod Stalins mit erster Entspannungsphase und der Beendigung des Korea-Krieges, Ende europäischer Streitfragen wie Triest und dem österreichischen Staatsvertrag 1955,
  • 1956-1962 neue Phase des Kalten Krieges mit Ungarn-Aufstand 1956, Berlin-Ultimatum 1958 und Kuba-Krise 1962,
  • Entspannungsphase mit Abkommen im Rüstungsbereich wie das Atomtestabkommen 1963, der Atomsperrvertrag 1968, 1972 SALT I und der ABM-Vertrag sowie 1979 SALT II,
  • 1965-1973 Vietnam-Krieg der USA,
  • 1975 Unterzeichnung der "Schlussakte von Helsinki"(Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa/KSZE-einschließlich der USA und Kanada ohne Albanien,
  • neuerliche Verschärfung nach den KSZE-Nachfolgekonferenzen in Belgrad, Madrid und Wien mit dem Bürgerkrieg in Afghanistan (Einmarsch sowjetischer Truppen 1979) und der NATO-Nachrüstung,
  • ab 1985 radikale Änderung sowjetischer Politik unter Gorbatschow, erfolgreiche Abrüstungsverhandlungen (INF-Vertrag 1987, START-Verträge 1991 und 1993), Rückzug sowjetischer Truppen aus Osteuropa, 1990 Deutsche Vereinigung, 1991 weltpolitische Kooperation am Golf-Krieg und Auflösung des Warschauer Pakts, des COMECON und der Sowjetunion mit Nachfolgestaaten.
Westliche Bündnisse waren

  • die OECD als internationale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit der westlichen Industriestaaten einschließlich Japans in der Nachfolge des Marshall-Planes,
  • die NATO als militärische Organisation mit der unverbindlichen Art einer "Partnerschaft für den Frieden"(ehemalige Warschauer Pakt-Staaten und neutraler Staaten) und
  • die ab 1951 wirtschaftliche und folgende politisch-europäische Integration mit verschiedenen Institutionen der "Europäischen Union/EU". Ab 1995 kommt es zur "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa"(OSZE).
Mit dem Ende der Epoche des West-Ost-Konflikts wird die internationale Politik zu Beginn des 21. Jahrhunderts von den USA bestimmt. Militärschläge weisen darauf hin.

  • 1991 Golf Krieg mit Zustimmung des UN-Sicherheitsrates,
  • 1995 Bosnien-Herzegowina mit Zustimmung,
  • 1999 Kosovo-Konflikt ohne Zustimmung,
  • 2003 Irak ohne Zustimmung.
Afghanistan 2001 zeigt, dass die USA ohne Zustimmung von wem auch immer militärisch agieren(können) (vgl. US-Unilateralismus).

Folgen des Ost-West-Konflikts zeigen sich bis heute in den Konzepten der Neutralität und Blockfreiheit. Bestimmte Länder können sich so aus militärischen Konflikten heraushalten.

  • Neutralität als Konzept europäischer Länder ist in liberalen politischen Systemen entstanden. Die vier europäischen Länder Schweiz, Schweden, Finnland und Österreich betonten die Nichtteilnahme an militärischen Bündnissen, in der Folge nicht die Teilnahme an der EG. Der Zerfall der östlichen Bündnisse bringt mit sich eine Teilnahme an der EU(ohne Schweiz), aber auch eine Unschärfe zwischen Neutralität und europäischer Integration (vgl. die offenen Fragen wie Auslaufen der Neutralität mit neuen europäischen Sicherheitskonzepten[Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU]). Im Falle der Neutralität Irlands spielte der Ost-West-Konflikt keine Rolle. Heute bevorzugen Schweden und Finnland bei Aufgabe ihrer Neutralität den Begriff "paktungebunden".
  • Blockfreiheit als Konzept von Ländern der Dritten Welt hat andere politische Systeme. 1961 gründete man in Belgrad die Konferenz der Blockfreien mit fast 100 Staaten und nahm im Ost-West-Konflikt keine Stellung, hielt sich neutral und versuchte in der UNO-Generalversammlung möglichst einen geschlossenen Block zu bilden. Hauptziel war die globale ökonomische Umverteilung zugunsten der Entwicklungsländer ("Neue Weltwirtschaftsordnung"). Internationale Konflikte trennten die Blockfreien, etwa der Krieg zwischen dem Irak und Iran 1980 bis 1988, die Konflikte um Afghanistan und Kambodscha sowie der Golfkrieg 1991. Gleiche Distanz zu den Großmächten verlangte Jugoslawien, Kuba sah dagegen die Sowjetunion als Partner. - Im Nord-Süd-Konflikt war man dagegen Partei.
Dieser Konflikt ist eine ökonomische Auseinandersetzung zwischen dem Norden als industriell entwickelte Gesellschaft mit Wohlstand, Lebensqualität und Lebenschancen und dem Süden als "Armenhaus der Erde"(vgl. die Unterschiedlichkeit an Bevölkerungswachstum). Als Problemfeld internationaler Beziehungen bildet es die Auseinandersetzung zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern. Trotz Verbesserungen in einzelnen Bereichen ist die Gesamtsituation negativ einzustufen, man denke allein an die sozioökonomischen Verhältnisse wie die Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, Alphabetisierungsrate und Ernährungsfaktoren("globale Apartheid").

Viele Begriffe wurden in der entwicklungspolitischen Diskussion verwendet. "Entwicklungshilfe" wurde inzwischen durch "Entwicklungszusammenarbeit" abgelöst. Der Begriff "Dritte Welt" ist hinfällig geworden, neue Begrifflichkeiten sind durch die Heterogenität der Entwicklungsländer notwendig.

Als Merkmale einer unterschiedlichen Ausprägung gelten etwa

  • ökonomische Merkmale wie niedriges Pro-Kopf-Einkommen mit ungleicher Einkommensverteilung, geringe Produktivität, geringe Infrastruktur, außenwirtschaftliche Abhängigkeiten von wenigen Produkten, dominante Selbstversorgung und hohe Auslandsverschuldung,
  • soziodemographische Merkmale wie niedrige Lebenserwartung, schlechte medizinische Versorgung, schlechter (Aus-)Bildungsgrad, hohes Bevölkerungswachstum und starke Wanderungsbewegungen in Ballungsräume,
  • ökologische Merkmale wie armutsbedingter Raubbau und Zerstörung anfälliger Ökosysteme sowie
  • soziokulturelle und politische Merkmale wie Orientierung an Primärgruppen (Großfamilien, ethnische Gruppen), geringe Loyalität gegenüber Institutionen und ihren Strukturen, geringe Mobilität, autoritäre Staatsstrukturen, geringe politische Legitimation von Führungskräften, mangelhafter Menschenrechtsschutz, hohe Korruptionsrate und gewaltsame Konfliktaustragung.
Nur einmal waren die sich verschlechternden Handelsbeziehungen ("terms of trade") mit abnehmenden Preisen, zumeist Rohstoffen, erfolgreich in der Bildung eines Rohstoffkartells, als Erdöl-exportierende Länder sich zur OPEC zusammenschlossen.

Kommunikationsstrukturen weisen immer noch auf alte koloniale Strukturen wie kulturelle Beziehungen anglophoner Teile in Afrika dichter zu dem UK als zum frankophonen Teil sind und umgekehrt. Solche Abhängigkeiten zu überwinden weist auf notwendige Strategien .

  • Ankoppelung baut auf eine Verflechtung zwischen Entwicklungsländern und entwickelten Staaten(Modernisierungsschub, Nutzung der Globalisierung["Modernisierungstheorie"]).
  • Abkoppelung baut auf eine Entflechtung zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern zu einer Eröffnung eines unabhängigen Weges (behindern bzw. verhindern der Globalisierung["Dependenztheorie"]).
Der Streit um Schlüsselfragen heute geht eher

  • um einen Freihandel und marktwirtschaftliche Strukturen zum Abbau von Entwicklungsunterschieden oder einem Nutzen ohnehin der leistungsfähigen Wirtschaftselemente.
  • In diesem Zusammenhang stellt sich im Nord-Süd-Konflikt die Frage der Umweltproblematik. Als wesentliche Zukunftsfrage stellt sich der Schutz der globalen Umwelt. Das westliche Wohlstandsmodell ist nicht globalisierungstauglich(Überschreitung der Grenzen der Belastungsfähigkeit). Allerdings sind auch die Überschreitungen bzw. Steigerungsraten des Energiebedarfes mancher Entwicklungsländer erheblich. "Kollektive Weltgüter"("global public goods") wie die Ozonschicht, Artenvielfalt und das Weltklima können nicht aufgeteilt werden, sie werden allerdings ohne einen direkten Preis von einzelnen Akteuren benutzt bzw. verbraucht ("Trittbrettfahrerverhalten").
Als ein Prozess zunehmender Verbindungen von Gesellschaften und Problembereichen betreffen Globalisierungsphänomene alle Teile der Welt. Sie weisen auf eine quantitative Zunahme, qualitative Intensivierung und eine räumliche Ausdehnung hin. Nationale Elemente wie Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsmacht verlieren an Bedeutung.

Transnationale Konzerne und eine transnationale Zivilgesellschaft sind neue Akteure in der Weltpolitik.

Im Globalisierungsdiskurs unterscheidet man den Globalisierungsgrad.

  • Ungleich war das Maß der Globalisierung je nach Raum und Zeit. Zunächst betraf es vorherrschend den ostasiatischen Raum.
  • Die Weltwirtschaftskrise 2008/2009 beschleunigte geopolitische Gewichtungen, die Dominanz des OECD-Raumes nahm ab.
  • Eine kulturelle Diversifikation kann als Reaktion verstanden werden.
  • Neue supraterritoriale Räume wurden erschlossen und ergänzten Globalisierungsbemühungen.
  • Bezugspunkte wie technischer Fortschritt, Modernisierung, vermehrte Produktionskräfte und Deregulierung greifen zu kurz.
  • Staatsräume werden abgelöst durch Wirtschaftsräume.
Mit der Einbindung der Schwellenländer in die "Gruppe der 20" entstanden Grundrisse einer neuen internationalen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Ökonomisch muss heute die Globalisierung in Unterdimensionen eingeteilt werden (Handel, Investitionen, Finanzmärkte und Akteure).

Transnationale Konzerne("global players") gestalten Wirtschaftsprozesse, Produkte und Dienstleistungen für einen weltweiten Bedarf, Kapital fließt weltweit und richtet sich in seinem Fluss an günstigen Anlagebedingungen.

Der Verflechtungsgrad der Ökonomien und die Ausweitung des Welthandelns mit neuen Produktionen sowie der Bedeutungsverlust von Zeit und Raum erzeugen Folgewirkungen für Kulturen, Identitäten und Lebensstilen (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz; vgl. den Begriff "McDonaldisierung" der Welt).

  • Es zeigt sich eine Relativierung von Kulturen.
  • Die Bedrohung historischer Identitäten begünstigt Tendenzen eines Partikularismus (vgl. fundamentalistische Strömungen und ethno-nationalistische Bewegungen).
  • Ökologische Problembereiche entstehen, eine hohe Belastungsfähigkeit des globalen Ökosystems zeigt sich.
  • Nationalstaatliche Entscheidungsmacht und in der Folge Wirkungen und Konsequenzen gehören der Vergangenheit an. Internationale Kooperationsformen gewinnen an Bedeutung, supranationale Entscheidungsmechanismen entwickeln sich zunehmend.
Eine Sektoralisierung von internationalen Politik in internationale Problemfelder wie Sicherheitspolitik, Umweltpolitik, Finanzpolitik, Gesundheitspolitik, Migrationspolitik und Bildungspolitik kennzeichnet die Tendenz globaler Bereiche in der Politik.

IT-Hinweise

IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Globales Lernen

4.2.9 Frieden - Konflikte    

Anzusprechen sind Frieden, Krieg, Gewalt, Konflikte und ihre Ursachen sowie neue Perspektiven einer Sicherheitspolitik (vgl. GALTUNG 1975; NASSMACHER 2004, 370-383; IMBUSCH-ZOLL 2006; PELINKA-VARWICK 2010, 151-166).

Die Grundfrage einer Konfliktlösung mit friedlichen Mitteln hat zunächst Philosophen beschäftigt - Niccolo Machiavelli, Immanuel Kant und Jürgen Habermas - und unterschiedliche Antworten ergeben.

Zwei Aspekte ergeben sich bei einer Friedenssicherung und Kriegsverhinderung.

  • In Europa gibt es die Vorstellung, dass man auf das Gute und die Vernunft bzw. Lernfähigkeit von Menschen setzt. Zur Konfliktvermeidung in einer Demokratie gelten die innere Verfassung eines States und sein Außenverhalten.
  • Der Gegenentwurf beinhaltet eine anarchische Struktur mit eigener Stärke und das Prinzip der Selbsthilfe (vgl. "Wer den Frieden will, der rüste für den Krieg").
War ehedem die Unterscheidung von Krieg und Frieden im Völkerrecht einfach (Kriegserklärung, feindliche Handlungen), so ist heute "Krieg" zunächst im Kontext von Handlungen als Bürgerkrieg, Stellvertreter-Krieg und/oder Befreiungskrieg zu sehen (vgl. Vietnam-Krieg, Afghanistan-Krieg der Sowjetunion und Angola-Krieg ohne Kriegserklärung).

Eine massive Veränderung ergab sich nach dem 11. September 2001, als die USA einen "Krieg gegen den Terrorismus" begannen (man beachte einen Krieg nicht gegen eine bestimmte Regierung und ein bestimmtes Territorium).

Mit einem Wandel des Kriegsbegriffes nach 1945 endeten militärische Auseinandersetzungen durch einen Waffenstillstand - Deutschland und die Alliierten, Israel und die arabische Staaten, Korea-Krieg, USA und Nordvietnam Iran und Irak, Irak und die US-Allianz - oder ein Verhalten ohne eine Vereinbarung - Abzug der Sowjetunion aus Afghanistan, Besetzung des Iraks durch die US-Allianz.

Der Begriff "Frieden" hängt eng mit dem Begriff "Gewalt" zusammen.

  • Personelle Gewalt beinhaltet die von Menschen ausgeübte Gewalttätigkeit mittels Technik (etwa Krieg).
  • Strukturelle Gewalt beinhaltet Formen gesellschaftlicher Zustände gegen Menschen, ohne dass Menschen Auslöser der Gewalt sind (vgl. der Gegensatz von Industriestaaten und Schwellenländern mit Folgen etwa einer geringen Lebenserwartung/Seuchen, Elend, Tod).
Zwei Denkschulen unterscheiden sich in der Friedens- und Konfliktforschung, die sich gegenseitig nicht ausschließen.

  • Die realistische Friedensforschung mit einem Zustand frei ohne persönliche Gewalt ("negativer Friede") und zwischenstaatlichen Beziehungen (vgl. Ost-West-Konflikt).
  • Die kritische Friedensforschung mit einem Zustand frei ohne strukturelle Gewalt ("positiver Frieden") und gesellschaftlich- zwischenstaatlichen Konflikten (vgl. Nord-Süd-Konflikt).
Konflikte entstehen durch Unvereinbarkeiten in Interessen und Wertvorstellungen. Für eine Konfliktlösung sind die Arten des Konflikts wesentlich. In internationalen Beziehungen gibt es Unterscheidungen (vgl. GALTUNG 1975, 33 bzw. 47).

  • Antagonistische Konflikte weisen auf unversöhnliche Konfliktpartner hin (vgl. die marxistische Auffassung in "Klassenkampf").
  • Nicht antagonistische Konflikte sind durch Kompromisse lösbar. Der Vorteil einer Seite muss nicht der Nachteil der anderen Seite sein.
Weitere Dimensionen von Konflikten sind

  • symmetrische Konflikte mit zwei annähernd gleich starken Konfliktpartner (vgl. Ost-West-Konflikt) und
  • asymmetrische Konflikte mit ungleichen Partner (vgl. Konflikte mit Großmächten und Kleinstaaten[Invasion des Warschauer Paktes in der CSSR 1968, Invasion der USA in Panama 1989 bzw. Staaten und Personen). Eine Dominanz bzw. Hegemonie führt zunehmend zu Kriegen ohne Rücksicht auf die UNO (vgl. USA 1995 in Bosnien-Herzegowina, 1999 im Kosovo und damit in Serbien; 2002 die Formulierung einer "Sicherheitsdoktrin"/"Präventivschlagdoktrin" der USA mit dem Irakkrieg 2003). Ursachen dafür liegen in der Unfähigkeit der anderen politischen Systeme, die bestehende Asymmetrie der Weltpolitik zu gestalten.
Lösungsansätze bieten sich in zwei Techniken an.

  • Die dissoziative Konfliktlösung zielt das Konzept des Gleichgewichts und die wechselseitige Garantie von Einflusssphären mit Kommunikationsunterbrechung (vgl. Berliner Mauer, Eiserner Vorhang, Zypern).
  • Die assoziative Konfliktlösung zielt auf die Aufhebung eines Konflikts mit der Bildung eines neuen Akteurs (vgl. Bildung der europäischen Integration als politische Entwicklung des deutsch-französischen Gegensatzes).
Zumeist sind Konflikte auf zwei Ursachen zurückzuführen.

  • Endogene Ursachen liegen im politischen System (nationale Faktoren/politische Instabilität, ökonomische Misserfolge, öffentliche Meinung).
  • Exogene Ursache liegen in den Außenbeziehungen des politischen Systems (internationale Faktoren/internationale Bündnissysteme, weltwirtschaftliche Faktoren, geopolitische Gegebenheiten).
Das Bemühen um Frieden erzwingt eine Beschäftigung mit Kriegsursachen, also ihrer Entstehung. Sechs Theorien können unterschieden werden.

  • Hegemonialstreben liegt dann vor, wenn ein bestimmter Staat die Vorherrschaft anstrebt, es kein Gleichgewicht der Kräfte gibt (vgl. Peloponnesischer Krieg, Dreißigjähriger Krieg, Erster und Zweiter Weltkrieg).
  • Anarchie ist das Fehlen internationaler Autoritäten. Krieg wird zum Normalzustand, Frieden zum Ausnahmezustand (vgl. den "Kalten Krieg" als Ausnahmesituation nach 1945).
  • Nützlichkeit ist das fehlende Gleichgewicht der Kräfte, ein Krieg wird zur Maximierung des eigenen Nutzens verwendet (asymmetrischer Konflikt) und erklärt Bündnissysteme bzw. Neutralität (vgl. Panama 1989).
  • Innenpolitik weist auf die fehlende Instabilität, das politische Innensystem und ökonomische Interessen hin. Vorurteile und öffentliche Meinung sind wesentlich (vgl. Zypernkonflikt 1974 und Falkland-Krieg 1982).
  • Fehlkalkulation betrifft eine Fehleinschätzung der politischen Realität, insbesondere der potentiellen Gegner (vgl. Fehleinschätzungen im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Fehleinschätzungen Nordkoreas 1950 und des Iraks 1990 der militärischen Entschlossenheit der USA).
  • Krisen hängen mit zugespitzten politischen Konflikten zusammen, die in der Folge nicht kontrollierbar werden. Eine militärische Auseinandersetzung ist nicht geplant und ungewollt (vgl. Ultimatum Österreich-Ungarn 11914 an Serbien, Indien-Pakistan-Konflikt 1971)
Die Theoriemodelle ergänzen sich und schließen sich nicht aus.

Prävention ist eine neue Perspektive auf Politik. Dabei handelt es sich um

  • ein Prinzip/Querschnittsaufgabe mehrerer Politikbereiche, die wesentlich sind und sich ergänzen. Krisenherde zeigen an, dass neben militärischen Elementen zur Friedenssicherung auch zivile Kapazitäten notwendig sind (vgl. Kosovo, Afghanistan).
  • eine Kooperation verschiedener Akteure wie internationale Organisationen, NGOs und nationalstaatliche Akteure. Multilaterale Konzepte sind in der Regel erfolgreich (vgl. die rein nationalen Strategien im Krisenmanagement in den neunziger Jahren am Balkan in ihrer Unwirksamkeit).
  • ein Beginnen von Präventionsstrategien in mehreren Ebenen - politische Eliten, Militär und gesellschaftliche Gruppen. Aus einer solchen Koordination entsteht eine Vermeidungsstrategie und eine effiziente Arbeitsteilung.
Gegenstand einer friedlichen Transformation von Lösungen ist die Beeinflussung der Prozesse, die zu Gewalt und Eskalierung führen (können).

  • Zu unterscheiden sind die Entstehungsprävention in einer frühen Phase von der Eskalationsprävention als Gewaltkonflikt.
  • Bei einer Beendigung eines Konflikts in einer Friedensphase wird von Konsolidierungsprävention gesprochen.
Unterscheiden kann man auch die Begriffe operative und strukturelle Prävention.

  • Operativ beziehen sich auf kurzfristige zivile (etwa Vermittlung, Sanktionen, Anreize) und militärische Maßnahmen.
  • Strukturell bezieht sich auf längerfristige Maßnahmen, die grundlegende Ursachen betreffen (etwa Armutsbekämpfung, Entwicklungspolitik, Umweltpolitik, Rüstungskontrolle, regionale Integration, Sicherheitspolitik/UN-Intervention).
Prävention setzt den Willen zu Handlungen voraus (etwa die Interessenslage, Kosten-Nutzen-Rechnung, inner-gesellschaftliche Unterstützung, Souveränitätsanspruch).

  • Nicht ein Mangel an Wissen von Konflikten und Krisen ist wesentlich, vielmehr ein Mangel an politischem Handlungswillen zur Abwendung von Krisen ist essentiell.
  • Mitunter wird das Erkennen von Frühwarnungen und in der Folge einem Ausbruch eines Konflikts übersehen (vgl. Völkermord im ostafrikanischen Zwischenseengebiet/Ruanda mit verspäteter Präsenz von UNO-Truppen. Im Kosovo-Konflikt mangelte es einer gemeinsamen Strategie. Das Eingreifen der NATO war nur mehr eine Reaktion auf eine humanitäre Katastrophe, die sich ankündigte).
4.2.10 Internationale Organisationen    

Anzusprechen sind Merkmale internationaler Organisationen, die UNO und EU (vgl. NASSMACHER 2004, 456-488; POLLAK-SLOMINSKI 2006; WEIDENFELD 2010; PELINKA-VARWICK 2010, 167-187).

Von den etwa weniger als 200 Staaten im internationalen politischen System sind etwas mehr als 60 Prozent als Demokratien zu bezeichnen. Rund 26 000 internationale Verträge, 5 200 Regierungsorganisationen, rund 15 000 NGOs und rund 40 000 transnationale Konzerne zählt die "Union of International Associations" (UIA).

Zu unterscheiden ist zwischen Regierungsorganisationen/IGO (Mitglieder sind Staaten/etwa die WTO, UNO) und Nichtregierungsorganisationen/INGO (Mitglieder sind die NGOs). IGOs umfassen eigene Organe, Kompetenzen, Verträge und Themenbereiche (etwa die Weltkonferenzen der UNO zur Umwelt, Menschenrechten, Bevölkerungsfragen und Ernährungssituation). Der Transfer schwankt zwischen den verschiedenen OGOs beträchtlich.

  • Einerseits werden keine staatlichen Souveränitätsrechte abgegeben, es verbleibt die alleinige Entscheidungsbefugnis("intergouvernemental").
  • Andererseits treten Staaten teile ihrer Souveränität an supranationale Gremien ab und bindende Beschlüsse sind umzusetzen("supranational").
Zu unterscheiden sind drei Funktionsmöglichkeiten in diesem multilateralen Politikstil.

  • Es geht einmal um Instrumente staatlicher Diplomatie, um die Durchsetzung eigener Interessen.
  • Es geht auch um Standorte der internationalen Politik, also um einen Rahmen für die Durchsetzung politischer Ziele.
  • Internationale Organisationen besitzen eine eigene Qualität als Akteure, um politische Muster zu verändern.
Im Zeichen einer zunehmenden Globalisierung soll zwischenstaatliche Politik in verbindlichen Regelungen geschaffen werden (vgl. den Leistungsbedarf in der internationalen Politik mit Steuerungsmodellen in einer globalen Welt). Ausgedrückt wurde dieses Bemühen als "Global Gouvernance" in einer von Willy Brandt angeregten "Kommission für Weltordnungspolitik" mit ihrem Abschlussbericht 1995.

  • Bei "Global Gouvernance" geht es um eine Neudefinition staatlicher Souveränität.
  • Es geht um eine Verdichtung und Verrechtlichung internationaler Beziehungen durch Organisationen und Regime, um eine institutionalisierte Form der Bearbeitung von Konflikten und den Aufbau von gemeinsamen Prinzipien, Normen, Regeln und Entscheidungsverfahren.
  • Es geht auch um eine Erweiterung der Akteure über die internationalen Organisationen hinaus und
  • um eine Entwicklung eines neuen Politikstils.
  • Zudem geht es um das System der UNO, anderer internationaler Organisationen wie beispielhaft die WTO, Regime zur Nichtverbreitung von Atomwaffen und Klimaschutz, regionale Zusammenschlüsse (etwa die EU) und globale Netzwerke(also NGOs). Die internationale Zivilgesellschaft ist angesprochen.
  • Neben einer "global public policy" soll die Kooperation mit Unternehmen der Privatwirtschaft beachtet werden ("Business international non-gouvernemental organizations").
  • Politikfelder, auch nach Weltregionen, sollen differenziert werden.
Die UNO - gegründet 1945 in San Francisco von 51 Staaten - ist inzwischen auf 192 Mitgliedsstaaten angewachsen und von einer Nachkriegsorganisation zu einem globalen Forum geworden. Grundlegende Weltprobleme werden diskutiert und teilweise einer Lösung näher gebracht. Insbesondere die Teilorganisationen sind nicht mehr wegzudenken.

Konsens besteht darin, dass die Strukturen und Verfahren nicht mehr der weltpolitischen Realität entsprechen.

Aufgabenbereiche bestehen in/im

  • der Sicherung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit,
  • Bereich des Menschenrechtsschutzes und Fortentwicklung des Völkerrechts sowie
  • Bereichen der Ökonomie, Entwicklung und Ökologie.
Die Bereiche in ihrem Umgang sind nach den Erfahrungen des Völkerbundes kaum mehr vergleichbar, zumal bei der 'Gründung der UNO mit drei Hauptzielen umfassende Ziele definiert wurden.

  • Weltfrieden und internationale Sicherheit,
  • Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker sowie
  • internationale Zusammenarbeit bei der Lösung wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Probleme unter Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Allerdings ist der Grad der Verbindlichkeit und die Folgen bei Verstößen nicht präzise beschrieben. Flexible Formulierungen der Ziele und Grundsätze sind Chance und Gefahr zugleich.

Um dem Aufgabenbereich gerecht zu werden, hat die UNO ein realistisches und egalitäres Prinzip.

  • Realistisch sind die ungleichen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Interessen, womit der UN-Sicherheitsrat angesprochen ist. Dieser besitzt einen seit 1945 für die damaligen Großmächte entsprechenden Machtvorsprung.
  • Egalitär ist das Prinzip der Gleichheit der Mitgliedsstaaten in der Generalversammlung mit einer Stimme für ein Land.
Die Kernorganisation der UNO ist für Entscheidungsprozesse bedeutungsvoll.

  • Die Generalversammlung entscheidet über die Zusammensetzung der anderen Hauptorgane, die Kontrolle des Haushalts und die Administration der Sonder- bzw. Teilorganisationen.
  • Der Sicherheitsrat mit 15 Mitgliedern, fünf Ständigen(mit Veto-Recht) und zehn Nichtständigen(zweijährigem Wechsel), ist für die Wahrung des Weltfriedens zuständig.
  • Der Wirtschafts- und Sozialrat(ECOSOC) mit 54 Mitgliedern bearbeitet wirtschaftliche, soziale, kulturelle und humanitäre Fragen und gibt Empfehlungen für die Generalversammlung, den Sicherheitsrat und die Sonderorganisationen ab.
  • Die Sonderorganisationen mit eigenen Statuten und Mitgliedsbeiträgen sind mit Abkommen mit der UNO verbunden (etwa die WHO, ILO, UNESCO, der Weltpostverein und die FAO).
  • Der Internationale Gerichtshof besitzt eine unabhängige Stellung (15 unabhängige Richter). Die Staaten müssen seine Gerichtsbarkeit anerkennen. Rechtsgutachten der UN-Organisationen mit Genehmigung der Generalversammlung können angefordert werden. Seit 2002 besteht ein internationaler Strafgerichtshof (Völkermord, Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen).
  • Das Sekretariat ist ebenfalls ein Hauptorgan. Der Generalsekretär als höchster Verwaltungsbeamter erstattet jährlich einen Bericht über die Tätigkeit der UNO, lenkt die Aufmerksamkeit auf die Wahrung des Weltfriedens im Sicherheitsrat.
Inwieweit die UNO reformierbar ist bzw. reformiert werden muss, richtet sich an die Mitgliedsländer'. Jedenfalls sind die Hürden hoch. Der Druck auf eine Veränderung von globalen Zuständen ist enorm gewachsen und bedeutet öffentliche Rechtfertigung.

Eine rund fünfzigjährige Geschichte kennzeichnet die EU, die aus der "Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl/EGKS/Montanunion", der "Europäischen Wirtschafsgemeinschaft/EWG" 1957, der "Europäischen Atomgemeinschaft/EAG" 1957 mit dem Vertrag von Maastricht 1992 begründet wurde.

Mit Maastricht wurde die "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik(GASP)" und "Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit(PJZS)" in Strafsachen ergänzt. Mit dem "Vertrag von Lissabon" 2009 wurde die EU Rechtspersönlichkeit und die EG mit ihren Organen Rat-Kommission-Parlament-Gerichtshof, GASP und PJZS in der Union zusammengeführt.

Mit dem stark angewachsenen Regelungsumfang ist die EU über eine internationale Organisation im herkömmlichen Sinne hinaus gewachsen. Es entstand eine institutionelle Eigendynamik in einem Gebilde eigener Art.

Das politische System der EU betrifft ein Mehrebenen-System, das sich vorrangig auf Handlungssysteme und neue Entscheidungsprozesse bezieht.

  • Exklusive nationalstaatliche Kompetenzen sind kein Monopol mehr (vgl. die Verlagerung von Entscheidungszuständigkeiten an die EU-Gemeinschaftsorgane).
  • Mit dem Scheitern des "Verfassungsvertrages" - ablehnende Referenden in Frankreich und den Niederlanden - kam es zum "Vertrag von Lissabon" 2009 und einer umfassenden Neuordnung. Die Grundsätze sind im "Vertrag über die Europäische Union"(EUV) und dem "Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union"(AEUV) festgelegt (Primärrecht der Union). Der Besitzstand der EU ist äußerst umfangreich und umfasst den Inhalt, die Grundsätze und politischen Ziele der Verträge, deren Anwendung und Rechtsvorschriften sowie Rechtsakte (Sekundärrecht).
Institutionell stellt sich die EU in fünf Organen dar.

  • Der Europäische Rat mit den Staats- und Regierungschefs sowie dem EU-Kommissionspräsidenten und der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik gibt Impulse und legt politische Ziele fest. Unabhängig ist die Arbeit des Europäischen Gerichtshofes. Verträge unterliegen ausdrücklich der Zustimmung der Ratsmitglieder.
  • Der Rat der EU (früher Ministerrat)ist ein Gremium der nationalen Fachminister. Als Vertreter der Exekutive stellen sie in der EU ein Organ der Legislative mit zehn Ratsformationen dar. In mehr als 100 Arbeitsgruppen behandeln nationale Experten Aufgaben bzw. bereiten Sitzungen vor.
  • Das Europäische Parlament stellt das einzige EU-Organ durch direkte Wahl dar. Beteiligungsmöglichkeiten gibt es im Gesetzgebungsverfahren (und der Gleichstellung mit dem Rat), der Steuerharmonisierung und dem Budgetrecht.
  • Die Europäische Kommission besitzt Verwaltungsvollmacht und sorgt für die Anwendung und Umsetzung des Unionrechts ("Hüterin der Verträge", Klagerecht vor dem Gerichtshof). Die Mitglieder (Kommissare) des Kollegiums sind allein dem EU-Gemeinwohl verpflichtet und werden vom Parlament kontrolliert.
  • Der Gerichtshof der EU ist Unionsinteressen verpflichtet und sichert die Auslegung und Anwendung der Verträge. Ausgenommen ist der Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik der EU.
Neben den Organen gibt es andere EU-Ausschüsse bzw. Organe , etwa der Rechnungshof, der Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Ausschuss der Regionen, die Europäische Investitionsbank und Europäische Zentralbank.

Zu beachten sind Akzeptanzprobleme , die insbesondere beim Zustandekommen von Entscheidungen sich ergeben und Legitimationsbedarf notwendig machen.

Zur Diskussion steht in der EU etwa

  • der Mangel an kollektiver Identität,
  • europaweiter Diskurse und
  • Abwesenheit europaweiter Infrastruktur politischer Parteien und Interessensverbänden.
Die EU versteht sich als Konkordanz-System mit Mehrheitsregeln als Maßstab für Demokratie mit Verhandlungen, Kompromiss und Proporz.

Der EU stehen ohne Zweifel schwierige Debatten über die Zukunft der Integration und Rolle europäischer Staaten in einem internationalen System bevor (vgl. etwa die Bereiche Machtverschiebung und Notwendigkeiten für Europa in der internationalen Politik wie Sicherheit, Ökonomie, Migration, Ökologie, Kultur/Bildung und Wertesystem).

IT-Hinweise

IT-Autorenbeitrag > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Europa als Lernfeld; Migration in Österreich 1,2

4.2.11 Politische Ideengeschichte    

Das abschließende Kapitel ist politischen Ideen und Ideologien, der Antike, dem Mittelalter und der Renaissance sowie der Anfängen der Neuzeit gewidmet. Es geht in der Folge um bürgerliche Revolutionen, Konsequenzen und das 20. Jahrhundert mit seiner Vielfalt.

Der historische Blick gehört zur Politikwissenschaft, damit zum Verständnis politischer Theorien, politischer Systeme und internationaler Politik (vgl. NASSMACHER 2004, 288-368; SCHWAABE 2007; PELINKA-VARWICK 2010, 192-239).

Politische Ideengeschichte ist Reflexionsgeschichte (vgl. etwa den Ausschluss von Frauen aus der Politik, der Dominanz Europas in der Neuzeit/"Eurozentrismus" und der Rechtfertigung von Macht).

Ideen zeigen Veränderungen auf. Damit ist Gesellschaftsgeschichte auch angesprochen, naturgemäß auf den Kernbereich der Politikwissenschaft bezogen - also Organisation und Legitimation von Macht.

Damit ist der Begriff Ideologie angesprochen.

  • Negativ ist Ideologie ein Konstrukt zur Rechtfertigung von Macht und dient als Überbau für politisches Handeln. Die Ideengeschichte ist immer ideologiekritisch.
  • Wertfrei ist Ideologie in allen Zielvorstellungen, wobei der Kontext zu politischen Interessen und ihrem Gedankengut hergestellt wird.
Anfänge der Menschheit werden in der Politikwissenschaft mit der Antike begonnen. Konzepte und Theorien im Kontext mit der Polis Athen haben auch die Neuzeit beeinflusst, wobei kritisch festzustellen ist, dass hier eurozentrisch vorgegangen wird (vgl. den Ansatz von US-Universitäten einer "african civilisation").

Hier erkennt man eine Hegemonie Europas, ausgehend von der Antike Athens und Roms, die auch außereuropäische Gesellschaften beeinflusst hat.

  • Demokratie wurde in der attischen Polis als allen Vollbürgern offen stehende Volksversammlung mit generellen Entscheidungen verstanden (vgl. plebiszitäre Komponente, Einengung der Aktivbürgerschaft - etwa 15 bis 20 Prozent Teilnahmeberechtigung[Ausschluss von Frauen, männlichen Sklaven und Halbfreien]). Wichtigste Vertreter waren Platon und Aristoteles.
    • Platon kritisiert in seinen Hauptwerken "Politeia" (Staat), "Politikos" (Staatsmann) und "Nomoi" (Gesetze) die attische Demokratie. Die Antithese heißt Idealstaat mit einem aristokratischen Dreistände-System (mit der Spitze Philosophen-Krieger-Ordnungshüter und als Unterstufe die Erwerbstätigen). Die Begabung ist entscheidend für die Zugehörigkeit.
    • Aristoteles relativiert diese Position mit zwei Arbeiten zur Politischen Theorie ("Nikomachische Ethik" und "Politik"). Er gibt eindeutige Stellungnahmen gegen die Demokratie mit einer vermittelnden Position von Demokratie und Diktatur. Der Mensch ist ein Wesen der Gesellschaft("zoon politikon"). Seine Ziel ist eine gemischte Verfassung (Regierungsformen sind Monarchie, Aristokratie und Bürgerbeteiligung["politie"] mit einer Tendenz zur Tyrannis, Oligarchie und Demokratie). Eine Kombination sei eine optimale gemischte Verfassung.
Es zeigt sich ein methodischer Gegensatz. Platon vertritt einen normativen Zugang (kritisiert als Verständnis für eine Unfreiheit mit Sachzwängen). Aristoteles vertritt das Streben nach einer dem Menschen gerechten Verfassung.

  • Roms Entwicklung zeigt sich vom Stadtstaat zum Weltreich und ist in bestimmten Aspekten auch für die Gegenwart von Interesse.
    • Der Stadtstaat besitzt eine aristokratisch-republikanische Verfassung mit der Zusammenkunft einer politischen und sozialen Elite (Senat) für politische Entscheidungen.
    • Parteiähnliche Gruppen vertraten sozioökonomische Schichten (Patrizier und Plebejer).
    • Die republikanische Verfassung wurde um 100 v. Chr. von einer absoluten Monarchie abgelöst ("Cäsarismus"), die als Fassade eine republikanische Verfassung behielt.
    • Soldatenkaiser erweiterten und sicherten das Römische Reich, das Militär erhielt die politische Herrschaft.
Für die Moderne sind von Interesse Elemente wie soziale Schichten, politische Effektivität mit Entscheidungskompetenzen (Personalisierung) und politische Vorstellungen sowie letztlich die Gefahr, wenn Politik vom Militär abhängig wird.

In der Folge kommt es zum Einfluss des Christentums mit der jüdisch-christlichen Individualethik. Beispielhaft sind die Imperative des Paulus in seinen Briefen an die Epheser, Colosser und an Titus. Diese Individualethik begründet den Vorrang vor politischen Konzepten (Sozialethik).

Dies zeigt sich auch bei Augustinus' in "De civitate Dei" mit der Gleichgültigkeit gegenüber einer Politik (vgl. der Gottesstaat gerichtet auf das Jenseits mit Christus, der Staat als System der Machtzuweisung und Machtkontrolle).

Mit der Dominanz des Christentums mussten gesellschaftliche Probleme angesprochen werden. Spätere historische Entwicklungen zeigen dies (vgl. die deutsche Geschichte der Reformation mit Martin Luthers Stellungnahme zur weltlichen Obrigkeit, der man Gehorsam schuldet und Thomas Münzers Bündnis mit politisch protestierenden sozial Schwachen, der das Christentum als soziale und politische Botschaft sah).

Die mittelalterliche Gesellschaft war gekennzeichnet durch eine (relative) soziale, politische und religiöse Geschlossenheit, die sich im Naturrecht ausdrückte.

  • Es liegt nicht am Menschen, die gottgewollte Ordnung/Hierarchie zu verändern bzw. in Frage zu stellen.
  • Das Naturrecht setzt der Politik Grenzen (vgl. die Ähnlichkeit mit den Menschenrechten). Thomas von Aquin sah in der "Summa theologica" alle Autorität bei Gott (göttlicher Willen). Im Kontext mit Aristoteles sah er einen gewissen politischen Freiraum. Die Politik hat als Aufgabe das Glück des Menschen zu gewährleisten, über der Politik steht jedoch die Erlösung.
Die Geschlossenheit mittelalterlicher Strukturen wurde durch die Renaissance am Beginn der Neuzeit abgelöst.

  • Das ständische Bürgertum beendete eine gewisse Geschlossenheit, Entdeckungen und Erfindungen ergaben neue ökonomische Möglichkeiten.
  • Sozialkonservative Tendenzen der Reformation von Luther, Calvin und Zwingli entwickelten den europäischen Protestantismus mit einer Ablehnung der Interpretation der Ableitung von Macht aus einem einheitlichen Ordnungssystem.
  • Das bisherige Weltbild wurde durch die Entdeckungen um 1500 gesprengt. Die Dominanz Europas und Errichtung von Kolonialreichen drückt sich in politischen, ökonomischen und kulturellen Dimensionen aus (vgl. die Interkulturalität und den Eurozentrismus mit seinen Wirkungen und Gegenwirkungen - US-Unabhängigkeit 1776, gewaltloser Widerstand Gandhis).
  • Thomas Morus verlegte die "Utopia" nicht zufällig in die Neue Welt.
  • Letztlich begann um 1500 dies, was rund 500 Jahre später mit Globalisierung umschrieben wird.
Niccolo Machiavelli formuliert in "Il Principe" ein neues säkularisiertes Verständnis von Politik. Es ist ihm kein Bedürfnis, Macht zu rechtfertigen. Mit einem pessimistischen Menschenbild in Form von Eigeninteressen wird Politik als ständiges Konfliktfeld gesehen. Der ständige Konkurrenzkampf ist ein erster Schritt für eine modernen Elitentheorie. Natürlich begründetes Gemeinwohl gibt es nicht, Politik ist beobachtbare Tatsache. Der Begriff "Machiavellismus" in seiner negativen Prägung ist (daher) eine Verkennung des theoretischen Ansatzes.

Mit der "Utopia" von Thomas Morus werden Zukunftsvorstellungen in der westlichen Hemisphäre verbunden, die über die bestehenden Zustände hinausgehen. Utopien sind extreme Vorstellungen, als literarischer Kunstgriff, um als Gegenbilder bzw. Wirklichkeiten etwa auszusagen - als Rechtfertigung (etwa bei Hobbes), Kritik (etwa bei Rousseau) oder Bedrohung (etwa bei Orwell).

Methodisches Hilfsmittel sind bei Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau der

  • utopischen Rückgriff auf eine vorgeschichtliche Gesellschaft, um Aussagen über die Gegenwart bzw. Zukunft zu machen.
  • Ausgangspunkt ist eine Säkularisierung. Beide gingen von einer bestimmten Anthropologie aus und kommen zu verschiedenen Schlussfolgerungen.
  • Hobbes hilft damit dem englischen Absolutismus (beeinflusst von den Wirren des Bürgerkriegsjahrhunderts). In "Leviathan" wird der Absolutismus gerechtfertigt, eine starke Zentralgewalt verhindert einen gnadenlosen Konkurrenzkampf. Der Mensch ist des Menschen Wolf. Es bedarf eines Gesellschaftsvertrages als freiwillige Vereinbarung, der eine Herrschaftsausübung an eine Ordnungsgewalt überträgt. Ein Herrscher ist auf Grund eines nicht kündbaren fiktiven Vertrages eingesetzt. Betont wird das bürgerliche Eigeninteresse von Menschen, damit auch die Grundlage einer bürgerlichen Gesellschaft (vgl. eine Gesellschaft mit Vorstufen eines Privateigentums und Marktmechanismen).
  • Rousseau untergräbt den französischen Absolutismus (beeinflusst von der Reformunfähigkeit des französischen Königtums). In "Contract social" greift er auf den Naturzustand zurück, sieht den (männlichen)Menschen der Natur nach als Gemeinschaftswesen in einer plebiszitären direkten Demokratie, etwa in der Größe von Stadtstaaten (vgl. die mangelhafte Gleichstellung von Frauen).
Deutlich werden nun politische Theorien dargelegt, wie sie im Kontext mit der Realität stehen. In der Neuzeit löst sich das Weltbild des Mittelalters auf, von einer göttlichen Ordnung zu einer säkularen Vorstellung trotz unterschiedlicher Auffassungen (vgl. eine Emanzipation der Politik von der Religion).

Die Bürgerkriege im 17. Jahrhundert in England waren Ausdruck einer Veränderung der Gesellschaft. Zwischen Absolutismus und radikaler Republik entstand in der Folge mit der "Glorreichen Revolution" 1688 ein System des Gleichgewichts zwischen Thron und Parlament.

Hatte Hobbes eine Theorie zur Rechtfertigung von königlicher Herrschaft geliefert, formulierte Oliver Cromwell die Gegenposition mit der ökonomischen Realität einer Republik als Ausdruck breiter politischer Mitbestimmung.

  • Die Levellers verfügten über eine Zustimmung in ärmeren Schichten und der Armee. "The True Levellers" als radikale Gruppe hatte ein agrar-kommunistische Konzeption. Mit Berufung auf Gott und die Vernunft wurde Privateigentum abgelehnt. 1649 gründete man eine Siedlung nach dieser Konzeption, deren Vorgangsweise bis in das 19. Jahrhundert sich wiederholen sollte.
  • Die Republikaner brachen naturgemäß mit der Monarchie, nicht aber mit dem Privateigentum.
John Locke versuchte einen Brückenschlag zwischen Monarchie und bürgerlicher Mitbestimmung. In "Two Treatises of Government" 1681 wird der Naturzustand als bürgerliche Gesellschaft, ökonomisch definiert, mit individuellen Freiheiten im Gleichgewicht mit staatlicher Macht gesehen. Dies ist das System der Gewaltenteilung.

John Locke ist der Theoretiker einer bürgerlichen Revolution mit weiterführender Entwicklung. Die Weichen für eine bürgerliche Demokratie wurden gestellt.

Mit den Ideen von Charles Louis Montesquieu wurden John Lockes politische Theorien in Frankreich weitergeführt. Im Kontext mit den Ideen von Aristoteles sollet eine gemischte Staatsform mittels Gewaltenteilung erreicht werden - republikanische Legislative, monarchische Exekutive und oligarchische Judikative.

Mit der Unabhängigkeit der USA 1776 wurde die Lehre von der Gewaltenteilung eingeführt und entsprechend den Verhältnissen Nordamerikas weiterentwickelt. Dies galt besonders für die Form einer demokratischen Exekutive (gewählter Präsident). Die amerikanische Revolution war ein massiver politischer Eingriff.

In der Formulierung der Unabhängigkeitserklärung von Thomas Jefferson ist eine Erklärung der Menschenrechte enthalten. Alle Menschen sind frei und gleich geboren (vgl. die damalige Gesellschaft mit ihren rechtlichen Beschränkungen bei Frauen und Sklaven). Ebenso ist von Interesse die Grundtendenz der "Federalists" mit ihrem pessimistischen Menschen- und Gesellschaftsbild. Demokratie wird negativ definiert, der Staat wird zum Schutz konzipiert.

In den Anfängen der USA kommt es zu einer Gegentradition("Populistische Demokratie"). Jefferson hatte ein positives, von Rousseau beeinflusstes Bild von Demokratie mit weniger Staat und Zentralgewalt. Begünstigt wurden lokale Selbstverwaltungen, kleine politische Einheiten mit Selbstkontrolle("Populismus"). Weiterentwickelt wurde diese politische Idee von Andrew Jackson, der den Kontext von Besitz(und Privilegien) und Wahlrecht allmählich auflöste.

Mit der Entwicklung der USA von einer Konföderation als Zusammenschluss unabhängiger Staaten zu einer Föderation mit bundesstaatlicher Verfassung 1787 gibt es eine Analogie zur EU. Föderalisten setzen auf die Stärkung eines bundesstaatlichen Prinzips (Zentralgewalt der Union).

Ausgehend von einer Unfähigkeit einer Bildung einer konstitutionellen Monarchie in Frankreich brach 1789 eine Revolution aus. Ein ökonomisch starkes Bürgertum ("Dritter Stand") verlangte politische Mitsprache.

  • Bürgertum und Bauerntum erhielten politische Vorherrschaft.
  • Die Kluft zwischen Armut und Reichtum, Besitz und Nicht-Besitz, war immer noch zu spüren. Politische Freiheit bedeutet noch nicht die Beseitigung von ökonomischen Ungleichheiten und Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern.
  • Der Anspruch auf eine Aufhebung geschlechtsspezifischer Diskriminierung blieb bis in die nächsten Jahrhunderte bestehen.
  • Den weitesten Schritt in Richtung Revolution unternahmen die Jakobiner mit der "Konventsverfassung" 1793. Der Demokratiebegriff von Rousseau wurde mit Wirtschaftsliberalismus verbunden (vgl. ein großes Parlament["Nationalversammlung"], kurze Gesetzgebungsperioden, häufige Wahlen, Öffentlichkeit, Garantie für Privateigentum und Freizügigkeit im ökonomischen Handeln).
  • Mit dem Sturz von Robespierres 1794 kam es in der Folge zur "Direktorialverfassung" von 1795 mit einem Zensuswahlrecht.
  • Napoleons Staatsstreich 1799 beseitigte die Errungenschaften der politischen Demokratie.
Beispielhaft ist der Ablauf der Französischen Revolution für die Entwicklung einer allgemeinen Revolutionstheorie.

  • Aufschaukeln eines Potentials mit anschließender Radikalisierung("Die Revolution frisst ihre Kinder").
  • An einem bestimmten Punkt kippt das Potential, die Resultate werden weitgehend zurückgenommen (vgl. die Ähnlichkeit von Frankreich 1789 und Russland 1917).
  • Mit der zunehmenden Intensität einer Revolution über die allgemeine Politik hinaus und die gesamte Gesellschaft wächst der Widerstand gegen eine Revolution.
Die angesprochenen Revolutionsausrichtungen bilden

  • ein Spannungsfeld im 19. Jahrhundert, das den Widerspruch zwischen Liberalismus (Freiheitsziel) und Sozialismus (Gleichheitsziel) betrifft. Francois Babeuf zeigt dieses Spannungsverhältnis auf. Im "Manifest der Plebejer" 1795 wird der Übergang vom Jakobinismus zum Frühsozialismus dargestellt.
  • den Anspruch, dass alle Menschen frei sind und gleich geboren werden (gleichsam ein natürlicher Zustand). Weil Menschenrechte nicht verwirklicht wurden/werden, sind sie der Motor für weitere Entwicklungen.
Die Anfänge des Liberalismus weisen auf die Interessenslage des Bürgertums hin. Die Anfänge des Konservatismus weisen auf die Reaktionen der bürgerlichen Revolution hin. Im 19. Jahrhundert sind beide politische Richtungen wegweisend für politische Traditionen.

  • Liberale Theorien sind gekennzeichnet für eine Verbindung von politische und ökonomischen Ideen.
    • David Hume und Adam Smith strebten ein politisches und ökonomisches Gleichgewicht an.
    • Hume bejaht monarchisches und republikanisches Gleichgewicht, die Regierungsgewalt soll möglichst berechenbar sein. Die politische Autorität soll möglichst genau umschrieben sein und der Freiheit des Bürgers dienen. der Einzelne sterbt nach Verbesserungen, der Egoismus wird Motor der gesellschaftlichen Gestaltung.
    • In der Folge kommt es zum Konzept des Rechtsstaates, der Politik werden Grenzen gesetzt. Der Staat in seiner Gewaltenteilung hat sich an gesetzliche Normen in Form der Verfassung zu halten.
    • Das Konzept der Marktwirtschaft baut auf Angebot und Nachfrage. Mit Smith kommt es zum ausbalancierten Verhalten von Eigeninteressen - Wirtschaft und Konsumenten - in einem Ordnungssystem.
  • Der Utilitarismus Jeremy Benthams steht in liberaler Tradition. Staatliche Handeln darf nur dem individuellen Nutzen dienen. Utilitaristisches Denken will mit staatlichen Maßnahmen persönlichen Nutzen maximieren. Dies verlangt eine egalitaristische und sozialstaatliche Ausrichtung, damit der persönliche Nutzen des Einen durch den Schaden des Anderen ausgeglichen werden kann. Der Utilitarismus vernachlässigt den Vorteil des Einzelnen zugunsten eines kollektiven Vorteils.
  • John Stuart Mill formuliert das Dilemma mit einem ökonomischen und politischen Liberalismus. Individuelle Freiheit vs. soziale Konsequenzen eines ungebremsten Kapitalismus bedarf demnach einer Ergänzung einer sozialen Gleichheit. Soziale Eingriffe des Staates zugunsten Schwacher und eine Ausweitung des Wahlrechts werden gefordert.
  • Der Liberalismus beschäftigt sich in der Folge mit dem Verfassungsstaat, der Gewaltenteilung und der Trennung von Kirche und Staat. Dies betrifft auch den Konservativismus.
    • Der moderne Konservativismus mit Edmund Burke vertritt die eine schrittweise Anpassung des politischen Systems an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse (Theorie der Evolution).
    • Alexis de Tocqueville mit seinem Werk "Über die Demokratie in Amerika" analysiert die Zukunft der Demokratie im Kontext von Freiheit und Gleichheit(von ihm als zentrales Merkmal einer Demokratie bezeichnet).
    • Mit der beginnenden Demokratiekritik wird auf die Schwierigkeit einer Verfolgung langfristiger Ziele hingewiesen (Beobachtung von Tocqueville). Aufgeworfen wird die Frage nach der Vereinbarkeit von Demokratie und Zeit (vgl. die Problematik von zukünftigen Weichenstellungen, etwa in ökologischen Lebensfragen). Konservative Demokratiekritik formuliert die Skepsis, dass es ein Zuviel an Demokratie geben und die gewonnenen Freiheit wieder vernichten könnte.
Für den modernen Sozialismus waren die Ergebnisse der bürgerlichen Revolution enttäuschend. Der Widerspruch zwischen Besitzinteressen (industrielle Produktion) und Zielvorstellungen (Verbesserung der Verhältnisse Lohnabhängiger) verstärkte den Eindruck einer gespaltenen Gesellschaft.

Der Sozialismus nahm Partei für die Lohnabhängigen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte der Sozialismus eine utopische Komponente (vgl. die Tradition der "True Levellers").

Den Denkern des frühen Sozialismus war gemeinsam, dass sie sich mit zukünftigen Aspekten bzw. Alternativen zum Kapitalismus beschäftigten. Allerdings fehlte ihnen eine Analyse und Strategie, wie die des marxistischen Sozialismus.

  • Louis Blanc und Ferdinand Lasalle entwarfen anders als die frühen Sozialisten einen staatsbezogenen Sozialismus. Dieser Ansatz nahm viel von dem späteren postmarxistischen Sozialdemokratie vorweg. Beide wollten schrittweise mehr soziale Gleichheit und gesellschaftliche Bedingungen verändern.
  • Mit Karl Marx und Friedrich Engels wurde die sozialistische Theoriebildung bedeutend. Im von beiden veröffentlichten "Manifest der Kommunistischen Partei" und von Marx publizierten ersten Band von "Das Kapital" wurde der harte Kern dieses Sozialismus dargelegt. Beschrieben und analysiert wurden gesellschaftliche Abläufe und zukünftige Entwicklungen als Parteinahme. Fünf Merkmale erweisen sich in diesen vielfältigen Deutungen ist wesentlich.
    • Im Materialismus wird der Mensch aus seinem gesellschaftlichen Umfeld erklärt. Abgelehnt werden außergesellschaftliche metaphysische Interpretationen.
    • Im Historizismus wird die gesellschaftliche Entwicklung als Ablauf bestimmter Gesellschaftsformationen gedeutet. Die Abfolge unterliegt Gesetzmäßigkeiten(vgl. Feudalismus > Kapitalismus > Sozialismus > Kommunismus).
    • Im Ökonomismus werden die Entwicklungsstufen von den Produktionsverhältnissen und damit den Klassengegensätzen bestimmt. Die zukünftigen Herrschaftsverhältnisse weisen auf eine Herrschaftsaneignung durch die Unterdrückten.
    • In der Revolution erfolgt der Übergang von einer zur anderen Klassenherrschaft. Notgedrungen kommt es zu personaler Gewalt, wobei die Französische Revolution als Modell das marxistische Verständnis beeinflusst.
    • Im Internationalismus zeigt es sich, dass die Arbeiterklasse nationale Grenzen überwindet. Die nationalen Ketten der Unterdrückung werden abgeworfen.
Die Stärke des Marxismus liegt wohl in der bestehenden Analyse, nicht aber in der Prognose zukünftiger gesellschaftlicher Verhältnisse.

Mit der Entwicklung von sozialistischen Massenparteien am Ende des 19. Jahrhunderts änderte sich die politische Theorie. Aus Opposition wurde eine Arbeiterbewegung mit dem Zwang einer politischen Rechtfertigung (vgl. PELINKA 1980b).

Zwei Hauptrichtungen entwickelten sich, wobei die russische Oktoberrevolution 1917 die Spaltung erzwang.

  • Mit dem Marxismus-Leninismus stand eine Variante als sozialistische Revolution fest.
  • Die andere Variante stand der Oktoberrevolution kritisch bis ablehnend gegenüber und entwickelte sich als Sozialdemokratie.
  • Der Bruch in beide Richtungen zeichnete sich 1903 bereits ab. Im Exil trennten sich die russischen Sozialdemokraten. Der Mehrheitsflügel("Bolschiwiki"/Kaderpartei-Berufsrevolutionäre) folgte der Theorie Lenins, der Minderheitsflügel("Menschiwiki") entwickelte sich als Sozialdemokratie.
1917 übernahmen die Bolschiwiki die Macht in Russland. Ohne parlamentarische Regeln einer bürgerlichen Demokratie kam es zu einem Revolutions- bzw. Kader-Parteiverständnis.

  • Mit dem Tod von Lenin kam es zu einer Spaltung. Stalin forcierte einen "Sozialismus in einem Staat", Trotzki die "Weltrevolution" und ständige Revolution.
  • Abweichungen gab es in eigenständigen Entwicklungen wie etwa in China und Jugoslawien. Tito brach 1948 auch in der politischen Theorie mit der Einführung der Arbeiterselbstverwaltung mit der Sowjetunion, Mao-Tse-tung 1949 betonte die eigenständige bäuerlich-revolutionäre Rolle ("Marsch auf Peking"). Der Eurokommunismus in Italien und Frankreich war eine zusätzliche Variante.
  • Mit dem Ende der kommunistischen Systeme in Europa begann auch das Ende der Attraktivität für den Marxismus-Leninismus. Ab 1991 kann man vom Ende marxistisch-leninistischer Theorieentwicklung sprechen.
  • Für die Sozialdemokratie bedeutete dies Integration in demokratisch-politische Systeme, mit Berufung auf Marx, Lassalle, Blanc und Lehren sozialdemokratischer Richtungen.
Die Bandbreite erstreckt sich hauptsächlich auf zwei Theorietraditionen.

  • Im Oppositionssozialismus wird eine Änderung der Eigentumsverhältnisse betont (vgl. den Austromarxismus 1900-1934/Otto Bauer, Max Adler, Karl Renner; "orthodoxe Sozialdemokratie" Karl Kautskys).
  • Im Regierungssozialismus - beeinflusst von Lasalle und Blanc - zeigt sich die Notwendigkeit eines pragmatischen Sozialismus (Parlamentarismus, schrittweise Reformen; vgl. den Revisionismus von Eduard Bernstein um 1900 mit einer Anpassung an die geänderten Verhältnisse aus den Erfahrungen der britischen Gewerkschaftsbewegung). Hier gehören die sozialdemokratischen Parteien nach 1945 dazu, die als Regierungsparteien zur Stabilisierung liberaler politischer Systeme beitrugen.
Eine Sonderform der politischen Entwicklung schon zur Zeit von Marx war der Anarchismus. Merkmale waren die Ablehnung jeder Autorität und staatlichen Organisation (vgl. Proudhon, Bakunin; vgl. die Spontaneität der Massen mit direkten Aktionen, etwa als Generalstreik - ein gewisser Einfluss zeigte sich auf die Arbeiterbewegung in Frankreich und Spanien zu Beginn des 20. Jahrhunderts).

Mit dem Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff "Sozialismus" unscharf.

  • Mit dem Ende des sowjetischen Systems ist die kommunistische Variante des Sozialismus ausgelaufen.
  • Die Regierungsform des Sozialismus wurde zu einer Praxis der Sozialdemokratie mit einer oftmals mangelhaften Unterscheidung zu anderen demokratischen Parteien (vgl. den Anteil aller Parteien am Sozial- und Wohlfahrtsstaat im 20. Jahrhundert; die Budgetpolitik mit einem sanften Interventionismus/John M. Keynes).
Im 19. Jahrhundert kam es zu einer Integration liberaler und konservativer Positionen. In der Folge entwickelte sich - hauptsächlich in Italien - eine politische Theorie mit einem konservativen Beitrag zur Elitentheorie (vgl. Vilfredo Pareto; Gaetano Mosca; Robert Michels, "Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie" 1911).

Der Skeptizismus der konservativen Elitentheorie zeigt sich nach 1945 in bestimmenden ähnlichen politischen Ideen.

  • Die Totalitarismus-Theorie von Hannah Arendt unterstreicht den totalitären Charakter moderner Massenbewegungen und die Gemeinsamkeiten von Kommunismus und Faschismus (vgl. die Bedeutung der Vernichtungslager im NS und Stalinismus als "Laboratorien für das Experiment totaler Herrschaft").
  • Die "enge" Demokratietheorie - J.L. Talmon und Wilhelm Hennis - weist auf die Beschränkung der Demokratie auf den Staat und das politische System hin. Eine Aufhebung dieser Beschränkung wird als Weg zur Zerstörung der Demokratie beurteilt.
Die Christliche Soziallehre als Lehre der Römisch-Katholischen Kirche am Ende des 19. Jahrhunderts ist keineswegs als konservativ einzustufen. Betont wird das evolutionäre Prinzip und die Ablehnung radikaler Konzepte. Der Versuch eines dritten Weges zwischen Marxismus und liberalem Kapitalismus beginnt mit "Rerum novarum" 1891 zur Lösung der sozialen Frage (vgl. die Grundlage für christliche Parteien und Gewerkschaften).

Grundgedanke ist die Vorstellung einer Kooperation zwischen Arbeit und Kapital, also Arbeitnehmern und Arbeitsgebern. Verschiedene Aspekte zeigen jedoch mögliche Interpretationsmöglichkeiten.

  • Der gesellschaftsverändernden Charakter der Soziallehre stellt das liberal-kapitalistische System mit Hinweis auf das Gerechtigkeitsgebot in Frage.
  • Betont werden einerseits die christlich-demokratischen Traditionen und deren Bündnisse, andererseits konservative und liberale Positionen.
Die Katholische Soziallehre hat lange Zeit kaum mit Fragen der Demokratie beschäftigt (vgl. die Gleichgültigkeit zum Faschismus in Italien und Spanien; zu bedenken ist der Abschluss des Lateranvertrages 1929 mit der Festigung staatlicher Autorität des Hl. Stuhls und dem politischen Einfluss in Italien; umstritten ist die Haltung zum NS-Staat in Deutschland).

Das Verhalten der Päpste gegenüber Diktaturen im 20. Jahrhundert änderte sich erst nach 1945 und hier besonders im Zweiten Vatikanischen Konzil 1962-1965 durch die Konstitution "Gaudium et Spes" mit einer positiven Sichtweise der Katholischen Kirche zur liberalen Demokratie.

Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts steht für den Rechts- bzw. Verfassungsstaat und Marktwirtschaft. Aus der Marktwirtschaft schöpfte in der Folge im 20. Jahrhundert der Liberalismus wesentliche Impulse.

Joseph Schumpeter wandte sich gegen die klassische Lehre der Demokratie. Für ihn war die normative Demokratietheorie mit der Identität von Herrscher und Beherrschten ein Instrument der Vernebelung von Herrschaftszuständen. Er definierte bescheidener indem er die Methode ansprach. Die Demokratie als Marktmechanismus war in seinem Buch "Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie" 1940 der Kerngedanke, der die politischen Akteure in die Abhängigkeit der politischen Konsumenten bringt.

Diese Demokratietheorie wurde in der Folge von Anthony Downs 1957 zu einer umfassenden ökonomischen Theorie der Demokratie. Im Sinne des Wettbewerbs kommt es in der Wahlauseinandersetzung zu einer Wettbewerbspolitik, die sich über politische Inhalte stellt. Anzupassen wäre die Überzeugung der für die Erringung des Wahlsieges erforderlichen Wählermeinung. Demokratie ist nach diesem Verständnis ein Prozess der ständigen Anpassung an die politische Nachfrage.

Die Theorie des Rational Choice will politisches Verhalten als Reaktion auf Anreize deuten. Wählende entscheiden sich für Parteien mit bestimmten Präferenzen. Politische Akteure ordnen ihre Handlungsmöglichkeiten nach einem Präferenzschema. Politisches Verhalten wird so standardisiert, ähnlich wie ökonomisches Verhalten.

In der Folge wird nach 1945 der politische Liberalismus von John Rawls, Ernst Fraenkel, Robert Dahl und Amitai Etzioni weiter geführt bzw. entwickelt.

  • John Rawls entwarf eine "Theorie der Gerechtigkeit" als Dimension für einen sozialen Liberalismus mit Annahmen des Utilitarismus. Wesentlich ist die Kombination von Freiheit und Gleichheit, die jedem offen steht. Ungleichheiten beziehen nicht auf die Grundrechte und politische Freiheiten (vgl. den Unterschied zum Utilitarismus). Grundlage der Überlegungen ist ein rationaler Akteur mit Interessen und dem Ziel eines Wohlergehens für jedermann.
  • Ernst Fraenkel geht von einer Theorie des Pluralismus aus, der den Verfassungs- bzw. Rechtsstaat im Kontext mit politischen Organisationen sieht. Diese sind für die Freiheit der Menschen wünschenswert und Voraussetzung dieser Freiheit.
  • Robert Dahl geht vom Konzept des "citizenship" aus, das sich in der liberalen Demokratie in Form einer Beteiligung am politischen Prozess ergeben soll. Als demokratietheoretisches Defizit gilt eine Nicht-Beteiligung am politischen Prozess (vgl. etwa der Ausschluss von EU-Bürgern bei Wahlen, Ausschlüsse am Arbeitsmarkt und Teilnahmeverweigerung an Wahlen).
  • Amitai Etzioni formuliert das Konzept des "Communitarismus" in der politischen Theorie, das eine Selbstorganisation der Zivilgesellschaft vorsieht, weil der Staat überfordert ist (vgl. auf lokaler Ebene etwa die Erziehung und Bildung sowie die Kultur mit ihren Einrichtungen).
Es zeigt sich in der Folge, dass nicht nur der politische Liberalismus, vielmehr auch die Sozialdemokratie die theoretischen Ansätze beansprucht. So verbreiten sich diese Theorien weniger in liberalen Parteien als in liberalen Systemen.

Verbunden mit dem Begriff Diskurs im 20. Jahrhundert sind zwei Denker , die politisch-theoretische Grundsätze vertreten.

  • Michael Foucault versucht, gesellschaftliche Machtverhältnisse zu erklären und zu verstehen. Wissen ist nicht Macht, Wissen ist Ausdruck von Macht. Was wir für Wissen halten, ist ein Ergebnis eines Konstruktionsprozesses in einem Machtverhältnis. "Wahrheiten" werden in Selektionsprozessen in Gesellschaften produziert.
  • Jürgen Habermas als Mitarbeiter von Theodor Adorno gilt als Vertreter der kritischen delibarativen Theorie, die den öffentlichen Diskurs über politische Themen fordert. In der "Theorie des kommunikativen Handelns" 1981 argumentiert Habermas, dass der prozesshafte öffentliche Diskurs die Grundlage einer aktiven Zivilgesellschaft sei und dieser für jedermann zugänglich sein muss.
Neoliberalismus' wird als Begriff am Ende des 20. Jahrhunderts für eine Deregulierung der Ökonomie verwendet. Margret Thatcher und Ronald Reagan zielen in ihrer politischen Orientierung auf die Rücknahme der sozialen Ungleichheiten korrigierenden politischen Eingriffe in die Marktwirtschaft. Einrichtungen des Sozial- bzw. Wohlfahrtstaates werden teilweise zurückgenommen. Man beruft ich auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Es zeigt sich, wie vielschichtig und auch unscharf der Begriff "Liberalismus" wurde.

Der Faschismus deutet die Elitentheorie als Absage an jede Form der Demokratie. Verschiedene Strömungen und Bewegungen kennzeichnen den Begriff.

Gemeinsam ist mit Hinweis auf die Elitentheorie

  • das politische Recht des Stärkeren (vgl. den Sozialdarwinismus),
  • die Rechtfertigung einer expansiven Außenpolitik und
  • das Führer-Prinzip.
Faschistische Strömungen zeigen sich als

  • autoritäre Elitentheorie (vgl. Italien 1922-1945) und
  • totalitäre Rassentheorie, gleichgesetzt etwa mit dem deutschen Nationalsozialismus und Antisemitismus.
  • Kennzeichnend ist ein Kulturpessimismus. Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" gilt als ältere Tradition.
  • Ebenso zeigt sich eine Ungleichheit zwischen Führer und Masse, Völkern und Nationen, hochwertigem-minderwertigem-unwertigem Leben (vgl. Parasitentum).
In der Faschismustheorie werden

  • in der liberalen Form die antidemokratischen, antiliberalen und totalitären Dimensionen des Faschismus betont (vgl. Ernst NOLTE) und
  • die marxistische Form mit dem kapitalistischen Charakter sowie der Abhängigkeit vom Kapital (vgl. Reinhard KÜHNL).
Der Begriff "Faschismus" hat auch seine Trennschärfe verloren. Mit dem Ende des Faschismus 1976 in Spanien verlor der Begriff seine aktuelle Bedeutung in der politischen Theorie.

Autoritäre Systeme in Lateinamerika wurden in der Folge mit dem Begriff "Linksfaschismus" - etwa der Peronismus in Argentinien - bezeichnet.

4.2.12 Reflexion - Ausblick    

Eine politische Ideengeschichte ist wesentlich eine europäische und männliche Geschichte.

Simone de Beauvoir hebt die weibliche Wahrnehmung von Politik und Gesellschaft in "Das andere Geschlecht" 1949 hervor. Typisch für den Feminismus als politische Theorie ist der weite politische Begriff mit Lebenserfahrung, Naturerlebnis, Diskriminierung und weibliche Sichtweise von Politik.

Betty Friedan setzt mit dem "Weiblichkeitswahn" eine anderen Aspekt. Die (besondere) Rolle der Frau behindert ihre volle Entfaltung (vgl. die scheinbar freiwillige Ghettoisierung).

Der Eurozentrismus ist in der theoretischen Auseinandersetzung mit der Abhängigkeit der Entwicklungsländer konfrontiert.

Angesprochen werden

  • die Imperialismus-Theorie ausgehend von Lenin als Folge des Expansionsstrebens kapitalistischer Staaten,
  • die Dependenztheorien der Dritten Welt mit einer nachkolonialen Abhängigkeit,
  • die Theorien des Multi-Kulturalismus in Form der Massenmigration als Aufhebung der kulturellen Differenz und damit einem außereuropäischen Einfluss auf Europa und Nordamerika
(vgl. Trans- und Interkulturelle Kompetenz vorrangig in Wirtschaft, Bildung, Politik und Kultur) sowie

  • die Theorie des Postmaterialismus (Postmodernismus) in der Unterschiedlichkeit der ökologischen Folgen des Wirtschaftswachstums.
  • Wesentlich scheint als außereuropäischer Beitrag im 20. Jahrhundert die Theorie der gewaltfreien Aktion von Mahatma Gandhi (1869-1948). Der Verzicht auf personale Gewalt und gewaltfreie Kampfmaßnahmen In Form von Protest-legaler Nichtzusammenarbeit-zivilem Ungehorsam hatte Auswirkungen auf die Bürgerrechtsbewegung der USA (vgl. Martin Luther Kings Verweis auf die Lehren Gandhis, TV-Berichte über die Rassentrennung, Druck auf Politiker).
  • Gegensätzlich ist die Theorie des Befreiungskampfes, also die gewaltsame Konfrontation mit den Kolonialmächten bzw. Vertretern der herrschenden Eliten einer postkolonialen Ära. Angeknüpft wird an die Theorie des gerechten Krieges, der in der Dritten Welt weiterentwickelt wurde.
Politische Ideen bzw. Theorien führ(t)en zu einer Internationalisierung. Die Globalisierung von Wirtschaft, Umwelt, Politik, Kultur, Medien, Weltanschauungen bzw. Religion und Sitten bzw. Werten hat ihre Auswirkungen auf globale politische Problembereiche (vgl. beispielhaft die Universalität der Menschenrechte, Klima, Konfliktlösungsmechanismen, Finanzierungsprobleme, Börsenkurse, Wirtschaftsabkommen, Bildungsvergleiche und den Nachrichtenverkehr).

4.2.13 Literaturverzeichnis/Lernfeld Politik    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.


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4.3 Pädagogische Professionalität - Diversity    

Lehrende sind in ihrer Rollenerwartung der Institution Schule bzw. lehrerbildenden Institution, Elternschaft und Gesellschaft unterworfen, zugleich aber auch sehen sie ihre Begrenzungen und Zwänge. Das Spannungsfeld erweist sich zwischen wissenschaftlich-fachlichen, strukturbedingt-organisatorischen und subjektorientierten Herausforderungen(vgl. MEUELER 2009; HOLZBRECHER 2017, 17).

Spannungsfelder gehören zu den zentralen Kennzeichen professionellen Handelns im Lehrberuf(vgl. ILLIEN 2009). Ihre Kenntnis lässt eine bewusste Positionierung zu und ergibt Handlungskompetenz.

  • Wesentlich ist das Spannungsfeld "Nähe-Distanz", das sich in der Leistungsbeurteilung in Form der Orientierung am Subjekt und der Sach- bzw. Aufgabenorientierung zeigt.
  • Generalisierungen bzw. Pauschalisierungen wie etwa Ausländer, Lernbehinderungen, Hochbegabte und Minderbegabungen werden gerne als "fremd" wahrgenommen und verstellen den Blick auf andere Situationsdeutungen. Verlangt wird eine Orientierung am Einzelfall mit einem hohen Professionalierungspotenzial.
  • Interkulturell geht es auch um das Spannungsfeld "Kulturrelativismus vs. Universalismus". Die Herausforderung ergibt sich aus der Schulhistorie und den gesellschaftlichen Normen, die nur wenig auf die Lernenden mit ihren Entwicklungsaufgaben Bezug nehmen(vgl. HOLZBRECHER 2017, 18).
Inklusionspädagogik ergibt sich aus dem Denken in Spannungsfeldern. Die Akteursperspektive der Studierenden, in der Folge Lehrender setzt persönliche und professionsbezogene Ziele voraus, verlangt einen persönlichen Bildungsgang, ergibt persönliche Schwerpunkte, die motivieren und versucht solche Haltungen glaubhaft weiterzugeben(vgl. zur Didaktik REICH 2014). Lehrende sind das wirkungsvollste Medium im Lehr-Lern-Prozess, lassen eine wertschätzende Lernkultur entwickeln und wirken damit biografisch wirkungsvoll(vgl. HATTIE 2013; HOLZBRECHER 2017, 18).

Im Folgenden geht es um den Umgang mit "critical incidents", also mit Situationen im Diversity-Ansatz, die als Störungen wahrgenommen werden(vgl. HOLZBRECHER 2017, 18-25).

4.3.1 Critical incidents im Diversity-Ansatz    

Konfliktsituationen im globalisierten Klassenraum bzw. universitären Seminarraum ergeben ein komplexes Bild unter den Aspekten der

  • Biografie der Konfliktpartner,
  • der familiären Sozialisation,
  • der Gleichaltrigengruppe und des soziokulturellen Milieus,
  • der Herkunftskultur und
  • im Kontext der situativen Bedingungen und des institutionellen Rahmens.
Critical incidents eignen sich hervorragend als Training interkultureller Kompetenz. Das Konzept interkultureller Pädagogik mit der Herausforderung des Umgangs mit Fremdheit ergibt das Verständnis zu Kontaktprozessen und eröffnet reflexiv Fragen wie wer bin ich, dass ich dieses Verhalten in dieser Weise wahrnehme(vgl. HOLZBRECHER 2017, 19).

Im Folgenden geht es um

  • Lernende in ihrer Persönlichkeit und altersspezifischen Entwicklungsaufgaben(Subjektorientierung),
  • den familiären Kontext mit Rollenmustern, Unterschiedlichkeiten der Normen und dem familiären Gleichgewicht,
  • Peers mit ihrem Rollenbewusstsein, Identitäten, Identifikationen, Abgrenzungen,
  • soziokulturellen Milieu mit Zukunfts- und Wertvorstellungen,
  • Kultur mit Trans- und Interkulturalität sowie
  • institutionelle Rahmenbedingungen mit Unsicherheiten und Verhaltensweisen.
Diversitätsbewusste Pädagogik ergibt einen Paradigmenwechsel.

  • Das Lehren soll vom Lernenden aus gedacht werden. Es geht um die Gestaltung der Lernumgebung, die Auseinandersetzung mit Lernaufgaben, Erfahrungen von Kompetenz und die Selbstwirksamkeit mit neuen Lernbedürfnissen.
  • Aktivitäten Lehrender zielen auf Förderung, die Herausforderung von Lernaktivitäten für alle, die Wertschätzung von Vielfalt, vielfältige Lernvoraussetzungen und neue Lernzugänge, instruktionsorientierte-individualisierte-kooperative Unterrichtsphasen und vielfältige Leistungsbeurteilung und Feedbacks.
  • Eine solche Pädagogik ist eine Absage an die 7-g-Logik(gleichaltrige Lernende, gleicher Zeitpunkt, gleicher Lehrender, gleicher Raum, gleiche Mittel, gleiches Ziel, gleiche Voraussetzungen).
4.3.2 Lernvoraussetzungen-Lernzugänge-Lernwege    

Professionalität im didaktischen Handeln ergibt sich aus der

  • diagnostischen Kompetenz mit der Feststellung des Lernstandes und Lernzugängen,
  • didaktischen Kompetenz mit der Kenntnis der Fachdidaktik und Unterrichtspraxis sowie
  • Evaluationskompetenz mit Messung der Lernangebote und Lernerfolge.
Differenzlinien zeigen sich in der/dem

  • Leistungsfähigkeit mit der Auffassungsfähigkeit, Verarbeitungstiefe und spezifischen Interessen bzw. Begabungen,
  • Motivation mit externen und internen Faktoren,
  • Vorwissen und Sprachkenntnissen,
  • Lernstil mit induktiven und deduktiven Lernenden,
  • Lerntempo,
  • soziokultureller Herkunft und
  • Zuwanderungsgeschichte - soziokulturelle Herkunft(vgl. REICH 2014; BARSCH-GLUTSCH-MASSUMI 2017, 17-33).
4.3.3 Didaktische Differenzierung    

Ohne Zweifel ist es sinnvoll, die Differenzlinien didaktisch möglichst unkenntlich zu machen.

  • Differenzsensibel unterrichten bedeutet professionelle Planung mit optimaler Lern- und Entwicklungsförderung.
  • Die Konzeption von verschiedenen Sozialformen bedeutet eine Reflexion der Kriterien von Differenzierung und Individualisierung. Nach einer Instruktionsphase bedarf es den Kriterien von Gruppenbildungen. Das Präsentieren von Ergebnissen und die Einordnung in ein Lehrgespräch mit Wissens-, Sach- und Fachkontext strukturiert die Lernwege.
  • Didaktisch zu reflektieren ist die Lerner-Perspektive und Sach-Perspektive.
4.3.4 Kompetenzorientierung    

Mit der Einführung verbindlicher Bildungsstandards in den letzten Jahren wird die Debatte einerseits um Kompetenzorientierung und andererseits um Schülerorientierung geführt.

  • Wird das Prinzip der Kompetenzorientierung als Fokussierung eines kognitiven Leistungsbegriffes(Leistungsdimension) verstanden, so bedarf es zusätzlich eines Konzepts zur individuellen Förderung im Sinne einer differenzierten Lehr-Lern-Strategie(Sozialdimension).
  • Herausgefordert sind ebenfalls Fragen der Fachdidaktik(vgl. FROHN-HEINRICH 2018, 65-74).
Es gehört zu den alten Strukturproblemen des Lehrerhandelns, dass mangelnde Orientierung an individueller Entwicklung bei gleichzeitiger Beachtung der kognitiven Leistungsfähigkeit wirksam ist. Zu verdeutlichen ist vielmehr, dass eine Kompetenzorientierung eine notwendige Neuformulierung klassischer Allgemeinbildungsvorstellungen beinhaltet (vgl. FROHN-HEINRICH 2018, 67).

Eine Verkürzung des Kompetenzbegriffs auf die Leistungsdimension stellt ein Problem für ein gerechtes und inklusives Schul- bzw. Bildungssystem dar.

  • Bildungsgerechtigkeitsideale der verschiedenen Lehrer-Kategorien dokumentieren erhebliche Differenzen.
  • Es geht um Nicht-Zuständigkeit für Fragen der Inklusion, die in ihrer Breite die Berücksichtigung sozialer Bezugsnormen notwendig macht und nicht in einer Verkürzung auf eine Leistungsdimension reduziert werden kann (vgl. REICH 2014).
  • Diese Verkürzung scheint bei Lehramtsstudierenden aus der eigenen Schulsozialisation sich zu ergeben bzw. aus einer differenziellen Lehramtsausbildung. Sehr prägend ergibt sich eine Sozialisation durch eigene Schulpraxis in der Lehrerbildung, womit sich die Frage stellt, mit welchen Konzepten solchen Tendenzen entgegengearbeitet werden kann.
    • Neben der ausführlichen Beschreibung inklusiver pädagogischer Maßnahmen bei Kerstin REICH(2014) ergeben sich zahlreiche Forschungsansätze in der Lehrerbildung.
    • Julia FROHN(2017) weist in ihrem Glossar "Individuelle Kompetenzentwicklung" auf ein umfangreiches Projekt zur theoretischen Grundlagenarbeit hin > http://www.hu-berlin.de/fdqi/glossar (25.3.2018).
    • Ebenso vorzufinden sind Forschungsarbeiten in diesem Glossar für inklusive(Fach-)Didaktiken (Laura RÖDEL-Toni SIMON).
    • Heinrich ZUBER-Herbert ALTRICHTER-Martin HEINRICH(2018) weisen in ihrer Publikation auf den Zusammenhang von Bildungsstandards zwischen Politik und schulischem Alltag hin.
4.3.5 Bewertung    

Als Kern pädagogischer Professionalität geht es in der Leistungsbewertung um unterschiedliche Normen.

  • In der Sachnorm geht es lernende Inhalte und Fachkompetenz.
  • Mit dem Vergleich mit anderen Lernenden in der Lerngruppe wird die soziale Norm berücksichtigt.
  • Im Kontext einer neuen Lernkultur bedarf es der individuellen Norm, womit ein Spannungsverhältnis zur Sachnorm und sozialen Norm sich ergibt.
  • Es bedarf eines Ausbalancierens der drei Bezugsnormen.
  • Möglichkeiten einer differenzierten Bewertung können auch in der Unterscheidung von Lernaufgaben(lernen-ausprobieren-erkunden-entdecken) und Leistungsaufgaben(Test-Klassenarbeit/schriftliche Prüfung) sich ergeben.
  • Eine Ausweitung einer Leistungsbeurteilung erscheint wünschenswert.
4.3.6 Literaturverzeichnis/Professionalität-Diversity    

Barsch S.-Glutsch N.-Massumi M.(Hrsg.)(2017): Diversity in der Lehrer_innenbildung. Internationale Dimensionen der Vielfalt in Forschung und Praxis, Münster

Dichatschek G.(2017): Interkulturalität. Ein Beitrag zur Theorie, Bildung und Handlungsfeldern im Kontext von Interkultureller Öffnung und Politischer Bildung, Saarbrücken

Frohn J.-Heinrich M:(2018): Inkompetente Kompetenzorientierung? Das verkürzte Verständnis der Kompetenzorientierung und die Konsequenzen für die Lehrkräfteausbildung und Lehrkräftefortbildung, in: Die Deutsche Schule 2018, Heft 1, 65-74

Gogolin I.-Lange I.-Michel U.-Reich H.H.(Hrsg.)(2013): Herausforderung Bildungssprache - und wie man sie meistert, Münster

Gogolin I./Krüger-Potratz M.(2006): Einführung in die Interkulturelle Pädagogik, Stuttgart

Hattie J.-Beywl W.-Zierer K.(2003): Lernen sichtbar machen, Baltmannsweiler

Helmke A.(2013): Individualisierung: Hintergrund, Missverständnisse, Perspektiven., in: Pädagogik 65/2, 34-37

Holzbrecher A.(Hrsg.)(2011): Interkulturelle Schule. Eine Entwicklungsaufgabe, Schwalbach

Holzbrecher A.(2017): Pädagogische Professionalität in der diversitätsbewussten Schule entwickeln, in: Barsch S.-Glutsch N.-Massumi M.(Hrsg.): Diversity in der LehrerInnenbildung. Internationale Dimensionen der Vielfalt in Forschung und Praxis, Münster, 17-33

Holzbrecher A.- Over U.(Hrsg.)(2015): Handbuch Interkulturelle Schulentwicklung, Weinheim-Basel

Ilien A.(2009): Grundwissen Lehrberuf. Eine kulturkritische Einführung, Wiesbaden

Kniffka G./Siebert-Ott G.(2012): Deutsch als Zweitsprache. Lehren und Lernen, Stuttgart

Lange D.-Polat A.(Hrsg.)(2009): Unsere Wirklichkeit ist anders. Migration und Alltag. Perspektiven politischer Bildung, Schriftenreihe Bd. 1001, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Meueler E.(2009): Die Türen des Käfigs. Subjektorientierte Erwachsenenbildung, Baltmannsweiler

Reich K.(2014): Inklusive Didaktik, Weinheim-Basel

Stahl E.(2007): Dynamik in Gruppen. Handbuch der Gruppenleitung, Weinheim-Basel

SCHULLEITERBILDUNG ÖSTERREICH    

5 Aspekte der Schulleiterbildung Österreich    

Im Folgenden wird auf die Ausbildung, Fortbildung, Forschung, Praxis und Literatur eingegangen (vgl. PHAM-XUAN/ AMANN 2020, 296-301).

5.1 Schulleiterausbildung    

Die Aufgaben und der Tätigkeitsbereich von Schulleitern, ihre Bestellung und Fortbildungen, sind in Gesetzen und Verordnungen geregelt (vgl. beispielsweise Schulunterrichtsgesetz 2020 § 56 Abs. 2, Landeslehrerdienstrechtsgesetz 2020 § 26a, Beamtendienstrechtsgesetz 2020 § 207 h jewedilsy i.d.g.F).

Der Aufgabenumfang umfasst als

  • Vorgesetzter aller an der Schule tätigen Lehrenden und Bediensteten,
  • die Pflege der Verbindung aller Akteure an der Schule,
  • die Bereiche Schulmanagement, Qualitätsmanagement, Schul- und Unterrichtsentwicklung, Führung und Personalentwicklung.
Verlangt werden Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, berufsbegleitend und verpflichtend im Lehrgang "Schulmanagement" und ab 2019/2020 im Hochschullehrgang "Schulmanagement: Professionell führen - nachhaltig entwickeln".

Konzipiert sind die Lehrgänge mit 12 ECTS mit den Themen

  • Kommunikation und Führung,
  • Schulentwicklung, Unterrichts-, Personal-, Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement,
  • Konfliktmanagement, Schul- und Dienstecht, schulisches IKT-Management und E-Learning sowie Modulen im Angebot
  • Öffentlichkeitsarbeit, Zeit- und Selbstmanagement
Mit der Dienstrechtsnovelle 2013 kam eine Neuerung, dass Lehrende ab 2019/2020 in den Schuldienst treten, vor einer Bestellung in eine Leitungsposition mindestens sechs Jahre Berufserfahrung benötigen und den Hochschullehrgang besuchen müssen. Für die Durchführung der Ausbildung sind die Pädagogischen Hochschulen (PH) in Kooperation mit Universitäten verantwortlich.

Die ersten Masterlehrgänge wurden von der PH Oberösterreich/ Niederösterreich und PH Kärnten 2013 begonnen. Die Lehrgänge schließen mit einem Master of Education (M.Ed) ab. Bis zum Schuljahr 2029/2030 gilt eine Übergangsregelung für Lehrende im Dienstrecht ab ab 2019/2020 vorerst nur einen einschlägigen Lehrgang im Umfang von 30 ECTS vorsieht. Dies bedeutet, dass in diesem Zeitraum Lehrende mit einer Leitungsfunktion betraut werden, unter die Übergangsregelung fallen und den verkürzten Lehrgang besuchen müssen.

5.2 Fortbildung    

Aktive Schulleiter haben ein breites Angebot an Fortbildungen. Das Fortbildungsverhalten zeigt sich in den Ergebnissen der TALIS-2018-Studie ( vgl. Teaching and Learning International Survey OECD 2019).

  • 95 Prozent haben Fachliteratur in den letzten 12 Monaten gelesen,,
  • 87 Prozent haben Kurs/Seminar besucht,
  • 37 Prozent haben haben Beobachtung durch Kollegen und/oder Selbstbeobachtung und Coaching sowie
  • 22 Prozent Online-Kurse/Seminare genutzt.
Die Ergebnisse sind niedriger als im EU-Durchschnitt und weisen auf eine geringe Teilnahme an Fortbildungen und eher zurückhaltende Nutzung digitaler Fortbildungen hin.

Differenziert man nach Schulform die Nutzung, war etwa die Benutzung von Schulleiternetzwerken bei der AHS mit 71 Prozent höher als bei der NMS mit 56 Prozent. Online-Kurse/Seminare wurden bei der NMS mit 27 Prozent häufiger und der AHS zu 10 Prozent genutzt.

In der Gesamtschau kann der Schluss gezogen werden, dass österreichische Schulleitungen im europäischen Durchschnitt in fast allen Bereichen der Befragung den niedrigsten Bedarf an Fortbildungen artikulieren (vgl. SCHMICH-LINDEMANN/GURTNER-REINTHALER 2019, 39-52).

Als Beispiel für das privat organisierte österreichische Fortbildungswesen für Führungspersonen im Bildungsbereich kann die "Leadership Academy" (LEA) genannt werden. Von 2004 bis 2018 absolvierten 14 Generationen diesen Lehrgang. Pro Jahrgang nahmen etwa 250 bis 300 Führungskräfte aus allen Bundesländern und Schulformen, der Schulaufsicht und jeweils fachlich zuständigem Ministerium teil (vgl. SCHLEY-SCHRATZ 2005). 2018 kam überraschend die vorläufige Einstellung dieser Initiative durch das fachlich zuständige Ministerium ohne konkret Gründe (vgl. PHAM-XUAN/AMANN 2020, 299).

5.3 Literatur    

Müller H.E. (2019): Kommentar zu Kap. 3: Aus- und Fortbildung von Lehrkräften und Schulleitungen, in: Schmich J./Itzlinger-Bruneforth U. (Hrsg.): TALIS 2018, Bd. I: Rahmenbedingungen des schulischen Lehrens und Lernens aus Sicht von Lehrkräften und Schulleitungen im internationalen Vergleich, Graz, 53-55

OECD (2019): TALIS 2018, Results Bd. I: Teachers and School Leaders as Lifelong Learners, Paris

Pham-Xuan R./ Amann M. (2020): Schulleitung in Österreich: Zwischen Leadership und Schulmanagement, in: Die Deutsche Schule 2020, Heft 3, 296-301

Rohland M.-Lüders (Hrsg.) (2018): Lehrer-Bildungs-Forschung, Festschrift für Ewald Telhart, Münster

Schley W. - Schratz M. (2005): Leadership Academy: Chancen und Perspektiven für die berufsbildendem Schulen, in: Österreichische Zeitschrift für Berufspädagogik 23 4/5, 13-16

Schmich J.-Lindemann R./Gurtner-Reinthaler S. (2019): Aus- und Fortbildung von Lehrkräften und Schulleitungen, in: Schmich J./ Izlinger-Bruneforth (Hrsg.): TALIS 2018 Bd. I: Rahmenbedingungen des schulischen Lehrens und Lernens aus Sicht von Lehrkräften und Schulleitungen im internationalen Vergleich, Graz, 39-52

6 Fortbildung in Forschung und Praxis    

Sucht man zur Schulleiterfortbildung im deutschsprachigen Raum theoriebasierte Literatur, wird man kaum zur Ausgestaltung, Nutzungsverhalten und Wirkungen fündig (vgl. KLEIN-TULOWITZKI 2020, 257-276).

Dies ist wegen der hohen praktischen Relevanz bemerkenswert, zumal ein großer Teil der aktiven Klientel keine verpflichtende Qualifizierung erhalten und Studien darauf verweisen, dass Schulleiter sich nur begrenzt als Führungspersonen wahrnehmen und wenig Zeit in die Entwicklung ihrer Schule investieren und sich auch weniger erfolgreich fühlen (vgl. WARWAS 2012, SCHWANENBERG-KLEIN-WALPUSKI 2018).

6.1 Anforderungen    

Schulleitung wurde bis Ende der achtziger Jahre als eine administrative Position betrachtet, die bei der Umsetzung von Vorgaben und Reformen in der Pflicht war. Schulleitende wurden als "primus inter pares" angesehen (vgl. SCHRATZ 1998, 160-189).

In der Folge in der gesteigerten Eigenverantwortung der Einzelschule wurde die Position der Schulleitung gestärkt und es veränderten sich die Erwartungen (vgl. "Vom Verwalten zum Gestalten"; MARSOLEK-BURK-ROLFF 1994, SCHRATZ 1998).

  • Unterstützt wurde die Entwicklung durch die intensive Schulforschung und die Entwicklungen in der öffentlichen Verwaltung (vgl. DUBS 2005, 39-60).
  • New Public Management und Neue Steuerung mit einer Orientierung hin zum Management und dem Aufbau von Schulentwicklung in Verbindung mit einer Ausbildung von Schulentwicklungsberatern.
  • Bereiche wie Organisationsführung und Entwicklung, Personalführung und Entwicklung sowie Unterrichten erhalten eine größere Bedeutung (vgl. BRAUCKMANN 2014).
Tätigkeitsfelder kennzeichnen Aspekte des Unterrichtens, der pädagogischen Arbeit, des Führungshandelns und Managementtätigkeit und Schulentwicklung.

  • Unterrichtsentwicklung
  • Erziehung
  • Personalmanagement
  • Organisation und Verwaltung
  • Qualitätsmanagement
  • Repräsentation und Kooperation
Neben der Verantwortung für die ständige Schulentwicklung müssen gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie Inklusion, nachhaltige Entwicklung, Interkulturalität und Digitalisierung umgesetzt werden (vgl. KLEIN -TULOWITZKI 2020, 260).

Führungskräfteentwicklung erfolgt nicht nur punktuell, vielmehr systematisch mit der Entwicklung der Organisation, individuellen Entwicklungsbedürfnissen der Fortbildenden, und konkreten Zielen (vgl. ECK 2014).

Demnach sollen Fortbildungsmaßnahmen nicht nach dem Gießkannenprinzip erfolgen, vielmehr in enger Abstimmung mit dem Prozess der Leistungsbeurteilung und sich ergebenden Entwicklungsfeldern.

Zentrale Bedingungen für Fortbildungen ergeben sich im Folgenden.

  • Bedürfnisse der Organisation - Schulbereich und Schulsystem
  • Bedürfnisse der Fortbildenden - Feedbackstruktur im Kontext zwischen Schulleitung und Schulaufsicht zur Klärung der Bedürfnisse der Einzelschule und der Person
6.3 Wirkungen    

International zeigt sich eine geringe Wirkung in der Analyse der TALIS-Studie 2013 (vgl. OECD 2014) in der Form der traditionellen Angebote von Lehrgängen, Konferenzen oder Unterrichtsbeobachtungen kein messbarer Einfluss (vgl. KLEIN- TULOWITZKI 2020, 270).

Alternative Angebote dagegen sehr wohl. Vernetzungs- und Mentoring-Angebote mit Blick auf die Unterrichtsentwicklung zeigten eine messbaren Einfluss. GRISSOM und HARRINGTON (2010) weisen auf höhere Wirkungen von Coaching und Mentoring hin (vgl. KLEIN-TULOWITZKI 2020, 270).

In der Folge verweisen die Befunde insgesamt auf das hohe Potential von Fortbildungen, Selbstwahrnehmungen und Haltungen zur eigenen Führungsrolle zu beeinflussen.

Bedeutsam sind der spezifische und situationsbezogene Bedarf der Schule und die Bedürfnisse der Schulleitenden (vgl. für Österreich die Rolle der Schulentwicklungsberater im Kontext von Schulleitung, Schulaufsicht und Anbietern von Fortbildungsangeboten zur Professionalisierung der Fortbildungsstruktur).

6.4 Literatur    

Brauckmann S.(2014): Ergebnisbericht im Rahmen des BMBF Forschungsschwerpunktes "Steuerung im Bildungssystem geförderten Forschungsprojekts "Schulleitungshandeln zwischen erweiterten Rechten und Pflichten"", Berlin

Day D. (2011): Leadership Development, in: Bryman A.-Collinson D.-Grint K.-Jackson B.-Uhl-Bien M. (Hrsg.): The SAGE Handbook of Leadership, Thousand Oaks CA, 37-50

Dubs R. (2005): New Public Management und die Führung der Schule, in: Sigrist M.-Wehner T.-Legler A. (Hrsg.): Schule als Arbeitsplatz. Mitarbeiterbeurteilung zwischen Absicht, Leistungsfähigkeit und Akzeptanz, Zürich, 39-60

Eck C.D. (2014): Management-Entwicklung als strategischer Prozess, in: Eck C.D.-Leidenforst J.-Küttner A.-Götz K.: Führungskräfteentwicklung: Angewandte Psychologie für Managemententwicklung und Performance-Management, Berlin-Heidelberg, 5-32

Klein E.D.-Tulowitzki P. (2020): Die Fortbildung von Schulleiter*innen in Forschung und Praxis - ein Systematisierungsversuch, in: Die Deutsche Schule 2020, Heft 3, 257-276

Marsolek T.-Burk K.-Rolff H.G. (Hrsg.) (1994): Schulleitung im Spannungsfeld zwischen pädagogischen Gestalten und organisatorischem Verwalten, Berlin

Scherm M.-Posner C.-Prinz D.(2019): Führungskompetenzen von Schulleitungen. Entwicklung eines prototypischen Kompetenzmodells, in: Die Deutsche Schule 2009, Heft 4, 341-352

Schratz M. (1998): Schulleitung als change agent: Vom Verwalten zum Gestalten von Schule, in: Altrichter W.-Schley W.-Schratz M.(Hrsg.): Handbuch zur Schulentwicklung, Innsbruck-Bozen, 160-189

Schwanenberg J.-Klein E.D.-Walpuski M, (2018): Wie erfolgreich fühlen sich Schulleitungen und welche Unterstützungsbedürfnisse haben sie? Ergebnisse aus dem Projekt Schulleitungsmonitor (SHIP Working Paper Reihe No. 03), Essen: Universität Duisburg-Essen

Warwas J. (2012): Berufliches Selbstverständnis. Beanspruchung und Bewältigung in der Schulleitung, Wiesbaden

SCHULQUALITÄTSMANAGEMENT    

7 Schulqualitätsmanagement Österreich    

Seit 1.1.2019 sind die historischen Landesschulräte der Bundesländer zu Bildungsdirektionen umgewandelt und im Sinne der Vorgaben der Bildungsreform 2017 neu aufgestellt und organisiert worden.

7.1 Erweiterung Schulautonomie    

Der Gesetzgeber erweitert in Form der aktuellen Veränderungen die Schulautonomie und damit den einzelnen Schulen am Standort autonome Gestaltungsräume.

  • Bessere Lernergebnisse sollen sicher gestellt werden können.
  • Es geht um mehr Möglichkeiten in der Organisation der schulischen Abläufe und der Unterrichtsgestaltung.
  • Zusätzlich geht es auch um mehr Verantwortung in der Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung der autonomen Schulleitungen.
7.2 Bildungsregionen    

Die Freiräume der autonomen Schulen ziehen in der Folge geänderte Rollen und Aufgaben von Führungskräften auf allen Ebenen mit sich. Daher ändert sich auch der Aufgabenbereich und die Organisationsstruktur der Schulaufsicht, um der neuen Steuerungslogik zu entsprechen.

In den einzelnen Bildungsdirektionen der Bundesländer sind 2 -7 Bildungsregionen je nach Größe eingerichtet worden. Wenn in einem Bundesland die Schüleranzahl 40 000 unterschreitet, wird nur eine Bildungsregion eingerichtet, etwa im Burgenland.

In einer Bildungsregion arbeiten unterschiedliche Organisationseinheiten der Bildungsdirektion.

  • Pädagogischer Dienst - Steuerung des Qualitätsmanagement in Schulen, Koordinierung des Bildungsangebots, pädagogische Beratung und Unterstützung
  • Präsidialbereich - Steuerung der Ressourcen unter Mitwirkung des Pädagogischen Dienstes und Verwaltung der Bundes- und Landeslehrer in allen Bildungsregionen, psychosoziale Unterstützungsleistungen für Lernende, Lehrende und Eltern
  • Regionales Schulaufsichtsteam - Schulqualitätsmanager (SQM) unter einer Abteilungsleitung arbeiten schulartenübergreifend zusammen
  • Ziel - Verbesserung der Bildungsqualität, Erhöhung der Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit in der Region und Sicherung der Bildungswege in einem adäquaten Bildungsangebot der Region
7.3 Aufgabenbereiche    

  • Regionale Bildungsangebote aufeinander abstimmen, Ermöglichung der Bildungswege unabhängig von sozialer Herkunft, Geschlecht, Familiensprache, Begabung oder auch Behinderung
  • Verbesserung der pädagogischen Qualität über den Standort und Schulcluster hinaus, Förderung der Zusammenarbeit der Schulen bzw. Cluster und Nutzung struktureller, organisatorischer und pädagogischer Potentiale
  • Übergänge analysieren und fließend gestalten, Information, Beratung und Orientierung für Bildung und Beruf
  • Zusammenarbeit zwischen Schule und regionalem Umfeld mit anderen Bildungs- und Beratungseinrichtungen, etwa Gesundheits- und Sozialwesen, Entwicklung regionaler Angebote
Zur Vermeidung von Interessenskonflikten wird eine externe Schulevaluation eingeführt als Instrument des Monitorings und Bewertung der Qualität von Schulen und Clustern.

7.4 Herausforderungen    

Eine gut durchdachte Regionalplanung kann unter Einbeziehung aller Bildungseinrichtungen eine geeignete Lebens- und in der Folge Berufsplanung durchführen.

Ebenso verlangt das Modell Qualitätsmanagement einen Kulturwandel im Umgang der Akteure, veränderte Rollen und Aufgaben.

Bildungsmaßnahmen der Akteure sind ein Erfordernis, den Aufgabenanforderungen gerecht zu werden. In der Pflicht sind die Lehrerbildung, Schulleiterbildung, eine neue Schulqualitätsmanagerbildung und Fortbildungsmaßnahmen.

7.5 Anforderungsprofil    

Die folgenden Tätigkeiten fallen in die Aufgabenfelder und Verantwortungsbereiche gemäß § 225 Abs 5 BDG, § 48r Abs. 6 VBG und einer gemäß dieser Bestimmung erlassenen Verordnung.

  • Aufsicht über die Erfüllung der Aufgaben der Schulen
  • Sicherstellung der Einführung von Reformen und Entwicklungsaufgaben in der Region
  • Mitwirkung am Qualitätsmanagement - evidenzbasierte Steuerung der regionalen Bildungsplanung
  • Mitwirkung an der schularten- und standortbezogenen Schulentwicklung
  • Qualitäts-Controlling
  • Strategische Personalführung auf Ebene der Schulleitungen und Schulcluster-Leitungen
  • Bereitstellung pädagogischer Expertise an Schnittstellen
  • Krisen- und Beschwerdemanagement im Eskalationsfall
  • Sonstige der Bildungsregion von der Bildungsdirektion zugewiesene Aufgaben
IT-Autorenbeiträge/Lernfeld Politik    

Die IT-Beiträge verstehen sich als Ergänzung zur Thematik.


Netzwerk gegen Gewalt > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index:

Schule

Erziehung

Lehre an der Hochschule

Politische Bildung

Europa als Lernfeld

Erwachsenenbildung

Erwachsenenbildung im ländlichen Raum

Interkulturelle Kompetenz

Friedenserziehung und politische Bildung

Migration in Österreich

Globales Lernen

Literaturverzeichnis Lehrerbildung    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.


Arnold R.(2015): Bildung nach Bologna! Die Anregungen der europäischen Hochschulreform, Wiesbaden

Barsch S.-Glutsch N.-Massumi M.(Hrsg.)(2017): Diversity in der Lehrer_innenbildung. Internationale Dimensionen der Vielfalt in Forschung und Praxis, Münster

Beck E.-Huttel M.-Schratz M.(2001): Berufseingangsphase(Induction Phase), in: Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 1/2001, 1, 83-87

Bologna-Erklärung(1999): Der europäische Hochschulraum. Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister, Brüssel

Buchberger Fr.-Riedl J.(Hrsg.)(1987): Lehrerbildung - heute. Kommentar zum Lehrplan der Pädagogischen Akademie, Teil I, Wien

Buchberger Fr.-Campos B.P.-Kallos D.-Stephenson(200): Green Paper on Teacher Education. High Quality Teacher Education For High Quality Education and Training, Umea

Cramer C.(2016): Forschung zum Lehrerinnen- und Lehrerberuf. Systematisierung und disziplinäre Verortung eines weiten Forschungsfeldes, Bad Heilbrunn

Dichatschek G.(2017a): Didaktik der Politischen Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder der Fachdidaktik der Politischen Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G.(2017b): Erwachsenen- Weiterbildung. Ein Beitrag zu Theorie und Praxis von Fort- und Weiterbildung, Saarbrücken

Dichatschek G.(2020): Lehrerbildung - Theorie und Praxis der Professionalisierung der Ausbildung Lehrender, Schulleitender und des Schulqualitätsmanagement, Saarbrücken

Dirim I./Gogolin I./Knorr D./Krüger-Potratz M./Lengyel D./Reich H.H./Weiße W.(2015): Impulse für die Migrationsgesellschaft. Bildung-Politik-Religion, Münster

Drossel K.-Eickelmann B.(2018): Does 'What works' work? Bildungspolitik, Bildungsadministration und Bildungsforschung im Dialog, Münster

Erziehung und Unterricht 3-4/2001: Themenschwerpunkt "Lehrerbildung an Akademien und Universitäten", Wien

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Lemmermöhle D.-Jahreis D.(2003): Professionalisierung der Lehrerbildung, 7. Beiheft "Die Deutsche Schule", Weinheim

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Oelkers J.(2003): Standards in der Lehrerbildung. Eine dringliche Aufgabe, die der Präzisierung bedarf, in: Lemmermöhle D.-Jahreis D.(Hrsg.): 7. Beiheft "Die Deutschen Schule", Weinheim, 54-70

Romer A.(2018): Lehrer werden. Von der Idee zum Studienstart, Wiesbaden

Schaefers Chr.(2002): Forschung zur Lehrerausbildung in Deutschland - eine bilanzierende Übersicht der neueren empirischen Studien, in: Schweizerische Gesellschaft für Bildungswissenschaften 24/2002, 65-88

Schratz M.-Tschegg K.((2001): Das Portfolio im Kontinuum unterschiedlicher Phasen der Lehrerbildung, in: Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung 1/2001, 4, 17-25

Teml H.-Teml H.((2011): Praxisberatung. Coaching und Mentoring in pädagogischen Aufgabenfeldern, Innsbruck

Terhart E.(2002): Standards für die Lehrerbildung. Eine Expertise für die Kulturministerkonferenz, Münster

Terhart E.-Bennewitz H.-Rothland M.(Hrsg.)(2014): Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf, Münster

Tenorth H.-E.(2002): Erziehungswissenschaft und Lehrerbildung. Anmerkungen zu einem notwendig spannungsreichen Verhältnis. Vortrag an der Universität Zürich, 14. November 2002, Berlin

Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung(1995): Lehren und Lernen. Auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft, EU-Kommissionen für Bildung und Soziale Angelegenheiten, Brüssel

Zuber J.-Altrichter H.-Heinrich M.(Hrsg.)(2018): Bildungsstandards zwischen Politik und schulischem Alltag, Wiesbaden

IT-Autorenbeiträge    

Die Beiträge ergänzen die Ausführungen zum Themenbereich.


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Schule

Persönlichkeitsbildung

Erziehung

Lehre an der Hochschule

Politische Bildung

Lernfeld Politik

Globales Lernen

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Vorberufliche Bildung in Österreich

Migration in Österreich

Globales Lernen

Erwachsenenbildung


Der Beitrag wird laufend aktualisiert.


Zum Autor    

APS-Lehramt(VS-HS-PL) (1970/1975/1976), zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater (1975/1999), Lehrbeauftragter am PI des Landes Tirol/Berufsorientierung (1990-2002), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission beim Landesschulrat für Tirol für die APS (1993-2002)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/Doktorat (1985), der Seminare I und II des BMUK/Wissenschaftliche Landesakademie für Niederösterreich "Didaktik der Lehrer/innen-Bildung/Europaorientierte Lehrer/innen-Bildung", Krems/Zertifikate (1993-1994), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/Universität Salzburg bzw. Klagenfurt/MSc (2008), des 7. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/Diplom (2012), der Weiterbildungsakademie Österreich/wba I und II/Wien/Diplome (2010) der Personalentwicklung der Universität Wien/ Zertifikate (2008-2010) der Personalentwicklung der Universität Salzburg/4. Interner Lehrgang für Hochschuldidaktik/ Zertifikat (2016), des Online-Kurses "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner_innen"/ TU Graz-CONEDU-Werde Digital.at-Bundesministerium für Bildung/ Zertifizierung (2017), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium im Comenius Institut Münster/ Zertifizierung (2018), des Fernstudiums Nachhaltige Entwicklung / Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium im Comenius-Institut Münster/ Zertifizierung (2020)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/Aus-und Weiterbildung/Vorberufliche Bildung/ Universität Wien (1990/1991-2010/2011), am Pädagogischen Institut des Landes Tirol/Berufsorientierung (1994-2003), am Sprachförderzentrum des Stadtschulrates für Wien/Interkulturelle Kommunikation (2012), am Fachbereich für Geschichte/Universität Salzburg/Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung/ Didaktik der Politischen Bildung (2015/2016, 2017/2018), am Kirchlichen Lehrgang der Superintendenz Salzburg und Tirol/ Basisausbildung für Religionslehrer_innen für die APS/Pädagogische Impulse für den Unterricht, Interkulturalität (2018-2020)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche A. und H.B. (2000-2011), stv. Leiter/Vorstandsmitglied des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017-2019), Kursleiter an den Salzburger VHSn Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg (ab 2012)


Aufnahme in die Liste der sachverständigen Personen für den Nationalen Qualifikationsrahmen/NQR, Koordinierungsstelle für den NQR/Wien (2016)


MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 22. September 2021