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Ethnologie

Grundwissen Ethnologie    

Eine interdisziplinäre Annäherung an die Entwicklung von Volkskunde zur Ethnologie    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Grundwissen Ethnologie   
Eine interdisziplinäre Annäherung an die Entwicklung von Volkskunde zur Ethnologie   
Danksagung   
Vorbemerkung   
1 Einleitung   
1.1 Realsituationen der Nachkriegssituation   
1.2 "Falkensteiner Resolution" 1970   
1.3 Realistische Wende - Paradigmenwechsel   
2 Religiöse Volkskunde: Mittelalterliche Wallfahrtslegenden und Mirakelbücher in Tirol - Gastbeitrag Herbert Jenewein   
2.1 Religiöses Leben im Spätmittelalter   
2.2 Die christliche Wallfahrt im Spätmittelalter   
3 Mittelalterliche Tiroler Wallfahrtslegenden   
3.1 Gründungslegenden   
3.1.1 Rastsagen   
3.1.2 Stromsagen   
3.1.2.1 Riffian bei Meran   
2.1.3.2 Die „Kornmutter“ von Ehrenburg   
3.1.3 Gespannwunder   
3.1.3.1 Hl. Notburga in Eben am Achensee   
3.1.3.2 Das Grab des hl. Ulrich von Pinswang (Ausserfern)   
3.1.4 Legenden von wandernden Gnadenbildern   
3.1.4.1 Die Glaubensburg „Mariastein“ im Tiroler Unterland   
3.1.5 Die Blut- und Hostienwunder   
2.1.6.1 Die Wallfahrt St. Georgenberg oberhalb von Fiecht/Schwaz   
3.1.5.2 Die „Bluthostie“ von Seefeld   
3.1.6 Das Wunder von Loreto   
4 Mirakelbücher   
4.1 Zum Begriff „Mirakel“   
4.2 Inhalt und Aufbau der Mirakelbücher   
4.3 Mirakelbuch des Stiftes Stams   
4.4. Mirakel – Einbildung oder Wahrheit?   
5 Kritik am Wallfahrtswesen   
6 Literaturhinweise Volkskunde   
Ethnologie   
7 Ethnologie als Disziplin   
7.1 Fachbezeichnungen   
7.2 Spezialgebiete   
7.3 Forschungsgegenstand   
7.3.1 Kulturkonzepte   
7.3.2 Kulturbegriffe   
7.3.3 Kritik am Kulturkonzept   
7.3.4 Globale Kulturkonzeption   
7.3.5 Kulturebenen   
7.4 Forschungsfragen - Methoden   
8 Fachgeschichte   
8.1 Antike und mittelalterliche Ethnographie   
8.2 Die Zeitepoche nach 1492 - Bedeutung   
8.3 Universalgeschichte - Kant - Herder   
8.4 Imperiale Kontexte   
8.5 Ethnographischer Holismus   
8.6 Ethnologie als empirische Sozialwissenschaft   
8.7 Koloniale Ethnologie   
8.8 Postkoloniale Ethnologie   
Peasant Studies   
Interpretative Anthropologie   
Writing-Culture- und Orientalismen-Debatten   
Said - Bhabha - Spivak   
Politische Dimension   
9 Feldforschung   
9.1 Teilnehmende Beobachtung   
9.2 Quantitative und qualitative Daten   
9.3 Verhalten - Ethik in der Ethnologie   
10 Teilbereiche - Neue Ansätze der Ethnologie   
10.1 Teilbereich Politikethnologie   
10.2 Teilbereich Wirtschaftsethnologie   
Vom Formalismus zum Substantivismus - Umkehr des Marxismus   
Institutionenökonomik   
Aneignung von fremden Gütern - Objektbiographien   
Konsumforschung   
Monetarisierung   
10.3 Teilbereich Religionsethnologie   
10.4 Ethnologische Geschlechterforschung   
Ethnologische Frauenfragen   
Gender   
Männerforschung   
Queer-Theorie   
Diskurs um Judith Butler   
Bilanz ethnologischer Geschlechterforschung   
10.5 Migrationsforschung   
Interkulturelles Konzept   
Diaspora   
10.6 Stadtethnologie   
10.7 Medienethnologie   
10.8 Medizinethnologie   
11 Reflexion   
12 Literaturhinweise   
IT-Autorenbeiträge/ Auswahl   
Zum Autor   

Danksagung    

Es gibt viele Menschen, ohne die dieses Buchprojekt nicht entstanden wäre. Wichtige Impulse gab es durch die universitären Studienabschlüsse und Möglichkeiten, in Kooperationen mit Interessierten und Begleitern vom ersten Konzept bis zur Begleitung.

Zu danken ist Herbert Jenewein für seinen Beitrag zur Volkskunde.

Die Thematik bedarf vorhergehender Erfahrungen in der Umsetzung der Buchidee.

Günther Dichatschek

Vorbemerkung    

Ausbildung ohne Bildung führt zu Wissen ohne Gewissen.

(Daniel Goeudevert 2001, 5)

Die Studie entstand in Kooperation aus der Auseinandersetzung mit den Themenbereichen der klassischen Volkskunde und der Interkulturellen Kompetenz bzw. Politischen Bildung, die für den Autor ein Einstieg in kulturvergleichende Theorien, Konzepte und Arbeitsbereiche/ Handlungsfelder war.

Damit ist eine Perspektive der eigenen Gesellschaft verbunden. Zunehmend sind kulturwissenschaftliche Zugänge von Interesse.

Ausgehend von einem Überblick über das Fach als wissenschaftliche Disziplin, Kulturkonzepte und Methoden wird auf die Fachgeschichte, Teildiszipline der Volkskunde/ Ethnologie und neue Ansätze des Faches eingegangen.

Zu beachten sind der interdisziplinäre Ansatz bzw. die Verflechtungen des Fachgebietes bzw. der Fachgebiete.

Ausgangspunkt von Überlegungen des Autors ist die Absolvierung

  • des Studiums Erziehungswissenschaft,
  • des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung,
  • des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz.
Die Auseinandersetzung mit grundlegender Fachliteratur vervollständigt Überlegungen zum Fachgebiet (vgl. KÖNIG 1997; BHABHA 2000; KOKOT-HENGARTNER-WILDNER 2000; BREDNICH 2001, SCHLEHE 2001; WEBER-KELLERMANN/BIMMER/BECKER 2003, DÜRR 2004; BEER 2008; SCHIFFAUER 2008; SCHMIDT 2008; BEER-FISCHER 2009; LANG 2010; SCHMIDT-LAUBER 2007/2010; HEIDEMANN 2011; BIERSCHENK-KRINGS-LENTZ 2013; GREIFELD 2013; MISCHUNG 2013; BEER-FISCHER 2009/2013; RÖSSLER 2013; ZNOJ 2013; ILLIUS 2013; FRIESE 2014).

Die Studie beruht auf persönlichem Interesse und einer Kooperation.

1 Einleitung    

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Deutungen und in der Folge der Anwendungen des Wortes "Volk" erkennbar vorhanden. Der Kontext zum Missbrauch in der Ideologie des Nationalsozialismus, einer Massenbewegung und dem Krieg mit allen Folgerungen.

Die Volkskunde war gut beraten, sich mit der Sprach- und Ethnosoziologie, Kulturgeschichte methodisch zu verbinden. Die Schwierigkeit des komplexen Forschungsgebietes war zunächst eine Namensgebung für das Fachgebiet (vgl. WEBER-KELLERMANN/BIMMER/BECKER 2003, 137-141).

1.1 Realsituationen der Nachkriegssituation    

Eine geradezu befreiende Wirkung in der deutschsprachigen Volkskunde wirkte 1946 die Veröffentlichung von Richard WEISS seiner "Volkskunde der Schweiz". Die umfangreiche Publikation war mehr als landschaftliche Beschreibung, vielmehr ein Standortbestimmung der Volkskunde im Rahmen der Geisteswissenschaften. Mit dem Leitbegriff "Gemeinschaft" unter Einbeziehung von Gegenwartsbegriffen kommen sozialwissenschaftlich-orientierte Untersuchungen in die Volkskunde.

In Anlehnung an die schwedische Volkskunde verbreitet sich in der Folge eine Betrachtung, in der sich vor allem die Brauchs- und Glaubenserscheinungen in einen Kontext mit wirtschaftlichen und sozialen Realsituationen gesetzt werden. Die "Volkslebensforschung" nach Sigurd ERIXON (1946) findet durch die monographischen Arbeiten als bedeutende Richtung Anerkennung.

1.2 "Falkensteiner Resolution" 1970    

Es dauerte bis in die siebziger Jahre, bis sich eine Namensänderung durchsetzen konnte. in der "Falkensteiner Resolution" 1970 stimmten die Teilnehmer für eine Namensänderung. Vorschläge waren etwa Kulturanthropologie, Kultursoziologie oder Europäische Ethnologie und Vergleichende Volkskunde.

Im europäischen Ausland setzte sich die Begrifflichkeit "Ethnologie" durch.

Mit der Studentenbewegung 1968 und in der Folge einer Universitätsreform kam es zu nachhaltigen Umstrukturierungen, die auch die Volkskunde der bisherigen Philosophischen Fakultäten in der neuen Geisteswissenschaft betraf.

Der große Umbruch kam mit den Fachveröffentlichungen zu den Aufgaben der Volkskunde in der Gegenwart. Hermann BAUINGER (1961) begann mit seiner "Volkskultur in der technischen Welt", Tübingen und Marburg führten in der öffentlichen Diskussion. Die Auseinandersetzung mit der Volksunde in der NS-Zeit fand statt (vgl. EMMERICH 1971).

1.3 Realistische Wende - Paradigmenwechsel    

Mit der "realistischen Wende" stiegen die Bildungschancen und Studierendenzahlen. Die Berufschancen in Museen, Medien und der Kulturarbeit stiegen. Viele Neugründungen der Institute für Volkskunde im deutschsprachigen Raum brachten eine Integration in die akademischen Fächer. In Deutschland brachte das Fach in den Pädagogischen Hochschulen eine Lehramtsausbildung für den schulischen Fächerkanon (Sachunterricht/ Heimatkunde, Landeskunde/ Geographie und Politische Bildung).

Das Selbstverständnis des Faches drückt sich in der Positionierung des Faches in der Wissenschaft aus (vgl. BREDNICH 2001). Hier zeigen sich die Fragestellungen in der Weiterentwicklung zur Europäischen Ethnologie und damit über den bisherigen volkskundlichen Kanon.

Der Paradigmenwechsel in den fünfziger Jahren wird durch die Realienforschung eingeleitet, etwa Arbeitswelt, Sachkulturforschung, Probleme der Industrialisierung, Brauchtum-Familie-Gender, Erzähl- und Kommunikationsforschung, museale Ausstellungspraxis/ Volkskunst, Dorf- Gemeinde- und Stadtforschung, Sprachinselforschung - Interethnik.

2 Religiöse Volkskunde: Mittelalterliche Wallfahrtslegenden und Mirakelbücher in Tirol - Gastbeitrag Herbert Jenewein    

2.1 Religiöses Leben im Spätmittelalter    

Im Spätmittelalter ist die Angst der Menschen vor dem jähen Tod mit ungesühnten Sünden vorherrschend. Der Hl. Christophorus gilt als Schutzpatron gegen den jähen Tod. Das Fegefeuer wird als dritter Ort zwischen Himmel und Hölle dargestellt (vgl. MENARDI, Religiöses Leben im 13. u. 14. Jahrhundert, in: Tiroler Landesausstellung 1995: Eines Fürsten Traum. Meinhard II. Das Werden Tirols, 1995, 475-477).

Die Heiligenlegenden dienen der Erbauung. Den Menschen wird ihr vorbildliches Leben und ihr beispielhafter Tod bildhaft vor Augen geführt. Die Heiligen werden als Vorbilder und Helfer in Notsituationen verstanden. (ebd., 1995, 477).

Ab dem 13. Jahrhundert breitet sich in Tirol der Marienkult aus. Wegen ihrer Wohltätigkeit gegenüber den Armen wurde besonders die Hl. Nothburga verehrt. In der Volksfrömmigkeit wird auf die Bedeutung der Armen hingewiesen (ebd., 1995, 478).

Anstelle von Reliquien wurden im Altarraum der Kirchen auch geweihte Hostien verborgen. Weiters wurde über außergewöhnliche Erscheinungen an geweihten Hostien und an geweihtem Wein berichtet. Sie gehören zum Gemeingut der mittelalterlichen Erzählliteratur. Dazu zählen auch die Hostien- und Blutlegenden in St. Georgenberg und Seefeld, sowie die Heilig-Blut-Reliquie im Stift Stams. In diesen Legenden macht vor allem die Hochachtung vor der Eucharistie deutlich, dass sie vor allem in diesem Zusammenhang zu sehen sind. In besonderer Weise zeigt sich dies auch mit der Einführung des Fronleichnamsfestes. In Ablassbriefen aus den Jahren 1289 und 1300 wird die feierliche Begehung dieses Festes in Tirol belegt (ebd. 1995, 479).

2.2 Die christliche Wallfahrt im Spätmittelalter    

Bereits im 13. Jahrhundert gibt es in Tirol Nachrichten über Wallfahrtsgründungen. Seit dem 14. Jahrhundert gibt es genauere Angaben über Art und Zeitpunkt der Entstehung, denn damals begann man wunderbare Ereignisse, die zu einer Klostergründung führten, niederzuschreiben (vgl. TSCHIDERER: Wallfahrten in Tirol, in: Tiroler Landesausstellung: Heiltum und Wallfahrt.1988, 13).

Wesentlich für eine mittelalterliche Wallfahrt war nicht nur das Kultobjekt und irgendeine Form der Verehrung, sondern auch Prozessionen zu einer Kirche. Diese stellen das dynamische Element in der Geschichte der mittelalterlichen Volksfrömmigkeit dar.

Trotz der großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Religionen der Erde ist die Wallfahrt in den großen Weltreligionen und einer Vielzahl kleinerer Religionen ein fixer Bestandteil der Frömmigkeitspraxis. Zu den sichtbaren Äußerungen der Volksfrömmigkeit zählen Kultobjekt, Votivgaben und Wallfahrtsbrauchtum (vgl. ASSMANN,in: Volkskunde-Atlas 1979,5).

Unter Wallfahrt versteht man das Aufsuchen einer bestimmten Kultstätte mit der ein Kultobjekt im Sinne eines religiösen Aktes oder eines frommen Verlöbnisses verbunden ist. Wallfahrt setzt die Vorstellung voraus, dass an bestimmten Orten Gott mit seinen Licht- und Gnadenkräften dem hilfesuchenden Menschen besonders nahe steht (vgl. LEXIKON für THEOLOGIE u. KIRCHE, 1965, Sp.941).

Die Legende leitet sich ab von lat. legenda = zu lesende (vorzulesende) Texte. Diese Texte bezogen sich ursprünglich auf Stücke für die liturgische Lesung. Ab dem 7. Jahrhundert ist damit auch ein Bezug auf das Leben der christlichen Heiligen gegeben. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ist Legende als deutsches Lehnwort nachgewiesen. Ab dem 15. Jahrhundert wird unter Legende ein freier Bericht, eine Erzählung verstanden. Im Zeitalter der Reformation bezeichnet Legende einen unbeglaubigten Bericht, eine sagenhafte bzw. unglaubwürdige Geschichte. Im 20. Jahrhundert versteht man unter einer Legende eine unglaubliche (Lebens-) Geschichte (vgl. BREDNICH, WILHELM u.a.,1996, Sp.855-856).

Während es im Märchen um das Schicksal oder die außermenschliche Welt geht, ist es in der Legende ausschließlich die Heiligenmacht, die alle Möglichkeiten meistert.

Die Gnadenstättenlegende hat durchwegs eine typische Bauart, die sich von selbst aus der Sachlage ergibt. Der Ursprung vieler Wallfahrtsorte geht auf einen wunderbaren Fundbericht zurück. Diesem schließen sich Erzählungen über auffallende Wunderheilungen an. Schließlich kommt es zum Bau einer Kapelle und in weiterer Folge wird eine Kirche errichtet (vgl. TSCHIDERER „Wallfahrten in TIROL“, in: HEILTUM und WALLFAHRT,1988,13).

3 Mittelalterliche Tiroler Wallfahrtslegenden    

Bereits im 13. Jahrhundert gibt es in Tirol Nachrichten über Wallfahrtsgründungen. Seit diesem Jahrhundert wurden genauere Angaben über Art und Zeitpunkt der Entstehung gemacht, denn damals begann man wunderbare Ereignisse, die zu einer Klostergründung führten, niederzuschreiben.

Es ist klar, dass es sich bei diesen Legenden nur um Geschichten handelt, die keinen Wahrheitsgehalt haben. Dennoch enthalten viele Legenden auch einen historischen Hintergrund (vgl. ROSSMANN,1997, 9-12). Das Besondere eines Gnadenortes musste durch wunderbare Erscheinungen und Weisungen bereits bei seiner Entstehung hervorgehoben werden.

3.1 Gründungslegenden    

Zu den Prototypen spätmittelalterlicher Entstehungs- und Gründungslegenden gehören Rastsagen, Stromsagen, Gespannwunder, Legenden von wandernden Gnadenbildern, Hostienwunder und Loreto- Wunder.

3.1.1 Rastsagen    

Der hl. Wolfgang ist ein beliebter Rastheiliger in Österreich und Süddeutschland. Der Erdenweg eines Heiligen oder auch eines Gnadenbildes wird in der Rastsage mit dem Kult magischer Orte verbunden, insbesondere Quellen, Felsen und künstliche wie natürliche Vertiefungen in Felsen, also Durchkriechstellen und sogenannte Schalensteine (vgl. HÖLLHUBER, 1987, 206).

In Klobenstein an der Grenze zwischen Bayern und Tirol ging einst nach einer Legende eine Frau von Kössen nach Marquartstein in Bayern. Da löste sich vom Achberg ein großer Felsblock und fiel auf den Weg. Die überraschte Frau bekam Todesängste und sie bat die Muttergottes um Hilfe. Da spaltete sich plötzlich der Stein und die Frau konnte in der Mitte durchgehen. Das Durchgehen durch eine Felsspalte bedeutete in alter Zeit eine Wiedergeburt an Leib und Seele. Eigentlich handelt es sich in Klobenstein um zwei Kapellen, die später durch einen Gang miteinander verbunden waren (vgl.JANTSCH, 1995, 64 f.).

3.1.2 Stromsagen    

Schon lange vor der Einführung des Christentums wurde das Wasser bei vielen Völkern als etwas Geheimnisvolles, etwas „Göttliches“ angesehen (WOPFNER, Wallfahrt u. Volkskunde, in: Tiroler Heimat 9(1927), 6).

Dieser Legendentypus wurde seit dem Spätmittelalter gerne verwendet. Das Gnadenbild wird auf einem fließenden Gewässer, zumeist im magischen Sinne gegen dessen Strömung, zum Gnadenort transportiert. Dabei handelt es sich um numinose Momente, indem sich die göttliche Macht des Wassers bedient, um damit den ausgewählten Ort für eine besondere Verehrung zu markieren (HÖLLHUBER, a.a.O.194).

3.1.2.1 Riffian bei Meran    

Das Gnadenbild von Riffian bei Meran wurde einst in der Passer gefunden, nachdem über dieser Stelle des öfteren ein Lichterglanz gesehen worden war. Als man für die Statue eine Kapelle bauen wollte, ereigneten sich Unglücksfälle und Vögel trugen Hobelspäne dorfaufwärts bis zu jener Stelle, wo dann die ursprüngliche Gnadenkapelle errichtet wurde (ebd. S. 21).

2.1.3.2 Die „Kornmutter“ von Ehrenburg    

Zuerst wurde das Gnadenbild in St. Johann im Ahrntal verehrt. Später wurde es dann von einem vom Unwetter fortgerissen. Nachher soll die Rienz das Gnadenbild in Ehrenburg im Pustertal wieder ans Ufer geschwemmt haben.

Im Jahre 1370 wurde erstmals über einen Kreuzgang zur „Kornmutter von Ehrenburg“ berichtet. Dies wurde damit begründet, dass sich besonders die Bauern wegen des Gedeihens ihres Korns an die Kornmutter wandten (vgl. ROSSMANN 1997, 25).

3.1.3 Gespannwunder    

Eine magische Fixierung findet statt, wenn ein Gespann ab einer bestimmten Stelle nicht mehr bewegungsfähig ist. Ein weisendes Tier fand in diesem Legendentypus seine Aufgabe als Werkzeug der himmlischen Willensäußerung zur Bestimmung von Heiligengräbern und als Führer in der Not (vgl.GÜNTER, 1949, 184). Meist verbindet sich das Gespannwunder mit lokal verehrten Heiligen.

3.1.3.1 Hl. Notburga in Eben am Achensee    

Die Legende berichtet, dass sich die hl. Notburga weigerte zur Andachtsstunde auf einem Kornfeld weiterzuarbeiten. Nach dem Abendläuten warf sie die Sichel in die Luft, wo diese hängen blieb. Ihre Begräbnisstätte sollte auf Wunsch der beliebten Tiroler Volksheiligen Gottes Fügung anvertraut werden. So soll sie vor ihrem Hinscheiden im Jahre 1313 selbst Weisung gegeben haben, ihren Leichnam einem Ochsengefährt zu überlassen. Der Leichnam wurde auf ein Fuhrwerk gebettet, das mit zwei Ochsen bespannt war. Ihr Weg führte sie vom Schloss Rottenburg, das oberhalb von Rotholz liegt, zum Inn hinunter. Dort soll das Gespann mit dem Leichnam trockenen Fußes den Inn übersetzt haben. Nach weiteren zwei Rasten erreichte das Gespann Eben am Achensee. Dort blieben die Tiere stehen und der Leichnam der Heiligen wurde im Ruprechtskirchlein beigesetzt (vgl. PAULIN, 2007).

Im Jahre 1731 stieß man bei Grabungen unter der Kirche auf ein Skelett, welches der hl. Notburga zugeschrieben wurde. Dieses steht heute noch mit kostbaren Gewändern bekleidet am Hochaltar der Kirche in Eben und ist Ziel vieler Pilger aus Tirol und Bayern (vgl. ACHAMMER, 1993, 111).

3.1.3.2 Das Grab des hl. Ulrich von Pinswang (Ausserfern)    

Der Legende nach, lebte Bruder Ulrich im 14. Jahrhundert bei Musau als Einsiedler. Nachdem er 1380 verstorben war, soll der Wagen mit seinem Leichnam von Ochsen bis zu einer bestimmten Stelle gezogen worden sein. Die Zugtiere waren von dort nicht mehr wegzubringen – dieser Ort hieß Pinswang. Hier wurde der Verstorbene schließlich begraben und verehrt.

Später konnte man das Grab des hl. Ulrich nicht mehr auffinden. Deshalb weihte man die neue Dorfkirche aus dem 18. Jahrhundert dem heiligen Ulrich von Augsburg (vgl. ACHAMMER, Bd.1, in: ROSSMANN 1997, 25).

3.1.4 Legenden von wandernden Gnadenbildern    

Wandernde Gnadenbilder sind recht häufig zu finden. Diese Legenden sind Teil eines magischen Weltbildes, dem überirdische Bedeutung beigemessen wird. Von magischer Fixierung wird gesprochen, wenn ein Gnadenbild unbeweglich ist oder immer wieder an seinen ursprünglichen Standort zurückkehrt.

Im Spätmittelalter werden Gnadenbilder als chtonische (erdbezogne) Gottheiten gesehen. Diese Gottheiten der einfachen Menschen stellen ins Göttliche gehobene Verkörperungen bestimmter ausgewiesener Plätze in der Natur dar. Meist stellen Felsen (wie in Mariastein), Quellen, Bäume oder Berggipfel solche Plätze dar. Diesen wird im magischen Weltbild überirdische Bedeutung zugeschrieben. Wenn also ein Gnadenbild ständig an einen bestimmten Ort zurückkehrt, wenn es von einem Ort zum anderen wandert, dann sucht eine chtonische Gottheit den ihr zukommenden Standort in einer magischen Welt voll standortbezogener Einflüsse auf das Leben des Menschen (vgl. HÖLLHUBER, 1987, 194).

3.1.4.1 Die Glaubensburg „Mariastein“ im Tiroler Unterland    

Die Wallfahrtskiche zu unserer lieben Frau MARIASTEIN zählt zu den interessantesten Kultstätten im gesamten Alpenbereich. Auf einer zwölf Meter hohen, steil abfallenden Felsnase erhebt sich ein 42 Meter hoher Bergfried, der durch den bewaldeten Höhenzug des Angerberges gegen das Unterinntal bei Wörgl abgeschirmt ist. Allein der Umstand, dass in diesem Gebäude sich Kirche und Gnadenbild im obersten Geschoß befinden und nur über eine steile Treppe mit 150 Stufen erreichbar sind, läßt die ursprüngliche kriegerische Bestimmung des Turms erkennen.

Die Legende berichtet, dass Georg Ylsung die Madonna von Mariastein beim Verkauf des Schlosses nach Augsburg mitgenommen habe, um für sie dort eine Kirche zu errichten. Doch danach kehrte sie von dort mehrmals als Folge mehrer wundersamen Raumüberwindungen immer wieder nach Tirol „auf den Stayn“ (großer Felsen) zurück. Dabei soll das Gnadenbild von acht Engeln getragen worden sein. Schließlich durfte die Madonna mit dem Kinde für immer in Mariastein bleiben (vgl. WEIDL, 1995,6f.).

3.1.5 Die Blut- und Hostienwunder    

Im Mittelalter erfreute sich die Eucharistie beim Volk einer besonderen Hochschätzung. Die Legenden um „Hostienfrevel“ oder „Blutwunder“ haben im 14. und 15. Jahrhundert in Tirol die Wallfahrtsorte St. Georgenberg, Seefeld und Stams entstehen lassen. Heiligblut-Reliquien begründeten auch die Wallfahrt nach Heiligenblut am Großglockner (vgl. ASSMANN a.a.O., 1979, 36).

2.1.6.1 Die Wallfahrt St. Georgenberg oberhalb von Fiecht/Schwaz    

St. Georgenberg ist ein dreifacher Wallfahrtsort. Ursprünglich wurde die Reliquie des hl. Georg und das Gnadenbild „Unsere Liebe Frau unter der Linde“ verehrt. Im 14. Jahrhundert kam die durch ein Wunder ausgelöste Verehrung des „hl. Blutes“ hinzu. (vgl. ROSSMANN, 1997, 35).

Nach der Legende soll bei einer hl. Messe ein Ordenspriester während der Wandlung gezweifelt haben, ob der Wein im Kelch sich wirklich in das Blut Christi verwandle. Bei den Konsekrationsworten habe sich der Wein im Kelch plötzlich in Blut verwandelt und sei über den Kelch hinaus gequollen (vgl. Rossmann, S.42). Der zu Tode erschrockene Priester habe reumütig vor den Gläubigen seine Zweifel eingestanden. (vgl. PAULIN 2007, 59).

Die Blutreliquie war beim Volk sehr beliebt, sodass das Ansehen des Seefelder Klosters im religiösen Bewusstsein des Volkes einen großen Zuwachs aufwies. Die „hl. Blut-Monstranz“ mit dem in einem Glaszylinder aufbewahrtem Blut wird heute zu bestimmten Anlässen am Hochaltar ausgesetzt (vgl. ROSSMANN 1997, 43).

3.1.5.2 Die „Bluthostie“ von Seefeld    

Der Anlass für das Bluten der Hostie in der Kirche zu Seefeld war die Forderung des stolzen Ritters Oswald Milser, statt der kleinen Hostie vom Priester eine große Priesterhostie zu bekommen. Dadurch wollte er sich am Tisch des Herrn von den gewöhnlichen Menschen unterscheiden. Aus Furcht vor dem aufbrausenden Ritter reichte der Pfarrer dem „Milser“ die große Hostie. Als der Frevler den Leib des Herrn mit der Zunge berührt hatte, färbte sich die Hostie blutrot. Gleichzeitig schwankte der Boden unter dem Ritter. In seiner Todesangst hielt er sich mit aller Kraft an der Altarplatte fest. Die Spuren seiner Hände und Knie drückten sich im Stein ab. Erst als der erschrockene Pfarrer die Hostie dem Milser wieder aus dem Mund nahm, beruhigte sich der bebende Boden wieder. Die Hostie wurde sofort in einem eigenen Gefäß auf dem Altar der Kirche aufbewahrt. (vgl. PAULIN 2007, 89).

Als seine hartherzige Frau die Kunde vom Wunder in der Kirche erreichte, nahm sie diese ungläubig auf. Sie erklärte: „Eher glaube ich, dass aus diesem dürren Rosenstock neue Blüten wachsen, als dass ich dieses Gerede für wahr halte!“ Augenblicklich sprossten aus dem dürren Stock grüne Blätter und wunderbar duftende Rosen hervor. Zornig riss die Frau die Rosen vom Strauch und verfiel danach in einen unheilbaren Wahnsinn. (Vgl. PAULIN 2007, 91).

Seit 1384 strömten nachweislich aus allen Richtungen andächtige Pilger nach Seefeld, um die Bluthostie zu verehren. Die Handspuren des im Boden versinkenden Ritters an der Altarplatte und die Rosen am dürren Strauch sind volkstümliche Motive.

Nach GÜNTER „gehört der ‚Altar zu Seefeld’ (Sagen Nr. 356) in der Aufmachung, dem Anlass und den beiden Begleitwundern zu den ausgesprochensten ‚Legenden’, mag im übrigen am Gründonnerstag des Jahres 1384 (laut Gedenktafel) Unkontrollierbares geschehen sein. Heute ist die Wallfahrt nahezu erloschen (DEHIO - Handbuch: Die Kunstdenkmäler Österreichs. Tirol, in: ROSSMANN 1997, 25).

3.1.6 Das Wunder von Loreto    

Dem magisch-wunderbaren Volksdenken vergangener Jahrhunderte machte eine wunderbare Raumüberwindung keine Schwierigkeit. Nach der Legende sollen Engel das ‚Heilige Haus’ (= Wohnhaus, in dem Jesus mit seiner Mutter Maria gelebt haben soll) vor den Sarazenen gerettet und von Nazareth durch die Luft über das Meer nach Dalmatien getragen haben. Von Trasat, oberhalb von Rijeka an der Adria gelegen, sei es dann weiter nach Loreto südöstlich von Ancona in Italien gelangt. Dort steht es unter einer Marmorverkleidung bis heute zusammen mit einer schwarzen Marien-Statue inmitten einer riesigen Basilika ( vgl.HÖLLHUBER a.a.O., 198).

Seit dem Mittelalter gab es allerdings immer wieder Zweifel an der Echtheit dieser Geschehnisse. So könnte der Bau eine einfache Rekonstruktion sein, die nach den bekannten Maßen von Nazareth erfolgte. Auch wurde die Meinung vertreten, dass es sich bei dem Loreto-Bau schon deswegen nicht um das originale Haus aus Nazareth handeln könne, weil ein so schlichter Bau aus Felssteinen keinesfalls 1300 Jahre bis zum „Flug“ in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 1291 überstanden hätte.

Heute verdichtet sich immer mehr die Hypothese, dass die Steine des ‚Heiligen Hauses’ durch Menschenhand im Jahre 1291 per Schiff über das Mittelmeer gebracht wurden. Die byzantinische Kaiserfamilie der Angeloi (=Engel) könnte für den Schiffstransport der Steine nach Europa gesorgt haben. Somit könnten Angehörige der Kaiserfamilie die Stifter der Relikte der ‚Santa Casa“ gewesen sein. Daraus ergab sich dann später die Missinterpretation, dass auf wunderbare Weise Engel das Haus durch die Luft getragen hätten (vgl. WIEGELE 2000,7).

Die Wallfahrt nach Loreto in Italien setzte im 14. Jahrhundert ein und wurde so bedeutend, dass Nachbildungen der „Santa Casa“, wie das Haus auf italienisch genannt wird, und der dort verehrten schwarzen Madonna sich über ganz Europa verbreiteten und Sekundärwallfahrten auslösten.

Um der Tiroler Bevölkerung den weiten Weg nach Loreto in Italien zu ersparen, wurde die erste Nachbildung der berühmten italienischen ‚Santa Casa’ nördlich der Alpen im Jahre 1590 über Betreiben von Anna Katharina von Mantua, der zweiten Gemahlin Ferdinands II. von Tirol, in der Haller Au zwischen Innsbruck und Hall errichtet ( vgl. FALGER 1846, 94). Die zur Pfarre Thaur gehörende Kapelle war im 17. und 18. Jahrhundert ein viel besuchtes und reich ausgestattetes Wallfahrtsziel, das später den Josephinischen Reformen zum Opfer fiel. Weitere Loreto-Heiligtümer entstanden in Tirol unter anderem in Maria Saalen bei Bruneck, in Ried im Oberinntal sowie in Klobenstein bei Kössen an der Grenze zu Bayern.

Die Menschen des Spätmittelalters sahen die Welt im Lichte von guten und bösen Mächten, Himmel und Hölle. Durch die Wallfahrtsgebete wurden physiologische Vorgänge ausgelöst, die auch eine Wirksamkeit auf krankhafte Vorgänge im Organismus hatten (vgl. SCHUH 1989, 31).] Vielfach waren vorkommende Krankheiten wie Blindheit oder Taubheit psychosomatischer Natur. Das feste Vertrauen auf des Wallfahrtsheiligen Wunderkraft führte letztlich die Heilung herbei. Dies konnte damals in der Vorstellung der Menschen gar nicht anders sein. Der hl. Augustinus meinte: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Gott!“

4 Mirakelbücher    

4.1 Zum Begriff „Mirakel“    

Der Begriff ‚Mirakel’ leitet sich ab von lat. miraculum = Wunder, Wunderwerk. Gemeint ist damit jenes Wunder, welches der Wirkungsmacht Gottes sowie seinen Mittlern Maria und allen Heiligen zugeschrieben wird. Seit dem Mittelalter wird der Begriff ‚Mirakel’ auch für Prophetien und wunderbare Geistesbegabungen durch Gott verwendet. Daneben bezeichnet ‚Mirakel’ auch Monströses, Exotisches und Unerklärliches (vgl. BREDNICH, 1999, Sp. 683).

4.2 Inhalt und Aufbau der Mirakelbücher    

Grundsätzlich lässt sich die Tradition der Mirakelbücher wie das gesamte Wallfahrtswesen bis in die vorchristliche Zeit zurückverfolgen. Schon in ägyptischen Tempeln waren Schreiber eigens damit beschäftigt, die Wundererlebnisse der Betenden für die Nachwelt festzuhalten. Gleiches war im griechischen Heiligtum von Epidauros zu finden, wo es Steintafeln gab, auf denen die Mirakel nachzulesen waren. Mirakelerzählungen berichten meistens über die wunderbare Errettung eines Menschen aus allen seelischen und körperlichen Nöten und Gefahren. Ihre Begründung liegt im Wirken göttlicher Mächte.

Im Christentum setzt sich diese Tradition fort. Aus dem 5. Jahrhundert stammen die acht Mirakelbücher des Gregor von Tours „Octo miraculorum libri“. Gregors Eintragungsschema wird zum Vorbild für alle künftigen Eintragungen: Namen, Herkunft, Ursache des Gelöbnisses, Beschreibung der Erhörung und Dank sind in allen Mirakelberichten zu finden. Das älteste Mirakelbuch Österreichs ist das „liber miraculorum“ aus Stams im Oberinntal (vgl.INGENHAEFF-BERENKAMP,1986,49ff.).

Die Mirakelberichte wurden zunächst handschriftlich fixiert, indem sich die Wallfahrer an den Priester wenden, der den Bericht dann aufnimmt – in manchen Fällen sind dem Zeugnis des Ortsgeistlichen noch Urkunden, Zeugnisse von Bekannten und Verwandten sowie ärztliche Atteste beigelegt, die den Wahrheitsgehalt des Mirakels unterstreichen sollen. Zudem sind bei den Berichten die Dankesopfer vermerkt, die zum Wallfahrtsort gebracht wurden (vgl. BRAUNECK 1978,19ff.).

Das Mirakelbuch war öffentlich aufgelegt und für alle einzusehen. Zusätzlich wurden die neuesten Mirakel auch im Rahmen der Predigt von der Kanzel verkündet – für die des Lesens Unkundigen gab es neben den Mirakelbüchern auch noch Mirakelbildserien, die chronikartig die lokalen Wundergeschichten dokumentierten. Seit der Erfindung des Buchdrucks werden Mirakelbücher auch in Druck gelegt. Diese Bücher hatten Propagandafunktion für den Wallfahrtsort. Besonders im 17. und 18. Jahrhundert geben viele Wallfahrtsorte Mirakelbücher in Druck – dabei werden die eindrucksvollsten Fälle herausgegeben.

In einer Zeit, wo die Wallfahrtsorte oftmals nicht weit voneinander entfernt lagen, spielten hier auch handfeste ökonomische Elemente und Konkurrenzdenken eine bedeutende Rolle: Viele Wallfahrer bedeuteten viel Geld und viele Opfergaben. Der Kauf von Devotionalien stieg, auch das ansässige Gewerbe profitierte aufgrund der Einnahmen durch Verpflegung und Unterkunft der Wallfahrer.

Nicht selten kommt es in den Mirakelbüchern vor, dass die Mirakelbuchautoren die höhere Fürbittkraft eines bestimmten Heiligen vor der eines anderen hervorstreichen. Dies kommt sogar bei Marienwallfahrtsorten zu tragen, indem etwa die Mutter Gottes in X eher ein Wunder wirkt als die Mutter Gottes in Y, sodass Maria beinahe in mehrere Persönlichkeiten aufgespalten wird.

Was den Inhalt und den Aufbau der Mirakelbücher anbelangt, lassen sich folgende allgemeine Gemeinsamkeiten feststellen: „In jedem Buch befindet sich zunächst eine Vorrede, in der die Verehrung des Gnadenbildes gerechtfertigt wird. Dann informiert der Autor den Leser über die meist wunderbare Herkunft des Gnadenbildes und über Wunder, die schon früher durch dieses Bild gewirkt wurden. Diesen einführenden Berichten sind die Mirakelberichte und meist auch ein Gebetsteil angefügt. Die Mirakel stammen wohl alle aus Büchern, wo sie zuerst handschriftlich eingetragen worden sind und aus denen die Autoren für das gedruckte Buch später ausgewählt haben.“(zit.: WEISSENBACHER, 1998, 72).

Gedruckte Mirakelbücher bieten einen guten Überblick über die Wallfahrtspraxis. In vielen Mirakelberichten wird über die Unfähigkeit und Hilflosigkeit der Ärzte berichtet. Die Medizin stand in früheren Jahrhunderten den meisten Krankheiten tatsächlich hilflos gegenüber. Ein einfacher Schnupfen, ein Grippe- oder ein Fieberanfall oder eine Lungenentzündung führten in vielen Fällen zum Tod.

Orthopädische Erkrankungen, Zahnprobleme, Koliken usw. verursachten mangels der nötigen Medikamente oft unsägliche Schmerzen, ganz abgesehen von allen Arten der Geburtskomplikationen. Der medizinische Bereich ist bis in die frühe Neuzeit in einem noch sehr mangelhaften Entwicklungszustand. Ausgebildete Ärzte stehen nur einer sozial besser gestellten Schicht zur Verfügung. Neben diesen gab es das „niedrige“ medizinische Personal, wie Schnittärzte, die Bauchoperationen durchführten – ein Vorhaben, das zumeist den Tod des Patienten zur Folge hatte, aufgrund von Wundschmerz, Infektionen und Eiterungen. Bader, die Salben und Arzneien verschrieben, Verbände an Geschwüre und Wunden anlegten, Aderlässe durchführten und auch „Zahnbehandlungen“ vornahmen (vgl. SCHUH 1989, 28).

Die Mirakel betonen immer wieder die göttliche Überlegenheit gegenüber der weltlichen Medizin. Christus wird dementsprechend öfter als Apotheker dargestellt, der himmlische Arznei bereithält: er hat die Seelenwaage (Pendant zur Apothekerwaage), das Seelenarzneibuch ist die Bibel, die Arzneien sind Glaube, Hoffnung und Liebe, Friede, Gerechtigkeit und Trost sowie - als Hinweis auf die Eucharistie - Kelch und Hostie. Die Gottesmutter als Helferin in allen Nöten wird in der Lauretanischen Litanei als „Heil der Kranken“ angerufen (vgl. ebd. S.29 ff.).

Durch die reklamative Wirkung des Wunders sollte dem Hilfesuchenden deutlich gemacht werden, dass das Aufsuchen von Ärzten nur Kosten (eine Operation kostete etwa den Preis eines guten Pferdes) und zusätzliche Schmerzen verursacht, während doch die ausschließliche Kraft, einen Schicksalsschlag abzuwenden, einzig bei Gott und der Gottesmutter Maria, der „himmlischen Ärztin“, liegt.

4.3 Mirakelbuch des Stiftes Stams    

Das älteste Mirakelbuch Österreichs ist das Stamser Mirakelbuch („liber miraculorum“). Im Jahre 1273 beginnen mit dem Gründungsjahr des Klosters durch Zisterziensermönche die schriftlichen Aufzeichnungen in lateinischer Sprache. Die vom hl. Johannes dem Täufer zu Stams gewirkten Wunder erstrecken sich über einen Zeitraum von 1275 – 1289 (vgl. ERNST,1973, 147- 158 In: ROSSMANN 1997, 67).

Der ehemalige Archivar in Stams, Josef Ernst, erwähnt in seinem Artikel zur Festschrift „700 Jahre Stift Stams“, dass Abt Paul Gay (1631 – 1638) den „liber miraculorum“ ins Deutsche übersetzt und in seine „Chronica monastrii B. Mariae et S. Johannis Baptistae in Stambs“ übernommen habe. Die Mirakelaufzeichnungen des Abtes Gay reichen von 1363 bis zum Jahre 1615 (Archiv Stams, MS 122, Paul Gay, 1619, „Wunderzeichen“ in: ROSSMANN, 1997, 67).

Der erste Wunderbericht bei Gay geht auf das Jahr 1363 zurück. Der Abt des Klosters erzählt von einem Knaben, der bereits in seinen jungen Tagen an großen Schmerzen und Fieber litt., sodass er „auch sein Gespräch verluhr“. Derselbe Knabe verlobte sich zum hl. Johannes dem Täufer zu Stams und bat auch seinen bereits verstorbenen Vater um Hilfe. Noch in derselben Nacht wurde der Knabe geheilt und kam zum Dank zurück nach Stams ( ebd.1997).

Mirakel Nummer zwei berichtet von dem bereits erwähnten Wunder, welches sich bei der Ankunft der Zachariaqsreliquie im Jahre 1377 ereignet hatte, im Zuge dessen ein stummes Kind seine Sprache wieder fand (zit. n. ebd. „Wunderzeichen“, 2).

„Wunderzeichen“ 4 lautet: „So ware auch in Kheißheim in einem Dorff genannt Sulzdorff ein Paursmann der nachent yber ein halbes Jar den rechten Arm nit rieren khundt, und großen Schmerzen daran lite, derselb versuechet in vil Stötten Hülff und Trost, ud verzert auch vil gelt mit den Arzten. Seitemal er aber nicht erwarb , da verhieß er sich her gehen Stambs zuegehen zu dem würdigen Gottss Taufer und alspaldt ward er gesundt an seinem Armb“ (ebd.67).

Eine Frau aus Innsbruck hatte große Schmerzen an ihrem Arm und kein Arzt konnte ihr helfen. So „verhieß“ sie sich zu Stams und ihr „ist von stund an besser geworden“ (ebd.68).

4.4. Mirakel – Einbildung oder Wahrheit?    

Die Geschichtsschreibung hat die Mirakelberichte lange Zeit verworfen, da sich aufgrund der meist sehr allgemeinen Angaben eine kritische Prüfung der Mirakel gar nicht vollziehen ließe. Viele Berichte über Heilungen würden wahrscheinlich bei einer Überprüfung durch die Medizingeschichte als Krankheiten diagnostiziert, die bereits im Stadium des Ausklingens waren. Auch bei einer kirchlichen Examinierung mit Maßstäben, wie sie in einem Selig- oder Heiligsprechungsprozess für durch einen Heiligen gewirkte Wunder angewendet werden, würden heute viele Berichte nicht als Wunder im engeren Sinn angesehen werden.

Sind die meisten „Wunder“ also doch eher in die Kategorie der Einbildung einzureihen?

Ich bin der Meinung, dass in vielen Fällen der Weg der Mitte zu wählen ist. Für den Votanten, dem eine Heilung geschehen ist oder der den glücklichen Ausgang einer Notsituation erleben dufte, hat sich ein Wunder vollzogen. Im Denken des Menschen früherer Jahrhunderte, der die Welt im Lichte von guten und bösen Mächten, Himmel und Hölle sieht, konnte dies gar nicht anders sein. Eine einfache Grippe konnte vor mehreren hundert Jahren für den Erkrankten bereits das Todesurteil bedeuten. Mit seiner ganzen Gedankenkraft setzt nun der Kranke sein Vertrauen auf die Hilfe Gottes. Er weiß, dass Gott ihn gesund machen kann. Er betet und meditiert den Rosenkranz usw., immer die Bitte um die Erlangung der Gesundheit vor Augen – und wird schließlich geheilt. Die Macht der Gedanken, des Glaubens und der Überzeugung bedeuten also eine Einstellung im Sinne einer absoluten Fürwahrhaltung, aus der sich eine große Erwartungsspanne ergibt. Durch das Gebet werden dann physiologische Vorgänge ausgelöst, die auch eine Wirksamkeit auf krankhafte Vorgänge im Organismus haben (vgl. SCHUH a.a.O.,31).Vielfach werden vorkommende Krankheiten wie Blindheit oder Taubheit usw. psychosomatischer Natur gewesen sein – das feste Vertrauen auf des Wallfahrtsheiligen Wunderkraft führt die Heilung herbei.

Die meisten Mirakel sind sicher Fälle, in denen ein Selbstheilungsprozess im Gange war, wo die Ursachen des Leidens im psychischen Bereich lagen oder wo zum Beispiel aufgrund einer vitaminreichen Nahrung im Frühjahr und Sommer eine Krankheit sich plötzlich besserte. Das Wunder im engeren Sinne, das die Naturwissenschaft nicht zu erklären vermag, ist bei den Mirakel-Berichten wohl eher selten zu finden. Für den gläubigen Menschen und für alle Votanten der Mirakelbücher hat Gott auf die Fürbitte der Muttergottes oder eines Heiligen eingegriffen und das ersehnte „Wunder“ bewirkt.

Ich finde, dass die Berichte keineswegs als Relikte einer „Wundersüchtigen“ Zeit als lächerlich abgetan werden sollten: viel zu ernst ist das Schicksal, die Lebenssituation und Geschichte der Menschen, ihr Überlebenskampf und ihr unerschütterliches Gottvertrauen, die hinter den Mirakeln steht.

5 Kritik am Wallfahrtswesen    

Seit dem 4. Jahrhundert gibt es Kritik an der Wallfahrtspraxis. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass „jede Wallfahrt nur Ausdruck der inneren christlichen Überzeugung und Hingabe sein darf, nicht aber Ersatz dafür“ (zit. nach KÖTTING, 1965 in: HÖFER/RAHNER (Hrsg.) Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 10, 1965, 943 ff).

Bis zum Beginn der Neuzeit bahnte sich eine immer schärfer werdende Kritik an den Wallfahrten ihren Weg. So wurde den Männern vorgeworfen, dass „sie ihre Berufs-, Ehe- und Erziehungspflichten vernachlässigen. Frauen begaben sich auf einer Pilgerreise in Gefahr vergewaltigt, und Kinder versklavt zu werden. Man sah die Gefahren für Leib und Gut in keinem Verhältnis zum Gewinn. Den großen finanziellen Aufwand, der mit einer Wallfahrt meistens verbunden war, sollte man lieber karitativen Institutionen zukommen lassen (vgl. OHLER, 1994, 171).

Erschwerend kam hinzu, dass auch zunehmende Missstände auftraten. Auch an den Wallfahrten in entferntere Gegenden kritisierte man, dass dadurch wertvolle Arbeitszeit vergeudet würde. In der Folge beauftragte Papst Nikolaus V. den Brixner Bischof und Kardinal Nikolaus von Cues (Cusanus 1401 – 1464), die Klöster und den Weltklerus zu reformieren und das kirchliche Leben zu erneuern (vgl. NAUPP , 1988, 94f.).

Da Kardinal Cusanus bei den Reformen mit aller Härte vorging – er verhängte die höchsten kirchlichen Strafen wie den Kirchenbann und verlor bald alle Sympathien. Weiters hatte der Kardinal auch kein Verständnis für eine ungeregelte Volksfrömmigkeit. Sein strenges Vorgehen ist aus den Missbräuchen seiner Zeit erklärbar. Er verlangte, dass kein Laie ohne die Zustimmung seines Seelsorgers oder Bischofs eine Wallfahrt unternehmen dürfe. Erlaubt waren nur die Wallfahrten nach Rom, Santiago, Brixen, Aachen und Aquilea. Andere Wallfahrtsorte kamen in seiner Aufstellung nicht vor, obwohl es im damaligen Alttirol bereits einige bekannte Gnadenorte wie St. Georgenberg, Stams und Wilten gegeben hat (vgl. GRASS, Veröffentlichungen der Uni Innsbruck , Bd. 25, 1972, 72 f.).

„Einen viel erfolgreicheren Nachfolger fand Cusanus in Martin Luther, der „peregrinandi spiritu“ empfahl – im Geiste zu wallfahrten( vgl. ROSSMANN, Dipl.A. 1997, 104).

6 Literaturhinweise Volkskunde    

Achammer, Angelika: Die Wallfahrtsorte N-Tirols, Lage, Entstehungslegende, Kultgegenstand, Entwicklung Bd. 1 (Institut für Soziologie, Forschungsbericht 43, Innsbruck 1993

Assmann, Dietmar: Die bedeutendsten Wallfahrtsorte Österreichs und Südtirols. In: Volkskunde-Atlas. 6. Lieferung / 2. Teil. Wien 1979

Beissel, Stephan: Wallfahrten zu unserer lieben Frau in Legende und Geschichte. Freiburg 1913

Brauneck, Manfred: Religiöse Volkskunst. Votivgaben, Andachtsbilder. Köln 1978

Brednich, Rolf Wilhelm u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens: Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Band 8. Berlin; New York 1996

Brednich, Rolf Wilhelm u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens: Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Band 9. Berlin; New York 1999

Falger, J. Anton: Der Pilger durch Tirol. Innsbruck 1846

Grass, Nikolaus: Cusanus in: Veröffentlichungen der Universität Innsbruck, 1972

Günter, Heinrich: Psychologie der Legende. Freiburg 1949

Höllhuber, Dietrich: Wallfahrt und Volksfrömmigkeit in Bayern. Nürnberg 1987

Ingenhaeff-Berenkamp, Wolfgang: Wallfahrt St. Georgenberg. Über Gebetserhörungen, Mirakelgeschichten und Gnadenerweise. Schwaz 1986

Jantsch, Franz: Kultplätze im Land, Band V. Unterweitersdorf, 1995

Kötting, B.: Reliquien, in: Höfer/Rahner (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 10, Neubearbeitung (Freiburg im Br. 1965), S. 941-946

Lexikon für Theologie und Kirche. Band 10. Freiburg i. Br. 1965 (zitiert nach Assman, Dietmar: Die bedeutendsten Wallfahrtsorte Österreichs und Südtirols. In: Volkskunde-Atlas. 6. Lieferung / 2. Teil. Wien 1979) Die schönsten Tiroler Sagen. Innsbruck, 2007

Naupp, Thomas: Zur Geschichte der Wallfahrt nach St. Georgenberg, in: Heiltum u. Wallfahrt, Tiroler Innsbruck 1988

Ohler, Norbert: Pilgerreisen im Mittelalter. Zwischen Andacht und Abenteuer, Freiburg-Basel-Wien 1994

Paulin, Karl: Die schönsten Tiroler Sagen. Unveränderter Nachdruck, Innsbruck 2007

Rossmann, Alexandra: Die Anfänge des Wallfahrtswesens in Tirol, Diplomarbeit Innsbruck 1997

Tschiderer, Hermann: Wallfahrten in Tirol. In: Heiltum und Wallfahrt. Wilten und St. Georgenberg - Fiecht, Innsbruck, 1988

Schuh, Barbara: Jenseitigkeit in diesseitigen Formen. Graz 1989

Weger, Siegfried / Hölzl, Reinhard: Geheimnisvolles Tirol. Mythisches, Magisches und Mysteriöses. Innsbruck, Bozen 2007

Weidl, Reinhard: Mariastein Tirol. Christliche Kunststätten Österreichs. Nr. 40, Salzburg 1995

Weißenbacher, Peter: Wallfahrt und Mirakelbücher im barocken Österreich. Ein Überblick über die Wallfahrtsvolkskunde mit der Auswertung dreier gedruckter Mirakelbücher des 18. Jahrhunderts. Diplomarbeit. Wien 1998

Wiegele, Monika: Der Loreto-Kult im Habsburgerreich. Dissertation, Wien 2000

Ethnologie    

Ethnologie bezeichnet eine Wissenschaft als Fach an der Universität.

Wissenschaft bezeichnet eine intersubjektiv überprüfbare Untersuchung von Tatbeständen und ihre systematische Beschreibung und mögliche Erklärung der untersuchten Tatbestände (vgl. KÖRNER 1980, 726-737).

Sie wird auch als Erkenntnis bezeichnet, die in Form von Aussagen vorliegt, die Validität, Reliabilität und Objektivität als Methoden bzw. Grundlagen besitzen.

Wissenschaftliche Arbeitsweisen in der Ethnologie sind Protokollieren, Exzerpieren, Belegen, Zitieren, Literaturumgang, Erheben und Ordnen des Materials, Vortragen und Dokumentieren bzw. Publizieren (vgl. BEER-FISCHER 2009).

7 Ethnologie als Disziplin    

Um 1970 entstand aus einer Hilfswissenschaft der Geschichtswissenschaft, der Erdkunde bzw. Geographie als deren Teilgebiet die Völkerkunde oder Ethnographie, in der Folge bezeichnet als "Ethnologie". Geographie und Ethnologie verselbständigten sich und bildeten Sub-Diszipline (Teildiszipline).

Interessen für eine Ethnologie waren zunächst die Entdeckungen von Völkern, Forschungsreisen, Kontakte mit neuen Ländern und Menschen. Später kamen koloniale Eroberungen, ihre Rechtfertigungen, Handelsbeziehungen, Mission, nationales Interesse, Immigration und Minderheiten dazu. Ethnologie verfestigt sich als Fachdisziplin in der Gründung von Vereinigungen, einer Zeitschrift und schließlich in Museen und der Etablierung an Universitäten (vgl. FISCHER 2013, 15).

Kriterien für eine wissenschaftliche Disziplin (Ethnologie) sind der Forschungsgegenstand (Forschungsobjekt), Forschungsprobleme (Fragestellungen) und die Forschungsmethoden.

"Eine Alleinstellung im Kanon der Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften erhält die Ethnologie als diejenige Wissenschaft, die in ihre Reflexion die kleinen und nichtstaatlich organisierten Gesellschaften einbezieht und somit eine Perspektive auf das Eigene aus einer extremen Ferne richtet" (HEIDEMANN 2011, 13). Betont wird das Kulturelle in und am Menschen.

7.1 Fachbezeichnungen    

Nach FISCHER (2013, 16-17) wurde Ethnographie (ethnos - Volk, graphein beschreiben) 1970 an der Universität Göttingen geprägt, vermutlich nach dem Vorbild Erdkunde und Geographie. Rund zehn Jahre später kam es dann an mehreren Orten zur Bezeichnung Ethnologie. Mit dem Wortbestandteil -logie' (logos -Wort, Kunde) entspricht es besser der Völkerkunde, mit dem es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gleichbedeutend verstanden wurde.

Mitunter wurde Ethnographie als beschreibende und Ethnologie als vergleichende Völkerkunde verstanden.

Ab 1930 bis 1990 benutzte man im Ostblock in Abgrenzung zum Westen den Begriff "Ethnographie" für das Gesamtfach.

In den letzten Jahrzehnten wurde an den Universitäten Ethnologie allgemein als Fachbezeichnung eingeführt.

Die ältere Bezeichnung ist die Anthropologie (anthropos - Mensch), schon im 16. Jahrhundert in Deutschland geprägt. Als "Menschenkunde" zu allgemein - man denke an die Medizin, Philosophie, Pädagogik, Biologie und Theologie - wurde der Begriff in der Folge eingeschränkt in Teilbereiche wie Pädagogische Anthropologie (Erziehungswissenschaft) und als eigene Disziplin etwa in Kultur- bzw. Sozialanthropologie.

Im anglo-amerikanischen Raum hat "anthropology" die Bedeutung als "Wissenschaft vom Menschen" behalten.

  • In den USA wird genauer unterschieden ("physical anthropology" und "cultural anthropology" mit den Teildisziplinen ethnolgy, archeology und linguistics).
  • In Großbritannien verwendet man als Begriff "social anthropology". Damit wird bewusst die eher sozialwissenschaftliche Ausrichtung verdeutlicht. "Social anthropology" hat sich als "comparative sociologist" (Vergleichende Soziologie) verstanden.
  • In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde und wird "anthropology" als Anthropologie übersetzt, wenn eigentlich Ethnologie gemeint ist. Allgemein gilt heute, dass es besser wäre, die englischen Bezeichnungen im Deutschen unübersetzt zu belassen.
  • Im deutschen Sprachraum haben sich inzwischen "Institute für Sozial- und Kulturanthropologie" und "Europäische Ethnologie" etabliert. Eine Vereinheitlichung der Bezeichnungen aus dem Englischen wäre hilfreich (vgl. überblicksmäßig HEIDEMANN 2011, 10-18).
7.2 Spezialgebiete    

Ein Wissenschaftsgebiet mit der Thematik der Völker der Erde und deren Kultur bedarf notwendigerweise Teilgebieten (Subdisziplinen) (vgl. HEIDEMANN 2011, 15-18; FISCHER 2013, 18-20). Im Studium wird durch Wahlmöglichkeiten und einem Zweitfach dem in der Regel entsprochen.

  • Allgemein wird Ethnologie in ihrer Spezialisierung durch Regionalität differenziert.
    • Einmal gliedert man das Fach in geographische Teilgebiete nach Kontinenten bzw. Teilkontinente.
    • Andere Spezialisierungen umfassen historische Räume wir den Mittelmeerraum (vgl. die Überschneidungen in Studienrichtungen bei Afrikanistik, Tibetologie, Japanologie und Amerikanistik). Unlogisch in diesem Zusammenhang ist die Bezeichnung "Europäische Ethnologie".
    • Zu beachten sind bei Spezialgebieten die entsprechenden Verkehrssprachkenntnisse für den jeweiligen Kulturraum(etwa Lateinamerika mit Spanisch und Portugiesisch, Suaheli für Ostafrika, Pidgin für Melanesien, Tagalog für die Philippinen).
    • In der Forschungsrealität beschränkt sich für die Ethnologie das Fachgebiet auf noch kleinere Gebiete.
  • Das zweite Spezialgebiet bezieht sich auf kulturelle Teilbereiche. Hier sind die Bezeichnungen klar wie etwa Wirtschaftsethnologie, Religionsethnologie, Kunstethnologie, Sozialethnologie, Ethnologische Geschlechterforschung, Politikethnologie, Medizinethnologie, Tanzethnologie und Rechtsethnologie.
    • Gewisse Bereiche haben eine andere Bezeichnung wie Ethnolinguistik, Ethnozoologie und Ethnobotanik.
    • Nach den Forschungsansätzen werden etwa Ethnohistorie, Museumsethnologie, Ethnopoetik und Ethnopädagogik bezeichnet.
7.3 Forschungsgegenstand    

Ethnologie lässt sich aus Völkerkunde ableiten, also im Gegensatz zu Volkskunde im Plural aus "Völker". Zusätzlich aus dem Verständnis von Griechisch "ethnos" kommt noch der Bezug zu fremden Völkern'' (vgl. BEER 2013, 53-73).

Ethnologie beschäftigt sich im Gegensatz zu Geschichtswissenschaften nicht mit Herrschaften, Reichen und Staaten, vielmehr mit fremden Völkern im Kontext mit neuen und unbekannten Bereichen.

Der Aspekt des "Fremden", der Fremdheit und des Fremdverstehens spielt daher eine große Rolle, wobei sich hier der Kontext zur jungen Wissenschaft der "Interkulturellen Kompetenz"/ ICC ergibt(vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz).

Interdisziplinär als vergleichende Disziplin ergeben sich Studienrichtungen wie Germanistik, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Politikwissenschaft bzw. Politische Bildung, Soziologie, Volkskunde und Kultur- bzw. Sozialanthropologie. Damit ergibt sich für die Ethnologie' der Bereich der Völker im außereuropäischen Raum und kleineren Einheiten.

Ethnologie entwickelte sich in der wissenschaftlichen Erkenntnis nach dem Schema Naturvölker > fremde Völker > alle Völker und Kulturen > Kultur-Fremdheit-Ethnizität.

Interkulturalität und Globalisierung weiteten im 20. Jahrhundert das Forschungsgebiet aus. Kennzeichnend sind

  • Prozesse des Kulturwandels und der Akkulturation,
  • der Urbanisierung und Gangs,
  • Industrie und Institutionen sowie
  • gesellschaftliche Entwicklungen.
Neben Volk besteht der Begriff "Kultur" als zweiter zentraler Begriff der Ethnologie. Auf ihn wird in der Folge einzugehen sein.

7.3.1 Kulturkonzepte    

Im Folgenden wird auf Kultur im allgemeinen, die Kulturbegriffe, deren Kritik, die globale Kulturkonzeption und Ebenen von Kultur eingegangen. Der Kontext zum Transnationalismus und zur Trans- bzw. Interkulturalität ist gegeben.

Der Begriff "Kultur" ist in der Ethnologie ein wichtiger Themenbereich. Unterschiedlich bewertet wird die Frage, ob Gegenstand, Erklärung oder beides Kultur ist.

  • Kultur als Kunst (Musik, Theater, Literatur, Architektur und bildende Kunst) verstanden ermöglichte die Auffassung im 19. Jahrhundert, bestimmte Völker und soziale Gruppen hätten keine Kultur.
  • Kultur als unveränderliches Merkmal wird mitunter als Begriff gebraucht, um Migrantinnen und Migranten als nicht integrierbar anzusehen.
  • Kulturen (im Plural) werden auch als Gemeinschaften mit Merkmalen verwendet.
Kultur ist ein wissenschaftliches Konzept in der Ethnologie, auf das im Folgenden eingegangen wird.

Nach KROEBER und KLUCKHOHN (1952) als Arbeitsdefinition ist Kultur überliefertes Wissen und Verhalten eines sozialen Kollektivs. Kultur besteht aus Verhaltensmustern, erworben und weitergegeben durch Symbole einschließlich ihrer Verkörperung in Artefakten, die ein besondere menschliche Leistung darstellen. Den Kern der Kultur stellen traditionelle Ideen im Kontext mit Werten dar(vgl. ebd., 375). Über die Verwendung des Begriffs sind sich nicht alle Ethnologen einig(vgl. BEER 2013, 55).

Gemeinsame Grundannahmen sind (vgl. BEER 2013, 55-57)

  • die Erlernbarkeit kulturellen Verhaltens und Wissens (vgl. GEERTZ 1973, 4);
  • die Teilbarkeit von Kultur von mehreren Menschen. Die nachfolgende Genration wird "enkulturiert". Kultur wirkt subtil, ohne expliziten Regeln zu folgen(vgl. den Genuss von Pferdefleisch);
  • die verschiedene Bezeichnung von Kultur in den theoretischen Richtungen wie Ordnung, Struktur, Muster ("pattern"), System oder Bedeutungsgewebe. Weil Überschneidungen bei Merkmalen vorkommen, gibt es eine Unschärfe an den Kulturrändern;
  • die fehlende Einheitlichkeit von Kultur. Abweichungen und Unterteilungen(Subkulturen) unterscheiden sich (vgl. städtische und ländliche Kultur, Jugendkultur, Pop-Kultur);
  • die Möglichkeit, Kultur zu entwickeln.
Definitionen von Kultur, wie KROEBER und KLUCKHOHN (1952) nachweisen, gehen zunächst vom Begriff "Kulturgeschichte" aus als allseitige Entwicklung der Menschheit. In der Folge wird der Begriff "Kultur" im englischen und französischen Sprachgebrauch verwendet. Erste Definitionen kommen aus der Ethnologie und werden von anderen Wissenschaften übernommen. Es entstehen verschiedene Definitions-"Typen", die KROEBER und KLUCKHOHN zusammenfassen (vgl. BEER 2013, 57-59):

  • Aufzählende und beschreibende Definitionen beschreiben nicht das Wesentliche und können nie vollständig sein, allerdings beschreiben sie Kultur als erlernt und weiterzugeben.
  • Die historische Definition stellt die Überlieferung (Tradierung) als soziales Erbe in den Mittelpunkt. Allgemeine(universale, tradierte) und spezielle Kultur (für Ethnien, Regionen, Nationen oder historische Prozesse) wird unterschieden. Die Ethnologie bezieht sich auf die Frage, wie Gemeinsamkeiten und Unterschiede menschliche Lebensweisen erklären.
  • Strukturelle Definitionen stellen Verbindungen zwischen den einzelnen Aspekten dar. Kultur wird als System bzw. organisatorisches Prinzip beschrieben. Betont wird das konzeptionelle Modell der Kultur mit beobachtbarem Verhalten(Zusammenschluss von Menschen, Existenz von Ideen, Nutzung von Symbolen, Sprache).
Sprache gilt als am stärksten automatisierter und unbewusster Anteil von Kultur.

Von Interesse ist das Verhältnis von Gesellschaft und Kultur. Gesellschaft betont die sozialen Beziehungen, Kulturkonzepte die erlernten Muster des Verhaltens.

Wesentlich ist die Unterscheidung von "Kultur" und "Sozialstruktur" sowie "Idealismus" und "Materialismus", die die Diskussion bis in das 20. Jahrhundert in den Geistes- und Sozialwissenschaften beschäftigte(vgl. den Paradigmenwechsel in der Bildungsdiskussion von der geisteswissenschaftlichen zur naturwissenschaftlichen bis heute zur sozialwissenschaftlichen Erweiterung des Fächerkanons bzw. der Studienrichtungen).

Evolutionistische Konzepte sehen Kultur als adaptives System, der jeweiligen Umwelt angepasst. Richtungen wie Neo-Evolutionismus, Kulturmaterialismus und Kulturökologie werden in der Regel zusammengefasst (vgl. KEESING 1974). Gemeinsam sind ihnen die Beobachtung der Verhaltensweisen im Kontext von Gesellschaft(Gemeinschaft) und Umwelt. Ein Kulturwandel ist demnach ein Prozess der Anpassung (Gleichgewicht von Kultursystem und Lebensraum).

Ideationale bzw. mentalistische Konzepte (interpretative Richtung) nach KEESING (1974) sind solche, denen Symbole ein großer Stellenwert eingeräumt wird (etwa GEERTZ, DUMONT)bzw. die universalen Symbolsysteme (LEVI-STRAUSS)und kulturelles Wissen betone (GOODENOUGH). Von Interesse ist besonders GEERTZ (1973). Er sieht Kultur als "Bedeutungsgewebe", das aus Systemen geordneter Symbole besteht(Ordnung-Sinn-Verhaltensteuerung-Erfahrungsinterpretation). Ethnologen interpretieren die Symbolsysteme etwa in Form von Mythen, Ritualen und gesellschaftlichen Ereignissen ohne Bezug zu sozioökonomischen Bedingungen (hermeneutischer Kulturbegriff/Deutung-Verstehen.

Materialistische Kulturkonzepte betonen die Verbindung von Kultur und Gesellschaft, etwa die englische "Social Anthropology" (vgl. KUPER 1999). Als Funktion einer Kultur wird hier die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse angesehen (vgl. MALINOWSKI 1964).

Ein Kulturwandel lässt sich erst dann erklären, wenn Ideen und Verhalten als Kombination mentalistischer und materialistischer Ansätze erklärt werden.

7.3.2 Kulturbegriffe    

Der enge Kulturbegriff geht von der Begrifflichkeit des 19. Jahrhunderts aus, als Kultur mit Zivilisation gleichgesetzt wurde.

Heute wird Kultur weiter gefasst und schließt die Alltagskultur ein. Verstanden werden damit Lebensarten, Haltungen, Normen und Werte. Dem ethnologischen Verständnis von Kultur kommt dieses Verständnis näher (vgl. HEIDEMANN 2011, 18-19).

Klar abgegrenzt als Kulturkonzeption sind Konzepte wie "Betriebskultur" oder "Leitkultur", die von einer Elite vorgeschrieben werden, einem konkreten Zweck dienen und verinnerlicht werden sollen. Einem ethnologischen Kulturbegriff stehen solche Konzepte genau entgegen, gleichwohl können sie als Untersuchungsgegenstand dienen.

Wenn heute im Singular von "Kultur" gesprochen wird, so ist anzumerken, dass KROEBER und KLUCKHOHN (1952) über 160 Definitionen von "culture" gesammelt, geordnet und diskutiert haben. Heute ist die Lust an Definitionen vorbei.

Nach heutiger Sicht wird Kultur kollektiv und durch Sozialisation vermittelt. Eine Offenheit des Kulturbegriffs ist selbstverständlich, gibt es doch eine Eigendynamik von Kultur.

Sieht die britische Position als Kulturkonzept der "social anthropology" mit einer Kultur, die nützlich ist und eine adaptiven Instanz besitzt (vgl. die Kritik der Nützlichkeit bei Krieg oder Folter), so entwickelten die USA die "cultural anthropology" mit spezifischen Charakteren. Der Denk- und Handlungsansatz ist integrativ ("das Ganze bestimmt die Teile"). Bahnbrechend ist die These, dass einzelne Teile von Kultur aufeinander bezogen sind (vgl. HEIDEMANN 2011, 21). Nicht die Funktion, vielmehr die Form von Kultur entscheidet (Vorwurf der Pauschalierung und Essentialisierung).

Claude LEVI-STRAUSS entwarf in Paris als intellektuelle Herausforderung die "strukturelle Anthropologie". Als neues Konzept wird Kultur in Zeichensystemen festgemacht, in ästhetischen Formen, Speisefolgen, Verwandtschafts- und Tauschsystemen. Von Interesse war die "unbewusste Ordnung" (vgl. OPPITZ 1975/1981, 37-59). Es geht um Kategorien, in denen wir denken (nicht Gesellschaften). Etwa in der Beziehung von Mann und Frau müssen wir unser Denken in Status und Macht, Natur und Kultur verstehen. Kritisch wird vermerkt, dass Tatbestände auf einfache Formeln reduziert werden. Als gültige Botschaft gilt heute, dass Menschen vielfach unbewusst mit strukturierten Kategorien denken.

Bedeutungsvoll wird der Kulturbegriff in der Einsicht, dass Kultur immer eine Abstraktion ist.

Mit dem Name von Clifford GEERTZ (1993) ist die semiotische Wende in der Ethnologie verbunden. Damit wurde der Forschungsschwerpunkt auf die Zeichen- und Bedeutungsebene fremder Kulturen verlagert (vgl. Zwinkern als Auf- und Abbewegung eines Augenlides bzw. Übermittelung einer geheimen Botschaft/kultureller Code; vgl. GEERTZ 1983, 15). Mit der Hinwendung zur Bedeutungsebene kommt es zu Deutungsvarianzen.

In den Sozialwissenschaften wird von der Gefahr einer "Reifizierung" (künstliche Hervorbringung) gesprochen. Die Ethnologie verweist auf die fremdkulturelle Begegnung mit polarisierenden und kontrastreichen Bildern, in dem der Fremde noch fremder wird. Nach FABIAN (1983) wird dies als "Othering" benannt (vgl. HEIDEMANN 2011, 119-120).

7.3.3 Kritik am Kulturkonzept    

Kritik am Kulturkonzept kommt von Christoph BRUMANN (1999, 1-27). Widersprüchliche Erklärungsmuster sind Teil eines wissenschaftlichen Diskurses. Eine fehlende Genauigkeit bzw. Eindeutigkeit ist kein Grund für eine Nichtverwendung.

Ein wesentlicher Einwand ist die Verwendung des Begriffs "Kultur" im Kontext mit dem Ethnozentrismus. Hier wird Kultur definiert aus der eigenen Erfahrung. Das von HEIDEMANN (2011) zitierte Beispiel des US-Universitätscampus mit den rassistischen Vorstellungen über Mitstudierende mit anderer Hautfarbe oder Muttersprache weist auf Kultur, die dinglich gedacht, reifiziert und essentialisiert wird. Sinnvoll ist vielmehr Kultur als Kognition zu begreifen, als Fähigkeit der Deutung von kulturellen Codes. Getrennt werden muss allerdings das Verständnis von der Bewertung (vgl. HEIDEMANN 2011, 26-27). Ohne Zweifel zeigen die Beispiele, dass Identitätsprobleme mit kulturellen Zuschreibungen verbunden sind, Kultur also auch von Bewertungen erfasst ist (vgl. SCHLEE 2007, 275-390).

7.3.4 Globale Kulturkonzeption    

Kulturwissenschaftliche Forschung bzw. deren Erkenntnisse in einer weltweit verbundenen Gesellschaft in Form von Globalisierung, Diaspora und Migration zeigt, dass ortsgebundene Kulturkonzepte zunehmend nicht greifen. Zugehörigkeit und Loyalität lassen sich nicht an physische Räume binden.

Globale Kulturgüter finden weltweite Verbreitung in Print- und Digitalmedien/Internet, so im (Kabel-) Fernsehen und (sozialen) Netzwerken. Die Beiträge zum Transnationalismus und zur Interkulturellen Kompetenz weisen auf eine ent-räumlichte Kultur. Allerdings werden globale Kulturgüter wiederum durch Internationalität(Tourismus, Wirtschaft, Wissenschaft) und Migrationsströme in den verschiedensten Facetten räumlich aufgenommen, transformiert und angeeignet.

7.3.5 Kulturebenen    

Zur Diskussion des Kulturkonzepts soll auf Rodney NEEDHAM (1966) verwiesen werden, der drei Ebenen unterscheidet.

  • Ebene 1 - Empirie, Praxis oder Pragmatik,
  • Ebene 2 - Norm, Regel und Institution sowie
  • Ebene 3 - Ideal, Ideologie oder Werte.
Es handelt sich um Abstraktionen, die begreifbar sind. Sie sind miteinander verbunden. Kultur kann somit als Praxis, Norm und Ideal verstanden werden. Zu bedenken ist die Gefahr eines impliziten Ethnozentrismus.

Dem Begriff "Kultur" liegt keine einheitliche Definition zugrunde, der Begrifflichkeit ändert sich laufend.

Ethnologisches Verständnis von Kultur, die Bezogenheit auf Zeichen und Symbole, die Dynamik von kultureller Entwicklung und die verschiedenen Ebenen ergeben einen Diskurs. Jedenfalls sind Aussagen über Kultur auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen angesiedelt. Eine Zuordnung zu einer Ebene ist hilfreich, nicht immer aber möglich.

7.4 Forschungsfragen - Methoden    

Für die Ethnologie ist die Verschiedenheit der Ausgangspunkt aller Fragestellungen (vgl. FISCHER 2013, 24-26).

  • Erklärungsansätze sind zeitgebunden, sie drücken sich in der Bezeichnung des jeweiligen Forschungsgegenstandes aus.
  • Die Ethnologie geht von gleichen Anlagen (gemeinsamer Abstammung) aller Menschen aus. Eine Verschiedenheit erklärt sich aus den Folgen der Umwelt.
  • Grundannahmen von Erklärungsthesen sind die Veränderlichkeit und Wandel sowie der Erhalt und die Tradierung von Lebensweisen.
  • Übereinstimmungen von entfernten Kulturen und gleiche Erscheinungen in entfernten Räumen sind zu erklären.
Im Evolutionismus des 19. Jahrhunderts wurden die Unterschiede als Stadien einer Entwicklung aller Völker angesehen, die in Richtung einer europäischen Zivilisation führe.

Bios zum Ende des 19.Jahrhunderts blieb es bei einer vergleichenden Ethnologie, etwa in Form von Reiseberichten und Forschungsberichten anderer Diszipline (Ethnographie).

Die Kulturkreis - Lehre in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war an der Geschichte schriftloser Gesellschaften interessiert. Für die britische "social anthropology" ging es um die Funktion von Institutionen zum Erhalt von Gesellschaft.

Die historischen Schulen des 20. Jahrhunderts schlossen von geographischen Verbreitungen auf Geschichte. Interkulturelle Vergleiche ("cross-cultural studies") suchen nach statistischen Gesetzmäßigkeiten.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde de Ethnologie zur empirischen Disziplin. Bronislaw MALINOWSKI und Franz BOAS sind als Vertreter zu nennen. Man untersuchte selbst fremde Völker. In der Folge wurde die Feldforschung in der Ausprägung der "Teilnehmenden Beobachtung" die bis heute wesentliche ethnologische Methode (vgl. FISCHER 2002).

Der Ethnologie geht es heute grundsätzlich um das Verständnis der Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Kultur(Lebensweisen). Es geht (auch) um Menschen in Gemeinschaften, Verständnis und Verstehen des Fremden und Relativieren der eigenen Lebensweise.

8 Fachgeschichte    

Im Folgenden wird auf die antike und mittelalterliche Ethnographie, die Entdeckung Amerikas und die damit verbundene Bedeutung für die Ethnologie, imperiale Kontexte, die Ethnologie als empirische Sozialwissenschaft und die postkoloniale Ethnologie eingegangen (vgl. ZNOJ 2013, 33-52).

8.1 Antike und mittelalterliche Ethnographie    

Anfänge der Ethnologie lassen sich in der europäisch-kleinasiatischen Antike feststellen. Hier wurden erstmals Klassifikationen und Beschreibungsmuster der damaligen Welt vorgenommen.

Klaus MÜLLER (1997) ordnet der Antike ein ethnozentrisches Weltbild zu.

Die Schule von Milet mit Thales, Anaximander und Hekataios (ca. 500 v. Chr.) schuf mit Anaximander bereits eine Weltkarte, auf der verschiedene Völkergruppen einander zugeordnet wurden. Seine Geographie war der Rahmen für eine Objektivierung der Ethnographie.

Herodot beschrieb in seinen "Historien" die verschiedenen Völker Griechenlands und die Unterschiede zu den Nachbarn und anderen Völkern. Zugeordnet wurden diese nach "klimata" in geographische Räume. So reflektierte Herodot bereits über den Ethnozentrismus (vgl. ZNOJ 2013, 33; MÜLLER 1997, 123). Er suchte nach den Unterschieden der Völker, begründete sie mit der Anpassung an die Umwelt und in historischen Prozessen. Er verglich Völker, fand Gemeinsamkeiten (etwa in der Sozialstruktur).

Hippokrates fand die Unterschiedlichkeiten von Menschen im Klimate.

Aristoteles und später der Römer Varro fanden Begründungen in einer "Weltalter-Lehre" mit Gesetzmäßigkeiten der Kulturentwicklung in den Stufen Jäger und Sammler, Nomaden und Ackerbau. Damit wurde bereits damals ein Schema der gesellschaftlichen Evolution entwickelt, das das 18. und 19.Jahrhundert in der Theoriebildung prägte.

Von Interesse war die römische Eroberung des nördlichen Alpenraumes. Cäsar beschrieb und verglich genau in "De bello Gallico" Raum und Bevölkerung. Damit wurde Gallien in Rom bekannt, Germanien dagegen wurde in Bildern beschrieben.

Tacitus schrieb in der "Germania" die erste ethnographische Monographie. Die Germanen wurden idealisiert, "[...]um implizite Kritik an Rom selbst anzubringen" (ZNOJ 2013, 34). Ethnozentrisches Interesse wurde im Gegensatz zu Herodot und Cäsar erkennbar.

Mit der Einführung des Christentum als Staatsreligion und der Unterwerfung der Wissenschaften unter die christliche Dogmatik wurde das Eigene und Fremde in ein theologisch fundiertes Klassifikationsschema eingeordnet. Nunmehr war es nicht die Klassifikation Barbaren-Kulturvolk, sondern Gläubige-Ungläubige. Römische und byzantinische Christen betrachteten sich als "", man sah den "orbis christianus" als Kulturreich an (vgl. MÜLLER 1997, 567).

Im ausgehenden Mittelalter waren fremde Länder zum Teil extrem exotisiert. Es dominierte das Feindbild aller nichtchristlichen Religionen und Bewohner entfernter Gebiete wurden als Monster dargestellt.

Islamische Imperien dehnten sich ab dem achten Jahrhundert aus, geographische Werke entstanden. Ibn Khaldun beschrieb in seinem Werk im 14. Jahrhundert einen Kulturbegriff, der Analyse und Normen vereinigte. Gegensätzlich dazu eine "städtische Kultur" mit Reichtum, Handwerk, Kunst und Wissenschaft sowie vermehrten Bedürfnissen (Luxus, Egoismus, Verfall des Gemeinschaftsgeistes) (vgl. die Beduinenkultur mit einer egalitären politischen Verfassung und einem starken Gemeinschaftsgeist; vgl. ZNOJ 2013, 35). Diese Kulturtheorie sah Aufstieg und Verfall von Dynastien als Strukturgeschichte mit einem materialistischen Gesellschaftsbild.

8.2 Die Zeitepoche nach 1492 - Bedeutung    

Mit dem Einfluss arabischer Wissenschaften in Spanien und Portugal kam es zu einer Ablösung des theologisch-mittelalterlichen Weltbildes in Europa.

Mit der Neu-Entdeckung Amerikas kam es zu Fragen eines neuen Weltbildes.

Es blieb beim verfremdeten Bild der Indianer (vgl. ERDHEIM 1990, 23 mit der Beschreibung von Indianern als mitleidlose Bestien, zum Christentum nicht fähig, zum Tierreich zugehörig; Papst Paul III. stellte 1537 für Katholiken fest, dass Indianer Menschen seien).

Humanistische Gelehrte ab dem 16. und 17. Jahrhundert versuchten eine objektivere Darstellung der Indianer im Kontext mit dem Kanon antiken Wissens. Michel de MONTAIGNE(1558) verglich bei beiden Sitten und Bräuche. Nach dem gleichen Muster schrieb Joseph-Francois LAFITAU SJ (1752) sein berühmtes Werk über die Irokesen. "Über den Nachweis einer Verbindung mit der altweltlichen Tradition und der ursprünglichen Offenbarung versuchte er zu einem Verständnis der indianischen Kultur zu gelangen[...]Die theologisch-universalhistorische These, dass Reste der ursprünglichen Offenbarung weltweit erhalten geblieben seien, motivierte bis ins 20.Jahrhundert die ethnographische Tätigkeit katholischer Missionare. Lafitau war in dieser Hinsicht also ein Vorläufer des Wiener Paters und Ethnologen Wilhelm Schmidt und dessen Schule" (ZNOJ 2013, 36-37).

Hinzuweisen ist auf John LOCKE (1690). Sein Essay "Concering Human Understanding" und die These, dass es keine angeborene Idee gebe, vielmehr die menschloche Erkenntnis auf Sinneseindrücken beruhe, ist eine Grundlage für die moderne ethnologische Theoriebildung. Mit der Vielfalt menschlicher Erfahrungen, Eindrücke und Vorstellungen kommt es in der Folge zu individuellen und kulturellen Ideen. Dies ist bereits eine Anlegung des Kulturrelativismus, der in der Folge zu Auseinandersetzungen in der Ethnologie führte (vgl. ZNOJ 2013, 38).

In der Folge entstand aus der Definition der ganzen Menschheit als Forschungsfeld die Vorstellung einer Einheit des Menschengeschlechts und damit die Entstehung der wissenschaftlichen Disziplin der Anthropologie mit ihren Teildisziplinen (vgl. die Biologie mit LINNÉ [1735], im 19. Jahrhundert MORGAN und TYLOR mit allgemeinen Entwicklungsgesetzen menschlicher Kultur).

Mit der (gleichen) Kulturfähigkeit waren/wurden Gesetzmäßigkeiten der Kultur- und Gesellschaftsfähigkeit zu begründen/begründet (vgl. die Theorie des Rassismus im 19. und 20. Jahrhundert mit der Ablehnung gleicher Kulturfähigkeit und der Hinwendung zu biologischen Unterschieden).

8.3 Universalgeschichte - Kant - Herder    

KANT (1786) geht in seiner Schrift "Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte" davon aus, dass der Mensch grundsätzlich mit Freiheit ausgestattet ist. Er sei in der Lage, Konventionen des Zusammenlebens zu treffen. Am Beginn der Menschengeschichte seien das grobe Normen gewesen, in der Folge haben sich daraus Vorstellungen einer Vervollkommnung menschlicher Gesellschaft ergeben. Dieser Prozess wird "Kultur" genannt. Begründet ist er durch Vernunft. Die Ethnologie entwickelte sich in kritischer Distanz dazu.

HERDER (1784) entwickelte in seinen "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" gegen Kant die These, dass Menschen immer schon vollkommen waren, daher nicht erst mit der europäischen Zivilisation Kulturwesen wurden. Nach Herder entwickelten sich kulturelle Differenzen als historisch und relativ stabile kulturelle Systeme innerhalb abgegrenzter Bevölkerungen. Klima und geographisch-historische Umstände ergeben Denkart und gesellschaftliche Einrichtungen der Menschen.

Herder verbindet kulturelle Vielfalt mit den Begriffen "Volk" und "Nation". Kritisch wird vermerkt, dass Nationalismus und ethnische Identitätspolitik damit gefördert wurde.

8.4 Imperiale Kontexte    

Mit dem Verlust von Besitzungen in Amerika durch Frankreich, Großbritannien und Spanien formierten sich in Europa Nationalstaaten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Kolonialreiche in Afrika und Asien aufgebaut, damit rückten ethnologische Themen in das Zentrum wie nie zuvor (vgl. ZNOJ 2013, 40).

Belebt wurde die ethnologische Theoriebildung durch

  • den Imperialismus ( > Weltpolitik)mit der Dampfschifffahrt, Eisenbahnbauten und den Bau des Suezkanals in Verbindung mit industrieller Produktion, globaler Vermarktung, Weltreisetum, Welthandel, Missionsbestrebungen und beginnendem Tourismus,
  • Kulturereignisse (> Weltausstellung London 1851)als ökomische und politische Leistungsschau sowie Ausstellungen exotischer Inszenierung und Völkerschau sowie
  • Forschung bzw. Intellektualität (> Darwinismus) mit DARWINs "Theorie der Entstehung der Arten" (1859). Unter diesem Einfluss werden bisherige Universaltheorien von Theorien der kulturellen Evolution abgelöst. Kulturevolutionisten fragen nunmehr nach Gesetzmäßigkeiten unterschiedlicher kultureller Entwicklungsstände. Auffallende Ähnlichkeiten sind nach Unterscheidungen von Kulturstufen vorhanden.
Evolutionstheoretiker haben in der Folge universelle Kulturstufen in Vergleichen mit kulturellen Phänomenen und Artefakten beschrieben (vgl. HEIDEMANN 2011, 51-56). Die Erkenntnis, dass Gesellschaften entfernter Räume mit Gesellschaften aus der Jungsteinzeit zu vergleichen wären, wurde später kritisiert, denn oftmals standen sie in überraschenden Beziehungen zu sog. fortschrittlichen Gesellschaften.

8.5 Ethnographischer Holismus    

Holismus als Lehre, wonach ein System als Ganzes funktioniert und nicht aus dem Zusammenwirken seiner Einzelteile, fand in James FRAZER (1894) einen Vertreter, der zwischen Ritualen, Mythen und religiösen Vorstellungen aller Weltgegenden und Epochen Zusammenhänge herstellte. Kritik kam von Feldforschern, die durch längere Aufenthalte und einen vertieften Einblick zum Schluss kamen, kulturelle Erscheinungen im Kontext mit lokalen Kulturen zu verstehen (vgl. ZNOJ 2013, 42).

Franz BOAS (1886) kritisierte in seinem Text "The Limitations of the Comparative Method of Anthropology" (1940) den Evolutionismus und den universalhistorischen Diffusionismus. Er plädierte für einen "historischen Partikularismus" mit monographischer Kultur- und Sprachenanalyse. Er forderte ethnographische Museen mit einem neuen Ausstellungskonzept in Form von Gegenständen mit ihrer Kulturzugehörigkeit. BOAS steht damit in der Tradition von HERDER ("Volksgeist"), HUMBOLDT, BASTIAN ("Völkergedanken") und FROBENIUS ("Paideuma").

Festzuhalten ist, dass eine eindeutige Zuordnung einer Gesellschaft zu einer bestimmten Entwicklungsstufe voraussetzt, dass die sozialen, technologischen, ökonomischen und kulturell-religiösen Entwicklungen parallel laufen. Diese engen Verbindungen verweisen auf die Evolutionstheorie.

Ab dem 20. Jahrhundert kommt es zu monographischen Darstellungen einzelner Gesellschaften und zu Theorien eines inneren Zusammenhalts.

8.6 Ethnologie als empirische Sozialwissenschaft    

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Ethnologie von einer Museums- zu einer empirischen Sozialwissenschaft. Gründe waren die aktuellen Kolonialfragen mit dem Wissen über Sozialstrukturen, Wirtschaftspraktiken und durch die Missionsaktivitäten über Religion. Studierende in England, den USA, Frankreich und den Niederlanden zeigten zunehmendes Interesse.

Wesentliche Theorien erklärten in der Folge Zusammenhänge, die für die Ethnologie von Interesse sind (vgl. ZNOJ 2013, 44-46).

  • Die französische Soziologie und Anthropologie mit DURKHEIM und MAUSS,
  • in der Folge der britische Strukturfunktionalismus mit RADCLIFFE-BROWN und EVANS PRITCHARD,
  • der Funktionalismus mit MALINOWSKI und FIRTH sowie
  • die "Culture & Personality-Schule" (BENEDICT, MEAD, DU BOIS).
MALINOWSKI (1922) geht von einer Handlungstheorie aus, in der die Gesellschaft bzw. Kultur von individuellem Handeln zur Bedürfnisbefriedigung abgeleitet wird. Kulturelle Institutionen dienen zur Befriedigung individueller Bedürfnisse (vgl. HEIDEMANN 2011, 80-87).

RADCLIFFE-BROWN (1906 - 1908) geht davon aus, dass das Individuum eine untergeordnete Rolle als sozialer Rollenträger spielt. Weil die Strukturen nach dieser Theorie vorgegeben sind, Individuen nicht anders handeln können, ist das Interesse der Ethnologie hier groß (vgl. HEIDEMANN 2011, 88-93).

BENEDICT (1989) und MEAD (1935) sehen im Zusammenhang zwischen Individuum und Gesellschaft ein psycho-kulturelles Kontinuum. Ausgehend von Herder und Locke mit der kulturrelativistischen Annahme ist hier der Mensch ein kulturell geprägtes Wesen. Kultur prägt demnach im Denken, Fühlen und der Wahrnehmung, die durch Sozialisation verschiedene Muster ergibt. Damit entsteht kulturelle Verschiedenartigkeit.

  • BENEDICT lehnt einen Kulturvergleich mit einem universalen Bezugsrahmen ab (Funktionalismus, Evolutionismus, Diffusionismus), vielmehr geht er von unterschiedlichen Konfigurationen bzw. Wahrnehmungen aus (Gestalt, Gesicht, Persönlichkeit). In "Patterns of Culture" werden so verschiedene Kulturen beschrieben.
  • MEAD geht von einer tradierten Kultur in einer Gruppe aus(also nicht Anlagen), wobei das Geschlechterverhältnis und seine Verschiedenartigkeit im Kulturvergleich von Interesse ist.
8.7 Koloniale Ethnologie    

Von Interesse ist der Beitrag des "Rhodes-Livingston-Instituts" unter Max GLUCKMANN zum Sambischen Kupfergürtel mit der Aufarbeitung sozialer Transformationen infolge des Kolonialismus und der Industrialisierung.

Gründe für eine auffallende Ausblendung kolonialer Auswirkungen auf lokale Gesellschaften waren das Interesse für die einheimischen Vorstellungswelten und sozialen Strukturen, in Anlehnung an die Theorieansätze von MALINOWSKI (1922). Die damalige koloniale Gesellschaft und Kultur wurde als "authentisch" angesehen.

Im Nationalsozialismus wurde die Ethnologie politisch instrumentalisiert. Die Rassentheorie wurde eingesetzt, Vertreter der Ethnologie waren Richard Thurnwald, Wilhelm Mühlmann und Hermann Baumann. Thematisiert wurde die "Umvolkung" der Ostgebiete und Juden, Roma und Sinti.

Erst die Ethnologen-Generation nach den sechziger Jahren findet Anschluss an die internationale Ethnologie.

8.8 Postkoloniale Ethnologie    

Mit dem Ende des Kolonialismus nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu neuen Entwicklungen, Fragestellungen, einem neuen Gegenstandsverständnis, Methoden und damit einer Legitimation des Faches.

Diese Diversität wird mit den "peasant studies", der "Interpreativen Anthropologie" und der "writing culture-Debatte" bzw. "Orientalismus-Debatte" angesprochen (vgl. ZNOJ 2013, 47-50).

Von Interesse sind Verbindungen zu den Bereichen "Interkulturelle Kompetenz/ICC", "Globales Lernen" und der "Politische Bildung". Hier zeigen sich Kontexte, die in den angesprochenen Bereichen wesentlich und zum Verständnis hilfreich sind (vgl. HEIDEMANN 2011, 136-138; die IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz, Theorieansätze der Politischen Bildung).

Peasant Studies    

Ethnologische Ansätze ergeben sich aus Erklärungsversuchen ehemaliger kolonialer Gesellschaften, zunächst unter dem Aspekt der Modernisierung und in der Folge in den neo-marxistischen "peasant studies".

Die Ethnologie beschäftigt sich mit der Kategorie der "peasants" als Gesellschaft, die es in Kolonien und in Gebieten Europas gab. Damit waren sie erstmals ein postkolonialer Ansatz. Sie waren eine Abkehr von isolierten Dorfstudien des Funktionalismus.

"Peasant studies" zeigen an, dass Gesellschaften seit langem Transformationsprozesse durchlaufen, die mit globalen Produktionsweisen verbunden sind (vgl. WOLF 1957, 1-18). Die Ethnologie weist auf Globalisierungsphänomene und neokoloniale Anhängigkeiten hin.

Der Kontext zu Globalem Lernen und Politischer Bildung ist offensichtlich.

In den USA setzt in der Folge eine Hinwendung zur interpretativen Anthropologie als Reaktion gegen eine sozio-politisierte Wissenschaftspraxis ein.

Interpretative Anthropologie    

Clifford GEERTZ (1973) leitet mit seiner Aufsatzsammlung "The Interpretation of Cultures" einen Paradigmenwechsel ein, indem er Kultur als ein Netz von Bedeutungen und menschliches Verhalten als kulturell, symbolisches Handeln versteht. Dieser interpretative Ansatz gilt als Umbruch in den Kulturwissenschaften (vgl. HEIDEMANN 2011, 114-118).

Kritiker werfen vor, dass eine apolitische und konfliktfreie Sichtweise hier geleistet wird. "Wer in einer Kultur Wissen kontrolliert, wessen Interpretationen sich durchsetzen, sei unter anderem eine Frage der Macht. Die 'symbolische Anthropologie' müsse daher notwendig mit einer Wissenssoziologie verbunden werden" (ZNOJ 2013, 49).

Writing-Culture- und Orientalismen-Debatten    

FOUCAULTs Diskurstheorie erlangt in den achtziger Jahren Bedeutung für die Ethnologie. SAID (1978) mit "Orientalism" und CLIFFORD-MARCUS (1986) mit "Writing Culture" zeigen auf, dass die Ethnologie bzw. Orientwissenschaft einer kolonialen Diskursform angehören. Kolonial-ethnozentrische Prägung ethnologischer Erkenntnisse ergeben eine Abkehr kolonialer Darstellung und Denkgewohnheiten (vgl. HEIDEMANN 2011, 118-120 bzw. 120-123).

Die Kritik bezieht sich hauptsächlich auf literarische Genres, also die Art und Weise, wie Ethnographen zur Erfahrungen in einen ethnographischen Text, wie er zu Beginn des 20.Jahrhunderts üblich war, verwandeln.

Die Wirkung der Kritik von SAID, CLIFFORD und MARCUS erweist sich erst ein Vierteljahrhundert später (vgl. die Wirkung ethnologischer Forschung zu Veränderungen und postkolonial-ethnologischer Praxis). Als Reaktion mag gelten, dass die Ethnologie sich als global betriebene Wissenschaft versteht und Forschungsfragen von Forschenden und Erforschten gemeinsam ausgehandelt werden (vgl. ZNOJ 2013, 50; man beachte auch die Verbindungen zur Interkulturellen Kompetenz und der Politischen Bildung).

Said - Bhabha - Spivak    

Edward SAID (1978) mit seinem Werk "Orientalism" gilt als bekannter Vertreter der "Postcolonial Studies", allerdings übt man Kritik an seinem Werk, weil er Beispiele vom 14. und 20. Jahrhundert in einem homogene These ohne historische Differenzierung zusammenführt und antikoloniale Kräfte nicht beachtet (vgl. HEIDEMANN 2013, 136 -138).

Homi BHABHA (1994) beansprucht jedoch einen Brückenschlag und beschreibt die hybriden Räume, also Kontaktzonen zwischen den Kolonialmächten und den Kolonisierten. In der Hybridität sieht er bei Künstlern, Literaten und Wissenschaftlern ein kreatives Potential.

Gayatri SPIVAK (1994, 66-111) will in ihren "subaltern studies" den Unterdrückten und Marginalisierten eine Stimme geben(vgl. "Can the Subaltern speak?"). Untersucht wird der Widerstand gegen Fremdherrscher, geprägt vom Ansatz indischer Historiker. Wenn westlich orientierte Intellektuelle über Unterdrückte sprechen, führt dies, so die These, zu einer Neuauflage eines orientalistisch-essentialistischen Weltbildes. SPIVIAK geht davon aus, dass indische Frauen für sich selbst sprechen können, allerdings hört niemand auf sie. Die Umstände müssen demnach offen gelegt werden, damit die Frauen gehört werden.

Historische Prozesse als Ansatz bei SPIVAK von indischen Historikern ist einer der wenigen Gemeinsamkeiten im verschiedenartigen Kanon der "Postcononial Studies". Es geht um Wissensproduktion, nationale Selbstfindung, Aufhebung von Gegensätzen zwischen Tradition und Moderne. Arjun APPADURAI (1996, 49) spricht vom "Recht auf alternative Moderne". Hier verliert Europa seine normgebende Kraft.

Politische Dimension    

Jede wissenschaftliche Arbeit über die Erforschung des Fremden hat eine politische Dimension mit Themen wie zu Herrschaft bzw. Macht, Normen, Sitten, Ökonomie, Ökologie, Gesundheit, Sprache, Globalisierung, Frieden, Medien und Religion.

In diesem Zusammenhang sind die Intentionen der Politischen Bildung im Kontext mit Interkultureller Kompetenz zu sehen (vgl. SANDER 2014, 351-358).

9 Feldforschung    

Ethnologen sollen systematische Überlegungen theoretisch begründen können und Stellung beziehen zu den Problemen der Disziplin (vgl. FISCHER 1998, 73). Dazu gehören die Erfassung und Darstellung der sozialen Wirklichkeit, die kulturelle Distanz und das Verständnis.

Feldforschung ist als "teilnehmende Beobachtung" und direkte Datengewinnung ein zentrales Paradigma der Ethnologie (vgl. HEIDEMANN 2011, 32-47; ILLIUS 2013, 75-100; man beachte die langsam verschwindenden Grenzen zur Soziologie, Empirischen Kulturwissenschaft oder Volkskunde).

Als Begründer gilt Bronislaw MALINOWSKI (1922). Er lebte in der zu erforschenden Gesellschaft, nur wenige Themen wurden bearbeitet und an Ort und Stelle überprüft, wer erlernte die Umgangssprache zur Erforschung der Mentalität (Gedanken, Gefühle) und er bemühte sich um direkte Beobachtung des einheimischen (indigenen) Alltags und der Institutionen. Diese Methode wurde/ wird als "Teilnehmende Beobachtung" bezeichnet (vgl. TELBAN 2001; HEIDEMANN 2011, 33-36).

9.1 Teilnehmende Beobachtung    

Die "Teilnehmende Beobachtung" ist ein Beispiel für einen Widerspruch in sich.

  • Ethnologen wollen beobachten und beobachtend teilnehmen. Sie wollen nur beobachten und nicht völlig teilnehmen.
  • Ethnologen wollen sich engagieren und eine Rolle in der sozialen Umgebung spielen. Dabei soll aber keine Identifikation vorkommen , die Unvoreingenommenheit muss gewahrt bleiben können.
Die Feldforschung besteht in der Dualität von Teilnahme und Beobachtung.

Als theoretische Vorbereitung gilt (vgl. ILLIUS 2013, 78-80)

  • das Studium der Basisliteratur (Mehrwert des Wissens),
  • Informationen durch Kontakte mit Partner-Universitäten, Forschungsinstitute im Gastland, Recherche im Internet, Besuche bei Vorgängern,
  • ein Aktionsplan (Thema-Terrain) und
  • die Sicherung der Finanzierung.
Praktisch sich vorbereiten bedeutet

  • Sprachenkenntnis, zumindest die Verkehrssprache beherrschen,
  • richtiges Gepäck mit Ausrüstung verwenden,
  • Unterhaltungslektüre besorgen,
  • richtige Geschenke mitbringen und
  • genügend Geld für sich, die Bezahlung von Informationen und ggf. eine Hilfskraft.
  • Zu beachten sind lokale Gefahrenquellen mit Vorbereitungen auf das Einüben von defensiven und de-eskalierenden Techniken sowie der lokalen Sprache.
Eine korrekte Kontaktaufnahme erfordert ein spezifisch-kulturelles Anfangswissen.

9.2 Quantitative und qualitative Daten    

In der Ethnologie hat sich als gute Vorgehensweise ein Mix aus quantitativer und qualitativer Methode und Datenerhebungstechnik erwiesen(Sammlung von "harten" und "weichen" Daten). In jedem Fall ist die Methodenwahl und Interpretation genau zu belegen.

Quantitative Daten mit Zahlen als Grundlagen sind in der Praxis der Ethnologie mitunter problematisch (vgl. ILLIUS 2013, 87-89). Eigenes Zahlenmaterial, soweit möglich, ist unbestechlich (vgl. PELTO-PELTO 1978).

  • Strukturierte Interviews, in der genealogischen Methode gerne verwendet, sind ein oft verwendetes Datenerhebungsverfahren.
  • Fragebögen und Fallstudien ergeben zu Vergleichszwecken gute Ergebnisse.
Qualitative Methoden wie Beobachtungen und Befragungen betreffen informelle bzw. offene Interviews und biographische Interviews (zumeist auch mit "teilnehmender Beobachtung", vgl. SPRADLEY 1979 - beispielhaft die Aufnahme einer Lebensgeschichte, vgl. SPÜLBECK 1997). In der Ethnologie gelten als Grundsätze von wissenschaftlich erhobenen Daten - im Gegensatz zu den Natur- und Sozialwissenschaften - die Offenheit der Arbeitsweise und Subjektivität der betroffenen Personen(-gruppe) mit ihrer Einmaligkeit. Protokolle, Beobachtungen, Artefakte-Analysen und Sprachanalysen sind wertvolle Arten einer Datenerhebung (vgl. LUEGER 2010).

9.3 Verhalten - Ethik in der Ethnologie    

Feldforschung bedarf einer Rechtfertigung. Hierbei ergeben sich Problembereiche wie Fragen der Politik und kulturellen Anerkennung, auch der Hilfeleistung.

Gemeinsam ist die Tatsache, dass Ethnologen versuchen, "[...]gleichzeitig zwei moralischen Standards zu genügen: dem eigenen und dem der Einheimischen. Nach einiger Zeit wird er sich in Zweifelsfällen vielleicht eher so verhalten, wie es seiner neuen Rolle entspricht[...]" (ILLIUS 2013, 93-94).

10 Teilbereiche - Neue Ansätze der Ethnologie    

Im Folgenden werden die

  • Politikethnologie,
  • Wirtschaftsethnologie und
  • Religionsethnologie angesprochen.
Neue Ansätze in der Ethnologie sollen ebenfalls diskutiert werden. Das Interesse bezieht sich auf

  • die Ethnologische Geschlechterforschung,
  • Migrationsforschung,
  • Stadtethnologie,
  • Medienethnologie und
  • Medizinethnologie.
10.1 Teilbereich Politikethnologie    

Franz BOAS (1940) und seine Schüler schenkten als Vertreter der traditionellen Ethnologie politischen Aspekten kaum Beachtung. Mit dem britischen Funktionalismus entstand eine Blütezeit der Politikethnologie. Neben Klassifikationsversuchen kam es zu Aspekten von Handlungskontexten. Mit dem Ende der Kolonialzeit und in der Folge des Vietnamkrieges (1965-1973)mit dem Aufkommen von postmodernen Entwürfen entstanden zahlreiche Entwürfe einer Politikethnologie (vgl. HEIDEMANN 2011, 199; HEIDEMANN 2013, 173-194). Ohne eine Einbettung in ein Machtgefüge existiert kaum ein ethnologisches Forschungsfeld(vgl. HERZFELD 2001, 132).

MORGANs (1851) Monographie über die soziale Organisation der Irokesen sollte die politische Institution als Teil eines Ganzen veranschaulichen. Bis in das 20. Jahrhundert wurde diese Dimension einer verwandtschaftlich und religiös verbundenen Welt ohne ökonomische und politische Institutionen so gesehen. Nach HEIDEMANN (2011, 200) werden bis heute Fragen des politischen Systems und deren Folgen mit Auswirkungen auf die Autorität und Rechtsprechung sowie Theorien der Staatsentstehung wenig diskutiert.

Als Basis für eine Politikethnologie gilt der Sammelband von FORTES MEYER und EVANS-PRITCHARD (1940) über das afrikanische politische System. Hier wird erstmals die politische Dimension außereuropäischer Gesellschaften untersucht. Feldforschungen im Auftrag der Regierung des anglo-ägyptischen Sudan ergaben Ergebnisse ökonomischer, emotionaler und stammespolitsicher Bindungen und Konfliktsituationen. Beide Ethnologen erkannten Unterscheidungen von Stammesgesellschaften mit und ohne zentralistischer Lenkung. Auf politische Prozesse und Institutionen wurden ein Augenmerk gelegt(ebd., 1940, 4).

Kritik kam aus der Sichtweise einer statischen Gesellschaft mit eigener normativer Ordnung und Staatlichkeit und dem Fehlen, fremde Gesellschaften nach eigenen Kategorien zu beschreiben (vgl. HEIDEMANN 2011, 201-202).

Ab den fünfziger und sechziger Jahren wurden soziologische Handlungstheorien in die Politikethnologie aufgenommen, das Prozesshafte wurde nunmehr beachtet. Nicht Normen und Regeln, vielmehr ihre Manipulation und ihr Umgang fanden das Interesse. Identität wurde als Prozess angesehen, ethnische Grenzen erscheinen als durchlässig und verhandelbar. Das Individuum und der politische Prozess rückten in den Vordergrund(vgl. dies als Folgen der De-Kolonisation).

Beide Aspekte sind im Basiswerk von Georges BALANDIER (1972) "Politische Anthropologie" bespielhaft beachtet. "Systematisch tastet er die Verbindung von Politik mit Verwandtschaft, Territorium und Religion ab und beschreibt die Übergänge zu Formen der Staatlichkeit" (HEIDEMANN 2011, 202). Als Politik betrachtet er die Tendenz, dass politische Prozesse immer Ungleichheiten hervorbringen. Von Interesse war die Analyse der afrikanischen Transformationsprozesse, der Vergleich der unterprivilegierten Völker mit dem "Dritten Stand" in der Französischen Revolution und der Schaffung des Begriffs "Dritte Welt" (zusammen mit Alfred SAUVY).

Mit dem Typus des "big man" im Gegensatz zum Häuptling wurde ein "self made man" mit der Autorität durch Taten, Anbahnen von Heiratsallianzen, Konfliktlösungsbemühungen, Redebegabung und Organisationstalent für die Politikethnologie interessant. Dieser Führertypus regte zum Kulturvergleich an (Melanesien, USA) (vgl. WEATHERFORD 1985; HEIDEMANN 2011, 203). Neben dem Kulturvergleich ist natürlich die Einordnung in das jeweilige Sozialsystem mit dem gesellschaftlichen Kontext für die Ethnologie wesentlich.

In den siebziger Jahren kamen Fragen zur Umwelt- und Entwicklungspolitik sowie dem Feminismus zur Sprache. In der Ethnologie wurden die ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsformen in staatenlosen Gesellschaften und die Programmatik der Aktionsethnologie sowie die Folgen einer durch Männer dominierten Feldforschung diskutiert. Gemeinsam war das politische Bewusstsein, die Verknüpfung von Politik und Erkenntnis (vgl. HEIDEMANN 2011, 205). Nicht wenige Ethnologen gingen weiter. Sie verbanden Forschung mit moralischem Auftrag, also Politik als Einwirken auf ein Gemeinwesen und Moral als Grundlage aller Wertenscheidungen.

  • Einmal untersuchte man politische Systeme auf Ungleichheiten und Unterdrückung. Macht sollte durchschaubar sein und sozialer Widerstand unterstützt werden.
  • Zum anderen ist der Widerstand auf die Handlungsmacht gerichtet. James SCOTT (1985) hat dazu Fallbeispiele aufgezeigt (vgl. etwa in Malaysia den Widerstand der Taglöhner gegen Arbeitsbedingungen).
Von Interesse ist das Machtverständnis von Michel FOUCAULT (1978). Hier ist Macht weder positiv noch negativ besetzt, Macht ist nicht an Personen gebunden, vielmehr durch Dispositive vorstrukturiert (man beachte das Verständnis FOUCAULTs für Dispositive als Gesamtheit bestimmter Vorentscheidungen mit Diskursen und sozialen Interaktionen in der Gesellschaft). Ethnologen haben diese Offenheit für subtile kulturelle Codes und die soziale Praxis aufgegriffen. In der Folge wurden so gut wie alle Bereiche untersucht und interpretiert (vgl. die Erziehung von Kindern, der Umgang mit der Zeit, die Strukturen des Raumes, Speisefolgen, Wahl von Fortbewegungsmöglichkeiten).

Politische Botschaften werden auch durch Zeichen- und Symbolsysteme vermittelt. Ethnologen gehen davon aus, dass wesentliche Größen wie Staat, Nation, Macht und Autorität durch Formen der Symbolik kommuniziert werden. Deren Bedeutung wird kaum hinterfragt, wie die Geschichte an Beispielen es zeigt (etwa Aufrufe zur Kriegsteilnahme, Ermordung von Minderheiten, Massenversammlungen) (vgl. HEIDEMANN 2011, 208).

Jede Form der Erniedrigung und Verletzung hat symbolische Dimension. Ethnologische Arbeiten zeigen, dass Gewalt in einer kulturellen Form ausgedrückt und kulturell interpretiert wird. In der Ethnologie wurde nachgewiesen, dass Vertreibungen, Bürgerkriege und Völkermord - vor allem in Afrika - auf einer ökonomischen Theorie von kollektiver Gewalt im rechtsfreien Raum beruhen. Die symbolische Ebene wird als sekundär betrachtet, eher oftmals instrumentalisiert (vgl. ELWERT 1997, 86-102).

Eine Ethnologie der Gewalt beschäftigt sich mit den Folgen und der Verarbeitung von langjährigen Konflikten (etwa dem Tod einer ganzen Generation junger Männer, Folgen von Vergewaltigungen, Vertreibungen, Nachbarschaftsplünderungen). Man beachte die Politik der Wiedergutmachung in Südafrika durch öffentliche Vernehmungen (vgl. HAHNE 2002).

Pierre BOURDIEU (1987)sieht die Symbolik von Kapital, Macht und Gewalt als Abgrenzung sozialer Gruppen untereinander. Sie bilden ihre eigenen sozialen und symbolischen Systeme(Distinktionsmerkmale), die eine ungleiche Machtverteilung ergeben. Die Ethnologie hat in der Beschreibung kultureller Formen von Gewalt in ihrer Geschichtlichkeit, empirischen Interpretation und dem Kulturvergleich eine Aufgabe (vgl. HEIDEMANN 2011, 210).

10.2 Teilbereich Wirtschaftsethnologie    

Themen der Wirtschaftsethnologie sind Leistungen und Güter mit ihrer Produktion, Verteilung und ihrem Verbrauch. Die Ethnologie sieht in den ökonomischen Prozessen das Resultat kultureller Annahmen, also kulturspezifische Bedürfnisse. Der "homo oeconomicus" wird als Produkt einer historischen Entwicklung gesehen.

Untersucht werden alle Wirtschaftsformen, bevorzugt fremdkulturelle aus eigener Sicht (vgl. RÖSSLER 2005; HEIDEMANN 2011, 167-182; RÖSSLER 2013, 103-125).

Am Beginn der Fachgeschichte wurde die Wirtschaftsgeschichte in Wildbeuter als Schweifgruppen, Sammler, Jäger, Fischer mit Vorratshaltung und Siedlungsbildung, in der Folge in Feldbauern und Intensivbauern sowie Hirten und Viehzüchter eingeteilt.

Gemeinsam sind allen Gesellschaftsformen kulturelle Normen, die die Produktion und den Verbrauch regelten. Geschlecht, Alter, Initiationsstufe und/oder Statusgruppe normierten die wirtschaftliche Tätigkeit nach lokalen Regeln und Verpflichtungen.

Vom Formalismus zum Substantivismus - Umkehr des Marxismus    

  • Der Formalismus mit Raymond FIRTH (1901-2002) als Schüler von Bronislaw MALINOWSKI argumentierte gegen die Determinierung menschlichen Verhaltens in Normen und Regeln für Entscheidungsfreiheit und das bewusste Handeln (vgl. FIRTH 1939). Der Funktionalismus erhob die Menschen zu rational handelnden Gemeinschaften. Ziele und Technologien unterschieden sie. Angebot und Nachfrage auch in kleinen Gesellschaften gehen von einer Nutzenmaximierung aus, die jedem Menschen zu eigen ist (Formalismus).
  • Der Substantivismus als Gegenbewegung mit Karl POLANYI (1886-1964) argumentierten mit der Unterscheidung von vier Wirtschaftsformen.
    • Reziprozität ist sinnvoll mit der Unterscheidung in ausgeglichene bzw. eingeschränkte Formen, bei der ein Gut dem Gegengut folgt.
    • Bei der Haushaltung und Re-Distribution gibt es ein Zentrum für die Verteilung. Systemerhalt ist höher als Wert einzuschätzen als individuelle Anhäufung von Gütern (vgl. den Gegensatz zu Adam SMITH mit seiner Theorie der ökonomischen Gewinnmaximierung). In Gesellschaften ohne Stein und Eisen ist der Gewinn das Geben (da die Güter ohnehin zerfallen). Wichtig ist die Bewahrung des Tauschgleichgewichts.
    • Komplexe Verteilungssysteme (Re-Distributionen) etwa in Form von Nachbarschaftshilfe ließen marktähnliche Mechanismen entstehen, in denen geleistete Arbeit mit Gegenleistung mit neuralen Zahlungsmitteln kompensiert werden.
    • Im Markttausch werden die Güter als Ware betrachtet. Es gibt ein Veräußerungsrecht für Waren und Arbeit. Nur so kommt es zu einer Marktökonomie, einer Selbstregelung von Angebot und Nachfrage. Damit sind die Möglichkeiten die Ausblendung gesellschaftlicher Einflüsse, ein freier Zugang zu den Märkten, Realisierung von Gewinnen und die Verfügbarkeit von Dienstleistungen. Arbeit und Umwelt dürfen (aber) keine Ware werden, ansonsten könnte es zur wirtschaftlichen Selbstzerstörung kommen.
POLANYIs Werk wurde erst in der Debatte zwischen den Formalisten und Substantivisten in den sechziger Jahren berücksichtigt. Polanys Thesen wurden bei BOHANNAN-DALTON (1962) aufgenommen ("Markets in Africa"). Diskutiert wurden Unterschiede zwischen Spezial- und Allzweckgeld, die Theorie der peripheren Märkte und multizentrische Wirtschaftsformen.

Marshall SAHLINS (1973) prägte eine neue Dimension mit Begriffen wie "the original affluent society" (ursprünglich "Überflussgesellschaft") und verwies auf die Wildbeuter-Gesellschaftsform, die nur wenige Stunden in der Woche für ihren Lebensunterhalt arbeiten musste. Für ihn geht es hauptsächlich um die Bedürfnisse. Es entstand damit die Kritik an der neo-klassischen Tradition und an dem Materialismus der Ethnologie (vgl. WHITE 1959). Sahlins Theorie wurde auf die "häusliche Produktionsweise" mit extensiver Arbeit ausgeweitet. "Stone Age Economics" Bedeutung liegt jenseits der Wirtschaftsethnologie, es wurde mit diesem Werk die kulturalistische Wende der Ethnologie eingeleitet (vgl. HEIDEMANN 2011, 173).

  • Als dritte Schule sind die Neo-Marxisten anzuführen. Dieser Ansatz betont den historischen Prozess mit den Macht-und Rechtsverhältnissen, die einer Produktionsweise zugrunde liegen. Annahmen einer Ideologie bringen spezifische Produktionsweisen, nicht dass - wie bei Karl MARX - die Ökonomie den bestimmenden Einfluss ausübt (vgl. HEIDEMANN 2011, 173).
Institutionenökonomik    

Mit der neuen Institutionenökonomik wird der Mensch als rational handelnder Akteur gesehen. "Neu ist jedoch die Einsicht, dass Akteure ein Defizit an Wissen aufweisen, auf Unwägbarkeiten stoßen und bei ihrem Wirken stets Hindernisse überwinden müssen. Institutionen können - im besten Fall - das notwendige Wissen liefern, Unwägbarkeiten umgehen und Hindernisse überwinden" (HEIDEMANN 2011, 174-175).

Zwischen Akteur und Markt existieren lokale Regeln und kulturelle Normen. Menschen formen Gemeinschaften Institutionen, Vereine, Verträge und Regeln Dienstleistungen und Landnutzung. Die Ökonomie wird nicht von Märkten, vielmehr von bestimmten Umständen vor Ort geregelt. Soziokulturelle Umstände werden untersucht. Eine optimale Nutzung von Ressourcen bezieht Familien, Verwandtschaft und Patronagensysteme mit ein (vgl. RÖSSLER 2005, 95-105). Damit hat ethnologische Interpretation Möglichkeiten.

Schwerpunkte für die Ethnologie der neuen Institutionenökonomik sind Eigentumsrechte, zumeist an Produktionsmitteln, auch an Landnutzungen. Von Interesse sind auch Transaktionskosten, etwa entstanden durch Informationen über Handelspartner, Marktpreise und Warenqualität sowie technologisches Wissen. Institutionen versuchen diese Kosten zu senken (vgl. ACHESON 1994, 4).

Aneignung von fremden Gütern - Objektbiographien    

Materielle Güter spielen in der Frühphase der Ethnologie eine Rolle in Form von Ausstellungsstücken in Sammlungen und Museen. Aktuell sind die Beziehungen zwischen den Dingen und der Kultur. Diese als Artefakte bezeichneten Gegenstände bzw. Dinge eröffnen ihre Bedeutung(erst)im kulturellen Kontext (vgl. FEEST 2000). Für die Ethnologie ist die Materialität und deren kulturelle Sinnstiftung zu unterscheiden. Bei ihrer Deutung müssen jeweils beide eigenständig behandelt werden.

In der Globalisierungsdiskussion entsteht ein neues Interesse am Materiellen. Globale Güter sind weltweit anzutreffen, bedeuten aber keinesfalls das Gleiche.

Aneignung wird in der Ethnologie als bewusste und zielgerichtete Neuinterpretation, Umdeutung, Umarbeitung oder Transformation verstanden. Keineswegs bestimmen die Produkte die Bedeutung vorher. Man denke etwa an die Verwendung des Internets, bei dem über den ursprünglichen Zweck hinaus es zu einer vielfältigen Handhabung, Verwendung und Bedeutung kam.

Gleichermaßen kommt/kam es in anderen Fällen wie etwa Staatsformen, Rechtssystemen, Bankorganisationen, Versicherungen, Industrieprodukten, Hotelketten, TV-Programmen und Medikamenten in einer globalisierten Welt zu Vernetzungen und Verbreitung von Gütern unter Vernachlässigung der lokalen Wirtschaft ("Glokalisierung"; vgl. ROBERTSON 1996; zu "ethnoscapes" APPADURAI 1991, 191-210).

Eine Ethnologie der Dinge hat drei Aspekte zu beachten.

  • Einmal sind Artefakt vom Menschen geschaffene Dinge und Naturfakte Dinge von der Natur hervorgebracht. Die Sinnzuschreibung geht aus den gesellschaftlichen Verhältnissen hervor.
  • Zum anderen sind Dinge immer im Kontext bzw. der Perspektive des Beobachters zu sehen.
    • Sich ändernde Besitzverhältnisse, Einordnungen in gesellschaftliche Verhältnisse und eine eigene Geschichte ergeben das Konzept der Objektbiographie.
    • APPADURAI (1986)sprach deshalb von einem "sozialen Leben" der toten Objekte. Dies erkennt man am Beispiel der Geschichte von Objekten zunächst als Gabe, in der Folge als Gebrauchsgegenstand, Tauschobjekt und Sammlungs- bzw. Ausstellungsobjekt.
  • Eine Versammlung von Dingen - also etwa eine Museumssammlung verschafft in der Präsentation Sinnzusammenhänge. Die Ausstellungsarbeit ergibt nicht nur die Kreativität der Präsentation, vielmehr auch eine Erwartungshaltung der Museumsbesucher, die Objekte mit Aussagekraft über eine(ethnologische) Wirklichkeit fordern.
Konsumforschung    

Das Sammeln und Ausstellen von Ethnographica, zumeist in Völkerkundemuseen, kann als ein Teilbereich des Konsums des Fremden angesehen werden. Dazu gehören etwa auch Erlebnisparks, Weltausstellungen und Theater- und Musikinszenierungen. Sichtbare Formen von Ideen werden zu Waren. Symbole und Zeichen gehören dazu (vgl. HEIDEMANN 2011, 180).

Am Beispiel des 19. Jahrhunderts lässt sich in der Auseinandersetzung mit dem kulturell Fremden eine Geschichte des Konsums darstellen. Die Identität des kolonialen Europas wird(gewinnbringend) aufgegriffen (vgl. BAYERDÖRFER-HELLMUTH 2004).

Kultur wird zur Grundlage und Resultat von Konsum, an dem die Akteure mit ihre kulturellen Prägung beteiligt sind. Artefakte fügen sich in die Bedeutungslandschaft, die als Nährboden für Neuschöpfungen dient (vgl. MILLER 1995, 141-161; HEIDEMANN 2011, 180).

Monetarisierung    

In der Ökonomie spielt das Zahlungssystem mit Zahlungsmitteln eine wesentliche Rolle.

Die Frage der Monetarisierung (Geldwirtschaft) zeigt auf,

  • ob Geld in einer Glokalisierung und Konsumforschung bestimmt wird und
  • Münzen und Banknoten den Wert von eigenen Objektbiographien erhalten.
Ethnologen weisen auf Auswirkungen auf Lokalgesellschaften hin.

Zu beachten ist die Dimension, dass mit der Geldwirtschaft eine Verringerung von persönlichen Abhängigkeiten verbunden ist. Die Ethnologie fragt in der Perspektive einer Binnensicht einer fremden Gesellschaft

  • nach der Bedeutung des Geld vor Ort und
  • wie Menschen mit der Währung umgehen (vgl. HEIDEMANN 2011, 180-181).
10.3 Teilbereich Religionsethnologie    

Frühe Untersuchungsgebiete der Religionsethnologie waren mythologische Grundlagen der Gesellschaft, der Glaube an übernatürliche Kräfte und auf das religiös-letztgültig Bezogene als Regeln, Normen und Rituale.

Heute werden Weltreligionen in ihren übereinstimmenden Formen, Revitalisierungsbewegungen, religiöse Formen des Widerstandes und Neo-Schamanismus untersucht (vgl. MISCHUNG 2007, 187-220; SCHMIDT 2008; MISCHUNG 2013, 213-236).

Clifford GEERTZ (1983, 48) definiert Religion als ein Symbolsystem mit starken und dauerhaften Stimmungen und Motivationen, Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung, die der Wirklichkeit zu entsprechen scheinen. Damit ist die Dichotomie von religiös-säkular und heilig-profan fortgesetzt.

Für die Ethnologie ergibt sich als Folgerung, keine neue Definition vorzuschlagen, vielmehr die Bestimmungen des Religiösen für den jeweiligen Kontext zu klären. Ging TYLOR (1871)davon aus, dass jede Kultur eine Vorstellung von einer Seele hat. Damit wurden religiöse Konzepte bei "heiligen" Objekten interessant. In der Folge mündete dieser Glaube nach Erfindung der Schrift in differenzierte Glaubenssysteme (vgl. HEIDEMANN 2011, 186).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es durch Emile DURKHEIM (1912/2005) und Max WEBER (1904/05-2006) zu neuen Ansätzen in der Religionssoziologie, die Wirkung auf die Ethnologie hatten.

  • DURKHEIM sah in religiösen Formen den Ausdruck gesellschaftlicher Ideen und das Studium der Religion als Erkenntnis der Grundwerte einer Gesellschaft.
  • WEBER verband Ökonomie (als wirtschaftliche Entwicklung) und Religion (als religiöse Norm) und beschreibt als weltanschauliche Grundannahme die Werte des Calvinismus als Grundlage eines wirtschaftlichen Handelns mit der Mündung in den Kapitalismus. Historisch werden Modelle als Idealtypen von Personen und Institutionen beschrieben (etwa der religiöse Charismatiker) (vgl. HEIDEMANN 2011, 187-188).
Im 20. Jahrhundert verwendet die Religionsethnologie fünf unterschiedliche Ansätze mit klarer Abgrenzung.

  • Religionen erfüllen eine Funktion. MALINOWSKI (1979) hat schon auf die affekt-stabilisierende Wirkung hingewiesen. Rituale vermitteln Zuversicht. Ökologisch-biologische Gründe etwa mit dem Verbot des Schweinefleischkonsums (Islam) und Rindfleischkonsums (Hinduismus) regulieren gesamtgesellschaftliche Funktionen (vgl. HARRIS 1974).
  • Kognitive und strukturalistische Ethnologen analysieren Mythen und erklären die Entstehung und Ordnung der Welt sowie moralische Grundlinien (vgl. LEVI-STRAUSS 1967).
  • Symbolische und performative Ansätze haben ihre Bedeutung in der Flexibilität der Bedeutungszuschreibung (vgl. HEIDEMANN 2011, 189). Man denke an die verschiedenen Bedeutungen von Farben und Gaben im religiösen Bereich, aber auch die Vielzahl von Bedeutungen je nach Status oder Position im Ritus (vgl. SAX 2002).
Legt man den Schwerpunkt auf Rituale, so sind von Interesse die Übergangsrituale.

  • Trennungsriten und Integrationsrituale weisen auf eine Transformation der gesellschaftlichen Ordnung hin.
  • Umwandlungsrituale zeigen die Notwendigkeit einer sozialen Klassifikation auf (vgl. den Übergang von einer gesellschaftlichen Situation in die andere[etwa Sponsion/Promotion > Student-Akademiker; Novize > Jüngling-Mann]) (vgl. TURNER 1969).
Religionsethnologen legen Wert auf religiöse Symbolik, religiöse Bilder und Darstellungen sowie den Erfahrungshorizont der Gläubigen (vgl. die theologische Deutung von Texten, Bildern und Objekten in Kirchen und die religiöse Praxis bzw. Hinwendung der Kirchgänger zu den gleichen Texten und Artefakten in ihrer Unterschiedlichkeit). Gläubige werden durch sinnliche Erfahrungen geleitet, weniger durch Texte, mehr im Ritual und religiöse Praktiken. Diese hängen eng mit kulturellen Prägungen zusammen (vgl. die Bedeutung religiösen Volkstums) (vgl. HEIDEMANN 2011, 190-191).

Von Interesse sind Feldforschungsergebnisse von Indonesien, wie schnell sich Glaubensinhalte verändern können und der Widerstand autochthoner Religionen sich weist (vgl. KOHL 1988, 259-262, 266). Aufgezeigt wird, wie biblische Motive nach der Missionierung in traditionelle Mythen aufgenommen werden, womit die Veränderbarkeit und Anpassungsfähigkeit in lokalen Religionsformen verdeutlicht wird.

Treffen nun Weltreligionen und lokale Glaubenssysteme zusammen, kommt es zu synkretischen Formen (vgl. LAUSER-WEISSKÖPPEL 2008, 7-32). Arjun APPADURAI (1991/1996) spricht in diesem Zusammenhang von "scapes" (in Anlehnung an "landscapes"), um das Zusammenspiel von globalen Strömen und lokaler Rezeption aufzuzeigen.

Lokaltraditionen erweisen sich aber als widerstandsfähig. Man denke nur an die Verschiedenheit von Christen in Südindien und Lateinamerika, in Europa an Christen in Skandinavien und Italien. Eine Weltreligion als monolithischen Glauben anzusehen, wird ad absurdum geführt. Ethnologen betonen daher die Einbettung eingeführter Religionen in lokale Sinnzusammenhänge.

Mit der Einbeziehung der Globalisierung und kulturellen Pluralität kommt ein fremdkultureller Blick in die Ethnologie als Forschungsaufgabe (vgl. die Verknüpfung zum Konzept der "Interkulturellen Kompetenz").

10.4 Ethnologische Geschlechterforschung    

Die Geschlechterforschung, die aus der Frauenforschung entstand, untersucht die Bereiche und Fragen von Geschlecht, Geschlechtsidentität und Veränderungen.

Ethnologische Geschlechterforschung ist gekennzeichnet durch Interkultural mit der Relativierung eurozentrischer Positionen. Gender-Forschung gehört inzwischen in jede Kulturwissenschaft. Globalisierung, Migrationsströme und Diaspora-Bildungen ergeben soziale und politische Aus- und Einschlüsse, Netzwerkbildungen und neue Machtbeziehungen (vgl. LUIG 2013, 159; KLINGENBIEL-RANDERIA 1998). Bis in die siebziger Jahre gab es keine systematische Frauenforschung in der Ethnologie (vgl. BEER 2007).

Ethnologische Frauenfragen    

Erst die anglo-amerikanische und westeuropäische Forschung der "Anthropology of women" beschäftigte sich ethnologischen Frauenfragen (vgl. REITER 1975). Eine matriarchale Herrschaft im Gegensatz zum Patriarchat wurde ein Aspekt einer Vision. Kennzeichnend war eine starke Ideologisierung.

In den siebziger Jahren wurde zunächst ethnologische Frauenforschung durch US-Texte bestimmt (vgl. ROSALDO-LAMPHERE 1974; REITER 1975). Angesprochen wurde die soziale Situation der Geschlechter, die Hierarchisierung, die Ausprägung von weiblichen(häuslichen) und männlichen(öffentlichen) Lebensbereichen, die Dualität von Natur(weiblich) und Kultur(männlich).

In der Folge wird der soziale Status von Frauen wie etwa Formen der Arbeitsteilung, gesellschaftliche Ressourcen, individuelle Autonomie und Folgen kolonialer und globaler Verhältnisse untersucht (vgl. LENZ-LUIG 1990). Gender wird ein eigener Begriff, er dient der Bestimmung einer eigenen Identität (vgl. LUIG 2013, 161).

Gender    

In den achtziger Jahren kommt es zu einem Paradigmenwechsel als Ausdruck eines kulturellen Umbruchs mit dem Begriff "Postkolonialismus". Dass das Geschlecht durch den Blick der jeweiligen Insider neu zu bestimmen ist, war ausdiskutiert.

Nunmehr ist das sozial konstruierte Geschlecht ("Gender")durch eine Analyse kultureller Bedeutung zu beschreiben (vgl. dazu bereits RUBIN 1975, 157-210 und der IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Gender).

Neue Impulse ergeben sich aus dem interkulturellen Vergleich, dass sich viele identitätsstiftende Merkmale wie Bildung, Alter, Rasse, Religion und Ethnizität in einer Person überschneiden können, unter denen das Geschlecht nur ein Faktor ist. Die Betonung liegt nunmehr auf dem Prozesshaften, der Kontextabhängigkeit und Pluralität.

In einer weiteren Phase werden die Verschiedenheiten von Frauen benannt, wobei die Unterschiede in Klasse, Rasse, Ethnizität und Nation angesprochen werden (vgl. MOORE 1993, 193-204). Verwiesen wird auf die Diskriminierung als Schwarze und Frauen sowie auf die Erfahrungen als Angehörige von Minderheiten und Unterschichten und damit einer postkolonialen Gewalt (vgl. LUIG 1997, 69-76).

Männerforschung    

Ende der siebziger Jahre zeigte es sich, dass Frauenforschung durch Forschung über Männer ergänzt werden muss, wenn das Geschlechterverhältnis umfassend behandelt wird. Männerforschung bemüht sich, die Innenperspektive männlicher Macht auszuleuchten und das Patriarchat in Frage zu stellen (vgl. KÖNIG 1997, 63-68; KÜHNE 1996, 9). Es entsteht eine Sensibilität für Differenzen und Widersprüche unter Männern und deren Konstruktion von Identität.

In den achtziger Jahren wurde dies massiv durch die "gay und lesbian communities" der USA verstärkt. Diese Subkulturen entwickelten Emanzipationsprojekte ohne heterosexuelle Normen. Relativiert wurde die Eindeutigkeit der Zweigeschlechtigkeit, die bis dahin dominierte. Neue Begrifflichkeiten entstanden wie homosexuelle Männer, Lesbierinnen, Intersexuelle und Transsexuelle.

Queer-Theorie    

In der Queer-Theorie wandte man sich gegen die Hetero-Normativität. Beispiele zeigen, wie die Zweigeschlechtigkeit unterlaufen wurde, etwa im Transvestitentum oder im Ausleben mehrerer Geschlechtsrollen ("gender variance"; vgl. LUIG 2013, 163-164; BUNDESSTIFTUNG MAGNUS HIRSCHFELD 2014).

Bekannt wurde die in Afrika verbreitete Gynägamie (vgl. TIETMEYER 1985). Der Geschlechterrollentausch hat also auch soziale Gründe, um die Funktionsfähigkeit gesellschaftlicher Institutionen zu gewährleisten (vgl. LUIG 2013, 164).

Diskurs um Judith Butler    

Die Diskussion um die Vielfalt und Dynamik von Geschlechteridentitäten wäre ohne eine Auseinandersetzung mit Judith BUTLER (1991) unzureichend (vgl. LUIG 2013, 164-166). Butler löst die Sex-Gender-Unterscheidung in Gender auf, da Sex selbst ein Konstrukt von "Gender" sei, welches erst im Diskurs erzeugt wird. Geschlecht wird erst durch Sprache erzeugt. Wird der kulturell bedingte Status der Geschlechteridentität unabhängig vom anatomischen Geschlecht bedacht wird, wird die Geschlechtsidentität ein freischwebender Artefakt. Mann und männlich können ebenso einen männlichen und weiblichen Körper bezeichnen wie umgekehrt die Kategorien Frauen und weiblich (vgl. BUTLER 1991, 23).

Kritik kam mit dem Vorwurf der Beliebigkeit, "[...]der aber insofern zu kurz greift, als sie die Grenzen und Begrenzungen dieser Konstruktion offen legt" (LUIG 2013, 165). Butler bezieht sich im Diskurs um Geschlechteridentität auf den "diskursiv bedingten Erfahrungsraum", der durch den kulturellen Diskurs in Form einer Zwangsheterosexualität vorgegeben ist(vgl. ebd., 39). Butler spricht dem Feminismus allenfalls eine Störfunktion im System der Zweigeschlechtigkeit zu.

Skeptizismus herrscht vor bei der Vorstellung Butlers von Gender als "doing gender".

  • Trotz der geschilderten Überschreitungen herkömmlicher Grenzen kommt es zu keinen Veränderungen in den etablierten Geschlechterbeziehungen.
  • Interkulturell lässt sich das durchaus hinterfragen.
  • Ebenso hinterfragen lässt sich der Feminismus als politische Bewegung. Butler denkt selber darüber nach, welche Möglichkeiten als Konsequenz sich ergeben, welche neue Politik sich abzeichnet (vgl. BUTLER 1991, 10). Sie schlägt optimistisch strategische Allianzen vor, zeitlich begrenzt und kontextabhängig.
Bilanz ethnologischer Geschlechterforschung    

Eine solche Bilanz erscheint durchaus positiv, gemessen an den Ansprüchen aber eher moderat(vgl. LUIG 2013, 166).

Erreicht' wurde

  • eine Sensibilität der Geschlechterproblematik und der Anstoß zu sinnvollen Debatten.
  • Geschlechtsidentität bzw. Geschlechterverhältnisse wurden zum Objekt von Wissenschaft, interdisziplinär in den Sozial- und Kulturwissenschaften(vgl. die IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Theorie der Politischen Bildung, Pkt. 10; Interkulturelle Kompetenz, Pkt. 8.8.5 und 8.6; Schule, Pkt. 30; Vorberufliche Bildung in Österreich, Pkt. 6.1; Migration in Österreich 1, Pkt. 2.2, 2.3 und 3.14).
10.5 Migrationsforschung    

Die Ethnologie hat sich erst spät mit Migrantinnen und Migranten (Zuwanderern) beschäftigt. Zunächst ging man von ortsgebundenen Kulturen aus (vgl. HEIDEMANN 2011, 220-224).

  • Im Diffusionismus war die Verteilung von Gütern und Ideen mit ihren Trägern wesentlich, wenig Interesse hatte man mit einer Integration am neuen Ort.
  • Im Funktionalismus forscht man lokal.
  • Im Strukturalismus waren die Akteure unwesentlich.
  • Der Stand-Land-Gegensatz mit migrierten Personen zeigte dörfliche Strukturen auf, die im urbanen Bereich gepflegt weiterhin wurden(vgl. die traditionelle Lebensweise und familiäre Netzwerke).
Interkulturelles Konzept    

Im Konzept der Sozialwissenschaften der sechziger Jahre der USA ging man von der Urbanisierung und Industrialisierung aus und ging von einer Vernachlässigung der Migrationsvorgeschichte aus - mit einer Vermischung zu einer neuen Einheit, begrifflich als "melting pot" (Schmelztiegel) umschrieben. In der Folge bezeichnete man auf Grund empirischer Studien das Zusammenleben der einzelnen Bevölkerungsgruppen als "Salatschüssel" ("salat bowl").

Jede Bevölkerungsgruppe behält ihre kulturelle Identität (wie der Salat seinen Eigengeschmack)und wird dennoch ein Teil einer stimmigen Gesellschaft. US- Forschungen bezogen sich auf die "street corner society", in Afrika bezog man sich auf den rhodesischen Kupfergürtel und in Europa erst in den achtziger Jahren auf die Arbeitsmigration aus dem Mittelmeer - Raum.

Integration wurde lange aus einer eurozentrischen Perspektive gesehen, was zu wenig treffenden Begrifflichkeiten führte, etwa der "Parallelgesellschaft".

Kulturwissenschaftliche Konzepte (wie auch sozialwissenschaftliche) weisen auf die Möglichkeiten gesellschaftlicher Solidarität unter Beibehaltung der kulturellen Differenz hin (vgl. SCHIFFAUER 2008, 18). Das aktuell favorisierte Integrationskonzept setzt auf eine ökonomische Eingliederung und politische Teilhabe am Gemeinwesen. Voraussetzung ist eine intakte Familie mit Traditionspflege.

Als ethnologischer Perspektive ist die Binnensicht mit dem Eigenen zu hinterfragen. Der Prozess der Migration, beginnend am Zielort mit dem Aufbau von sozialen Netzwerken, Identifikationsprozesse, Fremd- und Selbstwahrnehmung und die Veränderungen zwischen Ursprungs- und Zielort bilden das zentrale Interesse. Damit kommt es zu einer Basis der Ethnologie einer eigenen Gesellschaft. James CLIFFORD (1997) spricht von Kultur, die "rooted" und "routed" sich darstellt (vor Ort verwurzelt und unterwegs ist).

Migration und mit ihr die Kulturen verändern sich entlang von Routen. Als altes Phänomen stellt Migration keine Bedrohung dar, vielmehr hat sie zu kultureller Dynamik und Vielfalt beigetragen. Die Ethnologie hat lange diese Aspekte übersehen (vgl. Untersuchungen über afrikanische Flüchtlinge bzw. Asylanten von Kristin KASTNER[2007, 251-273] und die Bootsflüchtlinge von Lampedusa als europäische Frage von Heidrun FRIESE[2014]).

In den Aufnahmeländern entstehen neue Infrastrukturen ("place making"). Dazu gehören Veränderungen in der Siedlungsstruktur, den Märkten und am Arbeitsmarkt. Es entstehen soziale und religiöse Institutionen. Aufnahmegesellschaften und Vorstellungen von Zuwanderern verändern sich. Kulturell-religiöse Regeln werden oftmals stärker betrachtet, ein Wert-Konservatismus wird öfter gepflegt. "place making" vollzieht sich im Zusammenspiel von Migration und neuer Umgebung (vgl. die mediale Diskussion um den Bau bzw. das Bauverbot von Minaretten und Gemeindezentren).

Diaspora    

Sprachliche, ethnische und religiöse Minderheiten leben in Verstreutheit ("Diaspora"). Historische und politische Aspekte überlagern die Dimensionen von Migration und Lokalität. Kennzeichnend ist der Bezug zur realen und imaginierten Heimat, Kultur bzw. Identität und Religion (vgl. KOKOT-TÖLÖLYAN-ALFONSO 2004).

Beispielhaft hat Gerd BAUMANN (2002) ethnologisch den Londoner Stadtteil Southhall Identitäten bzw. die Identitätsdynamik untersucht. Mit fünf Hauptgruppen .- Sikhs, Hindus, Muslims, afrikanische Karibiks und Weiße - gibt es Zuschreibungen, kollektive Repräsentationen und Sichtweisen. Baumann unterscheidet einen offiziellen Diskurs und einen lokalen(volkstümlichen)an der Basis. Beide beeinflussen sich gegenseitig. Es zeigen sich dynamische Prozesse mit medialer, politischer, kulturell-religiöser und ganz persönlicher Teilhabe.

Begrifflichkeiten wie "multikulturell" und "bi-kulturell" finden hier Ablehnung, weil es keine einzige Kultur in der Ursprungsregion und keine singulär britische Kultur gibt (vgl. HEIDEMANN 2011, 224).

10.6 Stadtethnologie    

Städte und Metropolen sind Orte kultureller Produktion.

Weil die Hälfte der Menschheit in urbanen Zentren lebt, drei Viertel in ihnen arbeitet, verändern sich Kulturen hier rasant. Urbanität bzw. Megacities erwecken das Interesse der Kulturwissenschaften (Kultursoziologie, Kulturgeographie, Kulturgeschichte).

Die Ethnologie betont in ihrem wissenschaftlichen Interesse Veränderungsprozesse. Dazu gehören die Beziehungen zwischen den Einwohnern und dem Staat, Einheimischen und Zugewanderten, den Generationen, Geschlechtern und der Tradition und Modernität. Es entwickeln sich spezifische Kommunikationsformen und neue Normen und Werte (vgl. LINDNER 2004; SCHMIDT-LAUBER 2010; HEIDEMANN 2011, 227; ANTWEILER 2013, 357-370).

Urbane Zentren sind nicht nur Orte der kulturellen Produktion, sie sind auch kulturelle Produkte.

Kriterien einer Urbanität sind

  • die Größe des Siedlungsraumes,
  • die Siedlungsdichte,
  • die künstliche Umwelt,
  • die Verschiedenartigkeit der kulturellen Milieus und
  • die sozioökonomische Fragmentierung mit der Kenntnis nur einzelner Teile der Stadt bzw. Nachbarschaft und Umgebung (vgl. ANTWEILER 2004, 285-307).
  • Man lebt im Bewusstsein, nicht in einer traditionsbestimmten ländlichen Region zu leben, wenngleich der Drang in die Natur mitunter gegeben ist.
Die Ethnologie interessiert sich für kulturelle Äußerungen mit Kulturorten bzw. Zonen und Entwicklungsprozessen mit ökonomischen Schwerpunkten, Lebensstilen, Moden, Sprachformen und Umweltproblemen (vgl. DÜRR 2004, 135-146; DÜRR-JAFFE 2010).

Diskurse über kulturelle Inhalte und die Deutungshoheit entstehen. Untersucht werden Ausgrenzungen und Unterdrückung.

BHABHA (1994) betont den Ideenreichtum und neue Kulturformen. In "dritten Orten" entsteht eine enorme Kreativität, die die Zweigliederung des Eigenen und Fremden überbrückt (vgl. die Rede von Barack Obama am 4. Juni 2009 in Kairo an die arabische Welt mit dem deutlichen Hinweis auf transnationales Denken und ein hybrides Kulturverständnis; vgl. HEIDEMANN 2011, 228).

10.7 Medienethnologie    

Kulturelle Prozesse werden zunehmend medial beeinflusst. Medieninhalte sind Ausdruck kultureller Produktion. Medienethnologie untersucht daher die Produktion und Rezeption sowie der Deutungsangebote aus kulturvergleichender Sicht von Print- und Elektronikmedien. Interesse besteht in/an der Schaffung von ethnischen und nationalen Identitäten.

Die Methoden orientieren sich an der Feldforschung, der kulturellen Binnensicht und der Teilnahme der Akteure (vgl. HEIDEMANN 2011, 251-253).

Von Interesse ist die Verschiedenartigkeit der kulturellen Deutung von elektronischen Medien (vgl. HEIDEMANN 2011, 252-253). Während Videoprojekte im nördlichen Kanada vergessene Traditionen wiederbeleben, stärken sie in Brasilien im Regenwald den Kampf um Landrechte und in Australien in Gebieten der Aborigines Einstellungen zu heiligen Orten und Landschaften.

APPADURAI (1991) betont die Raumungebundenheit von Kulturen und spricht in diesem Zusammenhang von "media scapes" (raumungebundenen Medienlandschaften). Weltweit werden etwa Filmprodukte gleichzeitig angeboten, gezeigt und in Print- und elektronischen Medien rezipiert. Allerdings wirklich raumlos sind sie nicht, sie äußern sich auch lokal, wenn auch die neue Räume jedenfalls vernetzt sind (vgl. HEIDEMANN 2011, 254).

Es entstehen in der Folge neue Handlungsfelder. Datenübertragungen, ortsungebundene Verfügbarkeiten in Ökonomie, Politik, Kultur und Bildung sowie Möglichkeiten einer Visualisierung ergeben Entwicklungsprozesse in der Diaspora und in nationalen Räumen. Eine mediale Globalisierung ist Realität.

Zur Diskussion stehen als Forschungsfelder die Vielfalt von Internet-Foren, (sozialen) Netzwerken, Homepages und You-Tube. Die Bemühungen um Vernetzung zu Themenbereichen eröffnen neue Möglichkeiten.

10.8 Medizinethnologie    

Medizinethnologie untersucht die sozialen und kulturellen Dimensionen von Krankheit ("disease") und Heilung/Kranksein ("illness") aus einer kulturvergleichenden Perspektive. Annahme ist, dass in jeder Gesellschaft Krankheit und Heilung in einer spezifische Art wahrgenommen wird, Ursachen benannt und Heilverfahren angewandt werden. Zudem werden rituelle körperliche Eingriffe im kulturellen Kontext thematisiert (vgl. HEIDEMANN 2011, 234-236; GREIFELD 2013; DILGER-HADOLT 2010, 11-29 bzw. 2013, 309-329).

Der Ansatz der Ethnomedizin geht vom gesicherten biomedizinischen Wissen und Heilpraktiken aus.

Ethnologische Forschungsfelder beschäftigen sich folgerichtig mit unterschiedlichsten Fragestellungen etwa zu Heilungen in Trance, dem Schamanismus, gesichertem biomedizinischen Wissen, fremden Heilpraktiken und rituellen Eingriffen (vgl. die heutige Zuordnung zur Ethnologie und die Abkehr von Religion) .

Bezeichnend ist nach heutigem Erkenntnisstand der Kontext von Krankheit und Gesundheit (medizinisch, auch sozialem Wohlbefinden), wobei die Unterscheidungen nicht mehr aufrecht zu erhalten sind (vgl. HAUSCHILD 2010, 431-439). Soziales Wohlbefinden hängt mit der Wechselwirkung von Mensch und Umwelt zusammen. Der Bereich der Gesundheitspolitik ("public health") mit einer Basisgesundheitsversorgung und Krankheitsprävention gewinnt an Bedeutung.

Mit der Abkehr der Vorstellungen von homogenen Kulturen in den siebziger und achtziger Jahren erfuhr in der Medizinethnologie die gesellschaftliche Praxis im Umgang mit Krankheiten, Behandlungen Bedeutung. Die Verschiedenartigkeit von Medizin und der Heilsysteme fand auch in Europa Interesse.

Krankheit und Kranksein (Heilverfahren, Behandlungsformen) fanden in ihrer Unterscheidung in ethnologischen Untersuchungen zu AIDS Beachtung. Erklärungsmodelle gingen von Verschwörungstheorien bis zur Leugnung der Krankheit mit Einbindung von lokal-religiösen Formen. Damit erreichten Hilfsprojekte Grenzen ihrer Wirksamkeit (vgl. DILGER 2005; vgl. aktuell die Dimension von Ebola 2014 in Afrika).

Im Kontext der Globalisierung und internationalen Gesundheitspolitik' (WHO) werden von der "critical medical anthropology" Krankheiten und Gesundheit weltweit untersucht. Postkoloniale Aspekte wie die Verfügbarkeit von Medikamenten und das Wissen über Medizin spielen eine Rolle.

Mit der Gesundheitspolitik wird aus der Medizinethnologie eine Sozial- und Kulturanthropologie der Medizin (vgl. DILGER-HADOLT 2010, 11-29). Auszugehen ist von einem weit gefassten Medizinbegriff, der auch politische Dimensionen betrifft (vgl. ebda., 2010, 18; vgl. auch die Intention der Politischen Bildung).

11 Reflexion    

Ethnologie als Teil von Kulturwissenschaften erweckt das Interesse,

  • wenn Grundlagen kulturwissenschaftlichen Denkens gegeben sind und
  • unter diesem Aspekt die Auseinandersetzung mit Interkulturalität und politischen Bedingungen ("Interkultureller Kompetenz" und "Politischer Bildung") gegeben ist.
Bedeutungsvoll ist die Fachgeschichte. Aus einer Ethnographie mit deskriptiver Arbeitsweise wurde ein (interdisziplinär) empirisch angelegter Forschungsansatz mit eigener Wissenschaftlichkeit.

Entsprechend ist die Basisliteratur von Interesse. Sich mit ihr auseinanderzusetzen gehört zum wesentlichen Anteil von Kenntnissen der Ethnologie.

Der Autor hat sich exemplarisch mit dem Fachgebiet beschäftigt.

Er verdankt sein Interesse dem schulischen Freifach "Volkskunde" (berufsbildende höhere Schule), in der Folge dem berufsbegleitenden Universitätslehrgang "Interkulturelle Kompetenz/ ICC" als Einführung in kulturwissenschaftliches Denken und Handeln sowie dem Universitätslehrgang "Politische Bildung" als Einführung in politische Dimensionen.

Die Auseinandersetzung mit Teilbereichen bzw. Handlungsfeldern beruht auf persönlichem Interesse, insbesondere mit der Thematik der Politik- und Wirtschaftsethnologie. Neue Ansätze in der Ethnologie sind interdisziplinär von Interesse.

Zunehmende Bedeutung gewinnt die Religionsethnologie im Kontext mit Ethnizität und Migration.

Im Rahmen des Paradigmenwechsels erhält die Kulturwissenschaft zunehmende Bedeutung und damit sind Fächer wie Ethnologie von besonderem Interesse geworden.

12 Literaturhinweise    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden. Im Kapitel Volkskunde ist eine spezielle Fachliteratur angeführt.

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IT-Autorenbeiträge/ Auswahl    

Netzwerk gegen Gewalt > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index:

Interkulturelle Kompetenz

Migration in Österreich Teil 1, 2

Wirtschaftserziehung

Politische Bildung

Gender

Zum Autor    

APS-Lehramt/ VS-HS-PL (1970, 1975, 1976), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993 - 2002)

Absolvent des Studiums der Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ MSc (2008), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), des 4. Internen Lehrganges für Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg (2016)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungswissenschaft bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien - Berufspädagogik/ Vorberufliche Bildung VO-SE (1990-2011), am Fachbereich Geschichte/ Universität Salzburg - Lehramt Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung/ Didaktik der Politischen Bildung (2016 - 2017)

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© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 8. März 2024