Rassismus
Theorie und Praxis im Kontext Politischer Bildung |  |
Günther Dichatschek
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Vorbemerkung |  |
Rassismus ist kein geschlossenes Konzept und bestimmt Menschen und Gruppen an bestimmten Merkmalen wie Aussehen oder Herkunft in willkürliche Kategorien. Erkennbar ist dies in Denkmustern und Handlungen. Von Interesse für eine Politische Bildung sind die Begriffe Rasse und Rassismus in ihrer historischen und aktuellen Entwicklung.
Die Studie beruht auf dem Kenntnisstand der Politischen Bildung und Interkulturalität, ausgehend von Überlegungen zum menschlichen Bedürfnis einer Selbstverortung und Abgrenzung.
Ausgangspunkt sind die Absolvierung des
- Studiums der Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck (1985),
- 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt (2008) und
- 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg (2012).
Der Lehrauftrag Didaktik der Politischen Bildung/ Universität Salzburg (2016, 2017) und besonders die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur bestimmen das Interesse (vgl. MILES 1991, MECHERIL-TEO 1997, TERKESSIDIS 1998, FREDRICKSON 2004, HUND 2007, GEULEN 2008, GOMOLLA 2009, NEUMANN-SCHNEIDER 2011, KENDI 2017, WERNSING-GEULEN-VOGEL 2021).
1 Begriff und Entwicklung |  |
1.1 Begriff |  |
Rassismus als Begriff bezeichnet eine bestimmte Form der Handlung (Praxis) und eine bestimmte Form des Denkens (Theorie). Beides ist nicht zu trennen, weil bestimmte Praktiken eine bestimmte Motivation, etwa ein Hass auf den "Anderen", beinhaltet.
Damit ist nicht mehr das Handeln, vielmehr die Motivation im Denken entscheidend.
1.2 Historie |  |
Historisch zeigt eine solche Aufteilung sich doch hilfreich (vgl. MILES 1991; WERNSING-GEULEN-VOGEL 2021, 13). Es gehört zu den sich entwickelten Eigenschaften, in bestimmten Zusammenhängen ein bestimmtes Denken und damit Handlungsmuster zu knüpfen.
In Zeiten unsicherer Ordnungen einer Zugehörigkeit bietet der Rassismus die Möglichkeit einer Zugehörigkeit neu zu begründen und praktisch umzusetzen. Ein bestimmtes Wissen beinhaltet eine rechtfertigende Anleitung zum Handeln. Damit wird die Notwendigkeit einer idealen Ordnung erwünscht und handlungsorientiert angepasst (vgl. BÜHL 2016, 80-125) .
1.2.1 Antike |  |
Der antike Rassismus im alten Griechenland und Rom vorrangig der Etablierung und Aufrechterhaltung des Sklaventums. Aristoteles (384-322 v.Chr.) bediente sich der Klassifizierung von "Herr" und "Gehorchendem" als natürliches soziales Verhältnis in Gestalt der "Naturalisierung" und dient der Legitimierung der Sklaverei. Daneben begegnet man der Gestalt der "Eugenik". Platon in der Politeia beschreibt das System einer eugenischen Reproduktionsherrschaft von der staatlichen Heiratsvermittlung und reglementierten Zeugung bis hin zur Kindestötung. In Sparta tötete man schwächliche und behinderte Neugeborene (vgl. BÜHL 2016, 80-85).
Der Antisemitismus gilt als einer der ältesten Rassismen. Die Hebräische Bibel berichtet von der Schändung des Tempels des seleukidischen Herrschers Antiochos IV. Epiphanes, indem er ein Schwein auf dem Altar schlachtete und das Blut auf Schriftrollen fließen ließ. In römischer Zeit liegt der Antisemitismus begründet in der Unterdrückung der eroberten Völker. Feindbilder wurden im Kontext mit "Jüdischen Kriegen" entwickelt (vgl. Publius Cornelius Tacitus 58-120; BÜHL 2016, 83-84).
Die Schriften antiker Philosophen wurden von der europäischen Aufklärung aufgegriffen( vgl. bei Aristoteles vorhandene Vorstellungen aus dem Äußeren des Menschen lassen auf seine seelische Beschaffenheit schließen). Im 4. Jh. prägten die frühchristlichen Kirchenlehrer in ihren Schriften das Judenbild mit dem Vorwurf vom Gottesmord. Ideologisch wurden die Vererbungskonstrukte generiert.
1.2.2 Mittelalter |  |
Im Spätmittelalter bekam neben der Reinheit des Glaubens und die Reinheit des Blutes als Konzept der Rasse eine zusätzliche Bedeutung vor allem durch die große Anzahl von Muslimen und Juden wollte man so eine unsicher gewordene Ordnung regeln. Die Fremdgruppe der Nichtchristen wurde als "Heiden" benannt. Die Abweichler der christlichen Rechtsgläubigkeit nannte man "Häretiker" (vgl. BÜHL 2016, 85-89).
Der Antisemitismus wirkte auf die soziale Lage der Juden mit der Ausgrenzung aus der Feudalgesellschaft, die christlich definiert war(vgl. das Verbot einer Mitgliedschaft in den Zünften und eines Erwerbs von Grundbesitz). Die Kreuzzüge verschärften 1096 die Situation mit Plünderungen und Massenmorden (Pogromen) sowie der Unterstellung Verbündete der Muslime zu sein. 1321 wurden Juden in Frankreich der Anstiftung zur Brunnenvergiftung bezichtigt. Der französische König nützte zudem die Stimmung, sich er Güter von Juden zu bemächtigen.
1215 im Laterankonzil führte das von Innozenz III. erlassene Zinsannahmeverbot zum rassistischen Stereotyp des "Wucherjuden". Ritualmordvorwurf und Anklage des Hostienfrevel verfolgten die Motive einer Kriminalisierung. In der Folge wurde das Motiv als "Christusmörder" verbreitet. Bekleidungsvorschriften wieder durch das IV. Laterankonzil 1215, wie der gelbe Stern, mussten seit dem 13. Jh. in vielen Ländern befolgt werden.
Zur Demütigung und Verhöhnung gehörte auch die "Judensau", Skulpturen an Kirchen und in der Folge typographische Motive in Flugschriften, zu sehen eine Sau, an deren Zitzen sich als Juden konstruierte Personen säugen.
Der antimuslimische Rassismus spielte ebenfalls ein Rolle, Muslime benannt als "Sarazenen", "Häretiker" oder "Mauren, und als Rassismus im französischen "Rolandslied" im 12.Jh. und spanischen Heldenlied "Cantar de Mio Cid" im frühen 13.Jh.
Es existierte kein antinegrider Rassismus, allerdings wurden gedanklich erste Grundlagen gelegt. Die Pest wurde als später als "Schwarzer Tod" benannt, die Hölle mit einem dunkelhäutigen Teufel illustriert, Dunkelsein bekam den Charakter von Gottlosigkeit. Hellsein und Weißsein wurde mit dem Himmel verbunden.
Im Spätmittelalter mit dem Drang nach Osten mit der Missionierung und Kolonisierung wurde die Grundlage des Antislawismus gelegt.
Im Mittelalter wurde eine intolerante Dominanzkultur entlang des Religiösen etabliert. Das "Andere" wurde in verschieden Formen verfolgt. Übergänge von der Fremdgruppe in die Wir-Gruppe waren noch möglich, allerdings mit der Aufgabe kultureller Identität in Form der Taufe bzw. Widerrufung (vgl. Benennung als noch "Prärassismus").
1.2.3 Frühneuzeit |  |
Das Jahr 1449 hat zentrale Bedeutung in der Geschichte. Für den Rat von Toledo wurden vom spanischen Großinquisitor Torquemeda "Statuten für die Reinheit des Blutes" (Estatudos de limpieza de sangre) als ein Rassekonstrukt verfasst, das Unterschiede in Wir-Gruppe und Fremdgruppe als Differenzkriterium verfasst.
Die Funktionalität der Staturen war vielfältig in der Vergabe von Ämtern und Positionen in der Kirche, Behörden und beim Militär sowie sogar bei der Zulassung von Zeugenaussagen vor Gericht in Spanien und den Kolonien (vgl. BÜHL 2016, 89-90). Am 31. März 1492 erging das "Alhambra-Edikt" von Isabell I. und Ferdinand II. mit der Vertreibung der Juden (vgl. die Nationalstaatenbildung Spaniens in der Verbindung von Nationalismus und Rassismus in der Fiktion eines kulturell homogenen Staatsvolkes). In der Folge hat sich der Begriff "Race" im Spanischen durchgesetzt.
Relevant ist auch die Reformation mit ihrer Rassismustheorie, wie sie sich antisemitisch vom Judentum und antimuslimisch vom Islam abgrenzt. In der Bußpredigt "Von den Juden und ihren Lügen" 1543 ruft Luther die Fürsten zu Gewalt gegen die Juden auf. In den "Türkenschriften" diffamierte Luther die "Türken" als Antichristen, einem falschen Propheten folgenden, dem Koran als Bibelplagiat, dem Islam als intolerante Religion und Mohammed als Gottesleugner.
Die Reichstage 1496 und 1498 erklären die Roma und Sinti für vogelfrei und bezichtigte sie, Spione der Türken zu sein und mit ihnen zu paktieren( vgl. BÜHL 2016, 92-93).
Die Rassendiskurse unterschieden sich in dieser Epoche durch die Einführung des sozialen Konstrukts "Race" mit einer konstruierten "Wir-Gruppe" und "Fremdgruppe".
1.2.4 18. und 19. Jahrhundert |  |
Im 18. Jahrhundert bekam der Rassismus eine rechtfertigende Funktion. Die Konzepte der Gleichheit, Freiheit und brüderlichen Menschheit mit globaler Gleichberechtigung widersprachen den kolonialen Bemühungen der Europäer bei den zu kolonisierenden außereuropäischen Kulturen.
Im 19. Jahrhundert weitete sich der koloniale Konkurrenzkampf weiter aus. Die Folge war ein Rassismus mit der Idee, dass die Existenz anderer Rassen eine Gefahr für die eigene sei. Damit war der Grundgedanke eines modernen Rassismus geschaffen. Die Idee, das "Andere" und "Fremde" gefährde das Eigene, auch wenn der Begriff "Rasse" fehlt, bedeutet jedoch Rassismus. Äußere Unterschiede zwischen Menschen als Rassendifferenzen bzw. biologistischer Rassismus zu sehen und zu übersetzen als Fremdheit, Andersartigkeit und Nichtzugehörigkeit, bedeutet vermitteltes Wissen. Der biologistische Rassismus ist mit dem Zeitalter des Imperialismus eng verbunden. Theoretisch soll die eigene Überlegenheit und die Minderwertigkeit der Eroberten bzw. Unterdrückten begründet werden (vgl. im Folgenden BÜHL 2016, 98-110).
- 1859 wurde das Werk von Charles Darwin "On the origin of species" veröffentlicht. Den vom Soziologen Herbert Spencer übernommene Ausdruck "Überleben des Stärkeren" wurde in die Studie "Die Abstammung des Menschen" 1869 übertragen und behauptet wurde die Existenz verschiedene Menschenrassen und sollte die Überlegenheit des europäischen Mannes legitimieren. Angeführt wurden etwa die mittlere Schädelkapazität des Europäers von 92,3 Kubikzoll, des Amerikaners von 97,5, des Asiaten von 87,1 und des Australiers nur 81,9.
- 1853 verbreitete Arthur Comte de Gobineaun in der Studie "Essai sur il inegalite des races humainines" den Gedanken der Degeneration durch "Rassenmischung" behauptete die Überlegenheit der "arischen Rasse" als "Urrasse".
- Sozialdarwinistisches Gedankengut kommt auch von Ludwig Gumplowicz (1838-1909). Soziale Tätigkeit wird als Selbsterhaltung definiert und die Geschichte der bisherigen Gesellschaften sei eine Geschichte des Rassenkampfes. Der Kolonialismus habe das "Recht des Stärkeren " unter soziologischen Vorzeichen. Rasse wird als eine sozialhistorische Kategorie gesehen.
- Die Gewaltförmigkeit des Imperialismus in seiner Wirtschafts- und Sozialordnung führt zu einer Radikalisierung des Antisemitismus, der offen vom Kulturphilosophen Paul de Lagarde (1827-1891) in Form von elimentierenden Aussagen wie "rumänische Juden nach Madagaskar abschaffen" und "deutschem Lebensraum im Osten als Großgermanien ohne Juden" verbreitet wurde.
- Die Macht des Biologismus hat zur Folge eine Vielzahl von pseudowissenschaftlichen Richtungen. Zu Beginn blühte die Schädelkunde bzw. Phrenologie des Arzte Franz Joseph Gall (1758-1828). Der italienische Mediziner Cesare Lombroso (1835-1909) meinte, es gebe einen angeborenen Hang zum Verbrecher schon im Kindesalter erkennbar an physiologischen Merkmalen wie Schädelformen und zusammengewachsenen Augenbrauen. Roma und Sinti wurden entsprechend eingeordnet. In der Folge setzte die biologische Rassifizierung von Juden ein mit einer Einordnung in eine Art Rangskala. Christoph Meiners setzte "die Juden" unter die "Rasse der Weißen", aber oberhalb von "Negern" und "Mongolen".
- 1803 erschien als Folge der Französischen Revolution von Carl Wilhelm Friedrich Grattenauer die Schrift "Wider die Juden. Ein Wort der Warnung an alle unsere christlichen Mitbürger". In der Folge kam es zu vielen Hetzschriften. Damit wurden einer Emanzipation und juristischen Gleichberechtigung entgegengewirkt. 1871 publizierte der katholische Theologe August Rohling (1839-1931) die Schrift "Der Talmudjude".
- Nach dem Börsenzusammenbruch 1873 und dem Versuch den Juden die Schuld an den Aktienspekulationen zu geben und der Aufkündigung des Bündnisses Bismarcks mit den Liberalen 1878/1879 gründete sich der politische Antisemitismus als "Christlich-soziale Arbeiterpartei" unter dem Hofprediger Adolf Stoecker (1835-1909) und der "Antisemitenliga".
- Ein intellektueller Antisemitismus des Hitorikers Heinrich von Treitschke etablierte sich, der deutsche Juden für eine Gefahr der "inneren Reichsgründung" diffamierte und damit einen Gegensatz zum Kaiserreich wie einer Überfremdung und scheinbarer homogener Nationalkultur konstruierte. Dies führte zum rechtspopulistischen Rassismus im 21. Jahrhundert. Die "Dreyfuss-Affäre" in Frankreich 1894 und Pogrome in Russland weisen am Ende des 19. Jahrhunderts Phänomene auch auf Phänomene außerhalb Deutschlands.
- 1839 konstruierte der Arzt Samuele George Morton (1799-1851) im erfolgreichen Buch "Crania Americana" den Indianer zur Rasse. Die Studie versuchte die "Minderwertigkeit der Indianer" auf eine (pseudo)wissenschaftliche Basis zu stellen. Die Vertreibungs- und Segregationspolitik sollte ideologisch begleitet werden (vgl. 1830 "Indian Removal Act" und Vertreibung der Cherokee mit äußerstem Zwang). Ab Mitte des 19. Jh. stützte sich der US-Expansionismus auf die Ideologie des "Manifest Destiny" des Konstrukts des "White Anglo-Saxon Protestant". Aufgab des "weißen Mannes" sei es, den Kontinent zu erobern und die Zivilisation bis zum Pazifik zu verbreiten als göttlichen Auftrag, als Mission und das "Licht der Freiheit" in die Welt zu tragen.
- Um 1850 kam es Landkonflikten in Australien, als Gold entdeckt wurde. Aboriginal wurden von Eindringlingen verdrängt. Grundlage war die "Terra Nullius Doktrin", die den Ureinwohnern ein Anrecht auf das Land absprach und von einen unbewohnten Kontinent ausging.
- Von einem "Common Sense" ging der antinegride Rassismus im 19. Jh. aus. Francis Galton (1909) stellt den modernen Europäer auf die oberste und die "Schwarzen" auf die unterste Stufe. In der Folge verbreiteten sich in den USA die Baumwollplantagen, inneramerikanisch kam es zu Sklavendeportationen. Trotzdem kam es zu "freien Schwarzen", Gesetze gegen gemischt-ethnische Ehen (auch gegen Asiaten und Native Americans) wurden eingeführt (vgl. erst 1967 verloren sie in den Südstaaten ihre Gültigkeit). Mit dem Ende des Sezessionskrieges (1861-1865) wurde rechtsgültig die Sklaverei abgeschafft.
- In den USA führte der Hass gegen die chinesischen Migranten 1871 zum "Chinesen Massaker" in Los Angeles mit der Verwüstung von Chinatown und 18 toten chinesischen Migranten. Die Westküste war das Hauptgebiet des anti-asiatischen Rassismus. 1882 wurde der "Chinese Exclusion Act" als Bundesgesetz zum Verbot einer Einwanderung verabschiedet.
- Ähnlich war der Antiasiatismus in Australien, chinesische Goldsucher wurden ausgeraubt, verprügelt und vertrieben. Um 1850 beschränkten einige australische Bundesstaaten eine chinesische Migration.
- Zu Beginn des 19. Jh. biologisierte der Rassismus eine "Minderwertigkeit von Frauen" (Antifeminismus) etwa mit einem Züchtigungsrecht des Ehemannes (Abschaffung erst 1928 in der Weimarer Republik, bis 1977 in der BRD die Zustimmung eines Mannes zur Arbeitstätigkeit der Ehefrau).
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Literaturhinweise
Galton Francis (1909): Essays in Eugenics, London
Grattenauer Karl Wilhelm Friedrich (1803): Wider die Juden, Berlin
Gumplowicz Ludwig (1883): Der Rassenkampf, Innsbruck
Lagarde Paul de (1924): Schriften für das deutsche Volk, München
Rohling August (1871): Der Talmudjude. Zur Beherzigung für Juden und Christen aller Stände, Münster
Treitschke Heinrich von (1909): Bilder aus der deutschen Geschichte, Leipzig
Treitschke Heinrich von (1924): Aufsätze, Reden und Briefe, Meersburg
Morton Samuel George (1839): Crania Americana, Philadelphia
1.2.5 20. Jahrhundert |  |
Die Stereotypen des 20. Jahrhunderts zeigen sich in den Formen von Körperbildern, die Rassenunterschiede belegen sollen. Bedeutung erhalten Ausstellungen, Museumsarbeit und politische Ideologien. Die Verbreitung rassistischer Theorien wird durch moderne Medien unterstützt. Zudem kommen Ausstellungen und Bilder zur Unterstützung einer Rassenpolitik.
2 Alltagsrassismus |  |
In den letzten Jahrzehnten gab es für die Gruppe einer fremdbestimmten Identität verschiedenste Bezeichnungen, die zu einer Exklusion führten, so Gastarbeiter, Ausländer, Einwanderer, Asylanten, Migranten und Personen mit Migrationshintergrund.
Die Menschen lehnten ihre Zugehörigkeit ab. Mitglieder einer größeren Gruppenanzahl gehören zu einer Staatsangehörigkeit, einem Wohnort, Geschlecht, geographischen Herkunft und einer Berufsgruppe. Jedes Kriterium verleiht eine bestimmte Identität, die als eine einzige Zugehörigkeit verstanden wird.
Dennoch spielen Aussehen, sprachliche Ebene, sozialer - kulturell-religiöser Status und Bildungshintergrund eine Rolle und ergeben persönliche Erfahrungen mit Diskriminierung, Übergriffen, Benachteiligungen und Alltagsrassismus.
Der Alltagsrassismus ist ohne den historischen Kontext und die historische Dimension nicht zu verstehen. Die weißen Europäer erfanden den Umstand weißer Überlegenheit, um den Kolonialismus und den Sklavenhandel zu legitimieren (vgl. KENDI 2017, 28-29). Entwickelt wurden Bilder und Darstellungen, um die Annahme zu untermauern. So haben sich rassistische Ideen eingeprägt, die zu einem Verhalten vom Gewalt und Unterdrückung führten (vgl. KENDI 2017, 19).
Wer mit solchen Ideen aufwächst, lernt rassistische Ideen, man kann sie auch verlernen (vgl. Interkulturelle Kompetenz).
IT-Hinweis
https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/5594_akt_tb110_alltaeglicher_rassismus_aufl2_online.pdf (24.3.23)
3 Koloniale Gewalt |  |
Kolonialismus als koloniale Herrschaft beruht auf Unterwerfung der Kolonialisierten durch Europäer. Das Recht auf Selbstbestimmung wurde abgesprochen, "Zivilisierung" war eine gewaltsame Herrschaftspraxis. Dazu gehörten die Prügelstrafe, Zwangsarbeit und die Beschlagnahme von Besitz (vgl. WERNSING-GEULEN-VOGEL 2021, 106, 110).
Betrachtet haben sich die Europäer als überlegene weiße Rasse. Ein Widerstand der Einheimischen wurde brutal niedergeschlagen. Koloniale Gewalt äußerte sich in "Strafexpeditionen" mit dem Ziel einer Abschreckung.
Beispielhaft ist das Verhalten deutscher Kolonialsoldaten im ehemaligen "Deutsch-Südwestafrika" (Namibia). Die Kolonialverbrechen europäischer Staaten wurden bisher kaum aufgearbeitet. Besonders gewaltsam ging das Kolonialmilitär, bezeichnet als "Schutztruppe", gegen die ansässigen Nama, Herero, Damara und Sana vor. 1907 erfolgte die Niederschlagung des Widerstandes, historisch der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. Im ersten deutschen, offiziell so bezeichnet, Konzentrationslager auf der Halbinsel in der Lüderitzbucht fanden Tausende an Unterernährung und dem rauen Klima den Tod.
Später im Nationalsozialismus gibt es einige Generäle in hoher Position. Das Uniformhemd des Kolonialmilitärs ("Lettow-Hemd") wurde das Vorbild für das "Braunhemd" der Sturmabteilung (SA).
4 Reflexion |  |
Die heutige Gesellschaft lebt in kultureller, sozialer und religiöser Vielfalt . Zahlreiche Menschen haben eine Migrationsgeschichte und kennen die Phänomene von Migration und Globalisierung (vgl. Flucht, Asyl - EU-Binnenwanderung - ERASMUS-Aufenthalte, internationaler Tourismus - Globalisierung in Wirtschaft, Bildung, Kultur und Medien).
Dennoch gibt das Phänomen des Rassismus im Alltag, in der Politik und in Bildungseinrichtungen. Rassismus ist bequem, eine globalisierte Welt lässt sich in eine scheinbar einfache Ordnung einteilen. Vorurteile, mangelhaftes und kritikloses Wissen sind tief verankert (vgl. EU 2000).
Die Frage und der Auftrag lautet daher, wie man derartige Strukturen abbauen kann. Neue Denkräume müssen zukunftsträchtige Debatten eröffnen, unterschiedliche Aspekte ermöglichen und neue Verbindungen mit Möglichkeiten aufzeigen.
Gefordert ist eine Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz in einer postmigrantischen Gesellschaft.
5 Buchbesprechungen |  |
Althoff Nina (2006): Die Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse und der ethnischen Herkunft in der Europäischen Gemeinschaft ausgehen von Art 13 EG, Frankfurt/M.-Bern, Peter Lang Verlag der Wissenschaften, ISBN 3631 5468 23
Diskriminierungen aus Gründen der "Rasse" und der ethnischen Herkunft sind keine rückläufigen Phänomene, sondern nehmen in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft zu. Durch die Einführung der Nichtdiskriminierungsklausel des Art 13 EG möchte die Gemeinschaft ein einheitliches Vorgehen und eine potentielle Einwirkungsmöglichkeit entwickeln. So eröffnet Art 13 EG neue Perspektiven für die Nichtdiskriminierungspolitik Europas.
Die Publikation widmet sich insbesondere der Untersuchung des vorhandenen Instrumentariums. Festzustellen ist, inwieweit Art 13 EG und seine bisherige Umsetzung dem dringenden europaweiten Bedarf nach einer bisherigen Umsetzung einer Nichtdiskriminierungspolitik gerecht werden, inwiefern die Gemeinschaft diesbezüglich verbesserungsbedürftig ist und in welcher Weise sie verbessert werden kann.
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Benz Wolfgang (1995): Der Holocaust, München, C.H. Beck, ISBN 3 40639822 7
Als Holocaust-Forscher zeichnet der Autor die Geschichte des Völkermordes an den Juden von der Ausgrenzung und Entrechtung bis zum industrialisierten Massenmord in den Vernichtungslagern nach.
Sein Augenmerk gilt dabei nicht nur den Tätern, sondern vor allem auch den Opfern selbst. Neben die Geschichte der Verfolger tritt die Geschichte der Verfolgten. Ein eigenes Kapitel ist dem oft vernachlässigten anderen Völkermord an den Sinti und Roma gewidmet.
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Delacampagne Christian (2005): Die Geschichte des Rassismus, Düsseldorf, Artemis-Winkler, ISBN 3-538-07206-X
Die wichtigsten historischen Etappen des Rassismus seit der Antike werden behandelt, von der Judenfeindschaft im Mittelalter als Vorstufe des modernen Rassismus bis in die Zeit der kolonialen Eroberungen. Opfer sind nun die Indianer und die Schwarzen in Amerika.
Es entsteht die Idee einer weißen oder germanischen "Herrenrasse", die dem Nationalsozialismus die ideologische Rechtfertigung für den millionenfachen Mord an Juden, Sinti und Roma lieferte. Vehement wird der Rassismus der Gegenwart in Europa, auch in den vielen Weltregionen verübte Völkermord aus rassistischen Motiven verurteilt.
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Hund Wulf D. (2007): Rassismus, Bielefeld, Transcript, ISBN 978-3-89942-310-5
Rassismusanalyse beschäftigt sich nicht mit dem Rassismus, vielmehr mit unterschiedlichen "Rassismen". Rassismus wird in seinen sozialhistorischen Ausprägungen und Verbindungen mit anderen Formen sozialer Diskriminierung untersucht.
Der Band diskutiert die Ansätze und die damit verbundenen Probleme in drei Kontexten: kategorial im Hinblick auf zentrale Begriffe der Forschung, historisch im Zusammenhang mit den Formen rassistisch bestimmter Inklusion und Exklusion und politisch auf Methoden und Funktionen rassistischer Vergesellschaftung.
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Geulen Christian (2008): Geschichte des Rassismus, Bonn, C.H. Beck, ISBN 978-3-406-53624-3
Rassismus begleitet in schriftlicher und bildlicher Überlieferung seit der Antike die Ausgrenzung bestimmter Gruppen. Mit der Entstehung des Begriffs Rasse und der Anwendung auf menschliche Gruppen gegen Ende des 15. Jahrhunderts beginnt die Geschichte des Rassismus.
Die Publikation spannt einen weiten Bogen von der Sklavenhaltung in der Antike über den Umgang mit Juden und Häretikern im Mittelalter. den frühneuzeitlichen Kolonialreichen und den Evolutionismus des 19. Jahrhunderts bis zum 20. Jahrhundert mit der Eskalation rassistisch motivierter Gewalt. Rassismus beginnt, so die zentrale Aussage, wo die Menschen meinen, die Bekämpfung des "Fremden" mache die Welt besser.
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Sow Noah (2008): Deutschland Schwarz Weiss. Der alltägliche Rassismus, München, Bertelsmann Verlag, ISBN 3570010082
Wir wachsen mit vielfältigen Rassismen auf. Kinder spielen "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann" und singen "Zehn kleine Negerlein" im Kindergarten und finden es normal. Wer gefragt wird, ist natürlich gegen Rassismus. Dazu bedarf es eines Verständnisses.
Vorstellungen und Gewissheiten müssen hinterfragt werden. Vor dem Hintergrund langjähriger Erfahrung mit Antirassismusarbeit legt Noha Sow den Finger in die Wunde des unbewussten Rassismus und sorgt für eine Menge erkenntnisreicher Stolpersteine. Die Publikation ist ein Angebot für mehr Fairness und Normalität.
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Günther Dichatschek (2020): Migration in Österreich, Saarbrücken, Akademiker Verlag, ISBN 978-620-0-67096-0
Sieht man Migration ohne moralische Vorurteile, kommt man bei Beachtung ökonomischer und sozialer Aspekte zu tragfähigen Schlussfolgerungen. Eine mäßige Einwanderung hat ökonomisch günstige und sozial zweideutige Folgen für die einheimische Bevölkerung. Kulturelle Vielfalt steht gegenseitiger Rücksichtnahme und Schwächung des Sozialsystems durch Auslandsgemeinden gegenüber.
Die Publikation weist ausführlich auf ein traditionelles Migrantentum, Interkulturalität und Interkulturelle Kompetenz, Bildungs- und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen, Integrationsbemühungen, Problembereiche der Migration und die Migration im 20. und 21. Jahrhundert hin. Ein eigenes Kapitel ist der "Globalen Migration" gewidmet.
Literaturverzeichnis |  |
Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden .
Bühl A. (2016): Rassismus. Anatomie eines Machtverhältnisses, Wiesbaden
Claussen D. (1994): Was heißt Rassismus?, Darmstadt
Delacmpagne Chr. (2005): Die Geschichte des Rassismus, Düsseldorf
Europäische Union (EU) (2000): Richtlinie 2000/43/EG DES RATES vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft L 180/22, DE 29.7.2000
Fredrickson G. M. (2004): Rassismus: Ein historischer Abriss, Hamburg
Geulen Chr. (2008): Geschichte des Rassismus, Bonn
Gomolla M.( 2009): Interventionen gegen Rassismus und institutionelle Diskriminierung als Aufgabe pädagogischer Organisationen, in: Scharathow W.-Leiprecht R. (Hrsg.) Rassismuskritik, Bd. 2: Rassismuskritische Bildungsarbeit, Schwalbach/Ts., 25-44
Hund W. D. (2007): Rassismus, Bielefeld
Kendi J.X. (2017): Gebrandmarkt. Die andere Geschichte des Rassismus in Amerika, München
Mecheril P.-Teo T. (Hrsg.) (1997): Psychologie und Rassismus, Reinbek b. Hamburg
Memmi A. (1992): Rassismus, Frankfurt/M.
Miles J. (1991): Rassismus: Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs, Hamburg
Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (Hrsg.) (2023): Rassismusforschung I. Theoretische und interdisziplinäre Perspektiven, Bielefeld
Neumann U. - Schneider J. (Hrsg.) (2011): Schule mit Migrationshintergrund, Münster - New York - München - Berlin
Pangritz A. (2021): Die Schattenseite des Christentums. Theologie und Antisemitismus, Stuttgart
Poliakov L.-Delacampagne Chr.-Girad P. (1992): Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Hamburg-Zürich
Terkessidis M. (1998): Psychologie des Rassismus, Opladen
Wernsing S.- Geulen Chr.- Vogel Kl. (Hrsg.) (2021): Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 10613, Bonn
Zerger J. (1997): Was ist Rassismus? Eine Einführung, Göttingen
Zum Autor |  |
APS-Lehramt (1970, 1975,1976), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993- 2002)
Absolvent des Studiums Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 1. Lehrganges Ökumene/ Kardinal König-Akademie/ Wien/ Zertifizierung (2006), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ Master (2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/Wien/ Diplome (2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), des 4. Internen Lehrganges Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium im Comenius-Institut Münster/Zertifizierung (2018), des Fernstudiums Nachhaltige Entwicklung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium im Comenius-Institut Münster/Zertifizierung (2020)
Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien/ Vorberufliche Bildung (1990-2011), am Fachbereich Geschichte/Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung/ Didaktik der Politischen Bildung (2016, 2018)
Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche in Österreich (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017-2019), Kursleiter an der VHS Salzburg in Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg / "Freude an Bildung" (2012-2019)
MAIL dichatschek (AT) kitz.net
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