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Sammelband-10

Sammelband 10 Bildung    

Aspekte eines Themenfeldes in den Bildungsbereichen    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Sammelband 10 Bildung   
Aspekte eines Themenfeldes in den Bildungsbereichen   
Einführung   
Teil I Konfessionelle Bildung - Evangelische Bildung   
Einleitung   
1 Reformation   
1.1 Martin Luther   
1.2 Evangelische Pädagogen   
1.2.1 Philipp Melanchthon   
1.2.2 Schulgründungen   
1.3 Niederes Schulwesen   
2 Evangelische Schulen   
2.1 Evangelische Schulen in Geschichte und Gegenwart   
2.2 Aspekte aktueller Diskussion   
2.3 Einordnung in das österreichische Bildungssystem   
2.3.1 Gesetzliche Grundlagen - Auswahl   
2.3.2 Empirische Untersuchungsergebnisse - Kurzfassung   
3 Evangelische Hochschulbildung   
3.1 Kirchlich Pädagogische Hochschule Wien/Krems   
3.2 Evangelisch Theologische Fakultät/ Universität Wien   
4 Evangelische Erwachsenenbildung   
4.1 Herausforderungen   
4.2 Aufgabenstellungen   
4.3 Fragestellungen   
4.4 Rechtsformen   
5 Literaturverzeichnis Konfessionelle Bildung   
Teil II Nachhaltige Bildung   
2. 1 Einleitung   
2. 2 Merkmale des politischen Pluralismus   
2.3 Liberalität in der pluralen Gesellschaft   
2.4 Krisen des Pluralismus   
2.5 Friedenspädagogik in der Politischen Bildung   
2.6 Reflexion - Nachhaltige Bildung nach der Coronakrise   
2.7 Literaturverzeichnis Nachhaltige Bildung   
Teil III Bildungsmanagement   
Teil 1 Allgemeine Bemerkungen   
Einführung   
1 Gestaltungsfelder   
2 Bildungsverständnis   
2.1. Bildungsbegriff   
2.2 Kompetenzbegriff   
2.3 Beispiele für einen Bildungsbegriff   
3 Managementverständnis   
3.1 Begrifflichkeit   
3.2 Aufgabenbereich   
3.3 Kritik   
3.4 Besonderheiten von Bildungsleistungen   
4 Erscheinungsformen   
5 Herausforderungen   
5.1 Aspekte - Strömungen   
5.2 Gesellschaftliche Veränderungen - pädagogische Folgerungen   
5.3 Konzept des lebenslangen Lernens/ lebensbegleitenden Lernens   
6 Verbesserungen und Innovationen   
6.1 Beispiele einer Optimierung und Erneuerung   
6.2 Spannungsfeld Optimierung vs. Erneuerung   
7 Fallbeispiel Evangelisches Bildungswerk in Tirol   
7.1 Begrifflichkeit   
7.2 Ehren- und Hauptamt   
7.3 Projekt Evangelisches Bildungswerk in Tirol   
7.4 Entwicklungsphase der Organisation und Leitung   
7.5 Persönliche Reflexionen   
7.6 Reflexionen der anderen Seite   
7.7 Reflexionen in der kirchlichen Presse   
7.8 Schlussfolgerungen   
7.8.1 Hinweise auf unterschiedliche Aspekte   
7.8.2 Freiwilligenmanagement   
7.9 Reflexion   
7.10 Literaturverzeichnis Bildungsmanagement   
Teil 2 - Führungkräfteentwicklung   
Vorbemerkung   
Einleitung   
1 Schule und Gesellschaft   
2 Erwachsenen- bzw. Weiterbildungsinstitutionen und Gesellschaft - Bildungsmanagement   
2.1 Erwachsenen- bzw. Weiterbildung   
2.2 Bildungsmanagement   
3 Führung von Schulen und außerschulischen Bildungsinstitutionen   
3.1 Aufgabenerweiterung von Leitungen von Bildungsinstitutionen - Leadership   
3.2 Handlungsfeld Schulmanagement   
3.3 Kooperative Führung von Bildungsinstitutionen   
3.4 Leadership   
3.4.1 Schulische Vernetzung   
3.4.2 Bildungsregionen   
3.4.3 System Leadership   
3.5 Konfluente Leitung   
3.5.1 Führung   
3.5.2 Management   
3.5.3 Steuerung   
3.5.4 Zusammenfassung - Reflexive Phase   
3.6 Führungskräfteentwicklung bei Frauen   
3.6.1 Geschlecht - Gesellschaft   
3.6.2 Pädagogische Diskussion von Geschlechterverhältnissen   
3.6.3 Geschlechtergerechte Bildung   
3.6.4 Geschlechterdemokratie   
3.6.5 Trends und Tendenzen im Schulsystem   
3.6.6 Beruf und Familie   
3.6.7 Führungsstrukturen   
3.7 System Schule   
3.8 Organisationspädagogik   
3.8.1 Organisation - Bildung   
3.8.2 Führungsprinzipien   
3.9 Bildungsinstitutionen als Expertenorganisation   
4 Führungskräfteentwicklung   
4.1 Entwicklungstendenzen   
4.2 Führungskompetenz am Arbeitsplatz   
4.3 Rekrutierung von Fort- und Weiterbildnern   
4.4 Train - the - Trainer - Programm   
4.5 Marketing und Öffentlichkeitsarbeit   
4.6 Gewinnung und Förderung von Nachwuchskräften   
4.7 Professionalisierung des Ausbildungsangebots   
4.8 Wirksamkeit der Führungskräfteentwicklung   
4.9 Transferproblematik   
4.9.1 Problembereiche der Lehrerfortbildung   
4.9.2 Forschungslage zum Theorie - Praxis -Transfer   
4.9.3 Handlungstheorien   
4.9.3.1 Psychologische Handlungstheorie   
4.9.3.2 Qualifizierungskurse   
4.10 Gestaltung der Führungsqualifizierung   
4.10.1 Voraussetzungen   
4.10.2 Fortbildungsdidaktik   
4.10.3 Transferwirksamkeit   
4.10.4 Gelingensbedingungen   
5 Inhalte von Qualifizierungsmaßnahmen   
5.1 Recht und Verwaltung   
5.2 Neue Steuerung   
5.3 Kommunikation und Kooperation   
5.4 Rollenverständnis   
5.5 Wissensinhalte   
5.6 Paradigmenwechsel   
5.7 Projektmanagement   
5.8 Delegation   
5.9 Kommunikation   
5.10 Hospitation   
5.11 Beratung   
5.12 Konfliktmanagement   
5.13 Kompetenz - Portfolio von Bildungsinstitutionen   
5.14 Organisationspädagogik   
5.14.1 Arbeitsorganisation   
5.14.2 Organisationsentwicklung   
5.15 Schulentwicklung   
5.16 Unterrichtsentwicklung   
5.17 Wissensmanagement   
5.18 Qualitätsmanagement   
5.19 Corporate Identity   
5.20 Personalmanagement   
5.21 Personalentwicklung   
5.22 Fort- und Weiterbildung   
5.23 Personalbeurteilung   
5.24 Selbstmanagement   
6 Methoden - Modelle   
6.1 Lernen Erwachsener   
6.2 Selbstbildung   
6.3 Gruppenarrangements   
6.4 Heterogenität in Qualifizierungsmaßnahmen   
6.5 Netzbasiertes Lernen - Blended Learning   
6.6 "Happy Learning" - Rolle der Dissonanz   
6.6.1 Happy Learning   
6.6.2 Rolle der Dissonanz   
6.7 Lernprozesse in der Fort- und Weiterbildung   
6.8 Lernort Workshop - Lernort Seminar/ Lehrgang   
6.8.1 Praktika - Projekte - Hospitationen   
6.8.2 Mentoring - Betreuung   
6.9 Coaching   
6.10 Hospitationspraktikum   
6.11 Lernen im Vergleich   
6.12 Partners in Leadership   
6.13 Kollegiale Lernformen   
6.13.1 Professionelle Lerngemeinschaft   
6.13.2 Kollegiale Beratung   
6.13.3 Feedback - Kultur   
7 Weiterbildungsmodelle - Deutschland - Schweiz -Österreich   
7.1 Fernstudium Schulmanagement - Deutschland   
7.2 Schul- bzw. Bildungsmanagement - Schweiz   
7.3 Erwachsenen- bzw. Weiterbildung - "Bildungsmanagement/ wba" - Österreich   
7.4 Universitätslehrgang "Erwachsenenbildung/Weiterbildung(adult education/ continuing education)" - Österreich   
7.5 Leadership Academy - Österreich   
7.6 Literaturhinweise Führungskräfteentwicklung   
Teil IV Bildungssoziologie   
Vorbemerkung   
1 Einleitung   
2 Grundbegriffe   
2.1 Bildung   
2.2 Erziehung - Sozialisation   
3 Erste Phase der Soziologie der Bildung und Erziehung   
3.1 Einführung   
3.2 Emile Durkheim   
3.3 Karl Mannheim   
3.4 Sputnik - Schock   
3.5 Bildungsreform   
3.6 Talcott Parsons   
3.7 Theodor W. Adorno   
3.8 Michel Foucault   
4 Bildungs- und Erziehungstheorie heute   
4.1 Pierre Bourdieu   
4.2 Niklas Luhmann   
4.2.1 Soziale Systeme   
4.2.2 Luhmanns soziologische Erziehungsreflexion   
4.2.3 Gesellschaftliche Funktion der Erziehung   
5 Bildung und Schule   
5.1 Schule und Gesellschaft   
5.2 Schulautonomie   
5.3 Schulkulturen   
6 Bildung und Hochschule   
6.1 Kurzgeschichte der Universität   
6.2 Fachkulturen   
7 Bildung in der Lebensgeschichte   
7.1 Lebenslauf   
7.2 Kindheit   
7.3 Jugend   
7.4 Erwachsenenalter - Bildung   
8 Migration   
8.1 Bildung und Erziehung   
8.2 Bildungsdisparitäten   
8.3 Integration   
8.4 Reflexion   
8.5 Literaturverzeichnis Bildungssoziologie   
Teil V Bildungsreform   
Vorbemerkung   
I Österreich   
1 Bildungspolitik   
1.1 Bildung und Forschung   
1.2 Lerninhalte des Polytechnischen Lehrganges   
2 Ethikunterricht - Diskussion zur Einführung eines verpflichtenden Unterrichtsfaches   
Salzburger Nachrichten, 4.9.2012, 9 "Ethik und Religionskunde" für alle in der Oberstufe   
Podiumsdiskussion an der Universität Wien, 25.10.2012   
SAAT Nr. 11/2013, 2 "Ethik und/oder Religion"   
3 Bildungsinstitutionen und Interkulturalität   
3.1 Zunehmende Zuwanderung in Österreich   
3.2 Studie über Integration von Migranten der zweiten Generation/Vorarlberg   
3.3 Tagung "Schule mit Migrationshintergrund", Februar 2008, Universität Hamburg - verikom - Heinrich Böll -Stiftung - ZEIT - Stiftung - Vodafone - Stiftung/ 7 Thesen   
3.4 Interkulturalität in Bildungsinstitutionen   
Elementarbildung/Kindergarten   
Sprachbildung   
Bildungsbenachteiligungen   
Übergang in die Arbeits- und Berufswelt   
Bildungssituation   
Selektivität des Bildungssystems   
Diversität   
Interkulturalität und Hochschule/ Universität   
Erwachsenenbildung bzw. Weiterbildung und Interkulturalität   
4 Aspekte einer Schulreform in Österreich   
4.1 "Bildungspolitische Aufklärung - Um- und Irrwege der österreichischen Schulreform"   
4.2 "Ein 'Schulbuch' mit 180-Grad-Wendung"-Salzburger Nachrichten/3. 9.2012, 2   
4.3 Leitartikel/Tiroler Tageszeitung v. 18.11.2012, 5 "Moderne Schulen braucht das Land"   
4.4 DER STANDARD, 28.2.2013, 32 "Nebenregierung macht's vor"   
4.5 Zum Stand einer Schulreform/ November 2013   
5 Studie "Visible Learning"/John Hattie   
6 Universität und Lehrerbildung   
7 Unbildung zwischen Pisa und Bologna/ Liessmann   
8 Wie Schüler Schule erleben   
9 Studie der Wirtschaft - Mängel in der Unterrichtsverwaltung/2015   
10 Evaluierungsbericht zur Neuen Mittelschule/2015   
11 Bildungsreform/ Reformansätze vom 17.11.2015   
12 Bildungsreform 2017 - Maßnahmen für eine Schulautonomie   
13 Schulautonomiepaket 2017   
13.1 Organisation des Unterrichts   
13.2 Lehrerauswahl   
13.3 Schulzusammenlegung   
13.4 Schulpartner   
13.5 Bildungsdirektion   
13.6 Bildungsreform 2017 - Einigung von SPÖ, ÖVP und Grünen   
13.7 Schuljahr 2017/2018 - Neuerungen   
14 Zukunft. Für unser Österreich - Regierungsprogramm 2017-2022   
14.1 Zukunft und Gesellschaft - Bildung   
14.2 Zukunft und Gesellschaft - Wissenschaft   
15 Integrationsbericht 2018 - Brennpunktschulen   
16 Neuer Lehrplan für Polytechnische Schulen   
II Europäische Perspektiven - Bildungswesen in Europa   
17 Rückgang der Zahlen der Lernenden im schulpflichtigen Alter   
18 Trend zur längeren Schulbildung   
19 Hochschulbildung   
20 Gesamtausgaben für Bildung   
21 Lehrerbildung - Arbeitsbedingungen   
22 Schulautonomie   
23 Qualitätssicherung   
Literaturhinweise Bildungsreform I - II   
III Digitales Lernen und Lehren   
Vorbemerkung   
24 Einführung   
25 Digitalisierung   
25.1 Begrifflichkeit   
25.2 Wandelphänomene   
25.3 Bildungssysteme und Digitalisierung   
26 Technische Übersicht   
27 Fernunterricht   
27.1 Mediengestütztes Lernen   
27.2 Technologische Innovationen   
27.3 Technologiegestütztes Lernen   
27.4 Gemeinsames Lernen im Web 2.0   
28 Didaktik   
28.1 Einführung   
28.2 Übersicht Lerntheorien   
28.2.1 Behaviorismus   
28.2.2 Kognitivismus   
28.2.3 Konstruktivismus   
28.2.4 Konnektivismus   
28.3 Lehrzieltaxinomien   
29 Medienpädagogik   
29.1 Strömungen der Medienpädagogik   
29.2 Medienkompetenz   
30 Medienbasiertes Lernen   
30.1 Planung und Gestaltung   
30.2 Instruktion   
30.3 Digitale Potenziale   
30.4 Technische Infrastruktur   
30.5 Entwicklung von Lehr- und Lernsituationen   
30.6 Problembereiche   
31 Leistungsbeurteilung mit E - Assessment - Systemen   
32 Lernen und Lehren in der Erwachsenenpädagogik   
Literaturhinweise Bildungsreform III   
Zum Autor   

Einführung    

Bildung und die Bildungsbereiche mit den 0rganisationen sind von Entwicklungsaufgaben betroffen, weil sie Bildungsleistungen gruppengerecht anzubieten und zu entwickeln haben. Die verschiedenen Bildungsbereiche, Schulen, betriebliche Ausbildungsstätten, Hochschulen, Weiterbildungseinrichtungen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung haben auf die Veränderungen in dem Bildungssystem einzugehen.

Lehrende und Lernende sind Akteure in Bildungsprozessen und sollen erfolgreich agieren können. Für den Bildungsablauf ergeben sich Aufgaben in der Gestaltung von Lernprozessen, auf der organisatorischen Ebene und in der Professionalisierung der Lehrenden und Verwaltenden.

Bildung zu vermitteln versteht sich, Bildungsprozesse als gesellschaftsrelevante Leistung anzubieten. Dieser Paradigmenwechsel im Verständnis schafft eine Verbindung von pädagogischen und ökonomischen Konzepten.

Beide Rationalitäten sollten ausbalanciert werden, zeitgemäße und gangbare Lösungen ergeben. Reflexion ist notwendig, um bewusst und kritisch Gestaltungslösungen zu entwickeln. Eine proaktive Bildung und ihre Umsetzung ("Management") mit dem Aufgreifen zukünftiger Probleme und dem Aufbau von Erfolgspotenzialen sind Ziel der Bemühungen.

Der Sammelband gliedert sich in die fünf Teile Konfessionelle Bildung, Nachhaltige Bildung, Bildungsmanagement (Allgemeine Bemerkungen, Führungskräfteentwicklung), Bildungssoziologie und Bildungsreform. Grundlagen der Themenwahl sind neben dem persönlichen Interesse die Ausbildungs- und Berufsbiographie des Autors.

Teil I Konfessionelle Bildung - Evangelische Bildung    

Einleitung    

Ihrem Wesen nach ist Erziehung, Unterricht und Lehre auf die Zukunft ausgerichtet, ein Einblick in die Vergangenheit dient dem Verständnis von Bildung.

  • In jeder Gegenwart liegt eine Vergangenheit und damit Geschichte.
  • Das gilt für die Einzelperson, bei der jede Entscheidung aus früherer Zeit Erfahrungen, Erfolge und Defizite von Entwicklungen einwirken, wie auch für eine Kultur eines Zeitabschnitts. Der Bildungsbereich ist davon ebenso betroffen.
  • Es geht demnach um pädagogische Auffassungen, Persönlichkeiten, Maßnahmen und Einrichtungen.
  • Ihre Bedeutung liegt in der Kulturlage. Die Abhängigkeit erstreckt sich auf die geschichtliche Ereignisse.
Behandelt werden die einzelnen Bildungssektoren primärer, sekundärer, tertiärer und quartärer Bereich.

Ausgangspunkt des Kapitels sind

Ausgegangen wird von der Epoche der Reformation, in der Folge behandelt die Evangelischen Schulen in Geschichte und Gegenwart, Evangelische Hochschulbildung und Erwachsenenbildung.

1 Reformation    

Im 16. Jahrhundert trafen Humanismus und Reformation zusammen. Die Beziehung beider Bildungsrichtungen sind zu betrachten.

Einig war man sich in der Kritik der Traditionen, Scholastik, des Autoritätsglaubens und der herrschenden kirchlichen Missstände.

Der Humanismus war eine Bildungsbewegung, die Reformation eine religiöse Bewegung. Es gab eine gegenseitige Beeinflussung.

  • Der Humanismus als geistige Strömung innerhalb oberster Schichten von Renaissancefürsten und Universitätslehrern war ohne Verbindung zum Volk.
  • Die Reformation war eine Volksbewegung, unterstützt vom Medien durch den entstandenen Buchdruck. Führend wurden im Protestantismus Persönlichkeiten.
1.1 Martin Luther    

Seine religiöse Stellung wurzelt in der Auffassung, dass die Gnadenmittel der Kirche und die Werke nicht dem Seeelenheil verhelfen. Es ist eine Irrung der Kirche von der urchristlichen Heilslehre, dass sie die menschliche Ohnmacht nicht erkennt und die "guten Werke" so hoch stellt (vgl. im Folgenden HÖRBURGER 1967, 41-43).

Luther findet sich in der persönlichen Entscheidung, in der Freiheit gegenüber der Kirche als "Menschenwerk". In der Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" formuliert er die neue Position, die in der Folge entscheidend für eine Grundhaltung evangelischer Christen wird. Anderseits ist das Menschenwerk nichts, Gottes Werk ist alles. Der Mensch kann aus dem Glauben allein (sola fide), die Gnade Gottes erfahren.

Es bedarf keines Mittlers zwischen dem Einzelnen und Gott.

Abgelehnt wird das Priestertum und die sakramentalen Gnadenmittel der Kirche.

  • Die Glaubensquelle des Glaubens ist einzig das geschriebene Wort der Bibel, eine mündliche Tradition wird abgelehnt.
  • Um die Bibel bekanntzumachen, wurde sie in das Deutsch ("Kursächsische Kanzleisprache") übersetzt. Nicht als der erste, aber als der volkstümlichste und erfolgreichste Übersetzer. Der Universitätslehrer Luther wusste um den Bildungswert des geschriebenen Wortes im Buchdruck.
Wenn auch das Priestertum seiner bisherigen Aufgaben enthoben wird, die Kirche als Institution wird nicht überflüssig, sie allerdings nicht Vermittlerin der Heilsmittel.

  • Vielmehr ist sie Verkünderin des Wortes Gottes durch die Predigt.
  • Aus der Erfahrung der Freiheit des Christenmenschen zur missverständlichen Auslegung der Schrift führen kann, schrieb Luther den "Kleinen Katechismus" für den allgemeinen Gebrauch und den "Großen Katechismus" für Pfarrer und Lehrer als Weisung für die richtige Auslegung.
Wenn Werke des Menschen nicht zum Heil beitragen, stellt im Gegenteil die Reformation den Einzelnen in die Welt zu Arbeit, Beruf und Kultur. Bildung in Verbindung mit Erziehung werden wichtig.

Zur Erziehung spricht Luther in verschiedenen Sermonen, er legt die Leitlinien für einen Geist der neuen Erziehung dar. Ihr Ziel ist ein persönliches Christentum. Dazu ist die Familie aufgerufen. Die Hilfsanstalt der Eltern ist die Schule. Sie müsse den Religionsunterricht zum Mittelpunkt haben. Dieser wird von nun an in den Lehrplan der Schreib- und Rechenschule als eigener Gegenstand aufgenommen.

  • Sehr hoch schätzt Luther den erzieherlichen Einfluss der Musik. Selbst Sänger und Lautenspiele gab er mit seinem Freund Johann Walter (1524) das "Geistig Gesangsbüchlein" heraus, das erste evangelische Gesangsbuch, das in der Folge im Gottesdienst eine zentrale Stellung einnimmt.
  • Er befürwortet auch den Geschichtsunterricht und die Leibesübungen, es fehlen Rechnen und die Realien.
  • Das Lehrverfahren im "Katechismusunterricht" hält sich an das hergebrachte Schema von Auswendiglernen, Erklären und Abfragen. Luther hatte einen "Volksunterricht" im Auge.
  • Daher spricht er erstmals von einem "Schulzwang", den die Obrigkeit einzuordnen hat. Er verlangt ihn zumindest für den Nachwuchs von Schulmeistern, Predigern, Juristen und Medizinern.
  • Das höhere und akademische Bildungswesen hatte im Gefolge der Reformation einen Rückschlag erlitten. Kloster- und Domschulen waren mit der Einziehung der Kirchengüter aufgelöst worden, die Universitäten verödeten. Die Pfarren mussten mit ungebildeten Leuten besetzt werden. Dazu kam in den unruhigen Zeiten der Bauernkriege auch die Auflösung der städtischen Schulen.
  • Hier griff Luther 1524 mit dem Schreiben "An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen" ein. Für den gelehrten Nachwuchs seien die alten Sprachen, Geschichte und Mathematik unumgänglich. Das war der Ansatz den Humanismus in der neue Fassung fortzuführen.
Indem Luther die weltliche Obrigkeit zur Schulgründung und zum Schulzwang aufrief, bahnte er die Schulhoheit des Staates an. Die Schulen wurden jetzt zu einer weltlichen Einrichtung, wenngleich sich die Evangelische Kirche noch lange die Leitung und Aufsicht vorbehielt.

1.2 Evangelische Pädagogen    

In der Folge beeinflussen entscheidend Persönlichkeiten Entwicklungen im Bildungsbereich.

1.2.1 Philipp Melanchthon    

Der aus der Pfalz stammende Philipp Melanchthon wurde der Organisator der höheren Schulen, des akademischen Schulwesens und der Universitäten.

  • Humanistisch gebildet war er der Verfasser zahlreicher Lehrbücher und philosophischer und theologischer Schriften.
  • In der "Confessio Augustana", die 1530 auf dem Reichstag von Augsburg vorgelegt wurde, schuf er die Grundlage des evangelisch - lutherischen Bekenntnisses ("Augsburger Bekenntnis", AB).
  • Er ist auch der Verfasser der "Kursächsischen Schulordnung" (1528).
  • Er rettete den Humanismus in die neugestalteten Lateinschulen und Universitäten, nicht mit einer Wiederbelebung antiker Geisteshaltung, vielmehr in einen religiösen Endzweck, weshalb man von einem "konfessionalisierten Humanismus" spricht.
Im Mittelpunkt der Lateinschulen standen der Latein- und Religionsunterricht, sie zielten auf eine "sapiens atque eloquens pietas".

  • Gesang gehörte zum Unterricht, Realien und Mathematik hatten eine untergeordnete Stellung.
  • Auch in Österreich wurden durch die Landstände evangelische Lateinschulen in Graz, Klagenfurt, Enns, Horn und Wien errichtet. Sie glichen in der Organisation und Methode den Schulen von Melanchthon, nur dass an diesen auch Mathematik, Astronomie und Geographie gelehrt wurde. Ein Lehrer war etwa in Graz Johannes Kepler.
Melanchthon organisierte auch die Universitäten um.

  • In der artistischen (heute philosophischen) Fakultät kam trotz Luthers Einfluss die Philosophie von Aristoteles wieder zur Geltung.
  • Dominierend war die Theologische Fakultät, die auch die "reine" Lehre der Universität überwachte.
  • Die Rechtsfakultät gewann durch die Aufnahme des Römischen Rechts neue Bedeutung. Die Medizin blieb unbedeutend.
  • Die studentische Ordnung ("Zucht") war streng und eng. Am Beginn geradezu klösterlich mit Verpflichtung zum Kirchenbesuch. Der Lehrbetrieb hatte sich gegenüber früher nicht geändert, es gab keine Forschung nur Wissensübernahme.
  • Mit der Einengung auf das lutherische Bekenntnis der Landeskirche hörten gewisse Freizügigkeiten der Studierenden auf und verschwand der übernationale Charakter.
  • Organisiert wurde von Melanchthon die Universität Wittenberg (1502) und wurde Beispiel anderer evangelischer Universitäten wie für Marburg (1527) und Jena (1588).
1.2.2 Schulgründungen    

Als Folge der Abgeschlossenheit der Länder kommt es ungeachtet des Einflusses Melanchthons zu eigenen Schulorganisationen mit besonderem Gepräge von evangelischen Schulmännern.

  • Valentin Friedland, genannt "Trotzendorf" (1490 - 1556) in Goldberg (Schlesien),
  • Johannes Sturm (1507-1589) in Straßburg, der einen acht- bis zehnklassigen Bildungsgang schuf und aus dem 30 Jahre nach seinem Tod die Straßburger Universität hervor ging, sowie
  • Michael Neander (1525-1595) nahm in seiner Schule in Ilfeld (am Harz) neben Latein auch Griechisch und Hebräisch sowie die Realien auf.
1.3 Niederes Schulwesen    

Melanchthon und die anderen Organisatoren beschäftigten sich nicht mit einem muttersprachlichen Unterricht. Das geschah erst ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den von Landesfürsten erlassenen oder revidierten Schulordnungen.

  • 1559 wurde etwa die "Württembergische Kirchenordnung" mit einem Abschnitt über die "deutschen Schulen" erlassen. Hier erteilte der Küster (Kirchendiener) Unterricht im Buchstabieren, Syllabieren, Lesen und Schreiben, Religion nach dem Katechismus und Gesang (Küsterschulen).
  • Interessant die Tendenz, zum Schulmeisteramt nur moralisch und wenigstens nach Kenntnissen geeignete Personen zuzulassen.
  • Eine didaktische Eignung gab es, solange es keine Ausbildung zum Lehrer gab.
  • Die Schulordnungen unterstellten auch die bestehenden privaten Schulen ("Winkelschulen") der geistlichen und staatlichen (kommunalen oder Landes-) Behörde.
Unabhängig von der Reformation beschäftigten sich Valentin ICKELSAMER um 1500 bis 1537 mit der elementaren Methodik des Lesens und Adam RIESE um 1492 bis 1559 mit dem Rechenunterricht einschließlich des schriftlichen Rechnens.

2 Evangelische Schulen    

In Österreich übernimmt die Evangelische Kirche AB und HB im Schulwesen Mitverantwortung durch den Religionsunterricht, Schulseelsorge, Angebote der Jugendarbeit und Fortbildungsangebote für ihre Lehrenden.

Mit unterschiedlichen Trägerkonstruktionen gibt es eine Eigenverantwortung für ein evangelische Schulwesen.

Karl Ernst NIPKOW (1990, 504-507) unterscheidet drei Ausformungen,

  • die relativistisch - pluralistische Nutzung als Nische ohne Abgrenzung und besonderes Interesse am übrigen Schulsystem,
  • die dialogisch - pluralismusbezogene Nutzung in Solidarität mit der gesellschaftlichen und schulischen Vielfalt unter Berücksichtigung evangelischer Einsichten für die individuelle und gemeinschaftliche Lebensgestaltung und Bewältigung sowie
  • die abgrenzend - pluralismusbezogene Nutzung unter Abgrenzung zum staatlichen Schulsystem.
Die zweite Möglichkeit wäre wünschenswert für ein evangelisches Schulwesen, das seine schul- und religionspädagogischen Bezüge wahrnimmt.

2.1 Evangelische Schulen in Geschichte und Gegenwart    

Die Reformation beinhaltet die Forderung und Förderung von lokalen Christengemeinden getragenen Schulen und Neuanfängen im nicht - kirchlichen (staatlichen) Schulwesen.

Luther wandte sich 1524 "An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen". Nicht nur religiös - reformatorische Motive kamen zum Tragen, vielmehr auch allgemein - humanistische Traditionen.

Martin SCHREINER (1996) hat in seiner Habilitationsschrift die reformatorischen Anfänge in der Geschichte des evangelischen Schulwesens vor allem im 19. und 20. Jahrhundert nachgezeichnet. Je nach Wahrnehmung der gesamtgesellschaftlichen oder bildungspolitischen Bildungskultur im Vergleich zur christlichen Kultur werden Begründungen für die Errichtung evangelischer Schulen gegeben.

Informativ zur Geschichte und Gegenwart evangelischer Schulen gibt es

  • Publikationen, die Homepage und Fernstudienangebote des Comenius - Instituts Münster.
  • Seit 2002 bietet der Waxmann - Verlag Münster die Reihe "Schule in evangelischer Trägerschaft" an,
  • für Österreich von Interesse ist der Band 7 von H. - E. POLLITT - M. LEUTHOLD - A. PREIS (Hrsg.) (2007) "Wege und Ziele evangelischer Schulen in Österreich" als empirische Untersuchung.
Der Autor bezieht sich in der Folge auf die Untersuchung (siehe Kap. 2.3).

2.2 Aspekte aktueller Diskussion    

Wie alle Schulen in privater Trägerschaft müssen evangelische Schulen mit besonderen pädagogischen Profilen ihre schulpädagogischen Leitbilder begründen.

  • Eine Vorreiterrolle für Innovationen, schulinterne Lehrerfortbildung (SCHILF) und Schulentwicklung gehört aktuell zu einer guten Schule.
  • Die Frage einer Unterscheidung zu anderen Schulen ergibt zwingend Bildungsziele, die zur Diskussion mit säkularen und anderen konfessionellen Gesprächspartnern führt (vgl. BARON - BOHNE - HALLWIRTH - SCHREINER - SCHULZ 2000, 18-20, 21). Die zentrale Fragestellung ergibt sich in der Förderung von Persönlichkeitsbildung bzw. Entwicklung der Lernenden durch Lehrende in pädagogischen Grenzsituationen
  • Als Praxisräume ermöglichen evangelische Schulen eine volkskirchliche evangelische Ausrichtung als Lernort für die Institution Kirche.
  • Eine aktive Bejahung weltanschaulicher und religiöser Vielfalt mit eigener reflektierter Positionierung im Kontext ethisch - religiöser und politischer Bildung muss/ soll es zu einer umfassenden Lernkultur von Lernen und Lehren kommen.
  • Als Herausforderung gilt für eine konfessionsgebundene Schule der Umgang mit anderen Weltanschauungen, Konfessionen und Konfessionslosen. In der "Interkulturellen Kompetenz" und dem geltenden Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen" ist der Erkenntnisstand einer gesellschaftlichen Diversität ausgewiesen (vgl. DICHATSCHEK 2017).
2.3 Einordnung in das österreichische Bildungssystem    

Im Folgenden wird auf die empirische Erhebung von POLLITT - LEUTHOLD - PREIS (2007) eingegangen, wesentliche Fakten werden zu einer Einordnung in das österreichische Bildungssystem zusammengefasst.

2.3.1 Gesetzliche Grundlagen - Auswahl    

  • 2006 wurde vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur gemäß BGBL II Nr. 500/2003 eine Erhebung des österreichischen Schulwesens durchgeführt, in der 22 evangelische Privatschulen (6,5 Prozent der konfessionellen Privatschulen) bestehen.
  • Nach der Liste der Evangelischen Kirche kommen zur Schulstatistik des Bundesministeriums Fachschulen im Gesundheits- und Diakoniebereich sowie die Johann - Sebastian - Bach - Musikschule des Evangelischen Schulwerks AB Wien dazu, weil sie nicht der gesetzlichen Schuldefinition entsprechen.
  • Die österreichische Bundesverfassung Art 14 Abs. 6, BGBL 1 Nr. 31/2005 versteht unter einer Schule Einrichtungen,
    • in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam,
    • nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird,
    • im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinen oder allgemeinen und beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten,
    • ein umfassendes erzieherisches Ziel angestrebt wird.
Daraus folgt, dass Einzelunterricht ("häuslicher Unterricht") genauso wenig als "Schule" wie Fernunterricht zu gelten hat.

Die Privatschulfreiheit wird in Art 14 Abs. 7 mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Verleihung des Öffentlichkeitsrechts an Privatschulen festgelegt (Staatsbürgerschaft, Befähigung in gesetzlicher Weise).

Staatskirchenrechtliche Grundlage bildet das Protestantengesetz § 16 Abs. 2 Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche BGBL Nr. 182/1961.

Das Privatschulgesetz BGBL Nr. 144/1962 i.d.F. der Novellen BGBL Nr. 29/ 1972, Nr. 448/ 1994 und Nr. 75/ 2001 bildet die zentrale Norm.

2.3.2 Empirische Untersuchungsergebnisse - Kurzfassung    

In der empirischen Erhebung ergaben sich zusammenfassend folgende Ergebnisse einer Fragebogenuntersuchung an 22 evangelischen Schulen (vgl. ausführlich POLLITT - LEUHOLD - PREIS 2007, 28 - 81).

Zusammenfassend ist die allgemeine positive Beurteilung evangelischer Schulen in der typischen Diasporasituation Österreichs. Die hohe Zufriedenheit mit vorhandenen Angeboten und Leistungen dieser Schulen und Zufriedenheit fällt auf.

Die Gründe für einen Schulbesuch bzw. an diesen Schulen zu unterrichten liegen in den attraktiven pädagogischen Konzepten. Für evangelische Christen ist die religiös - evangelische Dimension der Schulen ein wichtiger Beweggrund, im Gegensatz zu Personen der Römisch - katholischen Kirche angehören. Für Lernende berufsbildender Schulen steht vor allem der Berufswunsch bei der Schulwahl im Vordergrund.

Evangelische Schulen zeichnen sich durch die Betonung der Gemeinschaftlichkeit, qualitätsorientierte Ausbildung, interessante pädagogische Konzepte und weniger durch ein spezielles evangelisches Profil aus.

Die Motivationen zum Besuch sind ebenso vielfältig wie die Anforderungen an evangelische Schulen.

Ein Anforderungsprofil an eine evangelische Schule könnte etwa so lauten:

  • fachliche Qualität der Ausbildung und das Angebot alternativer Konzepte und Lernformen,
  • Gewährleistung der Vermittlung von Gemeinschaftlichkeit,
  • der Herausforderungen der sozialen Wirklichkeit durch Praxisorientierung,
  • kreativer fächerübergreifender Unterricht und
  • Formen der Welterschließung und Ethik aufzeigen.
Es besteht kein einheitliches evangelisches Profil und kein Interesse an einem einheitlichen evangelischen Leitbild. Ablehnend wird einer Vernetzung der einzelnen Schulen und beteiligten Personen gegenüber gestanden.

Von Interesse sind die Ergebnisse der Befragung von Akteuren der Schulleitungen, Schulaufsicht (Fachinspektoren), Lehrerbildung und von Vertretern der Kirche.

  • Schulleitungen - Respekt vor der Individualität Lernender, Innovationfreude bzw. Aktualität von Traditionen, Bemühungen um Gesprächs- bzw. Konfliktkultur, Stellenwert des Religionsunterrichts, Förderung der Individualität, familiäres Schulklima, Demokratieverständnis, Qualität der Lehre bzw. Teamarbeit, ethische Haltung - christliche Werte - erfahrbare Spiritualität, Eigenheit jeder Schule, typische evangelische Komponenten (diakonische Gedanken in Projekten, neue Idee, Persönlichkeitsentwicklung, eigenverantworteter Glauben, gemeinsame Feiern von Festen, soziales Miteinander), keine Eliteschulen, keine parteipolitische Vereinnahmung - Radikalismus - religiöse Vorschriften mit Gebotscharakter
  • Leitungen der Lehrerbildung - Pluralität, angstfreies Lernen, Begleitung der Praktikanten - optimale Berufsvorbereitung, Spiritualität, Miteinander, Stärkung des Selbstwertgefühls, ethische Haltung, Multikulturalität, verpflichtender Religionsunterricht, Bildungsauftrag, Umsetzung des Schulentwicklungsprozesses, mehr Öffentlichkeitsarbeit
  • Vertreter der Kirche (OKR - SI) - Eigenverantwortung, Mündigkeit, soziales Miteinander, Schulklima, schülerzentrierte Lehrende, kritische mitgestaltende Eltern, multikulturelle multireligiöse Ansätze, alternative pädagogische Ansätze, geschlechtssensible Pädagogik, evangelisches Menschenbild, Glaube und Bildung, Pflege von christlichen Werten, Umgang mit der Bibel, evangelisches Geschichtsbewusstsein, Entwicklungsprozess eines Schulprofils.
3 Evangelische Hochschulbildung    

Die zwei Institutionen der Hochschulbildung in Österreich werden in der Folge vorgestellt.

3.1 Kirchlich Pädagogische Hochschule Wien/Krems    

Die Kirchlich Pädagogische Hochschule (KPH) Wien/ Krems ist Österreichs größte Private Pädagogische Hochschule mit sieben Standorten in Wien und Niederösterreich.

Das gemeinsame Konzept der Erstausbildung, Fort- und Weiterbildung soll Lehrende in ihren pädagogischen und religionspädagogischen Berufsfeldern qualifizieren und professionalisieren. Im Sinne einer ökumenischen Perspektive fördert und lebt die KPH die Kooperation der sieben an der Hochschule vertretenen christlichen Kirchen (Katholische Kirche, Evangelische Kirch Ab und HB, Griechisch-Orientalisch? Kirche, drei Orientalisch - Orthodoxe Kirchen sowie Altkatholische Kirche) bei gleichzeitiger Wahrung der jeweiligen Identität.

Zusätzlich kooperiert die KPH in der Religionslehrer/ innenbildung und im Rahmen der Förderung interreligiöser Kompetenzen mit den Freikirchen, der islamischen Glaubensgemeinschaft, der Alevitischen Glaubensgemeinschaft, der Israelitischen Kultusgemeinde und der Buddhistischen Religionsgesellschaft.

Das breite Lehrangebot der KPH besteht aus den Lehramtsstudien für die Primar- und Sekundarstufe Allgemeinbildung, dem Bachelorstudium Elementarbildung und Kooperationen im Bereich der Religionspädagogik. Zudem bietet die KPH ein umfassendes Fort- und Weiterbildungsprogramm, mit Hochschullehrgängen bis zum Masterabschluss, Fortbildungsveranstaltungen und Begleitung bei Schulentwicklungsprozessen.

Die KPH hat mit Stand 2020 rund 2500 Studierende in der Erstausbildung und 1000 Studierende in Weiterbildungslehrgängen.

IT-Hinweis?: https://www.kphvie.ac.at (5.4.20)

3.2 Evangelisch Theologische Fakultät/ Universität Wien    

Die Fakultät ist die einzige ihrer Art in Österreich.

Ihre Geschichte spiegelt das Schicksal und die Geschichte des Protestantismus in den ehemaligen habsburgischen Landen und im Gebiet des heutigen Österreich wider.

  • 1819 Dekret der Studienhofkommission zur Gründung einer Evangelisch - Theologischen Lehranstalt
  • 1922 eigenständige Fakultät im Universitätsverband Wien
Die Fakultät hat deshalb die besondere Verantwortung und Pflicht, in Österreich das Gesamtgebiet der Theologie aus protestantischer Kultur- und Wissenschaftstradition in Forschung und Lehre zu vertreten sowie die historische Erinnerung an die eigene protestantische Tradition wachzuhalten.

Die Fakultät weiß sich folgenden Grundsätzen und Zielen in Forschung und Lehre verbunden.

  • Dem Prinzip der evangelischen Freiheit und den humanen Freiheitspostulaten, insbesondere der Freiheit in Forschung und Lehre und der Freiheit der Lehrenden und dem Respekt vor ihnen,
  • der Verantwortung für eine humane Gesellschaft,
  • der Achtung vor der Überzeugung der Anderen, dem Prinzip des Dialogs und der Meinungsvielfalt,
  • der Achtung vor der Würde des Menschen, insbesondere der Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie von Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft und die Integration behinderter Menschen,
  • die Fakultät legt als Teil einer religiösen Minderheit in Österreich und vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte besonderes Augenmerk auf die Anliegen und die Achtung von anderen religiösen und gesellschaftlichen Minoritäten.
Institute

Alttestamentliche Wissenschaft und Biblische Archäologie

Neutestamentliche Wissenschaft

Kirchengeschichte, Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst

Systematische Theologie und Religionswissenschaft

Praktische Theologie und Religionspsychologie

Religionspädagogik

IT-Hinweis?:

http://www.univie.ac.at (5.4.20)

4 Evangelische Erwachsenenbildung    

4.1 Herausforderungen    

Erwachsenenbildung und Erwachsenenpädagogik stellt Theorie und Praxis vor besondere und andere Herausforderungen (vgl. DICHATSCHEK 2018, bes. 2-15).

  • Die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden ist eine Beziehung zwischen Mündigen. Es gibt keine Erziehung, die Klientel sind Teilnehmende.
  • Es geht um Bildung, Qualifikationen und den Erwerb von Kompetenzen (Erwachsenenpädagogik).
  • Die Organisation ist pluralistisch, es geht um das Bestehen am Bildungsmarkt (Bildungsmanagement).
  • Den gesetzlichen Rahmen regelt der Staat.
  • In rechtlicher Hinsicht ist Kirche mit ihrem Angebot der Erwachsenenbildung ein Anbieter unter vielen. Es gibt Konkurrenz auf dem Bildungsmarkt.
4.2 Aufgabenstellungen    

Für die Evangelische Kirche - eine auf Mündigkeit aller Gläubigen aufbauende reformatorische Kirche - ergeben sich zudem drei besondere Aufgabenstellungen.

  • Theologie bzw. Religionspädagogik fördert religiöses Wissen mit Haltung und fordert Handlung.
  • Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft fördert Kern- und Lehrprozesse und fordert Mündigkeit und Engagement.
  • Der Bildungsmarkt fördert Bildungsangebote und fordert Konkurrenz.
In dem interdisziplinären Fachbereich von Theologie, Erziehungswissenschaft und Bildungsmanagement geht es um

  • die Herausforderung der jeweiligen Situation (Situationsanalyse),
  • die Darstellung veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen (Gesellschaftsanalyse),
  • den sich ändernden Wirtschaftsrahmen (Wirtschaftsanalyse)und
  • Ziele und Zielkonflikte im Verhältnis der drei Fachbereiche (Lernzielanalyse).
4.3 Fragestellungen    

Gefordert sind Fragestellungen nach einer theoretischen Abklärung der Aspekte des Bildungsmanagements und der Lerntheorien,

Ein wichtiges Ergebnis ist die Erfahrung, dass der Erwachsenenbildung in Zukunft höhere Bedeutung beizumessen sein wird.

  • In der Zukunft einer Volkskirche unter Bedingungen der Globalisierung, der Trans- bzw. Interkulturalität, der Transreligiosität und der Forderung nach lebensbegleitendem Lernen in einer Wissensgesellschaft wird die öffentliche Schnittstelle zwischen Kirche und Gesellschaft zunehmende Bedeutung erhalten (vgl. SCHRÖER 2004, 10).
  • Nicht umsonst wird bedeutungsvoll von der Notwendigkeit einer "kulturellen Diakonie" gesprochen (vgl. HUBER 1998, 295).
  • Die Frage der Professionalisierung Lehrender und Qualifizierung Lernender bleibt offen, insbesondere in einem Diasporagebiet (vgl. WITTPOTH 2006, 197-210; IT - Autorenbeitrag in diesem Netzwerk zum Freiwilligenmanagement).
4.4 Rechtsformen    

Evangelische Erwachsenenbildung ist neben den Volkshochschulen, Bildungsträgern der Sozialpartner (LFI, WIFI, bfi), der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung und Katholischen Erwachsenenbildung ein Bestandteil des quartären Bildungsbereiches.

In Österreich betrifft dies

  • die Evangelischen Bildungswerke, zusammengefasst in der "Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke Österreich/ AEBW" als Mitglied im "Ring Österreichischer Bildungswerke",
  • die Evangelischen Hochschulgemeinden (EHG),
  • die Militär-/ Polizeiseelsorge und
  • die Evangelischen Akademie Wien.
IT-Hinweise?

http://www.aebw.at (9.4.20)

https://www.ehg-online.at ( 9.4.20)

5 Literaturverzeichnis Konfessionelle Bildung    

Baron R. - Bohne J. - Hallwirth U. - Schreiner M. - Schulz J.(2000): Positionspapier Bildung und Erziehung in christlicher Verantwortung, Nürnberg: Evangelische Schulstiftung in Bayern

Blömeke S. - Bohl Th. - Haag L. - Lang - Wojtasik Gr. - Sacher W.(Hrsg.) (2009): Handbuch Schule. Theorie -Organisation - Entwicklung, Bad Heilbrunn

Dichatschek G. (2017): Interkulturalität. Ein Beitrag zur Theorie, Bildung und Handlungsfeldern im Kontext von Interkultureller Öffnung und Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2018): Theorie und Praxis Evangelischer Erwachsenenbildung bzw. Weiterbildung und Religionslehrerausbildung in Österreich - Politische Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2019): Lehre an der Hochschule. Ein Beitrag zu Dimensionen der Lehre, Lehrer(innenbildung), Fort- bzw. Weiterbildung Lehrender und Hochschuldidaktik, Saarbrücken

Hörburger Fr.(1967): Geschichte der Erziehung und des Unterrichts, Wien - München

Huber W. (1998): Kirche in der Zeitenwende - Gesellschaftlicher Wandel und Erneuerung in der Kirche, Gütersloh

Nipkow K.A. (1990): Bildung als Lebensbegleitung und Erneuerung, Gütersloh

Pollitt H. - E. - Leuthold M. - Preis A. (Hrsg.) (2007): Wege und Ziele evangelischer Schulen in Österreich, Münster -New York - München - Berlin

Schreiner M.(1996): Im Spielraum der Freiheit. Evangelische Schulen als Lernorte christlicher Weltverantwortung, Göttingen

Schröder B. (2012): Religionspädagogik, Tübingen

Schröer A. (2004): Change Management pädagogischer Institutionen. Wandlungsprozesse in Einrichtungen Evangelischer Erwachsenenbildung, Opladen

Seiverth A. (Hrsg.) (2002): Re - Visionen Evangelischer Erwachsenenbildung. Am Menschen orientiert. Bielefeld

Wittpoth J. (2006): Einführung in die Erwachsenenbildung, Opladen & Farmington Hills

Teil II Nachhaltige Bildung    

2. 1 Einleitung    

Die Perspektive einer Bildung als Lebensbegleitung und Innovation betrifft den Einzelnen in seiner Biographie und die Gesellschaft in ihrer Gestaltungsfähigkeit und Veränderung (vgl. NIPKOW 1998, 1).

Ausgehend von dieser These bedarf es einleitend zunächst einer Unterscheidung von Pluralismus und Pluralität sowie in der Folge einer Darstellung von Bildung für Nachhaltige Entwicklung.

  • Pluralität meint eine Vielfalt von Phänomenen,
  • Pluralismus bestimmte Fassungen wie politischer-, Werte-, weltanschaulicher- und kulturell - religiöser Pluralismus als Vielfalt einer Zeiterscheinung.
Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) bedeutet ein Lern- und Handlungsfeld, zu dem sich die UN - Mitgliedsstaaten 1992 in der Rio - Konferenz in ihren Bildungssystemen bekannten. 2005 bis 2014 wurde die Weltdekade der BNE ausgerufen (vgl. MEISCH 2014).

  • Der Wandel zu einer nachhaltigen Welt erfordert ein Umdenken auf unterschiedlichen Ebenen.
  • Benötigt werden globale politische Vereinbarungen über eine gerechtere Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen und eine Ermöglichung von Lebenschancen.
  • Veränderungen beginnen schon im Kleinen im Alltag des Einzelnen. Bildungsorte können mit einem Umdenken beginnen.
  • Themen sind vielfältig, etwa Armut - Migration - Ökologie - Ökonomie - Klimaschutz - Energiewende - Gerechtigkeit -Frieden.
  • Formate einer Lehre können Service - Veranstaltungen, virtuelle Lehrwerkstätten und Dokumentationen von Fallbespielen und Projekten sein.
  • Als Lernformen bieten sich discovery learning, colloborative learning, problem - based learning, disciplinary learning, interdisciplinary learning, stakeholder social learning und systems thinking - based learning an.
Der Beitrag beschäftigt sich mit

  • dem Element von Bildung in einer pluralen Gesellschaft im Sinne einer BNE und
  • versteht sich auch als Teilbeitrag zur Politischen Bildung und Erwachsenenpädagogik.
  • Behandelt werden Merkmale des politischen Pluralismus, die Liberalität in der pluralen Gesellschaft, Krisen und als Teilgebiet der Politischen Bildung die Friedenspädagogik sowie eine Reflexion nachhaltiger Bildung nach der Coronakrise.
2. 2 Merkmale des politischen Pluralismus    

Es ist sinnvoll, den Kontext zur Politischen Bildung mit ihrer Bezugswissenschaft Politikwissenschaft zum Pluralismusbegriff mit Hans KREMENDAHL (1977) in Erinnerung zu rufen (vgl. NIPKOW 1998, 39-44). Schon vor Jahrzehnten ist seine Position heute noch aktuell, wenn er zu Totalentwürfen und einer Idealgesellschaft Stellung nimmt und eine Prüfung auf Realisierbarkeit, Kosten und Nutzen verlangt (vgl. KREMENDAHL 1977, 431).

Aktuell sind ebenso die Intentionen der Politischen Bildung von HUFER (2016, 83-95) für die Erwachsenenbildung.

Das Pluralismusbild von Österreich ist heute ein anderes, hat andere Problembereiche. Dies zeigt sich im Bildungsbereich an der Forderung von ethischer Erziehung ("Werteerziehung"), an der Zurückhaltung einer Umsetzung im Bereich Politischer Bildung in den einzelnen Bildungsbereichen. Zu würdigen sind die Impulse einer Politischen Bildung in den Volkshochschulen, der Autor ist mit Themenbereichen in der Volkshochschule Salzburg (2012-2019) vertreten.

Von Interesse sind die vier Kerntheoreme mit ihren Folgerungen für eine politische Bildungsbegrifflichkeit (vgl. KREMENDAHL 1977, 444-463).

  • Legitime Vielfalt - sinnvoll sind verschiedene Antworten ohne ein politisches Monopol, Pluralismus als Merkmal einer freiheitlichen Demokratie, nicht wertfrei, verfassungsrechtlich und international heute abgesichert, mit grundlegenden Gemeinsamkeiten entfaltet und inhaltlich mit gemeinsamen Überzeugungen auszustatten von der Gesellschaft mit ihren legitimierten politischen Akteuren.
  • Regulative Idee des Gemeinwohls - als Begriff zu verstehen als Selbstbeschränkung mit Grenzen, wo man auf Kosten des Zusammenhalts der Gesamtgesellschaft stößt, also der Notwendigkeit die Gesellschaft funktionsfähig zu erhalten, zu ordnen und Entscheidungen zu ermöglichen; die Verantwortung des Staates wird erweitert mit Eingriffen als Sozial- und Kulturstaat in die Sozialvorsorge, Gesundheit, Bildung und Wirtschaft zur Sicherstellung von Grundbedürfnissen. Der Staat verfolgt damit das Prinzip der Chancengleichheit, ethisch im bedeutenden Prinzip der Gerechtigkeit.
  • Konsens und Konflikt - der Druck der Probleme zeigt sich beispielhaft in den ökologischen (Umwelt), sozialen (Arbeitslosigkeit), interkulturellen (Ausländerfeindlichkeit) und ökonomischen (Grundversorgung) Bereichen; zentral geht es um die Anerkennung des Rechtsstaates und den humanen Umgang mit Streit und Konflikt im demokratischen Diskurs, für den Bildungsbereich als erwachsenenpädagogischen Auftrag Demokratieerziehung und Ethik zu unterstützen.
  • Konkurrenztheorie der Demokratie - es bedarf einer Vielfalt konkurrierender Lebensauffassungen und politischer Optionen mit der Begründung eines "allgemeinen Willens", politische Akteure berufen sich auf den Mehrheitswillen der Bevölkerung; negativ und ruinös ist für den politischen Pluralismus, wenn der Staat als Spielball privater und gruppenbezogener Interessen erscheint und möglicherweise durch self fulfilling prophecy zur Misere beiträgt, die man überwinden will und Pluralismus einschränkt(vgl. NIPKOW 1998, 43-44).
2.3 Liberalität in der pluralen Gesellschaft    

Mit dem Ende der Monarchie 1918 in Österreich kam es zur staatsrechtlichen (Gründung der Ersten Republik 1918 - 1938) und verfassungsrechtlichen Diskussion (Bundesverfassung 1920 und Novelle 1929) und zur Bezeichnung staatlicher Erscheinungsformen und rechtssetzender Ordnungsfunktionen mit einer Gewaltenteilung Gesetzgebung - Verwaltung - Gerichtsbarkeit.

Mit den Erscheinungsformen einer Untergrabung rechtssetzender Ordnungsfunktionen (Auflösung des Parlaments, Brand des Justizpalastes, Bewaffnung von Parteigarden) wurde dem "Anschluss 1938" und einer Übernahme des Nationalsozialismus Vorschub geleistet.

Die Pluralismustheorie nach 1945 mit der Absage eines Totalitarismus, dem

  • Wiederaufbau staatlicher Strukturen, des Parlamentarismus, der Wirtschaft, dem Bildungswesen, Verkehrswesen, Sozialsystem und der Wiedererlangung staatlicher Unabhängigkeit 1955 mit dem Staatsvertrag, Neutralitätserklärung und dem Beitritt zur UNO und dem Europarat,
  • zur Bewährungsprobe des politischen Pluralismus in den sechziger Jahren kam es zur Ablösung der Großen Koalition mit einer Alleinregierung,
  • großräumiger Pluralismuskritik mit Reformbestrebungen in den siebziger Jahren und
  • in der Folge den Vorwürfen einer Normenschwäche, erkennbarer Verluste des Gemeinsinns und Erscheinungen einer Ohnmacht des Staates in den achtziger und neunziger Jahren.
Für die pädagogischen Aufgaben ergab sich in der "realistischen Wende" um 1970 nicht nur ein Paradigmenwechsel, vielmehr eine Herausforderung in der Erweiterung der Aufgabenfelder, beispielhaft für das Vorwissen in der Erwachsenenbildung die Lehrplanreformen - Schulorganisation - Universitätsorganisation und Reform und Etablierung der Erwachsenenbildung im tertiären und hauptsächlich quartären Bildungsbereich (vgl. WAHL 2020).

Eine offenere Gesellschaft durch zunehmende Wanderungswellen, notwendige Integrationsbemühungen und permanente Internationalisierung bzw. Globalisierung weist auf Schwächen des Pluralismus und gesamtgesellschaftlicher Normen hin. Es bedarf einer Wiedergewinnung politischer und pädagogischer Autorität.

  • Die vermissten Normen weisen auf Defizite kollektiver Werte hin. Es geht um eine Ausbeutung des Sozialstaates, Phänomene einer Entsolidarisierung, des Egozentrismus und die Frage des Gemeinsinns.
  • Gemeinsinn meint ein persönliches und zivilgesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein mit Mitverantwortung.
  • Gemeinschaftsbildung bedarf einer Legitimation, Repräsentation, Institutionalisierung, Konfliktregulierung und Konsensbildung. Benötigt wird eine kollektive Identität mit einem zeitgemäßen Weltbild. Die angesprochene Krise kann nur durch externe Kräfte angegangen werden.
  • Sicherheit kommt durch die verfassungsgemäßen Grundrechte und Grundwerte. Eine Schwäche des Staates ist auch eine Schwäche des Pluralismus. So ist auch die Sehnsucht nach einem starken Staat zu verstehen. Partikulare Interessen werden zunächst als Verwirrung angesehen.
Die pädagogische Aufgabe stellt sich im Bildungssystem demnach in der Erwachsenenpädagogik.

Es versteht sich,

  • dass es der Optimierung der Fachdidaktik und einer professionelle Ausbildung mit Angeboten der Fort- und Weiterbildung bedarf (vgl. DICHATSCHEK 2018).
  • Bildungspluralismus hat die Grundlage in der Funktion eines politischen Pluralismus.
2.4 Krisen des Pluralismus    

Wenn der demokratische Verfassungsstaat gering geschätzt wird, soll ein Staat für seine Stärke notwendige Sehnsüchte, Gefühle eines Engagements und Leidenschaften stabilisieren können (vgl. WEIDENFELD - RUMBERG 1997, 5-11).

Nur an historischen Höhepunkten lehrt die Geschichte ein vorbildliches Bekenntnis zu einem demokratischen Gemeinwesen, man denke beispielhaft an die Gründung der USA 1776 und den Zusammenbrauch des Staatssozialismus 1990 mit der deutsch - deutschen Einigung als Beginn historischer Entwicklungen.

Nach Walter ZIMMERLI (1992, 109) wird Denkmustern nachgegangen, die sich hinter verlorenen Feindbildern verbergen.

  • Es könnte sein, dass die Vorzüge der Marktwirtschaft über die Planwirtschaft und des Pluralismus über den Monismus letztlich nur ein Pyrrhussieg sind.
  • Die Definition des Eigenen durch die Abgrenzung von Anderen auf allen Ebenen - auch ökonomisch, ethisch, pädagogisch, interkulturell und interreligiös - kann den Pluralismus als Problem ausweisen. Die Brisanz der eigenen Identität und Andersheit kann zum Feindesverlust und die Sorge um globale Gleichgewichtstörungen führen (vgl. NIPKOW 1998, 35; in der Interkulturalität den "Other" als Gegenpol der eigenen Identität bzw. gesellschaftliche Konkurrenz).
  • Jenseits den Freund - Feind - Denkens stehen wir vor der Aufgabe in Politik und Bildung in einem sich bildenden Europa positive Bestimmungen zu geben, die in einem Pluralismus die eigene Identität nicht mehr zu bestimmen erlaubt, dass wir nicht der Andere bzw. die Anderen sind. Damit wäre es nicht mehr nötig, den Pluralismus durch abgrenzende Stärke zu schwächen.
2.5 Friedenspädagogik in der Politischen Bildung    

Rechtsfriede und soziale Gerechtigkeit sind nicht identisch, soziale Ungerechtigkeit ist nicht durch Rechtsstaatlichkeit abgeschafft. Menschenrechte werden nicht durch Bürgerrechte gewahrt, man denke nur an den Ausschluss von Migranten (vgl. NIPKOW 1998, 247-248).

Zwei historische Problemfelder verdeutlichen die Begründung eines neuen Ansatzes in den siebziger Jahren in Erziehung und Unterricht zur Friedensfähigkeit.

  • In den USA verbürgt die "Constitution" in den "Bill of Rights" auch den Schwarzen unveräußerbare Rechten als Menschen von Gott geschaffen. Real blieben ihnen aber konkrete Rechte versagt.
  • In der Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King kam es erst 1964 im "Civil Rights Act" zur Beendigung der Rassendiskriminierung. Es bedurfte einer gewaltfreien Widerstands- und Protestbewegung. In den Südstaaten mussten die Behörden erst gezwungen werden.
Im deutschsprachigen Raum (D, AT) entstand in den siebziger Jahren die "kritische Friedensforschung" mit einer kritischen Friedenserziehung. Dieter SENGHAAS (1971) und Christoph WULF (1973) dokumentierten Themen und Handlungsmöglichkeiten. Ein erweiterter Gewaltbegriff folgte von Johan GALTUNG (1975, 12) mit der sog. "strukturellen oder indirekten Gewalt". Damit sollte die Gewaltstruktur in allen Gesellschaftssystemen analysiert werden(vgl. den IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Gewalt und Religion).

Die Erziehung zur Friedensfähigkeit hatte den gesellschaftlichen Rahmen der Friedlosigkeit zu berücksichtigen (vgl. den Paradigmenwechsel von der Pädagogik zur Erziehungswissenschaft und in der Folge zur Pädagogischen Soziologie). Es drohte eine gesellschaftskritische Analyse an den Lernenden vorbeizugehen. In Österreich wurde mit der Etablierung der Friedensforschung an der Universität Klagenfurt ein Schritt zur universitären Lehre und Forschung gesetzt (vgl. den IT - Autorenbeitrag Friedenslernen).

Friedenserziehung darf nicht nur kognitiv und affektiv verstanden werden, es bedarf bei den Adressaten einer Entwicklung von Handlungsdispositionen (vgl. WULF 1974, 219). Damit waren etwa Projekte gemeint und möglich.

Der Fachdidaktik war es bewusst, dass Unterricht bzw. Lehre nicht mit Politik identisch ist. Es bedurfte einer Vielfalt von Denkstrukturen.

Friedenspädagogische Strömungen sprengten die Möglichkeiten von Pädagogik, man denke an die "neuen sozialen Bewegungen" wie die Kernkraftbewegung, Umweltbewegung und feministische Bewegung. Die Friedensbewegung suchte gezielt die Erwachsenen.

  • Es gab Widerstände, insbesondere die politische Apathie (vgl. WULF 1974, 219).
  • Die Erwachsenen waren hauptsächlich durch die Studentenbewegungen repräsentiert.
Mitte der siebziger Jahre beginnt mit KOHLBERG (1974) zur Entwicklung des moralischen Urteils eine Korrektur. Insgesamt wird in der Folge auch die Thematik "politische Sozialisation" ein Bezug zur Bildung und ethischen Erziehung. Damit bekommen die Wahrnehmungs- und Urteilsstrukturen ihre Bedeutung. Erwachsene und Erziehungs- und Bildungsziele sind als Teilnehmende zu behandeln. Lernschritte und Bildungsprozesse bestimmen den unterrichtlichen Diskurs. Von Interesse für die Erwachsenenpädagogik ist jene Generation, die kaum oder gar nicht in der Schule politisches Lernen erlebt.

Mit der unterschiedlichen Handhabung eines "politischen Lernens" und einer fehlenden Lehrerbildung als eigene Fachdisziplin "Politische Bildung" fehlte auch der Friedenspädagogik die Basis.

In Österreich etablierten sich langsam Themenbereiche in der Erwachsenenpädagogik als "Politische Erwachsenenbildung". Universitär werden in der Folge Universitätslehrgänge angeboten (ohne die Thematik "Didaktik").

2.6 Reflexion - Nachhaltige Bildung nach der Coronakrise    

Für die Zeit nach der Coronakrise (Stand 2020) ergibt sich auf Grund der Analyse bestehender gesellschaftlicher Ungleichheiten der verstärkte Umgang mit der Vielfalt und den Folgerungen einer notwendigen Inklusion als Prozess, gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen zu fördern, zu unterstützen und alle Formen von Diskriminierung zu verhindern (vgl. HEIMLICH - KIEL 2019).

Ziel kann nur

  • der Abbau von Exklusion im sozioökonomischen Bereich, schichtenspezifischen Benachteiligungen, Ausgrenzungen und
  • eine Erweiterung von Bildungsmöglichkeiten sein.
Bildungspolitik ist auch Sozialpolitik.

  • Es zeigt sich ein starker Anwendungsbereich in den Auswirkungen und der Unterrichtswirklichkeit.
  • Die Themen sind Mehrsprachigkeit, Deutsch als Zweitsprache, Interkulturalität, Vielfalt, Individualisierung und Digitalisierung.
Den Kern einer Inklusionspädagogik bilden Lernende in ihrer Persönlichkeit, Lerngeschichte, altersspezifischen Entwicklungen, Geschlechtsrollen, Aufwachsensbedingungen und Sozialisation mit Umgangsformen, Zukunfts- und Wertvorstellungen sowie Kultur verstärkt zu beachten. In der EU gibt es Beispiele dafür.

Österreich befindet sich im Anfangsstadium, die Chance bietet sich aktuell in Aktivtäten wie in einer Bildungsentwicklung, Demokratiebildung, rechtebasierten Bildung, gewaltfreien Kommunikation, ethischer Bildung, kooperativen und erfahrungsgestützten Lernformen.

Wesentlich sind die Prinzipien "Leistungs- und Sozialprinzip" mit dem Abbau institutioneller Diskriminierung, Unterstützung von Lernen und Teilhabe an Lernplanung, der Sozialraum, das Gemeinwesen und eine Unterstützung von Vielfalt durch die Bildungsgemeinschaft in der Erwachsenenpädagogik.

2.7 Literaturverzeichnis Nachhaltige Bildung    

Dichatschek G. (2017a): Didaktik der Politischen Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder der Fachdidaktik der Politischen Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2017b): Interkulturalität. Theorie, Bildung und Handlungsfelder im Kontext Interkultureller Öffnung und Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2018): Lernkulturen der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung. Theorie, Praxis und handlungsspezifische Herausforderungen im Kontext mit Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2019): Lehre an der Hochschule. Dimensionen der Lehre, Lehrer(innen)bildung, Fort- bzw. Weiterbildung Lehrender und Hochschuldidaktik, Saarbrücken

Galtung J. (1975): Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens-und Konfliktforschung, Reinbek

Heimlich U. - Kiel E. (Hrsg.)(2019): Studienbuch Inklusion, Bad Heilbrunn

Hufer Kl. - P. (2016): Politische Erwachsenenbildung. Plädoyer für eine vernachlässigte Disziplin, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 1787, Bonn

Kremendahl H. (1977): Pluralismustheorie in Deutschland. Entstehung. Kritik. Perspektiven, Leverkusen

Meisch S. (2014): Bildung für Nachhaltige Entwicklung, Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik, Bd. 10/1, Tübingen

Nipkow K.E. (1998): Bildung in einer pluralen Welt, Gütersloh

Oberreuter H. (Hrsg.)(1980): Pluralismus. Grundlagen und Diskussion, Opladen

Senghaas D. (Hrsg.) (1971): Kritische Friedensforschung, Frankfurt/M.

Wahl D. (2020): Wirkungsvoll unterrichten in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung. Von der Organisation der Vorkenntnisse bis zur Anbahnung professionellen Handelns, Bad Hellbrunn

Weidenfeld W. - Rumberg D. (Hrsg.) (1997): Orientierungsverlust - Zur Bindungskrise der modernen Gesellschaft, Gütersloh

Wulf Chr. (Hrsg.) (1973/1982): Kritische Friedenserziehung, Frankfurt/ M.

Zimmerli W. Ch. (1992): Ohne Feindbild? Zur Kritik der polit - ökonomischen Vernunft in einer technologischen Zivilisation, in: Röttgers K.(Hrsg.): Politik und Kultur nach der Aufklärung, Basel, 108-131

Teil III Bildungsmanagement    

Teil 1 Allgemeine Bemerkungen    

Einführung    

Bildungsorganisationen sind von Entwicklungsaufgaben betroffen, weil sie Bildungsleistungen anspruchsgrupppengerecht anzubieten und zu entwickeln haben. Die verschiedenen Bildungsbereiche, insbesondere Schulen, betriebliche Ausbildungsstätten, Hochschulen, Weiterbildungseinrichtungen und die verschiedenen Einrichtungen der Erwachsenenbildung haben auf die Veränderungen einzugehen.

Lehrende und Lernende sind Akteure in Bildungsprozessen und sollen erfolgreich agieren können.

Bildungsmanagement hat auf diese Herausforderungen und den Wandel zu reagieren. Als junger Zweig im Bildungsgeschehen ergeben sich Aufgaben in der Gestaltung von Lernprozessen, auf der organisatorischen Ebene und in der Professionalisierung der Lehrenden und Verwaltenden.

Bildung zu vermitteln versteht sich, Bildungsprozesse als Dienstleistung anzubieten. Dieser Paradigmenwechsel im Verständnis schafft eine Verbindung von pädagogischen und ökonomischen Konzepten.

Beide Rationalitäten sollten ausbalanciert werden und gangbare Lösungen ergeben. Reflexion ist notwendig, um bewusst und kritisch Gestaltungslösungen zu entwickeln. Ein proaktives Bildungsmanagement mit dem Aufgreifen zukünftiger Probleme und dem Aufbau von Erfolgspotenzialen ist Ziel der Bemühungen.

Das folgende Fallbeispiel unterstreicht die Bedeutung einer kleinen Bildungsinstitution in der Allgemeinen Erwachsenenbildung, initiiert aus der Teilnahme an Tagungen und Weiterbildungslehrgängen des Autors.

  • Im Jahre 2004 wurde der Autor anlässlich der Reaktivierung des „Evangelischen Bildungswerks in Tirol/ EBiT" in den Vorstand gewählt und nahm bis Ende 2009 bzw. von 2017 bis 2019 die stellvertretende Leitung eines kirchlichen Bildungswerks ein, das das Bundesland Tirol mit sieben Evangelischen Pfarrgemeinden umfasst und ausschließlich auf Ehrenamtlichkeit/ Freiwilligkeit beruht. Ab 2010 gehört er als Beirat dem Vorstand des EBiT an.
  • Der 10. Universitätslehrgang „Politische Bildung" der Universität Salzburg (2006-2008) und die Auseinandersetzung mit Erwachsenen- bzw. Weiterbildung' im Rahmen des Lehrauftrages am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft der Universität Wien für den Fachbereich „Vorberufliche Bildung“ (1990-2011) sowie die Absolvierung der Weiterbildungsakademie Österreich (2010) sind Anlass, sich mit einer ehrenamtlichen Berufsrolle im EBiT intensiver auseinanderzusetzen.
  • Ziel dieser Fallstudie im Rahmen der Ausbildung in Erwachsenenbildung/ Bildungsmanagement in der Weiterbildungsakademie Österreich ist es, die persönliche Führungsrolle und den Führungsstil im Vorstand des EBiT zu hinterfragen. Von Interesse ist dabei die Ehrenamtlichkeit, die im Unterschied zum universitären Lehrauftrag in Wien bzw. Salzburg in unterschiedlicher Art und Weise in der Erwachsenenbildung eines kirchlichen Bildungswerks den Autor beschäftigt.
  • Die Fallstudie zeigt in verschiedenen Schritten auf, welche Bedürfnisse ehrenamtliche Mitarbeitende haben und wie diese durch Leitungs-, Struktur- und Organisationsmaßnahmen in einem kleinen Bildungswerk mit bescheidenen materiellen und personellen Ressourcen angemessen abgedeckt werden sollen.
Die reflexive Auseinandersetzung, insbesondere bezogen auf die eigene Rollengestaltung, bildet einen Bestandteil dieser Fallstudie, wobei die Durchführung und Auswertung von Mitarbeitergesprächen Hinweise auf die professionelle Gestaltung der Führungsrolle von Sozialmanagern gibt.

1 Gestaltungsfelder    

Bildungsmanagement umfasst ein Gestaltungsfeld des Managements

  • der einzelnen Bildungsbereiche,
  • deren Dienstleistungen und
  • der Bildungsprozesse (vgl. SEUFERT 2013, 1).
Damit sind die Erscheinungsformen von Bildung, Herausforderungen, ihre Bedeutung und die Handlungsfelder mit ihren Zusammenhängen angesprochen. Bildungsangebote unterliegen zunehmend einem Wettbewerbs- und Legitimationsdruck. Damit ist die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung gegeben.

Als relativ neues Themengebiet hat sich die Thematik erst in den neunziger Jahren rasch entwickelt, wobei einige Autoren eine eigenständige Disziplin sehen (vgl. GESSLER 2009, 14). Häufig wird allerdings der Themenbereich sektorenübergreifend definiert. Fallbeispiele weisen auf diese Besonderheit hin (vgl. sektorenspezifisch etwa die Bereiche Schule, Hochschule und Weiterbildung bzw. Erwachsenenbildung).

Bildungsmanagement steht für eine Verbindung von Erziehungswissenschaft und Managementwissenschaft (vgl. den IT -Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Erziehungswissenschaft; Managementwissenschaften/ TU Wien > https://www.imw.tuwien.ac.at/DE/ [17.7.2019]).

Daraus ergibt sich das Gestaltungsfeld in der

  • Makroebene mit dem Management der Bildungsorganisation,
  • Mesoebene mit dem Management von Bildungsprogrammen und
  • der Mikroebene mit der Didaktik.
Nicht zu übersehen sind die einzelnen Bildungsbereiche/ Bildungsstufen (Primärbereich/ Grundschule, Sekundärbereich/ Sekundarstufe I und II, tertiärer Bereich/ Fachhochschulen - Universitäten, quartärer Bereich/ Erwachsenenbildung -Weiterbildung)

Die gegenseitige Gewichtung von pädagogischen, organisatorischen und ökonomischen Zielen bildet das Spannungsfeld eines Bildungsmanagements.

2 Bildungsverständnis    

2.1. Bildungsbegriff    

Die Frage, wann jemand gebildet ist, führt zu den Ursprüngen des Bildungsbegriffes (vgl. SEUFERT 2013, 6-7).

  • Ursprünglich führt der Begriff zu Meister Eckhart (Eckhart von Hochheim[1260-1328]) und beinhaltet mit der Deutung des Menschen als Abbild Gottes eine religiöse Bedeutung.
  • Mit der Hinwendung zum Individuum kommt es zur Wende zur Pädagogik und der Zielsetzung einer menschlichen Vervollkommnung. Johann Gottlieb Fichte (1808) geht von der Harmonie zwischen Herz, Geist und Hand nach dem Vorbild von Johann Heinrich Pestalozzi aus.
  • Eine subjektive Wende erfährt der Bildungsbegriff im 19. Jahrhundert mit Wilhelm von Humboldt mit dem Bildungsziel einer Erziehung zum kritischen und selbständigen Staats- und Weltbürger. In der Folge wird Bildung in seiner Begrifflichkeit erweitert.
  • Allgemeinbildung wird zum Bildungskanon, wobei den alten Sprachen und Deutsch im Vergleich zu den Naturwissenschaften eine erhöhte Bedeutung zukommt. Es kommt zur Frage der Auseinandersetzung von klassischer und berufsbezogener Bildung.
  • Mit Wolfgang Klafki ab den sechziger Jahren entsteht das Konzept der "kategorialen Bildung". Bildung soll materiale und formale Bildung einschließen (vgl. viel Wissen-wichtiges Wissen im Kontext geistiger und körperlicher Fähigkeiten sowie einer Beherrschung bestimmter Methoden). Objektivität der Welt (Wirklichkeit) und Subjektivität der Person (Individualität) sind zu verbinden. Die Didaktik hat die Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung sowie exemplarische Bedeutung zu begründen (vgl. KLAFKI 1996, 275).
  • Mit Dieter Mertens (1974, 36-43) erhält die berufliche Bildung eine ökonomische Perspektive mit der Bedeutung von Qualifikationen und betrieblichen Anforderungen sowie eine Perspektive des Bildungssystems mit der Zielsetzung der Persönlichkeitsbildung, in der Folge der Ausstattung von Kompetenzen.
Mit dem Konzept der Schlüsselqualifikationen kommt es zu einer Annäherung des Bildungs- und Beschäftigungssystems.

Mit der "realistischen Wende" in den Erziehungswissenschaften folgt eine Hinwendung zu einem anwendungsbezogenen Bildungsbegriff (vgl. EULER - HAHN 2007, 204, 209). Fachliche und fächerübergreifende Kompetenzen werden bedeutsam. Wesentlich ist die Selbst(lern)kompetenz.

Es zeigt sich, dass im Bildungsbereich ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert eine konkurrierende Bedeutung von den Geistes- zu den Naturwissenschaften, in der Folge zu den Sozial- und zunehmend den Kulturwissenschaften stattfindet.

2.2 Kompetenzbegriff    

Mit Blick auf die Schulbildung scheint der Kompetenzbegriff einen rasante Verbreitung zu finden, wobei der Bildungsbegriff verdrängt wird. In der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung zeigt es sich, dass die Schwerpunktbildung in der Anwendung erworbener Kompetenzen und weniger zertifizierbarer Qualifikationen liegt.

Wissen ist wichtig, bildet Grundlage für eine notwendige Umsetzung.

Der Schritt vom Wissen zum Tun erfordert pädagogische Bemühungen.

Benötigt werden neben der erforderlichen Routine Flexibilität Know how und Know why.

Für eine Wissensgesellschaft wird demnach Kompetenz und Kompetenzentwicklung gefordert.

Nach ERPENBECK (2007, 35) sind Kompetenzen Handlungsfähigkeiten, selbstorganisiert, in offenen Problemsituationen, unter ungenauen bzw. nicht vorhandenen selbst zu entwickelnden Zielvorgaben.

2.3 Beispiele für einen Bildungsbegriff    

Bildungsmanagement an vier Beispielen liefert Lehr- und Lerntheorien zur Vorbereitung auf spezifische Lebenssituationen.

Wirtschaftserziehung bzw. Wirtschaftsdidaktik/ Politische Ökonomie liefern Lehr- und Lerntheorien zur Vorbereitung auf die Bewältigung sozioökonomischer Lebenssituationen.

Ebenso liefert dies Politische Bildung/Erziehung bzw. Didaktik in den sozioökonomischen und soziopolitischen Lebensbereichen (vgl. die IT - Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Wirtschaftserziehung, Politische Ökonomie, Politische Bildung; EULER - HAHN 2007, 75; DICHATSCHEK 2017).

Interkulturelle Kompetenz/ Erziehung bzw. Didaktik als zunehmend wichtiger Bildungsbereich im Alltag liefert soziokulturelle Lehr- und Lernziele (vgl. IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz).

Vorberufliche Bildung/ Erziehung bzw. Didaktik (schulisch Berufsorientierung) liefert im sozioökonomischen und soziopolitischen Lebensbereich Lehr- und Lerntheorien zur Bewältigung des Lebensalltages und künftiger Herausforderungen in der Arbeits- und Berufswelt (vgl. IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich).

3 Managementverständnis    

3.1 Begrifflichkeit    

Unter Management versteht man ein System von Aufgaben, die Gestalten, Lenken und Weiterentwickeln zweckorientiert soziotechnischer Organisationen umfasst (vgl. ULRICH 1984).

Der Begriff "Organisation" bezieht sich auch auf andere Organisationen und Institutionen wie Verwaltungen und Vereine.

Die Managementlehre unterscheidet zwei Managementbegriffe (vgl. SEUFERT 2013, 11-12).

  • "Institutionell" umfasst das Management alle Personen mit leitenden Aufgaben.
  • "Funktionell" umfasst Management alle Aufgaben einer Leitung einer Organisation in allen Bereichen einschließlich der Prozesse und Funktionen (vgl. Schulentwicklung, Qualitätsentwicklung).
3.2 Aufgabenbereich    

Managementaufgaben sind heute auf allen Ebenen notwendig geworden (vgl. RÜEGG - STÜRM 2004).

Grund ist die Auffassung, dass Mitarbeitende nicht mehr als "Anweisungsempfänger", vielmehr im Sinne von Personalentwicklungskonzepten als "Mitunternehmer" verstanden werden (vgl. WUNDERER 1999, 109-111).

Unternehmerisches Denken ist anspruchsvoller auf Grund gesellschaftlicher, technologischer, wirtschaftlicher und fachlicher Entwicklungen geworden.

Management versteht sich als proaktive Gestaltung und Steuerung in Bildungsorganisationen.

  • Es geht um antizipative Haltungen und spezifische Vorüberlegungen, Zielsetzungen und eine Gestaltung von Rahmenbedingungen.
  • Der ökonomische Mitteleinsatz ist eng verbunden mit den Ressourcen - materiell und persönlich/ fachlich - im Hinblick auf ein Erreichen der Zielsetzungen.
3.3 Kritik    

Kritisch zu hinterfragen ist die zunehmende Ökonomisierung im Bildungsbereich.

Die Kritik bezieht sich auf eng gefasste Controlling - Instrumente mit Vorgaben von Outcouming - Zielen.

Ebenfalls bezieht sich die Kritik auf gewinnzentrierte Veranstaltungen bzw. Organisationen vs. Subventionierungen, wobei die kontroverse Diskussion um öffentliche vs. private Institutionen zumeist geführt wird.

Die öffentliche Meinung geht in der Regel davon aus, Bildung sei kein Verkaufsprodukt. Bildungsinstitutionen können Leistungen anbieten, Bildungsprozesse anregen, fördern und unterstützen. Lernende eigenen sich selbständig Bildung an und setzen eigene Anstrengungen ein (vgl. MÜLLER 2009, 76).

3.4 Besonderheiten von Bildungsleistungen    

Bildungsleistungen haben einen immateriellen Wert. Potenzielle Lernende bedürfen damit vermehrter Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Unterstützung.

Sie müssen von Lernenden selbst in einem Bildungsprozess angeeignet werden. Damit gibt es eine Mitverantwortlichkeit für die Qualität und letztlich den Lernerfolg. Mitverantwortung tragen darüber hinaus die Rahmenbedingungen für einen Transfer des erworbenen Wissens und der Kompetenzen.

Bildungsleistungen sind nicht oder nur eingeschränkt zu standardisieren. Es versteht sich, dass die Diskussion um Bildungsstandards sehr kontrovers geführt wird.

Teilnehmende profitieren in der Regel aus einer Dynamik der Interaktion und einem Austausch zwischen den Beteiligten (vgl. BÖTTCHER - HOGREBE - NEUHAUS 2010, 42). Präsenzphasen, Seminare, Arbeitsgruppentreffen, Gruppen- bzw. Partnerarbeiten, mediale Diskussionsphasen, Präsentationen und allgemein interaktiv - didaktische Elemente nützen den Beteiligten.

4 Erscheinungsformen    

Als Erscheinungsformen ergeben sich alle Bildungsinstitutionen, in denen Bildungsprozesse - Lern- und Lehrprozesse - geplant, durchgeführt und evaluiert werden.

  • Bildungsprozesse in Schulen/ Grundschule - Sekundarstufe I und II - Schulentwicklung und Qualitätsvergleiche (etwa PISA, TIMSS)
  • Bildungsprozesse in Hochschulen/ Fachhochschulen-Universitäten? - Hochschulentwicklung mit gesteigerter Autonomie/ unternehmerische Initiativen (vgl. PASTERNACK - WISSEL 2010)
  • Bildungsprozesse in betrieblicher Bildung - spezifische Kompetenzen des Personals - Wandel der Wettbewerbsbedingungen und Qualifikationsanforderungen der Mitarbeitenden
  • Bildungsprozesse in der Erwachsenenbildung bzw. Weiterbildung - Organisationsentwicklung, Projektmanagement, Netzwerkarbeit, Bildungsmanagement am freien Bildungsmarkt
5 Herausforderungen    

5.1 Aspekte - Strömungen    

Gesellschaftliche Veränderungen ergeben verschiedenste Aspekte des Zusammenlebens und aktuelle Strömungen. Entsprechend werden Schwerpunkte gesetzt.

Bildungspolitische Diskussionen haben Versuche zur Folge, Erwartungen an Bildungsorganisationen in der Bildungsarbeit abzustecken wie

  • Wandel und Unsicherheiten < resultieren in Bildungskonzepten, die neue Lehr- und Lernprozesse zur Folge haben. Bildungsorganisationen sind im doppelten Sinne davon betroffen.
  • Vorbereitung der Lernenden auf zukünftige Entwicklungen < Unterstützung bei der Aneignung von entsprechenden Kompetenzen, Bildungsziele für Veränderungskompetenz
  • Selbständiges Agieren der Bildungsorganisation < zunehmender Wettbewerbs- und Legitimationsdruck
5.2 Gesellschaftliche Veränderungen - pädagogische Folgerungen    

Krieg und Frieden - Politische Bildung/ Friedenserziehung

Kulturspezifika und Interkulturalität - Interkulturelle Kompetenz, Politische Bildung

Umwelt und ökologische Fragen/Krisen - Umweltkunde

Soziale Ungleichheit und Lebensbedingungen - Sozialkunde, Politische Bildung

Neue Informations- und Kommunikationsmedien - Informatik, Medienkunde

Arbeits- und Berufswelt, Freizeit - Vorberufliche Bildung

Ökonomie und Globalisierung - Wirtschaftskunde, Politische Bildung/ Politische Ökonomie

Werteveränderung und Handlungskompetenz - Ethik, Politische Bildung, Religion

Demographischer Wandel - Altersbildung

Geschlechterrollen - Politische Bildung, Vorberufliche Bildung

5.3 Konzept des lebenslangen Lernens/ lebensbegleitenden Lernens    

Als Herausforderung für ein Bildungsmanagement gilt das "Konzept das lebenslangen Lernens/ lebensbegeitenden Lernens"/ LLL.

  • Als Konzept ist es bereits im deutschsprachigen Raum in den siebziger Jahren diskutiert worden (vgl. KNUST - HANFT 2009, 44).
  • LLL umfasst die persönliche und soziale Entwicklung in allen Formen und Lebenszusammenhängen, in allen Bildungsbereichen und in informellen Formen.
  • Modelle der Bildungserneuerung sind nötig.
  • Die Erstausbildung stellt einen Ausgangspunkt dar. Es folgen eine Fort- und ggf. Weiterbildung. Entsprechende Angebote sind in den einzelnen Bildungsinstitutionen anzubieten.
  • Konsequent hat eine Fort- und Weiterbildung der Lehrenden vorhanden zu sein (vgl. die vermehrte Bedeutung von qualifizierten berufsbegleitenden Kursen und Lehrgängen, Universitätslehrgängen und Kurzstudien).
  • Bildungsbiografien der Lernenden und Lehrenden werden vielfältiger.
  • LLL bringt das Risiko sozialer Spannungen, individueller und finanzieller Beanspruchung.
  • Das Bildungsmanagement ist gefordert, LLL kontrolliert und gezielt anzubieten.
  • Die Anforderungen sind weitreichend, etwa die Erhaltung des aktuellen Bildungsstandes, die aktuelle Mitarbeiterschulung und die Höherqualifizierung der Leitungsorgane.
6 Verbesserungen und Innovationen    

Im Folgenden geht es um kontinuierliche Verbesserungs- und Innovationsprozesse in Bildungsinstitutionen.

Vorgehensweisen, Konzepte und Prozesse für eine Qualitätsverbesserung und ein begleitendes Veränderungsmanagement dienen einer

  • Verbesserung des Bestehenden,
  • Implementierung von Neuem und
  • Begleitung von Veränderungen.
Leitfrage ist die Gestaltung.

Unterschiedliche Aspekte sind im Management der Bildungsprogramme zu beachten. Eine Optimierung erweist sich im Umgang mit Qualität in der Verbesserung von Unterricht bzw. Lehre und Qualitätsentwicklung auf der Makro-, Meso- und Mikroebene.

Eine Erneuerung im Umgang mit Innovationen von außen geprägt sollten in das bestehende System aufgenommen werden.

Ein Umgang mit Veränderungen besteht in der ständigen Verbesserung mit Veränderungsprojekten, einer Analyse von Widerständen, der Analyse und Schaffung von Akzeptanz.

6.1 Beispiele einer Optimierung und Erneuerung    

Beispiel Schule

Didaktische Leitlinie ergeben Qualitätskriterien

Veränderungen ergeben Akzeptanz bzw. Widerstände

- - -

Beispiel Hochschule

Entwicklung und Implementierung eines Masterprogrammes

begleitende Maßnahmen

Bildungsprogramm als Innovation

- - -

Beispiel Betriebliche Ausbildung

Identifikation und Initiierung einer Bildungsinnovation

Projektbeginn und Überführung in stabilen Zustand

Antizipation von Veränderungen

begleitende Maßnahmen zur Akzeptanz

- - -

Beispiel Erwachsenenbildung

Bestimmung der Qualitätskriterien mit den Anspruchsgruppen

Einbindung in die Bildungsorganisation

Identifikation der Innovation

Analyse von möglichen Veränderungen

Akzeptanz und Umsetzung

6.2 Spannungsfeld Optimierung vs. Erneuerung    

Die Entwicklung von Bildungsorganisationen zwingt zu einer ausgewogenen Gewichtung von Optimierung und Erneuerung. Qualitätsmanagement bezieht sich stärker auf Bestehendes. Optimierung und Erneuerung bringen Veränderungen, benötigen Veränderungsprozesse mit begleitenden Maßnahmen.

Optimierung - Erneuerung

Makro - Ebene > Organisationsentwicklung - Rahmenbedingungen

Meso - Ebene > Erstellen von Programmen/ Teambildungen

Mikro - Ebene > Unterricht - Didaktik - Kompetenzentwicklung:

Rolle der Lernenden und Lehrenden

Leistungs- und Sozialprinzip

- - -

Ebene der Evaluation

Auswirkung auf Leistungsindikatoren

Umstände des Einsatzes von neuen Kompetenzen im Arbeitsfeld

Veränderungen bei den Teilnehmenden (Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen)

Zufriedenheit der Teilnehmenden

- - -

Phasen der individuellen Innovationsentscheidung

Wissen

Überzeugung

Entscheidung

Umsetzung

Bestätigung

- - -

Schritte vom Wissen zum Handeln

Bewusstsein

Interesse

Ausprobieren

Annahme

7 Fallbeispiel Evangelisches Bildungswerk in Tirol    

Anlässlich des „Internationalen Jahres der Freiwilligen 2001" gab es eine Reihe von Studien zum Thema Ehrenamt. Es ist nicht sinnvoll, das Ehrenamt zu definieren, ohne nicht auch einen Blick auf das Hauptamt zu richten. Im Falle des Evangelischen Bildungswerks in Tirol/ EBiT arbeitet der Autor mit einem kleinen Team in Tirol zusammen, das sich ausschließlich aus ehrenamtlichen Mitarbeitenden zusammensetzt.

Überregional gibt es in den größeren Evangelischen Bildungswerken und Evangelischen Akademien in Österreich Hauptamtliche. In dieser Fallstudie konzentriert der Autor sich auf den persönlichen Führungsstil von/mit Ehrenamtlichen, der sich nur auf die Personalführung und inhaltliche Themensetzung beziehen kann.

Wirtschaftliche Führung und Verwaltung wird von der Leitung des EBiT ehrenamtlich durchgeführt und daher nicht besprochen. Schritte zur Verbesserung der persönlichen Tätigkeit sollen sich daraus ableiten.

Der Beitrag soll auch ein Impuls dafür sein, die eigene Praxis als Gegenstand der besseren Professionalisierung aufzuzeigen.

7.1 Begrifflichkeit    

Kirchen bzw. kirchliche Bildungswerke verbindet mit dem Begriff Ehrenamt die Idee der organisierten, unentgeltlichen Mitarbeit in den eigenen Reihen auf Grund der Identifikation mit den Werten und Zielen der entsprechenden Organisation (vgl. HÖHER - HÖHER 1999, 30).

Das EBiT ist ein Verein, der auf Gemeinnützigkeit basiert, in der expliziten Zuordnung zu einem wert- und glaubensgebundenen Milieu. Infolgedessen verbindet ein kirchliches Bildungswerk etwas Anderes als eine Partei, Gewerkschaft oder Wirtschaftsorganisation mit ihrer jeweiligen Bildungsinstitution.

Unter Hauptamt wird dementsprechend eine Berufstätigkeit verstanden, die entlohnt wird (Gehalt), die das Aufgabengebiet als klare Zielformulierung beschreibt (Berufsbild) und den zeitlichen Rahmen der Tätigkeit festgelegt (Arbeitszeit). Im Regelfall bedarf es einer Aus- und Fortbildung (Qualifikation).

7.2 Ehren- und Hauptamt    

Es steht außer Zweifel, dass die zunehmende Professionalisierung - Aufgabenumfang, Aufgabenvielfalt und Ausbildung - ohne Hauptamtliche nicht mehr zu bewältigen ist. Eine solche Professionalisierung der Evangelischen Erwachsenenbildung/ EEB hat als Folge eine Hierarchisierung (Leitungsfunktion), Bürokratisierung (Vereinsrecht, Leitbild, Öffentlichkeitsarbeit) und die Notwendigkeit einer Aus- und Fortbildung. Dies kann unter Umständen zu Spannungen auch unter Ehrenamtlichen, überregional unter Hauptamtlichen, führen (vgl. HÖHER - HÖHER 1999, 83-84).

Im Falle des EBiT führen "Ehrenamtliche"/ Freiwillige selbst gewählte Aufgaben aus (Leitung, Planung, Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit, Gremienarbeit und Aus-, Fort- und Weiterbildung). Im Falle des Autors ist es die stellvertretende Leitung gewesen, verbunden mit Gremienarbeit, Öffentlichkeitsarbeit (vgl. http://www.ebw-tirol.info > Berichte) und Fort- und Weiterbildung/ Universitätslehrgänge, Universität Wien/ Personalentwicklung (vgl. http://www.univie.ac.at/personalentwicklung).

Als Beirat steht im Vordergrund die Beratungsfunktion. Damit entstehen unterschiedliche Erfahrungen und verfügbares Wissen.

Im EBiT gibt es daher einen Arbeitsstil mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen und notwendiger gegenseitiger Wertschätzung mit gegenseitigem Respekt.

7.3 Projekt Evangelisches Bildungswerk in Tirol    

Das Projekt "Evangelisches Bildungswerk in Tirol/ EBiT" wurde 2004 nach zwanzigjährigem Stillstand reaktiviert, wobei Ehrenamtlichkeit eine Voraussetzung für Evangelische Erwachsenenbildung in Tirol ist (vgl. DICHATSCHEK 2005a, 6 und 2005b, 126-130). Personell boten sich MitarbeiterInnen an, die Erfahrungen in den verschiedenen Bereichen der Erwachsenenbildung und verschiedensten Organisationen, möglichst nach dem Vereins- oder Handelsrecht, hatten.

Zielsetzung des Projekts ist es,

• in Form der EEB einen Teil gesamtgesellschaftlicher Bildungsverantwortung als Träger in öffentlichen Bildungsangeboten wahrzunehmen.

• reformatorisches Gedankengut in der Öffentlichkeit vorzustellen, weil eine Stärkung individueller Verantwortungsmöglichkeiten auf sozioökonomische Erfordernisse zukünftiger gesellschaftlicher Entwicklungen zur Teilnahme an den Erfordernissen des alltäglichen Gesellschaftslebens einen zentralen Aspekt darstellt.

• neben dem öffentlichen Bildungsauftrag Lebensweltorientierung zu vermitteln. Glaube und Leben sind die beiden Zentralbegriffe. Glaubensaussagen – vor allem biblisch und ethisch fundiert – und Lebensprobleme (Herausforderungen unserer Zeit) stehen somit im Mittelpunkt. Eine Bewegung zum Leben ist ein Grundaspekt EEB.

Leitbegriff der EEB ist die gesellschaftliche Verständigung. Diese findet in Gemeinden, in der Gesellschaft und unter Menschen/ Gruppierungen statt. Dies verlangt eine Durchlässigkeit kirchlicher und gesellschaftlicher Bildungsinstitutionen gegenüber einer flexiblen und vernetzten Umwelt (vgl. DICHATSCHEK 2005b, 127).

Demnach benötigt EEB

• Professionalisierungsprozesse und Weiterbildungsmaßnahmen der MitarbeiterInnen und

• Profitbildung des Programmangebots und Verbesserung der Ressourcennutzung mit Qualitätssicherung durch Kooperationen in Form von Erfahrungsaustausch, gemeinsamem Marketing und gegenseitiger Beratung in Verwaltung und Programmplanung.

Zu den zentralen Veränderungen unserer demokratischen Gesellschaft gehört die Transformation der Arbeitsgesellschaft.

• Die Bedeutung immaterieller Arbeit wächst. Freiwilligkeit/ Ehrenamtlichkeit gewinnt an Bedeutung und ist – bei aller Schwäche der Organisation und Stärke der Bedeutung und Vielfalt von Kompetenzen – nicht wegzudenken.

• Die subjektiven Interessen der Arbeitenden gewinnen an Bedeutung.

• Die klassische Form der Berufstätigkeit löst sich auf, die Bedeutung beruflicher Orientierung im weiteren Sinn. nimmt damit ab. Man kann diese Entwicklung in der Formel zusammenfassen: vom Produkt zum Projekt > von der Erledigung zum Erfolg > vom Schweiß zum Adrenalin (vgl. DICHATSCHEK 2005b, 128).

Die bisherigen Formen von Arbeit – fixer Arbeitsplatz, Arbeitszeitregelungen, Sozialansprüche, Tariflöhne – verändern sich zu anderen Formen – Telearbeit, mobiler Arbeitsplatz, virtuelle Büros – und damit zu einer verschärften Ökonomisierung mit wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten. Künftige Arbeitnehmer werden voraussichtlich mehrere Arbeitstätigkeiten in mehreren Berufen auszuüben haben (Berufsausbildung > Startberuf > Folgeberuf > ggf. Umschulungen bzw. Weiterbildungsmaßnahmen). Arbeitsunterbrechung – bei Frauen im hohen Ausmaß bereits lange schon eine gesellschaftliche Realität – wird keine Ausnahme sein.

Das EBiT versteht sich nicht als Konkurrenz zum WIFI, bfi, LFI und ähnlichen berufsbildenden Erwachsenenbildungsinstitutionen.

Vielmehr gilt eine verstärkte Aufmerksamkeit auf ökonomische Notwendigkeiten wie die Einsetzung der vorhandenen Mittel, der geringe Personalstand mit Ehrenamtlichkeit in Führung und Gemeindearbeit, moderne Personalentwicklung und zeitgemäße Antworten auf eine Orientierungskrise/ “kulturelle Diakonie“ (u.a. Ethik, Politische Bildung, Lebenskunde und Mitarbeiter/innenausbildung).

Neben diesen Kennzeichen und Notwendigkeiten stellt sich für das EBiT das Problem der Qualitätssicherung (Vermeidung von Qualitätsmängel, Problemlösungen vor Ort, Beratung für eine Organisationsentwicklung; vgl. STRICHAU 2002, 332). Anzustreben ist jedenfalls im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit des Angebots eine Zertifizierungsmöglichkeit.

Problembereiche bestehen in den Kompetenzanforderungen, den Tätigkeitsprofilen in der Erwachsenenbildung, den verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen und unklaren Qualifikationsvoraussetzungen beim Personal.

Trotz der Weite des inhaltlichen Angebots und ihrer Breite – Individuum, Gesellschaft und Kirche – gibt es für das EBiT einen Kernauftrag: EEB ist theologische Erwachsenenbildung. Basis ist die christlich orientierte Elementarbildung, die bei zunehmender Entkirchlichung der Bevölkerung und einem mitunter unklaren protestantischen Glaubensverständnis eine dringende Notwendigkeit geworden ist.

Drei pragmatische Konsequenzen sind daher zu ziehen, EEB versteht sich als Zugang für Kirchendistanzierte. Bildung findet außerhalb tradierter Formen der Arbeit der Kerngemeinde statt. Andere Methoden und Konzepte bilden eine Herausforderung. Theologische Themen sind dem Lernmilieu der Teilnehmenden entsprechend aufzuarbeiten.

Vergleicht man Institutionen der EEB, erkennt man die Veränderungen der Organisation durch kirchlich-theologische, pädagogische und betriebswirtschaftliche Perspektiven.

Planung, Effektivität, inhaltliche Profilierung, öffentlicher Bildungsauftrag, orientierende Funktion der Angebote und eine vermittelnde Funktion an der Nahtstelle Kirche – Gesellschaft sind wesentliche Aufgabenstellungen.

Weitere Aufgaben in diesem Projekt sind/ waren die Gestaltung des Lernunterstützungssystems, die Professionalisierung der Mitarbeitenden und die Weiterentwicklung der Organisation, wobei die aktuelle Ökonomisierung hemmend auf innovative Bemühungen in der EEB wirkt.

Der interdisziplinäre Ansatz geht von einer bildungswissenschaftlichen Perspektive aus. Dies zeigt sich darin, dass Lern- und Bildungsprozesse die Einzelbiographie betreffen, weshalb Erwachsenenbildung/ Erwachsenenpädagogik im Kontext mit Religionspädagogik gefordert ist (vgl. DICHATSCHEK 2008a, 66-77; SCHRÖDER 2012, 498-513).

EEB betrifft die Gesellschaftsbereiche Kirche, Bildungswesen, Bildungsmarkt und Öffentlichkeit/ Gesellschaft . Sie berücksichtigt alle vier Felder. Dementsprechend sind die Anforderungen an eine solche Erwachsenenbildung groß.

Im Falle des „Evangelischen Bildungswerks in Tirol/ EBiT“ sind Personalmangel – verbunden mit Ehrenamtlichkeit in der Leitungs- und Mitarbeiterebene - und beschränkte Budgetmittel sowie eine langjährige Inaktivität eine besondere Herausforderung (vgl. STRICHAU 2002, 331).

7.4 Entwicklungsphase der Organisation und Leitung    

Im Rahmen der Seminare an der Universität Wien/ Personalentwicklung wurde dem Autor klar, dass seine Rolle im Vorstand intensiv mit der Entwicklungsphase zusammenhängt, in der sich die Organisation befindet.

Ordnet man das EBiT einer der drei Entwicklungsphasen nach LIEVEGOED (1974) zu – Pionier-, Differenzierungs- und Integrationsphase – so befindet sich das EBiT nach wie vor in der Pionierphase (langjährige Inaktivität, Diasporasituation, Personalmangel, geringe Budgetmittel), allerdings zeigt sich ein Übergang in Richtung einer Differenzierungsphase. Diese Einschätzung lässt sich an einzelnen Merkmalen, hier mit neun Aussagen, begründen.

- Aussage 1: Im Mittelpunkt einer Pionierphase stehen die Persönlichkeiten der Pioniere. Sie haben in der Regel eine (Produkt-) Idee alleine oder mit wenigen Mitarbeitern das Unternehmen gegründet/ aktiviert und begeistern durch ihre Visionen (vgl. im Folgenden: BAUMGARTNER - HÄFELE - SCHWARZ - SOHM 2000, 67-69). Mit der Übernahme der Funktion im Vorstand gab es eine Reihe von wesentlichen Änderungen: Neue Veranstaltungen wurden auf dem Bildungsmarkt gebracht, als weitere Zielgruppe wurde der Internetkonsument und eine interessierte Leserschaft über Publikationen erschlossen, Öffentlichkeitsmaterialien erstellt und Gremienmitarbeit praktiziert. Bis heute gelang es allerdings nicht, das Mitarbeiter-Team? zu erweitern, was sich hemmend auf die Arbeit des EBiT auswirkte.

- Aussage 2: Ziel und Sinn des EBiT sind für alle unmittelbar erlebbar, das Arbeitsklima ist geprägt von einer expansiven Aufbruchsstimmung, hoher Motivation, Leistungs- und Hilfsbereitschaft. In der alltäglichen Arbeit erlebt man geringe Unterstützung in den Gemeinden. Im Vorstand wird mit Engagement und einem Schuss Humor an Verbesserungen gearbeitet. Leiter und stellvertretender Leiter versuchen, das EBiT im Inhaltlichen mit Schwerpunkten/ 2008 „Schwerpunktjahr Judentum“ am Bildungsmarkt zu positionieren: Veranstaltungsreihe, beispielhaft auch WIKI - Projekt http://gewaltueberwinden.org/de/materialien.html > Empfehlenswerte Materialien > Friedenskultur > „Aspekte eines Migrantentums in Österreich". IT - Beiträge gibt es bis jetzt in diesem Netzwerk und auf der Homepage der "Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke in Österreich".

- Aussage 3: Was der Pionier fordert, lebt er selbst vor (Einsatz auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten), wenn Not am Mann ist oder ein Auftrag winkt. Der Einsatz von beiden Leitungspersönlichkeiten ist gegeben, durch die fehlenden MitarbeiterInnen kommt es mitunter zu ungewöhnlichen Arbeitszeiten. Der Vorstand bietet jedenfalls Unterstützung für Veranstaltungen in den Gemeinden, eine Unterstützung ab dem Herbst 2008 in den Gemeinden durch die diözesane Kirchenleitung war/ ist gegeben.

- Aussage 4: Der Pionier kennt alle Mitarbeiter persönlich. Die Bedeutung der Kenntnis aller Mitarbeiter ist gegeben. Durch die lange Zeit der Inaktivität bedarf es unkonventioneller Methoden, Veranstaltungen in Gemeinden durchzusetzen (Kooperationen, Mikroteam - Bildungen, Schwerpunktthemen, Wanderausstellungen).

- Aussage 5: Ein Pionier kennt die meisten Tätigkeiten im Betrieb aus eigener Erfahrung. Die Aufgaben bei der Organisation von Veranstaltungen sind dem Autor selbst vertraut, hat er im EBiT selbst doch Veranstaltungen durchgeführt (Vorlaufzeit in Medien, Beschaffung von Räumlichkeiten, Referententätigkeit/ Organisation, Finanzierung, Dokumentation – Referententätigkeit).

- Aussage 6: Die Organisation ist sehr beweglich, gekennzeichnet durch Improvisation. Da die Mitarbeiter Generalisten sind oder sich als solche verstehen und Produktionsprozeduren selbst noch in Entwicklung sind, können die Leistungen oder Produkte schnell dem Bedarf und Sonderwünschen von Kunden angepasst werden. Bei den Angeboten besteht der Anspruch, dass auch unter widrigen Umständen vor Ort eine gute Leistung erbracht wird. Das EBiT mit geringen Ressourcen stellt keine Ansprüche an die Zahl der Teilnehmenden einer Veranstaltung, erbittet Spenden und ist über jede Referententätigkeit froh, zumal der Referententopf klein ist. Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Bildungsinstitutionen werden gerne in Anspruch angenommen. Diese Notwendigkeit kann als erstes Indiz für den anzustrebenden Übergang in die Differenzierungsphase angesehen werden.

- Aussage 7: Funktionen wachsen um Mitarbeiter, Aufgabenabgrenzungen ergeben sich auf Grund persönlicher Neigungen und Begabungen und ändern sich mit den Personen. Führungsfunktionen werden in erster Linie durch den Pionier selbst wahrgenommen oder nur in bescheidenen Kompetenzen delegiert. Probleme oder Lösungen landen in der Regel zur Lösung bei ihm. Der derzeitige Vorstand als Leitungsorgan ist so zusammengesetzt, dass Personen mit verschiedensten Kompetenzen und kirchlichen Funktionen sich darin finden (Pfarrer, Geschäftsführer und Lehrende). Die Aufgabenabgrenzungen sind damit klar definiert. Die Koordination liegt bei dem Leiter des EBiT.

- Aussage 8: Für engagierte Mitarbeiter gibt es große Entwicklungsspielräume. Das EBiT lebt von kreativen erwachsenenpädagogischen Ideen und deren Umsetzung, die abhängig von der Zahl der MitarbeiterInnen sind. Mit gezielten Weiterbildungsmaßnahmen ist eine Professionalisierung der MitarbeiterInnen zu erhöhen. Bemühungen um eine Erhöhung des Weiterbildungsengagements bei Ehrenamtlichen sind wesentlich und gehören in eine Tätigkeit als Vorstandsmitglied.

- Aussage 9: Planungs- und Organisationsinstrumente kennt der Pionierbetrieb nicht. Es stimmt, dass es keine Stellenbeschreibungen gibt, dennoch gibt es hilfreiche Leitfäden und eine Fachliteratur für die Erwachsenenbildung, auch für ein EEB. Dies kann auch als Indikator für eine wachsende Ausdifferenzierung EEB angesehen werden.

7.5 Persönliche Reflexionen    

Der Autor ist in das EBiT hineingewachsen. Bereits bei der Reaktivierung war man als ehrenamtlicher Mitarbeiter aktiv. Durch geplante Weiterbildung – als langjähriger Lehrbeauftragter der Wiener Universität, Zusatzqualifikationen/ Universitätslehrgänge in Politikwissenschaft/ Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz sowie Kursen in Personalentwicklung/ Universität Wien, dem WIFI Salzburg, Zusatzkompetenzen im Rahmen von wba I und II und ein Fernstudium Erwachsenenbildung/EKD/Comenius - Institut Münster sowie persönlichem Interesse/ Lehrgangs- und Tagungsbesuche – Kardinal König - Akademie Wien und Bildungshaus St. Virgil Salzburg – erhöhen sich die Kompetenzen (vgl. DICHATSCHEK 2008b, 2). Es versteht sich von selbst, dass das EBiT zu erweitern ist, will es sein Leitbild erfüllen (vgl. http://www.ebw-tirol.info > Wer wir sind > Leitbild).

Bis jetzt versucht der Autor, als Motivator von Ehrenamtlichen zu agieren. In gewissen Bereichen wird man mittelfristig als Auftraggeber aufzutreten haben. Voraussetzung und hilfreich dafür ist allerdings eine wesentlich breitere Unterstützung, regional in den Gemeinden und überregional durch die „Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke in Österreich“ (vgl. STRICHAU 2002, 331; http://www.aebw.at). Nur so wird ein zufriedenstellenderes Rollenverständnis entwickelt werden können.

Zwei Fragen stellen sich für den Autor:

  • Inwieweit ist das persönliche Rollenverständnis von den eigenen Kompetenzen beeinflusst?
  • Inwieweit beeinflusst der persönliche Arbeitsstil die Haltungen und Verhaltensweisen der Mitarbeitenden?
Die persönliche Grundmotivation des Autors ist stark kompetenz- und beziehungsorientiert. Mitarbeitende müssen das Gefühl der Sicherheit, Verlässlichkeit und Anerkennung sowie Wertschätzung erhalten.

Um diese angestrebten Leistungen erfüllen zu können, bedarf es eines multiprofessionellen Teams. Das EBiT besitzt dieses naturgemäß nicht, womit sich ein „Evangelisches Bildungswerk in Tirol“ abzufinden hat. „Das Zusammenwirken von Kräften, die Synergie, schafft ein Klima, das den einzelnen hilft, sich in der Organisation wohl zu fühlen“ (LOTMAR -TONDEUR 1999, 28).

Dies zu erreichen bzw. zu erhalten, ergibt sich die folgende Aufgabenstellung.

• Motivation der Mitarbeitenden, Stärkung der Kompetenzen • Finden einer Balance zwischen Einzel- und Teamarbeit • Schaffung einer angenehmen Arbeitsatmosphäre • Entwicklung gemeinsamer neuer Projektideen • Ermöglichung einer offenen Gesprächs- und Konfliktkultur • Gewährleistung einer optimalen Arbeitsvorbereitung und • Wertschätzung der Arbeit von Ehrenamtlichen/ Freiwilligen

Ein Widerspruch entsteht in allen Bemühungen dann, wenn ein partnerschaftlicher Umgang – mit Kunden und Mitarbeitern_innen – als Ziel formuliert wird, während die bürokratisch hierarchische Struktur ein „Herr – Knecht -Verhältnis“ zwischen Vorgesetzten und Untergebenen begründet (vgl. LOTMAR - TONDEUR 1999, 37).

Erwartet werden darf von Mitarbeitenden, dass sie einen korrekten Umgang mit der Leitung des EBiT und den Kunden pflegen (etwa Termineinhaltung, Verlässlichkeit in der Programmplanung und Abrechnung).

Die Arbeit in der EEB fordert den Mitarbeitenden ein gewisses Maß an physischer und psychischer Kraft ab, intrinsische Motivation mit hohem Eigenverantwortungsgefühl ist vorauszusetzen. Angemessene und gute Führung unterstützt, indem sie entlastet. "Entlastung durch gutes Führen hilft mehr als frustriertes Klagen" (LOTMAR - TONDEUR 1999, 23; vgl. HÖHER -HÖHER 1999, 31-34).

Beim EBiT gibt es in den Vorstandssitzungen und informellen Telefonaten – die geografische Verteilung der Mitglieder ist über ganz Tirol gegeben – einen regen Austausch. Zusätzlich zur organisierten Sitzungskultur gibt es damit Möglichkeiten, sich inhaltlich, organisatorisch und fachlich, zusätzlich auch mit Internet, zu begegnen. Selbstverständlich gibt es auch das Problem des unausgeglichenen Informationstransfers. Gründe sind etwa Auslandsaufenthalte und eine Nichterreichbarkeit.

Werden im Vorstand des EBiT Entscheidungen nach klaren Kriterien getroffen, entsteht ein hohes Sicherheitsgefühl. Dies setzt Transparenz in der Leitung voraus, um die sich der Autor bemüht. Nur so können Stellungnahmen und ggf. Änderungsvorschläge eingebracht werden. In der Teamzusammensetzung bedeutet dies, sich gegenseitig kennen lernen, präzise Arbeitsaufträge mit zeitlicher Begrenzung zu geben, die Belastbarkeit durch optimale Vorbereitung so gering als möglich zu halten und Fort- und ggf. Weiterbildungsangebote.

Eine persönliche Erweiterung des Basis- und Erweiterungswissens anzubieten (Rundschreiben, Newsletter der Erwachsenenbildung) ist nicht nur von hohem Eigennutzen, sondern auch ein großer Gewinn für die Organisation. Lebensbegleitendes Lernen ist gerade für Erwachsenenbildner von zentraler Bedeutung (vgl. WITTPOTH 2006, 31).

Der Autor ist bzw. war in der günstigen Situation, durch sein universitäres Basisstudium „Erziehungswissenschaft/ Psychologie“ / Universität Innsbruck (1985), einen Lehrauftrag an der Wiener Universität „Aus- und Weiterbildung/ Vorberufliche Bildung“ (1990-2011), den Lehrauftrag "Didaktik der Politischen Bildung"/ Universität Salzburg-Fachbereich? Geschichte/Lehramt (2016-2018), die Absolvierung der Universitätslehrgänge „Politische Bildung“ mit Masterabschluss (2008) und "Interkulturelle Kompetenz"(2012)/ Universität Salzburg, die Nutzung universitärer Mitarbeiterfortbildung/ Universität Wien, des Internen Lehrganges Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg (2016) und des Fernstudiums Erwachsenenbildung/Comenius? - Institut Münster (2018) Möglichkeiten lebensbegleitenden Lernens vergleichsweise unkompliziert zu praktizieren (vgl. DICHATSCHEK 2006a, 15).

Das EBiT konnte im Rahmen seiner bescheidenen finanziellen Ressourcen Unterstützung gewähren. Eine funktionierende Bildungsberatung erleichterte die Nutzung von persönlicher Weiterbildung.

7.6 Reflexionen der anderen Seite    

Nach Überlegungen zur Rolle des Autors, seinem Leitungsverständnis und seiner Grundhaltung sollen Mitarbeitergespräche einen Einblick in Bedürfnisse und Wahrnehmungen ehrenamtlicher MitarbeiterInnen geben. Solche Gespräche, die in der Führung solcher Unternehmen als essentiell angesehen werden, haben die Funktion

• im Einzelgespräch Ziele zu vereinbaren,

• gegenseitige Erwartungen und Vorstellungen auszutauschen,

• die Tätigkeit des abgelaufenen Jahres zu reflektieren und zu bewerten und

• Entwicklungsmöglichkeiten beider Seiten auszuloten (vgl. HÖHER - HÖHER 1999, 43-53).

Bei den Vorüberlegungen zu solchen Gesprächen geht es vorrangig um die Inhalte KommunikationKonflikte – Mitarbeitende.

Vorrangig geht es im EBiT um Entwicklungswünsche, Planungsmaßnahmen und Terminabsprachen sowie Weiterbildungsangebote, insbesondere in der überregionalen Gremienarbeit. Wesentlich sind auch die Arbeitszufriedenheit, Verbesserungsvorschläge, Einflüsse bei der Aufgabenbewältigung, ggf. berufliche Entwicklungen und Zielvereinbarungsvorschläge.

Aus den Gesprächen kann man drei wesentliche Aspekte entnehmen. Sie betreffen den Wert ehrenamtlicher bzw. freiwilliger Tätigkeit, die Art und Weise der Wertschätzung und die Zufriedenheit mit der Leitung (Vorstand).

- Was den Wert der Arbeit betrifft, so ist für Ehrenamtliche das Team von Bedeutung. Die Befragten verbringen einen Teil ihrer Freizeit im EBiT, vor allem bei Sitzungen und Veranstaltungen. Das EBiT ist damit ein Ort, an dem man Freundschaften schließen und sein Wissen erweitern kann. Kontakte in einem kirchlichen Bildungswerk gehen über die gemeinsame Tätigkeit hinaus. Facheinschlägige Ausbildungen sind wenig gefragt, attraktive Kurse/ Lehrgänge werden mitunter besucht.

- Was die Wertschätzung (und Anerkennung) betrifft, so freut man sich über einen Dank, wenngleich man aus verschiedensten Gründen ihn nicht erwartet. Es fällt auf, dass für Ehrenamtliche in der EEB mitunter eine Einladung, ein Essen oder eine Mitfahrgelegenheit bedeutungsvoll sind.

- Im EBiT gehören die Erstattung von Reisekosten und Kaffee und Kuchen zu den Selbstverständlichkeiten bei Ehrenamtlichen. Persönliche Umgangsformen sind für die MitarbeiterInnen des EBiT wesentlich. Ein gutes Betriebsklima erhöht den Grad der Zufriedenheit.

- Finanzprobleme werden besprochen, Lösungen kommen zumeist gegen Ende des Arbeitsjahres. Unterschiedliche Kompetenzen erzeugen in dieser kleinen Gruppe im EBiT keine Schwierigkeiten. Kontrollfunktionen werden akzeptiert (Rechnungsprüfer, Leitung des EBiT). Ehrenamtliche des EBiT sitzen in kirchlichen Gremien mit Stimmrecht, so der Autor als Vertreter der EEB für Salzburg und Tirol in der diözesanen Superintendentialversammlung und in der Bildungskommission der Evangelischen Kirche in Österreich A. und H.B. (2000-2011). Mitunter vertritt der Autor die Leitung in regionalen Gremien der Tiroler Erwachsenenbildung.

Man kann festhalten, dass MitarbeiterInnen einen beziehungsorientierten Leitungsstil bevorzugen, während der Autor einen beziehungs- und kompetenzbezogenen Stil praktiziert. „Gutes Führen gelingt vor allem durch systematisches, rationales und systemisches Denken und Handeln“ (LOTMAR - TONDEUR 1999, 48).

Durch solche Gespräche kommt es naturgemäß zu Veränderungen bei ehrenamtlicher Tätigkeit in Leitungsfunktion. Anzusprechen ist hier die Sitzungskultur, Fort- und Weiterbildung, Rückmeldungspraxis und eine Checkliste für Ehrenamtliche.

• Bei der Sitzungskultur wurden Veränderungen vorgenommen. Eine etwas straffere Führung, schon aus Zeitgründen, erhöht die Effizienz. Ideen müssen vorher eingebracht oder ein eventuell diskussionswürdiger Vorschlag muss im Rundlauf abgestimmt werden. Das EBiT steht vor der Schwierigkeit, nicht genügend MitarbeiterInnen zu haben, weshalb verstärkte Bemühungen einer Werbung für EEB im Gange sind. Inwieweit dies erfolgreich sein wird, ist zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Arbeit nicht abzusehen. Jedenfalls gibt es seit September 2008 eine Absprache zu unterstützenden Maßnahmen mit der diözesanen Kirchenleitung. Dazu gehören die Vereinfachung der Aussendungen von Veranstaltungsplanungen und die Beauftragung von „Bildungsbeauftragten“ in den einzelnen Gemeinden.

• Gespräche über die Nutzung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen enden zumeist mit Argumenten wie Familienpflichten, geringem Zeitbudget, anderweitiger Verpflichtungen oder zu geringem Interesse/ Informationsmangel (vgl. DICHATSCHEK 2006b, 4). Im Hintergrund steht auch bei Ehrenamtlichen das Fehlen einer Notwendigkeit, zumal im Berufsleben Fort- und ggf. Weiterbildung notwendig waren. Ein zu Anfang eingeführter „Bildungstag“ des EBiT – mit Schwerpunktbildung zu einem Thema – wurde 2007 aus den verschiedenen Argumentationsgründen abgeschafft. Frustrationen erzeugen solche Schwerpunktthemen besonders dann, wenn die Umsetzung kaum oder gar nicht möglich ist.

Lösungsansätze sind hier nach Meinung des Autors nur über eine Verjüngung des Teams mit entsprechenden Interessenslagen möglich. Man denke an die Schwerpunkte Informatik, Bildung, Gesundheit, ethische Fragen, theologische Aktualität, Printmedienarbeit und letztlich auch der Umsetzung mit Hilfe von Organisationstalenten.

Erwähnenswert ist in der Tätigkeit des Autors das Thema "Kontrolle"'. Wenngleich Ehrenamtliche wenig nach Kontrollmechanismen fragen und sich mit ihnen auseinandersetzen, sind Fragen wie der Verlauf einer Veranstaltung, Mitarbeiter/innengespräche und Rückmeldebögen doch ein Anreiz, Verbesserungen im Bereich der EEB/ des EBiT anzustreben. Von Interesse für die Leitung sind ohne Zweifel Feedback - Meldungen in Richtung Planung, Ablauf einer Veranstaltung, einem möglichen Weiterbildungsbedarf der MitarbeiterInnen, dem Veranstaltungsklima, Zeitbudget und den Umgangsformen in der Gruppe und den Mitarbeitern/ innen. Gegebenenfalls sind die Unterbringung und die Gastronomie ebenfalls zu hinterfragen.

Wenn nicht alle Informationen, aus welchen Gründen auch immer, an Ehrenamtliche gelangen, empfiehlt es sich aus der Erfahrung mit Mitarbeitergesprächen, eine Checkliste für Ehrenamtlich zu erstellen: Anreise, Programmpunkte mit Zeiteinteilung, Referenten/innen, Hinweise auf Reisekosten/ Unterbringung/ Gastronomie und Erholungsmöglichkeiten.

7.7 Reflexionen in der kirchlichen Presse    

Zur Vervollständigung zur persönlichen reflexiven Phase und der Phase der Seite der Mitarbeitenden soll ein Beitrag des Autors in der „SAAT“ (Evangelische Kirchenzeitung für Österreich) als Beispiel einer öffentlichen Reflexion in der kirchlichen Presse vorgestellt werden. In der kirchenjournalistischen Praxis gilt es als positive Reaktion auf einen Artikel, wenn keine negativen Reaktionen der Leserschaft zu verzeichnen sind.

Das Thema Ehrenamtlichkeit ist in der Evangelischen Kirche in Österreich existentiell aktuell.

SAAT Kirche bei uns Nr. 14, 3. September 2006, 4

Fort- und Weiterbildung für Ehrenamtliche

Im "Internationalen Jahr der Freiwilligen 2001" wurde die Plattform „Freiwilligenakademie/ FWA“ gegründet, deren Idee aus der Motivation entstand, gemeinsam qualifizierte Module und Weiterbildungsseminare für ehrenamtliche MitarbeiterInnen anzubieten. Es ist als Zeichen der Wertschätzung anzusehen, wenn Ehrenamtliche für ihr Engagement die Möglichkeit erhalten, ihre Kompetenzen – über ihre berufliche Qualifikation hinaus – zu vertiefen und neue zu erwerben.

Durch den Zusammenschluss von mehreren Organisationen ist ein übergreifender Wissens- und Erfahrungsaustausch gesichert, der von den Teilnehmenden als hilfreich und wertvoll angesehen wird. Der Blick über den Tellerrand der eigenen Institution gilt als bereichernde Erfahrung. Die Plattform ist eine Kooperation von Evangelischer Frauenarbeit, Evangelischer Jugend, IG Kultur Österreich, Katholischer Jugend Österreich, Kolping, Österreichischer Kulturplattform Oberösterreich, Naturfreunde Österreich und Selbstbestimmt-Leben-Initiative? Linz. Das Seminarangebot erstreckt sich von Sponsorensuche, Vereinsrecht, Konfliktmanagement, Burnoutprävention, Macht und Ohnmacht von Teamarbeit bis zu Projektmanagement sowie Methoden und Strategien für den Non - Profit - Bereich bei Marketing und Werbung.

Günther Dichatschek

7.8 Schlussfolgerungen    

Im Folgenden wird reflexiv auf unterschiedliche Aspekte und ein Freiwilligenmanagement näher eingegangen.

7.8.1 Hinweise auf unterschiedliche Aspekte    

Die intensive Auseinandersetzung mit Mitarbeitenden, der eigenen Leitungsrolle, Anregungen und Wünschen, Fragen und Antworten ergeben für den Autor reflexiv unterschiedliche Aspekte mit notwendigen Schlussfolgerungen.

- Nach GÖHLICH - SAUSELE müssen heute Organisationen nicht nur Arbeitsprozesse gewährleisten, sondern auch Lernprozesse ermöglichen (vgl. GÖHLICH - SAUSELE 2008, 679). Damit entstehen "lernbezogene Organisationen". Damit verlassen sie sich nicht mehr nur auf seminaristische Weiterbildung und Organisationsentwicklung durch externe Berater, vielmehr individuieren einerseits die Personalentwicklung (vgl. STRUCK 1998) und binden sie enger an die ehrenamtliche Tätigkeit (vgl. DEHNBOSTEL 2007) und schaffen andererseits organisationsintern Möglichkeiten, Personalentwicklung mit Organisationsentwicklung zu verbinden. Führungskräfte haben Prozesse individuellen Lernens zu unterstützen. Im Bereich des EBiT sind daher Angebote für Mitarbeiter vorhanden, die motivierend im Gespräch anzubieten sind (vgl. Jahresprogramm des „Haus der Begegnung“ Innsbruck; Freiwilligenakademie; Schwerpunktthemen der "Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke in Österreich"; Hinweise auf organisationsinterne Fortbildung/ “Bildungstag“; Weiterbildungsakademie Österreich/ wba). Entgegen der Annahme, dass Fachführungskräfte für diese pädagogische und pädagogisch - manageriale Aufgabe weder theoretisch noch praktisch vorbereitet sind, wird hier vom Autor und der Leitung des EBiT reagiert (vgl. GÖHLICH - SAUSELE 2008, 679). Die Lernunterstützungspraxis des EBiT wird eben neben der betriebsinternen und externen Schulung bei Mitarbeiter - Fortbildungsprogrammen auch durch Mitarbeitergespräche angeboten (vgl. ROTERING - STEINBERG 2007, 25-42). Zugrunde liegt dieser Praxis eine empirische Studie, in der die Praxis von Mitarbeitergesprächen in einer Diakonie und einem Wirtschaftsunternehmen untersucht wurden (vgl. BOHNSACK/ NENTWIG - GESEMANN/ NOHL A.-M. 2013). Wesentlicher Bestandteil ist die Aufgabe des Vorgesetzten, die Unterstützung spezifischen Lernens, das individuell gedacht ist, zu übernehmen. Damit wird der Begriff des Coachings in das Gespräch eingeführt. Naturgemäß kann es zu Problemen kommen, weil – wie vereinzelt geäußert wird – die Verwobenheit der internen Lernunterstützung mit der sozialen Struktur der Organisation (auch) negative Konsequenzen haben kann (man denke an die Sensibilität bei Supervisionsangeboten).

- Als zweite Möglichkeit eröffnet sich die organisatorisch - pädagogische Nutzung des Mitarbeitergesprächs. Bei dieser Konkretisierung geraten Mitarbeitende in eine beschwerdeartige Form („Da muss ich immer…“) und bringt das Gespräch der Counseling - Tradition nahe. Selbstkritisch ist zu vermerken, dass weder diese Möglichkeit noch die eigendiagnostische Variante aufgegriffen wird, sondern Fragen der Organisationsentwicklung aufgriffen werden. In der Regel belässt man das Gespräch bei der Personalentwicklung („Schulungsbedarf“) und bremst so eine mögliche Entwicklung organisationalen Lernens.

- Die verschiedenen Kompetenzen Ehrenamtlicher definieren eine Aufgabenbegrenzung, verlangen jedenfalls nach Koordination. Das von der Kirchenleitung verlangte Schulungsprogramm für Ehrenamtliche erreicht kaum Mitarbeitende in den Gemeinden (vgl. Evangelischer Pressedienst Österreich/ epdÖ, 1. Oktober 2008, 5). Im Vorstand des EBiT kommt es – mit den angeführten personellen Begrenzungen – zum Tragen.

- Das Mitarbeitergespräch im EBiT hat als wesentlichen Aspekt die Motivation Ehrenamtlicher. Dazu gehören aus der Sicht des Autors unterstützende Maßnahmen für die Mitarbeitenden (Schulung/ Kompetenzen, Finanzierung, Organisation und Netzwerkbildung/ Homepage http://www.ebw-tirol.info; vgl. MÜLLER - SCHWEIZER - WIPPERMANN 2008, 59-64), regionale Stützung in den Gemeinden („Bildungsbeauftragte“ als Ansprechpartner), überregionale Kooperationen mit der "Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke in Österreich" und vermehrte Einbindung in EU - Bildungsprogramme der Erwachsenenbildung/ ERASMUS.

- Für den Autor bedeutet dies, dass das persönliche Rollenverständnis von der eigenen Kompetenz abhängig wird (Erziehungswissenschaft, Politische Bildung, Interkulturelle Kompetenz, Kompetenzen der wba bzw. des Comenius-Instituts?). Der persönliche Arbeitsstil beeinflusst naturgemäß das Verhältnis zu den Mitarbeitenden (Planung, Organisation, Erstellung eines Designs, Feed - back).

- Dem EBiT fehlt (derzeit) ein multiprofessionelles Team. Dazu bedarf es der Stärkung der Kompetenzen in den Gemeinden und verstärkter Projektideen für die Gemeinden. Vom Vorstand initiiert gibt es tirolweit solche, wie etwa 2006-2007 „Minderheiten in Tirol“.

- Ohne eine Wertschätzung von Ehrenamtlichen/ Freiwilligen gibt keine EEB.

- Um aus der Pionierphase zu kommen, bieten sich in der gegenwärtigen Situation des EBiT Kooperationsmöglichkeiten mit der Evangelischen Diözese Salzburg - Tirol („Theologischer Grundkurs“), dem Evangelischen Bildungswerk Salzburg (gemeinsame Veranstaltungen), dem Katholischen Bildungswerk Tirol (Veranstaltungen im „Haus der Begegnung“/ Innsbruck) und schwerpunktartige Kooperation mit der „ARGE Allgemeine Erwachsenenbildung Tirol“ (2009 „Migration in Tirol“) an, die zunehmend seit 2007 genützt werden.

- Es zeigen sich institutionelle und finanzielle Abhängigkeiten und als wesentliche Schlussfolgerung die Bedeutung regionaler Teams. Einzelkämpfertum, so die bisherige Erfahrung, minimiert die Motivation.

Durch diese Fallstudie werden neue Fragen aufgeworfen. Besonders interessant sind für den Autor Vorstellungen vom Ehrenamt, die im Wirkungskreis gesellschaftliche Aktivitäten ermöglichen. Dass erworbene Kompetenzen für die Erwachsenenbildung motivieren, zudem in einer Non - Profit - Organisation ehrenamtlich tätig zu sein, bedarf in diesem Zusammenhang keiner weiteren Erklärung.

7.8.2 Freiwilligenmanagement    

Der Workshop „Ehrenamt – Freiwilligenarbeit/Freiwilligenkoordination“ der Arbeitsgemeinschaft Ehrenamt des Rings Österreichischer Bildungswerke (22.-23. April 2013/Wien) mit der Teilnahme des „Evangelischen Bildungswerks in Tirol“ zeigt an, dass in Fortsetzung des „Internationalen Jahres der Freiwilligen“ (2001), des „Jahres der Ehrenamtlichkeit“ (2011/ Evangelische Kirche Österreich) und des Workshop - Diskurses anlässlich des Festaktes „40 Jahre Konferenz der Erwachsenenbildung Österreich – 5 Jahre Weiterbildungsakademie“/ Strobl (2012) zur Freiwilligkeit/ Ehrenamtlichkeit in der Erwachsenenbildung die Diskussion um Strukturen und Rahmenbedingungen für eine Förderung des freiwilligen Engagements weiterhin zu führen ist. Es bestehen gewisse Förderstrukturen, etwa Fortbildungen, Konferenzen, Tagungen, Workshops und Publikationen. Trotzdem ist die Thematik noch nicht im Mainstream angekommen (vgl. REIFENHÄUSER -HOFFMANN - KEGEL 2009).

Zivilgesellschaftliches Engagement als Ausdruck von Freiwilligkeit bzw. Ehrenamtlichkeit ist wenig verbreitet. Zwar spricht das Zahlenmaterial von Engagement – man denke an Freiwillige Feuerwehren, Musikkapellen, Sportvereine, Büchereien, Kulturvereine und soziale Hilfsvereine – aber im Bereich von Bildungswerken als Organisationen und Systemen mit einem spezifischen Auftrag fehlen Interessierte (vgl. DICHATSCHEK 2005b, 126-130). Erwachsenenbildung als kirchliche Bildungsarbeit mit der Vermittlung eines theologischen Fundaments im Kontext eines erwachsenenpädagogischen Auftrages von Alltags- und Lebensorientierung, Kulturarbeit, Politischer Bildung und zunehmender Bedeutung von interkultureller Bildung verfügt über wenig Engagierte. Insbesondere in Diasporagebieten gibt es Nachwuchsprobleme in einem gesellschaftlich wichtigen Lern- und Handlungsfeld, das es auszubauen gilt.

Als Grundlage für Fördermaßnahmen gilt ein Freiwilligenmanagement mit entsprechenden Rahmenbedingungen, Gewinn von Fachlichkeit und Möglichkeiten der Mitgestaltung und Mitbestimmung.

  • Freiwilligenmanagement ist Planung, Organisation, Koordination, Kooperation, Evaluation und Vernetzung von freiwilligem Engagement. In Bildungswerken als Institutionen einer Evangelischen Erwachsenenbildung findet dies in organisierter Form statt, auf Grund des staatlichen Vereinsgesetzes, kirchlicher Ordnung und einer gesamtösterreichischen erwachsenenpädagogischen Vernetzung. Zu vermerken ist die Verbindung von staatlichem Vereinsgesetz und kirchlicher Ordnung, weil hier zwei rechtliche Zuständigkeiten mit erhöhtem verwaltungstechnischen Aufwand auftreten.
  • Ziel ist eine nach der schulischen und erstberuflichen Ausbildung notwendige Förderung von Wissen, Fertigkeiten, Haltungen, Erfahrungen und Kompetenzen. Für ehrenamtlich Engagierte bietet sich die Chance, ihren Eigeninteressen nachzugehen, sich weiter zu qualifizieren, Sinn und Wert in einem Engagement zu finden, Interessierte kennen zu lernen und sich einbringen zu können. Damit ergeben sich Anforderungen an Ehrenamtliche bzw. Freiwillige wir eine Abgrenzung von Freiwilligenarbeit von der Tätigkeit Haupt- und Nebenamtlicher, der Kooperation zwischen Haupt- und Nebenamtlichen, Unterstützungssystemen, Qualifizierungsangeboten und einer Anerkennungskultur.
All dies ist ausbaufähig, wie dies das Beispiel von Evangelischen Bildungswerken in Verbindung mit der "Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke in Österreich" zeigt. Als gesamtösterreichische Dachorganisation mit der Mitgliedschaft im „Ring Österreichischer Bildungswerke“ ist eine zeitgemäße Struktur mit Präsenz und Mitarbeit in der Allgemeinen Erwachsenenbildung, Freiwilligenmanagement, Mitarbeiterfortbildung und Mitarbeiterweiterbildung, Öffentlichkeitsarbeit und entsprechender Positionierung in der Evangelischen Kirche anzustreben.

In der Regel fehlt eine Ausrichtung von Zielvoraussetzungen und Zielen bei diesem Engagement. In diesem Zusammenhang erkennt man den Strukturwandel des Ehrenamtes im Sinne einer Gemeinwohlorientierung (vgl. BEHER - LIEBIG - RAUSCHENBACH 2000).

Leitbilder mit notwendigen Ergänzungen, Förderung von Rahmenbedingungen, Qualitätskriterien und die Zuweisung von Aufgabengebieten zeigen an, dass freiwilliges Engagement weder umsonst noch kostenlos ist. Engagementförderung bedarf klarer Strukturierung und ist als Prozess und keinesfalls als starres System zu verstehen.

Ein solcher Prozess beginnt mit einer Bedarfseinschätzung, Aufgabenentwicklung, Gewinnung von Interessierten, Gesprächen, Phasen der Ausbildung bzw. Einarbeitung und Begleitung. Evaluation und Wertschätzung vervollständigen ein Freiwilligenengagement/ Ehrenamt.

Anzustreben ist ein passendes System von Förderung und Aufstiegsmöglichkeiten sowie Persönlichkeitsentwicklung. Anregungen, Austausch und Bewertung sind notwendige ergänzende Elemente. Nationale und EU-Netzwerke? sind anzustreben (vgl. beispielhaft das „Netzwerk gegen Gewalt“ > http://www.netzwerkgegengewalt.org. > Index/ Auswahl: Erwachsenenbildung, Migration in Österreich 1,2; Lehrgang Politische Bildung in der Erwachsenenbildung, Lehrgang Ökonomische Grundbildung in der Erwachsenenbildung; Interkulturelle Kompetenz; Erziehung, Gewaltprävention in der Erziehung; Netzbasiertes Lernen).

In dem angesprochenen Workshop ging es um die gesamtgesellschaftliche Bedeutung von Freiwilligenmanagement. Unabhängig von der Notwendigkeit zeigen sich Grenzen im Zeitbudget und in einer Ausbildung, besonders für verantwortungsvolle Tätigkeiten. Die Notwendigkeit und Bedeutung einer internen und externen Anerkennung wird deutlich, weil es um öffentliche Bildungsarbeit in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext geht.

Kompliziert ist die Aus-, Fort- und Weiterbildung, weil im Regelfall nur kurzfristige Aktivitäten angenommen werden und entsprechende Bildungsangebote zeitlich und finanziell auf Schwierigkeiten stoßen. Für die Erwachsenenbildung mit den Möglichkeiten an der „Weiterbildungsakademie Österreich“ erscheint eine entsprechende Personal- und Finanzausstattung überlegenswert. Am Beispiel Tirol zeigt es sich, dass kostengünstige Lehrgänge für die Erwachsenenbildung auch regional angeboten werden. Dies könnte durchaus auch für eine interne Fortbildung nützlich sein und anerkannt werden.

Zum Freiwilligenmanagement gehören bestimmte Aufgaben. Ziele müssen definiert sein, Leitbilder müssen Aussagen zur Bedeutung von freiwilligem Engagement enthalten. Das Engagement sollte Entfaltungsmöglichkeiten anbieten können. Dazu und zu Inhalten, deren Umsetzung und Rahmenbedingungen, bedarf es umfassender Informationen. Professionelle Regelungen ergänzen ein sinnvolles Engagement. Fachliche Begleitung und Unterstützung müssen entsprechen. Die Verbindung von Arbeiten und Lernen ist zu fördern. Entsprechende Qualifikationsangebote sind eine wesentliche Form der Anerkennung. Plädiert wird für qualifizierte Nachweise, die möglicherweise für ein berufliches Fortkommen genutzt werden können.

Eine Anerkennung der Tätigkeit erkennt man, unabhängig von Zertifikaten, Urkunden und dem notwendigen Gemeinschaftserlebnis, auch an einem externen Engagement in kultureller und gesamtgesellschaftlicher Beteiligung. Diese Form einer öffentlichen Aktivität gilt als ideale Form von zivilgesellschaftlichem Engagement und einer gesamtgesellschaftlichen Anerkennung. Regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit dokumentiert dieses Engagement.

Einem solchen Personenkreis sollte ein umfassendes Handlungs- und Lernfeld angeboten werden – für persönliche Entwicklung, den Erwerb von Fachkompetenz und die Einübung im öffentlichen Engagement (vgl. KNOLL 2003).

Eine Einführung für Interessierte und die Begleitung mit Unterstützungsmaßnahmen sollte Aufgabe eines Freiwilligenkoordinators sein. Ein so verstandenes Freiwilligenmanagement mit gesamtgesellschaftlichem Engagement stärkt evangelische Erwachsenenbildung bzw. Erwachsenenpädagogik, die Zivilgesellschaft und kann Interessierten als Vorbild für ein künftiges Engagement dienen.

7.9 Reflexion    

Für den Autor ist die thematische Ausgangsbasis

  • die Jahrzehnte lange Erfahrung in der Lehre (vgl. DICHATSCHEK 2017, 2018, 2019) und
  • die Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Schul-, Hochschul- und Erwachsenenpädagogik in Verbindung mit Politischer und interkultureller Bildung.
Bildungsmanagement ist ein junges Gebiet in der Kombination von Erziehungswissenschaft und Managementwissenschaft.

Bildungsprozesse in Form einer Umsetzung von Lehr- und Lerntheorien bestimmen die Bildungsbereiche von

Lehrende müssen befähigt werden,

  • planende und organisatorische sowie
  • pädagogische Herausforderungen aufzugreifen und
  • eine Gewichtung angemessen vorzunehmen.
7.10 Literaturverzeichnis Bildungsmanagement    

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Teil 2 - Führungkräfteentwicklung    

Vorbemerkung    

Vermehrte Eigenständigkeit und Eigenverantwortung im Kontext mit kontinuierlicher Professionalisierung von Führungskräften im Bildungssystem gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Der Beitrag soll die Führungskräfteentwicklung im Bildungssystem aufzeigen. Theorie, Praxis und Methoden sowie Konzepte zur Qualifizierung und Personalentwicklung werden exemplarisch vorgestellt.

Unter Bildungssystem werden Bildungsbereiche verstanden, also schulische und außerschulische Bildungsinstitutionen, wie

  • Schule, Schulleitung, Schulaufsicht bzw. Schulverwaltung > Schulautonomie und
  • Erwachsenen- (Allgemeine -, Berufliche) bzw. Weiterbildung (Hochschule, Universität) > Bildungsmanagement.
Zur Diskussion stehen die Qualität, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Bildungsmaßnahmen für die jeweilige Zielgruppe.

Führungskräfte in Bildungssystemen tragen Verantwortung für Managementbereiche und sind in der Folge Akteure für Innovationen bzw. Defizite.

Dies bedeutet in der Folge, dass Führungskräfte Experten für fachpädagogische Bereiche sein müssen.

Das Interesse (des Autors) bezieht sich

  • neben der schul- und erwachsenenpädagogischen Dimension mit Schul- und Bildungsmanagement - Schulentwicklung, Personalmanagement, Organisationspädagogik, Personalentwicklung, Nachwuchskräftegewinnung, Projektmanagement, Konfliktmanagement, Beratung, Fort- und Weiterbildung - insbesondere aufgrund der Ausbildung zum Schulentwicklungsberater und Erwachsenenbildner sowie der langjährigen Tätigkeit als Universitätslehrer (Berufspädagogik/ Aus- und Weiterbildung),
  • auf die Thematik einer zeitgemäßen Führungskräfteentwicklung als Grundlage für eine Qualifizierung, Personalentwicklung und Unternehmensführung in einer Zeit der Reformbestrebungen in schulischen und in außerschulischen Bildungssystemen (vgl. HINTERHUBER 1996/1997; MANDL - GERSTENMAIER 2000; NITTEL 2000; GIESECKE 2001; RUX 2002; LIPOWSKY 2004; ROSENBUSCH 2005; GÜTL - ORTHEY - LASKE 2006; WAHL 2006; DÖRING 2008; NOLDA 2008; HEYSE -ERPENBECK 2009; ROLFF 2009; HUBER 2013; ROLFF 2013).
Einleitung    

Führungskräfteentwicklung ist eine Aufgabe mit/ für (die) Zukunft. Das Änderungspotenzial ist ausbaufähig.

Gesellschaftlich bleiben die Zuschreibungen an die Veränderungspotenziale des Lernens stabil. Es gibt eine Bedeutungszuschreibung an Fort- und Weiterbildung ("lebensbegleitendes Lernen").

Lernen wird zunehmend aus einer Systemperspektive begründet.

Lernen dient nicht nur der Selbstverwirklichung (Alltagswissen, Berufswissen),

Lernen wird zu einem Mechanismus zur Regulierung der Zugehörigkeit zu bestimmten Systemen.

Daraus ergibt sich ein doppelter Bezug, subjektbezogen geht es um Bildung, Wissen und Nichtwissen, Sinn und Bedeutung > Selbststeuerung und systembezogen um Management von funktionsbestimmten Lernprozessen, ökonomische Handlungsweisen und Marktorientierung, zweckbestimmtes Handeln > Steuerungsmaßnahmen in Bildungssystemen.

Damit ergibt sich die Notwendigkeit einer Professionalisierung von Bildungsträgern und Bildungsanbietern. Der Führungskräfteentwicklung (Schul- und Bildungsmanagement) fällt eine professionelle und eigenständige Aufgabe zu.

Zu bedenken ist, dass dieser Prozess in der Regel bei laufendem Betrieb erfolgt und Schwankungen unterworfen ist(vgl. die Probleme mit Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in Schule bei Lehrenden, der Schulaufsicht und Schulverwaltung/ Verwaltungspädagoginnen und Verwaltungspädagogen sowie in der Erwachsenen- und Weiterbildung bei der Vielfalt Lehrender mit unterschiedlichen Qualifikationen).

Im Folgenden wird auf die Bereiche Schule und Gesellschaft, Erwachsenen- bzw. Weiterbildungsinstitutionen und Gesellschaft - Bildungsmanagement, Führung von Schulen und außerschulischen Bildungsinstitutionen, Führungskräfteentwicklung, Qualifizierungsmaßnahmen, Methoden und Modelle sowie curriculare Modelle der Weiterbildung eingegangen.

Literaturhinweise und eine Auswahl von IT - Autorenhinweisen vervollständigen den Beitrag.

1 Schule und Gesellschaft    

Qualität und Entwicklung von Schulen bzw. der Schulaufsicht hängen in hohem Maß von der Leistung der Schulleitung/ Schulaufsicht ab. Schulmanagement ist ein Erfordernis (vgl. HUBER 2011, 75-89; 2013, 5).

Die Ansprüche steigen mit bildungspolitischen Maßnahme' wie einer Erweiterung der Eigenverantwortung und Instruktionsaktivitäten etwa mit Schulversuchen zu Änderungen von Schulprofilen und Lehrerleistungen (vgl. FEND 1998).

Pädagogische Steuerungsmaßnahmen werden ein zentraler Faktor für die Qualität der Schule.

Fähige und gut geführte Schulleitungen bzw. Schulaufsichten im Kontext mit geeignetem Personal von Führungskräften, Lehrenden und motivierten Lernenden weisen auf den Zusammenhang von Leitungshandeln, Schülerleistungen, Selbstverständnis und Einstellung Lehrender sowie in der Folge auf die Qualität von Unterricht, Erziehung, Lehren und Lernen hin (vgl. GRAY 1990, 204-233).

Interne schulische Bedingungen mit Förder- und Unterstützungsfunktion von Führungskräften ergeben darüber hinaus eine zunehmende Professionalisierung der Lehrenden im Rahmen einer kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung, der Entwicklung einer kooperativen Schulkultur und positiver Veränderungsprozesse der Einzelschule.

Anforderungen aufgrund gesamtgesellschaftlicher Veränderungen im sozialen, kulturellen und ökologisch - ökonomischen Kontext

  • bedürfen innovativer Prozesse, um Schritt halten bzw. entgegen halten zu können.
  • Interkulturalität bzw. Multikulturalität sowie gesellschaftlicher Pluralismus mit ethnischer und kultureller Vielfalt und einer zunehmenden Globalisierung ergeben komplexe Zusammenhänge, die Schule mehrfach herausfordern (vgl. den IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz, Globales Lernen). Schule hat neben der Wissensvermittlung (ohne Monopolstellung )einen gesamtgesellschaftlichen Wertekonsens mit einem zeitgemäßen Fächerkanon bzw. Fächerverbünden aufzubauen, der in einer Schulgemeinde zu erstellen und jeweils zu aktualisieren ist (vgl. JONES 1987).
  • Schule fungiert (daher) mit ihrer Sozialisationsfunktion als Erziehungsinstanz und reagiert auf veränderte Familienstrukturen bzw. tritt mitunter anstelle von Familien.
  • Schulleitung bzw. Schulaufsicht und Schulverwaltung haben den gesamtgesellschaftlichen Auftrag, auf soziologische und demographische Gegebenheiten in der Ökonomie, Ökologie, Globalisierung und bei neuen Erkenntnissen der Bildungswissenschaft bzw. -politik zu reagieren (vgl. zur Rolle der Schulaufsicht ROSENBUSCH - SCHLEMMER 1997, 9-17).
  • Schulen und der Schulaufsicht bzw.- verwaltung ist/ wird auch ein Handlungsrahmen vorgegeben.
Gemeinsam vielen europäischen Bildungssystemen sind

  • Tendenzen vermehrter Dezentralisierung - Schulautonomie bzw. Eigenverantwortung - und Innovationsbestrebungen.
  • Als Gegenbewegung kommt eine gesetzlich und administrative Zentralisierungsbewegung - zentrale Einflussnahme und Kontrolle - zur Geltung. Qualitätssicherung (Qualitätskontrolle) ist ein wesentliches Bemühen wie Rechenschaftspflicht, externe Evaluationen, festgeschriebene Lehrpläne, standardisierte Testverfahren. Das einzufordernde Bildungsniveau wird als Schlüssel für eine positive sozioökonomische Entwicklung eines Landes angesehen.
Gleichzeitigkeiten von Dezentralisierung und Zentralisierungstendenzen erfordern wesentliche Eingriffe in die Schulorganisation. Neue Schwerpunkte und zusätzliche Aufgabenbereiche entstehen in der pädagogischen Führung und bei Führungskräften (vgl. HUBER 2013, 8-9).

Die Ansprüche an Einzelschulen steigen, das Rollenverständnis von Eltern ändert sich zu Kunden, Konsumenten und auch zu Partnern. Lehrende werden in die Schulgestaltung miteinbezogen, Schulgremien erhalten Mitspracherechte, wie es sich in Bezeichnungen wie "Local Management of Schools" und "Self - Governing School" äußert (wie in Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, Dänemark und den USA).

2 Erwachsenen- bzw. Weiterbildungsinstitutionen und Gesellschaft - Bildungsmanagement    

Im Folgenden soll zunächst auf die Bedeutung der Erwachsenen- bzw. Weiterbildungsinstitutionen eingegangen werden, bevor grundsätzliches zum Bildungsmanagement ausgeführt wird.

2.1 Erwachsenen- bzw. Weiterbildung    

Einrichtungen und Organisation der Erwachsenen- (EB) bzw. Weiterbildung (WB) müssen in einer ständig ändernden Gesellschaft bestehen können.

EB/WB stellt Theorie und Praxis vor Herausforderungen.

  • Die Beziehung von Lehrenden und Lernenden ist eine Beziehung zwischen Mündigen. Es gibt keine Erziehung, der Adressatenkreis (Klientel) sind Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Lernende.
  • Es geht um Bildung, Qualifikationen und Erwerb von Kompetenzen.
  • Die Organisation der EB ist pluralistisch, es geht um das Bestehen am Bildungsmarkt. Den gesetzlichen Rahmen regelt der Staat.
  • Es ergeben sich für die EB und WB besondere Aufgabenstellungen. Die Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft fordert Mündigkeit, die Berufspädagogik Fachwissen und Kompetenzen, das Bildungsmanagement Konkurrenzfähigkeit und Markttauglichkeit.
In dieser Interdisziplinarität geht es um die Herausforderungen

  • der jeweiligen Situation (Situationsanalyse),
  • Darstellung veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen (Gesellschaftsanalyse),
  • den sich ändernden Wirtschaftsrahmen (Wirtschaftsanalyse) und
  • um Ziele und Zielkonflikte in den angesprochenen Fachbereichen (Lernzielanalyse).
Gefordert ist daher eine theoretische Abklärung der Theorien der Organisation und der Veränderungen auf ihre Brauchbarkeit und Ergebnisse, die zu pragmatischen Entwicklungsprozessen führen.

EB ist mit dem Verband Österreichischer Volkshochschulen, dem Ring Österreichischer Bildungswerke, dem Forum Katholischer Erwachsenenbildung, dem Verband Gewerkschaftlicher Bildung, dem Büchereiverband und den sozialpartnerschaftlichen Bildungsträgern - Ländliches Fortbildungsinstitut/ LFI, Wirtschaftsförderungsinstitut/ WIFI und Berufsförderungsinstitut/ bfi sowie der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft - ein Bestandteil des quartären Bildungssektors.

Der Bildungsauftrag bezieht sich auf die jeweilige Lebensumwelt, das Alltags- und Berufswissen sowie explizite Wissens- und Haltungsbereiche wie Gesundheit, Politische Bildung und Kreativität.

Zunehmend von Bedeutung wird das Nachholen von Bildungsabschlüssen und erwachsenenpädagogische Bemühungen bei der Integration von Zuwanderern. Weltanschauliche Offenheit und Orientierung an der Lebenswelt'' der jeweiligen Klientel sind erwachsenenpädagogische Erfordernisse und bedeuten gesellschaftliche Mitverantwortung im allgemeinen und beruflichen Bildungsprozess Erwachsener.

Benötigt werden in der EB und WB Professionalisierungsprozesse und Weiterbildungsmaßnahmen der Lehrenden, Profitbildung des Programmangebots und Verbesserung der Ressourcennutzung mit Qualitätssicherung durch Kooperation in Form von Erfahrungsaustausch, gemeinsamem Marketing und gegenseitiger Beratung in Verwaltung und Programmplanung.

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen in der EB und WB beziehen sich auf Veränderungen der demokratischen Gesellschaft. Am Beispiel der Transformation der Arbeitsgesellschaft lässt sich der Veränderungsprozess darstellen (vgl. IT -Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung).

Für Bildungseinrichtungen hat dies Konsequenzen.

  • Ihre Rolle wird zunächst aufgewertet, weil Bildungsmaßnahmen verstärkt notwendig werden ("lebensbegleitendes Lernen"/ EU - Lissabon 2011). Dieses Lernen soll gemäß der EU - Forderung für unterschiedliche Arbeitsmöglichkeiten fit halten. Demnach soll es für verlängerte erwerbszeitfreie Zeit auf neue Beschäftigungsfelder vorbereiten.
  • Bildung wird als Dienstleistung auf einem Bildungsmarkt verstanden. Ökonomische, inhaltliche und methodische Konkurrenz ist vorhanden.
  • Gefragt und gefordert ist durch die Pluralisierung der Arbeitsformen und Berufsbilder, Individualisierung von Arbeitsbedingungen und geringe Halbwertzeiten berufsspezifischen Wissens eine berufliche Grundbildung. In der Folge ist jedenfalls Fortbildung notwendig, Weiterbildungsmaßnahmen zur Höherqualifizierung sind zunehmend wünschenswert geworden.
  • Bildungseinrichtungen verändern sich durch neue Arbeitsmodelle, flexible Arbeits- und Lernformen.
  • Der interdisziplinäre Ansatz einer zeitgemäßen EB bzw. WB geht von einer bildungswissenschaftlichen Perspektive aus. Dies zeigt sich daran, dass Lern- und Bildungsprozesse die Einzelbiographie betreffen.
  • Zusätzlich ergibt sich als Herausforderung die Europäisierung und Internationalisierung mit dem Bestreben einer Harmonisierung der Bildungssysteme. Es geht um Anerkennung von Bildungsabschlüssen. EU - Bildungsprogramme fordern neue Bildungselemente in Europa ein. Netzwerkarbeit, EU - Projekte und internationale Aktivitäten bei Tagungen und europaweiten Studien erweitern die Möglichkeiten.
2.2 Bildungsmanagement    

Die angestrebte Entwicklung führt in der Folge zu einer vermehrten Professionalisierung von Bildungsträgern und Bildungsanbietern mit der Zielsetzung, Berechtigungen insbesondere über Bildungsabschlüsse und berufliche Kompetenzen zu vergeben. Im Managementbereich kommen Teilbereiche wie Marketing, Qualitätssicherung, Finanzierung und Führung zur Geltung (vgl. PIELER 2003).

Die von der EU geforderte Arbeitsfähigkeit ("Employability") wird zur täglichen Aufgabenstellung von Lehrenden, dem Bildungsmanagment und Beratungspersonal.

Damit kommt es zu einem Paradigmenwechsel. Allgemeine EB verliert an Bedeutung, Berufliche EB bzw. Weiterbildung wird forciert. Von der Systemseite wird Lernen zu einer professionellen und eigenständigen Aufgabe (vgl. GÜTL - ORTHEY -LASKE 2006, 3).

Der Begriff Bildung als zentrale Begrifflichkeit der Aufklärung mit dem Ziel einer Autonomie und Freiheit des Geistes verbindet sich mit dem Begriff Ökonomie und Management als Synonym für die Vorrangstellung von Geld und Marktbeherrschung. Bildung verlangt Wissen (über Lernprozesse), Management Zahlung und Markt (vgl. DECKER 2000).

Diese Gleichzeitigkeit kann durchaus eine Bereicherung darstellen. Spannungsfrei wird die Beziehung nicht sein können. Diese Ambivalenz bedeutet jedenfalls pädagogische Ressourcen zu nutzen und ökonomische Professionalisierung zu gestalten. Pädagogik und Ökonomie sind als Partner gefordert (vgl. den IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Ökonomische Grundbildung in der EB).

3 Führung von Schulen und außerschulischen Bildungsinstitutionen    

Pädagogische Führungskräfte sind ein eigener Beruf mit einem eigenen Berufsbild, einem entsprechenden Zeitbudget und Status mit zugeschnittenem Qualifizierungsniveau. Kritisch wird vermerkt, dass dies nicht immer zu angemessenen bildungspolitischen und praktischen Konsequenzen führt.

In der wissenschaftlichen Beschäftigung gilt die Einsicht, dass die zentrale Bedeutung für die Bildungsqualität und ihre Entwicklung bei den Leistungen der Führungsqualität liegt (vgl. für Schulen HUBER 2011, 75-89; 2013, 5).

Eigenverantwortung von Schulen erhöhen die Ansprüche an schulische Führungskräfte. Empirische Schulwirksamkeitsforschung untermauert deren Bedeutung (vgl. beispielhaft für Großbritannien: REYNOLDS 1976, 217-230; SAMMONS - HILLMAN - MORTIMORE 1995; für die USA: TEDDLIE - STRINGFIELD 1993; für die Niederlande: SCHEERENS - BOSKER 1997; für den deutschsprachigen Raum: FEND 1998; HUBER 1999, 10-17; ROLFF 2013). Fehlentwicklungen bei Schulen werden mit ungeeignetem schulischen Führungspersonal verbunden (vgl. ROSENBUSCH - SCHLEMMER 1997, 9-17).

Zwar kann man von einer direkten Beziehung zwischen Führungskräftehandeln und dem Leistungsverhalten Lernender bzw. Studierender nicht ausgehen, jedoch auf Auswirkungen auf die Institutionenkultur und das Selbstverständnis Lehrender mit ihren Einstellungen, ihrem Verhalten und ihrer Motivation. Damit kommt es zu Wirkungen auf die Unterrichtspraxis und Lerneffekten bzw. der Qualität von Lehre und Lernen.

Pädagogische Führung ist eine der klarsten Aspekte der Wirksamkeitsforschung (vgl. HUBER 2013, 6).

Pädagogische Führungskräfte werden als Schlüsselfiguren bezeichnet, sie können Entwicklungsprozesse fördern bzw. blockieren. Als "Change Agents" tragen sie Verantwortung für Veränderungsprozesse.

3.1 Aufgabenerweiterung von Leitungen von Bildungsinstitutionen - Leadership    

Zu den tradierten Aufgabenfeldern von Bildungsinstitutionen kommen neue Tätigkeitsdimensionen hinzu, etwa Finanzierungsplanungen, der Auswahl und Einstellung des Personals und Öffnungen zum regionalen Umfeld; zusätzlich bei Schulen zur Elternschaft und politischen Gemeinde(n) sowie zur Wirtschaft mitbestimmend und mitverantwortlich in Schulgremien.

Damit diese Aufgaben bewältigt werden können, bedarf es erweiterter Kompetenzen.

Bereits in den siebziger bis neunziger Jahren wird das Rollenbild von Leitungsorganen von Bildungsorganisationen, bespielhaft bei Schulen, als sehr komplex dargestellt, womit von einer neuen "Rolle" gesprochen werden kann (vgl. KATZ 1974, 90-102; JONES 1987; CALDWELL - SPINKS 1992; JIRASINGHE - LYONS 1996; HUBER 2013, 12-13).

Als Aufgaben ergeben sich zwei zentrale Bereiche, einerseits die Tätigkeiten innerhalb der Bildungsinstitutionen personalbezogen und andererseits außerhalb der Bildungsinstitution die Pflege des gesellschaftlichen Umfeldes und der Verwaltung der Ressourcen.

Damit stellt sich auch die Notwendigkeit einer Umsetzung moderner Führungskonzepte, um den Rollenerwartungen gerecht zu werden (vgl. HUBER 2013, 17-18).

- Tätigkeitsbereiche innerhalb der Bildungsinstitution

Organisationsentwicklung - Entwicklungs- und Verbesserungsprozesse ("Change Agent"),

Personalentwicklung - Arbeitgeberfunktion ("Staff Manager"), Fort- und Weiterbildung des Personals, Bildung kompetenter und kooperativen Teams, Bildung einer Lehr- und Lernkultur sowie eines professioneller Dialogs,

"People Person" - Rolle als Ansprechpartner für Lehrende und Lernende,

Lehrender - Kontakt mit Lernenden, Erprobung von didaktischen Konzepten, Sensibilität für Unterricht bzw. Lehre und

Vorbildfunktion - korrektes Verhalten, pädagogische Grundüberzeugung, Selbstkritik und professionelle Entwicklung.

- Tätigkeitsbereiche außerhalb der Bildungsinstitution

"homo politicus" - Verständnis für Interessen, Position der Bildungsinstitution, demokratisches Verhalten,

Repräsentant - Vertretung der Bildungsinstitution, Imagepflege, Öffentlichkeitsarbeit und

Vermittlerfunktion - Mediator - Abbau von Spannungen, Bindeglied zwischen internen und externen Interessen und unmittelbarer Ansprechpartner

- Verwaltung von Ressourcen

Verwalter und Organisator - Managerfunktion in Verwaltung, Organisation und Koordination,

Gebäudemanager - Finanzierungssicherung, Gebäudeunterhalt und Architektur sowie

Unternehmer - Verwaltung des Budgets, Anbieter von Veranstaltungen, Teilnahme an nationalen und internationalen Projekten.

- - -

Führungskonzeption - Führungsverhalten/ Leadership

Transactional Leadership - Betonung auf Verwaltungsarbeit

Transformational leadership - Betonung auf Veränderungsprozesse

Integral Leadership - Verbindung von Führungs- und Leitungs- bzw. Verwaltungsaufgaben

Instructional Leadership - Betonung auf Lernfortschritte der Lernenden

Distributed Leadership - Betonung auf ein kooperatives Führungsverhalten in der Leitung der Bildungsinstitution

Erfolgreiche Leitungen von Bildungsinstitutionen beinhalten eine normative Dimension. Grundlegende Werte der gesellschaftlichen Grundordnung und des situativ - sozialen Kontextes von Bildungsarbeit werden im pädagogischen Führungsverhalten miteinbezogen (vgl. FEND 1981, 377-387).

Demokratie als Ziel von Bildung und Erziehung müssen im Alltag integriert sein. Demokratische Werte müssen auch gelebt werden (vgl. ROSENBUSCH - SCHLEMMERT 1997, 9-17; ROSENBUSCH 2005; vgl. den Bildungsauftrag von Politischer Bildung - dazu der IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Theorieansätze der Politischer Bildung).

3.2 Handlungsfeld Schulmanagement    

Schulmanagement ist professionelles Management schulischer Tätigkeiten und deren Sicherung und Qualitätsentwicklung (vgl. HUBER 2013, 20). Zentrale Aspekte sind die Planung, Organisation, Koordination, Steuerung und Kontrolle von Bildungs-, Erziehungs- und Unterrichtsprozessen (Schule als pädagogische Handlungseinheit; vgl. FEND 1981, 126-390).

Schulmanagement geht von der standortgebundenen Schule aus, mit der die Einzelschule und die Akteure konfrontiert sind. Schule und Schulmanagement sind situativ kontextgebunden. Geklärt wird, welche Personen mit welchen Aufgaben in welcher Form und Struktur bestimmte Prozesse durchführen. Bei einer Erweiterung der Eigenverantwortlichkeit der Einzelschule ergeben sich komplexe Aufgabenbereiche mit Handlungsfeldern, die im Folgenden angesprochen werden (vgl. HUBER 2013, 21-22).

Unterricht und Erziehung

Die Verantwortung liegt bei der Lehrenden. Gesichert werden muss das Niveau des Unterrichts, die Unterrichtsentwicklung und Arbeitsstrukturen, kollegiale Zusammenarbeit und Austausch von Praxiserfahrungen.

Personal

Personalbestand und Personalbedarf sorgen für die Aufgabenerfüllung von Schule. Fort- und Weiterbildung des Personals erweitern nicht nur die persönliche Fachkompetenz, ebenso auch die Kompetenz des Kollegiums.

Organisation

Pädagogisches Handeln muss wirksam werden können. Organisationsgestaltung orientiert sich am Auftrag der Schule und Zielvorstellungen (Schulprogramm, Leitbild).

Qualitätsmanagement

Dies ist ausgereichtet auf die Lernwirksamkeit des Unterrichts und Ergebnisauswertung zum Zweck von Verbesserungsmaßnahmen. Qualitätssicherung bedeutet Evaluierung, in der Folge Maßnahmen zur Optimierung.

Kooperation

Eine Eigenständigkeit (Autonomie) der Schule bedeutet mehr Kommunikation innerhalb und außerhalb der Institution mit der Schulaufsicht, Schulträgern, Eltern, der Wirtschaft, öffentlichen Institutionen und den Medien.

Man bedient sich einer Öffentlichkeitsarbeit zur Stärkung des Prestiges und der Wettbewerbsfähigkeit.

Kooperative Arbeitsformen wie ressourcenökonomische Sitzungen und faire Arbeitseinteilung fördern das Arbeitsklima.

3.3 Kooperative Führung von Bildungsinstitutionen    

Ein Blick auf die Realität zeigt, dass kooperative Führung kaum vorhanden ist, schon gar nicht in Schulen (vgl. HUBER 2013, 24).

Die Begrifflichkeit entstammt der Managementliteratur außerhalb der Schule und gilt als mehrdeutig.

WUNDERER - GRUNWALD (1980) sehen die Bedeutung in der Wechselseitigkeit und Selbstverwirklichung. LIEBEL (1992, 109-161) sieht zielorientierte soziale Enflussnahme zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben, stukturiert und in wechselseitiger Einflussnahme sowie konsensfähiger Gestaltung der Arbeits- und Sozialbeziehungen als organisationale und kooperative Perspektive.

Nach KANSTEINER - SCHÄNZLIN (2002, 47) basiert kooperative Führung auf der Vorstellung, dass die Führungsfunktion im Miteinander der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestaltet wird und eine hohe Intensität der Entscheidungsbeteiligung aufweist.

Kooperative Führung ist ein umfassendes Konzept, weniger ein Führungsstil. Im Mittelpunkt stehen Kooperationserfordernisse (Verhalten) und Möglichkeiten mit fördernden Strukturen (vgl. HUBER 2013, 25-26).

Zum Verhalten gehören Einstellungen, Werte, Haltungen und Eigenschaften, Selbstkonzept und Kompetenzbewusstsein sowie Kenntnisse und Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Zur Struktur gehören Führung in geteilter Verantwortung und Streuung von Führungsverantwortung.

Dazu gehören nicht nur Zielvorgaben, ebenso gemeinsame Zielvereinbarungen. Eine Zielintegration als gegenseitige Abstimmung der Leistungsziele der Organisation und der eigenen Ziele ist wesentlich.

In diesem Konzept zeigt sich die Notwendigkeit einer ausgeprägten Sozialkompetenz mit wechselseitigem Vertrauen, Unterstützung und Partnerschaft.

Voraussetzung ist die Bereitschaft und das Engagement aller Beteiligten, ein reflexives Verhalten und die Einsicht zu Modifikationen. Es bedarf entsprechender organisatorischer Strukturen, um eine Streuung von Führungsverantwortung (etwa Schulleiter - Stellvertretung - Fachbetreuer; Steuergruppe) und Führung in geteilter Verantwortung (Pädagogische Leitung - Verwaltungsleitung) umzusetzen.

In der internationalen Fachdiskussion hat sich die Begrifflichkeit "distributed leadership" etabliert. Als Grundidee neben den angeführten Dimensionen gilt, dass Führung als dynamischer Prozess der Einflussnahme auf die Organisationspraxis aufgefasst wird. Leitung bzw. Führung ist eine Funktion, weniger eine Rolle bzw. Position (vgl. HARRIS 2008, 172-188).

"Distributed leadership" ist demnach eine Art konzertierte Aktion. Das bedeutet eine Absage an funktionsbedingte Hierarchien (Anordnung - Ausführung). Das bedeutet aber auch eine große Verantwortungsbereitschaft des Einzelnen, berufliche Weiterentwicklung, Fort- und Weiterbildung, Reflexion, kollegiale Kooperation, Feedback - Bereitschaft und -annehmen, Vertrauen und Selbstvertrauen, letztlich gemeinsames Lernen.

Die Realität zeigt sich vielfältigen Mischformen (vgl. COURT 2003; HUBER 2013, 29-30). Beispiele dafür sind nach COURT (2003) Führungsaufgaben durch Einzelpersonen - Zweiergruppen (pädagogische und administrative Leitung/ Schulen in North Carolina/ USA, Mann - Frau -Team/ Niederlande und Job - Sharing/ Ehepaar in Leicester/ UK), Einzelpersonen in größeren Gruppen (mehrere Frauen im UK/ Schul- und Bildungszentrum mit Kindergarten, Grundschule, Sekundarstufe I, Gemeindebibliothek, und Erwachsenenbildungsinstitution - Funktionsabstufung in Form von zwei Schulleiterinnen, zwei Stellvertreterinnen, eine Geschäftsführerin), und Lehrerteam mit Führungsverantwortung oder durch das gesamte Kollegium (Aufgabenverteilung untereinander/ Kalifornien/USA; "Leitungskollektiv" aus allen Lehrkräften in Kleinschule/ Norwegen, Neuseeland).

Vorteile bzw. Bedingungen von "distributed leadership" zeigen sich nach GRONN (2002, 653-696) in der

  • Reduktion von Stress und Isolation,
  • Chance der Professionalisierung,
  • Nutzung personaler Ressourcen und Synergieeffekte,
  • höheren Anzahl bis zu Ende geführten Projekte,
  • offenen Kommunikation,
  • Vereinbarung grundlegender pädagogischer Vorstellungen und Umsetzungsmöglichkeiten
  • kontinuierlichen Reflexion,
  • Bereitschaft zur Teilung von Verantwortung bzw. Rechenschaftsverpflichtung und
  • gegenseitigem Vertrauen und Achtung.
Leitungen von Bildungsinstitutionen - insbesondere von Schulen - stehen an der Schnittstelle zwischen der Hierarchie der Bildungsverwaltung einerseits und einer komplexen Hierarchie innerhalb der Bildungsinstitution andererseits.

Schulisch zeigt sich dies in weitgehend gleich ausgebildetem Personal mit geringen Besoldungsunterschieden und fast gleicher Zieltätigkeit (vgl. Schulleiter geben teilweise auch Unterricht).

Diesem Mix, eigentlich gut für Kooperationen geeignet, steht strukturell eine Handlungsrationalität mit Hemmnissen im Wege (vgl. KANSTEINER - SCHÄNZLIN 2002), etwa

  • die Einteilung in Klassen- und Lerngruppen,
  • fehlende Zeitfenster, mitunter ungünstige Räumlichkeiten,
  • das "Autonomie - Paritäts - Muster" (d.h. gleiche Lehrende, keine Einmischung in die Arbeit des anderen),
  • Missverständnisse mit dem Begriff "Kooperation" (Gleichmacherei, Einschränkung der eigenen pädagogischen Freiheit mit Aufgabe des individuellen Stils, Vielrederei mit wenig Ergebnissen),
  • Furcht vor der Störung des gewohnten Ablaufes,
  • mangelhafte Professionalisierung mit einem zu engen Verhältnis von "ich und meine Klasse" und
  • ungünstige Gestaltung vorhandener Gremien (auf Grund fehlender Professionalisierung).
Zu bedenken ist auch, dass Lehrende in Schulen zumeist mit ihrer "Lehrverpflichtung" ausgelastet sind (wie Unterricht/ Vorbereitung - Korrekturen, Konferenzen - Dienstbesprechungen und Fortbildung).

Kooperative Führung in allen Bildungsbereichen bedarf (zunächst) konkreter Strukturen, damit zeitliche Grundlagen für mehr Partizipation an Führungsaufgaben geboten und gesichert ist. "Zu bedenken ist: Alle Änderungen in der Leistungsstruktur haben nur dann einen Sinn, wenn sie das pädagogische Handeln verbessern und damit die Zieltätigkeit erleichtern und bereichern" (HUBER 2013, 37).

Geht man von der Zielvorstellung aus, dass kooperative Strukturen alle Ebenen und nicht auf die Einzelschule beschränkt sein können, so setzt das ein grundlegendes Umdenken bei allen Akteuren auf allen Ebenen voraus. Ein wünschenswertes demokratisches Ziel wäre vermehrte Partizipation (Mitgestaltung, Mitverantwortung).

3.4 Leadership    

Bildungsgerechtigkeit kann nur von professionellen Akteuren - Einzelpersonen und Institutionen - erbracht werden, wenn alle im Bildungssystem, also auch die Verwaltung, Politik und Gesellschaft, ihre Verantwortung übernehmen. Die Schule spielt eine zentrale Rolle, liegt sie doch in der Verantwortung des Staates und verbringen die Lernenden etwa 15 000 Stunden ihres Lebens als Schülerinnen und Schüler in diesem Bildungssystem (vgl. HUBER 2013, 40).

Bildungsgerechtigkeit benötigt darüber hinaus ein kohärentes Gesamtsystem, in dem abgestimmt aufeinander alle Akteure ihren Beitrag leisten (vgl. die Stellungnahmen der Sozialpartner in Österreich zu Schulreformbestrebungen). Im Hinblick auf eine Governance-Perspektive? sind die Führungskräfte der verschiedenen Einrichtungen bzw. Institutionen in den verschiedene Systemebenen in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung gefordert.

In der Folge geht es um schulische und außerschulische Vernetzungen, Bildungsregionen und das System Leadership in einigen Ländern mit Führungskräften, die innovative professionelle Lerngemeinschaften aufbauen und staatliche Unterstützung in Reformen bzw. Unterstützungen erhalten (vgl. HUBER 2013, 40-46).

3.4.1 Schulische Vernetzung    

Auch im deutschsprachigen Raum werden Schulnetzwerke gegründet. Kooperationsverbindungen im Bildungsbereich entstehen mit unterschiedlichen Zielen (vgl. HUBER - KREY 2007). Das zentrale Anliegen, die Lehrerprofessionalität und Qualitätsentwicklung der Schulen zu unterstützen, dient der Bewältigung der beruflichen Herausforderungen (vgl. SOLZBACHER - MINDEROP 2007).

Nicht wenige Schulnetzwerke entstehen als Modellvorhaben. Begrenzte Zeitdauer und mitunter verschiedene Träger (auch als EU-Bildungsprogramme?) schließen Schulen zusammen, wobei Anregungen für eine eigene Schulentwicklung sich ergeben (vgl. SOLZBACHER - MINDEROP 2007, 4).

Die Chance, komplexe Fragestellungen gemeinsam mit Partnern zu klären, die in der Komplexität des Schulalltags einer Einzelschule nicht beantwortbar sind, har eine wesentliche Bedeutung bekommen, zumal öfter als vermutet Fachspezialistentum fast in jeder Schule vorhanden ist. Anregungen für Fort- und Weiterbildung ergeben sich ebenso.

3.4.2 Bildungsregionen    

Bildungsregion umfasst in der Begrifflichkeit "[...]eine strategische Allianz verschiedener Einrichtungen, Behörden und Schulen zur Gestaltung von Bildungsbiographien vom Kindergarten bis zur Studier- oder Berufsfähigkeit junger Erwachsener" (HUBER 2013, 41).

Diese regionalen Verantwortungsgemeinschaften entwickeln institutionalisierte Kooperationsformen als Austausch-, Qualifizierungs- und Zusammenarbeitsplattformen. In der horizontalen Dimension geht es alle Bildungsbereiche, Jugendtreff - Institutionen, Vereine und Familie, vertikal um Kooperationen von Schularten oder um Schulnetze mit bestimmten Aufgabenstellungen.

Ein gutes Übergangsmanagement soll die Übergänge zwischen den Bildungseinrichtungen durch Kooperationsformen als funktionierende Bildungsketten gestalten. Dies bedeutet etwa, dass Kindertagesstätten, Kindergarten, alle Bildungsbereiche bis zur Berufsbildung eine verstärkte Bildungskooperation betreiben.

Unterschieden werden drei Stufen der Vernetzung (vgl. SOLZBACHER - MINDEROP 2007):

  • Kooperation von mindestens zwei Partnern, meist zeitlich begrenzt und ohne Institutionalisierung,
  • regionale Schullandschaften, die systematisiert, organisiert und institutionalisiert bestehen und
  • Bildungsregionen, bei der alle schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen vernetzt sind. Hier können von Geburt an bis zum Berufsleben alle Einwohner eine optimale begleitende Förderung und Qualifizierung erhalten.
Für alle Partner in einer solchen Kooperation besteht in den Synergien für ihre Arbeit ein vertiefender Einblick in die jeweiligen pädagogischen Bemühungen, also vom Elementarbereich bis zur Erwachsenen- bzw. Weiterbildung.

3.4.3 System Leadership    

International gilt das "System Leadership" als Konzept der Systementwicklung (vgl. HUBER - ROLFF 2010, 43-58). "Gemeint ist eine Praxis, in der der einzelne pädagogische Einrichtungen über ihre eigene Organisationsgrenzen hinaus tätig werden, damit das Bildungssystem als Ganzes profitiert" (HUBER 2013, 42).

Das Phänomen des Auseinanderklaffens von guten und schlechten pädagogischen Einrichtungen soll verhindert werden. Gegenseitige Unterstützung zugunsten einer positiven Entwicklung wird angestrebt.

Pädagogische Führungskräfte ergreifen Kooperationsmöglichkeiten, innerhalb der Organisation oder zwischen den Einrichtungen.

Das Beispiel England weist auf die geschickte Verknüpfung von professioneller Expertise und Engagement von Lehrenden und Verwaltenden bei Reform- und Entwicklungsprogrammen für Lernende in der jeweiligen Region und systematischer Bildungssystem - Entwicklung (vgl. HOPKINS 2010, 211-224; vgl. HUBER 2013, 43 ).

Zu beachten die große Bandbreite der Möglichkeiten für Führungskräfte und ihre Einrichtungen, um zu kooperieren. Unterschiedliche Kooperationsmöglichkeiten und Rollen von "System leaders" lassen sich erkennen (vgl. HOPKINS 2008, 21-35):

  • Mitwirkung an Schulentwicklungsberatung und Modellvorhaben an anderen Schulen,
  • regionale Bildungslandschaften mit "community leaders" etablieren (vgl. die zu etablierende "Entwicklungsberatung" in Österreich/Stand Mai 2014),
  • Kooperationen mit besonders belasteten Schulen(herausforderndes soziales Umfeld, interne Bellastungssituationen),
  • Übernahme der Leistung eines Schulentwicklungsprogrammes an belasteten Schulen und
  • Bildungspartnerschaft in Form eines rechtlichen Zusammenschlusses von Schulen ("federations" mit gemeinsamer Leitung und Rechenschaft).
  • Zentral behandelt werden die pädagogische Praxis, Lerngemeinschaften und die Organisationsentwicklung.
Die Rolle der Führungskräfte betont strategische Führung.

  • Zunächst wird ein Leitbild erarbeitet und in der Folge die konkrete operative Arbeit begonnen.
  • Gemanagt werden die Beziehungen mit der Umgebung, der Gemeinden und dem Bezirk, anderen Schulen, Eltern, der lokalen Wirtschaft, Forschung und Partnern, die finanziell und technisch unterstützen können.
"Die Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler an der Klassenzimmertür oder am Schultor abzugeben, war noch nie die Haltung engagierter Pädagogen[...]Insofern ist System Leadership nichts eigentlich Neues, aber systematischer angelegt und mit der klaren Aussage, dass es zwar der Initiative und des Engagements einzelner Pädagogen bedarf, um als System Leader zu wirken, dass ohne gezielte und verlässliche Unterstützung 'von außen' das aber nicht zu leisten ist" (HUBER 2013, 45-46).

Außerschulische Faktoren haben, wie bereits erwähnt bei den sozioökonomischen Bedingungen einer Sozialisation, große Auswirkungen auf einen Schulerfolg. Elternarbeit/Elterntrainings?, Erziehungskurse, Armutsverringerung und interkulturelle Bildung sind beispielsweise zu beachtende Aspekte.

Es ist davon auszugehen, dass eine nachhaltige Entwicklung der pädagogischen Einrichtungen nicht möglich ist, wenn sich nicht das ganze System entwickelt (vgl. FULLAN 2009, 101-113; HUBER 2013, 46-47).

3.5 Konfluente Leitung    

Konfluenz bedeutet nach dem Fremdwörterbuch "Zusammenfluss (mehrerer gleichrangiger Ströme)". Das Leitungskonzept, das im Folgenden dargelegt wird, trifft dies gut. "Strom" meint einen Prozess, vermittelt damit auch die Begriffe Energie und Synergie (vgl. die Begrifflichkeit in den USA "confluent education"; HUBER 2013, 55).

Konfluente Leitung teilt Führung auf, praktiziert Co - Management und verbindet alles situativ. Pädagogische Führungskräfte schätzen ein, was für ein Potenzial bei Lehrenden bzw. Mitgliedern von Kollegien vorhanden sind.

Leitungstätigkeit umfasst Führung, Management und Steuerung.

3.5.1 Führung    

In der Analyse und Darstellung zu Führung unterscheidet man zwischen personal-interaktiver und strukturell -systemischer Führung (vgl. WUNDERER 2005, 5).

Personal-direkte Führung bezieht sich auf einzelne Personen. Anregungen, Hinweise, Auftragsvergabe und Anweisungen kennzeichnen das Spektrum. Grundlage von Führung ist die Akzeptanz von Personen, sich führen zu lassen, zumal Anweisungen unterlaufen werden können und Aufträge einer Interpretation unterliegen und Motivation benötigen. Lehrende lassen sich eher ungern führen, "[...]weil sie sich auf eine professionelle Ausbildung berufen, die sich von der der Führungskräfte nicht unterscheidet, und sie aus dem Studium wissen, dass zur Ausübung eines pädagogischen Berufs ein gewisses Maß an Autonomie gehört" (HUBER 2013, 50).

Umgekehrt wird argumentiert, dass wirksame Führung nicht auf Anordnung, vielmehr auf Überzeugung und Vorbild beruht. Wirksam wird Führung, wenn professionelle Führungsmittel eingesetzt werden (Mitarbeitergespräche; Zielvereinbarungen/ verschriftlicht, regelmäßige Überprüfung; Mitarbeiterfort- und -weiterbildung).

Strukturelle Führung ergänzt über Struktursetzungen wie Organigramme, Geschäftsverteilung, Zuständigkeiten, Leistungsverträge und Zielvorgaben den Aufbau einer Innengliederung. Strukturelemente sind Klassen- bzw. Lehrgangsteams, Jahrgangsstufen bzw. Schulstufen und Fachgruppen bzw. Leistungsgruppen sowie Dienstbesprechungen und Konferenzen.

Bildungsinstitutionen zu führen bedeutet heute, kaum mehr allein leiten zu können (vgl. HUBER 2013, 51). Verteilte Führung ("distributed leadership") ist daher ein aktuelles Thema geworden ( vgl. HARGREAVES - FINK 2005, 24). Verteilte Führung bringt Personen in Führungspositionen, die in der Folge zu Führungskräften angeleitet werden können. Intern werden Führungskräfte damit zu "leader of learners".

3.5.2 Management    

Bezieht sich Führung eher auf das Personal, betrifft das Management eher sich auf Sachen. Hier geht es um die Betriebs- bzw. Institutionsleitung, Management von Projekten - Budget - Konflikte - Gesundheit - Changemanagement.

Ressourcenbeschaffung und deren Nutzung, die Bewältigung des Nachrichtenverkehrs, die Gebäudenutzung und Sicherheit, Statistik und das Zeitmanagement sind zentrale Elemente. Weil nicht alles allein zu erledigen geht, bedarf es eine Co -Managements, wobei zwei Varianten anwendbar sind. In einer erweiterten Leitung arbeiten alle Funktionsstelleninhaber zusammen. Es kann auch die Personalvertretung Verantwortung für das Management der Schulentwicklung übernehmen bzw. nur mitwirken.

Auch hier entstehen Führungskräfte, was etwa im schulischen Bildungsbereich - mit Ausnahme in höheren Schulen mit Administratoren und Abteilungsvorständen - bisher wenig etabliert ist (vgl. HUBER 2013, 53).

3.5.3 Steuerung    

Im Kontext mit Schulentwicklung entstand der Steuerungsbegriff.

Erhält eine Bildungsinstitution Gestaltungsautonomie, kommt es zu Weiterentwicklung und der Notwendigkeit, Realisierungsprozesse zu steuern. Neben der Leitung der Bildungsinstitution kann auch eine Steuerungsgruppe hier tätig sein.

Steuerungsgruppen gehören nicht zum Führungssystem und Co - Management. Entschieden wird über Prozessfragen im Rahmen von pädagogisch-organisatorischen Entwicklungsmöglichkeiten, legitimiert durch Beschlüsse von Gremien bzw. der Leitung der Bildungsinstitution (vgl. etwa in Schulen durch das Kollegium bzw. die Schulleitung. Von Interesse wäre die Praxis von "distributed leadership").

3.5.4 Zusammenfassung - Reflexive Phase    

Spannend ist die Frage nach der Zusammenführung der Einzelaktivitäten zu einem handlungsorientierten Ganzen.

Dazu gehören

  • das Leitbild der Bildungsinstitution bzw. Profil,
  • das Führungsleitbild,
  • die Feedback - Kultur,
  • der Masterplan einer Schulentwicklung bzw. Entwicklungsplanung der Bildungsinstitution,
  • das Qualitätsmanagement,
  • Gesundheitsmanagement und
  • das Wissensmanagement.
Organisatorisch bedarf es einer

  • erweiterten Leitung der Bildungsinstitution,
  • Steuerungsgruppen und
  • Besprechungen bzw. Konferenzen der Vorsitzenden der Fachgruppen.
Leitungen können daraus ein kohärentes Ganzes machen. Abzustimmen sind die Organisation, Verantwortung mit Verbindlichkeiten,, die Lehr- und Lernkultur sowie Symbolik bzw. Imagepflege der Institution.

In Anlehnung an ROLFF (2007/2010)kann dieses Leitungskonzept als "konfluente Leitung" bezeichnet werden.

3.6 Führungskräfteentwicklung bei Frauen    

Ausgehend von der Tatsache, dass es heute eine Generation von Frauen gibt, die hervorragend ausgebildet und für Führungspositionen bestens qualifiziert sind, soll im Folgenden

  • auf geschlechtsspezifische Aspekte wie Geschlecht und Gesellschaft, Geschlechterverhältnisse in pädagogischer Diskussion, geschlechtergerechte Bildung und Geschlechterdemokratie zunächst eingegangen werden (vgl. RICHTER 2007, 407-416),
  • um Trends im Bildungssystem und Konzepte zur Balance von Familie und Beruf anzusprechen (vgl. HUBER 2013, 68-74).
3.6.1 Geschlecht - Gesellschaft    

Politisches Handeln, hier bei der Entwicklung weiblicher Führungskräfte in Bildungssystemen, ist mit Geschlechterdifferenz, Geschlechterbeziehungen und Geschlechterverhältnissen zu sehen. Grundpositionen im Denken über sex und gender, dem Ausgestalten von Frau - sein (Mann - sein), Geschlechterrollen und die Queer - Bewegung beeinflussen das Verhältnis von Geschlecht und Gesellschaft (vgl. HARK 2001; ENGEL 2002; RICHTER 2004, 181-195 bzw. 2007, 407).

Geschlecht und Verhalten wird heute als das, was wir tun, gedeutet ("doing gender"). Gender ist situativ konstruiert und (damit) wandlungsfähig.

Junge Frauen (und Männer) sehen ihre Geschlechtsidentität als kontingent und variabel an, je nach Kontext. "Das Geschlecht wird seltener als relevante Kategorie für die eigene Biografie oder die Gesellschaft angesehen[...]-zu Unrecht" (RICHTER 2007, 407).

Mit der Konstruktion von Geschlecht in Kontexten und vielfältigen Varianten - wie etwa race und sexuelle Orientierung - will man den Geschlechterdualismus überwinden. Wesentlich sind Prozesse der Interaktion, die in gesellschaftliche, institutionelle, soziale und familiale bzw. private Kontexte eingebettet sind. Sie sind demnach durch die historischen Strukturen veränderbar.

Kontrovers wird der gesellschaftliche Wandel diskutiert. Die Vergesellschaftlichung von Frauen in den Dienstleistungs-, Informations- und Wissensbereichen scheint - aus der Sicht der Politischen Bildung empirisch begründbar - widersprüchlich auf die Gleichzeitigkeit von Integration und Ausgrenzung, Partizipation und Segregation, Anerkennung und Diskriminierung hinzuweisen (vgl. KNAPP - WETTERER 2001, 9). Dies bedeutet in der Folge für die Rolle von Frauen in der Erwerbs- und Hausarbeitssphäre die Notwendigkeit eines komplexes Zusammenspiels von Familien-, Sozial-, Steuer- und Fiskalpolitik.

Dsa unterschiedliche politische Interesse von Frauen lässt sich auf die unterschiedlichen Sozialisationsfaktoren in den Lebenszusammenhängen erklären (vgl. METZ - GÖCKEL 2000, 103-116).

Man geht vom Konzept der "Selbst - in - Beziehung" aus, die in der Bezogenheit auf andere Menschen, der Entfaltung der Persönlichkeit und Verortung in der Zweigeschlechtigkeit bedeutsam ist. Die drei Bereiche erklären das unterschiedliche politische Interesse in den Lebenszusammenhängen, die beeinflusst werden vom Spannungsdreieck Familie/ Ehe - Kapital/ Markt - Sozialstaat. Diese binden unterschiedlich Frauen und Männer in den Staat ein, setzen sie unterschiedlich in Beziehung und damit in politische Partizipation, Engagement und politisches Interesse (vgl. RICHTER 2007, 409). Am Beispiel etwa der Schul-, Studien- und Berufswahl lässt sich dies nachweisen (vgl. den IT -Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich).

In diesem Wechselspiel von Fremd- und Selbstsozialisation kann es zu unterschiedlichen Lebens-, Arbeits-, Denk- und Kommunikationsweisen sowie einem Lernverhalten der Geschlechter kommen (vgl. RICHTER 2001, 46-160). Mit der Kenntnis der einzelnen Persönlichkeit von Lernenden lassen sich allerdings die Geschlechtergruppen verallgemeinern und Diskriminierungen vermeiden (vgl. KNAPP - WETTERER 2001, 15-62).

3.6.2 Pädagogische Diskussion von Geschlechterverhältnissen    

Geschlechterdifferenzierte politische Bildung findet schulisch, feministische Bildung im außerschulischen Bereich statt (vgl. OECHSLE - WETTERAU 2000; RICHTER 2001, 46-160).

In der Koedukationsdebatte entwickeln sich die Aspekte der "Gleichheit bzw. Differenz" zur Dialektik von "Gleichberechtigung bzw. Verschiedenheit".

  • In der Überwindung der Geschlechterdiskriminierung entstanden Ansätze der "Jungen- bzw. Männerbildung".
  • In der Folge wird über geschlechtergerechte Didaktik bzw. Reflexive Koedukation nachgedacht. Fachdidaktische Analysen gehören zur Geschlechtergerechtigkeit.
  • Reflexionen der Kommunikations- und Interaktionsstrukturen im Unterricht und die Beachtung der Lehrrolle vervollständigen die pädagogischen Bemühungen.
  • Als umfassende (bildungs-) politische Handlungsstrategie gewinnt "Gender Mainstreaming" in der Bildungspolitik Bedeutung (vgl. JANSEN - RÖMING - ROHDE 2003).
3.6.3 Geschlechtergerechte Bildung    

Eine geschlechtergerechte Bildung in allen Bildungsbereichen ist durch die Aufklärung geschlechtsspezifischer Diskriminierungen in der Gesellschaft und im Bildungssystem gekennzeichnet.

Ihre pädagogische Begründung findet sich in der Politischen Bildung mit den Themenbereichen aktuelle Gesellschaftsentwicklung, Problemstellungen, Anteile weiblicher (männlicher) Geschichte, Befragung von Experten, Fallstudien und biografischem Lernen (vgl. den IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Theorieansätze in der Politischen Bildung).

Die gesellschaftspolitische Begründung findet sich in den gesetzlichen Bestimmungen um eine Gleichberechtigung (Bundes-Gleichbehandlungsgesetz?: BGBL Nr. 100/1993; Änderung BGBL I Nr. 120/2013; Richtlinien der EU 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2000/73/EG; vgl. § 7 Bundes - Gleichbehandlungsgesetz 1993 i.d.g.F. bei Bewerbungen von Frauen).

3.6.4 Geschlechterdemokratie    

Dieser Aspekt scheint insbesondere für die Fort- und Weiterbildung künftiger und aktuell vorhandener Führungskräfte geeignet zu sein. Fragenbereiche ergeben sich aus den

  • Beziehungsnetzen und die Beeinflussung der Geschlechterverhältnisse,
  • Ziele und Perspektiven der Veränderung von Institutionen,
  • Themen wir Armut, Arbeitslosigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse und Lebensglück von Frauen sowie
  • Veränderung von Lebensentwürfen.
3.6.5 Trends und Tendenzen im Schulsystem    

Eine Förderung der Gleichberechtigung von Frauen (und Männern) und die Beseitigung bestehender Nachteile ist in der Bundesverfassung (Republik Österreich) verankert.

Die Gleichstellungfrage beinhaltet neben der rechtlichen Gleichstellung beider Geschlechter auch die Sensibilisierung der Gesellschaft für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gleichstellungsbeauftragte haben als Aufgabenbereich, bei Besetzungen und Fragen im Sozialbereich auf die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen zu achten und sie einzufordern.

Erkennbar ist die ansteigende Zahl weiblicher Funktionsträgerinnen bei der Besetzung von Positionen bei Schulleiterinnen und in der Schulaufsicht. Mit zunehmender Höhe des Bildungsbereichs bzw. der Funktion fehlen trotz Gleichstellungsauftrag und Frauenförderung weibliche Funktionsträgerinnen.

Geschlechtliche Diversität im Bildungsbereich ist ein wichtiger Motor für deren Entwicklung und Qualität. Frauen arbeiten in der Regel sehr teambewusst, zeigen ein hohes soziales Engagement für ihre Mitarbeiter und kommunizieren gut. Ebenso sind Entschluss- und Durchsetzungskraft sowie analytische Fähigkeiten mit Fachkompetenz auf Grund qualifizierter Aus- und Fortbildung vorhanden (vgl. HUBER 2013, 70-71).

3.6.6 Beruf und Familie    

"Ob Frauen eine Führungsposition einnehmen, hängt aber weniger vom vermeintlichen weiblichen Sozialcharakter als vielmehr von strukturellen Bedingungen ab, zum Beispiel davon, wie attraktiv ein Führungsamt für Frauen ist" (HUBER 2013, 71).

Mitunter fehlen die Voraussetzungen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Die Frage polarisiert wie kaum ein anderer Aspekt die öffentliche Diskussion, geht es doch um Karrierechancen und einen Aufstieg in der Berufslaufbahn.

Um die Vereinbarkeit durchzusetzen, bedarf es eines Umdenkens bei der Erstellung von Lebensraumkonzepten. Für die Sicherung gleicher Chancen von Frauen (und Männern) bedarf es einer Infrastruktur, die ausreichende ganztägige Kindergärten und Schulen sowie ausreichender Verkehrsverbindungen, entsprechende Öffnungszeiten von Institutionen, Geschäften und Dienstleistungsunternehmen beinhalten.

Zusätzlich bedarf es ausreichender Fortbildungskonzepte mit Unterstützungsmöglichkeiten als Qualifizierungsangebote (vgl. etwa die Möglichkeit von "blended learning" als Verbindung von E-Learning? und Präsenzphasen als didaktisches Element in der Fort- bzw. Weiterbildung).

Frauen benötigen eine "andere" Karriereplanung. Frauenspezifische Anliegen und Fragestellungen wie die Berufsplanung und Unterstützung beim Wiedereinstieg in den Beruf sind verstärkt zu berücksichtigen.

3.6.7 Führungsstrukturen    

Qualifizierte junge Frauen sollen für die Führungsebene gewonnen werden.

Dies bedarf

  • ausgebildeter Mentoren,
  • struktueller Veränderungen an den Bildungsinstitutionen und
  • der bereits angesprochenen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Ein Talentpool von Frauen erschließt sich so. Damit ergebt sich die Möglichkeit, weder auf Kinder noch Karriere zu verzichten, vielmehr als Chance, sich ohne Zeitverlust für Führungskräfteentwicklung zu positionieren (vgl. HUBER 2013, 73).

T-Hinweis?

http://www.modus-f.de > Ziele und Inhalte (26.5.2014)

3.7 System Schule    

"Schule als Teil eines Systems stellt selbst ein System dar und enthält wiederum unterschiedliche Systeme" (HUBER 2013, 75)

Das Schulsystem und die Schulverwaltung sind nach bürokratischen Vorgaben (noch heute) konstruiert.

Die Schule ist selbst ein System als Teil des Bildungssystems, allerdings weniger nach einem bürokratischen Konzept, vielmehr nach pädagogischen, soziologischen und psychologischen sowie (schul-)rechtlichen Kontexten (vgl. FEND 1981).

  • Schule ist Ort von geplanten und kontrollierten Lernprozessen.
  • Schule ist Erfahrungsfeld mit kulturellen, sozialen, ökologischen, ökonomischen und erzieherischen Lernfeldern.
  • Schule hat fachlich-gesellschaftliche Auswirkungen wie Schulleistungen und gesellschaftlicher Status sowie Vergabe von Zertifizierungen mit gesellschaftlicher Allokation.
MAYNZ (1968) hat Max Webers Auffassung über Bürokratie mit den Schwerpunkten Effizienz, Präzision, fachgerechte Ausführung, Diskretion und Kontinuität erweitert. Soziale Beziehungen bestimmen die Struktur und das Verhalten. Bürokratie findet wenig Akzeptanz. Aus der Logik der Bürokratie kommt es zum Phänomen der "Zielverschiebung" (vgl. HUBER 2013, 77). Das Ergebnis ist der "bürokratische Virtuose".

Für die Schulverwaltung bedeutet dies, dass Tatbestände gesetzlich geregelt werden. In einer Demokratie beruht Legitimität auf Gesetzen. Allerdings sind sie durch ständige nicht vorherzusehender Entwicklungen niemals sakrosant, bedürfen also immer Ergänzungen bzw. Interpretationen (Novellierungen bzw. Verordnungen und Erlässe).

Schulisch ergibt sich dadurch mitunter ein Abwägungsprozess, in dem angestrebte generelle Ziele zu berücksichtigen sind ("bürokratische Kreativität").

Regeln und Vorschriften sind unumgänglich, ansonsten würde Beliebigkeit und Chaos herrschen.

Für eine moderne Verwaltung ist eine wichtige Maxime eine stärkere Beachtung der Ergebnisorientierung. Die schulische Umwelt hat sich im Gegensatz zu den Regeln und Vorschriften allein schon in den letzten Jahrzehnten wesentlich verändert.

Beispiele für eine Veränderbarkeit sind die relativ fixe Größe der Stundenpläne über Jahrzehnte mit den wenig flexiblen Fächerunterteilungen. Zu hinterfragen wären etwa die Prioritäten von Fächern im 21. Jahrhundert, das Zeitmanagement, die Zusammensetzung von Klassen/Lerngruppen, Unterrichtsinhalte, Stundenzuweisungen und notwendige Sonderprogramme (vgl. HUBER 2013, 80-81).

"Zu beachten ist, dass Schulen im Vergleich zu Allgemeinverwaltung unterschiedliche Strukturen aufweisen" (HUBER 2013, 81).

Schule hat eine Hierarchie mit einer bestimmten Entscheidungs- und Führungsstruktur (Vorgesetzte). Infolge der gesetzlich verankerten "pädagogischen Freiheit" auf der Grundlage von Wissenschaftlichkeit unterscheidet sich die innerschulische Hierarchie von der linearen Hierarchie der Allgemeinverwaltung. Schulpersonal ist allerdings weisungsgebunden. Als "komplexe Hierarchie" zeigt sich dies in dem Willens- bzw. Entscheidungsprozess , wo nicht nur von oben nach unten, vielmehr auch von unten nach oben Beschlüsse gefasst werden (vgl. die Beschlüsse der Lehrerkonferenz). Organisatorisch wird von einem "loosely coupled system" gesprochen (vgl. WEICK 1976, 15-19).

Kennzeichnend sind die die lockeren Verbindungen zwischen den einzelnen Ebenen und Elementen (Verhältnis Lehrende-Schulleitung? bzw. Verhältnis zwischen den einzelnen Lehrenden).

Diese Struktur findet sich im Bereich der Schulaufsicht nicht, vielmehr findet sich dort eher ein "tightly coupled system" mit klarer rechtlicher und organisatorisch-hierarchischer Struktur.

Die Spannung und Problematik zeigt sich als Unterscheidung zwischen "Spezialisten" und "Bürokraten", die Mitglieder verschiedener Systeme bilden (vgl. MAYNTZ 1971). Aus der Sicht des Autors wäre eine Unterscheidung zwischen "lehrenden bzw. leitenden Pädagogen" und "Verwaltungspädagogen" hilfreicher, zumal es in der Führungskräfteentwicklung praktizierte Modelle gibt, die die Karrierelaufbahn Lehrende-Schulleiter-Schulaufsicht? als überaus günstig ansehen (vgl. dazu die Laufbahnmuster in Österreich; vgl. WEIGERT 2004).

Von Interesse ist das niederländische Modell "Inspectie van het Onderwijs", das bei Schulbesuchen Experten einsetzt, die ohne rechtliche Konsequenzen und Vorgesetzeneigenschaften schulische Elemente bewerten und auch beraten. "Die Trennung der Schulinspektion von der Schulaufsicht stärkt Vertrauen und Akzeptanz" (HUBER 2013, 85).

Zu beachten ist das "Autonomie-Paritätsmuster?" mit dem Nichteingreifen in den Unterricht und der Betrachtungs- und Handlungsweise der Gleichberechtigung aller Lehrender (vgl. dazu ALTRICHTER [2000, 85-97] mit der kritischen Bemerkung zu dem Hindernis für Schulentwicklungsprojekte, in denen zwangsläufig gegen beide Aspekte verstoßen werden muss; vgl. auch Pkt. 3.3 des Beitrages).

3.8 Organisationspädagogik    

In der Schulpädagogik und Erwachsenen- bzw. Weiterbildung finden sich überwiegend Situationen mit direkter Kommunikation ("face-to-face-communication"). Grundlage ist vorwiegend ein dialogisches Verhältnis (Kommunikation von zwei Personen), wie etwa das von Mutter und Kind, Erzieher und Zögling sowie Lernendem und Lehrendem.

Aspekte der Organisation mit der Dimension einer größeren Anzahl von Personen fanden kaum Beachtung. Es fehlten Fragen wie Interaktionsabläufe in der Institution ("Organisation"), Auswirkungen von erzieherischen Prozessen in der Organisation und Rahmenbedingungen der Institution (vgl. HUBER 2013, 88-89).

3.8.1 Organisation - Bildung    

ETZIONI (1964) definierte Organisation als soziale Einheit mit dem Erreichen von gemeinsamen Zielen. Aktuell versteht man soziale, regelgeleitete Systeme mit einer definierten Mitgliedschaft, die langfristig vorgegebene und selbst entwickelte Ziele verfolgen (vgl. HUBER 2013, 89).

Organisationen mit Einfluss auf Bildung bedürfen einer Analyse des hierarchischen Aufbaues, der Struktur der Entscheidungsabläufe, der Partizipationsabläufe Einzelner, der Wirkung des pädagogischen Führungspersonals, der Verfahren der Rekrutierung, der Qualifizierung und der Rolle der Schulaufsicht bzw. Schulverwaltung.

Die zuständige Bezugswissenschaft wird mit der Begrifflichkeit "Organisationspädagogik" umschrieben (vgl. ROSENBUSCH -WISSINGER 1989, 10; ROSENBUSCH 2005). Wissenschaftlich etabliert seit 1998 ist etwa der Diplomstudiengang "Organisationspädagogik" an der Universität Dortmund.

Als Arbeitsbereich der Pädagogik hat Organisationspädagogik Voraussetzungen, Normen, Gestaltungsprinzipien und Wirkungen von Erziehung und Unterricht bzw. Bildung im Hinblick auf den Einzelnen und die Institution als System zum Thema (vgl. HUBER 2013, 90). Grundlegend geht es um die pädagogische Wirkung und Beschaffenheit der Institution (vorrangig Schule) auf Einzelne und Gruppen und umgekehrt.

Die Doppelfragestellung kann mit fünf Grundsätzen umschrieben werden (vgl. KÖNIG - VOLMER 1996/2005).

  • Pädagogische Überlegungen haben Vorrang vor Prämissen der Verwaltung (wo immer möglich). Lehr- und Bildungsziele sind Richtwerte für das Handeln.
  • Die Qualität der Bildungsinstitution steht im Zentrum von Überlegungen (Qualitätskriterien).
  • Eine zielorientierte Auffassung von Verwaltung und Organisation ist vorrangig.
  • Die Anerkennung des Anderen und der eigene Person ist normative Prämisse.
  • Theoretische Grundlage ist die "Personale Systemtheorie".
Die jeweilige Bildungsinstitution erhält demnach Leit- und Modellcharakter, für alle Akteure (Lernende - Lehrende -Führungskräfte). Dies bedeutet Mündigkeit, Anerkennung des Anderen und der Einzelperson, Kooperation als Handlungsmaxime und Kooperationsfähigkeit als Zielvorstellung.

Unter der Aussparung der Schulleitung hat etwa Hartmut von HENTIG Schule als Modell ("polis") einer politischen, sich selbst regierenden Lebens- und Lerngemeinschaft mit Beteiligungsmöglichkeiten und Befähigung zur Selbstbestimmung gefordert (vgl. v. HENTIG 1996).

Für die Politische Bildung, Sozialkunde und Lebenskunde (PTS) verstärkt diese pädagogische Forderung eine Bestätigung ihres Bildungsauftrages.

3.8.2 Führungsprinzipien    

Führungsprinzipien als Ausrichtung von organisatorischen Maßnahmen verstehen sich als Überlegungen, pädagogische Zieltätigkeit von Bildungsinstitutionen positiv bzw. negativ zu beeinflussen. Die Vorrangstellung vor Administration muss gegeben sein (vgl. die Beeinflussung von Verwaltungsakten auf die pädagogischen Zieltätigkeiten wie etwa das Fehlen notwendiger Zeit für Lehrende; HUBER 2013, 96).

War in dem "Scientific Management" von TAYLOR (1911) die Betonung auf Vorschriften, Kontrolle und Messungen mit Vergleichen im Arbeitsprozess gelegt, so bedarf es in Bildungsinstitutionen einer Logik, die Vertrauen, Mut zum eigenen Handeln und Delegieren von Aufgaben als Teilung von Verantwortlichkeit als wesentlich ansieht.

Das Prinzip des Vertrauens im Kontext mit Selbstverantwortung zeigt sich nicht nur in Bildungsinstitutionen, auch in der Industrie. Klare Zielvorstellungen, Möglichkeiten der Selbsttätigkeit, Selbstverantwortung, das Gefühl der Gemeinsamkeit, Kooperationsfähigkeit, Genugtuung über einen Vertrauensvorschuss und die Sichtbarkeit der Ergebnisse sind Elemente von Führungsprinzipien.

Als Grundlage von Reformüberlegungen (Innovationen) erweist sich der "Coverdale - Zielkreis" (vgl. HUBER 2013, 97-98; SMOLKA 2000). Der Kreiszyklus beginnt mit der Frage nach

  • dem Sinn und Zweck einer Tätigkeit: Wozu tun wir das? Für wen tun wir das?
  • Als nächste Frage ergibt sich: Was soll in der zur Verfügung stehenden Zeit erreicht werden? Woran messen wir das Ergebnis? Was sind die Erfolgskriterien?
Vorteile kooperativen Handelns sind in der Regel der Fehlerausgleich, die Summe der Kompetenzen, die Erhöhung der Gruppenkohäsion, meist die Arbeitszeitersparnis, eine Konsensbildung über Ziele und Akzeptanz der Ergebnisse und eine erhöhte Motivation. Hemmnisse können die Ablaufmuster der Bildungsinstitution sein, Eigentümlichkeiten erzieherischer Verhältnisse und subjektive Verarbeitungs- und Bewältigungsmodalitäten einzelner Lehrender (vgl. STEFFENS 1991, 30-40; LIEBEL 1991).

Kooperation verläuft erfolgreich nach einem regelgeleiteten Verfahren mit Lösungsvorschlägen, Ausschluss von Wiederholungen, strukturierter Moderation und Einhaltung vereinbarter Regeln.

Bildungsinstitutionen gelten (nicht nur) in der Fachliteratur als "Schatzinseln" , in denen Mitarbeiter offene bzw. versteckte Kompetenzen, Fachwissen und Fertigkeiten besitzen (vgl. HUBER 2013, 101).

Nach SCHÄFER (2003, 8-9) sollten Führungskräfte in der Anfangsphase einer Arbeitsbeziehung intensiv sich um jeden Mitarbeiter kümmern, Prioritäten setzen, in der Folge sich schrittweise zurückziehen, eigene Bewertungen hinterfragen, Leistungsschwächen untersuchen und gegenseitige Kritik ermöglichen.

In Bildungsinstitutionen bedarf es bei Beachtung der gegenseitigen Verantwortlichkeiten kollegialer Gemeinsamkeiten wie der persönlichen und fachlichen Wertschätzung, Unterstützung und pädagogischen Zielsetzung ("gemeinsame Sache ist Mittelpunkt"). Es bedarf der Bündelung der jeweiligen Kompetenzen und Möglichkeiten.

3.9 Bildungsinstitutionen als Expertenorganisation    

Bildungsinstitutionen unterscheiden sich deutlich von privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen. Ökonomisch-traditionelle Anreizsysteme im Führungsbereich sind in Bildungsinstitutionen nicht anwendbar (vgl. HUBER 2013, 104).

Expertenorganisationen ("professional organizations") sind soziale Systeme mit besonderer Abgrenzung, in unserem Fall zum Erbringen von komplexen Dienstleistungen, die über einen längeren Zeitraum wiederkehrend und teilweise standardisiert erbracht werden. Diese Charakterisierung passt zu Bildungseinrichtungen wie Schulen, Universitäten bzw. (Fach-) Hochschulen und Einrichtungen der Erwachsenenpädagogik. Die Experten verfügen in der Regel als einzige über die Kompetenzen zur Erbringung der Kernprozesse (vgl. MINTZBERG 1989, 173-175, 181; GROSSMANN - PELLERT - GOTWALD 1997, 25).

Expertentätigkeit erfordert eine hohe Qualifikation und einen der Komplexität entsprechenden großen Ermessensspielraum (vgl. MINTZBERG 1989, 175). Diese Eigenständigkeit kommt in Bildungsinstitutionen mit der "pädagogischen Freiheit der Lehrenden" zum Ausdruck (vgl. RUX 2002; man beachte die Angebote zur Fort- bzw. Weiterbildung; vgl. FEIGE 2012). Deutlicher ist der große Ermessensspielraum für Lehrende an Universitäten bzw. (Fach-) Hochschulen mit dem Recht der "Freiheit von Forschung und Lehre" (vgl. die Angebote der Personalentwicklung an den jeweiligen Universitäten bzw. Hochschulen).

Kennzeichnend ist für die Komplexität auch die Qualität der Beziehung von Lehrenden (Experten) und Lernenden bzw. Studierenden. Die Tätigkeit erfordert den Lernwillen der Lernenden bzw. Studierenden. Ziele des Subsystems werden in der Regel bevorzugt, nachrangig werden Ziele des Gesamtsystems beachtet.

Je niedriger die Bildungsinstitution im System zugeordnet ist, desto geringer ist die Anzahl des Führungspersonals. Kollegiale Führungsstrukturen ermöglichen eine mitbestimmende Funktion (etwa das Lehrerkollegium).

Formale Weisungsbefugnisse der Managementebene auf die Ebene der Expertenorganisation erscheinen relativ begrenzt (vgl. die hohe Autonomie der Experten), allerdings hat die Leitungsebene als Schnittstelle zwischen den jeweiligen Einrichtungen erheblich Möglichkeiten, die Beziehungen zu externen Gruppierungen zu gestalten. So wird eher indirekt auf Expertengruppen Einfluss genommen (vgl. MINTZBERG 1989, 180-182; ROSENBUSCH 2005, 100-101).

Zu beachten ist das hohe Maß an Stabilität von Expertenorganisationen auf der Ebene der Gesamtorganisation der jeweiligen Bildungsinstitution. Wandlungsprozesse und Partizipationsmöglichkeiten sind eher selten. Die Karrierelogik von Experten in Bildungsinstitutionen honoriert in der Regel nicht Koordinations- und Managementleistungen, wodurch kein Anreiz für ein Engagement besteht (vgl. HUBER 2013, 106-107).

4 Führungskräfteentwicklung    

Im Folgenden geht es um Entwicklungstendenzen und Voraussetzungen sowie Inhalte der Führungskräfteentwicklung, wobei Erhebungen der Führungskräfteentwicklung, besonders die Qualifizierung von Leitungspersonal in Schulen in 15 Ländern und die Erfahrungen des Autors aus der Konzeption von Schulentwicklung, im Vordergrund stehen (vgl. HUBER 2003, 2010, 2013).

4.1 Entwicklungstendenzen    

Die folgenden Entwicklungstendenzen ("Trends") in Qualifizierungsmaßnahmen weisen auf eine Akzentverschiebung bzw. einen Paradigmenwechsel hin und bedürfen einer Auseinandersetzung (vgl. HUBER 2013, 111).

Dies betrifft die Themenbereiche

  • Qualitätssicherung und dezentrale Durchführung,
  • Formen der Kooperation und Partnerschaft,
  • Zusammenführen von Theorie und Praxis,
  • Qualifizierungsmaßnahmen in einer Vorbereitungsphase,
  • Qualifizierungsmaßnahmen,
  • Modularisierung,
  • Entwicklung der Persönlichkeit,
  • Kommunikation und Kooperation,
  • Gestaltung und Führung,
  • Qualifizierung von Leitungsteams,
  • Entwicklung von Wissen,
  • Erfahrungs- und Anwendungsorientierung,
  • Lernen am Arbeitsplatz ("workplace"),
  • Zielsetzungen,
  • neue Führungskonzeptionen und
  • Orientierung an einer Zieltätigkeit.
Qualitätssicherung - Dezentrale Durchführung

Es zeigt sich, dass zunehmend zentral Qualifizierungsprogramme und Qualitätssicherung gewährleistet und von zentralen Institutionen geleistet wird. Die Umsetzung erfolgt in der Regel dezentral nach regionalen Gesichtspunkten (vgl. die "standortgebundene Schulentwicklung").

Formen der Kooperation und Partnerschaft

Partnerschaftsprogramme werden entworfen, implementiert, begleitet und evaluiert. In diesen Kooperationsverbänden gibt es Vertreter der Erziehungswissenschaft, der Profession und umliegender Bildungsinstitutionen. Typisch ist die Vielfalt an Perspektiven. Projekte, Hospitationen und Praktika sowie Metzhoden bzw. Didaktik aus der Erwachsenenpädagogik sind durch die Kooperation möglich. In einigen Ländern kam es zur Bildung eines Pools von zertifizierten Fortbildner, wobei die Qualität der Referenten bzw. Trainer bisher wenig beachtet wurde(vgl. die Bemühungen in der Erwachsenenpädagogik bzw. - bildung der "Weiterbildungsakademie Österreich/wba" und der daraus entstehende Pool für Weiterbildner).

Zusammenführen von Theorie und Praxis

In der Folge kommt es zu einem Zusammenführen von Theorie und Praxis. Eine jeweilige Einseitigkeit ist von den Teilnehmern nicht gefragt und beabsichtigt, weshalb eine Balance anzustreben ist. Verhaltens- und Einstellungsveränderungen bedürfen dieser Zusammenführung, wobei Erfahrungen aus allgemeinem Wissen abzuleiten ist und Handlungsmöglichkeiten wiederholbar sind, wenn sie ein theoretisches Konzept besitzen. Damit werden Entscheidungen und Handlungen besser tragbar (vgl. die Erstellung von "research-based training concepts"; HUBER 2013, 113).

Qualifizierungsmaßnahmen in einer Vorarbeitsphase

Dies betrifft die Zielgruppe und den Qualifizierungszeitpunkt. In vielen Ländern ist eine vorbereitende Ausbildung als Qualifizierung vor einer Übernahme von einer Leitungsfunktion vorgesehen. Für jene Gruppe, die nicht in eine Führungsposition aufsteigen, bedeutet die Qualifizierungsmaßnahme eine bedeutende Ressource im Sinne einer Streuung von Führungs- bzw. Leitungsaufgaben.

Qualifizierungsmaßnahmen

Mit der Anerkennung der Führungskraftentwicklung als eigenständige Aufgabe zeigt sich die Vielfalt von notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen. Länder mit Qualifizierungstradition erweitern kontinuierlich die das Ausbildungsprogramm, womit eine Professionalisierung zum Tragen kommt.

Modularisierung

Nicht als Gesamtpaket (längerfristiger Lehrgang), vielmehr als kontinuierliches Fort- bzw. Weiterbildungsangebot mit Zertifizierung wird in Modulen eine Qualifizierung angestrebt.

Im Idealfall bedeutet dies zunächst Fortbildungsangebote für Lehrende mit besonderen Aufgaben, in der Folge Orientierungsangebote für Interessierte für Leitungsfunktionen, eine vorbereitende Ausbildung und anschließend der Beginn in den ersten drei Jahren nach Amtseintritt. Persönliche Bedürfnisse sollen in der Folge durch regelmäßige Fort-bzw. Weiterbildungen gewährleistet werden. In einer Schlussphase können erfahrene Personen mit Leistungsfunktion als eine Art "superior reflection" ("Lernen durch Lehren") in ein "Train - the - Trainer"- Programm eingebunden werden. Dies bedeutet ein mehrphasiges Qualifizierungsmodell mit einem geschlossenen konzeptionellen Ansatz als Portfolio -System.

Entwicklung der Persönlichkeit

Ein festes Rollenbild genügt keineswegs für eine Leitungsfunktion, vielmehr bedarf es der Modifikation von Verhalten, wie dies aktuell nötig ist. Dazu gehört ein persönliches Leitbild, eine persönliche Entwicklung (Fort- bzw. Weiterbildung), grundlegende Wertvorstellungen, Reflexionsfähigkeit, Zeit- und Selbstmanagement und Erstellen von Organisationsabläufen. Dies bedeutet eine Öffnung für persönliche Bedürfnisse in einem komplexen Umfeld (vgl. HUBER 2013, 116).

Kommunikation und Kooperation

Schwerpunkt von Qualifizierungsprogrammen ist nunmehr die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit. International ist dies die Entwicklungstendenz, weshalb auch von einer "kommunikativen und kooperativen Wende" gesprochen wird.

Gestaltung und Führung

Nicht mehr "Verwalten der Bildungsinstitution", vielmehr "Gestalten" als Herausforderung des gesellschaftlichen, kulturellen und ökonomischen Umfeldes steht im Mittelpunkt.

Die Bildungsinstitution wird als lernende Organisation mit eigenen Bedingungen und Regeln gesehen. Es soll zu einer "Verbesserung der Schwächen" kommen, Bewährtes soll erhalten und Neuentwicklungen institutionalisiert werden. Im Mittelpunkt von Qualifizierungsmaßnahmen steht der kooperative Führungsstil.

Qualifizierung von Leitungsteams

Eine Stärkung von Qualifizierung von Einzelnen im Kontext der Entwicklung der Einzelschule verspricht eine bessere Schulentwicklungsmaßnahme zu sein, die unmittelbar in den Schulalltag hineinwirkt (vgl. HUBER 2013, 118).

Schulentwicklung berücksichtigt "Leitungsteams" , die über die Mitwirkung Lehrender hinaus auch Eltern und die Gemeinde(n) miteinschließen. Damit erreicht man eine breitere Streuung von Führungskompetenz innerhalb der Bildungsinstitution und Stärkung der Entwicklungskapazitäten vor Ort (vgl. die Bemühungen einer "standortgebundenen Schulentwicklung"/ Ausbildungslehrgang der Pädagogischen Institute Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten 1998/1999).

Entwicklung von Wissen

Durch den raschen gesellschaftlichen Wandel und die sich vergrößernde Informationsmenge bedarf es eines Aufbaues von Wissen. Ein "Management von Informationen" trägt zur Weiterentwicklung von Lernen bei.

Lernmethodik und Informationsverarbeitung wird deshalb verstärkt thematisiert (vgl. HUBER 2013, 118). In der Folge bedarf es der vermehrten Einbeziehung erwachsenenpädagogischer Lehr- und Lernmethoden, wobei die Lernbiographie Erwachsener und das "Anschlusslernen" bedeutsam sind. Wissen wird also nicht nur vermittelt, es ist auch herzustellen bzw. zu entwickeln.

Erfahrungs- und Anwendungsorientierung

Diese deutliche Tendenz geht zugunsten eines Lernens, erfahrende Praxis zu reflektieren und praktisches Lernen im Kontext mit der Theoriegrundlage zu ermöglichen. "Fallbasiertes Lernen" spielt eine besondere Rolle.

Lernen am Arbeitsplatz

Teilnehmerorientierung, Anwendungsbezug und ein leichterer Transfer im Arbeitsalltag führt zu interessanten Arbeitsformen. Neben der "Case Method" und dem "Problem - Based Learning" (USA) kommt es zum Lernen an aktuellen Fällen ("life cases"). Realität wird mit Lösungsvorschlägen überprüft. Ein Arbeitsplatz wird Lernort mit ausbildungsbegleitenden Praktika("Shadowing - Verfahren").

Zielsetzungen

Zielsetzungen mit expliziten Formulieren bestimmen zunehmend das Qualifizierungsprogramm. Von Interesse sind Zielsetzungen an neuen Führungskonzeptionen, neuen Schulkonzepten, gesellschaftlichen Wertvorstellungen und organisationspädagogischen Überlegungen.

Neue Führungskonzeptionen

Mit der neuen Führungskonzeption der Leitung einer Bildungsinstitution - etwa Schulleiter/Schulen, Pädagogische Leitung/ Erwachsenenbildungsinstitution und Vizerektor/ Pädagogische Hochschule - entsteht die Leitung als "Educational Leader", als Führungsperson mit einer genuin pädagogischen Funktion.

Die Bildungsinstitution als kulturell eigenständige Organisation, die sich entwickeln muss bzw. vermag, praktiziert Konzepte wie "Transformational Leadership", "Transformational Leaders" oder "Integral Leadership" und erzeugt eine (Lehr- bzw. Lern-) Kultur der jeweiligen Institution. "So verstandene 'Führung' gilt als besonders erfolgreich bei Schulentwicklungsprozessen" (HUBER 10ß13, 121). "Leadership" beteiligt sich an unterschiedlichen Aufgabenbereichen, wie dies mehrfach betont wurde.

Orientierung an einer Zieltätigkeit

Letztlich münden alle Bemühungen in einer Zieltätigkeit der Bildungsinstitution. Die spezifische Funktion der jeweiligen Institution - Schule mit Unterricht und Erziehung bzw. Lehren und Lernen, Erwachsenen- bzw. Weiterbildung mit Lehre und Bildung sowie Selbsttätigkeit und Qualifizierung Lernender - entwickeln sich zum Ausgangspunkt für Qualifizierungsprogramme von Führungskräften.

Das Berufsbild des "Educational leader" wird angestrebt, die Gestaltung der Bildungsinstitution mit ihrer Zieltätigkeit ist Merkmal. Die Zielausrichtung ist für die Führungskräfte auch ein Kriterium, die eigene Denk- und Verhaltensweise zu überprüfen. Bestehen bleibt der bildungs- und gesellschaftspolitische Auftrag, zeitgemäße Bildung vermitteln.

4.2 Führungskompetenz am Arbeitsplatz    

Es bedarf eines Professionalisierungsprozesses, wenn Lehrende pädagogische Führungskräfte werden. Professionalität zeichnet durch erworbenes und situationsadäquates Wissen im Kontext mit Können und Handeln aus. In der professionellen Weiterentwicklung, der Verbindung von Theorie und Praxis, werden situative Erfahrungen und deren Reflexionen untersucht (vgl. NITTEL 2000, 70-72; HUBER 2013, 124).

Begründungen für die Entwicklung von Führungskompetenz sind

  • institutionelle Rahmenbedingungen. Dazu gehören ein Führungsleitbild, Anforderungsprofile und Aufgabenbeschreibungen, Methoden des Projektmanagements, Steuergruppen, eine Kultur der Bilanzierung und Rückmeldungen, Anlässe zur Reflexion und klare Transparenz über Aufgabenstellungen(Zeitdeputate, Vorgangsweisen);
  • das Bewusstsein für entsprechendes Handeln (Agieren) und das proaktive Verhalten von Führungsnachwuchskräften. Dazu gehören Planungen von Aufgabenstellungen, Übernahme von Projektleitungen, Mitarbeit an Steuergruppen, berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung im Kontext mit neuen Ressourcenmaterial und deren Pflege sowie Probephasen für kommende Führungskräfte mit Betreuung.
  • Personalentwicklungsgespräche erweisen sich als wichtiges Instrument zur Identifizierung und Weiterentwicklung von Führungskompetenzen. Mögliche Berufslaufbahnveränderungen ("Karrierepfade") sollten aufgezeigt werden (vgl. die Notwendigkeit von Fort- und Weiterbildung["Personalentwicklung"], aber auch ihre konsequente Umsetzung im Berufsalltag). In diesen Zusammenhang fällt auch der Bereich "Führungskräfteentwicklung bei Frauen", der in einer Phase nach der Familiengründung hier an Bedeutung gewinnt (vgl. HUBER 2013, 126).
  • Über die jeweilige Bildungsinstitution hinaus gewinnen solche Überlegungen im Bildungsgesamtsystem an Bedeutung. In der Berufslaufbahn zeigen sich Aspekte wie ein mobiles Personal, Mentoren beruflicher Weiterentwicklung und letztlich die Bildung eines Pools für pädagogische Führungskräfte.
  • Denkbar sind hier Schritte für ein proaktives Verhalten von Führungskräften wie geplante Karriere mit Führungsverantwortung, die Förderung von spezifischen Begabungen und Interessen Lehrender und Schwerpunktbildungen in der Fachlichkeit und damit in der Lehrer(fort)bildung.
Zu all diesen Dimensionen bedarf es in der Reflexionsphase der Suche nach "critical friends", um den Ausgleich von Selbstwahrnehmung und Rückmeldungen zu finden. Fragestellungen ergeben sich aus konkreten Aufgabenfeldern.

Hilfreich sind auch sachbezogene Gespräche mit erfahrenen Führungskräften außerhalb des eigenen Umfeldes, die sich als Mentoren zur Verfügung stellen. Ebenso helfen Hinweise auf Wissenslücken sowie Seminar- und Fachbuchhinweise beim Aufbau eines situativen Verhaltens.

4.3 Rekrutierung von Fort- und Weiterbildnern    

Für die Führungskräfteentwicklung ist die Qualität der Fortbildner, Trainer, Referenten, Dozenten und Ausbildner von entscheidender Bedeutung (vgl. die Begrifflichkeiten insbesondere in der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung). Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Qualität der Referierenden und der Einschätzung des Nutzens durch die Fortzubildenden (vgl. HUBER 2013, 143).

Fortbildner rekrutieren sich in der Regel aus Personen aus

  • der Lehrerfort- bzw. Weiterbildung,
  • Schulverwaltung,
  • Lehrenden aus Hospitations- bzw. Praktikumsinstitutionen,
  • der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft und den Bezugswissenschaften sowie
  • nicht-schulischen Bereichen wie der Wirtschaft, Industrie, Kultur und Berufsverbänden.
  • Dazu gehört als Personengruppe Moderatoren, Trainer und Erwachsenenbildner.
Das Fehlen von eigenen Führungskräfteerfahrungen wird allgemein als Belastung für Themen des pädagogischen Alltags von den Teilnehmern empfunden. Wissenschaftliches Personal hat seine Stärken im "Change Management" oder "Business Management" sowie im pädagogisch-theoretischen Bereich als Spezialisten für bestimmte Spezialgebiete.

Die Verbindung von praktischer Erfahrung und wissenschaftlicher Auseinandersetzung kann durch Fortbildungsteams in der Konzeption und Durchführung von Fortbildungsprogrammen (Lehrgängen) zum Tragen kommen (Fachexperten).

Ein "Train-the-Trainer?"-Programm erscheint notwendig, um Teilnehmerorientierung, Bedarfserhebung und den Stand der Wissenschaft bzw. Qualitätssicherung zu garantieren( vgl. Frankreich und Schweden; HUBER 2003/2013, 146). Internationale Partnerschaften bedeuten eine Bereicherung für die Führungskräfteentwicklung.

Als Anreize zur Gewinnung von Fortbildner gelten neben der entsprechenden Vergütung und Anerkennung der Leistung bei Lehrenden Abschlagsstunden und Unterstützungsmaßnahmen bei den vorgesetzten Stellen.

Von Interesse sind die Qualitätsansprüche an Fortbildner. Dazu gehören

  • eine systematische Professionalisierung von pädagogischem Führungspersonal,
  • die inhaltliche Umsetzung mit Expertenwissen,
  • die Schaffung optimaler Lernbedingungen,
  • die Orientierung an demokratischen und humanistischen Werten im Kontext mit der Förderung von Mitverantwortung,
  • die Förderung einer Fortbildungskultur und Unterstützung der Teilnehmer für eigenes Lernen sowie
  • die Förderung einer eigenen Reflexion.
Ausgangspunkt einer Qualifizierung von Fortbildnern ist/ wäre ein situationsgebundenes und innovatives Konzept, mit schrittweisem Ausbau ("Modulsystem"). Als beispielhaft kann das Ausbildungssystem für Moderatoren angesehen werden, das in der "Thüringer Konzeption der Führungskräfteentwicklung" 2003-2004 angewendet wurde (vgl. HUBER 2013, 150-155).

4.4 Train - the - Trainer - Programm    

Im Folgenden soll unter Zugrundlegung einer professionellen Qualifizierung von Führungskräften in Hessen und Rheinland-Pfalz? die Qualifizierung für das Personal in der Fortbildung angesprochen werden ("Train - the -Trainer"). Ausgegangen wird vom Perspektivenwechsel eines Leiters einer Bildungsinstitution zum Fortbildner (vgl. HUBER 2013, 156-162).

Ziel der Qualifizierung ist die Erweiterung der Kompetenzen im Hinblick auf die Arbeit in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Vorrangig sollen Lehr- und Lernprozesse so gestaltet werden, dass den Teilnehmenden eine individuelle Entwicklung mit einem Effekt von Nachhaltigkeit in der Weiterbildung ermöglicht wird (vgl. SCHÜSSLER 2007; HUBER 2013, 156).

Bausteine der Qualifizierung sind demnach

  • nach einer Auftaktveranstaltung mit einem Überblick über Ablauf - Zielen - Erwartungen - Angebote Kontaktgespräche mit den künftigen Teilnehmern.
  • In der Folge ergeben sich als Module "Führungsverständnis" und "Gestaltung von Lernprozessen".
  • Begleitet werden diese Module von begleitenden Hospitationen und Praxisphasen.
  • Individuelle Praxisreflexionen mit Mentoren gehört als Baustein zur Qualifizierung.
  • Zum Abschluss folgt eine Themeneinheit "Selbstorganisierte Fortbildung durch Teilnehmende".
Eine Zertifizierung ist vorzusehen.

4.5 Marketing und Öffentlichkeitsarbeit    

Die Begrifflichkeit "Marketing" wird vorwiegend mit materiellen Produkten in Verbindung gebracht. Dessen ungeachtet geht es ebenso um ideelle "Waren", die mit dem Begriff "Bildungsmarketing" umschrieben werden.

Marketinginteressen betreffen die Teilbereiche von Bildungsinstitutionen. Es geht um deren Kenntnis am Bildungsmarkt. Das Bildungsprodukt muss in seiner Nachfrage den Bildungskunden bekannt gemacht werden bzw. genügen. Damit erhalten Bildungsangebote mehr bzw. auch Dienstleistungscharakter (vgl. LINDEMANN 2010).

Ein Referentenpool deckt diese Angebote ab, wobei das Interesse von Zielgruppen geweckt werden muss.

Dies führt zur Kategorie der Öffentlichkeitsarbeit. Die Motivation zur Erlangung praktischer und theoretischer Fertigkeiten im Kontext mit erworbenem Wissen führt zu Angeboten, die die Nutzer auswählen können.

Mit dem Freiwilligkeitsprinzip ergibt sich ein wertvolles Potential, das die Grundlage für Kundenzufriedenheit ist.

Zu oft werden Lehrende zu Fortbildungen verpflichtet, Weiterbildung als Höherqualifizierung zumeist mit bürokratischen und finanziellen Hürden verbunden. Pädagogische Führungskräfte wissen um den Tatbestand Bescheid, dass Lehrende nicht nur "geben", vielmehr auch "nehmen" müssen. "Lebensbegleitendes Lernen" erhält so eine wesentliche Funktion der beruflichen Professionalisierung und einer beruflichen Psychohygiene.

Im außerschulischen Bildungsbereich - der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung - wird man zwischen der Allgemeinen und Beruflichen Erwachsenenbildung zu unterscheiden haben. In der Allgemeinen Erwachsenenbildung haben die Bildungsinstitutionen sich ihren Bildungsmarkt mit ihrer Klientel zu erhalten bzw. auszubauen. Konkurrenz ist vorhanden, ebenso das Interesse im Kontext mit Alltagsnutzen und speziellen Interessen. Die Berufliche Erwachsenenbildung hat in der Regel als Ziel eine Weiter- bzw. Höherqualifizierung, was mit einer beruflichen Besserstellung verbunden ist.

Darüber hinaus bedarf es einer Marketing- und Öffentlichkeitsstrategie, dass auch Führungskräfte sich fort- und ggf. weiterbilden. Markt- und Bedarfsanalysen sowie Entwicklungen von Konzepten von/ für Führungskräfte und die Organisation konkreter Angebote erzeugen an sich einen Marketingeffekt.

4.6 Gewinnung und Förderung von Nachwuchskräften    

Profession und Professionalisierung werden im Bildungsbereich vielfältig diskutiert. Verbunden mit dieser Bedeutung geht man von einer kompetenten und qualifizierten Berufstätigkeit aus, d.h. eine hohe Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit sowie einer Berufsethik (vgl. HUBER 2013, 195).

Seit den neunziger Jahren kommt es zu einem Paradigmenwechsel, mitunter sehr zögerlich bis sehr innovativ, der von der Vorstellung ausgeht, dass ein Lehrender mit Leitungsaufgaben eine pädagogische Führungskraft ist. Dies bedeutet ein Arbeiten in einem anderen Tätigkeitsfeld mit entsprechenden Kompetenzen (vgl. ROSENBUSCH - WARWAS 2010, 19).

Nordrhein - Westfalen hat beispielsweise seit 2008 angehende Schulleitungen verpflichtet, sich mit landesweit einheitlichen Qualifizierungsmaßnahmen (Schulleiterqualifizierung/ SLQ) weiterzubilden und in einem Assessment -Verfahren die Kompetenzen als Teil einer Dienstbeurteilung überprüfen zu lassen (vgl. HUBER 2013, 195). Für außerschulische Bildungsinstitutionen in Österreich gibt es etwa die freiwillige Möglichkeit, im Rahmen der "Weiterbildungsakademie Österreich/ wba" in einem Assessmentverfahren eine Zertifizierung als "Erwachsenenbildner" zu erreichen.

Durch individuelle Standortbestimmungen lassen sich weiterführende Lern- und Entwicklungsschritte strukturieren. Dies bedeutet nicht nur für pädagogische Führungskräfte eine professionelle Ausrichtung einer zukünftigen Berufslaufbahnplanung.

"Lebensbegleitendes Lernen" wird so berufsbegleitende Weiterbildung - geplant, kontrolliert, begleitet und umgesetzt.

Mit der Feststellung von Kompetenzen und möglichen Maßnahmen in einer professionellen Personalentwicklung kommt es zu einer Bestandsaufnahme. Notwendig ist in einer solchen Phase eine Planung von Lernprozessen unter Berücksichtigung einer Selbststeuerung und eines Feedbacks. Solche Beratungsgespräche im Rahmen einer Mitarbeiterführung erfordern aber Kompetenzen in

  • Gesprächsführung,
  • Übung im Form von Rollenspielen,
  • Training in der Anwendung im Berufsalltag und
  • Reflexion im Kontext von Training/Übung und Selbst- und Fremdwahrnehmung.
  • Wesentlich erscheint die Kompetenz für Bildungs-, Laufbahn- und Berufsberatung zu sein.
Lernprozesse Erwachsener sind immer eingebettet in lebensgeschichtliche Zusammenhänge ("Biografizität")und basieren auf individuellen Wahrnehmungs- und Deutungsmustern (vgl. JUSTEN 2005, 37-56; HUBER 2013, 196).

Mit zunehmenden Alter steigt die Individualisierung von Lernprozessen Erwachsener, biographisch geprägte Entscheidungen werden bedeutungsvoll. Biografizität wird eine Schlüsselqualifikation (vgl. JUSTEN 2005, 42).

Erwachsenenpädagogisches Lernen und Lehren in der Weiterbildung erhalten zunehmend Bedeutung (vgl. DÖRING 2008).

Individuelle Lernchancen sollen biografisch gefördert werden und bergen damit ein großes Potenzial für eine Fort- und Weiterbildung Lehrender und Führungskräfte. Mit der Entdeckung einer subjektiven Dynamik kann ein Transformationsprozess initiiert und begleitet werden (vgl. HUBER 2013, 197).

Die Gestaltung lernfördernder Kontexte als Bausteine einer Fort- und Weiterbildung für künftige Führungskräfte bedarf Unterstützungsmaßnahmen wie

  • Patensysteme,
  • Mentoring,
  • planmäßiger Unterweisung,
  • Feedback,
  • Projektaufgaben mit steigender Anforderung,
  • Sonderaufgaben mit Handlungsspielräumen und
  • Lernmöglichkeiten in verschiedensten Kontexten. Angesprochen sind hier etwa Probehandlungsräume, Delegation von Führungsaufgaben und Zwischenpositionen mit jeweiligen Feedback - Möglichkeiten (vgl. FÜHRING 2004, 73).
Damit ist "Karrieremanagement" angesprochen (vgl. die in der Wirtschaft gängigen Begriffe wie "into - the -job", "on -the - job" und "parallel - to - the -job").

4.7 Professionalisierung des Ausbildungsangebots    

Pädagogische Führungskräfteentwicklung zeigt sich national und international in einigen Ländern intensiver, in anderen Ländern zurückhaltender (vgl. HUBER 2003, 2004, 1010, 2011, 2013).

Österreich hat mit

  • dem "Lehrgang für standortgebundene Schulentwicklung" (1998-1999) einen Anfang gemacht.
  • Im außerschulischen Bildungsbereich hat die "Weiterbildungsakademie Österreich/wba" mit der Zertifizierung von Lehrenden und Führungskräften im außerschulischen Bildungsbereich/in der Erwachsenenpädagogik 2006 begonnen.
  • Pädagogische Hochschulen bieten Interessierten und Führungskräften Lehrgänge an.
  • In der Erwachsenenpädagogik werden ebenfalls Kurse bzw. Lehrgänge - nunmehr ein Universitätslehrgang mit Masterabschluss - und an den Universitäten Graz und Klagenfurt eigene Studiengänge in Erwachsenenpädagogik angeboten.
Im Gegensatz zur Realität im pädagogischen Alltag sind Angebote in der Fort- bzw. Weiterbildung durchaus vorhanden.

Die Tendenz ist international vorhanden, Qualifizierungsprogramme aufzuwerten und auszubauen. So absolvieren beispielsweise künftige schulische Führungskräfte in den USA einen Hochschulstudiengang mit Abschluss eines akademischen Grades.

Für eine Qualifizierung nach Amtsantritt spricht (vgl. HUBER 2013, 214)

  • die Effektivität des Mitteleinsatzes,
  • das "on - the - job - training" mit parallel gemachten Erfahrungen und
  • konkrete Antworten auf erfahrene Bedürfnisse.
Für eine vorbereitende Qualifizierung spricht (vgl. HUBER 2013, 215)

  • die Bedeutung für eine Leitung als pädagogische Führungskraft,
  • das Abfangen eines "Praxisschocks" bei Übernahme einer leitenden Funktion,
  • der zeitliche Rahmen eines Lernprozesses mit der Auslotung der eigenen Interessen und Stärken sowie
  • die Möglichkeit einer Qualifizierung als Bereicherung im Sinne einer "distributed leadership" n(Streuung von Führungs- bzw. Leitungsaufgaben).
Daraus ergibt sich ein kontroverser Diskurs über das Qualifizierungsprogramm als Gesamtpaket (wie es etwa der "Lehrgang für standortgebundene Schulentwicklung" war) oder als modulartige Orientierungsangebote für interessierte Lehrende bzw. als Ein- und Weiterführung für amtierende Führungskräfte. Als günstig erweist sich für Interessierte ein Portfolio - System.

In jedem Fall ist die Qualifizierung als kontinuierliche Aufgabe wesentlich, in dem die Orientierung der Bildungsziele sich am ändernden Bedarf der Bildungsinstitution(en) erweist.

Idealtypische Modelle mit internationalem Hintergrund ergeben Qualifizierungsprogramme (vgl. HUBER 2013, 217-218).

  • Nur einführende oder tätigkeitsbegleitende Programme mehrtägig für Führungskräfte ergeben einen Aufbau als Fort- bzw. Weiterbildung.
  • Blockveranstaltungen ergeben eine Orientierung und Vorqualifizierung.
  • Sequenzenartige Qualifizierungsprogramme ermöglichen Lehrenden eine etwas ausführlichere Orientierung.
  • Als vorbereitende Ausbildung in einem etwa einjährigen Rahmen orientieren sich die Bedürfnisse an den Teilnehmern und deren Institutionen, um in der Folge die weitere Qualifizierung zu absolvieren.
  • Eine ausgeprägte Modularisierung kennzeichnet die Ausbildung. Eine Vielfalt von Angeboten bei gleichzeitiger Wahlmöglichkeit der Teilnehmenden ergibt ein Ausbildungsprogramm ("diversity and choice").
4.8 Wirksamkeit der Führungskräfteentwicklung    

Die Wirksamkeit und mögliche Verbesserungen hängen in hohem Maße von der Leistung pädagogischer Führungskräfte in Bildungsinstitutionen ab (vgl. HUBER 2013, 239-255).

Empirische Untersuchungen der Schulwirksamkeitsforschung im angelsächsischen Raum und in den Niederlanden betonen, "[...]dass die pädagogische Steuerung von Schule durch die Schulleitung ein zentraler Faktor für die Qualität einer Schule ist" (HUBER 2013, 239).

Pädagogische Führungskräfte werden als Schlüsselfiguren in ihren Institutionen bezeichnet, sie gelten als "Change Agents". Pädagogisches Handeln steht im Kontext mit normativem Anspruch. Erziehungszeile werden zu übergeordneten Leitbildern. "Das bedeutet, dass im Umgang mit Schülern, Lehrkräften und Eltern Mündigkeit unterstellt oder entwickelt werden muss, dass Anerkennung, und zwar Anerkennung von sich selbst und von anderen, praktiziert wird, dass Selbsttätigkeit möglich und erwünscht ist und dass Kooperation ein Handlungs- und Zielprinzip ist" (HUBER 2013, 239).

Diese Zielbestimmung wirkt sich

  • auf die Institutionenkultur,
  • auf eine Mitarbeiterkultur und
  • die Unterrichtsqualität aus, damit letztlich auf die Lernenden (vgl. ROSENBUSCH 2005).
Über den schulischen Rahmen hinaus wirken solche pädagogischen Bemühungen auf die Wirksamkeit pädagogischer Führungskräfte auch in außerschulischen Bildungsinstitutionen. Dies zeigt sich in der anhaltenden Professionalisierungsdebatte für diesen Berufskreis in drei Handlungsfeldern des Personalmanagements:

  • in einer qualifizierten Ausbildung in Erwachsenenpädagogik,
  • umfassenden Kompetenzen (vgl. HEYSE - ERPENBECK 2009) und
  • in Maßnahmen der Weiterqualifizierung.
Internationale Entwicklungstendenzen weisen auf dezentale Durchführung und zentrale Qualitätssicherung, neue Formen der Kooperation und Partnerschaften, Verzahnung von Theorie und Praxis sowie frühzeitige Qualifizierungsprogramme (Schul- bzw. Bildungsmanagment), Mehrphasigkeit und Modulisierung, Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation und Kooperation, Führung und Gestaltung, Wissensvermittlung, Anwendungsorientierung, Zielsetzung, Führungskonzeption und Zieltätigkeit der Bildungsinstitution hin.

Als zentrale Frage stellt sich der Theorie - Praxis - Transfer. Ausgehend von Vorwissen, Einstellungen, Erwartungen, Ziele und Motivation ergeben sich die Lehr- und Lernziele für die Planung von Ausbildungsprogrammen. Es geht um die Wirksamkeit der Anwendung von Wissen.

Über die traditionellen Fortbildungskurse geht es um verschiedene Lernanlässe. Die Erwachsenen- bzw. Weiterbildungspädagogik erhält zunehmend Bedeutung.

Die Begrifflichkeit "Wirksamkeit" zielt auf eine Passung zwischen intendierten und tatsächlichen Wirkungen ab. Im betrieblichen Bereich geht es um die Entwicklung von Kompetenz zur Handlung (vgl. STAUDT - KRIEGESMANN 1999, 17-59). Von Interesse ist das Zusammenspiel von Handlungsfähigkeit, Handlungsbereitschaft und Zuständigkeit. Neben Motivation und Organisation werden explizites und implizites Wissen sowie Fertigkeiten benötigt (vgl. STAUDT - KRIEGESMANN 1999, 37-39).

Als Modell einer Evaluation formuliert KIRKPATRICK (1994) als Level 1 Zufriedenheit der Teilnehmenden, Level 2 kognitiver Lernerfolg und Wissenszuwachs, Level 3 Transfererfolg im Kontext der Trainingsinhalte und Level 4 Organisationserfolg im Kontext des Transfers der Trainingsinhalte in der Organisationspraxis.

Erfolgreiche Fortbildung von Lehrenden wird in seiner Wirkung auf vier Ebenen von LIPOWSKY (2004, 463) differenziert.

  • Meinungen und Einschätzungen werden festgemacht. Nutzen, Zufriedenheit und wahrgenommener Kompetenzgewinn werden abgefragt.
  • Erfasst wird die Veränderung des Wissens durch Vor- und Nachbefragung.
  • Veränderungen der Handlungsweisen werden erfasst.
  • Schließlich werden die Auswirkungen der Fortbildung auf die Entwicklung der Lernenden erfasst. In Beziehung werden Merkmale der Fortbildung mit Merkmalen der Lernenden - etwa Lernleistungen - verglichen.
HUBER - RADISCH (2010) verweisen auf die Effektivität von "Inservice - Trainings" (vergleichbar mit SCHILF -Veranstaltungen). Die Studie kommt zum Schluss, dass die Wirksamkeit bezogen auf die Lernresultate der Lernenden zwar groß ist, bezogen auf ein verändertes Verhalten von Lehrenden und positive Trainingsmaßnahmen mittelmäßig und in Bezug auf Lernende und deren Lernverhalten nur noch gering ausfällt (vgl. HUBER - RADISCH 2010, 304). Methodische Schwierigkeiten und komplexe Rahmenbedingungen führen zu einem Abnehmen der Effektivität.

Als Rahmenmodell für Fort- und Weiterbildung pädagogischer Führungskräfte lassen sich aus dem Angebots - Nutzungs -Modell der Schulforschung wesentliche Elemente formulieren wie die Lernumgebung, Mehrebenen - Struktur (Individuum - Maßnahmen in der Lernumgebung, Anbieter, sozialer bzw. regionaler Kontext) (vgl. HELMKE 2007, HUBER - RADISCH 2010).

Zu berücksichtigen ist

  • der Dualismus von Konzept und Umsetzung.
  • die Bewertung nicht nur der Teilnehmenden, sondern auch der Kolleginnen und Kollegen sowie weiterer Führungskräfte.
  • das Modell mit intendierten Effekten, die in der Regel nicht unmittelbar, sondern zeitlich verzögert auftreten und unterschiedliche Wirkungsebenen betreffen (vgl. STAUDT - KRIEGESMANN 1999, 21).
  • die Zielvorstellung einer Veränderung der Merkmale bei Teilnehmen (Lernerfolg), Veränderungen in der Transferhaltung (Performanz) und Veränderungen im Anwendungsfeld (Kommunikation und Kooperation).
Im Folgenden wird übersichtsmäßig ein Modell zur Wirkung von Fort- und Weiterbildung vorgestellt (vgl. DITTON 2000, 73-92; HUBER 2013, 249-254).

Angebotsmerkmale - Konzeption/ Didaktik - Umsetzung/ Didaktik

Angebotsnutzung mit Effekten - Teilnehmermerkmale/ Kompetenzen - Einstellungen - Berufszufriedenheit; Transferverhalten (Performanz) - Schulentwicklung bzw. Insitutionenentwicklung/ Organisation - Kommunikation/ Kollegenschaft und Kooperation - Unterricht bzw. Lehre/ Lernende

Gesellschaftliche, persönliche und professionell-bezogene Rahmenbedingungen ergeben sich aus der Angebotsbewertung der Teilnehmenden, Kollegenschaft und Führungskräfte.

Zusammenfassend gilt, dass die dargestellten Programme einer Lehrerfort- bzw. -weiterbildung ähnliche Raster besitzen. Es gibt keine eindimensionale Wirkung, Teilnehmende und Lernende sowie Lehrende und die Institution werden miteinbezogen (vgl. HUBER 2013, 246).

4.9 Transferproblematik    

Im Folgenden geht es um die Kluft zwischen Wissen und Handeln in der Fort- bzw. Weiterbildung. Nicht haltbar ist die Vorstellung eines linearen Theorie-Praxis-Transfers?. Neue Wissensbestände werden nicht problemfrei in professionelles Handeln überführt, zudem bedarf es einer Unterstützung dieses Transfers (vgl. MUTZECK 2005, 79-98; MUTZECK 2008, 48-70).

Entwicklungsmaßnahmen bedürfen begleitender Qualifizierungsmaßnahmen für die Beteiligten. Dies beginnt bei der Gestaltung und Moderation der Lernprozesse, integrierter Ansätze der Personalentwicklung, geht über Fragen der Unterrichtsqualität und zu Fragen der schulinternen Lehrerfortbildung (vgl. KLIPPERT 2004).

4.9.1 Problembereiche der Lehrerfortbildung    

Die folgenden Aspekte zeigen die Schwierigkeiten der Lehrerfortbildung auf (vgl. zur Unterscheidung von Fortbildung und Weiterbildung KNOLL 2008, 167). Kurz gefasst bedeutet Weiterbildung eine Höherqualifizierung mit formaler Zertifizierung. In der Weiterbildung von Lehrenden sind dies Institutionen wie Hochschulen und Universitäten mit berufsbegleitenden Kurzstudien/ Lehrgänge mit akademischem Abschluss (vier Semester), zusätzliche Lehramtsstudien oder akademische Vollzeit - Studiengängen).

  • Gängige Konzeptionen geben keine Hinweise, wir diese Lehrveranstaltungen nachhaltig und erwachsenendidaktisch gerecht gestaltet werden.
  • Es wird von der Vorstellung ausgegangen, dass die Teilnehmenden als Multiplikatoren in ihren Bildungsinstitutionen auftreten (vgl. WAHL 2006, 14 mit dem Vergleich der "Pfingstwunderdidaktik"), wobei erwachsenenpädagogische Kompetenzen, organisatorische Möglichkeiten, Motivation und Bereitschaft sowie die Kollegien zur Multiplikation vorausgesetzt werden.
Die Effektivität von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen ist keineswegs so selbstverständlich gegeben und wie es bei den Erwartungen angenommen werden sollte (vgl. HUBER 2013, 258).

Im Folgenden wird auf die empirische Forschungslage exemplarisch eingegangen.

4.9.2 Forschungslage zum Theorie - Praxis -Transfer    

Die Vorstellung, dass Lehrerfortbildung automatisch Auswirkungen auf ein professionelles Handeln der Teilnehmenden habe, ergab in der Fachliteratur Hinweise auf mangelnde Effektivität (vgl. HUBER 2013, 258-260).

  • "Eine einmalige Auseinandersetzung mit innovativen Ideen und daraus resultierenden Einsichten zeigt oft keine nachhaltige Wirkung[...]" (ZEDLER - FISCHLER - KICHNER - SCHRÖDER 2004, 115).
  • "Die verbreitete 'Gelegenheitsfortbildung' einzelner Lehrkräfte hat in der Vergangenheit bestenfalls dazu geführt, dass sich der Unterricht punktuell und sporadisch verändert hat. Eine neue Lernkultur ist dadurch nicht entstanden" (KLIPPERT 2004, 200).
  • "Unser Aus- und Weiterbildungssystem wurde diesen Ansprüchen bislang nicht ausreichend gerecht und eine Optimierung wird von vielen Seiten eingefordert" (HERTEL - PICKL - SCHMITZ 2008, 233).
Nach WAHL (2006, 9-23) ist die Frage nach dem Theorie-Praxis-Transfer? bei Aus-, Fort- und Weiterbildung im Zusammenhang mit dem vermittelten Wissen und tatsächlichen Handeln zu stellen.

  • SCHWARZ - GOVAERS (2005, 21-36) untersuchte das Verhältnis von Wissen und Handeln von Auszubildenden in der Pflegeausbildung. Der Vergleich von erstem und achtem Semester zeigt, dass sich mit zunehmender Studiendauer das beobachtete (Pflege-) Handeln den zu erlernenden Theorien nicht annähert, vielmehr sich im Gegenteil zu entfernen schien. Bei Fortgeschrittenen zeigte sich ein Zwiespalt zwischen gelernten Theorien und an Einrichtungen vorherrschendem praktischen Handeln.
  • HAAS (1998, 15) untersuchte die alltägliche Unterrichtsplanung Lehrender. Allgemein - didaktische und fachdidaktische Theorien beeinflussen das Handeln und die Unterrichtsplanung kaum. Didaktische Prinzipien verschwinden im Laufe der Berufsbiographie. "Praktiker" greifen daher auf ihre Berufserfahrung ("erfahrungsbezogenes Wissen") zurück (vgl. HAAS 2005, 6-19).
  • Ein dreisemesteriges Weiterbildungsstudium für Erwachsenenbildung mit Selbststudium und Präsenzphasen mit hoher Zufriedenheit der Teilnehmenden hat nur in wenigen Fällen Einfluss auf professionelles Kursleiterhandeln (vgl. SCHMIDT 2001).
RENKL (1996, 78-92) prägte für diesen Sachverhalt die Begrifflichkeit "träges Wissen". Mitunter haben Lernende so gelernt und die Erfahrung gemacht, "[...]dass die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wissensnutzung sogar ungünstig sind" (GRUBER - MANDL - RENKL 2000, 139).

4.9.3 Handlungstheorien    

In der Regel wird davon ausgegangen, dass erworbenes Wissen - oftmals auf Vorrat - im Anschluss in Bildungsinstitutionen in der Praxis umgesetzt wird. Verwendet wird in diesem Zusammenhang das Bild der "Sandwichuhr" - theoretische Inhalte werden oben eingefüllt, unten rieseln sie in die Praxis (vgl. RADTKE 2004, 99-149).

"Dieses Bild lässt sich noch weiter interpretieren, denn es kann auch dazu dienen, auf erwachsenendidaktische Defizite bei Fortbildungsveranstaltungen aufmerksam zu machen. Vielfach wird mit Fortbildung immer noch das Lernen in Form von Vorträgen oder frontalen Plenumssituationen (die durchaus auch als Stuhlkreis arrangiert sein können)verbunden. Dahinter steckt eine Vorstellung von gleichschrittigen Lernprozessen der Teilnehmenden, die den Ansprüchen eines gemäßigten konstruktivistischen Lernbegriffs in keiner Weise gerecht werden kann" (HUBER 2013, 261).

4.9.3.1 Psychologische Handlungstheorie    

Zur Transferproblematik bedarf es der psychologischen Handlungstheorie'. Dazu gehören Merkmale der Zielgerichtetheit, der Bewusstheit, der hierarchisch-sequentiellen Handlungsregulation und -organisation im Kontext mit Vorwissen(sozialen und individuellen Wissensstrukturen). Vorausgesetzt wird eine Mindestintegration von Kognitionen, Emotionen und Handlungsführung (vgl. WAHL 1991, 18-64, 23).

Handlungen könne in zwei Phasen unterteilt werden (vgl. HUBER 2013, 262-263).

  • Zunächst werden innere Bilder einer Situation als "Situations - Protypen" gebildet. Die Person erhält einen Überblick, sie schätzt die Weiterentwicklung ab ("Situationsorientierung"). In einer Komprimierungsphase wird es ermöglicht, schnell auf eine Situation zu reagieren (vgl. WAHL 2009, 156). Abgeglichen wird das innere Bild mit dem Situationsbild. Wird die Situation verstanden, kommen Emotionen und ggf. weitere Informationen dazu. Die Entscheidungszeit wird zumeist in der Phase der Situationsorientierung verbraucht.
  • In der Folge kommt es zur "Aktionsplanung". Lösungen und Handlungsstrategien werden gesucht. Es kommt zur Auswahl einer Handlungsmöglichkeit aus dem Repertoire und deren Umsetzung. Routinen beschleunigen die Entscheidung. Wesentlich ist für die Handelnden eine Alternative.
Innere Bilder sind stark stabil und sehr änderungsresistent (vgl. WAHL 2009, 157).

Für Fortbildungsveranstaltungen gilt daher, dass nicht einfach neue Situations- und Handlungsstrukturen aufgebaut werden können. "Träges Wissen" wird auf einer Ebene gespeichert. Neues Expertenwissen erschüttert nur in Ausnahmefällen die Handlungsstrukturen, vor allem deswegen, weil diese Strukturen zunächst den Teilnehmenden oftmals unbekannt sind (vgl. WAHL 2006, 12). Bessere Unterrichtsqualität benötigt eine Erweiterung der didaktischen Möglichkeiten. Dies bedeutet aber auch, dass neues Wissen Unterrichtsabläufe erkennbar steuert.

Zu beachten sind, dass einmalige Veranstaltungen kaum Handlungsstrukturen ändern. Mehrphasige Veranstaltungen sollten bzw. können zu Erprobungen führen. Das grundlegende Problem sind ungünstige Bedingungen, die mit der Begrifflichkeit "Giftpfeile" umschrieben werden (vgl. MUTZECK 1988).

Unterstützungsgruppen in Form von Tandems oder Kleingruppen sind hilfreich, begleitend bei Lernprozessen Vorgaben aus Fortbildungsinhalten umzusetzen und damit die Akzeptanz zu verbessern.

4.9.3.2 Qualifizierungskurse    

Die folgenden drei Lernschritte finden in herkömmlichen Fortbildungskursen zu geringe Beachtung (vgl. HUBER 2013, 267).

  • Handeln kann man nur handelnd erlernen.
  • In der Folge muss man situations- und personenspezifische neue Lösungen erarbeiten.
  • Die gefundenen Lösungen werden anschließend in routiniert - professionelles Handeln umgesetzt.
Erster Lernschritt

Die eingeprägten subjektiven Theorien müssen einer reflexiven Bearbeitung zugeführt werden. Selbstreflexion, Selbstbeobachtung, Perspektivenwechsel, Rekonstruktion der Handlungsmuster und kollegiale Praxisberatung ergeben eine differenzierte Analyse von Situations- und Reaktionsverkettungen.

Protypische Handlungsmuster werden erkannt, deaktiviert und reflexiv aufgearbeitet.

Zweiter Lernschritt

Ideen, Gefühle und Gewohnheiten werden einer individuellen Bearbeitung unterzogen (Reflexionsprozess). In Verbindung von intersubjektivem Wissen (subjektives Wissen und Erfahrungen)entwickelt man neue Problemlösungen. Mit Hilfe von kleinen Sozialformen - Einzelarbeit, Partnerarbeit oder Kleingruppenarbeit - werden die Teilnehmenden zu Aktivitäten angeregt. Verbale oder spielerische Formen in Szenen, Situationen und Fallbeispielen werden zugänglich gemacht. Eine vertrauensvolle Atmosphäre fördert die Aussagen und Reflexionen. Erweitert werden kann der zweite Lernschritt mit Dialogen im Kontext mit anderen Sichtweisen und Theorien.

Angestrebt wird ein klares "inneres Bild" für zukünftiges professionelles Handeln.

Dritter Lernschritt

Veränderte subjektive Theorien müssen neu organisiert werden. Der Reflexionsprozess kommt im Kontext mit den anderen Sichtweisen und dem notwendigen Handlungsprozess in Gang. Gezielte praktische Versuche erweitern die Sichtweisen. Neues Handeln wird in Gang gesetzt. Beobachtungslernen (nach BANDURA 1979) hilft bei der Handlungssteuerung. Expertenberichte und Videomodelle zeigen Wirkungen und Handlungen auf.

Neben der Planung von Handlungen und dem Simulieren erscheint vorgeplantes Agieren in realen Situationen wesentlich. Hilfreich sind Unterstützungsmaßnahmen (etwa Erinnerungshilfen und Vorsatzbildungen). Zum Schutz gegen "Giftpfeile" kann der "innere Dialog", "Stopp - Codes" (Unterbrechungen der Handlung) und/ oder Entspannungstechnik eingesetzt werden.

Didaktik

Professionelle Kompetenzen werden als kooperativer und selbstgesteuerter Prozess angesehen. Lernen ist demnach kein Neulernen, vielmehr ein Erweitern und ein Aufbau kognitiver Strukturen und Schemata (vgl. SIEBERT 2005, 64). Als subjektive Leistung und durch Pertubation (Störung als positive Auswirkung)gesteuert, bedarf es realistische und individuelle Konstruktionsleistungen.

Als weitere didaktische Leitideen kommt soziale Unterstützung ("social support") mit Austausch und kontextuellem Fallwissen sowie Gruppen und Tandems zum Einsatz. Netzwerke erleichtern die Lernprozesse. Individuelle Lernprozesse gelten als Anregung und Unterstützung. Weil Lernen hierarchisch strukturiert ist, kommen situationsübergreifende Ziele und Pläne zum Tragen. Eine Umstrukturierung des Planungshandelns bedingt in der Folge eine Umstrukturierung des Interaktionshandelns. Lernfortschritte bedürfen einer Feedback - Kultur und Verifizierung durch den Erfolg der Maßnahmen (vgl. HUBER 2013, 272-273).

4.10 Gestaltung der Führungsqualifizierung    

Pädagogische Führungskräfteentwicklung benötigt den Ausgleich von Anforderungen und Kompetenzen. Die Erwartungen der Teilnehmenden bilden die Grundlage einer gemeinsamen Konstruktion des Qualifizierungsprogrammes. Damit ergibt sich der Lernbedarf, der nur prozessorientiert sein kann (vgl. HUBER 2013. 289).

Zur Sicherung der Transferwirksamkeit müssen die Lernort "Fortbildungskurs" und "Bildungsinstitution" verknüpft sein. Fertigkeiten ergeben einen Nah - Transfer, Haltungen und Regelhaftigkeiten bewirken einen Fern - Transfer mit Reflexion der Praxis.

Im Folgenden geht es um Voraussetzungen im Fortbildungskurs, fortbildungsdidaktische Grundsätze, die Förderung der Transferwirksamkeit und die Gelingensbedingungen.

4.10.1 Voraussetzungen    

Für die Leitung einer Bildungsinstitution wird die Klärung des Aufgabenbereiches und der notwendigen Kompetenzen vorausgesetzt.

Im Kontext der Selbsteinschätzung aus der bisherigen Tätigkeit und der Wahrnehmung von Sonderaufgaben und Funktionen lässt sich das Programm für eine vorbereitende Qualifizierung ableiten.

Die Teilnehmenden klären damit ihren individuellen Lernbedarf, ihren Kenntnisstand und Kompetenzbereich sowie die Notwendigkeit der Lerninhalte. Die Kursleitung formuliert ihre Erwartungen für einen Lernerfolg (vgl. HUBER 2013, 289-291).

4.10.2 Fortbildungsdidaktik    

Zur Berücksichtigung beider Lernweisen bedarf es unterschiedlicher Zeithorizonte. Wesentlich ist die Arbeit an Handlungsprämissen und Handlungsregulativen.

Teilnehmerorientierung, Handlungsorientierung mit Erprobung eigenen Handelns und Reflexion der Erfahrung sowie Praxisorientierung mit der Verknüpfung der beiden Lernorte "Kurs" und "Bildungsinstitution" sind fortbildungsdidaktische Grundsätze (vgl. LANGE - SASSEN 1996, 156; BARTZ - MOSING - HERRMANN 2004, 22; HUBER 2013, 292).

4.10.3 Transferwirksamkeit    

Fachkräfteentwicklung beinhaltet die Erweiterung der Fach- und Methodenkompetenz sowie der 'handlungsleitenden subjektiven Theorien. Fortbildung ist dann erfolgreich, wenn es in das mentale Professionsbild integriert werden kann.

Zu beachten ist die Verbindung von Theorie und Praxis, demnach der enge Kontext von fachlichen Themen - Instrumenten -Wissen ("Orientierungswissen") und Training - Übungen - Feedback zum Probehandeln im Einklang mit Reflexion als vertiefendem Theorie - Input ("Stärkung der Handlungskompetenz").

4.10.4 Gelingensbedingungen    

Zu beachten sind der Kontakt zur Gruppe, ein Arbeitsverhältnis mit der Gruppe herstellen, die Kompetenzen der Gruppe nutzen, Lernen im Austausch fördern, die Gruppe an der Steuerung der Fortbildung beteiligen und Selbstwahrnehmung und Reflexion fördern (vgl. BARTZ - MOSING - HERRMANN 2004, 200).

Diese Gelingensbedingungen gelten in der Folge für die Leitung der Bildungsinstitution als Leitlinien einer Leitungspraxis in Form von Kontakt und Arbeitsbündnis zwischen Leitung und Mitarbeitern bzw. Lehrenden, Lernen im Austausch in kollegialen Arbeitsgruppen, einer Beteiligung an der Steuerung in Entwicklungsprozessen und für die Förderung von Selbstwahrnehmung und Reflexion (vgl. BESSER 2001).

5 Inhalte von Qualifizierungsmaßnahmen    

Am Beispiel Deutschlands zeigt sich, dass in den letzten Jahren Qualifizierungsmaßnahmen von Rechts- und Organisationsfragen sich zu kommunikationsorientierten Inhalten verschoben haben. Mitarbeiterführung, Moderation, Kooperation, Einzelberatung und Konfliktgespräche zeige an, dass Führungskräfte Verwaltungsfachleute und Kommunikationsexperten werden. Nicht umsonst spricht man von einer "kommunikativen Wende", die keineswegs nur den schulischen Bereich betrifft (vgl. ROSENBUSCH - HUBER 2001, 8-16; HUBER 2013, 305).

Dies deckt sich mit den Bedürfnissen pädagogischer Führungskräften, wobei interne Schulungen im Umgang mit Rechts- und Organisationsfragen die verwaltungsbezogenen Aufgaben abdecken. Seit den achtziger Jahren wird vor dem Übergewicht an rechtlichen und verwaltungsbezogenen Themen gewarnt, die auf Kosten einer Gestaltung der jeweiligen Bildungsinstitution gehen (vgl. HOPES 1983). Rechtliche und verwaltungstechnische Fragestellungen können leicht erfragt werden, Kompetenzen und das Wissen im persönlichen Umgang muss augenblicklich vorhanden sein(vgl. HUBER 2013, 305).

Folgt man internationalen Erfahrungen - diese wurden bereits angesprochen - geht es um "neue Steuerung", Führungskonzeptionen, Rollenverständnis und Wissensinhalte. Im Folgenden wird auf diesen Paradigmenwechsel eingegangen (vgl. von "leiten und verwalten" zu "führen und gestalten").

5.1 Recht und Verwaltung    

Ohne Zweifel bedarf es sicherer Rechts- und Verwaltungskenntnisse, um eine Bildungsinstitution leiten zu können. "Dominierender inhaltlicher Bestandteil der Programme sind Rechtsfragen im Allgemeinen aber nicht mehr" (HUBER 2013, 312).

Verwaltungsfragen gewinnen mitunter durch die Hintertür im Arbeitsalltag wieder an Bedeutung, etwa Haushaltsfragen (Budgetierungen)mit Finanzierungen und Personalfragen.

5.2 Neue Steuerung    

Leadership ("Führung") wird inhaltlich mit Führungsstrategien, Leitbildfunktion, Teamarbeit und Kooperationsformen bis hin zu Fort- und Weiterbildung verbunden. Dies wird mit er Begrifflichkeit "Educational Leader" beschrieben.

Zusätzlich gehören zu einer Steuerung Personal- und Organisationsentwicklung, Unterrichtsentwicklung, Evaluation und pädagogische Arbeit für/mit Lernenden. Öffentlichkeitsarbeit als Aufwertung der Institution ergänzt das Aufgabenfeld.

5.3 Kommunikation und Kooperation    

Zunehmend entwickelte es sich, dass pädagogische Führungskräfte auf die Arbeit mit und für Menschen konzentriert sind. Damit spielt Kommunikation und Kooperation eine wesentliche Rolle.

Inhalte sind demnach Kommunikation und Führung, Motivation und Koordination und Teambildungen (Gewinnen von Kooperationen in Bildungsinstitutionen). Im Kontext mit Kooperation bedeutet dies auch Erstellen von Leitbildern und geteilte bzw. verteilte Führung ("sharded leadership, distributed leadership") (vgl. HUBER 2013, 314).

5.4 Rollenverständnis    

Die bisher eingeforderten Qualifizierungsmaßnahmen verlangen Impulse, Anregungen und Unterstützungsmaßnahmen.

Dazu dient ein persönliches Leitbild im Kontext mit persönlicher Weiterentwicklung in Wissen, Handlungen, Wertvorstellungen und Reflexionsfähigkeit.

5.5 Wissensinhalte    

Inhalte dienen theoretischer und praktischer Grundlagen. Neben einer Neuvermittlung dienen sie einer Vertiefung über (subjektive) Theorien (vgl. HUBER 2013, 315-316).

Kernfragen in diesem Kontext sind der Umfang des Wissens und die Teilbereiche (Bezugswissenschaften). Vermieden werden soll eine Überfrachtung des Qualifizierungsprogrammes.

Akademisierung ist wenig hilfreich, akademische Aufwertung hingegen im Sinne einer Professionalisierung sehr nützlich.

Theorie und Wissenschaft im Kontext mit Praxis ist wesentlich. Der Transfer sollte möglichst geringe Reibungsverluste haben, weshalb ein didaktisch-methodische Repertoire wichtig ist.

Wissensfelder sind die Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft, Lern-, Sozial- und Organisationspsychologie , Organisationssoziologie, Kommunikationswissenschaft, Verwaltungswissenschaft, Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Politikwissenschaft/ Politische Bildung, Statistik und Ethik (vgl. FRANKENA 1981 mit der Bedeutung der "Analytischen Ethik").

Wissens- und Reflexionskompetenz bedingen die zu entwickelnd Handlungskompetenz. Dazu dient der Mix der Bezugswissenschaften (vgl. HUBER 2013, 316).

5.6 Paradigmenwechsel    

Die bereits angesprochene kommunikative und kooperative Wende beinhaltet das didaktische Prinzip.

"Gestaltung und Entwicklung" ist die Handlungseinheit geworden. Kulturelle, gesellschaftliche und ökonomische Wandlungsprozesse bedingen, dass Bildungsinstitutionen "lernende Organisationen" sind (vgl. die Trias Bildung - Lehr- und Lernprozesse - Entwicklung).

"Entwicklung" ergänzt "Bewahren". Bewährtes und Neues muss institutionalisiert werden können. Die verschiedenen Bildungssysteme folgen in ihrem Bildungsauftrag den Veränderungen.

In der Folge werden exemplarisch Inhalte einer Führungskräfteentwicklung angesprochen (Projektmanagement, Delegation, Kommunikation, Hospitation, Beratung, Konfliktmanagement, Netzwerke, Institutionenbesuche).

5.7 Projektmanagement    

Zum pädagogischen Führungskräftebereich gehört es, nationale und internationale Projekte zu initiieren, zu steuern und umzusetzen. Die Methoden des Projektmanagements haben sich auch in pädagogischen Entwicklungsprozessen bewährt (vgl. die Teilnahme an EU - Bildungsprogrammen und schulinterner projektorientierter Unterricht).

Projekte sind gekennzeichnet durch (vgl. HUBER 2013, 372)

  • Organisation - Ziele, Termine und Ergebnisse > "hard facts"
  • Strukturen - Projektablauf, Steuergruppe > "hard facts" und
  • Psychosoziale Abläufe - Ängste, Widerstand und Dynamik > "soft facts".
Mit der Überbetonung von "hard facts" insbesondere in der Wirtschaft, hier mitunter unpräzisen Zielen, und der mangelhaften Beachtung von "soft facts" entstehen "Misslingensfaktoren". DOPPLER - LAUTERBURG (2002) hat sie für den pädagogischen Gebrauch mit der Verletzung von Werten, Haltungen und Überschreiten von Grenzen ergänzt.

Standard- und Potenzialprojekte wie die Organisation von pädagogischen Anlässen und Machbarkeitsstudien weisen eine geringe soziale Komplexität auf. Gefordert sind fachliches Wissen und deren Umsetzung, Dialogfähigkeit und Kooperation.

Akzeptanz- und Pionierprojekte wie neue Unterrichtsformen oder Mitarbeiterorganisation erweisen hohe soziale Anforderungen. Hier geht es um die Veränderung persönlicher Situation(en) und Veränderung der Organisation (vgl. HUBER 2013, 372).

Bei Schulreformprojekten ergeben sich mitunter bestimmte Verhaltensweisen wie die Erhaltung des Status quo, eine kollektiven Selbstbeschwichtigung und ein Aufbau eines Leidensdrucks.

Pädagogische Führungskräfte sind "Schlüsselpersonen" bei Veränderungsprozessen, insbesondere in der Vorfeldbearbeitung.

Die soziale Gruppe als Team oder Kollegium steht vor bestimmten Problemen bzw. Fragestellungen, die die eigene Kompetenz betreffen (vgl. DOPPLER - LAUTERBURG 2002; für die Erwachsenen- bzw. Weiterbildung SCHRÖER 2004).

  • Kompetenz für Veränderung - Notwendigkeit der Umstellung,
  • zusätzliche Aufgaben - Positionserhaltung,
  • Veränderung des persönlichen Umfeldes - Chancen und Vorteile.
Projektleitende benötigen Methoden-, Formal- und Sozialkompetenz. Dazu gehören Zielorientierung, Selbstentfaltungsmöglichkeit, Delegationsfähigkeit, Mitdenken und Problemlösen lassen sowie Vertrauen und Wertschätzung der Teilnehmenden.

5.8 Delegation    

Die Begrifflichkeit "Delegation" bedeutet anvertrauen, übertragen. "Bei 'Management by Delegation' handelt es sich um eine vertikale Dezentralisierung von Aufgaben und Entscheidungskompetenzen" (HUBER 2013, 379).

Die Führungskraft trägt die Verantwortung für Durchführungsentscheidungen. In einer Bildungsinstitution kommt es zu einer vertikalen Übertragung von Aufgaben Befugnissen und Verantwortung an Mitarbeitende. Delegation wird so ein Teil einer Führungskonzeption, der kooperativen Führung.

Unterschieden wird an juristischer und organisatorischer Delegation sowie Führungs- und Handlungsdelegation (vgl. DUBS 2005).

Delegation bedeutet die Frage der Übernahme von Verantwortung. Die Delegation von Aufgaben ist möglich, es verbleibt die Frage der Letztverantwortung beim Vorgesetzten. Nach DUBS (2005) geht es um die Auswahl und Unterweisung der Mitarbeitenden, den Entscheidungsspielraum, Absprachen bzw. Festlegungen von Zielformulierungen und den Arbeitsgang mit Kontrolle des Leistungsverhaltens.

Kontrolle bedeutet Rückmeldungen über das Leistungsverhalten. In Bildungsinstitutionen kann dies in Zwischenberichten bzw. Zwischenbesprechungen aus Gründen einer zeitlich günstigen Unterstützung geschehen.

Eine Delegation aus Gründen einer Entlastung ist dann günstig, wenn Spezialistentum gefragt ist, wobei gewisse Bereiche intensiviert und qualifiziert bearbeitet werden. Dies bedeutet in der Folge Autonomie, Handlungsspielraum und berufliche Zufriedenheit bzw. Motivation. Die Akzeptanz von Entscheidungen kann so erhöht werden (vgl. KLEINBECK 1996).

Natürlich gibt es auch Gründe für mangelnde Delegation wie Perfektionismus, unklare Organisationskultur, ungenügende Belohnungs- und Anerkennungskultur und Befürchtungen von zu viel Einfluss Einzelner (vgl. DUBS 2005, 401).

Zuletzt gehts es um Fragen der Machbarkeit. Aspekte sind eine Legitimation (formaler Aspekt), Kompetenzen ("Können"), Motivation ("Wollen") und Ressourcen (zeitliche, räumliche, sachliche und personelle Aspekte). Letztlich geht es um die Akzeptanz der Tätigkeit(sozialer Aspekt).

5.9 Kommunikation    

Die Arbeitszeit von pädagogischen Führungskräften beinhaltet bis zu 90 Prozent Kommunikationssituationen. Damit ist Kommunikation das Bindeglied zwischen Führungsgrundsätzen und Elementen von Führung (vgl. ROSENSTIEL 2003, 5).

Im Bildungsmanagement der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung ist Kommunikation das Medium der Lehr- und Lernprozesse (vgl. HUBER 2013, 386). Wer im Lehrprozess steht, kommuniziert bei der Planung von Lehrveranstaltungen, mit Mitarbeitenden und Lernenden.

Kommunikationssituationen ergeben sich bei der Gesprächsführung, Präsentation vor Gruppen und Moderation von Gruppen. Im Folgenden wird darauf eingegangen.

Anlassbezogene Gespräche mit Mitarbeitenden bedürfen einer Strukturierung. Anlässe sind etwa Anerkennungs-, Kritik- und Konfliktgespräche.

Mitunter finden Gespräche unter Zeitdruck statt, damit auch ungeplant und zwischen Tür und Angel. Damit laufen solche Gespräche Gefahr zu misslingen.

Günstig ist jedenfalls ein Gesprächsleitfaden, der sich routinegemäß einführen lässt (vgl. beispielhaft LEHMEIER -MÜLLER - GLOGER 2003, 30).

  • Vorbereitung > Bezeichnung des Gesprächs
  • Kontaktaufnahme > Anlass
  • Information > Bereitschaft
  • Erörterung > Äußerungen und Fragen, Vorschläge und Anregungen, Rückfragen, Hilfestellungen
  • Beschluss - Kontrolle > Vereinbarung
  • Abschluss
Kritikgespräche erfordern Sensibilität und Professionalität. Das kritisierende Verhalten bzw. der Umstand soll klar erfolgen, ohne zu verletzen oder persönlich anzugreifen. Leitlinie sollte sein: hart in der Sache, verbindlich und wertschätzend im Ton. In jedem Fall sollten Vorstellungen erfragt werden, Verbesserungsvorschläge erfolgen und Vereinbarungen zusammengefasst werden (können) (vgl. HUBER 2013, 388-390).

Mitarbeitergespräche unterscheiden sich von der zeitlichen Dimension her, häufig sind sie als Jahresgespräche konzipiert. Reflexion und Beurteilung des Zeitraumes sowie Planung kommender Aufgaben und Ziele sind wesentliche Elemente (vgl. HOFBAUER - WINKLER 2004, 5).

Gruppenpräsentation bedeutet Mitarbeitende zu informieren, Gremien zu überzeugen und ggf. Mitstreiter zu gewinnen. Dazu gehören auch Besuchergruppen zu empfangen, ein Grußwort zur Eröffnung zu sprechen oder einen Vortrag zu halten. Präsentationen benötigen einen Aufbau, eine Visualisierung und Präsentation (vgl. SEIFERT 2003, 49) .

Ein Leitfaden hilft für die Durchführung.

  • Erklärung der Ziele
  • Zielgruppe
  • Thema
  • Organisation
  • Ablauf
  • Durchführung und Abschluss.
Führungskraft und Moderation beinhalten die Zusammenarbeit in Gruppen, Teams oder bei Projekten. Besprechungen, Sitzungen, Konferenzen, Jour Fixes oder Workshops sind Elemente von Zusammenkünften. Zur Erleichterung zum Erreichen von Problemlösungen bedarf es einer Moderation.

Die Person des Moderators hilft der Gruppe, eigenverantwortlich zu arbeiten und Lösungen bzw. Problembereiche zu finden. Inhaltlich neutral ist er/sie für die Methode verantwortlich. Im Folgenden wird in einem Leitfaden der Ablauf einer klassischen Moderation aufgezeigt (vgl. LEHMEIER - MÜLLER 2003, 2).

Moderationszyklus nach LEHMEIER - MÜLLER 2003

  • Anwärmen - persönlicher Zugang, Transparenz schaffen, Zielklarheit
  • Sammeln - Themen von Besprechungspunkten, Sammeln von Problembereichen
  • Bewerten - Zusammenfassung von Themen bzw. Problembereichen, Auswahl
  • Bearbeitung - Kleingruppenarbeit
  • Entscheidung - Präsentation von Lösungen, Vereinbarung über Folgerungen, Absprachen
  • Abschluss - Reflexion über Ablauf und Ergebnisse, Feedback
Fallen für eine Moderation sind eine nachträgliche Legitimation für bereits getroffene Entscheidungen, kein partizipatives Verhalten der Führungskraft, keine offene Diskussion, Zeitnot, mangelhafte gemeinsame Kooperation und keine Weiterdiskussion bzw. Reflexion von Ergebnissen (vgl. REGNET 2003, 244).

5.10 Hospitation    

Eien systematische Reflexion des eigenen Unterrichts findet in der kollegialen Hospitation bis heute unzureichend statt (vgl. BUHREN 2011). Praktizierende Lehrende erhalten selten - mit Ausnahme von "Schaustunden" bei Lehramtsprüfungen und Schulbesuchen - ein professionelles Feedback (vgl. HUBER 2013, 401). Eine Fremdsicht über den eigenen Unterricht und das Lehrerhandeln im Kontext professionellen Austauschs ohne Beurteilungsanlässe erscheint ein wesentliches innovative Element zu sein (vgl. BUHREN 2011).

Forschungsergebnisse die Effektivität von kollegialer Hospitation für die Lehr- bzw. Lernqualität und die Unterrichtsergebnisse aufzeigen (vgl. HELMKE 2008).

Entscheidend für die kollegiale Hospitation ist die Akzeptanz der beobachtenden Person (unabhängig vom Fach). Festgelegte Fragen sind der Gegenstand einer gemeinsamen Nachbesprechung. Ziel sind Aufschlüsse über "blinde Flecken" als Anstoß für Selbstreflexion und Weiterentwicklung der Professionalität. Urteilende Rückmeldungen sind sachlich-fachlich und ohne verletzenden Charakter zu geben.

Kollegiale Hospitation sind so auch der sanfte Einstieg in Teamentwicklungen ("Tandempartner"). Es ist zu beobachten, dass im Anschluss es zu gemeinsamen Projekten kommen kann (vgl. HUBER 2013, 402).

Unterrichtshospitation mit offener Beobachtung

  • Vorbesprechung - Frageformulierung, Bewegung im Unterricht, Medieneinsatz, Lehrender - Lernende - Beziehung, Klarheit der Sprache und Klassen- bzw. Gruppenführung,
  • Unterrichtsbesuch - Protokollführung über die vereinbarten Kriterien, Verhalten Lehrender - Lernende > keine Wertungen vornehmen,
  • Auswertungsgespräch - Grundlage ist das Protokoll vor dem Feedback - Gespräch, Ereignisse im Unterricht - Maßnahmen zur Verbesserung bzw. deren Umsetzung > gemeinsame Interpretation der Ergebnisse mit Beschränkung auf das Machbare und einer Zeitvereinbarung, ggf. Hinweise für Fort- und Weiterbildung.
Beobachtungsbogen mit geschlossenen Fragen

Lehrerhandeln im Unterricht nach einem Beobachtungsbogen mit geschlossenen Fragen beinhaltet in der Regel sechs Dimensionen (Unterrichtsorganisation, Lernatmosphäre, Methoden, Lernarrangements, Verhalten - Entscheidungen, Differenzierungen - Förderung), die als Vorbild Indikatoren der niederländischen Unterrichtsinspektion(1997/ Utrecht) beinhalten und in der Folge bearbeitet wurden (vgl. ROLFF 2013, 133-148; HUBER 2013, 407-408).

Führungskräfte können kollegiale Hospitation unterstützen. Wenn Unterricht/ Lehre (wieder) mehr unterstützt wird, sind Unterrichtsbesuche mit Hospitationen kompatibel. Freistunden können genützt werden, Hospitationsteams finden Anerkennung ihrer Arbeit. "Pädagogische Tage" können solche Projekte/ Initiativen unterstützen bzw. begleiten, Jahresthemen für Hospitationen helfen der Verknüpfung zu einer verbesserten Unterrichtsentwicklung (vgl. BUHREN 2011).

5.11 Beratung    

Für Bildungsinstitutionen stellt Beratung eine wichtige Unterstützung dar. Eine hohe Beratungskultur sollte sich entwickeln können (vgl. MÖRTH - SÖLLER 2005; HUBER 2013, 412).

Zur Orientierung wird das folgende Differenzierungsmodell mit Merkmalen einer Beratungskonstellation vorgestellt (vgl. HUBER 2014, 412).

Klienten > Anlass/ Thema - Kontext - Ziele >> Beratungstriade

Passung/Beratertyp > Gelingensbedingungen-methodisches Setting >> Beratungsarrangement

Berater (team) > Qualifikation - Wissen, Fertigkeiten sowie Erfahrung - Werte, Haltungen, Einstellungen >> Beratungsexpertise

Klienten (Beratungssuchende) sind in Bildungsinstitutionen mehrfach anzutreffen,

  • als Einzelpersonen (Lernende, Lehrende, pädagogische Führungskräfte),
  • als Gruppe (Gruppe von Lernenden, Gruppe von Lehrenden, Steuergruppe),
  • als Organisation (etwa Schule, Elternverein, Bildungsinstitution, Elternverein) und
  • als gesellschaftliches (Sub) System (etwa Schulaufsicht, Schulverwaltung - außerschulische Bildungsinstitution).
Ausgehend vom Differenzierungsmodell ergibt sich ein Beratungsanlass mit Themen, wobei eine Zielstellung vorhanden ist. Zentrales Ziel ist die Ermöglichung einer Hilfe zur Selbsthilfe.

Eingebettet ist Beratung in einen Kontext mit personellen, sozialen,, kulturellen und finanziellen Bedingungen, die die Beratung als Gelingensbedingung in einem methodischen Setting mitzuberücksichtigen hat.

Schüler- bzw. Bildungsberater als interne Schulmitarbeitende bzw. Bildungsinstitutionsangehörige in Verbindung mit dem Schulpsychologischen Dienst und/oder externe Beratende etwa vom Arbeitsmarktservice, den Sozialpartnern oder Landeseinrichtungen und Privatinstitutionen stehen zur Verfügung.

Nach ROGERS (1972) gelten als Voraussetzung für Beratende Akzeptanz, Empathie und Authenzität sowie eine Allparteilichkeit und diagnostisch - methodisches Wissen, fachliches und operatives Wissen.

Pädagogische Führungskräfte sollten ein starkes Interesse an interner und externer Beratung bzw. Netzwerken haben. Ressourcen können intern zur Verfügung gestellt werden, etwa für Ausbildungs- bzw. Fortbildungsmöglichkeiten, Zeitfenster, Testmaterial, Räumlichkeiten und Mittel zur Anschaffung von Handbüchern.

In diesem Zusammenhang ist auf die Rolle von Beratenden in Schulentwicklungsprozessen besonders hinzuweisen.

Es bedarf ebenso einer professionellen Beratung an allen Schnittstellen im Bildungssystem. Zu beachten sind jedenfalls kontinuierliche Beratungsanlässe während der Lernkarriere (vgl. MÖRTH - SÖLLER 2005; HOHNER 2006).

Erziehungsberatung erhält verstärkt Bedeutung in Bildungsinstitutionen.

Es bedarf einer ausgeprägten Kultur der Kooperation zwischen den Beratungssystemen.

Rollenklarheit von Beratenden setzt eine Selbstreflexion voraus (Rollenverständnis - Vorlieben - Stärken/ Schwächen -Erwartungen).

5.12 Konfliktmanagement    

Konflikte entstehen durch unterschiedliche Interessen und Anforderungen. Abwägungen, Kompromisse oder Verzichte werden notwendig. Konfliktmanagement dient in einem Team der positiven Beeinflussung.

Frühzeitiges Wahrnehmen von Störungen und konstruktive Intervention sind wichtige Führungsaufgaben.

"Konflikte sind nicht zu vermeiden, die Eskalation schon" (HUBER 2013, 421).

Mit Konflikten gut umgehen zu können, heißt sie wahrnehmen zu können. Kommunikation ist der Indikator für Botschaften. Jedes Missverständnis führt zu Missstimmungen und damit zu potentiellen Konfliktsituationen. "Der Konflikt ist die alltägliche Nebenwirkung versuchter Kommunikation" (HUBER 2013, 421).

Eine wichtige Ursachen von Konflikten sind mit ihren Ausdrucksformen Widerstand und Ängste (Positions-, Ansehens-, Überforderungs- und Beziehungsängste). Sie zeigen sich auf der Sachebene und sind emotional motiviert. Bei zu geringer bzw. keiner Beachtung kann es zu verfahrenen Situationen kommen (vgl. HUBER 2013, 422).

Bei Sachargumenten kann es zu maskierten Ausweichargumenten kommen. Fehlt eine sachliche Erklärung mit einem Erkenntnisfortschritt, komm es zu passivem Widerstand mit Verhindern bzw. Blockieren. Daraus ergibt sich als einziger Weg eine Arbeit mit dem Widerstand (vgl. HUBER 2013, 422-423).

  • Welche Anliegen bzw. Bedürfnis haben die Betroffenen?
  • Welche Sorgen und Ängste sind vorhanden?
  • Welche Möglichkeiten haben die Betroffenen?
  • Welche Unterstützungsformen für die Zufriedenheit der Betroffenen gibt es?
  • Was darf auf keinen Fall passieren?
Die Treppe der Eskalation von GLASL (2004) dient der Einschätzung der jeweiligen Konfliktsituation, wobei die Interventions- und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Führungskräfte sollen frühzeitig eingreifen, ebenso auch erkennen, wann es zu spät ist bzw. ein externer Moderator einzusetzen ist.

In den ersten drei Stufen gibt es die Bereitschaft zur Kooperation und Lösung von Konflikten. Schnelle Intervention einer Führungskraft hilft zur Vermittlung.

1. Stufe: Verhärtung - Verhärtung der Standpunkte, Spannungen, Lösungen durch Gespräche

2. Stufe: Debatte - Polarisierung im Denken, Fühlen und Wollen - Sichtweise von Überlegenheit bzw. Unterlegenheit

3. Stufe: Aktionen - Strategie der vollendeten Tatsachen, Gefahr von Fehlinterpretationen, keine persönlichen Verletzungen

In drei Stufen geht es um Gewinn bzw. Verlust. Externes Konfliktlösungsmanagement ist sinnvoll.

4. Stufe: Koalitionen - Vorurteile und Stereotype werden aufgebaut, Konfliktparteien bekämpfen sich, Werbung um Anhänger

5. Stufe: Gesichtsverlust - Angriffe zielen auf einen Gesichtsverlust des Gegners

6. Stufe: Drohstrategien - Zunahme von beidseitigen Drohungen, Ultimaten werden gestellt.

Eine Lösung ist kaum mehr möglich. Wenn der Gegner verliert, wird das eigene Verlieren bewusst in Kauf genommen.

7. Stufe: Begrenzte Vernichtung - Begrenzte Vernichtungsschläge werden durchgeführt. Eine Umkehrung der Werte findet statt. Ziel ist ein Schaden beim Gegner.

8. Stufe: Zersplitterung - Zersplitterung - Auflösung des gegnerischen Systems.

9.Stufe: Abgrund - Totale Konfrontation ohne die Möglichkeit einer Rückkehr, Vernichtung des Gegners mit Einschluss der Möglichkeit der Selbstvernichtung.

Ein gutes Konfliktmanagement etabliert in Bildungsinstitutionen

  • eine gute Kommunikationskultur.
  • In der Folge entsteht ein gemeinsames Bewusstsein.
  • Ziel sollte die Möglichkeit sein, eigene Lösungen zu finden. Eine Feedback-Kultur? soll gepflegt werden. Aufeinander zugehen soll ein Prinzip sein.
Die Verbindlichkeit von Beschlüssen schafft eine Vermeidung von Konflikteskalationen. Im Sinne einer demokratischen Kultur werden Beschlüsse gemeinsam erarbeitet und getragen.

Dabei hilft ein Leitbild der Bildungsinstitution (Nutzen der Veränderung, Klarheit des Entwicklungsprozesses, Orientierung und Transparenz, Partizipation mit Einbindung, Team-Entwicklung? - Kontrollmechanismen).

"Nicht der Konflikt ist das Problem, sondern vielmehr der (Nicht-)Umgang mit ihm. Konflikte sollten nicht um jeden Preis zu verhindernde Störungen angesehen werden" (HUBER 2013, 428).

5.13 Kompetenz - Portfolio von Bildungsinstitutionen    

Bildungsinstitutionen bedürfen im Rahmen von Qualitätsentwicklung Einrichtungen, die aus der Außensicht Verbesserungsvorschläge und externe Evaluation mit einem Bild über die jeweilige Situation sich verschaffen, so dass eine Übereinstimmung von Selbst- und Fremdbild ermöglicht wird (vgl. HUBER 2013, 441).

Wesentlich ist der Perspektivenwechsel.

Als Qualitätsleiter kann die folgende Übersicht gelten, die modifiziert für alle Bildungsinstitutionen vorgestellt wird. Sie gilt in Hessen als Grundlage bei einer Schulinspektion für ein Kompetenzportfolio (vgl. HUBER 2013, 442).

  • Portfolio der Institutionsleitung
  • Fragebogen: Lehrende - Lernende - Interessenten
  • Dokumentationsanalyse: Institutionenprogramm - Protokolle - Konzepte
  • Institutionenbegehung - pädagogische Fragestellungen
  • Interviews: Lehrende - Lernende - Interessenten - nichtpädagogisches Personal
  • Interview: Leitung der Institution
  • Vorstellung der Bildungsinstitution
  • Unterrichtsbesuche
  • (Evaluations-) Bericht als Kompetenz - Portfolio
Institutionenbesuche haben eine analysierende Rolle, wobei über das professionelle Handeln in der jeweiligen Bildungsinstitution nachzudenken ist.

Vorrangig gilt, die Stärken und im Selbstbild "blinde Flecken" aufzuzeigen. Der Vorteil liegt im Lernprozess mit der Qualitätsdimension.

Als entscheidender Lernschritt gilt der Umgang mit dem Evaluationsbericht, also dem Gesamteindruck. Als Kompetenz -Portfolio verstanden sollen adressatenorientiert und zweckbezogen aus verschiedensten Quellen Informationen dokumentiert werden (vgl. HÄCKER 2007, 86). Er gilt als Brückenfunktion zwischen Entwicklungsprozessen und Qualitätsdimension.

Ein Institutionenbesuch dieser Art (schulisch "Schulinspektion") geht auf bildungspolitische Ziele ein, also Bildungs- bzw. Schulmanagement und staatliche Richtlinien zur Absicherung von Bewertungskriterien.

Referenzrahmen für die Qualität einer Bildungsinstitution (vgl. HUBER 2013, 444)

Institution > vorgesetzte Institution/ Aufsicht

Methoden des Besuchs bzw. Inspektion:

  • Voraussetzung und Bedingungen
  • Ziele und Strategien der Qualitätsentwicklung
  • Führung und Management
  • Professionalität
  • Institutionenatmosphäre bzw. Schulkultur
  • Ergebnisse und Wirkungen
Bericht als Kompetenz - Portfolio

Die Ergebnisse sollten einen Zielvereinbarungsprozess ergeben. Als Vereinbarung und nicht als Vorgabe oder Festsetzung gilt es, vorrangig die handelnden Personen und unter Umständen die Rahmenbedingungen vor Ort zu berücksichtigen. Als Anschlusslernen für künftige Entwicklungsprozesse weiß man aus der Erwachsenenpädagogik, dass vorhandene Erfahrungen eine Barriere für Neues sind, insbesondere wenn die Rückmeldungen unerwünscht sind (vgl. SIEBERT 1996, 14; ARNOLD -SIEBERT 1997, 90).

Für Führungskräfte ergibt sich daraus die Notwendigkeit organisationales Lernen zu ermöglichen, wobei Lernen keine reaktive, vielmehr aktive Leistung bzw. ein tätiges Handeln der Lernenden darstellt. Die folgenden vier Elemente dienen einer Strukturierung (vgl. STEINBERGER 1999, 169-171; für die Erwachsenen- bzw. Weiterbildungspädagogik ARNOLD - SIEBERT 1997, 15, 89).

  • Personenorientierung - Entwicklungsprozesse durch gemeinsame Leistung der Leistung und der Lehrenden
  • Situationsorientierung - Entwicklungsprozesse durch individuelle Personal- und Kompetenzentwicklung
  • Zielorientierung - Begleitung der Entwicklungsprozesse
  • Problemorientierung - Entwicklungsprozesse durch persönliche und kollektive Relevanz
5.14 Organisationspädagogik    

Im Folgenden geht es um die Bedeutung von Arbeitsorganisation und Organisationsentwicklung von Bildungsinstitutionen als Teilgebeite einer Organisationspädagogik, wobei schulische und außerschulische Dimensionen zu berücksichtigen sind.

5.14.1 Arbeitsorganisation    

Für Bildungsinstitutionen bedeutet die Strukturierung der Organisation

  • die Differenzierung ihrer Aufgaben in Teilaufgaben und Zuordnung zu Aufgabenträgern sowie
  • die Koordination mit gegenseitiger Abstimmung und damit der Zusammensetzung zu einer Gesamtleistung.
  • Unterstützt werden diese organisatorischen Maßnahmen durch formale Regeln für die Aufgabengestaltung, etwa die Entscheidungskompetenzen, Informations- und Kommunikationsstrukturen sowie Regelung von Verfahren wie Programme (vgl. HUBER 2013, 455).
Zentraler Aspekt einer Organisationsgestaltung unter pädagogischen Prämissen ist ein Leitbild.

  • Entscheidungsstrukturen müssen für die Gestaltung der pädagogischen und fachlichen Arbeit in Verbindung mit dem Einsatz von Ressourcen vorhanden sein.
  • Grundlegende Vorstellungen der Mitarbeitenden und Lernenden bzw. ihrer Eltern bzw. Vertretung sind zu berücksichtigen. Dies bedarf eines Reflexionsprozesses.
Grundsätze eines Leitbildes/Beispiel

  • Förderung des Lernens und Entwicklung der Lernenden
  • Eigenverantwortung
  • Einsatz von Ressourcen im Kontext mit neuen Erfahrungen
  • Förderung eines Selbst- und Weltverständnisses
  • Übernahme von sozialer Verantwortung
  • Vorbereitung auf kulturelle und demokratische Teilhabe
  • Vorbereitung auf das Berufsleben im Kontext mit Fort- bzw. Weiterbildung
  • lernwirksamer Unterricht mit Fördermaßnahmen der Gestaltung eigener Lernprozesse
  • Übereinstimmung von inhaltlichen und methodischen Unterrichtsangebote
Die Unterrichtsverteilung ist wesentlich für die Aufgaben- und Personalzuweisung. Sie hat wesentliche Auswirkungen für die Organisationsgestaltung und -pädagogik.

  • Schulisch bedeutet dies die Lehrfächerverteilung im Kontext mit entsprechender Qualifizierungen der Lehrenden (Lehrämter, Zusatzqualifikationen)).
  • Außerschulisch bedeutet dies die Rekrutierung qualifizierter Lehrender für anzubietende Teilgebiete (Themenschwerpunkte, Kompetenzen/Didaktik, Zusatzqualifikationen).
Organisationsanalyse - modifiziert nach SCHREYÖGG 1999 bzw. HUBER 2013

Institutionenprogramm

Soll - Zustand: Gestaltung der Organisation mit Umsetzung der normativen und strategischen Vorgaben

Ist - Zustand: Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Effizienz der Organisation, Eignung der internen und externen Bedingungen

Wirkungsabschätzung mit Bewertung > Entwicklung von Interventionen bzw. Alternativen

Veränderung der Organisationsgestaltung

5.14.2 Organisationsentwicklung    

"Über Jahrzehnte haben sich die Grundmuster des Verhaltens als überdauernde 'pattens' herausgebildet und verbreitet[...]. Wer das System und die Hindernisse überwinden will[...], muss die Grundmuster in den 'Prozess' der Weiterentwicklung einbeziehen[...]" (HUBER 2013, 466; vgl. für Schule DAMMANN 2009).

Im Folgenden geht es um den Prozess der Organisationsentwicklung als Innovationspraxis in mehreren Stufen. Als Sonderform von Organisationsentwicklung gilt Schulentwicklung (vgl. DUBS 2010, 481-488; ROLFF 2014).

Entwicklungs- und Innovationsprozesse in Bildungsinstitutionen zeigen an, dass pädagogische Organisationen als soziale Systeme nur als Teilsysteme zusammenwirken können. Weil sie sich unterscheiden, können sie kommunizieren und kooperieren, etwa als Steuergruppe, Leistung, Projektteam, Gremium und Aufsicht.

Grundeinsichten dafür sind

  • die Systempartner mit vereinbarten Organisationszielen und Regeln,
  • die Beweglichkeit von Organisationen unter der bestimmten Voraussetzung eigener Entwicklungsmöglichkeiten und
  • die Erkenntnis, dass das Gleichgewicht der Systemumwelt nicht mehr stimmt und Entwicklungsprozesse notwendig werden,
  • Wissen, Können und Wollen für eine tragfähige Organisationsentwicklung,
  • Innovationen in einem längerfristigen Prozess, damit schrittweise Veränderungen eingeführt und angenommen werden (vgl. HAMEYER 2007, 45-58; 2013).
Nach HAMEYER (2007, 2013) sind die Phasen einer Organisationsentwicklung

  • die Initiation (Anbahnungsphase),
  • die Implementation (Umsetzungsphase) und
  • die Institutionalisierung (Verankerungsphase).
Angewiesen ist der Organisationswandel auf wechselseitig aktiviertes und modifiziertes Zusammenspiel der Beteiligten (vgl. HUBER 2013, 470-476).

Die Qualität der einzelnen Phasen zeigt sich an der Schnittstellenkommunikation und Rückmelde-Anlässen?.

Ausgehend von der Zielvorstellung einer lernenden (Bildungs-) Organisation gilt es,

  • die Teamarbeit zu forcieren,
  • Weiterentwicklungen als lernende Organisationen zu fördern,
  • Partizipation (Beteiligung) und Demokratieverständnis zu praktizieren und
  • pädagogische Leitideen lernökonomisch einzusetzen.
5.15 Schulentwicklung    

Prozesse der Schulentwicklung sind national und international eine Herausforderung für alle Beteiligten, also Lehrende, Lernende, Schulleitung, Eltern, Schulaufsicht bzw. Schulverwaltung und Schulpolitik (vgl. DALIN - ROLFF -BUCHEN 1995).

Qualitätsmerkmale und Innovationen sind Kennzeichen einer solchen Entwicklung. Eine "neue Steuerung" und entsprechende Rahmenbedingungen entwickeln Instrumentarien, die Leistungsfähigkeit muss im Kontext von Ermutigung und Verpflichtung unter Beweis gestellt werden (vgl. HUBER 2013, 479).

Schulprogrammarbeit erfordert eine verstärkte Dokumentationsarbeit, eine veränderte Qualifikation der Beteiligten. Fortbildung zeigt sich als Notwendigkeit, wenngleich sie eher als Ausnahme zu sehen sind (vgl. HUBER 2013, 480).

Als komplexer Prozess ist Schulentwicklung in Systemzusammenhängen zu sehen. Zu berücksichtigen sind Unterrichts- und Erziehungsentwicklungen, Personalmanagement, Qualitätsmanagement, Führungsentwicklung, Kooperationen und die sozio-kulturelle Umgebung (vgl. ROLFF 2007, 29-31; 2013, 14-19: "Drei - Wege - Modell" mit Organisationsentwicklung -Unterrichtsentwicklung - Personalentwicklung; HUBER 2013, 481).

Idealtypisch wäre der Phasenverlauf eines Schulprogrammes mit

  • dem Einstieg - intrinsische bzw. extrinsische Motivation,
  • Initiierung,
  • Informationsmanagement,
  • Beschlussfassung der Schulkonferenz,
  • Bildung der Steuergruppe,
  • Bestands- und Umfeldanalyse,
  • Datenerhebung - Rückmeldungen,
  • Diagnose der Stärken bzw. Schwächen,
  • Erarbeitung der Leitsätze mit Formulierung des Leitbildes und des Schulprogrammtextes,
  • Festlegung der Entwicklungsschwerpunkte mit Prioritätensetzung,
  • Einstieg in das Projektmanagement,
  • Planung von Fortbildungen,
  • interne Evaluationen und
  • Konsequenzen aus der Evaluation.
Für ein Fortbildungsseminar kann der folgende Vorschlag diskutiert werden (vgl. WENZEL 2010, 263-266; HUBER 2013, 484).

  • Geschichte der Schulentwicklung,
  • Einführung in das Seminar,
  • Initiierung von Schulprogrammarbeit,
  • Steuerungsgruppe als Motor der Arbeit,
  • Bestandserhebung - Feedback - Kultur,
  • Zukunftswerkstatt,
  • Schwerpunktsetzung - Prioritäten,
  • Handlungsplanung,
  • Schulprogramm - Textfassung,
  • Umsetzung von Maßnahmen,
  • Planung der Selbstevaluation und
  • Konsequenzen aus der Evaluation.
5.16 Unterrichtsentwicklung    

Als ein Aspekt der Schulentwicklung soll Unterrichtsentwicklung im Zusammenhang mit einem Wandel der Lernkultur näher betrachtet werden.

Unterrichtsentwicklung hat mit dem systemtheoretischen Modell der Selbstorganisation zu tun, gehen doch die Ordnungsstrukturen von Systemen aus sich selbst hervor. Diese greifen auf das zurück, was sie bereits haben (vgl. LUHMANN 1997). In Bildungsinstitutionen bedeutet dies, dass die Systeme nur so reagieren können, wie sie über die Möglichkeiten verfügen ("operationale Geschlossenheit"; vgl. STARK 1994, 94). Entwicklungsprozesse zeigen immer wieder, dass nur im Einklang mit den Selbstorganisationskräften Veränderungen möglich sind.

Systeme von Bildungsorganisationen im Kontext mit Unterrichtsentwicklung sind Lehrende, Lernende, Kollegien, Mitglieder der Institution und der Systemumwelt (Trägerorganisation, Medien, gesellschaftliche Gruppen, Vereine und Kirchen) (vgl. ROSENBUSCH 2005, 82). Eine isolierte Betrachtung ist kaum möglich, vielmehr ist die Gesamtebene bzw. Betrachtung zu beachten und mit ihr umzugehen.

ROSENBUSCHs Modell (2005) der Systemebenen verstellt den Blick auf die Führungsebene, ohne deren Sichtweise Veränderungen wie eine Unterrichtsentwicklung nicht möglich ist.

Veränderungskonzepte der Unterrichtentwicklung haben daher neben der Notwendigkeit einer Selbstorganisation die Funktion von Führungskräften zu beachten (vgl. die Forcierung der Ausbildung von freiwilligen Beratenden für Unterrichtsentwicklung). Dies bedeutet auch, dass Führungskräfte psychologisch zum Wandel sicher sein müssen und einen persönlichen Referenzpunkt benötigen ("reflexive Führung" vgl. SCHEIN 1995, 10; ARNOLD 2005).

Nach ARNOLD (2009, 97) durchlaufen Führungskräfte fünf Stufen des Denkens und Erlebens.

  • Fühlen in Schlüsselsituationen,
  • Rechtfertigung der Eindrücke und Verhaltensweisen,
  • Festlegung der Gedanken und Konzepte,
  • Verunsicherung und Halten einer Balance sowie
  • neue Gedankengänge mit Erleben von Neuem.
Systemische Führung in Entwicklungsprozessen nach HUBER 2013, 490-491

  • wertschätzender Vergleich: Vermeidung von Bewertungen - Schätzen von Vielfalt
  • Wirkungsunsicherheit: Fixierung von Zeitkorridoren - Sammeln von Rückmeldungen und Evaluierungen
  • Selbstreflexion: Misstrauen gegenüber eigenen Wahrnehmungen - Neugierde gegenüber neuen Annahmen und Konstrukten
  • Führungshandeln ist an Erwartungen, Erfahrungen, Ansprüchen und Hoffnungen gebunden. Zentrale Frage ist die Wirksamkeit der Bildungsinstitution und des Unterrichts bzw. der Lehre.
Unterrichtsentwicklung als kooperativer Prozess ist abhängig von gemeinsamen Unterrichtsvorhaben, Zielen und Kriterien eines Kollegiums.

Führungskräfte und Steuergruppen achten auf die Kooperationsvorhaben unter Einbindung von Fachkollegen in einem festgelegten Zeitrahmen (vgl. ROLFF 2007, 27).

Basisprozesse der Unterrichtsentwicklung nach HORSTER - ROLFF (2006, 801)

  • Sammeln von Daten,
  • Zielvereinbarungen,
  • Überprüfung der vorhandenen Mittel,
  • Planung und Umsetzung des Vorhabens und
  • Evaluierung des Entwicklungsprozesses bzw. der Ergebnisse.
Ermöglicht werden müssen Erfahrungsräume ("Vorwissen") und Innovationsversuche ("Zutrauen von Neuem").

Die Bildungsinstitution agiert im Sinne einer "lernenden Schule" (vgl. HORSTER - ROLFF 2006, 207). Ein didaktisches Leitbild ist die Basis für eine kontinuierlichen Wandel der Lernkultur (vgl. ARNOLD 2008).

5.17 Wissensmanagement    

Bildungsinstitutionen sind auf die ständige Beobachtung des Wissensmarkts angewiesen,

  • um Wissensinhalte für ihre Arbeit und institutionelle Entwicklung nützen und
  • um ihren Mitarbeitenden Wissen als Wissensvorteile und Gewinn an praxisorientierenden Erkenntnissen für die Handlungsfelder vermitteln zu können (vgl. HUBER 2013, 518).
Die folgenden Erkenntnisse beziehen sich schwerpunktmäßig auf KÜHN - ZIEGLER und HAMEYER (2009) sowie PRANGE (2002)mit ihren Überlegungen zum Wissensmanagement in der Schule bzw. organisationales Lernen und Wissensmanagement.

In der Regel sind Berufsfelder auf den neuesten Wissensstand angewiesen, mitunter auf den IT - Bereich binnen kürzester Zeit mit Spezialrecherchen. In Bildungsinstitutionen muss Wissen sorgfältig vorbereitet und verankert werden.

Auf Grund der mitunter kurzen Halbwertzeiten mit der Vergänglichkeit von Wissen hat jede Bildungsinstitution lernkompetent zu sein.

Wissensmanagement hat daher personell und organisatorisch

  • Wissen zu nutzen (pragmatische Dimension) - als Kommunikation, Evaluation, Reduktion, Transformation, Dissemination und Integration,
  • Wissen zu gewinnen (generative Dimension) - als Wissensfelder, Wissensziele, Wissensgewinnung (Fachliteratur; Fort- und Weiterbildung), Recherche, Netzwerke und Wissenskosten,
  • Wissen zu speichern (selektive Dimension) - als Wissensplattform, Internet, Bibliothek, Mediathek und e - Learning.
Wissensmanagement wird unterschiedlich gehandhabt.

  • Auch Bildungsinstitutionen haben wie viele andere Unternehmen "Chief Information Officers/ CIO", um die Informationsverarbeitung auf die Gesamtvorgangsweise der Institution abstimmen zu können (Nutzung des relevanten Wissens).
  • Bildungsinstitutionen sind mit fortlaufenden(bildungspolitischen)Korrekturen konfrontiert. Basiswissen, Spezialisierungen(zumeist als Zusatzqualifikationen) und Kompetenz im Umgang mit altem und neuem Wissen gehören zum aktuell-pädagogischen Umgang.
  • Wissensmanagement ist Verständigung über das reine berufliche Wissen hinaus. Geben und Nehmen sowie Suchen und Finden weisen darauf hin. Netzwerke helfen, virtuelles Lernen ist gefragt.
Über diese bisherigen Dimensionen hinaus sind Praxisbereiche von Wissensmanagement für Bildungsinstitutionen von Interesse, die beispielhaft in der Folge vorgestellt werden (vgl. HUBER 2013, 529-534).

  • Archive des Wissens,
  • Aufgabenteams,
  • Briefing zwischen Projekten,
  • informelle personelle Zusammenschlüsse ("Communities of practice"),
  • Foren als Wissensmarkt,
  • Newsletter,
  • Ausstellungen und Präsentationen,
  • Knowledge Cafe,
  • Kompetenzpläne von Bildungsinstitutionen,
  • Medien als Wissensspeicher und
  • Wikis als Wissensplattform (vgl. die IT - Autorenbeiträge auf http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index).
5.18 Qualitätsmanagement    

"Ziel eines Qualitätsmanagements in die kontinuierliche Verbesserung schulischer Standards und Prozesse unter Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen und Anforderungen" (HUBER 2013, 496).

Qualitätsmanagement untergliedert sich aus Qualitätsentwicklung (Veränderungen) und Qualitätssicherung (Verbesserungen). Die sinnvolle Beziehung beider Bereiche ist das Bestreben einer bewussten Gestaltung von Bildungsinstitutionen. Ergänzende Funktionen sind etwa die Kontrolle der Institution und Öffentlichkeitsarbeit (vgl. DUBS 2005).

Idealtypisch wäre ein zyklischer Prozess des Planens, Handelns, Prüfens und Verbesserns, also zunächst einer Bestandsaufnahme, in der Folge eines Bildungsprogrammes, Initiierung, Implementierung, Institutionalisierung und Evaluation (vgl. HUBER 2013, 497). Damit trägt Qualitätsmanagement zur Verbesserung der Organisation bei (Organisationsentwicklung).

Unterstützt werden die Bemühungen durch Beratende und/ oder Anwendung von Qualitätsmanagement - Modellen (vgl. ausführlich HUBER - SCHNEIDER 2011, 355-387; HUBER 2013, 499-505).

  • Total Quality Management,
  • European Foundation of Quality Management,
  • DIN EN ISO 9000,
  • Qualitätsentwicklung und Qualitätsevaluation,
  • Pädagogisches Qualitätsmanagement - Unterrichtsbezogenes Qualitätsmanagement,
  • Index für Inklusion,
  • Selbstevaluation an Schulen,
  • Balanced Scorecard und
  • Übertragung von Qualitätsmanagement aus der Wirtschaft.
Evaluierung in Bildungsinstitutionen könnte gegliedert etwa so aussehen (vgl. ALTRICHTER 2011, 417-461):

  • Rechenschaftslegung (extern/Außensicht) bzw. Professionalisierung durch Reflexion der eigenen Arbeit (intern/Innensicht der Institution),
  • Entwicklung/Steuerung und Weiterentwicklung,
  • Erkenntnisgewinn - Forschung und
  • Kontrolle - Bewertungen.
Zur Differenzierung von Evaluation kann folgende Einteilung helfen (vgl. KROMREY 2005, 31-85):

  • Was wird evaluiert? - Personen, Prozesse
  • Wofür wird evaluiert? - Zweck, Ziel/ Funktion
  • Wer evaluiert? - Evaluatoren
  • Woran wird gemessen? - Maßstab
  • Wie wird evaluiert? - Methoden
Gelingensbedingungen für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement sind

  • das gemeinsame Verständnis von Qualität,
  • vorhandene Kompetenzen,
  • Motivation,
  • konzeptionelle Übereinstimmung,
  • Transparenz als Grundlage von Akzeptanz,
  • Unterstützung,
  • Vertrauen und
  • Anforderungen an die Leitung der Institution.
  • Letztlich ist die Führungskräfteentwicklung selbst ein Modell für Qualitätsmanagement. Führungskräfte könne nur erfolgreich sein, wenn sie qualitätsentwickelnde und -sichernde Maßnahmen realisieren.
5.19 Corporate Identity    

Unternehmen arbeiten schon lange an ihrer Identität. Mitarbeitende definieren sich in ihrer Persönlichkeit bei der Arbeit. Berufliche Zufriedenheit, Engagement und Effektivität steigen mit Corporate Identity.

Corporate Identity bezeichnet die Summe der Charakteristika des Unternehmens bzw. der Institution. Das Konzept beruht auf der Annahme des soziales Systems des Unternehmens.

Aufgabe einer Stiftung von Identität ist

  • die Pflege der Unternehmenskommunikation,
  • des Auftretens in der Öffentlichkeit,
  • das Selbstverständnis und Handlungskonzept sowie die Unternehmenskultur (Corporate Behaviour, Corporate Communication, Corporate Culture, Corporate Design, Corporate Language).
An Bildungsinstitutionen wird Corporate Identity bisher eher zurückhaltend praktiziert und erst mit systemischen Entwicklungsprozessen, schulisch "Schulentwicklung", miteinbezogen.

5.20 Personalmanagement    

Als Aufgabe von Schulmanagement ist Personalmanagement in der Verantwortung von Führungskräften.

Ziele sind

  • die Organisation und Qualifikation entsprechender Mitarbeitender,
  • die Unterstützung der Lehrenden für den Dienstbetrieb und der Fortbildung sowie
  • die Wahrung der Zieltätigkeit der Institution, insbesondere mit der Sicherung des Unterrichts bzw. der Lehre.
Die klassischen Felder des Personalmanagements ("Human Ressource Management") sind die Personalgewinnung,, Personalauswahl, Personalfreisetzung, der Personaleinsatz, die Arbeitszeit, Personalentwicklung (mit Innovationen), Personalbeurteilung und Personalentlohnung (vgl. HUBER 2013, 546-554).

Für Führungskräfte sind Maßnahmen der Personalentwicklung wesentlich und umfassen

  • die Nachwuchsförderung,
  • die Aufwertung des Aufgabenbereiches mit Informationen zum Berufsbild, Leitbildern und Anforderungsprofilen sowie
  • zur Verbindung mit Auswahlverfahren.
Personalmanagement versteht sich als im Kontext mit Bildungsaufträgen, Zielen des Bildungssystems und der einzelnen Bildungsinstitution als Personal-Veränderungsmanagement? (vgl. HUBER 2013, 557-558). Die zukünftige Gestaltung der Organisation mit neuen Anforderungen ist zu gewährleisten (vgl. STOCK - HOMBURG 2010).

5.21 Personalentwicklung    

Personalentwicklung umfasst alle Maßnahmen der beruflichen Handlungskompetenz einer Bildungsinstitution (vgl. BECKER 2005; SONNTAG - SCHAPER 2006, 270-280, 283-288; MERGNER/ SCHOOF - WETZIG/ STILLER 2006). Es geht demnach um eine Steigerung und Förderung der Handlungskompetenz in den Teilbereichen.

Dies hat nur dann Erfolg, wenn Personalentwicklung in die Strategie der Institution eingebunden wurde.

Übersicht über Bereiche der Personalentwicklung (vgl. KLUG 2008, 47)

  • Personalverwaltung - arbeitsrechtliche Funktionen und rechtliche Auflagen,
  • Personalmanagement - Verwaltung der Personal-, Organisations- und Stammdaten, Personalprofile, Einarbeitungspläne für das Personal und Controlling der Lerntransfers mit beabsichtigten Zielen.
Von Interesse ist für Bildungsinstitutionen auch die Identifizierung sogenannter "Potenzialträger" für bestimmte Laufbahnstufen und deren Begleitung in der Laufbahnentwicklung. Bereits angesprochen wurde ein "Pool" von Personen, die für künftige Führungsaufgaben befähigt sind bzw. werden. Inhaltlich bedeutet dies die Einrichtung von Testverfahren, eines Development - Centers bzw. Assessment - Verfahrens, Potenzialinterviews und Karrieregesprächen. Nach ZIMMER - KIRBACH (2007, 62-77) gehen die Meinungen über die Methoden der Potenzialerfassung weit auseinander.

Ein Bildungsmanagement steht vor der Herausforderung, die entsprechende Kompetenz für einen Aufstieg und deren Umfang zu definieren. Die Teilnahme an einem Test scheint in diesem Zusammenhang nicht ausreichend zu sein (vgl. in diesem Kontext das Assessmentverfahren der "Weiterbildungsakademie Österreich/ wba" für Erwachsenen- bzw. Weiterbildner mit seinen Teilelementen Biograf phiepräsentation - Rollenspiel - Präsentation eines Projekts - Basiswissen/ Test).

WUNDERER (2003) hat ein Gliederungssystem über die Vielfalt der Entwicklungsmöglichkeiten vorgeschlagen. Bildungsinstitutionen können so überlegen, welche Angebote nach Möglichkeit zur Verfügung gestellt werden können.

  • Training "off the job" - Maßnahmen in räumlicher, zeitlicher und tw. inhaltlicher Distanz zur Arbeit - Theoriewissen und Verhaltenstrainings
  • Training "on the job" - Lernen am Arbeitsplatz, Job Rotation - Aufgabenerweiterung - Projektmitarbeit -Stellvertreteraufgabe
  • Training "near the job" - Mitarbeit in Gremien, Qualitätszirkel und/ oder Arbeitsgruppen
  • Training "parallel to the job" - Entwicklungen bzw. Prozesse werden parallel zur Arbeit reflektiert, Unterstützung durch Fachexperten/Patensystem - Mentoring -Coaching
Es zeigt sich in der Folge die Bedeutung von Lerntransfers, die in der Praxis mitunter unterschiedlich - je nach Organisation der Bildungsinstitution - sein können (vgl. SOLGA 2008, 333-364).

Lerntransfers erfolgen erst dann, wenn

  • Teilnehmende das Wissen weitergeben können,
  • das Handeln verändern kann und
  • weitere Informationen gesucht und neue Ideen entwickelt werden.
Die Effektivität zeigt sich demnach bei

  • Reaktionen - Zufriedenheit, Lernerfolg und Praxisnutzen,
  • Lernen - bei Erreichen der kognitiven, instrumentellen und affektiven Zielen,
  • Transfer - Verhaltensänderungen, Optimierung der Abläufe und Finden neuer Idee sowie
  • Ergebnissen - Leistung, Qualität, Kosten und institutionellem Klima.
Als langfristiger Prozess erweist sich Personalentwicklung. Erfolgreich ist dieser Prozess, wenn das Gelernte (Fakten- und Handlungswissen) in die Arbeitspraxis übernommen wurde und zu positiven Ergebnissen führt.

5.22 Fort- und Weiterbildung    

Fort- und Weiterbildungsplanung und damit Qualifizierungsplanung ist ein zentrales Anliegen von Entwicklungsprozessen in Bildungsinstitutionen (schulisch "Schulentwicklung").

Unter unterschiedlichen Perspektiven kann eine solche Planung betrachtet werden. Vorhandene Kompetenzen und Ressourcen, mögliche Störungen eines Entwicklungsprozesses, Leitbild und Zielvorstellungen sowie mögliche Widerstände sind zu beachten. Mögliche Veränderungen nach einem Entwicklungsprozess und der Zeitpunkt eines Entwicklungsschrittes sind ebenfalls zu beachten.

Erfolgreiche Führungsleitung setzt sich für Diskussionsbereitschaft, Kommunikation und Verbindlichkeiten ein. "Entwicklung" mit Institutionen-, Unterrichts- bzw. Lehrentwicklung und individueller Förderung bedeutet Veränderung (vgl. HUBER 2013, 602).

Als Veränderungsformel gilt C = D x V x F > R

D - dissatisfaction (Unzufriedenheit)

V - vision (Leitbild, Zielvorstellung)

F - first steps of action (erste Handlungsschritte)

R - resistance (Widerstand)

Die einzelnen Variablen der Formel zeigen die einzelnen Elemente auf und ergeben als Produkt eine Planung im Sinne einer Veränderung (vgl. HUBER 2013, 603).

Hilfreich sind Verbindlichkeiten von Rollen und Aufgaben, eine Wertschätzungskultur, Best - Practice - Präsentationen, Vereinbarungen über Schwerpunkte, eine Verteilung der Ressourcen, Team- und Kooperationsbereitschaft sowie Kommunikationskompetenzen und fachliche Beratung.

"Ohne Weiterqualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Qualitätsentwicklung[...]" (HUBER 2013, 604). Abhängig ist der Erfolg von der Passgenauigkeit und Motivation der Teilnehmenden.

Eine Qualifizierungsplanung sollte sechs Phasen aufweisen, die auch überlappend ablaufen können.

  • Ziele der Bildungsinstitution,
  • Qualifizierungsbedarf/ Kompetenzpool,
  • Planung/ Zielerreichung,
  • Durchführung,
  • Transfer/ Umsetzung und
  • Auswertung/ Zielerreichung.
Qualifizierungspläne - also Weiterbildung - unterscheidet sich von Fortbildung, die punktuell ausgerichtet ist,

  • in der Zielorientierung,
  • in Entwicklungsschwerpunkten und
  • zeigen Wege auf, wie Ziele erreicht werden.
Am Beispiel von Vorberuflicher Bildung (schulisch "Berufsorientierung")- definiert als Orientierung über berufliche Bildung und die Arbeits- bzw. Berufswelt - lässt sich dies darstellen (vgl. den IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich).

  • Zielorientierung ist die Kenntnis von Berufswahltheorien, Laufbahnmodellen und biographischer Arbeit,
  • Entwicklungsschwerpunkte sind die Fachdidaktik für den Unterricht, Realbegegnungen und die Laufbahnberatung. Von Interesse sind didaktische Angebote für Randgruppen wie Migrantinnen und Migranten, Lernbehinderte, Schulabbrecher, Umzuschulende, Arbeitslose und Wiedereinsteiger.
  • Wege zur Zielerreichung sind die Fachliteratur, Netzwerke und Hochschul- bzw. Universitätslehrgänge sowie berufsbegleitende universitäre Vollzeitstudien, EU - Bildungsprogramme mit universitären bzw. hochschulmäßigen Studienaufenthalten und Praktika.
  • Weiterbildung hat als Kriterium eine berufliche Höherqualifizierung mit formal-anerkannter Zertifizierung als Leistungsnachweis (staatsgültige Zeugnisse, EU - Konformität).
  • In der Folge sollte eine Weiterbildung (Qualifizierung) sich in der Übernahme von neuen Aufgabenbereichen manifestieren.
Referententeams benötigen Informationen über

  • die aktuelle Situation der Bildungspolitik,
  • die aktuelle Situation der Bildungsinstitution bzw. Bildungsbereiche,
  • den Anlass der Qualifizierungsmaßnahme,
  • gewünschte Schwerpunkte bzw. Themen,
  • absolvierte Fortbildungen und
  • Erwartungen an Ziele, Inhalte, Methoden und Umsetzungsmaßnahmen.
Teilnehmende benötigen Informationen über

  • die Qualifikationen des Referententeams,
  • die didaktisch-methodische Konzeption,
  • die Berücksichtigung von Bedürfnissen und Interessen der Teilnehmenden,
  • die Anwendung der Inhalte,
  • Seminarunterlagen, Literaturlisten, aktuelle Links, Netzwerke und
  • organisatorische Rahmenbedingungen wie Tagungsort, Ablauf, Zeitrahmen und Kosten.
Hilfreich sind jährliche Qualifizierungsplanungen, um Entwicklungen der Bildungsorganisation im Blick zu behalten, Nachwuchsfragen zu klären, Interessenschwerpunkte zu identifizieren und eine Qualifizierungsplanung zu optimieren.

Für den Einzelnen bietet ein Portfolio die Möglichkeit, persönliche (Weiter) Entwicklung zu stärken. Lernprozesse werden dokumentiert, Entwicklungen beobachtet, Zeitpunkte reflektiert und mögliche Planungen vorgenommen. Der persönliche Prozess einer Professionalisierung wird gestaltet, Karriereplanung miteinbezogen und eine Grundlage für mögliche Bewerbungen geschaffen.

Zu beachten ist die "Work - Life- Balance" - das ausgewogene Gleichgewicht (Balance) von Alltagsarbeit, Erholung und persönlicher Entwicklung (vgl. die Notwendigkeit der Psychohygiene im Lehrberuf).

5.23 Personalbeurteilung    

Personalentwicklung führt zu gesteigerten Erwartungen in der Qualitätsentwicklung. Beurteilungssysteme wurden in diesem Kontext für pädagogisches Personal eingeführt, Dienst- bzw. Leistungsbeurteilungen modernisiert (vgl. für Lehrende in der Schule KEMPFERT 1999, 46-567).

Jedes Beurteilungssystem ist bemüht, möglichst valide und gerecht eine Bewertung vorzunehmen. Objektivität ist nicht zu erreichen. Eigene Sozialisation, Erfahrungen, Vorlieben und auch Schwächen lassen dies kaum zu. Eine "kontrollierte Subjektivität" mit der Kenntnis von Beurteilungstendenzen und Fehlerquellen ist notwendig und hilfreich (vgl. HUBER 2013, 634-635).

  • Milde - Effekt - günstige Beurteilung zur Anerkennung,
  • Strenge - Effekt - Orientierung an hohen Maßstäben,
  • Halo- bzw. Hofeffekt - Beeinflussung durch Gesamteindruck bzw. Teileindrücke,
  • logische Fehler - Alltagstheorien führen zu Beurteilungen, die im konkreten Fall wenig damit zu tun haben,
  • Geschlechter - Stereotype - Alltagstheorien mit Typisierungen,
  • Aktualitätseffekt - Zuordnung eines zuletzt erlebten Ereignisses,
  • Kontrastfehler - Zuordnung der eigenen Wesensart gegensätzlicher Merkmale und
  • Fehler der gleichen Art - Annahme der gleichen Merkmale wie der Beurteilende.
Günstig ist im Vorfeld einer Beurteilung ein Beurteilungsgespräch mit den Prinzipien "Leiten", "Verstehen" und "Beraten".

Beurteilung benötigt ausreichende Daten wie

  • die Lehr- bzw. Unterrichtsqualität,
  • Einsicht in Schriftstücke wie beurteilte Arbeiten/ Arbeitsergebnisse, Dokumente und Publikationen,
  • Planungen,
  • Einzelgespräche,
  • Engagement für Fort- und Weiterbildung,
  • außerunterrichtliche Aktivitäten,
  • Mitarbeit bei Konferenzen bzw. Tagungen und
  • Rückmeldungen aus der Öffentlichkeitsarbeit.
Beurteilungen dienen auch der Potenzialentwicklung, insofern Interessen, Fähigkeiten und Kompetenzen in einer Bildungsinstitution gefördert gehören. Dazu gehört die angesprochene Beratung für individuelle Vertiefungen und Erweiterungen.

Beurteilungen benötigen daher auch Konsequenzen, eine Feedback - Kultur ist notwendig.

Eine möglichst gerechte Beurteilung benötigt in der Führungskräfteentwicklung einen Trainingsteil mit Übungsgesprächen und Fallbeispielen mit den Themen

  • Beurteilungstendenzen,
  • Feedback - Regeln,
  • Beurteilung als Teil einer Personalentwicklung,
  • Potenzialaspekte,
  • Planung und Durchführung eines Beurteilungsgesprächs und
  • Anwendung von Beurteilungen in der Bildungsinstitution (Vereinbarungen, Unterstützungen und Entwicklungen).
5.24 Selbstmanagement    

Selbstmanagement versteht sich als

  • Methode, sein Verhalten mit Strategien und Instrumenten zu steuern und zu verändern (etwa Zeit- und Wissensmanagement) sowie
  • das menschliche Verhalten durch übergeordnete Ziele, Haltungen und Werte/Sinnfragen zu steuern (vgl. HUBER 2013, 614).
  • Situativ bezogen entsteht damit ein bestimmtes Verhalten und Handeln.
Umorganisieren bedeutet in diesem Zusammenhang Ziele erklären, Ziele sinnhaft angehen und Ziele bewusst verfolgen und umsetzen. Dazu gehören eine positive Formulierung, die Möglichkeit im eigenen Bereich zu agieren und die Motivation.

Haltungsziele sind

  • die Stärkung des Selbstbewusstseins,
  • der Umgang mit Belastungen,
  • die Überwindung von Startschwierigkeiten,
  • Gefühle zu kontrollieren und
  • die Selbstwirksamkeit erhöhen.
Zielorientierte Vorsatzpläne - "Wenn-dann-Pläne?" - ermöglichen den Transfer der Ziele in konkretes Handeln in schwierigen Situationen, etwa bei Prüfungen (z.B. Lösung von richtigen Aufgaben so weit wie möglich).

6 Methoden - Modelle    

Im Folgenden geht es um Methoden in der Führungskräfteentwicklung, die beispielhaft vorgestellt werden. Erwachsenenpädagogische Erkenntnisse sind zu berücksichtigen, geht es doch bei Führungskräften um Lernbedürfnisse und Fähigkeiten von Erwachsenen.

In der Folge entwickeln sich Kompetenzen, die Ziel jeder Führungskräfteentwicklung sind.

6.1 Lernen Erwachsener    

Lernen baut im Konstruktivismus auf früheren Erfahrungen auf, Wissen entsteht aus Vorwissen (vgl. MANDL - GERRSTENMAIER 2000). Neues Wissen wird zur Interpretation von neuen Informationen benötigt, damit wird es verändert. Das frühere Wissen ist im neuen Wissen aufgehoben (vgl. EBNER 2000, 116).

Erwachsene bringen ihr Vorwissen mit Erfahrungen und eigenem Selbstverständnis mit. Man spricht in der Lernbiographie Erwachsener von einem "Anschlusslernen" (vgl. SIEBERT 1996, 105; NOLDA 2008, 81-82).

Mit zunehmenden Alter verändert sich das Lerntempo, es sollte genügend Lernzeit eingeräumt werden, insbesondere bei zurückliegender Ausbildung. Die subjektive Bedeutung der Lerninhalte beeinflusst die Lernleistung und den Transfer (vgl. GRUBER 2000, 121-130). Vermieden werden soll ein "träges Wissen". Es soll möglichst ohne Reibungsverluste einsetzbar sein.

Erwachsene wählen problemzentriert aus, filtern bewusst bzw. unbewusst, praktische Anwendung ergibt einen höheren Lerneffekt (vgl. GRUBER 2000, 123). Zur Reflexion der Praxis benötigt es ausreichend einer Theorie. Ein methodisch-didaktisches Repertoire ermöglicht das Konzept des "kompositionellen Lernens".

Lernen an Fallbeispielen ("Fallbasiertes Lernen") wird realitätsnah als Erfahrungswissen verwendet (vgl. GRUBER 2000, 126). Wissen und Anwendung fallen zusammen, erleichtert wird der Transfer des Wissens in zukünftige Anwendungssituationen.

Lernprozesse gelingen bei Erwachsenen gut, wenn

  • gegenseitiges Vertrauen,
  • Achtung,
  • eine gute Lernatmosphäre und
  • zu erreichende Lernziele an persönlich gesteckte Ziele vorhanden sind.
Konsequenzen für eine Erwachsenenpädagogik ergeben sich aus erfahrungs- und anwendungsorientierenden Verfahren, wobei Wissenserwerb, Lernmethodik bzw. Informationsverarbeitung wesentlich sind.

Führungskräftequalifizierung ergibt sich an der Vermittlung praxis-orientierten Lernens im Kontext mit der Entwicklung von Kompetenzen. Gruppenerfahrungen, Einbringen von Arbeitserfahrungen und kognitions- und reflexionsorientierte Verfahren sind wesentlich (vgl. KOLB 1984).

Als Grundeinstellung der Erwachsenenpädagogik gilt, Teilnehmende mit ihren Bedürfnissen zu berücksichtigen. "Kundenorientierung" nach SIEBERT (1996) meint (auch), dass die Teilnehmenden aktiv an den (Qualifizierungs-)Veranstaltungen Anteil haben ("Teilnahmeorientierung").

Eine idealtypische Fort- bzw. Weiterbildung umfasst kognitiv - theoretische Lernformen (Kurs - Lehrgang/ Vortrag, Referat), kooperative Lernformen (Gruppenarbeit, Lerngemeinschaften - Netzwerke), kommunikativ - prozessorientierte Verfahren (Selbststudium, Projektarbeit) und reflexive Methoden (Self - Assessment, Feedback, ggf. Supervision) sowie Praxis als Ausgangs- und Zielpunkt.

Mit Beginn der Bildungsphase sollte ein Portfolio zur Dokumentation des Entwicklungsprozesses und der eigenen Bildungs- bzw. Laufbahnplanung angelegt werden.

6.2 Selbstbildung    

Als Konzept für einen kontinuierlichen Prozess der Selbstentwicklung und eine Art des selbstorganisierten (selbstgesteuerten) Lernens weist Selbstbildung auf eine besondere Verantwortung des lernenden Individuums hin.

Mit seinem Impuls kennzeichnet KNOWLES (1975, 18) diese Lernformen als

  • die Initiative selbst ergreifen,
  • ihre Lernziele formulieren,
  • Ressourcen organisieren,
  • entsprechende Lernstrategien auswählen und
  • den Lernprozess selbst evaluieren.
"Selbstbildung" ist jenes Stadium an Bildung, das den gesamten Lebens- und Berufsweg betrifft und die Verantwortung für das eigene Lernen übernimmt (vgl. MÜLLER 2002, 87-100 bzw. 2006; HUBER 2013, 683-685; man denke an die Formulierung "lebensbegleitendes Lernen" mit der Verantwortung für eigenständige Fort- bzw. Weiterbildung, allerdings in der EU - Forderung schwerpunktmäßig für den besseren Einsatz in flexiblen Arbeitsmärkten).

Verbunden wird dies mit der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit (Persönlichkeitsbildung). Lehrende, Trainer und Gruppenleitende können/ sollten diesen Prozess unterstützen bzw. können beraten, letztlich bleibt die Verantwortung beim Lernenden.

Selbstbildung bietet jene Chancen zum Lernen und zur Bildung an, die Lebens- und Berufssituationen als Lernimpulse anbieten. Damit ergeben sich in der Regel neue Aufgaben (persönliche Weiterentwicklung). Aus kritischer Reflexion ergeben sich Lernprozesse. Als einführende Bausteine können etwa gelten

  • eine persönliche Vision,
  • der eigene Wertehorizont,
  • das eigene Selbst- und Rollenverständnis (Vorbilder),
  • eigene Stärken und Schwächen,
  • eigener Bildungsbedarf und
  • ein persönlicher Entwicklungsprozess.
6.3 Gruppenarrangements    

Gruppenarrangements beziehen sich auf Größen von 15 bis 100 Personen, ihr Stärken liegen in der Bildung von Impulsmomenten (vgl. HUBER 2013, 693-699). Gut einsetzbar sind sie beim Einsatz von Auftaktsituationen, Ziehen von Zwischenbilanzen und Entwickeln von Perspektiven für die Gesamtgruppe.

Überaus günstig ist der Einsatz beim Bilden eines gemeinsamen Themas, im Bildungsbereich bietet sich der Bezug zur eigenen Profession an.

Gruppenarrangements schaffen Lerngelegenheiten für große Gruppen, sind also anders als Einzel-, Kleingruppen- und Partnerarbeiten gelagert. Im Bildungsbereich sind sie für die Moderation von Dienstbesprechungen, Veranstaltungsforen für Entwicklungs- oder Abstimmungsprozesse geeignet.

  • Veranstaltungen mit großen Gruppen sollen räumlich gemeinsam ein Ziel bearbeiten. Lernanregende Erfahrungen sollten entstehen. Einem partizipativen Ansatz entsprechend sollte eine gemeinsame Veränderung eines Problems angeregt werden. Häufig haben solche Veranstaltungen nur einen konsultativen Ansatz (Empfehlungen, Lösungsansätze). Das Individuum als Teil der Gruppe und die Organisation sind Elemente einer "Lernenden Organisation" (vgl. SENGE 1996, 171). Beide Aspekte sind im Sinne einer Lösung eines Problems zu beachten.
  • Gruppenarrangements haben zu beachten, dass viele Personen in ein Gespräch kommen (sollen) und angemessene Arbeitsstrukturen zielorientiert sich entwickeln (können). Als Arbeitsprinzipien gelten
(1) eine Orientierung der Selbstorganisationsfähigkeit von Teams und Organisationen. Voraussetzung ist Engagement, Selbstorganisation und Aushandlungsfähigkeit ohne eine explizite Leitung;

(2) eine Klarheit des Kontextbezugs. Inhalte und Ziele müssen klar definiert sein. Unwesentliche Themen werden nicht berührt;

(3) Fragen berühren demnach nur die Thematik, im Focus stehen die Möglichkeit einer Überführung in das System (hier die Bildungsinstitution)und die Dauerhaftigkeit der Wirkung.

(4) Damit ergibt sich eine Orientierung am ganzen System. Zu beachten ist die grundsätzliche Möglichkeit einer Anbindung an das System.

(5) Ebenso ergibt sich eine Orientierung an der Frage nach dem Zweck des Systems (Auftrag, Sinnhaftigkeit). Zu beachten ist die Balance der Strukturelemente.

Voraussetzung sind die Selbststeuerung der Gruppen in den Arbeitsphasen und Möglichkeiten von Strukturhilfen und Medien. Konfliktbehaftete Themen sollen bearbeitet werden können, die Themenverantwortung liegt bei den einzelnen Mitgliedern.

  • Drei Methoden von Gruppenarrangements sollen zur Diskussion vorgestellt werden.
(1) Im "World Café" ergibt sich eine entspannte und zwangslose Atmosphäre. Leitfragen geben Impulse für Ideen und Wissen. Gesprächsrunden bearbeiten unterschiedliche Themen, Ideen und Lösungsvorschläge (auch Alternativen). Ergebnisse müssen festgehalten, der zeitliche Rahmen eingehalten und die Thematik beachtet werden.

(2) In der "Open Space Konferenz" werden eigene Themen eingebracht und gemeinsam diskutiert. Die Bearbeitung liegt in den Händen der Teilnehmenden. Im Focus stehen verschiedenste Betrachtungsweisen. Günstig ist die Fixierung von Zwischenständen bei Beratungen. Für die Arbeitsgruppen gelten die Grundsätze "Zeig dich", "Sei präsent", "Sei ehrlich" und "Lass es sich entwickeln". Oft ist eine solche offene Zusammenkunft entscheidend für die Weiterbearbeitung der Thematik.

  • bei der "Wertschätzenden Erkundung" geht es um das Lernen aus Erfolgen und das Lösen von Problemen durch innovative Entwürfe. In den einzelnen Phasen von "Erkunden und Verstehen", "Visionieren", "Gestalten" und "Umsetzen" werden Vorhaben und Planung verknüpft. Grundsätzlich gilt eine Wertschätzung gegenüber den eigenen Erfahrungen und der Gruppe.
6.4 Heterogenität in Qualifizierungsmaßnahmen    

Die Auseinandersetzung mit Heterogenität hat als Aufgabe, einerseits Ungleichheiten abzubauen und anderseits Verschiedenheit praktizierbar zu machen.

In der Erwachsenenpädagogik spielt Heterogenität eine wichtige Rolle, denn Lernen im Erwachsenalter ist wesentlich an verschiedenste Kontexte gebunden, insbesondere an wesentliche Lebensereignisse und Übergänge (vgl. FAULSTICH - ZEUNER 2008, 37). Bei Fortbildungsveranstaltungen zeigt es sich, dass von der Rolle des Lehrenden zur Rolle des Leitenden berufliche Rollenanteile vorhanden sind. Ziel ist daher, die Rollenanteile zu reflektieren und in Professionalität zu überführen.

Im Folgenden wird daher versucht, Heterogenität in Vermittlungshandeln zu überführen. Der Wechsel zwischen Teilnehmersicht und Leitung bzw. Moderation erweitert die Perspektive (vgl. HUBER 2013, 740-744).

Diese verschiedene Zielgruppenorientierung zeigt an, dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der beruflichen Entwicklung verschiedenartige Lerninteressen, Zielvorstellungen und Erfahrungshorizonte vorhanden waren. Methodisch ist dies zu berücksichtigen, daher ist das Lehr- und Lern-Verständnis? der Erwachsenenpädagogik zu berücksichtigen.

Weil kognitive Lernsysteme in sich geschlossen und selbstorganisierend sind, können Lehrende/ Moderierende nur anregen bzw. aktivieren. Bei einem aktivierenden Lehrverständnis erweitert sich der Wissens- und Erfahrungshorizont. Dies bedeutet in der Folge die Akzeptanz der Verschiedenheit und Erfahrungen bzw. Lebenswirklichkeiten, die Darstellung von Lernangeboten mit Problemorientierung und die Aktivierung der Teilnehmenden (vgl. WISCHER 2010).

Ein erster Schritt zu einer effizienten Lerntheorie wird ein "Selbstlernprozess" der Lehrenden/Kursleiter sein müssen. Hier wird die eigene Einstellung und Wertorientierung, Reflexion der Lerntheorien und Anwendung biographischen Lernens zu hinterfragen sein. Neben dem Wissen und Kompetenzen bzw. Methoden ergeben sich Strategien zu den beiden Schlüsselkompetenzen, etwa die Haltung, Selbstklärung, positive Handlungssprache, Präsenz, Empathie, Eigenverantwortung, Win - Win - Situation und Erfolg.

Design eines Fortbildungselements mit Heterogenität

Wege zu Inhalten > Vortrag - Kurzvortrag - Referat mit Aufgabenstellung

Selbstregulierendes Lernen mit Lernplanung > Vermittlung von kognitiven Strategien wie Wiederholung, Einprägung, Elaborierung und Organisation (vgl. KONRAD - TRAUB 2009)

Reflexive Methoden für persönliche Position > Lerntagebuch

Motivation > Aktivierung emotionaler Beteiligung wie Assoziation und Bisoziation

Lernen und Anwenden > Problemstellung aus dem Alltag, "training on the job", Mentorentätigkeit, Coaching, Neue Medien

Zertifizierung > Bescheinigung von Lernfortschritten und Lernerfolgen

6.5 Netzbasiertes Lernen - Blended Learning    

Digitale Lehr-und Lernmöglichkeiten erfordern in einer Medien- und Wissensgesellschaft ausgereifte Methodenkonzepte und Professionalität der Lehrenden.

Präsenzphasen und internetgestützte Lernplattformen sind heute Normalität. In der Ausbildung von pädagogischen Führungskräften wird diese Kombination mit Blended Learning bezeichnet, wobei der Einsatz in der Fort- und Erwachsenenbildung sowie im universitären bzw. hochschulmäßigen Bereich gleichermaßen stattfindet.

Beispielhaft wird auf Bereiche von Theorie und Praxis im IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Netzbasiertes Lernen in Theorie und Praxis hingewiesen.

6.6 "Happy Learning" - Rolle der Dissonanz    

Viele Unternehmen in der freien Wirtschaft focussieren ihre Fortbildungsangebote im Rahmen der Personalentwicklung unter den Aspekt der Wirkungsperspektive ("Outcome - Orientierung"). Dies betrifft das Lernen von Erwachsenen, also die Erwachsenenpädagogik.

Ziel sind erweiterte Kompetenzen (Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten) und eine Steigerung der Motivation (Einsatz für Unternehmensziele). Aspekte der Motivation sind die Bereitschaft zu lernen, Gelerntes auszuprobieren, zu optimieren, im Alltag anzuwenden und zu zeigen (vgl. HUBER 2013, 766).

6.6.1 Happy Learning    

In Bildungssystemen zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, dass sich eine zweifache Wendung zeigt.

  • Einmal kommt es zu einem Paradigmenwechsel von rein wissensorientierenden zu anwendungsorientierenden Fortbildungsinhalten.
  • Veränderte Fort- und Weiterbildungsdesigns sollen eine Aufbruchsstimmung erzeugen. Damit kommt ein verändertes Verantwortungsbewusstsein zum Tragen, in der Folge eine bessere Fort- bzw. Weiterbildung. Dies bedeutet bessere Tagungsorte, bessere Unterbringung, bessere Referenten, personalintensivere Veranstaltungen und eine bessere Vor- und Nachbetreuung. Modularisierte über einen längeren Zeitraum angelegte Veranstaltungen erzeugen in diesem Kontext mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden ("Happy Learning").
Im zeitlichen Rückblick werden Veranstaltungen besser bewertet, wenn die Verwertungsqualität der Lerninhalte im Vordergrund steht. Zusätzlich zum "Happy Learning" bedarf es eines didaktischen Designs, kognitive Aktivierung, Feedback, ein Hinterfragen von Handlungsroutinen und die Auseinandersetzung mit Erfahrungen, Meinungen und Vorstellungen.

6.6.2 Rolle der Dissonanz    

Selten wird in der Erwachsenenpädagogik kognitive Dissonanz - hier mit den Aspekten Irritation bzw. Frustration - aufgegriffen. SCHÄFFTER (1997, 691-708) hat die Irritation beschrieben.

Lernen wird zunächst als eine kognitiv strukturierende Aneignung von neuartigen Ereignissen in der systematischen Umwelt definiert (vgl. SCHÄFFTER 1997, 2-4). Mit dem Begriff "Irritation" wird die Markierung der eigenen Kontextgrenze beschrieben, die es gilt zu überschreiten. Als Anknüpfungspunkt zur Überschreitung der Grenze und als Erkennen der Erwartungsstruktur mit Reflexionsfähigkeit werden zwei Funktionen angesprochen.

Mit der Irritation erlebt die Person eine Diskrepanz, als Anlass zu einer Aktivität ("Mobilisierungsereignis") und "Lernanlass". Die Irritation ist daher der Ausgangspunkt zur Selbstveränderung und positiv bzw. negativ motivationsbestimmend.

"Provokative Didaktik" entsteht aus der Dissonanz- bzw. Differenzerfahrung, die den Lernprozess emotional beeinflusst. Hingewiesen werden muss auf neuerliche Verunsicherungen, die begleitet werden sollen, mitunter aber auch nicht mehr in der Erwachsenenpädagogik begleitet werden können. Lernförderlich können Irritationen nur bearbeitet werden, wenn Anschlussfähigkeit (Kohärenz) vorhanden ist. Bedingungen dafür sind die Unterbrechung von Routinen, das Erkennen von Nichtwissen und Reflexionsfähigkeit mit deren Verbalisierung (vgl. HUBER 2013, 770).

FESTINGERs Begriff der "kognitiven Dissonanz" (1975) bezeichnet ähnlich wie "Irritation" bei SCHÄFFTER den Zustand einer Person, die mit Einsichten, Meinungen und Gefühlen konfrontiert wird, die nicht zu ihrem persönlichen Set passen (vgl. HUBER 2013, 770). FESTINGER geht davon aus, dass aus einer solchen (positiven) Situation heraus Lernen möglich wird.

6.7 Lernprozesse in der Fort- und Weiterbildung    

Lernen ist ein individueller, aktiver, möglichst selbstgesteuerter Prozess. Gestaltet ist der Lernprozess fachlich, sozial situiert und kooperativ (vgl. HUBER 2013, 776).

Diese Erkenntnis gilt für die schulische Lehrerbildung, Ausbildung außerschulischer Lehrender und die Fort- bzw. Weiterbildung. Individualisierung im Lernprozess ist eingebettet in Teamstrukturen, Unterrichts- und Entwicklungsprozesse.

Lehrerfortbildung bedeutet auch, wie bereits angeführt, Personalentwicklung (MERGNER/ SCHOOF - WETZIG/ STILLER 2006). Subjektive Theorien und persönliche Arbeitskonzepte bestimmen Anforderungen des Bildungssystems. Ausgangspunkt ist der einzelne Lehrende mit seinem bzw. ihrem spezifischen Kompetenzprofil. Lehrende sind für ihre eigene Professionalisierung verantwortlich, d.h. sie planen, führen durch und dokumentieren ihre Fort- und Weiterbildung.

Von Anfang an muss eine reflexiv - forschend - distanzierende Haltung gegenüber der eigenen Berufstätigkeit aufgebaut werden. Daran hat eine Fort- bzw. Weiterbildung anzuknüpfen.

Erfolgreich ist Fortbildung, wenn an subjektive Theorien und Alltagserfahrungen angeknüpft wird, Lehrende als handelnde Subjekte mitverantwortlich eingebunden sind ("ownership"), der Bezug zum Arbeitsalltag gegeben und die Fortbildung evident sowie die soziale und institutionelle Situierung im Prozess der Lehre bzw. des Unterrichts und der Entwicklung des Bildungssystems eingebunden ist (vgl. LIPOWSKY 2004, 462-479).

Subjektiv äußert sich Lehren und Lernen von Lehrenden in dem Berufsanteil, in den Inhalten des Lehrens, der Vermittlungsebene (Fachdidaktik), in der Beziehungsebene gegenüber Lernenden, Eltern, Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten sowie der Ebene der Institution mit dem Arbeitsplatz, Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen (vgl. BAUER 2005, bes. 82).

In der Folge ist auf Lernprozesse in der und durch die Praxis einzugehen. Anzusprechen ist das Verhältnis von Workshop zum Workplace, Coaching, das Hospitationspraktikum, Lernen im Vergleich und "Partners in Leadership". Kollegiale Lernformen und Lernen durch Rückmeldungen sind ebenfalls anzusprechen.

6.8 Lernort Workshop - Lernort Seminar/ Lehrgang    

Eine optimale Teilnehmerorientierung mit Anwendungsbezug und Transfer in die Arbeitsrealität bedarf in einer Workshop -Umgebung simulierter Situationen des Alltags und konstruierter Problemfälle in einem Team in kooperativen Problemlöse-Prozessen? ("Problemorientiertes Lernen"; vgl. RENKL 1996; HUBER 2013, 795).

Entwickelt wurde das "Problemorientierte Lernen" im Bildungsbereich an der Vanderbilt University/ USA (vgl. BRIDGES -HALLINGER 1997, 131-146). Ausgehend von konkreten und komplexen Problemen aus dem Alltag werden in kooperativen Problem - Löseprozessen interaktive Lösungen angestrebt. Mitunter geht der Lernprozess vom Workshop zum "Workplace", also zum realen Arbeitskontext.

Mit Hilfe von Praktika und Begleitmaßnahmen - auch an mehreren Bildungsinstitutionen - werden die Beobachtungen/ Erkundungen gemeinsam reflektiert. Exemplarische Lernprozesse in der Wirklichkeit finden mit "Mentoring" statt.

6.8.1 Praktika - Projekte - Hospitationen    

Praktika finden unterschiedlich statt. Mitunter können sie mit Beobachtungen viele Stunden dauern, ebenso können sie als Aspekt - Erkundungen gezielt für einen Problembereich eingesetzt werden.

Projekte bedürfen in der Führungskräfteentwicklung einer Kleingruppenbildung, um Inhalte zu erarbeiten, Anwendungen zu überprüfen und in die jeweilige Bildungsinstitution zu adaptieren. Durch den Coaching - Ansatz kann ein Projekt erfolgreich durchgeführt werden. Gerne werden Praktika auch in Form von Hospitationen (Kurzbesuche) durchgeführt.

Vorteile eines Lernens am "Workplace" ergeben sich

  • im Kennenlernen konkreter Bereiche (vgl. das Erkundungsverfahren),
  • dem begleitenden Beobachten in Form von "Shadowing" bzw. einer anteiligen Übernahme von Leitungsaufgaben (aktive Beteiligung),
  • einer individuellen Reflexion von Erfahrungen etwa dokumentiert als Lernjournal (Überprüfung des eigenen Verständnisses) und in
  • einer Orientierungshilfe für eigene Entscheidungen in einem Bewerbungsverfahren.
Ziel ist die Entwicklung von "technical skills", "human skills" und "conceptual skills".

Differenziert bedeutet dies Kompetenzbereiche in Orientierungswissen, implizitem Wissen, Kulturwissen, moralisch -ethischem Wissen, Forschungswissen, Wissen über sich selbst, theoretischem Wissen, kritischem Wissen, politischem Wissen und Erfahrungswissen (vgl. ANDERSON 1989, 53-84).

6.8.2 Mentoring - Betreuung    

Im Vergleich zu "Shadowing" sind die zu Betreuenden aktiv Handelnde am "Workplace". Aus dem unterschiedlichen Erfahrungsniveau und Expertenwissen soll ein beruflicher und persönlicher Wachstumsprozess dynamisch und in verschiedenen Phasen angeregt werden.

Es bedarf einer Auswahl der Mentoren, ihrer Qualifizierung in Erwachsenenpädagogik, der Zusammenstellung der Mentor -Protége - Paare, der Fixierung der Dauer des Prozesses, regelmäßiger Reflexionsgespräche und einer Evaluation.

Vorteile sind die Nutzung der Lernchancen, Einbringen anderer Sichtweisen und der aktiven Teilnahme der Praktikanten.

Die Gefahr kann in der rezeptartigen Belehrung, dem Transport eher konformer Handlungsweisen und einem Erhalt des Status quo liegen (vgl. THODY 1993, 74). Dies würde dem Infragestellen von Etabliertem, kritischem Denken, Wandel und Veränderung widersprechen. Von Professionalisierung könnte nicht mehr gesprochen werden.

6.9 Coaching    

Zunehmend wird Coaching in der Personalentwicklung verwendet und bezeichnet die Beratung bzw. Unterstützung und Erreichung von Zielen von Führungskräften und Mitarbeitenden in ihren beruflichen Aufgaben (vgl. KÖNIG - SÖLL 2003, 11-13). Coaching ist eine besondere Form der Beratung durch einen Beratenden ("Coach") für einen ratsuchenden Klienten ("Coachee"). Wesentlich sind die verschiedenen Formen des Coaching (vgl. HUBER 806-808).

Im Folgenden werden solche Formen, zumeist auch als Mixformen und individuell auf Klienten abgestimmt, angesprochen.

  • Einzelcoaching - Coach berät Klient; im Expertencoaching wird der Klient entwicklungsorientiert geführt (Vorsprung an Wissen bzw. fachlicher Erfahrung);
  • Gruppencoaching - Begleitung einer Gruppe, die nicht in einem Funktionszusammenhang stehen muss; sinnvoll wird Gruppencoaching durch Einzelcoaching ergänzt;
  • Teamcoaching - als Sonderform von Gruppencoaching steht die Gruppe in einem Funktionszusammenhang; im verhaltensrelevanten Umfeld werden Problembereiche bearbeitet;
  • Konfliktcoaching - Konflikte werden professionell mit Analyse, Prävention, Bewältigung und Konfliktkonstellation aufgearbeitet (vgl. SCHREYÖGG 2003);
  • Strategiecoaching - Coaching setzt in einer Strategiefindungsphase ein und versucht klare Strukturen und Transparenz in Veränderungsprozesse zu bringen.
Für gelingendes Coaching benötigt man Freiwilligkeit, Veränderungsbereitschaft bei der Klientel, Verschwiegenheit und Objektivität des Coaches, gegenseitige Akzeptanz, Vertrauen und Offenheit der Klientel sowie klare Zieldefinition mi einem festen Zeitrahmen.

Der Zeitrahmen umfasst eine Orientierungsphase, Klärungsphase, Lösungs- bzw. Veränderungsphase und Abschlussphase.

6.10 Hospitationspraktikum    

Die Qualifizierung und das Absolvieren eines Praktikums folgt dem Ansatz des selbstverantworteten Lernens. Bestimmt wird es vom Nutzen eines Fortbildungselementes bzw. Moduls. Seminaristische Formen genügen nicht mehr, verschiedene Lernorte und Lernanlässe sind zu verbinden, damit Lernen als individueller Vorgang in Gang gesetzt wird.

Als "Workexperiences" geht es um Hospitationen, bei denen Einblick in andere Arbeitskontexte im Vordergrund stehen, etwa die Verwaltung, Wirtschaft und anderer Bildungspartner. Pädagogische Führungskräfte sehen Führung aus anderer Perspektive, etwa in der Vorbildfunktion, Unterrichtsfunktion, Elternarbeit und Öffentlichkeitsarbeit. Es geht um das Kennenlernen von vorrangig anderen sozialen Bereichen in der jeweiligen Bildungsinstitution (vgl. die Impulse einer Politischen Bildung) . "Erfolg" und "Ziel" erhalte eine andere Dimension. In unterschiedlichen Situationen wird die andere/eigene Rolle unterschiedlich einzuordnen sein bzw. das Verhalten richtig eingeordnet werden können.

Kooperationen und Vernetzungen sollen gefördert werden, beispielhaft kann dies mit Wirtschaftsunternehmen im Bereich der Vorberuflichen Bildung initiiert werden. Interkulturelle Bildung vermag Kooperationen mit nationalen und internationalen Institutionen herzustellen. Ebenso kann dies zu Kooperationen im Rahmen von EU - Bildungsprogrammen führen (vgl. EU - Lehrerfortbildungen mit Zusatzqualifikationsangeboten).

Hospitation wird so Teil einer Qualifizierung von (kommenden) Führungskräften und bedarf der Unterstützung in Form einer Auswahl entsprechender Möglichkeiten und persönlicher Zielstellungen.

6.11 Lernen im Vergleich    

Von Interesse ist der didaktisch-methodische Ansatz mit Teilnehmenden aus den verschiedensten Bildungssystemen in heterogenen Lerngruppen.

  • "Lernen am Unterschied" etwa im Bildungsmanagement bringt Lernprozesse in Gang, in denen mit- und voneinander mit Vertretern der Wissenschaft, Politik und Sozialpartnern gelernt wird und Vergleiche ermöglicht werden.
  • Andere Handlungskontexte mit Vergleichen ergeben sich in Praktika, Hospitationen oder "Shadowing"-Programmen.
  • Ein weiterer Ansatz zeigt sich in Einladungen von Führungskräften aus anderen Handlungsbereichen, über Bildungsfragen zu referieren und in der Folge zu diskutieren (vgl. in Österreich Veranstaltungen des "Europäischen Forums Alpbach" zu Fragen der Bildungsreform).
Dieser Ansatz lehnt sich an Funktionen der "Vergleichenden Erziehungs-bzw. Bildungsforschung", jedenfalls pflegt er Interdisziplinarität (vgl. REISCHMANN 1997, ALLEMANN - GHIONDA 2004).

Als Hauptintentionen gelten das simple "borrowing" und die Überwindung ethnozentrischer Blindheit sowie eine Erweiterung von Wissen. EU - Bildungsprogramme sind in diesem Zusammenhang hilfreich, insbesondere wenn sie eine Höherqualifizierung ermöglichen (vgl. Masterausbildungen in EU - Ländern).

6.12 Partners in Leadership    

Nach HUBER (2013, 851) arbeiten beispielhaft "Partners in Leadership" Führungskräfte von Bildungsinstitutionen und Wirtschaftsunternehmen rund ein Jahr lang gemeinsam an Themen wie Führungskompetenz und Leitungshandeln.

Leitungen von Bildungsinstitutionen gewinnen neue Einsichten einer Führungspraxis in Unternehmen. Mit Hilfe von Feedback - Systemen, Leitfäden für Gespräche und neue Formen des Lehrens und Lernens wird die Anwendbarkeit geprüft bzw. adaptiert.

Gleichzeitig gewinnen Führungskräfte aus Unternehmen Einsichten und entwickeln ihre Kompetenzen weiter.

  • Bildungsinstitutionen haben so gut wie keinen Rückgriff auf finanzielle Mittel, daher gewinnen Motivation, Anerkennung und Wertschätzung mit begleitenden Maßnahmen eine wesentliche Bedeutung.
  • Andererseits profitieren Unternehmen von einer gelingenden Kooperation mit Heranwachsenden, Eltern und/ oder Verwaltungen.
  • Aus der Sicht des Autors gewinnen beide Seiten in einer solchen Partnerschaft von Themenbereichen, in denen sich Bildungsinstitutionen und Unternehmen treffen bzw. überschneiden, etwa in der Wirtschaftspädagogik, Medienarbeit, Vorberuflichen Bildung, Interkulturellen Kompetenz und Politischen Bildung (mit Aspekten der ökonomisch - politischen Bildung). Dies gilt gleichermaßen für schulische und außerschulische Bildung (vgl. die IT - Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Anregungen zur Schulentwicklung - Aspekte neuer Lernkultur, Berufswahl in der Polytechnischen Schule, Europa als Lernfeld, Erwachsenenbildung, Erwachsenenbildung im ländlichen Raum, Globales Lernen, Interkulturelle Kompetenz, Lehrgang Politische Bildung in der Erwachsenenbildung, Medienarbeit, Ökonomische Grundbildung in der Erwachsenenbildung, Psychologische Aspekte in Unterricht und Erziehung, Vorberufliche Bildung in Österreich, Wirtschaftserziehung).
Für einen erfolgreichen Umgang mit dieser Komplexität bedarf es Partner, Unterstützer, Experten und Beratender, die hilfreich begleitend zur Seite stehen (vgl. HUBER 2013, 852).

Häufig wird die pädagogische Freiheit von Lehrenden als Widerspruch zu einer auf Teamarbeit/Kollegialität beruhenden Arbeitsweise angesehen. Eine veränderte Lehr- und Lernkultur benötigt Teamstrukturen, mehr Dialog, Austausch, interdisziplinäres Denken bzw. Wissen und Fort- bzw. Weiterbildung. Auch hier kann "Partners in Leadership" hilfreich sein.

6.13 Kollegiale Lernformen    

Im Folgenden geht es um professionelle Lerngemeinschaften, kollegiale Beratung und Vorgesetzten - Feedback. Allen drei Lernformen ist eine Abkehr vom Individualisieren, einem Austausch und nachhaltiger Kooperation typisch.

6.13.1 Professionelle Lerngemeinschaft    

Lerngemeinschaften liegt das folgende Konzept zugrunde (vgl. HUBER 2013, 863).

  • Unterricht als komplexes Handeln ist Grundlage lebensbegleitenden Lernens.
  • Lehrende können im kollegialen Diskurs für sich selbst Positives erfahren/lernen.
  • Netzwerke verstärken solche Lerngemeinschaften und fördern den Austausch.
Der Ausdruck "Professionalität" unterstreicht, dass Gruppen von Fachleuten, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten aktualisieren und erweitern. Beispielhafte Kooperation verstärkt diese Bemühungen.

Nicht gemeint ist eine unverbindliche Zusammenarbeit im Austausch von Materialien, einer zufälligen Gestaltung eines Projekts und Aushilfen unter befreundeten Lehrenden. Vielmehr geht es im persönlichen Bereich um eine Grundhaltung und im Bereich der Bildungsinstitution um die Pflege einer Kultur in der Kooperation.

Professionalität beinhaltet eine ausgeprägte Orientierung auf

  • Lernende,
  • Wissenszuwachs in allen Bereichen,
  • Forschungsinteresse im Kontext mit Fort- bzw. Weiterbildung und
  • Praxis einer Reflexion (vgl. TOOL - SEASHORE 2002, 245-279).
Selbstbestimmung im Lernprozess und Wirklichkeit mit Erfahrung und Bedürfnissen der Teilnehmenden bieten die Vorteile dieser Methode. Vorwissen und Anschlusslernen kennzeichnen die Elemente der Erwachsenenpädagogik. Netzwerke bzw. Lerngemeinschaften verstärken kommunikativen Wissenserwerb. Diese bewahren Lehrende vor Isolierung und garantieren Lebendigkeit und gegenseitige Anregung (vgl. den IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Netzbasiertes Lernen in Theorie und Praxis).

Der Beruf Lehrender ist gekennzeichnet von einer hohen Interaktionsdichte und kann nur an Berufszufriedenheit gewinnen, wenn diese inhaltsreich und effektiv bzw. effizient gestaltet wird (vgl. HUBER 2013, 865).

6.13.2 Kollegiale Beratung    

Kollegiale Beratung unterstützt sich wechselseitig und gleichberechtigt. Lernen von Kollegen lässt Wissen entstehen, das in dieser Form nirgends vorgeben werden kann. Ein Selbstlernpotenzial der Beteiligten kann sich entfalten (vgl. HUBER 2013, 873).

Im Handlungsfeld Schule kann diese Form in unterschiedlichen Kontexten wie Fachkonferenzen, Teambesprechungen und Projektbesprechungen angewendet werden. Übergreifend betrifft "Kollegiale Beratung" Lehramtskandidaten, die schulinterne Lehrerfortbildung (SCHILF), Führungskräfteentwicklung und Schulnetzwerke.

Im Handlungsfeld Außerschulische Bildungssysteme bilden Teambesprechungen, Fachkonferenzen, Fachtreffen, Führungskräfteentwicklung bzw. Personalentwicklung, Gruppenarbeiten bei Tagungen bzw. Wissenschaftlichen Konferenzen und Netzwerkarbeit beste Voraussetzungen.

Unterschiedliche Bezeichnungen kennzeichnen die Thematik, etwa Kooperative Beratung, Kollegiales Team, Reflecting Team, Kollegialer Denkservice, Intervision, peer coaching und peer consultation (vgl. SCHLEE 2004; HUBER 2013, 873).

Die Beratungsform zwischen Kollegen weist hohe Praxisorientierung und einen wesentlichen Erfahrungsaustausch mit Lösungsvorschlägen auf, oftmals eingebettet in Personalqualifizierungsmaßnahmen (vgl. etwa die Personalentwicklung der Universität Wien für ihre Mitarbeiter). Offene und kollegiale Arbeitsatmosphäre werden positiv aufgenommen.

Zu beachten sind Unterschiede zwischen Kollegialer Beratung und Coaching bzw. Supervision. Unter Anleitung eines Coaches bzw. Supervisors werden Lösungen in der beruflichen Praxis in Gruppen erarbeitet (vgl. TIETZE 2003, 39). Einzelcoaching findet grundsätzlich unter vier Augen mit der Behandlung von persönlichen Problemen statt.

Ähnlichkeiten mit Teamcoaching bzw. Supervision in Gruppen beinhaltet Kollegiale Beratung. Allerdings findet Kollegiale Beratung ohne spezialisierten Coach bzw. Supervisor statt. Grundsätzlich beraten gleichrangige Kollegen.

Kollegiale Beratung sollte nicht stattfinden (vgl. TIETZE 2003, 34-35),

  • wenn allgemeine Organisationsfragen behandelt werden,
  • wenn alle Teilnehmenden vom Problem betroffen sind und damit der Abstand zum Moderator/Berater fehlt,
  • wenn Konflikte bzw. Spannungen unter den Teilnehmenden bestehen und
  • wenn private Themen eingebracht werden.
Kollegiale Beratung bietet die Möglichkeit der Lösung beruflicher Praxisprobleme. Der Fallerzähler hat die Rückendeckung der Gruppe. In der Folge geht es um die Reflexion der Praxis und der Berufsrolle. Eingebracht werden soziale und interaktionelle Kompetenzen, eine kollegiale Gesprächsführung und die Trennung von Problembeschreibung und Lösungsfindung. Als kostengünstige Maßnahme mit relativ geringem Aufwand einer Personalentwicklung ist Kollegiale Beratung positiv einzuschätzen (vgl. TIETZE 2003, 23-24). Modelle einer Kollegialen Beratung ergeben sich aus der Konzeption von Team Coaching, Kollegialer Beratung und Intervision (vgl. HUBER 2013, 877-879).

6.13.3 Feedback - Kultur    

Wer sich weiterentwickeln will, benötigt Rückmeldungen. Dies kann durch kompetente Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte und Fort- bzw. Weiterbildner geschehen. Jede Person hat Lücken in der Wahrnehmung (vgl. HUBER 2003, 885).

"Mangelnde Rückmeldung führt jedoch zu einer unrealistischen Selbsteinschätzung der eigenen Führungsfähigkeit und der vermuteten Zufriedenheit bei den Geführten" (BRINKMANN 1998, 25). Führungsprobleme entstehen weniger aus Böswilligkeit, vielmehr aus Unwissenheit.

Vorgesetzten geben Rückmeldungen die Chance, ihre selektive Wahrnehmung aufzuhellen und allen Beteiligten Offenheit zu zeigen. Eine Ausweitung kann sich ebenso auf die Schulaufsicht und Schulverwaltung erstrecken. Außerschulische Führungskräfte benötigen ebenso Rückmeldungen, wobei diese ebenso expertenorientiert sein müssen (vgl. den Aufgabenbereich von Personalmanagement in Bildungsinstitutionen am Beispiel der Schule bei BUHREN - ROLFF 2009).

Rückmeldungen bedürfen jeweils einer konstruktiven Auseinandersetzung mit Führungsproblemen (vgl. BRINKMANN 1998, 18). Es bedarf einer Beteiligung am Konzept des Ablaufes und der Instrumente. Punktuelle Beobachtungen und Einschätzungen sind wertlos, eine Gesamtbeurteilung mit allen Bereichen lässt Rückschlüsse zu.

Anforderungsdimensionen (nach HUBER 2013, 900-904)

  • Leistungsbereitschaft - Motivation, Misserfolgsvermeidung, Einsatzbereitschaft
  • Leistungsfähigkeit - Planungskompetenz, Prozessdenken, analytisches Denken
  • Ressourcenumgang - Selbstbeobachtung, Stressresistenz, eigene Fähigkeiten
  • Umgang mit Veränderungen - Gestaltungsmotivation, Innovationsstreben
  • Umgang mit anderen - Kontaktfreude, Teamorientierung, Einfühlungsvermögen, Kritikbereitschaft
  • Führung - Führungsmotivation, Begeisterungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, soziale Akzeptanz, Meiden von Einflüssen, Machbarkeitsgrenzen
Phasen - Modell einer Rückmeldung (nach HUBER 2013, 886)

  • Vorbereitung
  • Selbsteinschätzung
  • Fremdeinschätzung
  • Konsequenzen - Vereinbarungen von Leitsätzen, Maßnahmenabsprache
  • Wiederholung nach einem bzw. zwei Jahren
Bei der Vereinbarung von Regeln bedarf es mitunter einer neutralen Person bzw. eines externen Moderators, um Einigungen zu erzielen.

7 Weiterbildungsmodelle - Deutschland - Schweiz -Österreich    

Im Folgenden wird beispielhaft auf Weiterbildungsmöglichkeiten für pädagogische Führungskräfte und Lehrende in Deutschland, der Schweiz und Österreich eingegangen.

Erwachsenen- bzw. Weiterbildung benötigt Professionalität und Handlungsfähigkeit in diesem Bereich, die zunehmend mit der Forderung nach lebensbegleitendem Lernen besetzt ist (vgl. MEMORANDUM der Europäischen Kommission, 2000, Brüssel).

7.1 Fernstudium Schulmanagement - Deutschland    

Für eine Weiterbildung im Sinne einer Professionalisierung und Qualifizierung von Schulleiter - Handeln entstand der berufsbegleitende Studiengang "Schulmanagement" an der Technischen Universität (TU) Kaiserslautern (vgl. GAJEWSKI -GRIESE 2002, 201-214).

Das Fehlen von Direktstudienangeboten bietet diese Weiterbildungsmöglichkeit, Praxishandeln zu professionalisieren.

Der Master - Fernstudiengang ist als berufsbegleitendes Studium zugeschnitten. Obligatorische Präsenzveranstaltungen von einem Wochenende pro Semester mit flexibel gestalteten und weitgehend zeit- und ortsunabhängigen Möglichkeiten ergeben einen Zeitrahmen von vier Semestern mit ca. 15 Stunden wöchentlicher Belastung.

Inhalte des Studienganges (vgl. HUBER 2013, 970-972)

1. Semester - 3 Module: Grundlagen von Schulentwicklungsprozessen, Leadership und Managementtheorien -Organisationsentwicklung, Schulpolitik (mit historischem Abriss) - Schulrecht

2. Semester - 3 Module: Sicherung der Unterrichtsqualität bzw. Unterrichtsentwicklung, Kommunikations- und Kooperationstechniken, Personalmanagement

3. Semester - 3 Module: Methoden bei der Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen, nationale und internationale Schulevaluation, Qualitätssicherung-Qualitätsmanagement?

4. Semester - Abschlussklausur, Bearbeitung der Masterarbeit

Literaturhinweise:

Arnold R. - Griese C. (2004): Schulmanagement als Fernstudium, in: Koch S. - Fisch R. (Hrsg.): Schulen für die Zukunft. Neue Steuerung im Bildungswesen, Baltmannsweiler, 173-182

Gajewski M.-Griese C. (2002): Zwischen traditionellem Fernstudium und Online - Lernen - Fernstudiengang "Schulmanagement" an der Universität Kaiserslautern, in: Wissinger J. - Huber S. (Hrsg.): Schulleitung - Forschung und Qualifizierung, Opladen, 201-214

7.2 Schul- bzw. Bildungsmanagement - Schweiz    

Der "MAS Schulmanagement" will qualifizierte Fachleute für die Leitung und Entwicklung

  • von Bildungsorganisationen,
  • Beratende und
  • Personen der Bildungsverwaltung ausbilden (vgl. HUBER 2013, 984-985).
Elemente sind

  • die Schulleitung als Beruf,
  • Kompetenzen auf professionellem Niveau,
  • Professionswissen,
  • Wissenschaftsorientierung und
  • professionelle Netzwerke.
  • Der Master - Lehrgang bietet auch Module an, die für Lehrende mit Interesse an Leitungsaufgaben offen stehen.
Didaktische Prinzipien sind

  • der spiralförmige Aufbau mit wiederkehrender Bearbeitung von zentralen Bildungszielen und Themen, wobei die Spezialisierungsmodule der Vertiefung dienen. Das Abschlussmodul ergänzt erweiternd und vernetzt Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten.
  • die Kompetenz- und Transferorientierung mit der Verknüpfung mit der Praxis. Theorien, Modelle, Methoden, Verfahren und Instrumente mit reflektierender Erfahrung im Kontext bilden die Grundlage für die praktische Umsetzung. Schwerpunktbildung ist der Input (was wird gelehrt?) mit dem Output (was wird erzielt?). Kompetenz wird als die Fähigkeit zum Handeln definiert.
  • kooperatives und individualisiertes Lernen mit Berücksichtigung unterschiedlicher Führungsvoraussetzungen und Führungsansprüchen.
  • die Synthese von bildungstheoretischer und konstruktivistischer Didaktik mit dem Ziel, interaktives Lernen mit den festgelegten Zielen zu ermöglichen.
  • der Aufbau des Studienganges, modular aufgebaut (Schulmanagement/ Basislehrgang, Spezialisierungsmodul, Abschlussmodul).
Studienaufbau nach HUBER (2013, 991)

  • Schulmanagement > Grundfragen Führen und Leiten, Schulentwicklung, Kommunikation, Personalführung/ Personalentwicklung, Teamleitung/ Teamentwicklung, Betriebswirtschaft und Recht
  • Spezialisierungsmodul > Personalmanagement, Unterrichtsentwicklung, Qualitätsmanagement, Betriebswirtschaft und Recht
  • Abschlussmodul > Schulmanagement, Abschlussarbeit und Kolloquien
Literaturhinweise:

Huber St. G. (2011): Handbuch für Steuergruppen. Grundlagen für die Arbeit in zentralen Handlungsfeldern des Schulmanagements, Köln

Huber St. G. (2013): Handbuch Führungskräfteentwicklung. Grundlagen und Handreichungen zur Qualifizierung und Personalentwicklung im Schulsystem, Köln

IT-Hinweis?: http://www.bildungsmanagement.net/MAS-SM (27.7.2014)

7.3 Erwachsenen- bzw. Weiterbildung - "Bildungsmanagement/ wba" - Österreich    

Bemühungen um ein "lebensbegleitendes Lernen" im Rahmen der Europäischen Union wecken das Interesse in der Erwachsenenpädagogik um Weiterbildung, insbesondere im Bildungsmanagement (vgl. Memorandum zum "Lebenslangen Lernen/ LLL" der Europäischen Kommission, Brüssel 2000).

In Österreich gibt es seit dem 1. Februar 2007 für die Standardisierung von Kompetenzen und die Fort- und Weiterbildung von Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildnern als Bildungsinstitution die "Weiterbildungsakademie Österreich/ wba", die in ihrer Ausbildung zwei Stufen der Zertifizierung vergibt und Möglichkeiten zu einem weiterführenden universitären Ausbildungsgang aufzeigt (leider 2022 eingestellt) (vgl. http://www.wba.or.at).

Geforderte Kompetenzbereiche - Ausbildungsgang "Bildungsmanagement" - Diplom/ wba

  • Managementkompetenz
  • Fachkompetenz
  • Bildungstheoretische Kompetenz
  • Soziale Kompetenz
  • Personale Kompetenz
  • Wissenschaftsorientiertes Arbeiten
  • Fachliteratur - Rezensionen
  • Reflexive Kompetenz - Diplomarbeit
  • Verpflichtende Praxis
  • Fachspezifische Veröffentlichung
  • Abschlusskolloquium
IT - Hinweis: http://www.wba.or.at > Diplomierter Erwachsenenbildner > Bildungsmanagement (27.7.2014)

7.4 Universitätslehrgang "Erwachsenenbildung/Weiterbildung(adult education/ continuing education)" - Österreich    

Der fünfsemestrige Universitätslehrgang (ULG) an der Alpen Adria Universität Klagenfurt wird/ wurde in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Erwachsenenbildung St. Wolfgang angeboten.

Er trägt den Professonalisierungstendenzen in der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung (EB/WB) Rechnung. Der Bedarf an qualifiziertem Personal mit der Bedeutungszunahme von lebensbegleitendem Lernen steigt. Die Evaluierung der Weiterbildungsakademie identifiziert einen starken Bedarf universitärerer Weiterbildung im Bereich der EB/WB. Der ULG versteht sich als Weiterführung der Qualifizierung von Tätigen in der EB/WB auf universitärem Niveau. Zudem wird versucht, zukünftigen Entwicklungen zu entsprechen und Themen aufzugreifen, die bisher nicht ausreichend wahrgenommen und bearbeitet wurden.

Zielgruppen des ULG kommen aus dem breiten Tätigkeitsfeld der EB/WB. Sie reichen von pädagogisch Planenden, Trainern, Beratenden, aus dem Bildungsmanagement, von Bibliotheken, aus der Personalentwicklung und öffentlichen Einrichtungen bis zu Lehrenden in der EB und WB. Einschlägige Praxiserfahrung ist notwendig, um das berufliche Handeln theoriegeleitet und forschungsorientiert reflektierten und begründen zu können.

Leitlinien sind/ ist

  • die kritische Reflexion auf der Basis von aktuell theoretischen Wissen und empirischer Forschung,
  • ein modularer, berufsbegleitender und wissenschaftsorientierter Lehrgang auf Basis aktueller erwachsenenpädagogischer Forschung,
  • die Vermittlung gesellschaftspolitischen, bildungspolitischen, nationalen und internationalen, kognitiven und emotionalen Zusammenhängen im Bereich der EB/ WB,
  • die systematische Erweiterung und Vertiefung der Fach- und Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und kommunikativen Kompetenz zur Bewältigung erwachsenenpädagogischer Frage- und Problemstellungen,
  • die Anschlussfähigkeit an europäische und internationale Entwicklungen und
  • die Möglichkeit zur Bildung von Netzwerken auf persönlicher und institutioneller Ebene.
Mit sechs Modulen beträgt die Gesamtdauer 675 Unterrichtseinheiten (Seminare, Studienzirkel, E - Learningphasen, Verfassen einer Masterthesis).

Modul 1 - Schlüsselfragen der EB/ WB - Forschung

Modul 2 - Zielgruppen und Handlungsfelder de EB/ WB

Modul 3 - Lernen und Lehren in der EB/ WB

Modul 4 - Steuerung und Organisation der in der EB/ WB

Modul 5 - Kolloquium zur Masterthesis

Modul 6 - Masterthesis

Voraussetzung der Zulassung ist eine schriftliche Bewerbung auf der Grundlage eines Universitätsabschlusses bzw. postsekundären Bildungseinrichtung mit wba - Diplom und dem Nachweis von mindestens drei Jahren einschlägiger Berufserfahrung.

IT-Hinweis?: http://www.uni-klu.ac.at/ulg/eb/inhalt/1.htm (27.7.2014)

7.5 Leadership Academy - Österreich    

2004 wurde die "Leadership Academy/ LEA" des (damaligen) Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kunst/bm:bwk unter Wilfried Schley (Universität Zürich) und Michael Schratz (Universität Innsbruck) gegründet.

Die Prämissen liegen in der Steigerung der Führungsqualität und Professionalität, der Verbindung zwischen Professionalität, Leadership und "Community of Practice".

  • Professionalität ist geübtes und reflektiertes Talent.
  • Leadership ist personale und mentale Kompetenz einer Führungsperson mit dem Ziel, Bildungsprozesse Lernender zu verbessern.
  • "Community of Practice" ist die jeweilige Bildungsinstitution, in diesem Fall Schule.
Leitideen sind

  • lösungsorientierte Arbeit an innovativen Projekten in der eigenen Organisation,
  • ein Neues Theorie - Praxis - Verständnis durch Zusammenschluss von Lernen und Anwenden sowie Überwinden des Transferproblems von "situated learning",
  • der Kompetenzerwerb durch begleitende Reflexion im Kollegialen Teamcoaching (KTC),
  • eine Netzwerkorganisation durch Verflechtung in der Lernpartnerschaft, Kollegialen Teamcoaching - Gruppe und Regional- bzw. Fachgruppe,
  • das Zusammenspiel von unternehmersicher Verantwortung der Teilnehmenden bzw. Akteure mit der Verantwortungsleitung im Netzwerk,
  • die strategieunterstützende Umsetzung von Bildungsreformen, etwa Bildungsstandards, Individualisierung, innere Differenzierung, Ganztagsschule und Frühförderung,
  • Leadership mit Gestaltungslust und Vertrauen in menschliche Ressourcen und
  • professionelle Unterstützung und Führung durch die wissenschaftliche Leitung mit ihrem Team und den regionalen Netzwerk-Koordinatoren?.
Die Leadership Academy setzt sich aus Führungspersonen zusammen. Teilnehmende sind Vertreter aller Schulformen, der Schulaufsicht und des Ministeriums. Vier Foren bilden die Academy.

Forum I - Auftakt, Start, Netzwerkbildung und Themenfindung

Forum II - Projektplanung, Projektmanagement und Coaching

Forum III - Steuerung, Projektentwicklung und Change Management

Forum IV - Präsentation und Zertifizierung

Die Arbeit der LEA geht von den Projekten aus. Sie sichern die Verbindung zur institutionellen Realität Lewins Satz gilt nach wie vor, dass man eine Organisation erst daran kennt, wenn man sie verändert oder etwas an ihr neu entwickelt (vgl. SCHLEY - SCHRATZ 2005, 953). Zentrale Fragen der Themenauswahl und Projektgestaltung sind die Verbindung von persönlichem und organisatorischem Lernen. Dies mündet in Glaubwürdigkeit, Überzeugung und Ausstrahlung.

"Führungspersönlichkeiten sind der Schlüssel für innovative Praxis, wenn sie lernen, ihre Arbeit als Teil eines Gesamtprozesses zu sehen und diesen in die Zukunft zu leben" (SCHLEY - SCHRATZ 2005,935).

In der LEA haben sich drei Stoßrichtungen für Forschungsinitiativen als zukunftsfähig ergeben.

  • Mikro Arts - Erfassung kritischer Ereignisse aus der Arbeit von Führungspersonen
  • Leadership Kompetenz - Kompetenzerfassung von Führungspersonen (Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen)
  • Bilder der Organisation - mentale Muster über die Wahrnehmung von Personal und Organisationsentwicklung über die visuelle Dimension
Literaturhinweise:

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IT - Hinweis: http://www.leadershipacademy.at (27.7.2014)

7.6 Literaturhinweise Führungskräfteentwicklung    

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Teil IV Bildungssoziologie    

Vorbemerkung    

Als Teildisziplin der Soziologie ist der Themenbereich für die Erziehungswissenschaft und das Lehramt von Interesse ( vgl. LÖW - GEIER 2014, 11).

  • Aus der "Pädagogischen Soziologie" (vgl. BÖHMISCH 1996) entwickelte in einem Paradigmenwechsel sich die "Soziologie der Bildung und Erziehung".
  • Mit der Soziologie werden die gesellschaftlichen Grundlagen beleuchtet.
  • Entsprechend sind sie in der Folge die Themenbereiche aufgebaut.
Grundlage der folgenden Überlegungen und inhaltlichen Auseinandersetzung sind die Basiswerke der Bildungssoziologie und Universitätslehrgänge bzw. der Interne Lehrgang für Hochschuldidaktik.

1 Einleitung    

Max Weber definierte 1920 Soziologie als Wissenschaft, "[...] welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will" (original WEBER 1921, 1; 1980). Sein Ausgangspunkt ist der subjektiv gemeinte Sinn, mit dem die Menschen ihre Handlungen intentional verstehen. Aufgefordert ist nun die Soziologie, sinnhafte Handlungssituationen zu rekonstruieren und nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen.

Emile Durkheim geht einer anderen Vorstellung von Soziologie nach. Soziale Ordnung lasse sich nicht über individuelle Handlungen erklären, vielmehr durch das "Kollektivbewusstsein", das in in einer Gesellschaft für alle Gruppen Gültigkeit besitzt und die Generationen verbindet (vgl. DURKHEIM 1999, 128). Die Soziologie ist für ihn die Wissenschaft von den Institutionen, deren Entstehung und Wirkungsart (vgl. DURKHEIM 1961, 100). Aufgabe wäre die "soziale Tatsachen" zu analysieren, die individuelle Handlungen erbringen.

Der Gegenstand der Soziologie hat sich in der Folge verfeinert und neuen Erkenntnissen angepasst. Die Grundidee einer Analyse der Strukturen, Institutionen und Systeme ist geblieben, heute werden in Konzeptionen Individual- und Kollektivebene verknüpft (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 13).

Am Thema Bildung zeigt sich die Aktualität der Forschung ab der siebziger Jahre wie in den Themen (LÖW - GEIER 2014, 16-20)

  • soziale Ungleichheit mit Aspekten der Schulreform, Reformuniversitäten und verschobener Selektion (vgl. HARTMANN 2007, 2013) sowie dem Unvermögen soziale Ungleichheit über Bildung zu beheben, ein Problem bleibt die Beteiligung an Bildungsprozessen schichtenspezifisch und vor allem interkulturell,
  • Bildung als ökonomische Frage mit Aspekten des Fachkräftemangels, zunehmender Verrechtlichung und Bürokratisierung der Bildungsinstitutionen, unterstellten informationstechnologischen Modernisierungsrückstand, lebensbegleitenden Lernen für fast alle Erwerbstätigen,
  • innovativer Bildungsunternehmen mit Aspekten einer Orientierung an Schlüsselqualifikationen, Kompetenzen, Ablehnung eines normierter Bildungskanons, Bildungsmanagement und Personalentwicklung,
  • PISA mit Aspekten einer Erweiterung großer Gruppen in der Bildungsbeteiligung und Bestimmung der Bildungslandschaft als "Wissensgesellschaft" als Prinzip einer modernen Gesellschaft (vgl. STEHR 2000, 78) und der Unterteilung von Wissen in Alltags-, prozedurales und wissenschaftliches Wissen,
  • Bildungsinstitutionen des Staates, Wirtschaft, Kirchen, Justiz und Wissenschaft in Verbindung mit der Durchsetzungsfähigkeit der Institutionen durch das Zutrauen in Lösungen in einem Zuwachs und Akzeptanz an Wissen (vgl. WINGENS 1999, 433-446),
  • Globalisierung mit Aspekten internationaler Konkurrenz von Bildung und Transformation in internationalen Standards.
2 Grundbegriffe    

Im Folgenden werden die Begrifflichkeiten Bildung und Erziehung/ Sozialisation soziologisch betrachtet.

2.1 Bildung    

Soziologisch entstammt der Bildungsbegriff einem normativ - idealistischen Umfeld.

  • Gleichzeitig ist Bildung in der modernen Gesellschaft eine Ressource.
  • Jenseits normativer Vorstellungen gibt es einen Verwertungsprozess von Bildungsinhalten und Zertifikaten, welcher für die heutige Gesellschaft konstitutiv ist.
  • So ist Bildung Ideal und Kapital gleichermaßen (vgl. LÖW - GEIER 2014, 21).
Das klassische Bildungsideal beginnt am Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung der Gesellschaft (vgl. LÖW - GEIER 2014, 22-24).

  • Es ist gegen den Utilitarismus, das Effektivitätsdenken und die Ausbildung gerichtet.
  • Das Bildungsideal im Neuhumanismus ist eine Vorstellung von der Verwandlung der Welt durch das Individuum. Vordenker sind Schiller, Herder und Wilhelm von Humboldt.
  • Bildung soll im Sinne der Selbständigkeit im Denken und Handeln sowie die Freiheit zu Urteil und Kritik ermöglichen (vgl. die Zielsetzung der Politischen Bildung).
  • Besonders HUMBOLDT bezieht sich auf das Ideengut der Antike. Wurzeln werden in der griechisch-hellenistischen Antike gesehen, dem Konzept der Paideia als Formung des Menschen zur Vollkommenheit an Leib und Seele.
  • Paideia wird als Notwendigkeit für das Gemeinwesen betrachtet.
  • In der Idee steckt die Vorstellung einer individuellen Entfaltung durch Wissens- und Entscheidungszuwachs. Über Bildungsprozesse lernt das Individuum die gesellschaftlich relevanten Inhalte kennen.
Wilhelm von HUMBOLDT greift auf die antiken Ideen zurück und prägt theoretisch den Bildungsbegriff und verankert die bürgerlichen Bildungsvorstellungen institutionell (vgl. HUMBOLDT 1964, 175).

  • Mit der Reform in ein dreigliedriges Bildungssystem Elementarschule-Gymnasium-Universität? kommt es zur Legitimierung und Durchsetzung eines Reformkonzepts.
  • Die Trennung von Allgemeinbildung und Berufsbildung sowie eine allgemeine Menschenbildung wird eingeführt.
  • Aufbauend auf den Elementarunterricht sollen Kenntnisse einzelner Gewerbe in einer Berufsausbildung erworben werden, der Bildungsprozess im Gymnasium allgemein bildend und damit persönlichkeitsbildend und in der Folge in einem universitären Bildungsprozess vertieft werden.
  • In dem auf Männern vorbehaltenen Bildungsprozess entwickelt sich Bildung zu einer begehrten Ressource (vgl. BOLLENBECK 1994). Bürgerliche Mädchen mit der traditionellen Rolle einer Hausfrau, Gattin und Mutter sollen vor Einseitigkeit und Entfremdung durch die Industrialisierung geschützt werden.
Der Bildungsbegriff schafft ein Kulturverständnis und in der Folge Entscheidungsgrundlagen und Urteilsvermögen sowie Wissenszuwachs und Persönlichkeitsbildung. Bildung gewinnt damit an gesellschaftlicher Bedeutung. Damit haftet Bildung ein Moment von Emanzipation und Demokratie an. Höhere gymnasialuniversitäre Bildung verankert sich im öffentlichen Bewusstsein als eigentliche Bildung (vgl. LÖW - GEIER 2014, 23).

Soziologisch weist Bildung in diesem Kontext auf Selbstreflexion, ökonomische Funktionalität, staatliche Beeinflussung und Hierarchie und verlangt in der Folge Bedingungen der modernen Gesellschaft in Form eines demokratischen Zugangs, emanzipatorischer Bedingungen und Gleichheitsgrundsätzen.

2.2 Erziehung - Sozialisation    

Die Begriffe Erziehung, Bildung und Sozialisation überlappen sich bis heute in ihrer Bedeutung (vgl. LÖW - GEIER 2014, 24-26). Jeder Begriff setzt einen anderen Akzent.

Am klarsten ist Erziehung definiert. Verstanden ist er allgemein als die geplante Beeinflussung Heranwachsender (vgl. KRÜGER - HELSPER 2002).

  • Die Beeinflussung ist natürlich gesellschaftlich beeinflusst, sind doch der Erziehenden gesellschaftliche Akteure.
  • Ziel ist die zu Erziehenden zu Mitgliedern der Gesellschaft zu bilden.
  • Der Aspekt der Integration ist über den Sozialisationsbegriff definiert.
  • Die Soziologie interessiert die Wirkung der Erziehungsstile. Ebenso wird analysiert der Erziehungsbereich als gesellschaftliches System im Verhältnis zu anderen Systemen (vgl. LUHMANN 1996, 14-52).
Zentraler für die Soziologie ist der Sozialisationsbegriff als Beziehung zwischen Lernenden und Erziehenden, auf den aktuellen oder lebensbegleitenden Lernprozess.

Soziales formt das menschliche Handeln. Menschen eignen sich im Handeln und durch Kommunikation gesellschaftlich Regeln, Deutungsmuster und Wissensbestände aktiv an und bilden kognitive, affektive und handlungsorientierte Fähigkeiten, ein Verständnis der eigenen Person und individuellen Handlungsfähigkeit aus (vgl. HURRELMANN 2012).

Diese Vergesellschaftung bezeichnet man als Sozialisation, die im Vergleich zu Erziehung den umfassenderen Begriff bildet.

Grundannahmen der Soziologie an Bildungs- und Erziehungsprozessen sind Folgen des Handelns, strukturelle Bedingungen durch familiäre Einflüsse und der Peer Group sowie lebensbegleitende Faktoren wie Schul-, Hochschul-, Medien- und Berufssozialisation.

3 Erste Phase der Soziologie der Bildung und Erziehung    

3.1 Einführung    

Im Folgenden wird auf das klassische soziologische Feld in Bildung und Erziehung eingegangen (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 29-42).

Einführend wird auf die USA, Frankreich und Deutschland eingegangen.

  • Als klassischer Autor für Bildung und Erziehung gilt für die amerikanische Soziologie Lester F. WARD, der mit Franklin H. GIDDINGS wird die gesellschaftliche Bedeutung des Erziehungssystems und soziale Prägung des Geschehens betont. Diese Einsicht führt in den USA zu einer öffentlichen Diskussion, ob nicht die Erziehungswissenschaft in eine Soziologie der Erziehung und Bildung überführt werden soll.
  • In Frankreich führt Emile DURKHEIM über soziologische Erkenntnisse Erziehungsziele und pädagogisches Handeln in die Pädagogik ein und betont implizit die Soziologie zur Leitwissenschaft der Pädagogik.
  • Die Debatte im deutschen Sprachraum läuft langsamer und wird von Pädagogen in eine andere Richtung geführt.
    • Paul BARTH sieht bereits 1896 eine Verbindung von Pädagogik und Gesellschaft. Eine ausführliche Debatte entsteht erst in den zwanziger Jahren über den Kontext beider Diszipline (vgl. GEIGER 1974, 85-105, original 1930).
    • Paul LUCHTENBERG plädiert 1925 für eine Trennung.
    • Aloys FISCHER und Carl WEISS plädieren wiederum für eine Soziologie als Hilfswissenschaft der Pädagogik und bezeichnen die Verbindung als "Pädagogische Soziologie".
    • Vereinzelte Versuche einer eigenen pädagogischen Soziologie existieren neben der Soziologie der Bildung und Erziehung (vgl. BÖHNISCH 1996).
Durch diese Auseinandersetzung hat sich die geisteswissenschaftliche Pädagogik mit ihrer individualistischen und idealistischen Bildungstradition weitgehend in eine sozialwissenschaftliche Erziehungswissenschaft gewandelt (vgl. KRÜGER-RAUSCHENBACH? 1994, 7-16).

Im Folgenden werden exemplarisch fünf Theoretiker der ersten Phase im Kontext gesellschaftspolitischer Ereignisse vorgestellt (vgl. PLAKE 1987).

3.2 Emile Durkheim    

Geboren im lothringischen Epinal 1858 gilt er als einer entscheidenden Gründungsväter der Soziologie der Bildung und Erziehung sowie überhaupt als erster Fachwissenschaftler der Soziologie.

Seine kritisch-moralische Perspektive auf Gesellschaft wird vom Elternhaus und dem Zeitgeist beeinflusst. Schon früh betont er eine auf der Soziologie basierende Morallehre für die Lehrer(innen)bildung und später die Schulbildung.

Später vertritt er an der Sorbonne die beiden Fächer Pädagogik und Soziologie, bemerkenswert der Wandel des Lehrstuhls von Pädagogik in Erziehungswissenschaft und in der Folge die Notwendigkeit empirischer Forschung statt normativer Begründungszusammenhänge.

Erziehung ist nach Durkheim die Einwirkung der Erwachsenen auf jene, die für das soziale Leben noch nicht reif sind.

Ziel ist physische, intellektuelle und sittliche Zustände im Kind zu schaffen bzw. zu entwickeln, die die politische Gesellschaft und das spezielle Milieu von ihm verlangen (vgl. DURKHEIM 1972, 30).

Unter Erziehung wird ein Vergesellschaftungsprozess als Eingliederung des Individuums in die Gesellschaft verstanden.

  • Gleichzeitig muss Erziehung auf gesamtgesellschaftliche und gruppenspezifische Interessen ausgerichtet sein, wobei die gesellschaftliche Differenzierung etwa in Milieu, Klassen und Schichten zunehmend spezielle Funktionen vom Kind verlangen.
  • Eine Vielgestaltigkeit von Erziehungspraktiken bzw. Inhalten leitet sich daher ab.
  • Schichtenübergreifend bedarf es spezifischer Normen einer Gesellschaft wie das Gemeinsame einer Kultur zu internalisieren (vgl. DURKHEIM 1999, 42; 1972, 26-28).
3.3 Karl Mannheim    

Geboren in Budapest 1893 findet er in Heidelberg als Habilitand von Alfred Weber eine Wirkungsstätte und etabliert sich in Wissenssoziologie mit der These, dass die Vielfalt der Ideensysteme auf drei Typen reduziert werden könne, Liberalismus, Konservatismus und Sozialismus.

Jede dieser Richtungen deutet er als Funktion einer besonderen Seinsart, welche durch sich wandelnde Klassen- und Generationsstrukturen bestimmt sei. In der Folge ist abzuleiten, dass das soziologische Wissen immer in Weltauslegungen eingebettet ist (vgl. MANNHEIM 1929, 45). Aufgabe der Wissenssoziologie ist die Untersuchung der Zeit- und Ortsgebundenheit des Denkens.

Den Lehrstuhl für Soziologie in Frankfurt/M. erhält er 1929, flieht nach 1933 nach England und lehrt an der London School of Economics. Er verändert seine Perspektive auf soziale Bedingungen, unter denen demokratische Gesellschaften angesichts totalitärer Bedrohung überleben können. In den Vordergrund rücken Fragen der Erziehung. Sein Assistent William A.C. STEWART veröffentlicht nach seinem Tod 1947 Manuskripte zur Erziehungssoziologie (vgl. MANNHEIM - STEWART 1973, original 1962). Ungeklärt sind eventuelle Textstellen von Stewart.

Erziehung wird begriffen als langsame Eingliederung, die durch das Individuum durchlaufen muss und Gesellschaft sich ebenfalls entwickelt und wandelt (vgl. MANNHEIM - STEWART 1973, 34).Das Individuum als soziales Selbst entwickelt sich im gesellschaftlichen Kontext, der generations- und schichtenspezifisch ist. Es geht um Primärgruppen wie Gleichaltrige, die Nachbarschaft, Sekundärgruppen wie die Schule. Die soziologische Aufmerksamkeit ist gerichtet auf Menschen zu bilden und gesellschaftliche Strukturen dafür zu schaffen. Das bedeutet mit Verboten und Hemmungen sparsam umzugehen und Erziehungskonzepte entsprechend zu gestalten, eine Aufgabe der Soziologie der Erziehung (vgl. MANNHEIM -STEWART 1973, 117).

3.4 Sputnik - Schock    

1957 schickt die Sowjetunion als erstes Land einen Satelliten in eine Umlaufbahn der Erde.

Die Forderung nach einer Bildungsreform wird nach wahrgenommenen (Technologie-) Defiziten dringlicher.

Georg PICHT 1964 publiziert in "Christ und Welt" eine Analyse der "Bildungskatastrophe". Geringere Absolventenzahlen der Sekundarstufe II (AHS), sinkende öffentliche Bildungsausgaben bei gestiegenem Bruttosozialprodukt und Modernisierungsrückstände im Bildungswesen werden aufgezeigt (vgl. zusammenfassend GOLDSCHMIDT 1991).

3.5 Bildungsreform    

Im Kontext mit sozialen Bewegungen wie der Arbeiterbewegung und Frauenbewegung entsteht zu Beginn des 20. Jahrhunderts Reformpädagogik und mit Regierungspolitik eine allgemeine Grundschulbildung, höhere Mädchenschulen und das Duale Berufsausbildungssystem (vgl. FRIEDEBURG 1992).

In der Bildungsreform der sechziger Jahre beeinflusst erstmals die Soziologie die Reformen. 1962 wird mit Hellmut BECKER das Berliner Institut für Bildungsforschung in der Max - Planck - Gesellschaft, das spätere Max - Planck -Institut geschaffen.

Die Notwendigkeit einer Bildungsreform ermöglicht einen öffentlichen Diskurs um Fragen der Bildung im Kontext einer Soziologie der Bildung und Erziehung. Das zentral soziologische Thema sind soziale Ungleichheiten bestehender Strukturen.

"Chancengleichheit" soll Nachteile an Lebenschancen abbauen. Die Kunstfigur des katholischen Mädchens vom Lande, welches auch die Chance auf ein Studium erhält, wird immer wieder zitiert, weil hier die Benachteiligungen weiblichen Geschlechts, ländlicher Regionen und bildungsferner Haushalte zusammengefügt sind (vgl. LÖW - GEIER 2014, 36-37).

In der Folge analysieren empirische Untersuchungen im Erziehungssystem die Funktion der Selektion und Allokation (vgl. zusammenfassend KRAIS 1996, 118-146).

Bildung wird als Bürgerrecht begriffen und es entsteht die Forderung nach aktiver Bildungspolitik (vgl. DAHRENDORF 1965). Nur sie ist in der Lage, Verhaltensweisen aufzubrechen und daher die Praxis der Schulen und Entscheidungen der Eltern über die Schullaufbahn zu verändern.

Impulse für die Hochschulbildung kommen auch von der Studentenbewegung, die Ende der sechziger Jahre in Auseinandersetzung mit der NS - Vätergeneration, der Diskriminierung von Minderheiten und dem Vietnamkrieg als imperialistische Bestrebung der USA sich bildet. Angeprangert werden autoritäre Strukturen und faschistische Traditionen an Hochschulen. In der Folge kommt es zu Reformen in der Hochschulgesetzgebung (vgl. FRIEDEBURG 1992, 387-388).

3.6 Talcott Parsons    

Geboren 1902 in Colorado Springs/USA, in den fünfziger und sechziger Jahren durch seine strukturell-funktionale Theorie beeinflusst er die Soziologie nachhaltig.

Entsprechend hat er einflussreich die Schule als soziales System untersucht (vgl. PARSONS 1997, original 1964). Ausgehend von der Annahme, die moderne Gesellschaft sei durch drei "revolutionäre Strukturwandel" gekennzeichnet: die industrielle Revolution, demokratische Revolution und Bildungsrevolution (vgl. PARSONS 1990, original 1972, 11).

Die Bildungsrevolution bedeutet eine Universalisierung der Schulbildung, und Differenzierung des Hochschulwesens. Wissen wird zur Voraussetzung der Handlungsfähigkeit es Einzelnen und der Gesellschaft (vgl. PARSONS 1990, 13-15).

Durch die Aufwertung der Bildung wächst die Bedeutung des Erziehungssystems, Schule wird neben der Familie eine entscheidende Sozialisationsinstanz (vgl. PARSONS 1997, 192-193).

Ihre Funktion muss die Persönlichkeitsbildung und Übernahme der Erwachsenenrolle sein. Parsons gelangt zur Erkenntnis, dass soziale Ordnung nur auf der Basis eines Werte- und Normenkonsens möglich ist. Zur Verwirklichung bedarf es einer Motivation und der Identifikation.

Schulisch gibt es in den unteren Klassen zwei verschiedene Formen von Leistung, kognitive (Informationen, Fertigkeiten, Wissen) und moralische Leistung (Betragen, Respekt, Rücksichtsnahme) schulisch mit Noten und Beurteilungen bewertet. Wesentlich ist die Identifikation mit Lehrenden. Mit der Abgrenzung von den Eltern verlassen Lernende früher die Schule und wechseln in das Berufsleben.

Für die Soziologie der Bildung und Erziehung folgt aus den Erkenntnissen, dass die soziale Schichtung eine Funktion des Bildungssystems ist, dass Schichtungstheorie und Bildungstheorie eng verbunden sind.

3.7 Theodor W. Adorno    

Geboren in Frankfurt/M. 1903 ist Theodor Adorno eng mit dem 1920 gegründeten Institut für Sozialforschung verknüpft. Erst im Exil entsteht eine enge Zusammenarbeit mit Max HORKHEIMER und damit das soziologische Profil des Philosophen und Musikkritikers/ Komponisten Adorno.

1931 erhält er die Lehrbefugnis an Universitäten. 1933 flieht er und in der Folge ist er am Oxford Merton College und nimmt nach einigen Jahren die Einladung Horkheimers als Mitarbeiter am Institute of Social Research an der Columbia University in New York an.

Mit der gemeinsam verfassten "Dialektik der Aufklärung" (HORKHEIMER - ADORNO 1988) wird sein erziehungssoziologisches Denken stark beeinflusst. Problematisiert wird der Vernunftglauben, der totalisierende Tendenzen aufnehmen kann. 1950 kehrt Adorno nach Frankfurt/M. zurück und geht an die Universität.

Er greift in den gesellschaftlichen Diskurs ein, welche Lehren eine "Erziehung nach Auschwitz" ziehen kann (vgl. ADORNO 1977, original 1966, 674).

  • Zentrale Ursache für ein Bestehen von KZ und Terror im Sinne von Auschwitz sei der Zerfall etablierter Autoritäten des Kaiserreichs.
  • Es bedarf ganz im Geist der Aufklärung menschlicher Autonomie (vgl. ADORNO 1977, 679).
  • Alle Bemühungen müssen gegen die "blinde Vormacht aller Kollektive" gerichtet sein (vgl. ADORNO 1977, 681).
  • Gefühlskälte und die Unfähigkeit zu lieben, die Auschwitz möglich machen, entstünden aus angst- und schmerzverleugnender Erziehung.
  • Eine solche Erziehung ist eine Schulerziehung, die ohne Angst vor Mächtigen, Diskurse und Analysen zulässt.
  • Hintergrund ist eine Soziologie, die gesellschaftliche Kräfteverhältnisse unter der Oberfläche öffentlich macht (vgl. LÖW - GEIER 2014, 41).
3.8 Michel Foucault    

Geboren 1926 in Poitiers arbeitet er ein Leben lang an der Schnittstelle zwischen Philosophie, Geschichtswissenschaft und Soziologie. An historischen Texten erforscht er, wie Wirklichkeiten gemacht werden.

Sein Augenwerk richtet er auf die historisch-gesellschaftlichen Bedingungen. Es geht keineswegs um eine historische lineare Entwicklung, vielmehr geht er von verschiedenen Bedeutungskontexten nebeneinander aus. Geschichte verläuft demnach diskontinuierlich und in Sprüngen.

Das Interesse bezieht sich vor allem auf Machtverhältnisse. Die Durchdringung der Gesellschaft von Macht erläutert Foucault an Institutionen der Medizin, der Justiz, an Praktiken der Sexualisierung, der Pädagogik, im Militär, die mit Mitteln hierarchischer Überwachung, normierender Sanktionen und Prüfung arbeiten (vgl. LÖW - GEIER 2014, 42).

Das Beispiel der Pädagogik weist auf Machtverhältnisse.

  • In der Schule zeigt sich räumlich etwa die Anordnung der Klassenzimmer entlang der Gänge wie Zellen und
  • in Internaten die großen Schlafsäle, mitunter mit Trennwänden zwischen den Betten.
Macht entfaltet sich durch gegliederte Kontrolle und Sichtbarmachung der "Insassen".

  • Die Menge der Lernenden unterliegen einer gemeinsamen Normierung.
  • Ein Fehler ist schon, das vorgeschriebene Niveau nicht zu erreichen.
  • Disziplinarstrafen dienen Abweichungen zu verringern.
  • Das "Normale" etabliert sich als Zwangsprinzip im Unterricht und Einführung einer standardisierten Erziehung (vgl. FOUCAULT 1977, 237).
4 Bildungs- und Erziehungstheorie heute    

Zu den seltenen Soziologen, die sich aktuell mit der Theorie der Bildung und Erziehung beschäftigen und Bildungs- und Erziehungsfragen berücksichtigen, gehören Pierre Bourdieu und Niklas Luhmann.

4.1 Pierre Bourdieu    

1930 in Bearn geboren und schafft den Sprung in die französischen Eliteschulen und Hochschulen, in der Folge auch als Professor an das College de France.

Dieser ungewöhnliche Bildungsgang weckt Bordieus Interesse an Bildungsprozessen und schärft den Blick für Reproduktionsmechanismen der "herrschenden Klasse" über Bildung (vgl. LÖW - GEIER 2014, 43-47).

Im Laufe seiner Berufsbiographie erstellt er ein theoretisches Gerüst als Basis für seine Analysen zusammen mit Loic D.J. WAQUANT in einem gemeinsamen Band "Reflexive Anthropologie" (vgl. WAQUANT 1996, 17-93).

  • Die Gesellschaft ist von "sozialen Strukturen", also einer erhebbaren Verteilung materieller und verinnerlichter Strukturen durchzogen (vgl. WAQUANT 1996, 24).
  • Beide Strukturen in ihrem praktischen Handeln und Verhalten, Gefühlen und Urteilen stehen in einem Kontext.
  • Reproduziert werden auf diese Weise gesellschaftliche Strukturen erneut.
Ergänzend schlägt Bourdieu zur Kategorie der Struktur das Begriffspaar "Sozialer Raum/ Feld" und "Habitus" vor (vgl. die Matrix in LÖW -GEIER 2014. 45).

  • Sozialer Raum/ Feld ist das Gesamt der Verhältnisse zwischen den Gruppen der Menschen, das auf Formen von Macht bzw. Kapital basiert. Es bildet ein Spannungsfeld, das sich zwischen den Gruppen und Konkurrenten aufspannt.
    • Gruppen unter homogenen Bedingungen werden zu objektiven und mobilisierten "Klassen" zusammengefasst.
    • Geschlecht ist für Bourdieu ein klassenbildendes Merkmal mit vielen Spielarten der Weiblichkeit.
  • Die Teilbereiche der Gesellschaft werden als "Felder" bezeichnet. Jedes Feld hat eine eigene Logik ("Kräftefelder"). In ihnen entsteht im sozialen Handeln der Akteure eine Dynamik, welche das Feld in einen Mikrokosmos verwandelt.
  • Die wissenschaftliche Einteilung von Klassen für Bourdieu als empirische Handlungs- und Beobachtungspraxis der Akteure ist der "Habitus" als geistige und körperliche Denk- und Handlungsschemata nach Klassen (vgl. WAQUANT 1996, 37).
  • Bourdieu belegt eine Übereinstimmung von Feld und Habitus und folgert eine unbewusste Unterwerfung unter gesellschaftliche Verteilungsprinzipien, Gesellschaft und Herrschaft reproduziert wird.
  • Durch die Entstehung von habituellen gleichen Praxisformen und gesellschaftlicher Beziehungsstruktur entsteht der "soziale Raum" als ein "Raum der Lebensstile" (vgl. BOURDIEU 1983, 277-278).
  • Der Raum der sozialen Positionen die sozialen Strukturen ("Klassenlage") erfasst, beschreibt der Raum der Lebensstile, der durch den Habitus sich ergibt, die subjektive Lebenspraxis (vgl. für Frankreich BOURDIEU 1983 und Deutschland SCHULZE 1997).
  • Bourdieu differenziert zwischen einer hierarchischen Klassenstruktur mit mehr oder weniger Kapital je nach eingesetztem und weicht die Vorstellung gegenüber stehender Klassen auf und entwickelt en Bild von vielfältigen Klassenrelationen. Gemeint wird nicht nur ökonomisches Kapital (Geld und Eigentum), auch kulturelles Kapital (Bildung und Ausbildung), soziales Kapital (soziale Beziehungen), das Macht entwickelt. Da alle Kapital besitzen, betrachtet Bourdieu die Relationen.
Seine Soziologie besteht hauptsächlich aus Studien über die Reproduktionstrategien (Wiederherstellung) und Konversionsstrategien (Umwandlungen, Veränderungen) , die Gruppen entwickeln, um ihre Position zu verbessern. Aufgabe der Soziologie ist die verborgenen Strukturen aufzudecken. Zerstört werden die Mythen, mit denen Machtausübung verschleiert und Herrschaft reproduziert wird (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 47).

4.2 Niklas Luhmann    

Geboren 1927 in Lüneburg und arbeitet als Jurist in der öffentlichen Verwaltung. 1960/1961 wird er beurlaubt für das Studium der Verwaltungswissenschaft und Soziologie an der Harvard University.

Die Theorie von Talcott PARSONS beeinflusst ihn nachhaltig. Nach dem Aufbaustudium Verwaltungswissenschaft, Promotion und Habilitation wird er 1968 Professor für Soziologie in Bielefeld.

Seine Systemtheorie geht aus der kritischen Auseinandersetzung der Parson'schen Systemtheorie hervor und bezieht Anregungen aus modernen interdisziplinären vor allem biologisch/ neurophysiologischen systemtheoretischen Entwürfen (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 52-58).

Gedanklicher Ausgangspunkt ist ein kybernetisches Modell, dem gleiche Schemata von Systemen, Steuerung, Kontrolle, Selbstreferenz und Selbstorganisation in der Technik, Biologie und in sozialen Prozessen unterstellt werden (vgl. VARELA 1982, 82-93; LÖW-GEIER? 2014, 53).

Luhmann interessiert in seiner funktional-strukturell genannten Theorie wie Systeme funktionieren und wie einzelne Funktionen sich historisch verändern.

Unter einem sozialen Prozess versteht er eine Konfiguration aufeinander verweisender Handlungen. Jedes System besitzt eine abgrenzte Umwelt.

  • Dazu gehören alle Handlungen, die nicht in den Sinnkontext des Systems gehören (vgl. LUHMANN 1991, 9). Systeme leisten in einer komplexen Welt die Funktion, Komplexität zu reduzieren.
  • Luhmann trennt sich in der Folge vom Handlungsbegriff und betont Kommunikationen als das verbindende Element. Er versteht nicht Menschen als Urheber, vielmehr wird Kommunikation als Produkt sozialer Systeme aufgefasst (vgl. LUHMANN 1990, 31).
  • Verschiedene Systeme lassen sich unterscheiden, lebende, neuronale, psychische, technische und soziale.
4.2.1 Soziale Systeme    

Als Soziologe bezieht er sich besonders auf soziale Systeme.

  • Diese versteht er als autopoietische Systeme, also als Prozesse der Selbsterschaffung und Selbsterhaltung eines Systems (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 53). Das bedeutet, dass Systeme operativ geschlossen und durch ihre eigenen Elemente sich immer wieder neu reproduzieren. Systeme sind diesem Sinn autonom. Allerdings kann die Umwelt eines Systems verändernd einwirken.
  • Menschen sind in diesem Verständnis nicht Urheber der Kommunikationen, vielmehr Kommunikation wird als Produkt sozialer Systeme gefasst (vgl. LUHMANN 1990, 31).
  • Kommunikation ist die elementare Einheit von Systemen.
  • Sie ist selektiv und besteht aus verschiedenen Möglichkeiten wie Information, Mitteilung und Verständnis.
  • Unterschieden werden drei Typen sozialer Systeme, Interaktion, Organisation und Gesellschaft (vgl. LUHMANN 1991, 10-12).
  • Einzelne Systeme ohne gemeinsame Symbolik mit binären Codes bilden Wirtschaft, Politik, Recht, Religion, Erziehung, Wissenschaft und Kunst. Sie operieren mit eigener Logik bzw. eigenem Sinnhorizont.
4.2.2 Luhmanns soziologische Erziehungsreflexion    

Dies bildet in der Bildungsoziologie ein besonderes Interesse. Soziale Systeme beobachten sich selbst (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 55-58).

Das Erziehungssystem bei der Selbstbeobachtung hat Selbstreflexionsprobleme und nutzt demnach einen fremden Blick (vgl. LUHMANN-SCHORR? 1988).

  • Ausgegangen wird von der Annahme, dass durch die Differenzierung sich ein autonomes Teilsystem etabliert hat.
  • Das System benötigt zur Weiterentwicklung Reflexion. Die Erziehungswissenschaft ist eine besondere Art der Sicherung und Produktion von Wissen für die Erziehung (vgl. LUHMANN-SCHORR? 1988, 368).
  • Luhmann und Schorr bezeichnen als zentrales Problem die Chancengleichheit. Abgelehnt wird jede Selektionsfunktion. Pädagogen reagieren darauf, indem sie die Probleme an den Rand des Systems verschieben, in den Übergang zum Beruf. Das Selektionsproblem wird erheblich damit verschärft. Statt Chancengleichheit wird der Begriff "Karriere" vorgeschlagen (vgl. LUHMANN-SCHORR? 1988, 274).
  • In der Folge wird die These aufgestellt, dass Erziehungssystem von grundlegenden Paradoxien durchzogen sei. Behandelt wird Ungleiches gleich, schulleistungsbedingte Ungleichheiten werden sich selbst zugerechnet (vgl. LUHMANN 1996, 25).
  • Ungleiche Lernende werden gleich eingestuft, um Leistungsdifferenzen (scheinbar) hervorbringen und messen zu können (vgl. LUHMANN 1996, 26).
  • Das Erziehungssystem schafft sich "Klassiker", wobei verkannt wird, dass Wissenschaft (Erziehungswissenschaft) sich von der (Schul-)Pädagogik grundlegend unterscheidet (vgl. LUHMANN 1996, 36) .
4.2.3 Gesellschaftliche Funktion der Erziehung    

Im letzten Werk 2002 "Das Erziehungssystem der Gesellschaft" von Dieter LENZEN herausgegeben, wechselt Luhmann die Perspektive und behandelt die gesellschaftliche Funktion der Erziehung.

Das Erziehungssystem trage zum Erhalt der Gesellschaft bei, durch Erziehung der Menschen zu Personen.

  • Es bilde Eigenschaften für die Übernahme von Pflichten und Aufgaben, auch für die statusadäquate Positionen durch Sozialisation und Erziehung.
  • Bildungsinstitutionen bilden den Rahmen für Aktivitäten zur Herstellung von "Personen" in geregelten Bahnen. Sie stellen sicher, dass Erziehung jeden und jede erreicht.
5 Bildung und Schule    

Im Folgenden wird auf Schule und Gesellschaft, Schulautonomie und Schulkulturen eingegangen.

5.1 Schule und Gesellschaft    

Das Bildungssystem ist in verschiedene Leistungs- und Fachbereiche gegliedert (vgl. LÖW - GEIER 2014, 88-92). Gegliedert ist das Bildungssystem in den Elementar-, Primar- und Sekundarbereich sowie den tertiären und quartären Bildungsbereich.

  • Kindergarten und Grundschule richten sich an alle Kinder.
  • Die institutionalisierte Vorschulerziehung basiert auf Freiwilligkeit und endet mit dem 6. oder 7. Lebensjahr.
  • Der Schulbesuch ist Pflicht. Damit ist die Schule in die Struktur des modernen Staates eingebunden.
  • Das Recht auf Beschulung für alle bildet einen Bestandteil der bürgerlichen Gesellschaft.
  • Der Staat bestimmt die Kernelemente der Schule wie die Inhalte, Prüfungen, Zugangs- und Berufsqualifikationen.
  • Legitimiert ist der Staat zur Gestaltung schulischer Praxis, weil in einer Demokratie Menschen Wahl- und Mitwirkungsrechte besitzen und daher eine eigene Meinung und über Geschäftsfähigkeit verfügen müssen.
  • Schulische Bildung bezieht sich daher auf die grundlegende Entwicklung kognitiver, sozialer und affektiver Fähigkeiten und damit auf die Bildung von Autonomie in einem Beziehungsgefüge.
  • Nach Helmut FEND und seinem Bezug auf Talcott PARSONS werden die Funktionen der Schule unterschieden (vgl. FEND 1974, 68-70).
    • Qualifikationsfunktion - für das Beschäftigungssystem und Reproduktion der Gesellschaft
    • Allokations- und Selektionsfunktion - Zuweisung der Lernenden nach bedarfsgerechter Verteilung von Wissen in verschiedene Berufsgruppen
    • Integrations- und Legitimationsfunktion - Ausstattung der Lernenden mit sozialen und politischen Kompetenzen als loyal-kritische Mitglieder der Gesellschaft mit dominanten Normen, Werten und Interpretationsmustern.
Über diese Funktionen hinaus wird Schule mit einer Erwartungshaltung betrachtet und gleichzeitig ihre Defizite festgehalten.

In der Tradition reproduktionslogischer Argumentation, wie sie in den USA und dem UK im Begriff "new sociology of education" entstanden sind, rücken Konflikte, Opposition und Widerstand in den Blick (vgl. KOLBE - SÜNKER - TIMMERMANN 1994, 11-33). Betont wird die Notwendigkeit sozialer Stabilität und der Analyse der Reproduktion.

In der funktional differenzierten Gesellschaft führe die Zugehörigkeit zu verschiedenen Systemen zur Multiinklusion.

  • Die Biographisierung individueller Perspektiven ermöglicht der Schule die Organisation von Laufbahnplanung, Mitwirkungsmöglichkeiten und Planung von speziellen Lerninhalten.
  • Fachbereiche der modernen Schule wie Politische Bildung, Interkulturelle Kompetenz, Vorberufliche Bildung, Angewandte Ethik und Praktika erhalten zunehmende Bedeutung.
5.2 Schulautonomie    

Ob sich der Staat aus Entscheidungen der Schulpolitik zurückziehen soll, wird kontrovers diskutiert. Verschiedene Modelle stehen zur Diskussion.

Grundsätzlich geht es um die Verlagerung von Entscheidungen auf die Ebene der Einzelschule.

  • Konkret also um Curricula, die Leistungsbeurteilung, Schulorganisation, Zeitrhythmen, Altersstrukturierung der Klassen, Verwendung der Ressourcen Geldmittel, Räume und Personal sowie der Bildung von Entscheidungseinheiten mit Lehrenden, Eltern, Lernenden und Schulleitung.
  • Für und gegen die Schulautonomie gibt es Argumente und Gegenargumente (vgl. TIMMERMANN 1996, 59-88).
    • Finanzielle Selbstbestimmung - zumeist mit Kürzungen diskutiert, als Aufgabe bleiben Kürzungen ausgerechnet bei Bildung unbeantwortet,
    • Erweiterung der Wahlmöglichkeiten von Eltern und Schule - Konkurrenz zwischen Schulen bei Bildungsangeboten, Eltern kaum in der Lage eine Qualität der Schule zu beurteilen, Berücksichtigung von Gesamtinteressen,
    • Effizienz von Schulautonomie - Schwerpunkte sind pädagogisches Handeln, Wirtschaftlichkeit und Effizienz, Gefahr von Zeit- und Wirtschaftlichkeitsdruck,
    • Gerechtigkeit - in marktgesteuerten Bildungshaushalten können finanzstärkere Haushalte für Bildung mit Schulgeld zuzahlen, zu beachten sind Sponsoren, Partnerschaften und Stipendien,
    • Gestaltungsprozesse - Bildungsprozesse mit pädagogischen Programmen und Zusatzangeboten erweitern das Bildungsangebot.
5.3 Schulkulturen    

Unabhängig von Schulautonomie werden Schulen unter Profilierungszwang gebracht und werben mit spezifischen Profilen wie pädagogischen Programmen und Zusatzangeboten.

Schulkultur wird nicht über ein normatives Ideal gebildet, vielmehr in der Tradition der Alltagspraxen, Rituale, Symbole und Interaktionsformen (vgl. in der Folge HELSPER-BÖHME-KRAMER-LINGKOST? 2001, 17, 25).

  • Nach den Autoren geht es um die symbolische Ordnung der einzelnen Schule, in Spannung mit dem Realen (gesellschaftliche Strukturierung), Symbolischen (Interaktionsprozesse) und Imaginären (Selbstverständnis der Schule).
  • Schulkultur entsteht demnach in einer Wechselwirkung zwischen Handeln und Strukturen.
  • Begründet wird die Schulkultur zwischen den Akteuren und den strukturellen Bedingungen als symbolische Ordnung der Einzelschule.
  • Die jeweils gemeinsame kulturelle Ordnung in den Schulen richtet sich nach den sozialen Milieus und Lebensformen.
6 Bildung und Hochschule    

Im Folgenden wird verkürzt auf die Universitätsgeschichte und auf die Fachkulturen mit Hinweis auf die Erziehungswissenschaft eingegangen ( vgl. LÖW - GEIER 2014, 101-109).

6.1 Kurzgeschichte der Universität    

Die Institution Universität entsteht im Hochmittelalter zunächst in Bologna, Reggio, Vicenza, Arezzo und Padua zwischen 1158 und 1222. In Neapel wird 1224 die 'erste Staatsuniversität durch Kaiser Friedrich II von Hohenstaufen gegründet.

Zeitgleich entstehen vor allem in Frankreich, England, und Spanien Universitäten. In deutschen Territorien begründet 1348 in Prag Karl IV die erste Universität (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 101).

Von Beginn an ist die Geschichte der Universität mit der Geschichte der Kirche verbunden. Lehrende sind Geistliche oder werden Geistliche, um Universitätslehrer zu werden.

Die Basis der Aufteilung in Fakultäten bildet die Artistenfakultät, aus der die Philosophische Fakultät hervorgeht. Im Mittelalter übersteigt die Gesamtzahl der Studierenden an Universitäten im deutschen Sprachraum selten 700. Das Lehrstoffniveau der Artistenfakultät wird heute mit der gymnasialen Oberstufe verglichen (vgl. SEITENFADEN 1988, 20). Das Aufnahmealter lag in der Regel bei 15 Jahren. Vorlesungen dienten dazu, ein Buch öffentlich vorzulesen und zu kommentieren, weil die Mehrzahl der Studierenden sich Bücher nicht leisten konnten.

Im 16. und 17. Jahrhundert zeigt sich, dass mit der flächendeckenden Gründung von Universitäten Knotenpunkte sich bündeln und auch städtische Zentren sich bilden (vgl. Landkarte der Gründung der Universitäten SEIDENFADEN 1988, 26). Mit der Entwicklung der Territorialstaaten wird der Einfluss der Landesfürsten größer. Die Kurfürsten übernehmen Richterfunktionen, regulieren Ausbildungsprogramme und Zugänge, zahlen Gehälter und vertreten angemessen Interessen der Universität.

im 18.und 19. Jahrhundert verbreitet sich die Idee der Bildung gegen die Ausbildung. Forschung und Diskussion werden wichtige Bestandteile. Europaweite Bedeutung gewinnt die Idee der Nationalerziehung. Das führt zu Vorlesungen und Disputationen zunehmend auf Deutsch gehalten werden. Das an Kirche und Tradition geknüpfte Latein wird in den Hintergrund gedrängt.

Die "Humboldtsche Universitätsidee" zielt auf ein emphatisches Bildungsverständnis, das Bürgertum und die deutsche Nation zu stärken. Frauen dürfen ab 1900 studieren.

Aus der Tradition der universitären Idee und Entwicklungsgeschichte sind heute Universitäten angesichts der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Globalisierung "Dinosaurier" in der modernen Welt (vgl. STICHWEH 1988, 63-74). In ihren vorkapitalistischen Organisationsformen werden sie nicht wie "Unternehmen" geführt, vielmehr als lokale Einrichtungen des Staates. Auch Privatuniversitäten expandieren nicht wie Wirtschaftsunternehmen.

Im Hochschulwesen bilden sich Widersprüche zwischen Lokalität und Globalisierung und traditioneller Bildungsidee und Rentabiltätsvorstellung zwischen Bildung und Ausbildung.

6.2 Fachkulturen    

Hochschulen - Universitäten und Fachhochschulen - sind keine homogenen Gebilde, vielmehr ausdifferenziert in Fachkulturen.

Studierende eignen sich fachspezifische Inhalte und für ihr Fach typischen Habitus an. Barbara FRIEBERTSHÄUSER (1992) hat sich ausführlich mit der Einführung in das Studium der Erziehungswissenschaft beschäftigt. Spezifische Werte und Erfahrungen ergeben in der Folge ein habituelles Verhalten und einen internen Zusammenhalt.

Studierende finden unterschiedliche Ausgangsbedingungen und Wissensvorstellungen in ihren Fächern vor, die ihre berufliche Sozialisation beeinflussen werden.

In der Erziehungswissenschaft bedarf es für eine Berufslaufbahn Zusatzqualifikationen, etwa ein Lehramt, Erwachsenenbildung, Universitätslehrgänge und/oder Beratungsmanagement.

Berufsfelder sind etwa die Lehre, das Bildungsmanagement und die Beratung.

7 Bildung in der Lebensgeschichte    

Die Bildungs- und Erziehungsidee basiert hauptsächlich auf der Vorstellung, das Kind müsse durch pädagogische Begleitung und Bildung in das Erwachsenenalter geführt werden (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 115-125).

Mit dem Bürgertum und dem Humboldtschen Bildungsbegriff entsteht durch die Idee der Formbarkeit des individuellen Lebens die Bildung eigener Lebensphasen, die im Kontext mit dem Bildungsbegriff stehen. In der Folge werden Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter unterschieden.

7.1 Lebenslauf    

Martin KOHLI (1985) kommt in der Folge zu einer "Institutionalisierung des Lebenslaufs". Damit kommt es einer allgemeinen Einteilung der Lebenszeit in eine Vorbereitungsphase auf die Erwerbsarbeit, Berufsphase und eine Altersphase.

Der Lebenslauf dient einer Strukturierung der lebensweltlichen Abschnitte bzw. Horizonte in der Orientierung der Individuen und ihrer Planungen von Handlungen mit einer Verzeitlichung des Lebens (vgl. KOHLI 1985, 3).

Die Abfolge des Lebenslaufs von Kohli stößt auf Gegenbeispiele. Man denke nur an die Mehrheit der Frauen bei mangelnder Erwerbstätigkeit durch Erziehungsphasen und einer möglichen Wiedereingliederung in den Beruf oder einem zweiten Bildungsweg.

Die Vorstellung einer Normalbiographie geht von der Sequenz des Schulsystems und Berufslebens aus.

Von großer Bedeutung für die Soziologie der Bildung und Erziehung ist die Sequenzialisierung des Lebenslaufs in den Blick zu nehmen (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 117).

7.2 Kindheit    

Die Kindheit als Lebensphase einer eigenen Welt ist historisch gesehen neu.

  • Phillipe ARIES (1975) weist auf das 16. und 17. Jahrhundert, in dem Kinder wie kleine Erwachsene behandelt werden.
  • Erst im 17. und 18. Jahrhundert setzt ein Prozess der "Entdeckung der Kindheit" ein.
  • Mit dem Übergang von der feudalen in die bürgerliche Gesellschaft verändert sich die Einstellung zu Kindern in emotionaler Verbundenheit (vgl. ARIES 1975, 48) .
  • Im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung kommt es zur Bildungsidee (vgl. BLANKERTZ 1982).
  • Die Masse der Bevölkerung lebte auf dem Land als Bauern, Handwerker und Heimarbeiter in einer Großfamilie mit Verwandten, in Bauernhöfen mit Mägden und Knechten in Gemeinschaft (vgl. ROSENBAUM 1990, 30)
Die Folgen dieser Entwicklung für die kindlichen Lebensbedingungen sind

  • die Freistellung der Kinder von Arbeitsprozessen und Widmung der Bildungsprozesse,
  • die Kindheit als Schutzraum,
  • zu beachten die "schwarze Pädagogik" nicht als Widerspruch zur Schutzidee,
  • Kinder dienen zunehmend weniger der finanziellen Sicherheit des Haushalts.
Zu beachten sind die strenge Disziplinierung, Kontrolle und pädagogische Dressur.

Gravierende Einschnitte sind zu vermerken mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. In den Nachkriegsjahren folgt ein wirtschaftlicher Aufschwung mit hohen Konsum.

Bildung gilt als förderwürdiges Gut, mit den neunziger Jahren setzt sich ein individuelles Konzept kindlicher Förderung durch.

Milieubedingte Bildungsprogramme/Hobbys werden in der Folge angeboten, etwa vom Musikunterricht, Sport und Ferienlager.

7.3 Jugend    

Der Jugendforschung kommt in einer hochkomplexen Gesellschaft eine besondere Bedeutung zu (vgl. zusammenfassend MITTERAUER 1986).

  • In der feudalen Gesellschaft unterscheidet sich die Lebenslage nach Schicht und Stand. Die Mehrheit der ländlichen Bevölkerung praktiziert den Übergang zur Erwachsenenphase nach subjektiver Einschätzung. Ein komplexes Verständnis von Jugend fehlt.
  • Ende des 18. Jahrhunderts wird der Begriff "Flegeljahre" gebräuchlich.
  • Der männliche Jugendliche bürgerlicher Herkunft und mit höherem Bildungsabschluss bedarf einer sozialen Verlängerung für die Entwicklung seiner Zukunftspläne nach HURRELMANN (1993).
  • Ende des 19. Jahrhunderts entsteht der Begriff "Backfisch" als romantisierendes Jugendbild.
  • Die Lebensumstände im beginnenden 20. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch eine Urbanisierung, der Bildungsmöglichkeiten, größeren Freizeitbereich und Möglichkeiten eines Studiums.
  • Jugendbewegungen entstehen, der Nationalsozialismus knüpft an das Jugendideal widerstandslos an.
  • Die zeitliche Verlängerung der Jugend gründet sch in der Verlängerung der Schulzeit und den Ausbildungszeiten.
  • Chancen und Risiken ergeben zunehmend die Notwendigkeit von Lebensplanung und Vereinbarkeiten von Familie und Berufsmöglichkeiten.
  • Pragmatisch werden in der Folge Lebensformen und gesellschaftliches bzw. institutionelles Engagement gesehen.
  • Jugendkulturen gewinnen an Bedeutung (vgl. WILLIS 1991; Arbeiten des "Birminghamer Centre for Contempory Cultural Studies").
Unterschieden werden verschiedene Formen der Jugendkulturen (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 123).

  • Religiös-Spirituelle? - Anhänger asiatischer Religionen, Pfadfinder und Mitglieder religiös-gebundener Vereine
  • Kritisch-Engagierte? - Frauen-, Friedens-, Ökologie-, Antiglobalisierungsbewegungen
  • Körperorientierte - Sport, Abenteuer, Modellierung des eigenen Körpers
  • Institutionell-Orientierte? - Vereins- und Verbandsarbeit
Gemeinsam ist den Jugendkulturen die Familienablösung, Gleichaltrigenkontakt, Partizipationsmöglichkeiten, Entwicklung eigenständiger Konsumgewohnheiten und Freizeitplanung.

7.4 Erwachsenenalter - Bildung    

EU, OEEC und UNERSCO haben mit der Idee der "education permanente" die Öffentlichkeit auf lebensbegleitendes Lernen hingewiesen.

  • Sich fort- und ggf. weiterzubilden wurde zu einer Erwartung an alle im erwerbsfähigen Alter.
  • 1987 formulierten die Lehrenden des College de france in ihren "Vorschlägen für das Bildungswesen der Zukunft" den Bildungsbegriff selbst als einen solchen in einem prozessualen Sinne.
  • Für die Umstrukturierung des Bildungssystems schlugen sie einen kontinuierlichen Wechsel von Bildung und Berufstätigkeit vor (vgl. COLLEGE DE FRANCE 1987, 272).
  • Die Einschätzung des Bildungsprozesses variiert (vgl. BOLDER - HENDRICH 2000, 18-20).
  • Durchgesetzt hat sich die Haltung einer Sicherung des Arbeitsplatzes und weniger einer Höherqualifizierung mit besserer Entlohnung. Kritisch wird die marktförmig organisierte Fortbildung und Verwendung der Freizeit in einem ständigen Druck gesehen.
  • In der Erwachsenenbildung zeigt es sich, dass Bildungsprozesse unmittelbare Qualifikationen zeigen sollten, wenn sie nicht nur zum Gegenstand einer biographischen Konstruktion werden sollen (vgl. LÖW - GEIER 2014, 124).
  • Bildung als Selbstformung ist ein Akt der Selbstformung und der Selbstreflexion.
  • Bildungsprozesse bieten eine Chance gewohnte Pfade zu verlassen und den Habitus zu erweitern oder neu zu gestalten.
8 Migration    

In Migrationsprozessen verlassen Menschen Orte und suchen neue auf. Flucht, Asyl, Vertreibung, Zuzug zu Verwandten, Binnenwanderung und bessere Lebensbedingungen bilden Gründe von Wanderung (vgl. HAN 2010).

Klaus BADE (1994) spricht vom homo sapiens als einem homo migrans. Nomadentum und mittelalterliche Völkerwanderung sind lebensgeschichtliche Dimensionen. Auch von gesellschaftlicher Mobilität im Zeitalter der Migration wird gesprochen (vgl. LÖW-GEIER? 2014, 139).

Von Migration sind neben Migrierenden auch die Aufnehmenden betroffen.

Migration kennzeichnet eine relative Dauerhaftigkeit, also eine zeitliche Dimension.

Die UN definiert als Migrant jemanden, der für ein Jahr oder länger außerhalb seines Landes lebt (vgl. KOSER 2011, 29).

Unterschieden werden Migrantentypen nach PRIES (2010) in vier große Gruppen und können so leichter gegenstandsnah bestimmt werden.

  • Emigration bzw. Immigration - dauerhaftes Verlassen, Pflege sozialer Bezüge zum Herkunftskontext (Auswanderung)
  • Rückkehrmigration - "Gastarbeitermigration"
  • Diasporamigration - Flucht und Vertreibungsgründe mit starken historischen, politischen und religiösen Kontexten in der Diaspora und
  • Transmigration - Migrationsprozess auf Dauer gestellt mit neuen sozialen Verflechtungen.
8.1 Bildung und Erziehung    

Im Kontext ist der Bereich Migration vor allem mit Ergebnissen nationaler und internationaler Schülerkompetenztests (PISA, IGLU, TIMMS) sowie einer Bildungsberichterstattung (OECD) zu sehen.

Österreich und Deutschland gelten einwanderungspolitisch als Länder in Europa, in denen die "Integration" von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in das Bildungssystem und darüber hinaus bisher nur mangelhaft gelingt (vgl. OECD - BILDUNGSGBERICHT 2012).

Migration soll im Folgenden auf einer Makro-, Meso- und Mikroebene gesellschaftlicher Praktiken und der Akteure beleuchtet werden. Eine soziologische Darstellung der Bildungssituation geht von der Erhebung-und Datenlage aus. Elemente sind der Migrationshintergrund, die Staatsbürgerschaft und Illegalität.

Dem hohen Anteil von rund 25 Prozent der Lernenden stehen erhebliche Bildungsdisparitäten gegenüber.

  • Dies beginnt mit der frühkindlichen Partizipation an den Angeboten im Elementarbildungsbereich.
  • In der Folge kommt es im Primarbereich zu hohen Zurückstellungen bei der Einschulung und der höheren Wahrscheinlichkeit von Wiederholungen in der Grundschule.
  • Die Selektionshürde des Bildungsübergangs in weiterführende Schulen besonders der AHS zeigt klare Unterschiede gegenüber Nichtmigrierten mit Abschulungen.
  • In der Sekundarstufe II sind in der Folge Jugendliche mit Migrationshintergrund weniger.
  • Höher sind sie wiederum in Berufsvorbereitungs- und Berufsfördermaßnahmen.
  • Leistungsunterschiede ergeben sich in den Fächern Deutsch und Mathematik, hier besser als in Deutsch.
  • Die Heterogenität dieser Schülergruppierung weist auf die Herkunftsländer und ihr Qualifikationsniveau. Türkische und italienische Lernende schneiden am schlechtesten ab (vgl. LÖW - GEIER 2014, 144).
  • Bildungserfolgreiche Lernende sind keineswegs "highly skilled migrants", wesentlich ist der Typ Transmigration und ihr bilinguales Kulturkapital einsetzen.
  • Nach den Bildungsabschlüssen im Vergleich der ersten und der folgenden Generationen erreichen die meisten Migrantenkinder gegenüber den Eltern überhaupt einen oder einen höheren Schulabschluss.
Festzuhalten bleibt die Notwendigkeit einer Verbesserung der Bildungssituation schulpädagogisch, erwachsenenpädagogisch und berufspädagogisch im Kontext der Institutionen Schule, Lehrerbildung, Erwachsenenbildung und interkulturelles Bildungsmanagement.

8.2 Bildungsdisparitäten    

Die Ursachen einer "Schlechterstellung" (vgl. MECHERIL 2004) sind unterschiedlich und werden im Folgenden verkürzt dargestellt (vgl. LÖW - GEIER 2014, 145-148).

  • Als Ursachengeflecht können der migrationsspezifische und schichtenspezifische Strang gelten (vgl. GEISSLER/ WEBER -MENGES 2008, 18-20). Die schichtspezifische Erklärung macht den niedrigen sozioökonomischen Status als Ursache für Disparitäten verantwortlich.
  • Meritokratische Defizite der Lehrenden in der Leistungsbeurteilung verfälschen die tatsächliche Leistung (vgl. DITTON 2004, 251-280).
  • Differenzen entstehen in der Unterschiedlichkeit der Kenntnisse in der Unterrichts-und Verkehrssprache.
  • Ebenfalls entstehen Unterschiedlichkeiten in der Verfügung über ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital
(vgl. etwa Sprache, Alltagsgewohnheiten, ethnische Zusammensetzung, Freundeskreis, Zeitungslektüre bzw. TV -Gewohnheiten).

  • Die Sozialisation im Elternhaus wird als primärer Effekt in Verbindung mit der sozioökonomischen Lage im Kontext von Bildungsinvestitionen und einem wertschätzenden Habitus bezeichnet.
  • Ein weiterer Faktor liegt in den Handlungsstrategien der Situation bestimmt durch Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht, Bildungsorientierung, Beratungsmöglichkeiten, Förder- vs. Anti - Diskriminierungsmaßnahmen.
  • Ethnische Zugehörigkeiten und deren Zuordnung im gesellschaftlichen Kontext hieße Verteilungskonflikte auszublenden.
Die Beachtung der einzelnen Faktoren und interkulturelle Kompetenz im Kontext organisationsentwicklungstechnischer Maßnahmen in einem Bildungsmanagement reduzieren leistungsfremde Benachteiligungen.

8.3 Integration    

Im aktuellen Diskurs wird der Prozess der Eingliederung von Migrierenden verstanden. Im Sinne des Zusammenhalts der Gesellschaft lässt sich Integration auch verstehen.

Integrationskurse vermitteln Wissen in Österreich Wissen über das Land und sollen die Bereitschaft fördern.

Differenzierungsprozesse in einer modernen Gesellschaft weisen auf die Pluralität von Normen, Werten und kulturellen Lebensweisen. Dies wird von Klassikern der Soziologie bereits bei DURKHEIM als Arbeitsteilung, MANHEIM als Ideensysteme oder bei WEBER als Wertsphären angesprochen. Auch PARSONS geht von verschiedenen Systemen des Gesamtsystem aus.

Migration und Integration wird international verschieden analysiert. Petrus HAN zeigt in den traditionellen Einwanderungsländern die Kontexte zur Migrationssoziologie (vgl. HAN 2010, 305).

Im deutschsprachigen Raum entwickelte Hartmut ESSER Integrationstheorien in den Stufen Akkulturation - Integration -Assimilation (2008, 81-107).

  • Unterschieden wird zunächst grundsätzlich eine Systemintegration von einer Sozialintegration.
  • Die Systemintegration betrifft den Zusammenhalt der Teile des Ganzen, der Nationalstaaten, Konzerne und supranationalen Institutionen/ EU.
  • Die Sozialintegration betrifft den Zusammenhalt der Akteure bzw. Gruppierungen, die Inklusion der Akteure in die jeweiligen sozialen Systeme und die politische Ordnung, Gewährung von Rechten, Erwerb von Sprachkenntnissen, Beteiligung am Bildungssystem und Arbeitsmarkt, interethnische Freundschaften/Kooperationen und Beteiligung am öffentlichen Leben mit Identifikation mit dem Aufnahmeland.
  • Grundsätzlich kann es eine Systemintegration ohne Sozialintegration geben.
  • Resultierend unterscheidet ESSER die folgenden vier Konstellationen (vgl. ESSER 2004, 46)
    • Fehlen jeder sozialen Integration Marginalität
    • Integration in beide Systeme multiple Inklusion
    • Integration nur in die ethnische Gruppe individuelle Segmentation
    • Integration nur in die Aufnahmegesellschaft individuelle Assimilation.
In der Migrationssoziologie greift ESSER auf theoretische Modelle zurück, Milton M. GORDON und Robert PARK oder Samuel N. EISENSTADT in den USA. Integration heißt bei den US - Klassikern Verschmelzung von Identitäten der Einwanderer und den gesellschaftlichen Institutionen.

Identität und Gesellschaft werden als verschieden angesehen (vgl. GEISEN 2010, 22, 31). Individuen sind als integrationsbedürftig anzusehen.

8.4 Reflexion    

Soziologie und Erziehung führt in den Diskurs zwischen den Fachbereichen Soziologie und Erziehungswissenschaft mit den Grundthesen der Klassiker und der zeitgenössischen Theoretiker ein.

Neue Diskurse um Bildung und Schule sowie Hochschule und Bildung in lebensgeschichtlicher Perspektive mit der Thematik Migration erweitern die Bildungssoziologie.

Unverkennbar ist der Kontext zur Politischen Bildung, Interkulturalität, Schul-, Erwachsenenpädagogik und Hochschuldidaktik, Angewandter Ethik und Teilbereichen der Berufspädagogik.

Das persönliche Interesse des Autors bestimmt den Beitrag. Erweitert wird durch die Fachliteratur die bildungssoziologische Perspektive.

8.5 Literaturverzeichnis Bildungssoziologie    

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Teil V Bildungsreform    

Vorbemerkung    

Die Studie Bildungsreform versteht sich als Diskussionsbeitrag für Lehrende, Eltern, Lernende, Studierende und alle Bildungsinteressierte, Aspekte einer notwendigen Bildungsreform zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufzuzeigen.

Es gehört zum Selbstverständnis, dass in solche Überlegungen auch das Bildungswesen in Europa mit einbezogen wird. Mit der Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union (EU) ist der Kontext zu europäischen Bildungssystemen gegeben.

Hinweise auf IT - Netzwerke, Links und Literaturberichte sollen Aspekte des Themenbereichs vervollständigen.

Angesprochen werden alle Bereiche von Bildungsinstitutionen - von der Elementar-, Primar- und Sekundarbereich bis zum tertiären und quartären Bildungsbereich. Aspekte einer Digitalisierung und Bildungssoziologie vervollständigen die Überlegungen.

Die Studie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr beruht sie auf dem persönlichem Interesse eines Lehrenden und einem fachlichen Engagement.

I Österreich    

1 Bildungspolitik    

1.1 Bildung und Forschung    

Welche Wissens-, Sozial- und Handlungselemente müssen Menschen am Beginn des 21. Jahrhunderts besitzen, um von Umbrüchen in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Medien, Umwelt und (inter-)kulturellen Phänomenen nicht überrollt zu werden? Was sollen sie verstehen und wie gestalten können?

Menschen müssen in die Lage versetzt werden, durch Teilhabe an inhaltlich erneuerten und ausgebauten Wissensbeständen in einer Bildungsgesellschaft selbst und/oder mit anderen in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung und in situativem Zusammenhang Sachbezüge herzustellen. Im laufenden Diskurs einer notwendigen Schulreform - aus meiner Sicht Bildungsreform - bedarf es zunächst einer Definition grundlegender Ausgangspositionen.

Dazu zehn Thesen:

  • Bildungsziel ist eine Vielzahl von Ideen und Erneuerungsvorschlägen.
  • Bedarfsorientierte Qualifikationen relativieren sich, weil ein zukünftiger Bedarf nicht vorhersehbar ist.
  • Informationstechnologien ändern sich selbst in kürzester Zeit wie auch das Wirtschaftsleben in einer globalisierten Welt sich ständig verändert.
  • Bildungspolitik hat daher mehr in Bildung und Forschung zu investieren. Wissen, Können und Umsetzung bilden Kapital und Basisqualifikationen.
  • Es bedarf einer Orientierung zu Erziehung und Verständnis von Humanität - kultureller, ökonomischer, demokratischer, religiös-ethischer, medialer und ökologischer Werte.
  • Ausbildung beinhaltet einen Bedarf an lebensbegleitender Bildung und Lernen, das Trichtermodell ist untauglich, neue Lehr- und Lernformen sind notwendig geworden.
  • Gefordert sind alle Bildungsinstitutionen, vom elementaren bis quartären Bereich.
  • Kooperationsmodelle müssen Bildungsbemühungen ermöglichen und unterstützen können.
  • Die Selbstverantwortung von Schulen und Universitäten/Hochschulen bedarf einer Stärkung, ebenso Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
  • Bildungsmanagement ist eine Grundvoraussetzung.
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Zur Gestaltung und Bewältigung des Lebensalltags benötigt man Allgemeinbildung.

  • Diese ermöglicht ein breites Interessensspektrum und damit eine Breite von Fort- und Weiterbildung.
  • Neben der Vermittlung von Basisqualifikationen bedarf es einer Internationalisierung in den Bildungsinstitutionen und Betrieben/Unternehmungen.
  • Interkulturalität, die Vielfalt von Behinderungen und Notwendigkeit von Gleichberechtigungen werfen das Problem von "Diversity Management" im Bildungsbereich auf.
  • Sonderpädagogik erhält so einen anderen Stellenwert. Ohne Allgemeinbildung, vorberufliche und berufliche Bildung sowie inhaltlich-organisatorischer Bildungsreform ist eine positive Stellung in Gesellschaft, Alltag und Berufswelt nicht möglich.
  • In der Folge bedarf es eines zeitgemäßen schulischen Fächerkanons mit einer zeitgemäßen Lehrerbildung,
  • Folgerungen für eine EU-konforme frühkindliche, Schul- und Hochschulbildung mit anschließender Fort- und Weiterbildung/Erwachsenenbildung.
  • Letztlich hat das in eine konsequente Umsetzung mit einem realisierbaren Zeitmanagement in einem gesamtgesellschaftlichen Konsens zu münden.
- - -

Der Standard, 12. Juni 2012, 31 - Günther Dichatschek

Tiroler Tageszeitung, 24. Juni 2012, 24-25 - Günther Dichatschek

Frühe Differenzierung ohne Positiveffekte > http://orf.at/stories/2249392/2249393/ (13.10.2014)

1.2 Lerninhalte des Polytechnischen Lehrganges    

Mit der Installierung des Polytechnischen Lehrganges ("Poly") in der Schulreform 1962 wurde ein Schultyp geschaffen, der in seinen Bildungs- und Lehrinhalten beispielhaft ist. Man denke in seiner Lehrplankonstruktion an Fächer wie Berufsorientierung, Lebenskunde, Politische Bildung, Seminare in beruflicher Grundbildung und die Berufskundlichen Tage/Woche.

In seiner Schulorganisation ist er unatttraktiv geblieben, weil er nicht jene Schülergruppe erreicht, die weiterführende Schulen - AHS, BMS/BHS - besucht. Damit erreicht dieser Schultyp nur eine bestimmte Klientel, nicht aber die Allgemeinheit. In diesem Dilemma lassen die Schulpolitiker bis heute die nunmehrige Polytechnische Schule.

Offensichtlich kommt es nun nach Jahrzehnten zu notwendigen neuen Überlegungen. Jedenfalls sind die Bildungs- und Lehr-/Lerninhalte dringend in einem Bildungskanon eines allgemeinbildenden Schulsystems notwendig, denn der Beitrag des allgemeinbildenden Schulsystems zur vorberuflichen Bildung - Schul-, Studien- und Berufswahl mit einer Einführung in die Arbeits- und Berufswelt - in Verbindung mit Politischer Bildung und dringend auch Interkultureller Bildung gehört zu einem zeitgemäßen schulischen Bildungsauftrag.

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Salzburger Nachrichten, 2. März 2013, 32 - Günther Dichatschek (vgl. Punkt 4.4)

Bundesschulpreis 2014 > http://tirol.orf.at/news/stories/2673164/ (11.10.2014)

Schlechter Ruf > https://noe.orf.at/stories/3171411/ (31.8.2022)

2 Ethikunterricht - Diskussion zur Einführung eines verpflichtenden Unterrichtsfaches    

Die staatliche Verordnung, derzeit als Schulversuch seit 1977 in der AHS - Oberstufe, hat anspruchsvolle Lernziele und ein entsprechendes Anspruchsniveau.

Ob "Ethik" Disziplinierung und Passivität oder Kritik und Engagement fördert, hängt von Eltern, Bildungspolitikern, Unterrichtenden und Didaktikern ab. In der Diskussion über ein neues verpflichtendes Unterrichtsfach werden 'Rechtsprobleme aufgeworfen:

  • Darf öffentliche Schule einen Unterricht über Sinn- und Wertfragen einrichten, ohne gegen das Prinzip weltanschaulicher Neutralität zu verstoßen?
  • Welche inhaltlichen Vorgaben sind von Rechts wegen möglich und nötig?
  • Lassen sich Wertverbindungen, die ein solcher Unterricht nicht vermeiden kann, durch Verfassung und Schulgesetzgebung in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft legitimieren?
Aus der Perspektive eines Lehrenden - APS - Lehrer, Lehrbeauftragten, Erwachsenenbildner, Absolventen der Universitätslehrgänge Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz - soll ein neues verpflichtendes Unterrichtsfach einen fachspezifischen Beitrag zur Erziehungsaufgabe beschreiben.

Daher sind entwicklungs- und sozialisationstheoretischen Konzepte zu berücksichtigen.

Das Motiv der Einführung des Faches im Schulversuch war das Bestreben, den Freizeitanreiz bei der Abmeldung vom konfessionellen Religionsunterricht zu beseitigen.

Der "Internationale Bund der Konfessionslosen" hat daher den Vorwurf erhoben, die Einführung des "Ersatzunterrichts" sei eine repressive Maßnahme, mit der der Bestand des konfessionellen Religionsunterrichts gesichert werden soll.

Kritiker sehen in lehrplanspezifischen Bezügen auf einen Mindestkonsens über Grundwerte den Versuch, eine Ordnungsethik des Staates durchzusetzen. Es geht also um die verfassungsrechtliche Legitimität des Faches, gesetzliche Bestimmungen wie Aufgabe und Inhalte, Verpflichtungen auf bestimmte Werte und Sinntraditionen sowie das Problem eines sittlichen Mindestkonsenses.

Einen Dissens gibt es zur Frage, ein Ethikunterricht sei für die aus konfessionellen Religionsunterricht ausgetretenen Unterrichtenden verfassungswidrig.

Das Bundesverfassungsgesetz garantiert und der § 2 Schulorganisationsgesetz 1962 i.d.g.F. schränkt keinesfalls die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit ein.

Der Staat kann auf Grund seiner weltanschaulichen Neutralität nur einen religiös neutralen Unterricht einführen. Der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ist hinfällig, weil fälschlicherweise unterstellt wird, ein "Ersatzunterricht" sei nicht religiös neutral und schränke zumindest die negative Religionsfreiheit ein (Recht, keine Religion zu haben).

Sinn- und Wertfragen in den Bildungszielen der österreichischen Schule sind Erziehungs- und Unterrichtsauftrag für die gesamte Schulzeit - wie die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten; selbständiges kritisches Urteil, eigenverantwortliches Handeln; Freiheit und Demokratie; Toleranz, Achtung vor der Würde des Einzelnen, Respekt vor anderen Überzeugungen; friedliche Gesinnung im Geist der Völkerverständigung; Erklärung ethischer Normen und kulturell-religiöser Werte; Bereitschaft zu sozialem Handeln und politischer Verantwortung; Wahrnehmung von Rechten und Pflichten in der Gesellschaft; Orientierung in der Arbeits- und Berufswelt; Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Unterrichtsprinzipien/ Richtlinien unterstreichen diese Bildungsziele in ihrer Bedeutung, wobei schulische Randfächer entsprechend schwach positioniert sind (etwa Politische Bildung/ politische Kompetenz, Berufsorientierung/ vorberufliche Kompetenz, Kunsterziehung - Werkerziehung/ kreative Kompetenz). Beispielsweise fehlt "Interkulturelle Kompetenz" in Form eines Fachbereiches.

Ein eigenes Fach Ethik wertet didaktisch und methodisch den pädagogischen Bereich auf, mindert den Zeitdruck auf andere Fächer und legitimiert den hohen Stellenwert von Sinn- und Wertfragen in der Gesellschaft. Übrig bleibt immer die Frage der weltanschaulichen Neutralität.

Das Bundesverfassungsgesetz zeigt durch die Aufnahme der Grundsätze der Menschenrechtskodifikationen (hier der Religionsfreiheit) und der Gesetze zum Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften auf, dass eine Wertorientierung als Prinzip der weltanschaulichen Neutralität positiv zu verstehen ist.

Mit der Förderung der verschiedenen Gruppierungen ermöglicht der Staat ein öffentliches Wirken mit den Aufgaben einer sittlichen Motivierung, des sozialen Engagements und einer Sinnvermittlung. Dies ist als Förderung verschiedener Überzeugungen im Rahmen demokratischer Normen zu verstehen, um das Gemeinwohl zu sichern und zu vergrößern.

Schulisch drückt sich dies durch den Religionsunterricht aus, wobei die Religionsgemeinschaften in Form der Bindung an ihre Glaubensgrundsätze - in Übereinstimmung mit der Bundesverfassung - inhaltlich eigenverantwortlich den Unterricht gestalten (vgl. NIPKOW 1996, 71-82; BATTKE - FITZNER - ISAK - LOCHMANN 2002, 93-99).

Im Unterschied zum Religionsunterricht hat für den Staat das Toleranzgebot Vorrang. Daraus ergibt sich zwingend, dass eine Austrittsmöglichkeit in einem staatlich verantworteten Unterrichtsfach - zu Sinn und Wertfragen - nicht eingeräumt werden muss, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Faches in Form von Lehrplan, Lehrerbildung und Verfassungskonformität die Wertneutralität garantieren (vgl. BUCHER 2001, 55). Ein solches Fach hat nicht zum Inhalt, dem Nichtreligiösen die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Sinn- und Wertfragen zu ersparen. Der Staat darf von seinen Bürgerinnen und Bürgern Pflichten und Leistungen verlangen, ohne dadurch die Gewissensfreiheit zu verletzen (vgl. SCHMIDT 1983, 14).

Eine Fach-, Sozial- und Handlungskompetenz Unterrichtender ergibt sich aus der Aus-, Fort- und Weiterbildung künftiger Lehrender.

  • Die Ausbildung ist eines der größten Probleme des Faches, weshalb es als positiv anzusehen ist, dass die Universität Wien ab dem WS 2000/2001 ein Diplomstudium Ethik eingerichtet hat. Der Lehrgang umfasst die Bereiche Grundfragen der Ethik, religiöse und außereuropäische Moralsysteme, Probleme der angewandten Ethik (Bio-, Medizin- und Wirtschaftsethik), lebensweltliche und didaktische Fragen (etwa Generationenprobleme. Geschlechterdifferenz), wobei die Ausbildung nicht an einem Institut angesiedelt ist.
  • Daraus ergibt sich eine interfakultäre Ausbildung mit den Bereich Philosophische Ethik, naturwissenschaftliche Disziplinen/ Ökologie, Jugendsoziologie, Religionswissenschaft, Moralpädagogik/ Didaktik, Moralpsychologie/ Entwicklungspsychologie und Theologische Ethik.
  • Gefordert ein vollwertiges Lehramtsstudium, eine Gleichwertigkeit im Fächerkanon.
Die Frage der Zulassung wird/ wurde kontrovers diskutiert und entzündet sich an der Kombination Katholische und Evangelische Theologie, nunmehr auch Islamischen Pädagogik (vgl. das Grundrecht auf Lernfreiheit/ AHStG? § 5 i.d.g.F.).

Wer unterrichten darf, ist ebenso strittig. Als Minimalkonsens gilt, wer die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, das Bundesverfassungsgesetz mit den Folgegesetzen und Menschenrechtskodifikationen anerkennt und umsetzt, ethische Reflexion in der Lage ist zu betreiben, den Unterricht zu keiner Indoktrination benützt und Religion als Menschheitsphänomen mit Respekt begegnet (vgl. BUCHER 2011, 309-310).

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Literaturhinweise/Auswahl - Ethikunterricht

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IT - Hinweise Ethik- und Religionsunterricht

Konrad Liessmann fordert verpflichtenden Ethikunterricht für alle und nicht nur als "Restfach" für Religionsabmelder > http://derstandard.at/1358304758111/Religionen-sind-keine-Anleitung-zum-guten-Leben (27.1.2013)

Neuausrichtung eines Ethikunterrichts > http://www.orf.at/#/stories/2137362/ (30.9.2012)

Skepsis gegenüber verpflichtendem Ethikunterricht http://religion.orf.at/stories/2547445/ (30.9.2012)

Forderung nach kombinierten Ethik- und Religionsunterricht/ "Ethik und Religionskunde" http://religion.orf.at/stories/2547596/ (30.9.2012)

Ethikunterricht für alle geplant http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wzbildung/schule-aktuell/482640_Ethikunterricht-fuer-alle-geplant.html (30.9.2012)

ÖVP: Ethik - nur Ersatz für Religionsunterricht http://www.orf.at/#/stories/2143411/ (30.9.2012)

Salzburger Nachrichten, 4.9.2012, 9 "Ethik und Religionskunde" für alle in der Oberstufe    

Gastkommentar: Der Religionspädagoge Anton Bucher hat 1999 den Ethikunterricht evaluiert. In seinem Beitrag fordert er, dass Staat und Religionsgemeinschaften zusammen das neue Fach entwickeln.

Der Evaluationsbericht über den Ethikunterricht - damals Schulversuch - wurde 2001 präsentiert. Empfohlen wurde die Übernahme in das Regelschulwesen als alternatives Pflichtfach und nicht als Ersatzgegenstand. Die Begründung lautete, dass dieser Unterricht nachweislich ethische Einstellungen der Schülerinnen und Schüler wünschenswert verändern könne - etwa in Richtung weniger Fremdenfeindlichkeit und weniger Relativismus.

In den folgenden Jahren geschah wenig. Aber im Mai 2011 fand die Parlamentarische Enquete über Ethikunterricht statt, mit dem einhelligen Konsens: 14 Jahre Schulversuch sind genug.

Unterrichtsministerin Claudia Schmied forderte Ethikunterricht für alle. Nur zu verständlich. Ethik betrifft alle, ethische Maximen müssen verallgemeinbar sein. Und dass mehr Ethik vonnöten ist, merkten auch politische Parteien, die ethische Standards formulierten.

Am konfessionellen Religionsunterricht will die Ministerin nichts ändern. Auch das ist verständlich angesichts der Tradition und Macht der Kirche, die sich dem Ethikunterricht lang widersetzt hat. Wenn Ethikunterricht, dann als zusätzliches Fach. Verständlich, dass Familien- und Schülerverbände Mehrbelastungen befürchten, von den Kosten ganz zu schweigen!

Dem Obmann der Schülerunion, Daniel Perschy, ist recht zu geben: "Der momentane Religionsunterricht ist schon lange kein rein konfessioneller mehr." Auch Kirchenvertreter wie der Salzburger Weihbischof Laun sehen dies so. In der Tat: Unsere Befragungen von Religionslehrer/-innen zeigten, dass diese primär die Mündigkeit ihrer Schüler/-innen anzielen sowie ethische Kompetenz und religionskundliches Wissen. Nur für 29 Prozent steht im Vordergrund, dass die Kinder und Jugendlichen die Glaubenslehre der Katholischen Kirche kennenlernen, unter deren Image viele leiden. Dass sie Andersgläubige tolerieren lernen, unterstützen 91 Prozent stark.

Die naheliegende Konsequenz ist ebenso redlich, kostengünstig und pädagogisch wünschenswert: Zumindest in der Oberstufe ein Fach "Ethik und Religionskunde", verpflichtend für alle, idealiter konzipiert vom Staat in ökumenischer Kooperation mit den Religionsgemeinschaften.

Redlich wäre diese Lösung, weil faktischer Religionsunterricht in der Oberstufe von Ethikunterricht, wie empirisch untersucht, kaum mehr zu unterscheiden ist. Kostengünstiger, weil nur noch eine Lehrkraft zu remunerieren wäre. Wünschenswert, weil in einem gemeinsamen Unterricht über Ethik und Religionen eher gewährleistet ist, dass Schülerinnen und Schüler gemeinsame ethische Maximen erarbeiten können (Stichwort: Weltethos); zugleich könnten sie ihre eigene religiöse Identität in der dialogischen Begegnung mit anderen Traditionen formen (wie dies in Studien zu interreligiösem Unterricht mehrfach nachgewiesen ist).

Ein solches Fach haben - in Kooperation von staatlichen Stellen und Religionsgemeinschaften - die katholischen Kantone der Innerschweiz erarbeitet.

Worum es an staatlichen Schulen letztlich gehen muss: um die ethische Bildung aller Schülerinnen und Schüler - weniger um die Interessen von Religionsgemeinschaften.

Anton Bucher ist Ordinarius für Religionspädagogik an der Universität Salzburg und Fachbereichsleiter Praktische Theologie.

Podiumsdiskussion an der Universität Wien, 25.10.2012    

Anlass der Diskussion ist die gegebenenfalls flächendeckende Einführung eines Ethikunterrichts, als Pflichtfach für jene Schülergruppe, die den Religionsunterricht nicht besucht.

Die Fragestellung der Podiumsdiskussion in der Aula am Campus der Universität Wien war: Sind Ethik und Religion überhaupt gleichwertige Alternativen?

Gleich zu Beginn der Veranstaltung stellte der Wiener Philosoph und Ethikexperte Konrad Paul Liessmann klar, dass fundamentale Unterschiede zwischen Ethik und Religion eine Behandlung beider Begriffe in einem Atemzug verhindern. Dem Vorhaben, einen Ethikunterricht flächendeckend als "Ersatzpflichtgegenstand" zum Religionsunterricht einzuführen, sei daher jegliche fachliche bzw. sachliche Basis entzogen.

Aufsehen erregte Liessmann mit der Bemerkung, dass er im Rahmen des Diskurses eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Zielsetzung und Inhaltsgestaltung des Ethikunterrichts als künftiges Pflichtfach für alle Schüler vermisse. Liessmann zeigte sich auch verwundert, dass im Rahmen des Religionsunterrichts, entgegen der Kernkompetenz der Glaubensvermittlung, vermehrt auf Ethik und andere Religionen eingegangen wird.

Abg. zum Nationalrat und Bildungssprecher der Grünen Harald Walser bezog sich hingegen auf seine Praxis als Schuldirektor und plädierte wiederholt für die Einführung eines für alle Schüler verpflichtenden Ethik- und Religionsunterrichts. Dieser gehöre vom Religionsunterricht entkoppelt, um eine freie und sachliche Auseinandersetzung mit den zentralen Fragen, die die österreichische Gesellschaft beschäftigen, zu ermöglichen.

Dieser Forderung schloss sich auch der Religionspädagoge Anton Bucher an, der sich mit der Evaluierung des Schulversuchs Ethikunterricht intensiv befasst hat. Für Bucher haben Ethik und Religion in einem gemeinsamen Fach zu verschmelzen.

Eytan Reif von der "Initiative Religion ist Privatsache" veranschaulichte die fundamentalen Unterschiede zwischen den beiden Fächern, wie sie auch in der Praxis gelebt werden. Zahlreiche Themen, die im Rahmen des Ethikunterrichts behandelt werden wie Geschlechterverhältnis, Menschenrechte und Religionskritik, können im Rahmen des Religionsunterrichts nicht behandelt werden. Für Reif liefert die homophobe Grundeinstellung der Orthodoxen Kirchen gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen das beste Beispiel für die Absurdität einer Entweder- oder Regelung, wie von der ÖVP und den Religionsgemeinschaften gefordert.

Für Reif sei zudem der gegenständliche politische Diskurs zur Einführung eines Ethikunterrichts als Ersatzpflichtgegenstand "verlogen", da er lediglich die Sekundarstufe II betrifft und daher nicht die Wertevermittlung, die ja bereits in einem früheren Alter zu beginnen hat, sondern die Verhinderung der Abmeldung seitens religionsmündiger Schüler vom Religionsunterricht bezweckt. Dabei bezog sich Reif auch auf die wiederholten Behauptungen Gerda Schaffelhofers als Präsidentin der Katholischen Aktion, wonach Ethik lediglich als Ersatz für Religion, die, gegenüber Ethik, ohnehin "ein Mehr anbietet", zu betrachten ist.

Der Wiener Experte für Islamische Religionspädagogik Ednan Aslan konzentrierte sich ausschließlich auf die IGGiÖ. Für ihn habe der islamische Religionsunterricht um jeden Preis geschützt zu werden, um den dringend notwendigen innergemeinschaftlichen Diskurs zu fördern und Radikalisierungstendenzen entgegen zu steuern.

Für Eytan Reif veranschaulichte der Verlauf der Diskussion, dass bezüglich der Rollen, die Religion und Ethik spielen und des Verhältnisses der beiden zueinander, kein Konsens herrscht bzw. herrschen kann. "Dies entzieht jedoch die Basis für das von der ÖVP und der Kirche favorisierte Ethikunterrichtsmodell, das auf dem jetzigen Schulversuch basiert", so Reif, der den derzeit geltenden Schulversuch als "verfassungswidrig, und das gleich auf mehreren Ebenen", betrachtet.

Digitale Pressemappe: Religion ist Privatsache > http://www.ots.at/pressemappe/13620/aom

SAAT Nr. 11/2013, 2 "Ethik und/oder Religion"    

Pünktlich seit dem Schulbeginn läuft die Diskussion und wirft mehr Fragen als Anworten auf. In einer Gesellschaft mit einer Vielfalt von kulturellen und religiösen Identitäten gibt es Kinder und Heranwachsende mit und ohne Religionsbekenntnis.

Die Bildungspolitik ist gefordert, Bildungsangebote in Sprachen, Naturwissenschaften, Kultur, Religion, Politik, Ethik, Ökonomie, Technik und Kunst anzubieten. Denk- und Handlungsmuster sollen sich entwickeln können. Ein konfessioneller Unterricht stellt die eigene Religion in den Mittelpunkt. Ethik reflektiert Fragen abendländischer Kultur. Wer Bildung im umfassenden Sinne als notwendig erachtet, muss sie auch anbieten und Lehrende ausbilden.

Dazu gehört das Fach Ethik - und selbstverständlich Religion.

Günther Dichatschek, Kitzbühel

3 Bildungsinstitutionen und Interkulturalität    

Ausgehend von der IST - Situation in Österreich mit einer zunehmenden Tendenz zur Zuwanderung aus der EU bedarf es bei einer notwendigen Bildungsreform Überlegungen zum Verhältnis Bildungsinstitutionen und Interkulturalität.

Beklagt wird ein fehlendes bis mangelhaftes Verständnis, das im Zusammenhang mit Zuwanderung, Pluralität und Globalisierung der Gesellschaft Folgerungen notwendig macht.

Schülerinnen und Schüler aus Migrantenfamilien gelten allgemein als Problemschüler. Schulen mit hohem Ausländeranteil sind mit dem Etikett für niedrige Lernstandards und höherem Gewaltpotential behaftet. Schulabschlüsse sind in der Regel niedriger, die Klientel findet sich häufiger in Haupt- und Sonderschulen.

Dass dem nicht so sein muss, weiß man aus Vergleichen in Europa und Nordamerika.

Eine Schule mit Kindern und Jugendlichen von Einwandererfamilien ist für alle Schülerinnen und Schüler gut. Die Gesellschaft kann davon profitieren. Dies zeigt sich in der Effizienz eines Bildungssystems in den weiterführenden Bildungsinstitutionen, wobei der schulischen Vorsozialisation eine wesentliche Bedeutung zukommt.

3.1 Zunehmende Zuwanderung in Österreich    

In keinem EU - Land ist die Zuwanderung so stark durch Migration geprägt wie in Österreich. Mit Stand vom 27. Juni 2012 stellt dies die "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/ OECD" in ihrer Ausgabe zum "Internationalen Migrationsausblick" fest. Die Zuwanderung in die OECD - Länder sank zwar das dritte Jahr in Folge 2010, begann aber in den meisten Ländern 2011 wieder zuzunehmen.

Die Personenfreizügigkeit aus der EU - Migration aus der EU - in Österreich hat mehr Bedeutung als in allen anderen EU - Staaten. 2010 machte die Zuwanderung fast 64 Prozent aus. Zum Vergleich: Die Personengruppe, die nicht aus der EU zuwanderte und unter die gesteuerte Arbeitsmigration fällt, lag unter zwei Prozent. Im gleichen Jahr immigrierten laut OECD 98 300 Personen nach Österreich, 66 400 wanderten aus. Hauptherkunftsland war Deutschland (17 800 Deutsche wanderten ein), weitere Herkunftsländer waren Rumänien, Serbien und Ungarn. An fünfter Stelle lag die Türkei.

Die Neumigration spielt laut OECD eine bedeutende Rolle für den Arbeitsmarkt. Die Beschäftigungssituation von Migranten habe sich in Österreich stark verbessert. seit 2008 stieg die Beschäftigungsquote um fast zwei Prozentpunkte auf 67 Prozent, während sie in der OECD krisenbedingt um über drei Prozentpunkte sank.

4,1 Millionen Migranten wanderten dauerhaft in die 23 OECD - Staaten ein, das ist ein Rückgang von 2,5 Prozent gegenüber 2009. Der Rückgang infolge der Wirtschaftskrise machte sich vor allem in den europäischen Ländern bemerkbar. In Irland etwa sank die Zuwanderung um 55 Prozent, nach Griechenland um 31 Prozent, nach Portugal um 17 Prozent. Bisherige Daten für das Jahr 2011 deuten auf eine zunehmende Abwanderung aus diesen Ländern hin.

Der Bericht enthält erstmals auch Zahlen zur dauerhaften Einwanderung in die EU. 2010 wanderten rund 1,2 Millionen Migranten aus Nicht - EU - Ländern in die EU ein, verglichen mit 1 Million in die USA. Arbeitsmigration macht 40 Prozent der Zuwanderung in die EU aus, aber nur 6 Prozent der Zuwanderung in die USA, wo drei Viertel der Zuwanderung über Familienmigration erfolgt.

Laut OECD führten viele Länder restriktivere Migrationspolitiken ein. Besorgniserregend ist die Situation von arbeitslosen jungen Migranten, die zielgerichteter politischer Maßnahmen bedürfen. Nach dem Bericht der OECD ist es nicht klar, wie lange die Zuwanderung hoch qualifizierter Kräfte aus Asien noch zunehmen wird, da die Nachfrage in den expandierenden Volkswirtschaften der Region steige. 2010 war jeder zehnte Migrant chinesischer Staatsbürger.

IT-Hinweis?:

http://www.orf.at/stories/2128034/2128028/ (28.6.2012)

3.2 Studie über Integration von Migranten der zweiten Generation/Vorarlberg    

Erste Ergebnisse einer TIES - Studie zur "Integration der zweiten Generation von Zuwanderern/ Vorarlberg" wurden am 21. Juni 2012 in Bregenz vorgestellt. TIES steht für "The Intergration of the European Second Generation" und umfasst als internationales Forschungsprojekt die Länder Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich - hier Vorarlberg, Wien und Linz - sowie Spanien, Schweiz und Schweden.

Personen türkischer Herkunft der zweiten Generation in Vorarlberg sind weniger gebildet als Personen aus Exil -Jugoslawien. Fast 80 Prozent der türkischen Eltern haben maximal eine Pflichtschule besucht, jugoslawische Eltern rund 40 Prozent und 20 Prozent der Eltern ohne Migrationshintergrund.

Die beiden letzten Gruppen haben mit einer Form von Berufsausbildung ihr höchstes Schulniveau erreicht, während diese Ausbildungsmöglichkeiten in der Türkei nicht vorhanden waren. Kinder türkischer Eltern in Schweden und Frankreich haben bessere Chancen als in Österreich. In diesen Ländern werden Defizite besser ausgeglichen. Der Bildungserfolg hänge wesentlich vom Engagement der Eltern ab. Die Forderung nach Förderung der Talente sei weniger eine moralische als eine Frage nach Effizienzgründen.

Über das Bildungsniveau der Migranten zweiter Generation berichtet die Studie, dass 13 Prozent der Gruppe ohne Migrationshintergrund höchstens eine Pflichtschulabschluss, Personen ex-jugoslawischer Herkunft 28 Prozent und Personen türkischer Herkunft 47 Prozent erreichen. Über eine berufsbildende Schule bzw. Lehre als höchsten Abschluss verfügen 56 Prozent ohne Migrationshintergrund, 62 Prozent ex-jugoslawischer Herkunft und 44 Prozent türkischer Herkunft.

Der Wirtschaftsstandort Vorarlberg benötigt heute zunehmend qualifizierte Facharbeiter. Niedrige Bildungsabschlüsse bedeuten schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt (und Bildungsmarkt). Davon ist die zweite Generation türkischer Herkunft am stärksten betroffen.

Berufspädagogisch bedeutet dies die Notwendigkeit einer stärkeren Förderung der zweiten Generation von Migranten in ihren Bildungschancen, unabhängig von familiärer Herkunft und bildungsferner Gruppierung.

IT-Hinweis?:

http://vorarlberg.orf.at/news/stories/2538135/ (28.6.2012)

3.3 Tagung "Schule mit Migrationshintergrund", Februar 2008, Universität Hamburg - verikom - Heinrich Böll -Stiftung - ZEIT - Stiftung - Vodafone - Stiftung/ 7 Thesen    

Verlängerung der Grundschulzeit:

Die Aufteilung der Kinder auf die Sekundarstufe I erfolgt zu früh. Für Kinder mit Migrationshintergrund ergibt dies geringere Lernansprüche, ein wenig förderliches Lernklima und geringere Lernvorbilder. Schulen haben sich auf unterschiedliche Lernniveaus einzustellen und individuelle Fördermaßnahmen zu ermöglichen. Auch für lernstarke Schüler ist diese Praxis förderlich.

Stärkung der Durchlässigkeit des Schulsystems und der Umwege in der Sekundarstufe

Das Schulsystem ist vor allem von oben nach unten durchlässig und sollte auch umgekehrt offen sein. Ziel sollte ein Abschluss nach Möglichkeit mit höherer Qualifikation sein. Umwege sollten eine zweite oder dritte Chance für einen höheren Bildungsabschluss ermöglichen, werden heute nicht als Normalfall angesehen und daher kaum begangen.

Ausweitung und Institutionalisierung von niedrigschwelligen nicht - kommerziellen Förderangeboten

Mentoring- und Förderkonzepte in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz zeigen, dass Jugendliche häufig einen individuellen Förderunterricht haben, der schulisch nicht ausreichend berücksichtigt wird (einschließlich sozial -emotionaler Aspekte/ Motivation und Lebensperspektiven). Wenn junge Studierende Jugendlichen als Mentoren zur Seite stehen, hat dies für beide Seiten positive Wirkungen. Die Konzepte können mit geringen Mitteln umgesetzt werden.

Diversität an Schulen darf nicht länger als Problem gesehen werden.

Diversität muss als Chance und nicht als Problem gesehen werden. Beispiele von Grundschulen in Bremen und Berlin zeigen dies. Dies gilt übrigens auch für Kinder mit Lern- und Körperbehinderungen. Voraussetzung ist eine Kultur der Wertschätzung von Unterschiedlichkeit, wie etwa der Erstsprachenunterricht in den häufigen Herkunftssprachen. Maßnahmen wie das Gebot der deutschen Sprache auf dem Schulhof sind deshalb nicht hilfreich.

Interkulturelle Bildung und Diversity Management müssen verpflichtender Bestandteil der Lehrerausbildung für alle Schulformen sein

Kulturelle und soziale Diversität ist in der Ausbildung als Normalfall und nicht als "krisenhafte Ausnahme" anzusehen. Lehrerkollegien sollen die Vielfältigkeit der Gesellschaft widerspiegeln. Dies bedeutet auch eine Ausgeglichenheit von Frauen und Männern in allen Schulformen, so auch die Aufwertung der Tätigkeit an Grundschulen.

Enttabuisierung der Begriffe "Diskriminierung" und "Rassismus"

An Schulen gibt es vielfältige Formen von Rassismus und Diskriminierung. Das geht von offener Gewalt und Ausgrenzung von Schülern oder Gruppen anhand bestimmter Merkmale über Mobbing gegenüber Lehrern und Schülern bis hin zu subtilen, häufig nicht beabsichtigten Mechanismen mit diskriminierender Wirkung in der konkreten Interaktion zwischen Beteiligten im Unterricht oder außerhalb. Solche Erfahrungen sind in erschreckender Weise "alltäglich" und können Betroffene traumatisieren. Es muss eine Kultur des Dialogs an den Schulen etabliert werden, zu der sowohl private Initiativen als auch staatliche Programme beitragen können. Dies sollte in der Lehrerinnenbildung berücksichtigt werden. Eine Haltung der klaren Reaktion und Intervention ist wichtig.

Eltern mit geringen Bildungsvoraussetzungen, in schwieriger sozialer Lage oder mit Verständnisproblemen aufgrund geringer Deutschkenntnisse müssen in die Lage versetzt werden, die Schulbildung ihrer Kinder aktiv zu begleiten.

Dazu gehören die aktive Einbeziehung in die Mitsprachegremien der Schule ebenso wie die Vermittlung von Kenntnissen und Wissen über Schul- und Berufswege. Die Gruppe der Eltern mit Migrationshintergrund ist heute vielfältiger denn je: Viele Eltern sind hier geboren, andere erst vor kurzem zugewandert. Unterschiedliche Voraussetzungen, Vorstellungen und Erwartungshaltungen gegenüber der Schulbildung ihrer Kinder sind vorhanden.

Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule muss neu definiert werden. Eine Schule, die einen nicht unerheblichen Teil der Lernarbeit der Kinder auf die Eltern überträgt, ist falsch konzipiert und benachteiligt Kinder von Eltern mit schlechten Bildungsvoraussetzungen.

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Literaturhinweise:

Neumann U. - Schneider J. (2011): Schule mit Migrationshintergrund, Münster - New York - München - Berlin, bes. 15-17

Binder S. (2012): Interkulturelles Mentoring für Schulen, in: Erziehung und Unterricht 3-4/2012, 367-382

3.4 Interkulturalität in Bildungsinstitutionen    

Bildung im Prozess der Interkulturalität bzw. Interkulturelle Kompetenz hat eine zweifache Bedeutung: Einmal geht es um Partizipationschancen in der Gesellschaft, zum anderen ist sie entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Individuums und der Gruppe/Gruppierung.

Personen der Einwanderungsgesellschaft haben zudem gleiche Chancen, die ihnen aus den Menschenrechtskodifikationen zustehen. Aus den internationalen Vergleichssstudien zu den Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern ist die Koppelung zwischen Bildungserfolg, sozialer Schicht und Migration ersichtlich. Schulleistungen weisen auf eine Unterrepräsentanz in mittleren und höheren Schule bzw. eine Überrepräsentanz in Haupt- und Sonderschulen hin (vgl. NEUMANN - KARAKASOGLU 2011, 47).

Sprachliche Bildung gilt in der öffentlichen Debatte als Problembereich, wobei die Maßnahmen sich auf Integrationskurse bei Erwachsenen, vorschulische und schulische Sprachförderung beziehen. Bedacht wird kaum die individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit sowie Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Einstellungen der Klientel für eine Persönlichkeitsbildung (vgl. den Auftrag der Politischen Bildung für die Funktion einer Einwanderungsgesellschaft im interkulturellen Bildungsprozess). Darunter ist konkret die Auseinandersetzung mit sprachlichen, kulturell - religiösen, (vor-) beruflichen, landeskundlichen, ökonomischen, ökologischen und politischen Aspekten zu verstehen.

Diversität wird so zum Normalfall, nicht zur Ausnahme (vgl. HUNFELD 2004). Interkulturalität wird damit Bestandteil einer Allgemeinbildung, womit die Forderung einer Ausrichtung auf die Schule und alle Bildungsbereiche erforderlich wird.

Elementarbildung/Kindergarten    

Eine untergeordnete Rolle spielt (bisher)die Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern unter drei Jahren. Kinder von ausländischen Mitbürgern wären hier im besonderen eine Zielgruppe. Für den Kindergartenbesuch gilt, dass ausländische Eltern ihre Kinder deswegen hinschicken, damit vor Schulbeginn ausreichend Deutsch gelernt werden soll.

Man betrachtet damit die Einrichtung als schulvorbereitend. Einrichtungen der Elementarpädagogik können dies nicht leisten, weil dort die Fachkräfte für "Deutsch als Zweitsprache" nicht ausgebildet sind und der Kindergarten(bisher)sich nicht als erste Stufe des Bildungssystems versteht. Der "Mitnahmeeffekt" des Kindergartenbesuches kommt mitunter nur bedingt zustande, weil nicht alle Kinder entwickelte Deutschkenntnisse besitzen.

Sprachbildung    

Als gesicherte Erkenntnis gilt, dass Kinder durch den simultanen Erwerb mehrerer Sprachen keinesfalls überfordert sind, obwohl ihr Wortschatz in den jeweiligen Sprachen nicht demjenigen der einsprachig aufwachsenden Kinder entspricht (vgl. GOGOLIN-NEUMANN? 2009, 53-67, 163-196). Die lebensweltliche Zweisprachigkeit unterstützt den Erwerb einer zweiten Sprache.

Zu beachten ist auch, dass die Herkunftssprache - nicht Dialekte und restringierte Codes - für eine Vielzahl von Erwachsenen eine wichtige Funktion im Alltag und der interkulturellen Kontakte besitzt. Zweisprachigkeit als Nutzen für Bildung, Alltag und Berufsleben bedarf förderlicher Umwelt- und Lernbedingungen. Dazu gehört vor allem ein interkulturell und mehrsprachiges Lehrpersonal, das mit pädagogischen Konzepten der Diversität vertraut ist. Angebote von ergänzendem Unterricht in der Herkunftssprache wie auch sprachliche Vermittlung der Lehr- und Lernangebote im Fachunterricht gehören zu einem zeitgemäßen Angebot von Schulen (vgl. NEUMANN-KARAKASOGLU? 2011, 50).

Bildungsbenachteiligungen    

Ursachen für Bildungsbenachteiligungen von ausländischen Kindern sind nicht eindeutig aufzuklären. Benannt werden sozioökonomische und kulturelle Faktoren sowie die vom Elternhaus verwendete Sprache. "Im gehobenen Bildungsmilieu wirkt sich die Tatsache, dass Deutsch nicht die Familiensprache ist, nicht mindernd auf den Schulerfolg der Kinder aus" (NEUMANN - KARAKASOGLU 2011, 52).

Trotz Benachteiligungen von Mädchen mit Migrationshintergrund im Alltag fallen bei Schulleistungsstudien die Ergebnisse zugunsten der Mädchen aus. Qualitative Studien belegen das höhere Bildungsinteresse. Zu bemerken ist die signifikante Erhöhung ausländischer Studentinnen gegenüber ihren Studienkollegen. Neben einem möglichen höheren Einstieg in die Ausbildung gibt es auch ein Streben nach Autonomie gegenüber einem zukünftigen Partner und dem Elternhaus. Mädchen berichten in ihren Schulbiographien von Vorurteilen von Lehrenden (vgl. NEUMANN - KARAKASOGLU 2011, 52; HUMMRICH 2002; WEBER 2003).

Übergang in die Arbeits- und Berufswelt    

Für den Bildungserfolg junger Frauen ist der Übergang von Schule/ Universität in die Arbeits- und Berufswelt mit der Berufswahl problematischer gegenüber ihren männlichen Peers, die zumeist schlechtere Voraussetzungen haben (vgl. die Ausführungen zur Vorberuflichen Bildung in Österreich). Erklärungsversuche gibt es in den Vorbehalten von Arbeitgebern/Personalchefs, dem eingeschränkten Berufswahlspektrum junger Frauen, einer geringeren Mobilität durch höhere Familienbindung sowie mitunter früherer Heirat und Praktiken von Diskriminierungen.

Zu beachten ist auch eine mögliche Steuerung des Geschlechtsverhältnisses durch politische Institutionen (vgl. NEUMANN - KARAKASOGLU 2011, 52-53; DICHATSCHEK 1991, 631-637 und 2008, 445-451; OSTENDORF 2005).

Aus Sicht der Berufspädagogik bietet sich das vorberufliche Lernpaket - im interkulturellen Kontext - in den Schulen an, insbesondere in der Sekundarstufe I/"Berufsorientierung" (vgl. den IT - Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberuflichen Bildung).

Bildungssituation    

Der Stand der Bildungssituation für ausländische Schülerinnen und Schüler ist unterschiedlich.

Zwei Grundprinzipien erscheinen für eine Förderung wesentlich zu sein:

  • das durchgängige Angebot sprachlicher Bildung - Kindergarten, Schule, Elternhaus, außerschulische Bildungs- und Jugendeinrichtungen, Organisationen/Institutionen in den Communities - mit einer qualifizierten Ausbildung der Unterrichtenden/Lehrenden und regionalspezifischen innovativen Schulkonzepten sowie einem Aufbau einer Bildungsinfrastruktur.
  • Vieles spricht auch für eine Beratung/Schulung der Eltern in Fragen der Erziehung und Sprachförderung, damit Kompetenzen und Ressourcen der Familien genutzt und erweitert werden können (vgl. etwa in Großbritannien die "early excellence centers", in den Niederlanden "Pyramide", in Deutschland "Rucksack" und "family literacy").
Zu verweisen ist im außereuropäischen Kontext auf den beispielhaften "Toronto School District Board/ Schulbezirk Toronto" mit den pädagogischen Bemühungen für eine Teilhabe und Chancengleichheit von Kindern mit und ohne Zuwanderungshintergrund für ein ganzheitliches Bildungskonzept in einer Einwanderungsgesellschaft in Form einer Zusammenarbeit mit der multikulturellen Elternschaft und Migrantenorganisationen sowie der Gewinnung von Personal mit interkulturellem Hintergrund und der Kooperation mit öffentlichen Stellen (vgl. NEUMANN - KARASKASOGLU 2011, 53; KUGLER 2011, 285-293).

Selektivität des Bildungssystems    

Für einen Abbau der Selektivität des Bildungssystems sprechen die Ergebnisse der Forschungslage, dass die Zuweisung zu den verschiedenen Schulformen pädagogisch höchst umstritten sind und damit die Klientel in ihren Lern- und Entwicklungsmilieus benachteiligt wird.

Die Selektion nach der vierten Schulstufe ist nachgewiesenermaßen umstritten, da eine frühe Festlegung im weiteren Bildungsgang vorhanden ist und negative Erwartungseffekte für Kinder aus Zuwandererfamilien, und nicht nur für diese, sich ergeben. Dies gilt ebenso für die Schulübertritte am Ende der Sekundarstufe I.

Für die Sekundarstufe I mit Hauptschule bzw. Mittelschule und der Unterstufe des Gymnasiums sowie der Sonderstellung der Polytechnischen Schule in der Sekundarstufe II sind Neuorientierungen notwendig geworden (Fächer bzw. Fächerbündel/ Stundentafel, Lehrerbildung, Schulform, Bildungsmanagement, Lehrerberufsbild).

Ebenso gilt dies für die Sonderschulen.

Zudem bedarf es in besonderem Maße günstiger Schüler - Lehrer - Relationen und gut ausgebildeter Lehrender, regional auch zusätzlicher Ressourcen wie professioneller Beratung und einer sozialer Betreuungen der Schülerschaft.

In jedem Fall bedarf es in allen Schulformen eines attraktiven Leistungsprofils.

IT-Hinweise?:

http://salzburg.orf.at/news/stories/2538878/ (27.6.2012)

http://www.orf.at/#/stories/2128538/ (30.6.2012)

Diversität    

Bei fast allen Maßnahmen schulischer interkulturell-pädagogischer Bemühungen berücksichtigt man je nach Ressourcenlage die Kinder von Zugewanderten, kaum aber die Gruppe der bereits Eingewanderten und die Klientel mit Migrationshintergrund. Diversität mit kultureller Vielfalt und gesellschaftlicher Pluralität wird demnach sehr unterschiedlich gehandhabt (vgl. die Ziele Politischer Bildung und Interkultureller Kompetenz). Demnach sind Schulen notwendig, die nicht-österreichische Staatsbürger, Ausländer oder Zugewanderte nach ihrem Status einteilen, vielmehr alle Unterrichtenden als gleichrangige Mitglieder der Schulgemeinschaft verstehen.

Hinweis: "Österreich und seine Sprachen" http://derstandard.at/1343743852676/Oesterreich-zur-Sprache-bringen > Karte vergrößern (5.8.2012)

"Unabdingbar ist ein multikulturell zusammengesetztes und interkulturell geschultes pädagogisches Personal, das die Arbeit an Haltungen und Einstellungen als permanente Aufgabe betrachtet und nicht als Kompetenz, die in einer punktuellen Fortbildung erlangt bzw. durch einzelne Kollegen als Experten abgebildet werden kann" (NEUMANN -KARAKASOGLU 2011, 55).

Sprache/Mehrsprachigkeit, Pluralität der Kulturen/ Religionen und Normen/ Werten sind Kennzeichen von gesellschaftlicher Pluralität.

Der Ansatz des Konzepts des "Religionsunterrichts für alle" , als ein Fach bekenntnisorientiert vereint von allen zentralen Religionsgemeinschaften gestaltet, gewinnt in Europa an Bedeutung (vgl. COUNCIL OF EUROPE 2008).

  • Ziele wären religiöse Mündigkeit, Dialogkompetenz und eine integrative Funktion des Religionsunterrichts.
  • Beachtet werden muss die Binnendifferenzierung innerhalb der Religionen und die religiöse Praxis.
Literaturhinweise:

Battke A. - Fitzner Th. - Isak R. - Lochmann U. (Hrsg.) (2002): Schulentwicklung - Religion - Religionsunterricht, Freiburg - Basel - Wien

Salzbrunn M. (2014): Vielfalt/ Diversität, Bielefeld ISBN 978-3-8376-2407-6

Interkulturalität und Hochschule/ Universität    

Der Erwerb der Studienberechtigung und Eintritt in die Studienphase ist ein Kennzeichen der Effizienz des Schulsystems.

Zu unterscheiden hat man zwischen Ausländerinnen/Ausländern (EU - Bürgern) und Migrantinnen/ Migranten. Vermehrt werden technische, rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge belegt, aus eigener Erfahrung kennt der Autor Studierende in den Bildungswissenschaften.

Lehramtsstudien werden zurückhaltend angenommen, angesichts der Interkulturalisierung wären hier mehr Studierende wünschenswert.

In der laufenden Diskussion um eine Erhöhung der Studienerfolge geht es um bessere Nostrifikationsbedingungen, eine durchgängige Sprachbildung bis in den tertiären Bildungssektor, eine vermehrte akademische Bildungslaufbahnberatung für Migrantinnen und Migranten und breit angelegten Coaching-Angebote? (vgl. USA, UK und Canada mit ihren Angeboten).

Für eine Kultur der sozialen und interkulturellen Solidarität an Universitäten und Hochschulen helfen staatliche und private Finanzierungsprogramme, Betreuungs- und Unterstützungsangebote und grundsätzlich eine interkulturelle Kompetenz der Lehrenden.

Erwachsenenbildung bzw. Weiterbildung und Interkulturalität    

Der Begriff "Erwachsenenbildung/ EB" wird in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet und nur selten definiert.

Die Organisationsformen von EB sind überaus vielfältig, Allgemeine und Berufliche EB gelten gemeinhin als Unterscheidungsformen (vgl. LENZ 2005).

Rechtliche Grundlagen sind das "Gesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens 1973" mit der Novelle 2000.

Einrichtungen der EB und gesetzliche Grundlagen sind zudem

  • das Bundesinstitut für EB/Strobl,
  • die Abteilungen V/8 und V/10 des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur,
  • das Handelskammergesetz 1946/1983/WIFI,
  • das Schulorganisationsgesetz 1962 und Teilrechtsfähigkeit 1997,
  • das Arbeitsmarktgesetz 1994/Umschulungen-berufliche Weiterbildung,
  • das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, das Arbeitsverfassungsgesetz 1974,
  • das Studienberechtigungsgesetz 1985,
  • das Landwirtschaftsgesetz 1992,
  • das Bundesgesetz über Fachhochschul - Studiengänge 1993,
  • das Berufsreifeprüfungsgesetz 1997,
  • das Arbeitsvertragsrechts - Anpassungsgesetz 1998/§ 11 (Bildungskarenz - Weiterbildungsgeld),
  • das Universitätsgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung 2004/ Donau - Universität Krems.
Es bedarf vereinheitlichter Regelungen, um EB/ WB angemessen strukturieren und organisieren zu können (vgl. LENZ 2005, 23-29).

EB/WB ist so effizient, wie ihre Lehrenden fachlich gebildet sind, Strukturen, Methoden und Didaktikformen sowie ihr Bildungsmanagement pädagogisch und organisatorisch greifen (vgl. LENZ 2005, 53-58). Schulische Vorsozialisation ist ein Aspekt, der den biographischen Ansatz in der EB bedeutungsvoll macht.

Eingefordert werden muss in einer zeitgemäßen Bildungsreform eine grundlegende allgemein bildende Basisausbildung und in der Folge eine berufliche Erstausbildung mit einem anschließend zeitgemäßen Angebot einer Weiterbildung mit Qualifizierungsmaßnahmen und beruflicher Verwertung.

Der Begriff "Weiterbildung/WB" wird mitunter als passender angesehen, jedenfalls in der EU durchgängig verwendet. In der Wissenschaft wird unter WB meist funktionales Weiterlernen, unter EB dagegen personenbezogenes Lernen verstanden (vgl. NOLDA 2008, 12).

Für den interkulturellen Ansatz sind vorrangig zwei Aspekte von Bedeutung.

  • In der Allgemeinen EB sind Elemente der Sprachbildung und Politischen Bildung von Interesse. Wenn auch die Klientel der Zuwanderer regional unterschiedlich angesprochen und erfasst wird, ist hier ein Ansatz für lebensbegleitendes Lernen gut zu erkennen.
  • In der Beruflichen EB geht es vorrangig um Zusatzqualifikationen für den Bereich der Arbeits- und Berufswelt. Damit ist auch WB mit beruflicher Verwertung in der Verantwortung.
Einzufordern ist die interkulturelle Kompetenz der Lehrenden - für die Gruppe der Zuwanderer und der österreichischen Staatsbürger. Hier sind entsprechende Aus- und Fortbildungen für alle Lehrenden, Trainer, Berater, Coaches und Bildungsmanager angebracht.

Ebenso einzufordern ist - im Modell der "Weiterbildungsakademie Österreich/wba" und einem Masterlehrgang für EB beispielhaft praktiziert - der generelle Nachweis von Kompetenzen für die EB/WB, ist doch die Buntheit der Akteure in der Erwachsenenpädagogik so vielfältig, dass dringend Kompetenzen/ Qualifikationen nachzuweisen sind.

  • Es fehlt dzt. eine gesetzliche Anerkennung eines entsprechenden Berufsbildes.
  • Unklarheit besteht ebenso über die Zuordnung zu einem Berufsfeld, das Berufsfeld "Pädagogische Berufe" wäre diskussionswürdig.
Der quartäre Bildungsbereich wird dann Anerkennung finden, wenn die Akteure Professionalität - mit Aus-, Fort- und Weiterbildung - nachweisen und praktizieren können (vgl. NOLDA 2008, 114-120).

IT - Hinweis:

http://www.wba.or.at > Absolventen

Literaturhinweis:

Dichatschek G.(2005): Theorie und Praxis evangelischer Erwachsenenbildung, in: AMT und GEMEINDE, Heft 7/8 2005, 126-130

4 Aspekte einer Schulreform in Österreich    

IT - Hinweise:

Schulbildung steht auf dem Prüfstand/Schuljahr 2012-2013 > http://www.orf.at/stories/2138876/2138877/

Gesamtschule - Schulversuch > http://tirol.orf.at/news/stories/2548420/

Mangelware akademischer Nachwuchs > http://www.orf.at/stories/2140323/2140324/

4.1 "Bildungspolitische Aufklärung - Um- und Irrwege der österreichischen Schulreform"    

Eine Vielzahl von Impulsen für eine notwendige Schulreform am Beginn des 21. Jahrhunderts ergeben sich aus dem Sammelband von Bernd HACKL und Hans PECHAR "Bildungspolitische Aufklärung - Um- und Irrwege der österreichischen Schulreform" (2007) ISBN 978-3-7065-4531-0.

Im Folgenden sollen exemplarische Überlegungen, mitunter vom Autor ausführlicher kommentiert, vorgestellt werden. Festzuhalten ist jedenfalls, dass jede Stellungnahme zur Entwicklung und Gestaltung von Schule von fachlichen/ pädagogischen, demokratischen und gesamtgesellschaftlichen Aspekten auszugehen hat.

Pragmatismus und Berücksichtigung einer Vielzahl von sachlich fundierten Argumenten gehören unabdingbar zu einer seriösen Reformdiskussion.

- - -

Susanne DERMUTZ weist in ihrer ausführlichen historischen Analyse darauf hin, dass der ihrer Meinung nach wenig erfreuliche Status der österreichischen Schule auf strukturelle Eigenheiten der Bildungspolitik des dem Ende des Zweiten Weltkrieges zurückzuführen ist (S. 9-27). Ein Versagen der Erziehungswissenschaft mit ihrer Verpflichtung zur Kritik und Aufklärung wird genauso aufgezeigt wie die Strukturprobleme der Bildungspolitik in der Zweiten Republik in Form einer Instutionalisierung einer "Bildungspartnerschaft". Das "Schulgesetzwerk 1962", die "Schulversuche zur Schulreform" mit ihrer Implementierung an den Hauptschulen in den 70er und 80er Jahren waren die zwei einzigen (gescheiterten) Initiativen für eine Strukturreform der Sekundarstufe I. In den 90er Jahren beginnt eine Ausrichtung der Schule "am Markt" mit einem Sparpaket, später mit "Autonomie" und dem Auftreten von schulischen und bildungspolitischen Strukturproblemen. Dazu werden drei Thesen vorgestellt (frühzeitige Selektion im Bildungssystem garantiert die Reproduktion traditioneller Hierarchien der Gesellschaft, Verzweigung einer demokratisch ausgerichteten Reform des Bildungssystems, Vortäuschung einer durch Wissenschaft legitimierten Bildungspolitik; S. 10-11). Weitere Kapitel sind die Effektivierung der Selektion, die Interessen der Katholischen Kirche und die Kritik am System der Bildungspolitik. Schwachpunkte des Schulsystems wie etwa die Bereiche eines neuen Fächerkanons/Fächerverbunde, der Polytechnischen Schule (9. Schuljahr), Sonderschule, Vorschulerziehung, Unterrichtsprinzipien und Ausbau einer Schulentwicklung fehlen.

Lorenz LASSNIGG ergänzt die Analyse mit "hard facts" und kritisiert die Verschleppung einer Vereinheitlichung der Sekundarstufe I (S. 28-45). Er führt in die Diskussion die Veränderung der Bildungspfade (S. 30-31), PISA-TIMESS? und Co. (S. 34-40) und Reformkomponenten (S. 41) ein. Gerade diese erscheinen neben einem Ausblick (S. 42) besonders interessant zu sein(effizientere Governance-Strukturen?, Förderung der Diversität, Rückzug der Regierung, Abschaffung von äußerer Differenzierung bis zur 9. oder 10. Schulstufe, bessere Koordinierung der Bildungspfade mit besserer Berücksichtigung der Bedürfnisse und Orientierung für eine weitere Bildung am Ende der Pflichtschule, bessere Steuerung der Bildungsausgaben und ausreichende Ressourcen, Evaluierung der Qualitätsverbesserung, Selbstevaluierung mit externer Überprüfung, Entwicklung von Standards-Leistungsindikatoren-nationalen? Testsystemen, Strukturen von Systemmonitoring, Verbreitung von "best practice" und gezielte Unterstützung von schwachen Schulen, Zugang von benachteiligten Kindern zur vorschulischen Erfahrungen, Aufmerksamkeit für neue Technologien und Fremdsprachen, Standards für die Lehreraus- und Weiterbildung bei Berücksichtigung von praktischen und akademischen Aspekten sowie eine Reform des Notensystems von der Norm-Referenzierung? zu einem kriteriumsreferenzierten System.

Georg Hans NEUWEG durchleuchtet die Konzepte der Grundlagen der unterschiedlichen Standardisierungsstrategien und folgert daraus, dass eine Einführung beim gegenwärtigen Wissensstand ein Experiment mit ungewissem Ausgang sei (S. 46-62).

Herbert ALTRICHTER beschäftigt sich folgerichtig mit der bisherigen Aufnahme und Wirkung von Bildungsstandards und konstatiert wenig Akzeptanz, Effekt und flankierende Unterstützung (S. 63-79).

Bernd HACKL kritisiert bei seiner Beschäftigung des schulischen Unterrichts drei typische Ausprägungen einer zeitgeistigen Didaktik, die die schwierige Aufgabe einer Erschließung von Lernendem und Sache aus den Augen verliert (Methodisierung - Naturalisierung - Eliminierung; affirmative Innovationen; S. 80-97).

David PHILLIPS und Takahiro KONDO geben einerseits Einblicke in die englische Schulreform mit der Gefahr einer neoliberalen Idee einer Diversifizierung durch Konkurrenz und andererseits dem Problem der Geschichtsbewältigung (als Aufgabe einer Politischen Bildung)der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges (S. 120-145).

Martin HEINRICH plädiert für eine Kultur der "antagonistischen Kooperation" bei Fragen der Schulreformsteuerung (S. 146-159). Er fordert eine ungleiche Machtverteilung von staatlicher Verwaltung und schulischem Alltag, ohne auf wechselseitige Ansprüche und Kontrollverfahren zu verzichten. Damit ist die Thematik "Schulreform und Governanceperspektive" auf dem Tisch.

Hans PECHAR geht auf den Anspruch von Chancengerechtigkeit ein und interpretiert als doppeltes Anliegen eine Beseitigung von sozialen, ethnischen und Genderbarrieren sowie eine Gewährleistung eines gehaltvollen Bildungsfundamentums. Der Themenbereich einer Inklusion als Chancengerechtigkeit im Pflichtschulbereich wird angesprochen (S. 160-177).

Helmut SEEL setzt sich mit der Geschichte der Lehrerbildung und einer Vereinheitlichung der Ausbildung für die Sekundarstufe I auseinander. Als wichtige Steuergröße für eine Schulreform plädiert er für eine Einführung einer stufenspezifischen Lehrbefähigung/ Bachelor - Master(S. 178-193).

In Fortsetzung dazu zeigt Christian HOLZMANN die unzureichende Verknüpfung der theoretischen Lehrerausbildung und den späteren praktischen Anforderungen auf. Dies führt zu einem häufig bloßen Kopieren erlebter, nicht immer guter methodischer Vorbilder (S. 194-203; vgl. HACKLs Beitrag S. 81-85).

Einblick in aktuelle Tendenzen der Hochschulentwicklung und ihre Hintergründe gibt Elsa HACKL, wobei Eigendynamiken der europäischen Bildungsmigration angesprochen werden (S. 204-214). "Wozu ins EU Ausland gehen, wenn die Studien im Europäischen Hochschulraum ohnehin zunehmend harmonisiert werden?" (S. 210). Hat das ERASMUS - Programm seine Exklusivität verloren? Wie gestaltet sich das Mobilitätsmuster internationaler Studierender?

Zuletzt zieht Rupert VIERLINGER in Erinnerung an den Bildungsphilosophen und Schulreformer John Dewey seine Schlüsse aus der Auseinandersetzung um die pädagogische Zukunft mit einem Blick in die Geschichte der Schulreform (S. 215-225). Von Interesse sind die Ausführungen zur Leistungsbeurteilung und sein Plädoyer für die "Direkte Leistungsvorlage/ Portfolio - System" (S. 223-225).

In der Publikation fehlen Themenbereiche wie

  • die pädagogische Bedeutung und der daraus zu ziehende Gewinn einer Vorschulerziehung.
  • die pädagogische Bedeutung des Lernpakets "Berufsorientierung/Lebenskunde/Politische Bildung" (dzt. nur in der Polytechnischen Schule). Diese Fächerkombination bietet Lebenshilfe im Rahmen schulischer Bildung.
  • die pädagogische und gesundheitliche Bedeutung von Sport und Bewegung, wobei eine Kombination von Fach und Gesundheitslehre sich anbietet. Initiativen liegen vor und sollten genützt werden.
  • die pädagogische Bedeutung von Politischer Bildung als zentraler Bildungsbereich von Demokratie mit umfangreichen Teilbereichen. Kritik- und Pluralismusfähigkeit gehören zu jener Spannung im Bildungsbereich, die zu Mehrstimmigkeit gehört. Wo diese fehlt, herrscht Eintönigkeit.
  • die pädagogische Bedeutung von Migration und Bildung'. Je gebildeter Eingewanderte sind, desto höher ist die Bereitschaft, sich einzugliedern und die Folgen der Migration positiv zu bewältigen.
  • die pädagogische Bedeutung von Religion und Ethik. Unter dem Druck wesentlicher Veränderungen von Gesellschaft und Umwelt wird nach dem Sinn, Zweck und der Zukunft eines Religions- und Ethikunterrichts gefragt.
  • die Erstellung eines grundlegend neuen Fächerkanons für eine Schule zu Beginn des 21. Jahrhunderts, zu der beispielhaft Politische Bildung (in ihrer Gesamtheit), Vorberufliche Bildung (Bedeutung für die Schul-, Studien- und Berufswahl), Gender/Geschlechtergerechtigkeit?, Ökologie, Ökonomie, Ethik, Medienkunde, Technik/ Naturwissenschaften, Interkulturalität, Sprachen/ Literatur und Kreativität gehören. Folgerichtig haben sich neue/ andere Lehramtsstudien zu etablieren.
  • die Bedeutung von Schulentwicklung i.e. und w.S. mit einer Erhöhung der Unterrichtsqualität, einem Abbau der Zensurenmentalität und damit neuer Leistungsbeurteilungsmodelle, der Mitbestimmung und Mitverantwortung der Klassen- und Schulgemeinschaft (Schulleitung - Lehrerkollegium - Eltern - externe Experten - ggf. Schülerschaft) sowie Aspekten der regionalen, nationalen und internationalen Entwicklung (etwa Mobilitätsmaßnahmen von EU - Bildungsprogrammen für Lernende und Unterrichtende/ EU - Lehrer - Betriebspraktika).
  • die Bedeutung von Bildungsmanagement, personenbezogen als Bildung des Subjekts und systembezogen als Management von Lernprozessen. Es geht parallel dazu um eine Professionalisierung von Bildungsträgern und -anbietern.
  • Interkulturalität (Interkulturelle Kompetenz) in ihrer Vielfalt und Bedeutung in einer Gesellschaft, die politisch, wirtschaftlich, sprachlich/ ethnisch und kulturell/ religiös durch Diversität gekennzeichnet ist.
  • die kontinuierliche Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung. "Lebensbegleitendes Lernen" ist in pädagogischen Berufen bei vorhandener geringer Halbwertzeit im Zeichen von Tendenzen einer zunehmenden Interkulturalität und Globalisierung eine unabdingbare Notwendigkeit und erhöht die notwendige Professionalität im Lehrberuf.
  • die Ressource "Unterrichtender/Lehrender" mit ihrer Persönlichkeit und Fachlichkeit, die in der Bedeutung und den Möglichkeiten zu geringe Beachtung findet. Ebenso findet eine zu geringe Beachtung die Ressource "Schulleitung", "Schulaufsicht", "Schulärztlicher Dienst", "Schulpsychologischer Dienst" und '''"Schulsozialarbeiter/innen".
  • die gesellschaftliche Stellung von Schule als Träger von Bildung und Kultur.
  • eine Fort- und Weiterbildung in ihrer Bedeutung als Fortsetzung schulischer und beruflicher Erstausbildung, als Aufgabe allgemein bildendender und berufsbildender Schulen und damit als Brückenschlag zur Erwachsenen- bzw. Weiterbildung.
  • die räumliche Struktur und Bauweise von zeitgemäßen Schulen mit Kulturräumen, Rückzugsräumen, sozialen Einrichtungen, Erholungsräumen und Lärmschutzmaßnahmen.
  • die Einbindung von außerschulischen Experten bei schulpädagogischen und organisatorischen Maßnahmen sowie in der Öffentlichkeitsarbeit.
4.2 "Ein 'Schulbuch' mit 180-Grad-Wendung"-Salzburger Nachrichten/3. 9.2012, 2    

Helmut Schliesselberger

"Nie mehr Schule" von Andreas Salcher bringt nicht nur provokante Kritik, sondern auch konstruktive Vorschläge.

Schüler A ist außergewöhnlich begabt, seine Eltern sind Arbeiter und er wohnt in einem abgelegenen Dorf. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass er in Österreich die Matura machen wird, liegt bei zehn Prozent. Schüler B ist das Kind von Akademikern und lebt in einem bürgerlichen Bezirk in Wien. Sein Talent ist überschaubar. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass er in Österreich die Matura machen wird, liegt bei 80 Prozent. - Einer von vielen Fehlern im (Schul-)System, die Andreas Salchers neues Buch über das heimische Schulwesen, das "ständig teurer - und schlechter" wird, aufzeigt.

Autor A (Salcher) ist außergewöhnlich begabt, heikle Themen in Buchform aufzubereiten. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass es auch sein punktgenau zum Schulstart erscheinendes "Schulbuch" in die Bestsellerlisten schafft, dürfte näher bei 80 als bei zehn Prozent liegen. Das Buch "Nie mehr Schule - Immer mehr Freude" bringt aufrüttelnde Fakten und provokante Thesen, auch wenn nicht alles neu ist.

Die meisten Schulen sind laut Salcher "Fernlerninstitute mit Anwesenheitspflicht für die Schüler am Vormittag und Nachlernpflicht für ihre Eltern am Nachmittag". Dies, obwohl unser Schulsystem das vierteuerste der Welt ist und laut Salcher auf dem besten Weg ist, das teuerste zu werden. Ein Schulsystem, in dem zu viele 15-jährige nicht lesen können.

Ein Schulsystem, in dem mangels geeigneter Auswahlverfahren zu oft die falschen Leute in den Lehrerjob "flüchten" und in dem es ein Grundbedürfnis von Schülern und Lehrern gibt: Möglichst wenig Zeit in der Schule absitzen zu müssen. Ein Schulsystem, in dem 3,7 Millionen Überstunden verbraucht werden, obwohl über das Jahr gerechnet nur an jedem zweiten Tag Unterricht stattfindet und in dem es "gesetzlich voll gedeckt" ist, dass sich ein AHS-Lehrer? in 35 Berufsjahren keine einzige Stunde fortbildet. Ein Schulsystem, in dem so gut wie jeder Reformansatz seit Jahrzehnten abgewürgt wird. All das sind Versatzstücke der "tödlichen Schule", die nur Angst und Langeweile fördert. Salcher spricht vom "Virus, der die natürliche Neugierde bei Kindern im Keim erstickt, genauso wie er die Freude von Lehrern an ihrem Beruf schleichend absterben lässt. Seit Generationen hat dieser Virus viele Schüler, Lehrer und Eltern infiziert, dass sie sich eine andere, bessere, lebendige Schule nicht einmal vorstellen können."

Salcher kann - und stellt sich und dem Leser in einem "Buch im Buch" Beispiele "lebendiger Schulen" vor. Dreht man "Nie mehr Schule" nämlich um 180 Grad um den Rücken, hält man "Immer mehr Freude", ein weiteres Büchlein in der Hand. In diesem zeigt Salcher, wie lebendige Schule funktioniert. Anhand von mutigen Best-Practice-Modellen?, bei denen die alte Schule der Einzelkämpfer aufgegeben wurde. Vom "Cooperativen Offenen Lernen", wie es an einer Handelsschule in Steyr entwickelt wurde, bis zur Helene-Lange-Schule?, an der die Schüler fünf Wochen lang nur Theater spielen und dadurch sogar in Mathematik besser werden.

Salchers provokante Thesen und schmissig komprimierte Vorwürfe an das alte, "tödliche" Schulsystem werden zum x-ten Mal für heftige, symptomatische Reaktionen und Systemverteidigungsdiskussionen sorgen. Viel wichtiger wäre es, über die mutigen pädagogischen Therapieansätze zu diskutieren. Über Schulen, in denen Kinder berührt und nicht perfektioniert werden, in denen Lehrer in Teams arbeiten, in denen Pausenglocken und starre Fächertrennungen abgeschafft wurden.

Hinweis

Andreas Salcher(2012): Nie mehr Schule, Salzburg ISBN 3-7110-0032-0

4.3 Leitartikel/Tiroler Tageszeitung v. 18.11.2012, 5 "Moderne Schulen braucht das Land"    

Liane Pircher

"Wenn das Ganztagesmodell wirklich Schule machen soll, muss es umgebaut werden. Räumlich. Inhaltlich. Wer zahlt, ist strittig."

Rein rhetorisch gesehen sind wir in Österreich einer Ganztagesschule politisch näher denn je. Bundeskanzler Faymann hätte einen Beschluss in diese Richtung lieber gestern als heute. Auch die ÖVP ist mittlerweile dafür, mehr Plätze als geplant zu schaffen. So weit, so gut.

Natürlich braucht es mehr Ganztagesschulen. Und natürlich müssen diese eine Verschränkung von Unterricht und Freizeit bieten. Allerdings muss das Vorhaben kindgerecht umgesetzt werden. In einer zeitgemäßen Ganztagesschule sitzen Schüler nicht den ganzen Tag eingepfercht im Klassenzimmer. Nein, in einer solchen können sich Kinder zwischen Ess- und Freizeiträumen bewegen. Und zwar so, wie es ihrer Entwicklung entspricht: drinnen und draußen. Spielend. Laufend. Entspannend (chillend, um es in der Sprache der Jungen zu sagen). Wenn es in jeder Stadt Spielwiesen für Hunde gibt, muss es in und rund um Schulen genug Raum für Kinder geben. Es braucht Platz für Bewegung, Musik, gesundes Essen, Freizeit(Kreatives etc.) und genug Arbeitsplätze für Lehrer und/oder Freizeitpädagogen. Nur so macht eine moderne Ganztagesschule wirklich Sinn. Nur so haben Eltern und Kinder ein gutes Gefühl. Nur so sind mehr Familien nicht der Meinung, dass Kinder besser aufgehoben sind, wenn sie nachmittags daheim betreut und von Mama als Chauffeur von einem Kurs zum nächsten kutschiert werden. All das würde aber einen gewaltigen Schulneu- und umbau bedeuten. Wer dies finanziert, ist strittig, zudem eine Bau-Offensive? bei Pflichtschulen Landessache ist. In einer "echten und durchdachten" Ganztagesschule sollen Kinder aller sozialen Schichten gefördert werden, intellektuell wie körperlich, zu Hause soll nichts mehr für die Schule erledigt werden müssen - damit das Realität wird, muss viel Geld in die Hand genommen werden. Wer aber zahlt's wirklich?

4.4 DER STANDARD, 28.2.2013, 32 "Nebenregierung macht's vor"    

Lisa Nimmervoll

Sie werden ja manchmal etwas despektierlich als "Nebenregierung" tituliert: die Sozialpartner. Aber mit ihrem neuen Bildungsprogramm haben Arbeiter-, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer sowie Gewerkschaftsbund ein elaboriertes bildungspolitisches Konzept auf der Höhe der Zeit und in die Zukunft weisend vorgelegt, zu dem man nur sagen kann: schade, dass es "nur" die Nebenregierung ist, die so etwas hinkriegt, die solche Sprünge über ideologische Hürden und parteipolitische Gräben schafft - und nicht die "richtige" Regierung.

Die bräuchte jetzt nur zugreifen, wenn sie sich denn trauen würde. Denn die Sozialpartner zielen auf lang schwelende Probleme im Bildungssystem. Die Neudefinition der Schulpflicht etwa lässt sich unter das Motto "Abschließen statt absitzen" subsumieren. Es soll nicht mehr wie bisher reichen, neun Schuljahre abzusitzen - egal, was mit den gescheiterten Schulexistenzen passiert. Hurra, die Schule ist sie los! Die Gesellschaft aber nicht. Also soll jeder - jeder! - Jugendliche mit 15 gleiche Mindeststandards erfolgreich und verlässlich vermittelt bekommen haben.

Das ist eine radikale Neuorientierung. Da ist es gar nicht nötig, das Wort Gesamtschule auszusprechen, auch wenn genau das gemeint ist. Vielleicht ist das ja die ironische Reverenz der Nebenregierung an die Regierung: Sie wissen, wie die anderen ticken. Aber sie wissen auch: Wenn Sozialpartner lernfähig sind, sind es Parteien vielleicht auch.

Schulreformvorschläge der Sozialpartner

  • zwei verpflichtende kostenfreie Kindergartenjahre
  • Neudefinition der Schulpflicht: Erreichung von Mindeststandards in Deutsch, Mathematik und Englisch für alle Schüler, egal in welcher Schulform
  • Aus für die Polytechnische Schule: die Neue Mittelschule soll ein Jahr länger dauern bzw. die anderen Schulformen auf der neunten Stufe aufsetzen
Quelle

DER STANDARD, 28.2.2013, 32

4.5 Zum Stand einer Schulreform/ November 2013    

Dem Beobachter fällt aktuell auf, dass neue Ausdrücke eher die Bildungsszene verunsichern als klären. Studiengebühren heißen nun Studienbeiträge, die Hauptschule wird - etwas verändert - Neue Mittelschule benannt, ein Aufnahmeverfahren wird zu einer Potenzialanalyse stilisiert.

Statt einer Aufnahmeprüfung, die 1971 abgeschafft wurde, will man die Qualität der AHS erhalten und die Potenziale der Schülerinnen und Schüler überprüfen. Dass Zehnjährige sich entwickeln, also verändern, scheint als entwicklungspsychologisches Phänomen kaum bekannt zu sein. Man will also nicht nur selektieren, vielmehr auch die AHS-Schülerzahlen? reduzieren. Das schafft mehr (Neue) Mittelschulen und soll die Exklusivität der AHS stärken.

Will man die Zwei Klassen-Schulpädagogik? mit dem Schulgesetzwerk 1962 überwinden, kann eine gemeinsame Sekundarstufe I nur eine gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen sein, wobei es der österreichische Bildungsgeschichte gut täte, diese zu beachten und zu berücksichtigen.

Das hieße in der Realität,

  • dass man zunächst einen Bildungskanon für das 21. Jahrhundert definiert.
  • Dieser Bildungskanon ist in einen Fächerkanon bzw. Fachverbünde mit fachspezifischen Didaktiken zu transformieren.
  • In der Folge ist eine dem nationalen und internationalen Stand entsprechende Lehrerbildung als Aus-, Fort- und Weiterbildung zu installieren. Lehrende sind die Trägerinnen und Träger von Bildung, von der Elementar- bis zur quartären Bildung.
So manches Problemfeld würde sich konsequenterweise erübrigen, denn die Erfordernisse für die Bildungssysteme (auch für die Schule) ergeben sich von selbst.

Jedenfalls hat Bildung in einer Demokratie gesellschaftliche Ungleichheiten zu überwinden bzw. zu verhindern.

Schulische Potenziale im Kontext mit Schulpädagogik und Fachdidaktiken sind vorhanden. Sie zu nützen, ist Aufgabe einer zeitgemäßen Bildungspolitik.

IT-Pressehinweis?

http://orf.at/stories/2207170/2207171/ (20.11.2013)

5 Studie "Visible Learning"/John Hattie    

Ab Mai 2013 gibt es in deutscher Sprache - "Lernen sichtbar machen" - die Studie "Visible Learning" des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie. Seine zentrale Erkenntnis: Es kommt vor allem auf die Unterrichtenden und Lernenden an, weniger die Strukturen.

15 Jahre hat John Hattie 700 englischsprachige Metaanalysen von rund 50 000 Bildungsstudien mit etwa 250 Millionen Lernenden analysiert. 2009 erstmals veröffentlicht, zeigt es sich, dass es weniger auf die Strukturen als vor allem auf die Unterrichtenden und Lernenden ankommt.

Hattie schränkt allerdings ein: Seine Megastudie beschränkt sich auf englischsprachige und hoch entwickelte Länder. Entsprechend lassen die Ergebnisse Indizien ableiten, die Resultate dürfen aber nicht überbewertet werden.

Unterrichtende und Lernende sind die wichtigste Faktoren, wenn auch nicht die einzigen im komplexen Bildungsgeschehen, wie die Übersetzer Wolfgang Beywl und Klaus Zierer betonen. Hattie hat 138 Faktoren in seiner Studie ausgemacht, die das Lernen fördern bzw. behindern können und sie nach ihrer Effektstärke gereiht.

Wenngleich viele Metastudien aus Neuseeland und Australien verwendet wurden - nur ein Drittel erschien nach 2000 - und die statistische Qualität und das weitgehende Aussparen qualitativer Forschung Kritik erzeugt, konnte ein Großteil der Bildungsakteure davon überzeugt werden, dass zumindest Anhaltspunkte in der Megastudie für das richtige Lehren und Lernen geliefert wird.

Zentraler Aspekt der Studie ist die Art, wie Lehrende unterrichten und das Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler steuern.

  • Sie sollen keine Zeit mit Unwichtigem vergeuden, immer von individuellen Lernstand ihrer Klientel ausgehen, Ziele klar vorgeben und ihnen zeigen, wie man sie erreichen kann.
  • Permanente Rückmeldungen über die Wirkung des Unterrichts ermöglichen den Fortschritt im Unterricht ("Unterricht mit Feedback").
Die stärksten Effekte bringen die Schülerinnen und Schüler mit. Das Vertrauen in die eigene Leistung und der Unterricht ihrem Entwicklungstand entsprechend sind wesentliche Faktoren. Neben dem Feedback sind weitere starke Faktoren der Besuch von Kindergarten und Vorschule, der Unterricht von Hochbegabten, klare Lernziele und Strategien, um diese zu erreichen. Eine gute Beziehung zu den Unterrichtenden gehört ebenso dazu.

Kaum Auswirkungen auf die Leistung haben laut Hattie die mitunter heiß diskutierten Fragen der Struktur wie Leistungsdifferenzierung, kleinere Klassen, Lehrerausbildung und Lehrpläne.

Seine Botschaft: Will die Bildungspolitik die Ergebnisse des Unterrichts verändern, dürfen sich ihre Eingriffe nicht auf Strukturfragen beschränken. Es werde sich nichts ändern, wenn weiterhin die wichtigste Form der Klassenzimmer -Aktivität im Fragen, Abrufen und Erwerben großer Mengen an Oberflächenwissen besteht, und solange bloß Beschäftigung und Geschäftigkeit angestrebt werden. Nach Hattie haben neue pädagogische Konzepte wie in Österreich etwa die Neue Mittelschule mit innerer Differenzierung, Individualisierung oder Team - Teaching geringe Effekte. Keine dieser Maßnahmen bringe etwas, wenn die Unterrichtenden weiter unterrichten wie bisher.

Hattie warnt: Korrelation ist nicht mit Ursache zu verwechseln. Faktoren mit nur geringer positiver Wirkung sind nicht von vornherein keine Investition wert. Das Geflecht von Wechselwirkungen rund um einzelne Faktoren muss mitberücksichtigt werden. Bildung erschöpft sich nicht in messbarem Nutzen. Kinder benötigen Zeit für Familie, Freunde und (sogar) Langeweile.

Pressehinweise

Salzburger Nachrichten, 20.4. 2013, 48

DER STANDARD, 27.4.2013, 6 "Gute Schule ist guter Unterricht" > http://derstandard.at/1363709349858/Gute-Schule-ist-guter-Unterricht

Literaturhinweis

John Hattie (2013): Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von "Visible Learning" besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer, Baltmannsweiler, ISBN 978-3-8340-1190-9

6 Universität und Lehrerbildung    

Überlegungen im Rahmen einer Bildungsreform zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie pädagogischen Führungskräften sind an drei Begriffspaaren festzuhalten. Es geht um

  • Strukturen und Inhalte,
  • Erstausbildung und Weiterbildung sowie
  • wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung und Praxisorientierung.
Die Partnerschaft "Universität-Lehrerbildung?" ist weithin EU-konform und bedarf in einer Bildungsreform einer Neugestaltung. In Österreich ist sie durch die Verschiedenheit der Lehrerbildung in der APS und BPS sowie in der AHS/BMS-BHS? nicht nur inhaltlich, auch ideologisch belastet.

Reformen in einer "School of education" sind vorhanden, zu beachten sind jedenfalls auch universitäre Standards der Lehrenden mit den Elementen Wissen - Struktur - Fachdidaktik - Praxisorientierung - Umsetzung (vgl. Gemeinsames Lehramtsstudium an Hochschulen - beispielhaft > http://tirol.orf.at/news/stories/2700576/ [19.3.201]).

Die Lehrerbildung ist kein Beiwerk einer Universität, vielmehr ein hochschuldidaktischer Auftrag mit großer Ressourcenwirksamkeit, dem große gesellschafts- und bildungspolitische Wirksamkeit zukommt.

IT - Autorenhinweis

Netzwerk gegen Gewalt > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Lehre an der Hochschule

7 Unbildung zwischen Pisa und Bologna/ Liessmann    

Der Philosoph Konrad P. Liessmann lässt in einer pointierten Geisterstunde kein gutes Haar an den Reformen im Bildungsbereich.

Bereits 2006 hatte Konrad LIESSMANN in seiner "Theorie der Unbildung" mit der derzeitigen Bildungspolitik abgerechnet. 2014 ist nun die Streitschrift "Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Eine Streitschrift" herausgekommen. Auf sie soll im Folgenden eingegangen werden.

Schon im Vorwort wird massive Kritik angeführt. Verachtet werden die toten Sprachen, der Kanon der klassischen Literatur, profunde historische Kenntnisse, ein eurozentrisches Weltbild mit den Idealen der Aufklärung, ästhetische Sensibilität mit elaborierter Sprache. Reduziert werde der Bildungsbegriff auf aktuell notwendige Kulturtechniken und eine anspruchsvollere berufliche Ausbildung. Es stellt sich demnach die Frage, wie jemand glücklich sein solle, der ständig seine Fertigkeiten ("skills") schulen und Kompetenzen erwerben soll, um im Wettbewerb bestehen zu können und Bildungsbelast abwerfen soll, um für das Neue gerüstet zu sein. Nur ökonomische Rentabilität und Fremdbestimmung wird erfahren. Der Mensch erhält den Eindruck, "[...] dass im Gegensatz zur herrschenden Bildungsideologie die großen und einträglichen Karrieren in der Wirtschaft und im Sport, in den Medien und im Show - Business ganz ohne Bildung möglich sind, und er wird sich betrogen fühlen. Glück sieht anders aus" (S. 9). Das Eingeständnis des sokratischen Nichtwissens für eine Verunsicherung als Gegensatz der vermeintlichen Hochbegabten und selbsternannten und selbstgewissen neuen Eliten wird verlangt. Es müsse die Freiheit und Lust des Denkens, die Freiheit und Lust am Erkennen, die Freiheit und Lust am verstehen und die Lust am Schönen geben - ohne Verwertungs- und Praxiszwang. Dem stehe schon bei Studierenden die Notwendigkeit des Sammelns der richtigen "credit points" und die Hetze zum ersten Praktikum entgegen. Es gehe beim Thema Bildung nur mehr um "Abrichtung, Anpassung und Zufriedenheit durch Konsum" (S. 10), eigentlich um eine "einzige riesige Sprechblase, ein Gespenst, das nicht um Mitternacht, sondern zur besten Unterrichtszeit sein Unwesen treibt: Geisterstunde!" (S.10). Damit ist der Titel der Schrift erklärt. Man weiß nun, warum jedes der elf Kapitel mit dem Aufschrei "Es ist gespenstisch" eingeleitet wird.

Der PISA - Test gibt trotz Schwächen in der Konstruktion, Durchführung und Auswertung nach wie vor den Takt in der Bildungsdiskussion an. Ziel aller Bildungsreformen sei ein neuer Analphabetismus, der Kindern konsequent jede Chance beraubt, Neugierde auf Wissen zu entwickeln.

Aufgezeigt wird, wie die Universitäten unter der "Bologna - Ideologie" leiden, die davon ausgeht, dass Studien als Berufsausbildung zu konzipieren seien, bei denen es nicht um Wissenschaft und Forschung, vielmehr um Kompetenzen und Fertigkeit gehe (S. 12-16; vgl. LENZEN 2014).

Auch in der Schule habe die Kompetenzorientierung dazu geführt, dass in der (angeblichen) "Wissensgesellschaft" der Erwerb von Wissen - also Neugierde, Freude, Auseinandersetzung mit den Inhalten wie Kreativität, Erkunden und Experimentieren, reflexives Verhalten - vernachlässigt wird. In diesem Zusammenhang holt LIESSMANN bei der Kritik der Schulen weit aus (S. 118-130). Festgestellt wird, dass keine Institution (mit Ausnahme vielleicht der Katholischen Kirche) sich so allen Veränderungen verweigert. Lärm, Disziplinlosigkeit, die große Zahl weiblicher Lehrkräfte, nachlässig gekleidete Lehrer, Sitzkreise und Whiteboards werden negativ beschrieben (S. 119). Negativ kommt ein Schulmanagement davon. Die Schulleitung als Top - Management mit exzellent ausgebildeten Lehrkräften in Hightech -Klassenzimmern mit kleinen Gruppen von hochmotivierten, neugierigen und kreativen Lernenden aus verschiedensten Ländern, fächerübergreifend ganztägig unterrichtet bzw. betreut, bei Wahrung aller Chancen und hoher sozialer Verantwortung verhindert ein Bild auf die Realität (S. 120). Wilhelm von Humboldt wird zitiert mit den drei Stadien des Unterrichts in Form von Elementarunterricht, Schulunterricht und Universitätsunterricht (Grundschule, "mittlere Schule", "Hohe Schule"). Nicht immer müssen diese Einrichtungen in einer strengen Abfolge zueinander stehen. Welche Kulturtechniken, welches Wissen und welche Organisation benötigt man? In diesem Zusammenhang wird kritisch die "Vererbbarkeit von Bildung" hinterfragt. Wenn Herkunft statt Begabung mehr gilt, warum soll dann diese Haltung in einer Gesamtschule sich ändern? Es geht um eine andere Erklärungsmöglichkeit, etwa um die Konzeption von Schule in Form von Unterrichtsqualität (Didaktik, kreativen Umgang mit Sprache, kinderfreundliche Methodik, verbindliche Kenntnisse) und forschendes Lernen, um Schulmilieu und Kommunikationsstil bzw. Beziehungskultur (S. 124, 125-126/"Hattie-Studie?").

Nicht gut kommt die Lehrerbildung weg, "Bologna" lässt grüßen. Etwas undifferenziert werden die "schools of education" gesehen, geht es doch hier um eine Kooperation von Pädagogischen Hochschulen und Universitäten (S. 125).

Den Stellenwert von Bildung richtig einzuschätzen bedarf es der Unterscheidung zur Ausbildung (S. 129). Liessmann lässt hier die schulorganisatorische Aufteilung in allgemein bildende und berufsbildende Schulen in ihrem Bildungsauftrag offen.

In einem ganzen Kapitel wird auf Bildungsexperten und deren (Selbst-)Inszinierungen eingegangen und auf die "Knotenpunkte" der aktuellen Unterrichtspraxis ("Unbildung") hingewiesen (S. 30-44).

Kritisiert werden die Thesen, wonach es nichts Schlimmeres als Frontalunterricht und nichts Besseren als Projektarbeit, Teamteaching, verbale Beurteilung und Auflösung traditioneller Fächer und Disziplinen zugunsten von Fächerbündelungen gebe (S. 61-77).

Von Interesse ist die Kritik an der Flut an akademischen Abschlüssen und ihrer Entwertung. Im Kontext dazu steht die Jagd nach zusätzlichen Qualifikationen (S. 18). Im Zuge der "Bologna - Reform" kommt es durch die Nobilitierung bestimmter berufsorientierter Ausbildungsgänge zu akademischen Abschlusszertifikaten. Anzusprechen ist die flächendeckende "De - Qualifizierung" der Studien im Zuge der Bologna - Reform mit einer Verschulung und Ent -Wissenschaftlichung der Bachelor - Studiengänge, damit einer Entakademisierung der Universitäten und Hochschulen (vgl. S. 20-21; SCHULTZ - HURRELMANN 2013, 217) (vgl. in der Liessmann - Schrift das Fehlen der Nennung der einzigen Weiterbildungsuniversität in Österreich, der universitären und außer - universitären Universitäts- bzw. Hochschullehrgänge und der Einforderung universitärer Standards in diesem Bereich der tertiären Bildung).

Literaturhinweise

Tanjev Schultz - Klaus Hurrelmann (Hrsg.) (2013): Die Akademikergesellschaft. Müssen in Zukunft alle studieren?, Weinheim-Basel? ISBN 978-3-7799-2753-2

Konrad Paul Liessmann (2014): Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Eine Streitschrift, Wien ISBN 978-3-552-05700-5

Dieter Lenzen (2014): Bildung statt Bologna!, Berlin ISBN 978-3-8437-0870-8

IT - Hinweis

Wissenschafterin kritisiert "PISA-Wahn?" > http://salzburg.orf.at/news/stories/2701041/ (22.3.2015)

8 Wie Schüler Schule erleben    

Außergewöhnlich an dem Band von Fritz BOHNSACK (2012) "Wie Schüler die Schule erleben" ist das Heranziehen der Empirie für eine Untersuchung eines Bildes der Schulsituation der nächsten Generation. Interessant ist der Gesamteindruck von Schule - natürlich unter Benutzung von quantitativen, qualitativen und ethnographischen Arbeiten. Neben jüngsten werden auch ältere Untersuchungen vergleichend einbezogen (S. 11).

Eingefordert wird pädagogische Relevanz (S. 187). Zudem ist der Autor gegenüber modischen Strömungen unbestechlich (S.9). Ausgehend von der Reformpädagogik kommen Daten zu Fragen wie "Wohlbefinden", "Passungsverhältnisse", "Leistungsschwäche" und "Versager" vor. Der Autor mahnt die Akzeptanz der Schwäche an (S. 10).

Interpretationen aus dem Bereich der Bildungsforschung erfolgen in einer Auseinandersetzung mit der Reformpädagogik.

Zentral ist die Frage des Erlebens von Schule und von Anerkennung aus der Schülerperspektive behandelt. Beeindruckend sind die Vergleiche mit Befunden aus den siebziger Jahren, die heute vielfach vergessen sind. Jedenfalls sind sie lehrreich, wenn es um eine Rückbesinnung auf pädagogische Gedankenfiguren geht - auch dann, wenn sozialwissenschaftliche Theorien als Professionstheorien in die Lehramtsausbildung einfließen.

Literaturhinweis

Fritz Bohnsack (2012): Wie Schüler die Schule erleben. Zur Bedeutung der Anerkennung, der Bestätigung und der Akzeptanz von Schwäche, Opladen-Berlin-Toronto? ISBN 978-3-8474-0049-3

9 Studie der Wirtschaft - Mängel in der Unterrichtsverwaltung/2015    

Das "Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft"/ ibw nennt in der Kurzexpertise "Schulgovernance - Eckpunkte für einen Paradigmenwechsel (2015)" die Schulverwaltung "suboptimal". Kennzeichen seinen vielfältige Akteure, eine zersplitterte Kompetenzverteilung mit administrativen Mehrgleisigkeiten und ein Auseinanderfallen von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung.

Der Autor Kurt Schmid kritisiert die starke Verpolitisierung der operativen und administrativen Ebenen. Schwachstellen des Schulsystems seien auch die Detaildichte der gesetzlichen Vorgaben.

Verbesserungsvorschläge sind etwa

  • eine Verstärkung der Schulautonomie, insbesondere in Personalangelegenheiten und der Mittelverwendung in den Schulen,
  • bundeseinheitliche Rahmenlehrpläne und externe Überprüfung der Bildungsstandards mit klar definierten Mindestlevels,
  • schulinterne und schulexterne Evaluierungsmodi und
  • ein Wegfall der Schulbürokratie auf Landesebene, damit eine schlankeren Verwaltungsstruktur.
Aus der Sicht des Autors ergeben sich Vorteile.

  • Mehrfachkompetenzen und Parallelstrukturen des aktuellen Systems würden beseitigt.
  • Ein offener Lehrerarbeitsmarkt würde entstehen.
  • Die Qualitätskontrolle könnte zwischen inhaltlicher und administrativer Dimension getrennt werden.
Ziel ist ein Schulsystem, das sich weniger mit sich selbst und mehr mit den Lernenden beschäftigt.

Literaturhinweis

ibw - Kurt Schmid: "Schulgovernance - Eckpunkte für einen Paradigmenwechsel (2015)", Wien, 2015, ISBN 978-3-902742-99-5

10 Evaluierungsbericht zur Neuen Mittelschule/2015    

Der Beitrag der Neuen Mittelschule zur Förderung von Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit ist nach den bisher vorliegenden Daten eher gering, heißt es in dem Evaluierungsbericht der Universität Salzburg, der Universität Linz und der Pädagogischen Hochschule Linz, der von Bildungsministerium in Auftrag gegeben wurde.

  • Beim Eintritt in diese Schulform seien wesentliche Weichenstellungen bereits getroffen und bedeutende Einflüsse auf das Vorwissen und das Lernverhalten der Lernenden hätten bereits stattgefunden.
  • Die Bildungsdebatte wäre in die falsche Richtung gelaufen. Statt sich um Bildung im Kindergarten und der Volksschule zu bemühen, dreht sich die Debatte seit vielen Jahren um eine gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen. Dies betrifft Lernende, bei denen bereits eine erste Laufbahnentscheidung getroffen wurde.
  • Die Evaluierung ergab, dass Lernende der Neuen Mittelschule keine besseren Schulleistungen erbringen als ihre Vorgänger in der Hauptschule, obwohl der Systemwechsel 300 Millionen € gekostet habe. Schon der Rechnungshof habe kritisiert, dass der damalige Schulversuch ohne eine Überprüfung auf ihre Wirkung in die Regelschule übernommen wurde.
  • Der Evaluierungsbericht weist auf eine falsche Grundvoraussetzung hin. Die Neue Mittelschule wurde nicht als Gesamtschule konzipiert, vielmehr als Konkurrenz zur allgemein bildenden höheren Schule.
IT-Hinweise?

http://orf.at/stories/2267486/2267490 > Keine Leistungsverbesserung der Schüler (3.3.2015)

http://orf.at/stories/2267609/2267620/ > NMS nur neues Kürzel für alte Probleme? (4.3.2015)

Der Standard, 3.3.2015 > http://derstandard.at/2000012438122/Neue-Mittelschule-nicht-besser-als-Hauptschule?ref=nl

https://www.bmbf.gv.at/schulen/bw/nms/evaluationsbericht.html > Vollversion des Evaluationsberichts (5.3.2015)

http://wien.orf.at/news/stories/2699545 > Mittelschule: Externe Initiativen als Hilfe (14.3.2015)

Pressehinweis

Salzburger Nachrichten, 3.3.2015, 2 "Neue Schule, aber nicht mehr Chancen"

11 Bildungsreform/ Reformansätze vom 17.11.2015    

Ab dem Schuljahr 2016/2017 werden in fünf Bereichen Reformen eingeführt.

  • Aufwertung der Kindergärten
    • Ein Bildungskompass soll die Stärken und Schwächen ausloten. Ab dem Alter von 3, 5 Jahren sollen verpflichtende Potenzialanalysen durchgeführt werden, deren Ergebnisse werden an die Volksschule weitergegeben. Damit soll ein kindgerechter Übergang gestaltet werden.
    • Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr wird eingeführt. Die Kostenfrage ist noch offen. Ausnahmen gibt es bei genügend Deutschkenntnissen. Die Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik werden in BHS überführt. Eine Akademisierung der Ausbildung gibt es nicht.
  • Ausbau der Schulautonomie
    • Abweichungen vom Lehrplan der Volksschule sind zu fünf Prozent, in der AHS - Unterstufe/ NMS bis zu 33 Prozent und in der AHS - Oberstufe/ BMHS bis zu 20 Prozent möglich.
    • Die Schulen sollen die Öffnungszeiten - Unterricht plus Nachmittagsbetreuung - zwischen 7 und 18 Uhr festlegen können.
    • Das Schulleitungspersonal wird auf fünf Jahre bestellt und soll Management-Funktionen? übernehmen. Eine Mitsprache bei der Auswahl der Lehrenden und bei der Nichtverlängerung von Dienstverträgen sowie ein Vetorecht bei zugeteilten Lehrenden gibt es.
    • Der finanzielle Spielraum der Schulleitung vergrößert sich. Eingesetzt werden können externe Lehrende, Psychologen und Sozialarbeiter.
    • Ein bundeseinheitliches Objektivierungsverfahren bei der Bestellung des Leitungspersonals erfolgt.
  • Erprobung der Gesamtschule
    • Die Bundesländer dürfen Modellregionen schaffen, in denen die Schulen der Zehn- bis Vierzehnjährigen in maximal 15 Prozent der Schulstandorte erprobt werden. Schulen können auch gegen ihren Willen dazu gezwungen werden. Privatschulen sind von dieser Regelung ausgenommen.
    • Für Modellregionen gibt es keine zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten. Eine erstmalige Evaluation gibt es 2015.
  • Verwaltung durch Bund und Länder
    • In allen Bundesländern werden Bildungsdirektionen erreichtet, die die Landesschulräte (Bundesbehörden) und Schulabteilungen der Landesregierungen(Landesbehörden) ablösen. Die Bildungsdirektionen sind eine gemeinsame Bund -Länder - Behörde.
    • Der Leitung obliegt einem Bundesbediensteten, der über Vorschlag des jeweiligen Landeshauptmannes vom Bildungsministerium für fünf Jahre bestellt wird.
    • Die neue Behörde verwaltet Bundes- und Landeslehrer, das Bundesverwaltungspersonal und die Schulaufsicht.
    • Die Verrechnung aller Lehrenden erfolgt über das Bundesrechnungszentrum.
  • High - Speed - Internet bis 2010
    • Ausgestattet wird jede Schule bis 2020 mit High - Speed - Internet und WLAN.
    • Ab 2017 wird eine "Bildungsstiftung" eingerichtet, die mit einem Fixbetrag ausgestattet wird und durch private steuerbegünstigte Zuwendungen höher dotiert werden kann.
    • Unterstützt werden sollen daraus innovative Digitalisierungsprojekte und pädagogische Konzepte.
Offen bleiben etwa die Fragen (Stand 17.11.2015)

  • der Kosten für das zweite Kindergartenjahr,
  • ob es nicht ein neues Dienstrecht benötigt, wenn eine Schulleitung schlechte Lehrende entlassen darf.
  • Die wesentliche Rolle von Eltern fehlt in diesem Ansatz.
  • Zu fordern sind die Definition von Bildungszielen und einer Bildungspflicht.
  • Es fehlen Qualitätssteigerungsmaßnahmen in der APS.
  • Ebenso fehlen Maßnahmen gegen einen Schulabbruch.
  • Es fehlen Aussage zu einer Verbesserung der Lehrerbildung.
  • Nicht angetastet wurde das land- und fortwirtschaftliche Schulwesen mit den Verwaltungen von zwei Ministerien und einzelnen Schulabteilungen.
  • Kritisch ist zu vermerken, dass bisher nur Ansätze einer Verwaltungsreform und bisher noch unzureichenden finanziellen Ressourcen umgesetzt werden sollen.
  • Ebenfalls kritisch ist zu bemerken, dass noch keine parlamentarische Mehrheit für diesen Lösungsansatz gegeben ist.
12 Bildungsreform 2017 - Maßnahmen für eine Schulautonomie    

In der laufenden Debatte über Maßnahmen einer größere Schulautonomie zeigen sich mit Stand Jänner 2017 drei Aspekte, die im Folgenden dargelegt werden.

  • Zunächst geht es um die Frage, welche Probleme durch die Reform behoben werden sollen/ können. Autonomie für Schulen ist jedenfalls eine wichtige Voraussetzung für Innovationen, also für eine Verbesserung der Schulqualität. Es bedarf gewisser Bedingungen, so
    • einer Neuordnung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern sowie
    • einer Umverteilung der finanziellen Mittel zwischen den Schulen (vgl. einen Sozialindex zur Finanzierung).
    • Mängelverwaltung kann kein Ziel einer Schulautonomie sein.
  • Eine Ausweitung einer Lehrplan - Autonomie ist begrüßenswert (vgl. das Korsett der 50 Minuten - Einheit, fächer- und jahrgangsübergreifender Unterricht). Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass Autonomie in pädagogischer, organisatorischer, finanzieller und personeller Hinsicht praktiziert werden kann.
    • Deutlich zeigt sich dies in der Auswahl Lehrender. Es bedarf eines professionellen Personalmanagements für eine qualifizierte Personalentwicklung (vgl. die Notwendigkeit von [verpflichtender] Fort- und Weiterbildung bzw. Nachqualifizierung).
    • Es zeigt sich auch im derzeitigen Fehlen eines modernen Lehrerdienstrechts, in dem solche Aspekte zu berücksichtigen sind.
  • Ein dritter Schwachpunkt zeigt sich im Konzept der Freiwilligkeit. So soll der Umbau des Schulsystems in Gang kommen.
    • Direktorinnen und Direktoren sollen ihre Position an übergeordnete Clusterleitende abgeben.
    • Nichts wird bis jetzt über einen Zeitrahmen gesagt, bis wann welche Maßnahmen umgesetzt werden sollen.
    • Mit dem Erstellen eines Autonomiehandbuchs für Schulleiter sollen 2017/2018 einige "Leuchtturmschulen" beginnen. 2025 soll das Programm Realität werden.
13 Schulautonomiepaket 2017    

Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP haben sich nach monatelangen Verhandlungen auf ein Schulautonomiepaket geeinigt. Schulen erhalten

  • mehr Freiheiten,
  • Regelungen der Zusammenlegung zu Clustern und
  • eine neue Schulverwaltung.
Breite Ablehnung des Schulautonomiepakets weist auf weitere schwierige Verhandlungen (Stand 27.4.2017; vgl. http://orf.at/stories/2389061/2389063).

Im Folgenden geht es fünf Positionen, die kontrovers diskutiert werden.

13.1 Organisation des Unterrichts    

In Zukunft können Schulen allein die Klassengröße in einzelnen Fächern entscheiden. Die Eröffnungs- und Teilungszahlen werden nicht mehr zentral vorgegeben, sondern vor Ort festgesetzt. Dadurch soll ein flexibler Unterricht ermöglicht werden, etwa ein klassenübergreifender Projektunterricht.

Die 50 Minuten-Stunde? ist nicht mehr die Regel. Die Schulen können selbst festlegen, wie lange eine Unterrichtseinheit dauert. Die 50 Minuten sind nur noch als Berechnungsgröße für die Personalbewirtschaftung und Ressourcenzuteilung notwendig.

Die Öffnungszeiten können freizügiger festgelegt werden. So kann von 7 bis 8 Uhr morgens eine Betreuung durch geeignete Personen angeboten werden.

13.2 Lehrerauswahl    

Bei Bewerbung von mehreren Lehrkräften um eine Stelle soll die Schule entscheiden können. Grundsatz ist, dass die Schule die Entscheidungskompetenz besitzt, die verwaltungstechnischen Aspekte der Aufnahme, wie Dienstvertrag und Bezug, bei der Schulverwaltung bleiben.

13.3 Schulzusammenlegung    

Knapp 80 Prozent der Pflichtschulen und rund 15 Prozent aller Bundesschulen haben weniger als 200 Lernende. Damit die Schulen zusammenarbeiten und ihre Ressourcen besser nützen können, sollen bis zu acht benachbarte Schulstandorte zu einem Cluster zusammengeschlossen werden können. Die Aufgabe der bisherigen Schulleitung übernimmt die Clusterleitung, wobei zwischen Pflichtschulen, für die das Land zuständig ist, und mittleren und höheren Schulen, für die der Bund zuständig ist, unterschieden wird.

Die Gründung von Pflichtschul-Clustern? soll gemeinsam von den betroffenen Schulerhaltern(Gemeinden bzw. Städte), der Schulverwaltung im Bundesland, den Lehrern und der Elternvertretung beschlossen werden. Die Entscheidung erfolgt vor Ort und wird nicht durch das Bildungsministerium gesteuert. So kann auf regionale Gegebenheiten Rücksicht genommen werden.

Bundesschulen finden sich zu einem Cluster zusammen, wenn dies von den Schulstandorten gewünscht wird und bestimmt Kriterien erfüllt sind, etwa eine Schule hat zum Zweitpunkt des Zusammenschlusses weniger als 200 Schüler oder die Schülerzahl weist in den letzten drei Jahren eine fallende Tendenz auf und die Schulstandorte sind nicht weiter als fünf Kilometer voneinander entfernt.

13.4 Schulpartner    

Die Neuerungen erfordern eine Neuregelung der Schulpartner. Die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte der Schulpartner auf Schul- bzw. Clusterebene konzentrieren sich zukünftig auf den pädagogischen Bereich. Organisatorische und personelle Agenden sind in der Verantwortung der Schulleitung bzw. Clusterleitung. Die Elternvertreter besitzen ein Vetorecht, in der Folge entscheiden die Bildungsdirektion.

13.5 Bildungsdirektion    

Pro Bundesland gibt es eine Bildungsdirektion, die für den gesamten Schulbereich verantwortlich ist. Neben dem Direktor bzw. Präsidenten gibt es einen Ständigen Beirat, dem Vertreter der Landes- und Bundeslehrer und Elternvertretung angehören.

Abgeschafft werden die Amtsführenden Präsidenten bzw. Vizepräsidenten und die Kollegien des Landesschulrates. Eine eigene Verordnung regelt die Spitze der Bildungsdirektion.

13.6 Bildungsreform 2017 - Einigung von SPÖ, ÖVP und Grünen    

Bestandteil des Pakets bzw. der Einigung der drei Parteien vom 19.6.2017 und dem parlamentarischen Beschluss vom 28.6.2017 ist die Schaffung von Modellregionen für die Gemeinsame Schule der 10- bis 14-jährigen und die Schaffung von Bildungsdirektionen.

  • Bundesweit dürfen nur 15 Prozent aller Schulen die Gesamtschule erproben.
  • Außerdem darf eine einzelne Modellregion nicht mehr als 5000 AHS-Unterstufenschüler? umfassen(vgl. die Modellregion Vorarlberg oder das Burgenland).
  • Zentraler Punkt ist der Zusammenschluss von bis zu acht Schulen als sog. Cluster unter einer gemeinsamer Clusterleitung.
    • Ressourcen sollen besser ausgenutzt werden, Lehrende auch an anderen Schulen unterrichten. Frei gewordene Ressourcen sollen in Verwaltungspersonal investiert werden.
    • Der Zusammenschluss von Schulen ist grundsätzlich freiwillig, ausgenommen sind Kleinschulen mit sinkender Schülerzahl.
    • Die Clusterleitung erhält in bestimmten Bereichen mehr Rechte(flexible Gruppengrößen, Mindest- und Klassenhöchstzahlen sowie Teilungsziffern fallen weg).
  • Der zweite Teil der Reform betrifft die Schulverwaltung. Die Verwaltung soll ähnlich den östlichen Bundesländern unter einem gemeinsamen Dach erfolgen. Die Landesschulräte sollen in Zukunft Bildungsdirektionen genannt werden.
  • Zudem müssen an den Standorten Lehrende und Eltern zustimmen. Erreicht werden muss eine einfache Mehrheit, die Teilnahme von mindesten einem Drittel der abstimmungsberechtigten Eltern und zwei Drittel bei den Lehrenden.
Strittig ist der Begriff Bildungsreform zu diesem Zeitpunkt, da eher von einer schulischen Verwaltungsreform zu sprechen ist. Die aktuelle Parlamentsdebatte ging daher auch davon aus, dass künftige Reformschritte notwendig sein werden.

IT - Hinweise

http://orf.at/stories/2396026/2396029 "Weichenstellung in die richtige Richtung" (19.6.2017)

http://www.bmb.gv.at/autonomiepaket (28.6.2017)

13.7 Schuljahr 2017/2018 - Neuerungen    

In den AHS und BHS wird die neue Oberstufe umgesetzt.

  • Als Maßeinheit gelten die einzelnen Semester. Das Schuljahr muss nicht insgesamt positiv abgeschlossen werden, vielmehr jedes Semester.
  • Positive Teilleistungen bleiben erhalten, auch bei negativer Jahresbeurteilung. Zwei negative Semestermodule können in die nächste Klasse mitgenommen werden.
  • Der Start der "neuen Oberstufe" kann bis zu zwei Jahre verschoben werden. Derzeit machen davon mehr als 90 Prozent der AHS und die Hälfte der BHS Gebrauch.
  • Mit der Reform sollen die Lernenden auf die Semestergliederung an den Hochschulen vorbereitet und ihre Eigenverantwortung gestärkt werden.
  • Das "Last - Minute - Lernen" im letzten Semester soll unterbunden werden.
  • Umfangreiche Module je Semester müssen in allen Fächern positiv abgeschlossen sein.
  • Eine Negativbeurteilung kann durch eine Semesterprüfung ausgebessert werden. Die Prüfung umfasst nur den Teil des Stoffes, der nicht beherrscht wurde. Eine zweimalige Wiederholung ist möglich.
  • Ein Aufsteigen in die nächste Klassen ist mit zwei negativen Modulen möglich. Diese müssen aber dann vor dem Eintritt in die Reifeprüfung nachgeholt werden.
  • Einmal in der Oberstufe/ Sekundarstufe II ist ein Aufsteigen mit drei Negativbeurteilungen in die nächste Schulstufe bei Zustimmung der Klassenkonferenz möglich.
  • Ebenso können Lernende durch Vorziehen einzelner Gegenstände Semesterprüfungen früher ablegen und damit überspringen. Damit kann die Reifeprüfung auch früher abgelegt werden.
Es kommt zu Änderungen bei den Schulversuchen.

  • Eine zeitliche Befristung ergibt sich aus der Höchstdauer, die sich aus der Zahl der betroffenen Schulstufen plus zwei Schuljahre ergibt.
  • In der Folge muss entschieden werden, ob die Schulversuche in das Regelschulwesen überführt werden. Die Übergangsfrist dauert bis 2015.
Es können nicht mehr schulpflichtige außerordentliche Lernende freiwillig ein zehntes Schuljahr absolvieren.

Ein freiwillig elftes bzw. zwölftes Schuljahr gibt es für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Frühgeburten können später eingeschult werden.

Bis zum 30. Juni 2018 sind die Stellen der neuen Bildungsdirektoren_innen zu besetzen. Die neue Behördenstruktur tritt 2019 in Kraft.

Die Hauptschule läuft aus, die Neue Mittelschule wird durchgängig eingeführt.

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Pressehinweise

Salzburger Nachrichten, 18. November 2015, 2 "Bildungssystem kommt in Bewegung"

Salzburger Nachrichten, 19. November 2015, 8-9 "Die Bildungsreform ist noch lange nicht unter Dach und Fach"

Salzburger Nachrichten, 3. Jänner 2017, 3 "Diese Bildungsreform ist nur ein Scheinriese"

Salzburger Nachrichten, 4. März 2017, 4 "Schulen können nun Klassengröße festlegen"

Salzburger Nachrichten, 28. April 2017, 1, 2 "Schulreform: Lehrer drohen mit Streik", "Die Schulreform weckt zahlreiche Bedenken"

Salzburger Nachrichten, 20. Juni 2017, 1-2 "Die Politik öffnet den Weg in Richtung Gesamtschule"

Salzburger Nachrichten, 31. August 2017, 3 "Semesternoten werden zur Hürde"

IT-Hinweise?

http://wien.orf.at/news/stories/2742862/ > "Häupl: Gemeinsame Schule bis 2015" (18.11.2015)

http://news.orf.at/stories/2310353/ > "Bildungsreform: Experte fürchtet 'De-facto-Verländerung?' " (18.11.2015)

http://orf.at/stories/2310388/2310393/ > "Weniger als erhofft, mehr als erwartet" (18.11.2015)

http://www.orf.at/stories/2310814/ > "RH-Moser? kritisiert Bildungsreform" (21.11.2015)

http://orf.at/stories/2389061/2389063 > "Bereits mehr als 800 Stellungnahmen (28.4.2017)

14 Zukunft. Für unser Österreich - Regierungsprogramm 2017-2022    

14.1 Zukunft und Gesellschaft - Bildung    

Zieldefinition Bildung (S. 59)

  • Qualitätsvolle Elementarpädagogik durch höhere Standards bei Bildung und Betreuung
  • Differenziertes Schulsystem erhalten und ausbauen
  • Vereinheitlichung und Standardisierung der Benotung und kontinuierliche Feststellung des Leistungsfortschritts
  • Stärkung der Aufsicht über Bildungseinrichtungen, stärkere Sanktions- und Kontrollmöglichkeiten
  • "Land der Meister" - Lehre durch mehr Durchlässigkeit und moderne Ausbildungsmöglichkeiten attraktiver machen
  • Auslandsschulwesen als Visitenkarte Österreichs
Politische Bildung (S. 65)

Erweitern von Geschichte und Sozialkunde durch "Staatskunde und politische Bildung" ab der 5. Schulstufe zur Vermittlung der staatlichen Grundrechte und der rechtsstaatlichen Prinzipien. Entsprechende Änderung der Lehrerausbildung im Fach Geschichte.

14.2 Zukunft und Gesellschaft - Wissenschaft    

Zieldefinition Wissenschaft (S. 69)

  • Bessere Studienbedingungen an Universitäten und Fachhochschulen - höhere Durchlässigkeit
  • Hochschulsektor unter Bedachtnahme gezielter Profilbildungen ausbauen und stärker an gesellschaftlichem Bedarf ausrichten
  • Faire Rahmenbedingungen für Studium: moderate Studienbeiträge, Studienförderung und Serviceeinrichtungen
  • Effektive Universitätsgovernance und Digitalisierung der Hochschulen: Vorreiterfunktion einer Verwaltung im öffentlichen Bereich
  • Karriereperspektiven für die besten Köpfe schaffen
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IT - Hinweise

https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf (17.12.2017)

http://orf.at/stories/2419162/2419160/ (17.12.2017)

https://science.orf.at/stories/2987484/ (26.6.2019)

15 Integrationsbericht 2018 - Brennpunktschulen    

Unter Brennpunktschulen versteht man Schulen mit Lernenden aus sozialen Minderheiten, niedrigem sozioökonomischem Familienstatus und schwachen Leistungsergebnissen.

An solchen Schulen fällt Lernen nicht nur Kindern aus Risikogruppen schwer. Auch Kinder mit guten Lernvoraussetzungen schneiden schlecht ab. Das zeigt der Integrationsbericht 2018.

An einer Wiener Volksschule ohne besondere Herausforderungen haben deutschsprachige Kinder bildungsfreundlicher Eltern ein Risiko von fünf Prozent, schlecht Lesen und Schreiben zu lernen. An einer Brennpunktschule sind es 25 Prozent.

  • Kinder mit Migrationshintergrund, anderer Alltagssprache als Deutsch, Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss und geringer beruflicher Position haben Nachteile bei einem Besuch einer Brennpunktschule.
  • Schon in einer Volksschule mit geringen Herausforderungen liegt das Risiko, mit geringer Schreib- und Lesekompetenz die Schule zu verlassen, bei 45 Prozent.
  • In einer Brennpunktschule steigt das Risiko auf 85 Prozent, die Daten im Integrationsbericht des Wiener Stadtschulrates zeigen.
In Wien ist der Anteil an Schulen mit sozialer Benachteiligung - wie generell in Ballungsräumen - ausnehmend hoch. Laut "Index der sozialen Benachteiligung" haben 57 Prozent der Volksschulen eine sehr hohe bzw. hohe Belastung (35 bzw. 22 Prozent).

Österreichweit sind es 20 Prozent (je 10 Prozent pro Kategorie).

Größer wird die Kluft bei einem Vergleich der Neuen Mittelschulen.

  • In Wien fallen 78 Prozent in die Kategorie der Belastung(66 Prozent sehr hoch, 12 Prozent hoch).
  • Österreichweit sind es 22 Prozent(15 bzw. sieben Prozent).
An den AHS ist der Anteil an Brennpunktschulen deutlich kleiner.

  • In Wien sind es 26 Prozent (12 bzw. 14 Prozent).
  • Österreichweit sind es acht Prozent (drei sehr hoch bzw. fünf Prozent hoch belastet).
IT - Hinweis

Integrationsbericht 2018 > https://bmeia.gv.at/integration/integrationsbericht/ (15.9.2018)

16 Neuer Lehrplan für Polytechnische Schulen    

Die Polytechnische Schule (PTS) erhält ab dem kommenden Schuljahr einen neuen Lehrplan. Unter anderem wird der Fächerkanon neu zusammengestellt, der Gegenstand "Berufsorientierung und Lebenskunde" wird umbenannt und mit mehr Stunden ausgestattet. Außerdem wird der alternative Pflichtgegenstand "Angewandte Informatik" eingeführt.

Derzeit besuchen rund 15 000 Lernende den PS. Zum Vergleich: 2006 waren es noch mehr als 21 000. Der neue Lehrplan beinhaltet eine stärkere Berufsorientierung und fokussiert insbesondere auf Kompetenzen, die den Anforderungen der modernen Arbeitswelt entsprechen.

Der Kanon der Pflichtgegenstände wird neu geordnet. Aus "Deutsch" wird "Deutsch und Kommunikation" (drei Wochenstunden), aus "Mathematik" wird "Angewandte Mathematik" (drei Wochenstunden), aus "Politische Bildung und Wirtschaftskunde"" wird "Politische Bildung, Wirtschaft und Ökologie" (zwei Wochenstunden), dafür entfällt das Pflichtfach "Naturkunde und Ökologie, Gesundheitslehre" (bisher eine Wochenstunde).

Die so gewonnen Stunde fließt in das Fach "Berufs- und Lebenswelt" (früher "Berufsorientierung und Lebenskunde"), das nun drei statt zwei Wochenstunden umfasst. Dazu kommen wir bisher die Pflichtgegenstände "Lebende Fremdsprache (Englisch)" mit drei Wochenstunden, "Bewegung und Sport" (zwei) sowie "Religion"(zwei).

Neu geordnet wurden auch die alternativen Pflichtgegenstände, das sind Fächer, aus denen eine bestimmte Anzahl verpflichtend ausgewählt werden müssen. Diese sind je nach PTS - Cluster bzw. Fachbereich - z. B. Holz, Bau, Elektro, Handel und Büro, Tourismus - unterschiedlich etwa Technisches Zeichnen, Buchführung und Wirtschaftsrechnen, Naturwissenschaftliche Grundlagen und Übungen.

Darüber hinaus wurden die Inhalte des aus dem Jahr 1997 stammenden Lehrplans in den einzelnen Gegenständen überarbeitet. Außerdem wird die bisher ohne Zeitvorgabe gestaltete Orientierungsphase am Beginn des Schuljahres mit der Empfehlung einer Mindestdauer von vier Wochen versehen.

Dazu wird als zweite Phasen des Schuljahres die Umsetzung einer Schwerpunktphase empfohlen, in der neben dem gewählten Fachbereich ausgewählte Lernergebnisse von bis zu zwei anderen Fachbereichen als Ergänzungsbereich vorgesehen werden können.

IT - Hinweis

Neuer Lehrplan für den PS < https://www.orf.at/stories/3175826/ (1.8.20)

II Europäische Perspektiven - Bildungswesen in Europa    

Eine Übersicht über die Thematik ergibt sich aus dem Eurydice - Netz als institutionelles Netzwerk aus 35 nationalen Abteilungen in den 31 Ländern, die am Aktionsprogramm im Bereich des lebensbegleitenden Lernens teilnehmen sowie einer europäischen Abteilung innerhalb der Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA) in Brüssel, die die Aktivitäten des Netzwerks koordiniert.

  • Das Eurydice - Netz wurde 1980 auf Initiative der Europäischen Kommission gegründet und trägt zur Zusammenarbeit im Bildungswesen bei. Veröffentlicht werden Daten des Bildungssystems und der Bildungspolitik in den betroffenen Ländern sowie vergleichende Analysen zu spezifischen Bildungsthemen in Europa.
  • Zielgruppe sind Personen und Institutionen, die auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sowie in den europäischen Einrichtungen am Prozess der politischen Entscheidungsfindung im Bildungsbereich mitwirken.
17 Rückgang der Zahlen der Lernenden im schulpflichtigen Alter    

Bis 2010 ist mit einem Rückgang der Altersgruppe der 5- bis 9-Jährigen in der EU-27 von etwa 11 Prozent zu rechnen. Extremer ist die Situation der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen, wobei in manchen Staaten ein Rückgang von mehr als 40 Prozent erwartet wird. Damit gibt es einen deutlichen Rückgang der Gesamtzahl der Lernenden im schulpflichtigen Alter (vgl. RAT 2006 und EUROPÄISCHE KOMMISSION 2006a).

Zu beachten ist ebenso, dass die Altersklassen der Lehrenden, die kurz vor der Pensionierung stehen, überproportional vertreten sind. In zahlreichen Staaten wird in absehbarer Zeit ein hoher Prozentsatz der Lehrkräfte in den Ruhestand treten.

Neben diesen Auswirkungen auf die Schülerzahlen und den Lehrerbedarf im Pflichtschulbereich und für die folgenden Bildungsgänge gibt es Möglichkeiten einer Verbesserung der Qualität und Funktionsweise der Bildungssysteme mit einer Anpassung der Personal- und Materialausstattung. Zu beachten sind die folgenden Vorausschätzungen.

  • Der Anteil der Lernenden und Studierenden an der Gesamtbevölkerung liegt in den meisten europäischen Staaten zwischen 15 und 25 Prozent. Durch den Rückgang der Zahl der jungen Menschen in den vergangenen Jahren lässt sich der Rückgang von etwa 5 Prozent an der Gesamtbevölkerung erklären.
  • In Europa sind bei den Lehrenden im Primarbereich die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen und der 40- bis 49-Jährige am stärksten vertreten. In den meisten Staaten sind die Lehrenden im Sekundarbereich älter diejenigen im Primarbereich.
  • In sechs Staaten wird in den nächsten zehn Jahren ein Prozentsatz der Lehrenden im Sekundarbereich, die in den Ruhestand treten, von mehr als 40 Prozent erwartet.
18 Trend zur längeren Schulbildung    

In den meisten europäischen Staaten dauert die Vollzeit - Pflichtschule neun oder zehn Jahre, wobei die Schullaufbahnen für alle Lernenden bis zum Ende der Sekundarstufe I (14 oder 156 Jahre) ähnlich sind.

  • Reformen umfassen in mehreren Staaten eine Verlängerung der Pflichtschulzeit und Bemühungen den Anteil der Schulabbrecher zu senken (vgl. falls erforderlich, ein Verbleiben im Schulsystem bis zum Alter von 18 Jahren).
  • Die Pflichtfächer und die Unterrichtszeit nimmt in fast allen Ländern im Unterrichtsvolumen für die Natur- und Sozialwissenschaften sowie Fremdsprachen zu.
  • Entsprechend den Empfehlungen des EU - Parlaments und des Rates werden Anstrengungen unternommen, damit Lernende Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen entwickeln, die für ein Erwachsen- und Berufsleben eine Grundlage bilden.
  • Bemühungen zur Unterstützung benachteiligter Lernender sollen das Bildungspotenzial ausschöpfen (vgl. RAT 2006).
Daraus ergeben sich die folgenden Aspekte einer Sicherstellung zum Erwerb von Kernkompetenzen.

  • Die Bildungserwartung eines 5-Jährigen umfasst etwa 14 bis 19 Jahre. Im Vergleich zu 2002 hat sich in einer Gruppe von Staaten die Bildungserwartung um mehr als ein Jahr erhöht.
  • Im Primarbereich gilt als wichtigstes Fach die Unterrichtssprache, gemessen an der Zahl der anberaumten Unterrichtsstunden.
  • Im Sekundarbereich nimmt der Stundenanteil in der Unterrichtssprache und in Mathematik ab, das Unterrichtsvolumen für die Natur- und Sozialwissenschaften sowie Fremdsprachen in fast allen Staaten zu. Informations-und Kommunikationstechnologie (IKT) wird als Unterrichtsfach nur ein kleiner Teil der Unterrichtzeit gewidmet, häufig ist sie in andere Fächer integriert oder in technischen Fächern unterrichtet.
  • Schulbücher gelten für den Primarbereich als wichtigstes Instrument zum Erlernen von Lesen. Gegenüber 2001 ist ein Anstieg bei der Verwendung neuer Technologien für das Erlernen von Lesen zu verzeichnen.
  • Der Unterricht im Klassenverband ist die häufigste Unterrichtsform. In vielen Staaten wird diese Methode durch weitere Unterrichtsformen wie leistungsdifferenzierte Gruppen oder individualisiertes Lernen ergänzt.
  • In fast allen Bildungssystemen erhalten Lernende aus Migrantenfamilien mit fremder Muttersprache Sprachförderungen innerhalb der regulären Unterrichtsstunden und/oder in eigenen Gruppen bzw. Klassen.
19 Hochschulbildung    

In den Jahren 1998 bis 2006 nahm die Zahl der Studierenden im Tertiärbereich allein um 25 Prozent zu, wobei ein stetiger Anstieg in der EU zu verzeichnen ist (vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION 2006b; EURYDICE 2009c).

  • In den meisten Staaten müssen Studierende einen finanziellen Beitrag zu Studienkosten leisten.
  • Gleichzeitig kommen Studierenden finanzielle Unterstützungsmaßnahmen zugute, die nach verschiedenen Kriterien zur Deckung von Lebenshaltungskosten eingeführt wurden.
  • Die Kommission forderte die Mitgliedsstaaten auf, die Modernisierung europäischer Universitäten voranzutreiben, um Änderungen bei der Regulierung, Verwaltung und Finanzierung zu erreichen und dem Qualifizierungsbedarf der Arbeitskräfte zu begegnen.
Die folgenden Aspekte betreffen die Hochschulbildung und den wachsenden Bedarf an Finanzierung.

  • 2006 kamen im Durchschnitt 123 weibliche Studierende auf 100 männliche Studierende. Frauen sind in drei Bereichen in der Überzahl: Erziehungswissenschaften, Gesundheits- und Sozialwesen sowie Geisteswissenschaften und Kunst. Männer sind stärker vertreten in Technik/Technologie, Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik. Seit 2002 ist diese Situation weitgehend unverändert.
  • Studiengebühren sind in 16 Staaten eine häufige Form der privaten Beteiligung, wobei zwischen den verschiedenen Staaten zu zahlende Beiträge erheblich sich unterscheiden.
  • In fast allen Staaten gibt es finanzielle Unterstützungen zur Deckung der Lebenshaltungskosten und/oder Bezahlung von Verwaltungsgebühren und Beiträgen zu den Studienkosten.
Festzuhalten ist die Zahl der ERASMUS-Studierenden? (Studienaustausch in den EU-Ländern?), die steigend ist und mitunter Schwierigkeiten bei der Nostrifikation (Studienanerkennung) ergibt.

20 Gesamtausgaben für Bildung    

Der aufgebrachte Anteil der EU-Staaten? für das Bildungswesen des Bruttonationalprodukts/BIP liegt relativ stabil um 5 Prozent. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern mit erheblichen Veränderungen in den letzten Jahren. In nahezu allen Staaten steigen die Kosten pro Lernenden bzw. Studierenden mit der Bildungsstufe. Es gilt daher die Notwendigkeit, schneller und konkreter Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung einzuleiten, insbesondere angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise, um die Qualität in Forschung, Wissen und Bildung zu verbessern (vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION 2006a).

Eine direkte Unterstützung in Form von Kindergeld, Darlehen und/oder Steuervergünstigungen bietet die finanzielle Unterstützung für Familien mit Schülern und die Teilnahme an weiterführenden Bildungsgängen nach der Schulpflicht.

Die folgenden Aspekte weisen auf die Bedeutung einer gesicherten Finanzierung hin.

  • Die jährlichen Kosten in der EU belaufen sich durchschnittlich pro Schüler im Primarbereich auf 4800 €, in der Sekundarstufe auf 5600 € und in der Hochschulbildung auf 8300 €.
  • In fast allen Ländern besucht die Mehrheit der Lernenden öffentliche Schulen, an Privatschulen sind rund 2,5 Prozent der Lernenden angemeldet.
  • In allen Ländern machen die Personalausgaben der größten teil der Bildungsausgaben aus, etwa 72 Prozent der jährlichen Ausgaben in der EU.
  • Im Pflichtschulbereich werden die Ausgaben je nach Kostenart auf zentraler und/oder lokaler Ebene getroffen. In nur vier Ländern werden die Bildungsausgaben auf regionaler Ebene finanziert und eingesetzt.
  • In vielen Staaten werden die öffentlichen Ausgaben für das Lehrpersonal von der Zentralregierung festgelegt, während die Ausgaben für nicht lehrendes Personal, Betriebskosten und bewegliche Güter zwischen der zentralen Ebene und lokalen Institutionen aufgeteilt sind bzw. nur die lokale Ebene zuständig ist.
21 Lehrerbildung - Arbeitsbedingungen    

Lehrende haben als Schlüsselakteure zahlreich Verantwortlichkeiten und Pflichten, die häufig über die normale Interaktion mit Lernenden hinausgehen.

2007 hat der Rat der Qualität und Quantität der Lehrerbildung sowie der Lehrerfortbildung eine hohe Priorität eingeräumt (vgl. RAT 2007).

Es gibt nach wie vor große Unterschiede zwischen den formellen Anforderungen und der Realität im Alltag sowie den verfügbaren Mitteln.

Die folgenden Aspekte einer Lehrerbildung und der Arbeitsbedingungen Lehrender weisen auf die Bedeutung einer Anerkennung dieser Berufsgruppe hin.

  • Die meisten Lehrenden im Primar- und Sekundarbereich I sowie alle Lehrenden der Sekundarstufe II werden im Hochschulbereich mit einer akademischen Qualifikation ausgebildet.
  • Im Primar- und im Sekundarbereich I sind die meisten Lehrenden Frauen (mehr als 60 Prozent). In der Hochschulbildung sinkt der Frauenanteil unter 40 Prozent.
  • Immer häufiger wird eine spezifische Unterstützung junger Lehrender bei der Planung und Bewertung des Unterrichts bzw. einer speziellen Ausbildung angeboten. In nur elf Staaten gibt es eine formelle Unterstützung in Form einer "Ausbildungsphase".
  • Obwohl Fortbildung offiziell in vielen Ländern als berufliche Pflicht angesehen wird, ist sie in der Praxis optional.
  • In fast allen Ländern wird die Arbeitszeit von Lehrenden nicht nur als Zahl der Unterrichtssunden definiert, sondern auch als Präsenszeit in der Schule bzw. als Gesamtarbeitszeit festgelegt.
In fast allen Ländern liegt das offizielle Ruhestandsalter bei 65 Jahren. Häufig scheiden Lehrende aber bereits aus dem aktiven Dienst aus, wenn sie die erforderliche Zahl von Dienstjahren und/oder das Mindestalter für einen Ruhestandsbezug erreicht haben.

22 Schulautonomie    

Ursprünglich als Grundprinzip angestrebt - Unterrichtsfreiheit, lokale Schuldemokratie, Dezentralisierungsprozess - hat sich Schulautonomie als Instrument zum Erreichen von Bildungszielen bildungspolitisch in Europa entwickelt. Schulen und Lehrende wird eine größere Freiheit zur Verbesserung der Qualität von Bildung eingeräumt (vgl. EURYDICE 2007b und 2008).

Trotz des gemeinsamen Ziels bestehen große Unterschiede bei der Umsetzung in Europa sowie im Umfang und der Art der Umsetzung.

Die folgenden Aspekte weisen auf die Bedeutung der Thematik hin.

  • In vielen Ländern wird den Schulen eine Autonomie in der Verwendung öffentlicher Mittel für Betriebsausgaben und die Verwaltung des Lehrpersonals eingeräumt.
  • Bei der Einstellung Lehrender verfügen die Schulen und lokale Behörden in vielen Ländern über eine Autonomie.
  • Schulleiter verwenden im Durchschnitt mehr als 40 Prozent ihrer Arbeitszeit für Verwaltungsaufgaben (Personal, Mittelverwaltung) und deutlich wenig für Lehrtätigkeit.
  • Lehrende haben wenig Einfluss auf Inhalte der Lehrpläne, verfügen aber über große Spielräume der täglichen Unterrichtsgestaltung, der Methodenwahl und Wahl der Unterrichtsmaterialien sowie der Schülergruppen-Bildung? und internen Leistungsbewertung.
  • Viele Länder haben Elternvertreter, die in Verwaltungsräten oder Verwaltungsorganen mitbestimmen, mitunter beratende Funktionen besitzen.
  • In etwa der Hälfte der Länder bestehen spezifische Vorschriften für die Errichtung von Elternvertretungen.
23 Qualitätssicherung    

Neben der Bildung von Schulpolitiken für eine Schulautonomie wurden verschiedene Maßnahmen eingeleitet, die eine kontrollierte Steuerung und Evaluation von Bildungssystemen ermöglichen.

Mit der Steuerung wird eine Prüfung des Systems, seine Qualität, Maßnahmen zur Rechenschaftspflicht und eine Anpassung zur Leistungsverbesserung angestrebt. Die Steuerung wird auf der Ebene der Schulen, regional oder national, vorgenommen.

In Europa werden zentrale standardisierte Kriterien für externe Evaluationen von Schulen oder Tests als Instrument für Messungen und eine Steuerung der Qualität eingesetzt. Landesweite Tests von Lernenden, etwa als externe Abschlussprüfungen, finden statt (vgl. EURYDICE 2009b).

Die folgenden Aspekte zeigen wesentliche Überlegungen zur Thematik auf.

  • In vielen Ländern finden Evaluationen durch einen Schulbesuch der Schulaufsicht oder Schulpersonal intern oder Mitglieder der Schulgemeinschaft statt.
  • Viele Länder verfügen über aktualisierte Kriterienkataloge der zentralen Ebene für eine externe Evaluation.
  • Zunehmend an Bedeutung finden externe Tests zur Leistungsmessung Lernender auf nationaler Ebene.
  • Ergebnisse externer Evaluierung werden in mehr als einem Drittel der Länder veröffentlicht.
Literaturhinweise Bildungsreform I - II    

Battke A.-Fitzner Th.-Isak R.-Lochmann U. (2002) (Hrsg.): Schulentwicklung-Religion-Religionsunterricht?. Profil und Chance von Religion in der Schule der Zukunft, Freiburg

Boos-Nünning? U.-Karakasoglu Y. (2006): Viele Welten leben. Zur Lebenssituation von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund, Münster-New? York-München-Berlin?

Brauer M. (2014): An der Hochschule lehren. Praktische Ratschläge, Tricks und Lehrmethoden, Berlin-Heidelberg?

Council of Europe (Hrsg.) (2008): White Paper on Intercultural Dialogue. "Living Together as Equals in Dignity", 118th Ministerial Session, Strassbourg, 7 May 2008, Strassbourg: Coucil of Europe

Dichatschek G. (1991). Schulische Berufsorientierung von Mädchen. Probleme, didaktische Ansätze und bildungspolitische Forderungen, in: Erziehung und Unterricht 7/8 1991, 631-637

Dichatschek G. (2007): Lebens- und Lernbedingungen von Kindern und Heranwachsenden in der EU. Ein Beitrag zur politischen und Menschenrechtsbildung im Rahmen der "Education for Democratic Citizenship", in: Erziehung und Unterricht 1-2/2007, 129-138

Dichatschek G. (2008): Aspekte der vorberuflichen Bildung in Schule und Hochschule, in: Erziehung und Unterricht 5-6/2008, 445-451

Dichatschek G. (2017): Didaktik der Politischen Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder der Fachdidaktik der Politischen Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2021): Berufsorientierung - Theorie, Praxis und Handlungsfelder. Aspekte des Überganges von der Schule in die Arbeitswelt, Saarbrücken

Dichatschek G. (2021): Interkulturelle Kompetenz. Theorie, Praxis und Handlungsfelder im Kontext Interkultureller Öffnung und Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2022a): Schulentwicklung 1 - Unterrichtsentwicklung und Personalentwicklung. Gestaltung, Verwaltung und Machbarkeit im Kontext Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2022b): Schulentwicklung 2 - Organisationsentwicklung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder im Kontext Politischer Bildung, Saarbrücken

Europäische Kommission (2006a): Effizienz und Gerechtigkeit in den europäischen Systemen der allgemeinen und beruflichen Bildung. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, KOM 2006, 481

Europäische Kommission (2006b): Das Modernisierungsprogramm für Universitäten umsetzen: Bildung, Forschung und Innovation, KOM 2006, 30 vom 25.1.2006 und KOM 2006, 208 vom 10.5.2006

Eurydice(2007a): Schlüsselzahlen zur Hochschulbildung in Europa, Indikatoren und Zahlen

Eurydice (2007b): School autonomy in Europe: Policies and measures, vergleichende Studie

Eurydice (2008): Levels of autonomy and rtesponsibilities of teachers in Europe, vergleichende Studie

Eurydice (2009a): Frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung in Europa: ein Mittel zur Verringerung sozialer und kultureller Ungleichheiten, vergleichende Studie

Eurydice (2009b): National testing of pupils in Europe: Objectives, organisation and use of results, vergleichende Studie

Eurydice (2009c): Hochschulbildung in Europa 2009: Entwicklungen im Rahmen des Bologna-Prozesses?, vergleichende Studie

Gogolin I.-Neumann U. (Hrsg.) (2009): Streitfall Zweisprachigkeit - The Bilingualismn Controversity, Münster-New? York-München-Berlin?

Gütl B.-Orthey F.M.-Laske St. (Hrsg.) (2006): Bildungsmanagement. Differenzen bilden zwischen System und Umwelt, München-Mering?

Haag L.-Rahm S.-Apel H.J.-Sacher W. (Hrsg.) (2013): Studienbuch Schulpädagogik, Bad Heilbrunn

Hackl B.-Pechar H. (Hrsg.) (2007): Bildungspolitische Aufklärung. Um- und Irrwege der österreichischen Schulreform, Innsbruck-Wien-Bozen?

Hummrich M. (2002): Bildungserfolg und Migration. Biographie junger Frauen in der Einwanderungsgesellschaft, Opladen

Hunfeld H. (2004): Fremdheit als Lernimpuls, Klagenfurt

Integrationsfonds Österreich (2018): Magazin zusammen, Herbst 2018/02 - Entscheidung im Klassenzimmer, Wien

Kugler J. (2011): "Social Justice Takes a Village". Wie sich die Stärken von Migranteneltern in Armut für die Bildung nützen lassen, In: Neumann U.-Schneider J. (Hrsg.) (2011): Schule mit Migrationshintergrund, Münster-New? York-München-Berlin?, 285-293

Lenz W .(2005): Porträt Weiterbildung Österreich, Bielefeld

Lenzen D. (2014): Bildung statt Bologna!, Berlin

Matzner M. (2012) (Hrsg.): Handbuch Migration und Bildung, Weinheim-Basel?

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Zenz S.- Lenz W. (2022): Bildungsreformen praxisnah. Berufstätige erforschen ihr Umfeld, Wien

III Digitales Lernen und Lehren    

Vorbemerkung    

Die folgende Studie zu Themen des "Lernens und Lehrens mit Technologien" hat ihre Grundlage in der Bedeutung der verschiedensten Anwendungen, Einsatzgebieten, Perspektiven und Technologien. Der zunehmende Einsatz erfordert eine Auseinandersetzung mit dem Fachgebiet in einem interdisziplinären Ansatz.

Ausgangspunkt der Überlegungen sind die

  • Absolvierung des Online - Kurses "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner*innen"/ TU Graz, CONEDU (2017),
  • Absolvierung der Fernstudien Erwachsenenbildung und Nachhaltige Entwicklung/ Comenius Institut - Münster (2018, 2020) und
  • Auseinandersetzung mit der Fachliteratur.
Die Überlegungen beruhen ausschließlich auf persönlichem Interesse, einer langen Netzwerkarbeit und versteht sich als Einstieg in ein weites Themenfeld.

24 Einführung    

Als Einstieg in ein interdisziplinäres Themenfeld technologiegestützten Lernens und Lehrens geht es zunächst um Grundbegriffe.

Hilfreich sind deutschsprachige Handbücher als Einführung zum Online - Lernen ISSING - KLIMSA 2008, zum E - Learning HOHENSTEIN - WILBERS 2002, Innovativen Lernsystemen KUHLMANN - SAUTER 2008, erziehungswissenschaftlich als Einführung in ein Lehren und Lernen mit Medien STRITTMATTER - NIEGEMANN 2000.

Basis der Studie sind EBNER - SCHÖN 2011 und der Online-Kurs? "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner*innen" der TU Graz/ CONEDU 2017.

Lerntechnologien bilden zunächst digitale Geräte und Anwendungen zur Unterstützung des Lernens und Lehrens wie Präsentationstechnologie (Tageslichtprojektor, Diaprojektor), Kommunikationstechnologie (Telefon FAX), Computertechnologie (PC, Laptop), Internettechnologie (E-Mail?, World Wide Web) und Sensortechnologien (RFID, GPS bei Mobiltelefonen).

  • E-Learning? - Lern- und Lehrsituationen in Verbindung mit Computer und Internet (häufig Netzwerken),
  • Online-Lernen? - Lern- und Lehrsituationen für das internet- bzw. intranetgestützte Fernlernen,
  • Blended Learning (gemischtes Lernen) - Präsenzunterricht ergänzt mit Online - Phasen,
  • Wikis -Lern- und Lehrsituationen mit Inhalten von mehreren Benutzern,. aber nicht gleichzeitig bearbeitbar,
  • formal - learning (gesteuertes Lernen), non - formal - learning (selbstgesteuertes Lernen) und informal learning (natürliches Lernen im Alltag),
  • lebenslanges Lernen (lifelong learning, lebensbegleitendes Lernen) - lebensumspannendes Lernen und Lehren
Bezugsdiszipline bilden hauptsächlich der pädagogisch-psychologische Bereich und die Informatik. Kleinere Fachgebiete bilden die Medienpädagogik, Berufspädagogik, Personalentwicklung, Bildungsmanagement und Organisationsentwicklung.

Thematisch geht es um eine Einführung, Digitalisierung, technische Übersicht, Fernunterricht, Didaktik, Medienpädagogik, medienbasiertes Lernen, Leistungsbeurteilung und Lernen und Lehren mit Erwachsenen. Erkennbar ist die Weite des Themenfeldes durch die Bezugsdiszipline.

25 Digitalisierung    

Im Folgenden wird auf die Begrifflichkeit, Wandelphänomene und Bildungssysteme eingegangen.

25.1 Begrifflichkeit    

"Digital" kommt vom Englisch "digit" und bedeutet Ziffer, meint ursprünglich wohl in Zahlen gefasst. Eigentlich etwas, das unabhängig vom Computer ist. Etymologisch dürfte das von arabischen "diglit" kommen, das ursprünglich "Finger" bedeutet. es verweist auf das Zählen mit den Fingern, das daraus entstehende Dezimalsystem. Man findet das etwa in den Qualitätsdatteln "Diglit Nur" ("Finger des Lichts").

Digital ist somit nahe an Dezimal. Der Computer ist aber eigentlich nicht digital, sondern binär. Das Digitale/ Dezimale ist ein Thema des "interface" bzw. Schnittstelle zum Menschen. Die binären Codes werden zum Zwecke der Kommunikation (HCI Human - Computer - Interface) in dezimale Ziffern und Zahlen verwandelt als Software - Angelegenheit. Hätte der Mensch acht Finger, wäre unser Zahlensystem vermutlich oktal, die CPUs (Central Processing Units) der Computer wären in einer oktalen Welt unverändert binär.

25.2 Wandelphänomene    

Das Elektrische (-e-Mail, e-Car, AT), Informatorische (i-X, iPad) und Digitale durchdringt immer mehr unser Welt, im Sinne des "uniquituouscomputing" (allgegenwärtiger Computer) bis zum kommunikationsfähigen Chip in der Schilift-Karte? und in jedem Produkt. Der Lautsprecher wird zum Spracherkennungs-Endgerät? (Alexa), der Kühlschrank der Zukunft "weiß" um einen Inhalt, die personenfreie Supermarkt-Kassa? der Zukunft "liest" den Inhalt des Einkaufswagen durch Kommunikation mit den Produkten.

Das Orwellsche "1984" wird mehrfach übertroffen. Jedes Handy verortet seinen Träger und belauscht tendenziell mit Mikro und Kamera seine Umgebung. Die Smartwatsch/ Fitnessuhr vernimmt jeden Pulsschlag und Schritt der und protokolliert bzw. signalisiert Stress und Schlafqualität.

Erfindungen oder Ereignisse beeinflussen langfristig eine Entwicklung, oft im Verlauf von Jahrhunderten, auch in Form eines Lebenszyklus. Man denke etwa Acker, Eisen (zeit), Segelschiffahrt und Elektrizität. Auch die Entwicklung und Nutzung des Computers ist mitten in einer stürmischen Entwicklung, deren Ende oft nahe vermutet wird, aber derzeit 2022 weder inhaltlich noch zeitlich voraussehbar ist.

Digitalisierung als Nutzbarmachung von Computertechnologien ist ein Marathon, ein "moving target", nichts was sich erledigen lässt. Veranschaulicht wird diese Entwicklung beispielhaft. Apple setzt beginnend in 2020Q4 mit "Apple Silicon" neue Maßstäbe und schiebt die Grenzen des auf preiswerten Enduser-PC/Tablets/Smartphones? Machbaren hinaus. Durch den Übergang auf 5-nm-Fertigungsprozess noch höher integrierte, leistungs-stärkere, energie-sparsamere und kosten-günstigere CPUs möglich sind. CPU wird zur SOC (System on Chip) aufgewertet, zusätzliche Komponenten zur CPU werden hinzugenommen: leistungsfähige GPUs (grafic processor unit) und erstmals spezielle Prozessoren, die ML (machine learning, neuronale Netzwerke wie etwa Spracherkennung und Bilderkennung) hochleistungsfähig unterstützen. Im ersten Chip M1 arbeiten auf diese Weise nun 32 Prozessoren parallel. Damit erfolgt ein fast disruptiver Entwicklungssprung, mit einem Anspruch auf Marktführerschaft, der die Konkurrenz (Indel, AMD, Nividia) aufrüttelt und zu massiven Reaktionen/ Innovationen/ Preissenkungen zwingen wird.

Für ein digitales Lernen und Lehren bedeutet dies einen weiteren Schub in Richtung leistungsfähigerer und preisgünstigerer mobiler Endgeräte in 2021-2022, verbunden mit Softwareprodukten wie Lernsoftware mit leichter Einsetzbarkeit und hochwertiger künstlicher Intelligenz.

25.3 Bildungssysteme und Digitalisierung    

Bildungssysteme sind träge Systeme, die Entwicklungen hinterherhinken. Das gilt für Österreich im Vergleich zum weltoffenen-kompetitiven (wettbewerbausgerichteten) Deutschland und zur finanzstark-ökonomieverständigen-partizipativdemokratischen Schweiz.

Entsprechend wären notwendig

  • eine Reform und Flexibilisierung des Bildungssystems als Ziel an sich (lebensbegleitende Weiterbildung, Weiterqualifizierung Lehrender),
  • eine Reform der Inhalte mit transparenter Neubewertung aller Wissensbausteine und Kompetenzen,
  • Voraussetzung neuer Fächer und Fächerverbünde,
  • ausreichende und gleichmäßig fließende Budgetmittel für eine Digitalisierung der Bildung als Daueraufgabe,
  • andere Reformnotwendigkeiten wie Lehrerbildung, Migration und Schularchitektur nicht zu marginalisieren,
  • digitale Potenziale mit mehr Partizipation und Zusammenarbeit zu heben und
  • Bildung zur Förderung von individuellen Stärken und lebendiger Vielfalt unter Einbeziehung aller Stakeholder einzusetzen.
26 Technische Übersicht    

Angesprochen sind Endgeräte im Bildungsprozess und Unterricht in ihrer Verwendung, historisch von der Kreidetafel bis zum PC - Laptop - Netbook (vgl. genau EBNER - SCHÖN 2017, 23-30).

  • Kreidetafel - geht auf James Pillans (1778-1864) zurück (vgl. WAGNER 2014, 170)
  • Whiteboards - Weiterentwicklung ab 1990 mit speziellen Filzstiften verwendet
  • Diaprojektoren - 1926 von Leitz (Wetzlar) entwickelt, Dias und Diastreifen werden durch ein Objektiv auf eine Fläche projiziert
  • Tageslichtprojektor (Overhead - Projektor) - 1960 entwickelt für transparente Folien für eine Projektionsfläche bei Tageslicht, Blickkontakt des Lehrenden zum Publikum
  • Epiprojektoren (Episkop) - Projektion undurchsichtigen Papiers ("Auflichtprojektion")
  • Fernseher, Videorekorder, DVD - Player - Fernseher geht auf ein Patent von Paul Nipkow 1886 zurück, in der Folge kommt es zu Flachbildschirmen verschiedener Größe - Videorekorder zeichnen Filme auf und spielen sie ab, 1996 kommt es zum DVD - PLayer mit hoher Kapazität
  • Touchscreen - Interaktion mit einem Computer durch Berührung des Bildschirms, früher oft bei Info - Monitoren und Bankomaten, heute in Mobiltelefonen, Tablet - PC, Laptop und MP3 - Player
  • Videoprojektor ("Beamer") - Videosignal eines Computers oder DVD - Players auf Leinwand
  • PC, Laptop, Netbook - erster elektronscher Computer von Konrad Zuse um 1938 - 1945 entwickelt, moderne Computer basieren auf John von Neumann in den vierziger Jahren, der erste Laptop als mobiler PC wurde 1975 von IBM vorgestellt, das Netbook als kleinste Version hat oft nur eine geringe Leistung
  • Interactive Pen Displays - berührungsempfindlicher Bildschirm mit Stift, vergleichbar mit einem Tablet-Computer?
  • Mobiltelefone - mit dem Smartphone als Mobiltelefon und Funktionalität von Personal Digital Assistents erweitert sind die Geräte ausgestattet mit hochauflösender Kamera, Internet, GPS - Modulen und Touch - Displays, erstes Smartphone 1992 von IBM entwickelt ("Simon")
  • aktuelle und zukünftige Technologien - wichtigste Zukunftstechnologie sind die Tablet - Computer in einer derzeit angebotenen Form als Apple iPad.
Multi - Touch - Technologie wurde erstmals 2005 für ein Steuerungspult von Mischpulten eingesetzt. In der Folge kam es zu den heute bekannten "Slates" (Tablet - Computer ohne externe Tastatur).

Die Vielfalt der Technologien in der Lehre und den Bildungsprozessen weist auf die weiteren Möglichkeiten hin. Allgemein gibt es immer Schwierigkeiten und Skepsis in der Verwendung, klar ist der weitere Weg im technologischen Fortschritt unter Beachtung der Medienpädagogik und Ingenieurpädagogik in Verbindung mit Informatik (vgl. WAGNER 2014, MELEZINEK 1977).

27 Fernunterricht    

Die Funktion von Interaktion, räumlicher und zeitlicher Flexibilität mit möglicher Didaktik wird als Entwicklung in drei Generationen (Entwicklungsabschnitte) unterschieden, ab ca. 1850 die Korrespondenz - Generation, ab ca. 1960 die Telekommunikations- oder Open - University - Generation und die Computer- und Internet - Generation ab ca. 1990.

Zu beachten sind in der Folge die Entwicklungen des Online-Lernens? und neuere Entwicklungen eines mobilen und gemeinsamen Lernens (vgl. PETERS 1997, 27; EBNER - SCHÖN 2027, 45-53).

27.1 Mediengestütztes Lernen    

Technologiegestütztes Lernen ist mediengestütztes Lernen. Lernen steht im engen Zusammenhang mit Lehren, die Basislerntheorie bilden eine Lernkultur und die Didaktik.

Medien ermöglichen eine erweiterte Kenntnis von Inhalten und Lerntechniken. Kommunikation und Rückmeldungen (Feedback) als sozialer Prozess zwischen Lernenden und Lehrenden sowie der Kontakt zwischen den Lernenden ergeben eine moderne Interaktion durch eine IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie).

Die Entwicklung des Internets und die Didaktikmöglichkeiten für ein Online - Lernen ergaben einen Paradigmenwechsel.

  • Inzwischen bieten Universitäten Online-Kurse? und Studiengänge.
  • Es gibt E-Learning? in Schulen, in der Erwachsenenbildung im quartären Bildungsbereich und in der betrieblichen Qualifizierung (vgl. DICHATSCHEK 2017, 2018; Online - Kurs "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner*innen"/ TU-Graz?, CONEDU 2017).
Fernlernen kennzeichnet die räumliche und zeitliche Trennung von Lehrenden und Lernenden, Medien ermöglichen erst Lernprozesse, eine Interaktion und Flexibilität. Unterschiedlich sind die didaktischen Möglichkeiten und inhaltlichen Angebote sowie die Zertifizierungsmöglichkeiten und Teilnehmergebühren.

27.2 Technologische Innovationen    

Nach GARRISON (1985, 239-240; zit. nach EBNER - SCHÖN 2017, 46) werden drei Generationen/Entwicklungsabschnitte technologischer Innovation als Paradigmenwechsel des Lernens und Lehrens im Fernstudium unterschieden. Wesentlich sind die Printmedien, Telekommunikationsmedien und der Computer (zweikanalige Kommunikation), ergänzend unikanalig Radio, Fernsehen oder DVD.

  • Printbasierter Fernunterricht - Studienbriefe bzw. Unterlagen zum Selbststudium (vgl. LANGENSCHEIDT - TOUSSAINT Französisch Sprachkurse mit Lautschrift und in der Folge mit Schallplatte), wesentlich ohne Betreuung in den Anfängen und daher eigentlich kein Fernunterricht. Großbritannien gründete 1875 in Pretoria(SA) die "University of South Africa (UNISA)" als erste Fernuniversität der Welt.
  • Fernuniversität und Telekommunikation
    • Vorreiter ist die 1969 gegründete britische Open University (OUUK). 1974 wurde im deutschsprachigen Raum die Fern-Universität? in Hagen gegründet, die heute noch die größte Universität Deutschlands ist. In den folgenden Fernuniversitäten wurde ein systemischer Ansatz angewandt, Prozesse der Kurskonzeption, mediendidaktische Aufbereitung und fachliche und organisatorische Betreuung der Studierenden in einem arbeitsteiligen Prozess. Studienzentren nach dem Vorbild der OUUK mit dem Zugang zur Technologie, Videokonferenzen, Studienmaterialien, Bibliotheksdienst, Studienberatung und Prüfungszentren bilden mit ihrer Gründung einen wichtigen Teil des Betreuungssystems (Fern-Universität? Hagen mit 13 Regionalzentren).
    • Telekommunikationsmedien ermöglichen die Übertragung und Kommunikation von Ton, Bild und Text. Durch die Fülle der Möglichkeiten wie Telefon, FAX, TV, Video und Radio sowie Audio-, Video-und Computerkonferenzen entsteht die Bezeichnung "Multimedia Distance Teaching", neben den Fernuniversitäten auch etwa in Australien in den "Buschschulen" eingesetzt.
  • Computer - Internet ("Computer Assisted Learning"/ CAL)
    • Interaktion versteht sich als die Verbindung zum Computerprogramm, wobei allerdings der Programmierte Unterricht ohne soziale Interaktion und einem Dialog zwischen Lernenden und Lehrenden sowie Lernenden untereinander wenig erfolgreich ist.
    • 1989 veröffentlichte der Brite Tim BERNERS-LEE? (CERN/ ""European Organization for Nuclear Research") ein Proposal mit der Vorstellung eines netzwerkbasierten Systems, in der Folge als "World Wide Web" (WWW) bezeichnet. Murray TUROFF vom New Jersey Institute of Technology (1995) gilt als Erfinder der Computerkonferenzmethode ("Computer M3ediated Communication"/CMC und Entwickler der CMC-Plattform? "Virtual Classroom". In der Folge haben sich die heutigen Lern- und Campus-Management-Systeme? entwickelt. Der persönliche Dialog und Tools für gemeinsames Lernen und Arbeiten sind der wertvollste Beitrag der neun Technologie für das Fernstudium (vgl. KIRKWOOD 1998, 1228-241, zit. nach EBNER - SCHÖN 2017, 50).
27.3 Technologiegestütztes Lernen    

Mitte der neunziger Jahre hat sich das Online-Lernen? bzw. E-Learning? stark entwickelt. Beispielhaft sind die USA mit 2007 2,9 Millionen Studierenden in Online-Kursen? (vgl. ALLEN-SEAMAN? 2008 > http://www.sloan-c.org/publications/survey/pdf/staying_the_course.pdf [7.1.21]).

In der Folge entschieden sich immer mehr jünger Personen nach der Schule für ein Online-Studium?, die Gruppe der 25 bis 44jährigen gilt als die größte. In den USA wurden die Präsenzuniversitäten immer teurer und durch das notwendige Geld verdienen wird ein Studium in Teilzeit ein günstiges Bildungsangebot.

Mobile Endgeräte wie Handys und Tablet-Computer? ermöglichen ein E-Learning? am PC und den just-in-time Zugang zu Wissen und Information. Der demokratische Bildungsprozess erfährt damit eine Steigerung in seiner Entwicklungsstufe.

27.4 Gemeinsames Lernen im Web 2.0    

Web 2.0 ist eine Bezeichnung zur Beschreibung von neuen interaktiven Anwendungen des Internet und WWW. Die Nutzer können selbst Inhalte erstellen. Beispiele dafür sind die Wikis, Wedblogs und "Social Tagging" (gemeinschaftliches Indexieren) sowie Bild- und Video-Sharing-Portale?.

Kooperatives Lernen bietet sich an (vgl. ERPENBECK-SAUTER? 2007). Es entstehen eine Vielzahl von Web-Angeboten?, die über keinen eigenen Datenbestand verfügen, vielmehr Daten von Dritten in neuen Diensten kombinieren ("Mash-Up?"). Die Kreativität der Nutzer wird ein wesentliches Element. Beispiele sind Wikipedia und Flickr. Die Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten aus der Web-1.0 - Phase schwinden. "Soziale Netzwerke" wie Xing, Facebook, StudiVZ und Youtube sowie Kommunikationsmedien wie Blogs schaffen Räume von Kommunikation im Internet (vgl. WOLLING 2009, 7-18).

"Personal Learning Environments" (PLE) sind webbasierte Mashups mit einer individuellen Lernumgebung. Das selbstgesteuerte und aktive Lernen der Studierenden rückt mehr in das Zentrum (vgl. SCHAFFERT-KALZ? 2008, 1-24).

28 Didaktik    

Lerntheorien bilden eine wichtige Grundlage für didaktische Entscheidungen und Lehrstrategien. Als Paradigmen gelten Behaviorismus, Kognitivismus, Konstruktivismus und mit Einschränkung Konnektivismus (vgl. EBNER-SCHÖN? 2017, 93).

Ziele eines Lehrvorhabens sind entscheidend für eine Umsetzung bzw. Gestaltungsstrategie, unterstützt wird eine Analyse der Zielvorhaben durch Lehrzieltaxonomien. Zwei klassische Formate bilden darbietendes und entdeckendes Lehren in Verbindung mit entsprechender Lernumgebung.

28.1 Einführung    

Didaktik wird heute in der Erziehungswissenschaft als Wissenschaft vom Lehren und Lernen definiert (vgl. KLAFKI 1995, 92-93). Die Abgrenzung der Didaktik von der Methodik als Begriff spielt heute kaum eine Rolle. In der beruflichen Aus- und Weiterbildung wird Didaktik oft mit einer planmäßigen Vorgehensweise beim Lehren gleichgesetzt. Angenommen wird die Wechselwirkung zwischen Lehrenden, Lernenden und den Lehrinhalten (vgl. "Didaktisches Dreieck").

Lehren wird als zielgerichtetes Verhalten bzw. Handeln verstanden (vgl. STRITTMATTER-NIEGEMANN? 2000, 9-10). Zu Lehrfunktionen gehören Motivation und Motivierung, Informationsvermittlung, Sichern des Verstehens und Verarbeitens, Sicherung des Behaltens und Erinnerns der Inhalte, im Ausmaß und der Zusammenstellung sowie der Sequenzierung (Abfolge), Sicherung des Wissenstransfers (Anwendung des Wissens) auf neue Aufgaben und Situationen und eine Anleitung zur Realisierung (Betreuung und Begleitung).

In der modernen Lehr-Lernforschung? wird die Bezeichnung "scaffolding" in solchen Lehrmaßnahmen verwendet, um Lernenden eigene Einsichten zu verhelfen (vgl. SHUELL 1996, 752). Die folgenden Lernfunktionen von Lernenden und/oder der Lernumgebung initiiert, sollen einen angestrebten Lernerfolg erzielen, etwa Erwartungen generieren, Motivieren, Vorwissen aktivieren, Aufmerksamkeit lenken, Enkodieren (Einspeicherung kognitiver Inhalte), Vergleichen, Hypothesen generieren, Wiederholen, Rückmeldungen erhalten, Bewertungen erhalten, Überprüfen("monitoring") sowie Kombinieren und Integrieren des Gelernten. Offen bleibt die (Fach-) Didaktik und welche Sequenzen die Lernfunktionen erbringen sollen.

28.2 Übersicht Lerntheorien    

28.2.1 Behaviorismus    

Der Behaviorismus hat als Lerntheorie bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts die Prinzipien der Lernpsychologie dominiert. Grundlage ist das Reiz-Reaktions-Modell?. Das Gehirn wird als Organ gesehen, das auf Reize mit angeborenem oder erlerntem Verhalten reagiert. Neue Reize formen das Verhalten.

Beim klassischen Konditionieren ein neutraler Reiz zeitlich mit einem Reiz gekoppelt, der eine reflexartige Reaktion auslöst, das funktioniert bei physiologischen und emotionalen Reaktionen (Furcht, Stress; vgl. WATSON-RAYNER? 1920,1-14).

Beim operanten Konditionieren wird ein spontanes Verhalten mit einem angenehmen Reiz oder der Entfernung unangenehmer Reize verstärkt und damit geformt (vgl. SKINNER 1954, 221-233). Das Verhalten wird durch eigenes Tun und Nachahmung erlernt. Mit dem "Lernen am Modell" hat BANDURA (1977) um kognitive Aspekte erweitert.

Lernen als Sonderform des Verhaltens wird als eine Form des Trainings verstanden. In der Folge kommt es zwangsläufig zu einer autoritären Rolle des Lehrenden (vgl. EBNER-SCHÖN? 2011, 95).

28.2.2 Kognitivismus    

Mit Beginn der achtziger Jahre kommt es durch die zunehmende Bedeutung der technischen Gebiete, benannt als "Informationsverarbeitungsparadigma", zum lerntheoretischen Führungsanspruch (vgl. BAUMGARTNER-PAYR? 1999). Lernen gilt als mentaler Prozess, der sich in der Informationsverarbeitung im Computer modellieren lässt.

Es kommt zur Aufnahme und Verarbeitung von Informationen mit dem Erwerb von Wissen. Lern- und Lehrprozesse sind zumeist sprachlich codierte Informationen vom Sender (Lehrenden) zum Empfänger (Lernenden). Der konnektionistische Ansatz ergänzt oder modifiziert mit biologischen Modellen den Kognitivismus (vgl. REY 2000).

Kennzeichnend ist die Kennzeichnung und Suche nach kognitiven Prozessen. Die Lehrenden bereiten Inhalte didaktisch auf, um die Informationsverarbeitung zu erleichtern. Das Kommunikationsverhältnis ist bidirektional (vgl. BAUMGARTNER-PAYR? 2004).

28.2.3 Konstruktivismus    

Varianten dieser Lerntheorie beziehen sich auf die Erkenntnistheorie, Neurobiologie, Gehirnforschung; Kommunikationswissenschaft, Wissenssoziologie und Kognitionsforschung (vgl. PÖRKSEN 2001). Gemeinsam den wissenschaftstheoretischen Ansätzen ist die Auffassung, dass sich die Realität nicht objektiv wahrnehmen und beschreiben lässt und daher nicht voraussetzungsfrei erkannt werden kann (vgl. EBNER-SCHÖN? 2011, 96).

Denken, Wahrnehmung und Erkenntnis beruhen auf den Konstruktionen eines Beobachters. Der Mensch bildet ein System, das mit der Umwelt verbunden ist. Unser Gehirn reagiert nur auf bereits verarbeitete und interpretierte Information von außen (Autopoieis). Lernen ist demnach ein autopoietischer Vorgang, von außen angeregt oder gestört.

Es bedarf Lernumgebungen mit komplexen Problemen und authentischen Inhalten, der Anregung eigener Erfahrungen und Anlässen für sozialen Austausch (vgl. REUSSER 2006, 151-168). Wissen ist demnach eine individuelle und soziale Konstruktionsleistung des Menschen.

Feldstudien mit teilnehmender Beobachtung und interpretativen Verfahren sollen komplexe Phänomene besser verstehen. Der Mensch unter dem Aspekt des Konstruktivismus gestaltet seine Umwelt und verändert sie. Lehren und Lernen gelten als unterschiedliche Systeme, eventuell lose verbunden. Demnach erscheint Lehren wenig sinnvoll (vgl. EBNER-SCHÖN? 2011, 96). Als Coach hat der Lehrende einen Erfahrungsvorsprung und unterstützt Lernaktivitäten.

28.2.4 Konnektivismus    

Als eigene Lerntheorie umstritten, versteht Konnektivismus Lernen als einen selbstorganisierten Prozess, der sich in Netzwerken vollzieht und in der Bereitstellung von Verbindungen besteht.

Es verlagert sich der Ansatz auf ein verteiltes Wissen zur Nutzung in realen und virtuellen Netzwerken ( vgl. MOSER 2008). Der Ansatz geht von der Beobachtung aus, dass Menschen eher neue Zusammenhänge in einer medialen und technisierten Welt herstellen als Neues konstruieren. Ausgehend von einer sich rasch ändernden Welt, Entscheidungen treffen zu müssen, werden diese bereits als Lernakt gesehen.

Eine Vermittlungsdidaktik ist hier nicht möglich. Die Lernenden sind in der Verantwortung, sich gegenseitig zu unterstützen und die vorhandenen Informationsquellen zu nützen. Lehrende können bestenfalls Netzwerke ermöglichen.

28.3 Lehrzieltaxinomien    

Als Klassifikationsschema mit einheitlichen Regeln werden Gegenstände, Prozesse oder Phänomene geordnet.

Eine Lehrzieltaxinomie ordnet konkrete oder abstrakte sowie fachliche oder überfachliche Lehrziele. Verschiedene Dimensionen des Lernens wie kognitive, emotionale und motorische Lehrziele können festgemacht werden. Das klassische Beispiel einer Lehrzieltaxinomie bildet die Taxinomie in den fünfziger Jahren von BLOOM und Mitarbeitern mit kognitiven, affektiven und psychomotorischen Lehrzielen (vgl. BLOOM-KRATHWOHL? 1956).

In der Folge haben ANDERSON und KRATHWOHL (2001) die Taxonomie von Bloom überarbeitet. Ihre Matrix bezieht sich ausschließlich auf die Kognition (Faktenwissen, Konzeptwissen, Prozesswissen, Metakognitionswissen/ Wissen über das eigene Wissen).

Als Alternative werden mitunter Lernzieltypen empfohlen (vgl. OSER-PATRY? 1990). Die Lehrziele sind weder hierarchisch noch nach Dimensionen klassifiziert. Jeder Lernzieltyp wird einer bestimmten Lernform zugeordnet und bildet damit ein Basismodell.

  • Lernen durch Eigenerfahrung und entdeckendes Lernen,
  • Begriffs- und Konzeptbildung zum Aufbau von Fakten, Sachverhalten und vernetztem Wissen sowie
  • Routinebildung und Training von Fertigkeiten als Ziel einer Automatisierung.
29 Medienpädagogik    

Medienerziehung bzw. Medienbildung ist aus unserem Bildungssystem aktuell nicht wegzudenken. Pädagogik und Didaktik bilden Schwerpunkte. Als weites Themenfeld gibt es unterschiedliche Strömungen in der Medienpädagogik.

Nach EBNER-SCHÖN? (2011, 103-105) spielen aktuell die bewahrpädagogische, kritisch-emanzipative, bildungstechnologische und handlungsorientierte Medienpädagogik eine Rolle. Ziel ist die Ausbildung von Medienkompetenz, das Web 2.0 erhält zunehmende Bedeutung.

Unterschiedliche Fachbereiche mit ihren Fragestellungen beeinflussen die Medienpädagogik, die Erziehungswissenschaft, Medienwissenschaft, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Soziologie (vgl. SWOBODA 1994, 11-24; BAACKE 2007, 4).

Erziehungs- und Bildungsprozesse betreffen etwa die Freizeit, Aus- und Fortbildung, Politische Bildung, Interkulturalität, Wirtschaftspädagogik und Berufspädagogik.

29.1 Strömungen der Medienpädagogik    

Verschieden Strömungen der Medienpädagogik unterscheiden sich im Laufe der Zeit, bestehen mitunter bis heute parallel nebeneinander wie die traditionell bewahrpädagogische, kritisch-emanzipative, bildungstechnologische und handlungsorientierte Position.

  • Die bewahrpädagogische Position steht für eine Schutz vor schädlichen Medieneinflüssen im Erziehungsprozess der neuen Medien und Massenmedien (vgl. POSTMAN 2003, SPITZER 2006).
  • Dir kritisch-emanzipative Position geht von der Kritischen Theorie aus, eine Auseinandersetzung mit Print- und E-Medien? und ihren Herrschaftsstrukturen zu führen. Die Sozialwissenschaften setzen auf politisch-orientierte Gesellschaftsveränderung (vgl. GANGUIN-SANDER? 2008, 62). Es fehlt dem Ansatz die Praxis und Handlungsorientierung, in der sie wirksam hätten werden können. Für die Politische Bildung von Interesse wäre eine Bildung einer Gegenöffentlichkeit und das aktive politische Individuum.
  • Die bildungstechnologische Position bemüht sich um die Einsatzmöglichkeiten von Medien in Bildungsprozessen, um Lehre und Lernen zu verbessern (vgl. HÜTHER-PODEHL? 2004, 117).
  • Die handlungsorientierte Position verbessert die Benützung. Die handlungsorientierten Medien der achtziger Jahr mit einem Bürgerjournalismus und offenen Kanälen verbessern die Nutzung von Medien, in der Folge entsteht das Konzept der Medienkompetenz. Damit erkennt man den Kontext der Medienpädagogik mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen und der aktuellen partizipativen Struktur mit den Web 2.0 Medien.
29.2 Medienkompetenz    

Mit BAACKE (2007) erhielt der Begriff Bedeutung, wobei Medienkompetenz aus dem Konzept der "Kommunikativen Kompetenz" von Jürgen HABERMAS entwickelt wurde.

Hier wird die umfassende Fähigkeit des Menschen sich zu verständigen, mittels Symbolen sprachlicher und nicht-sprachlicher Art, verstanden (vgl. SCHORB 2009, 50-56). Ziel ist die Gestaltung und Veränderung des Zusammenlebens von Menschen.

  • Kommunikation ist demnach auf eine soziale Realität ausgerichtet. In der Vielfältigkeit der Begrifflichkeit ist Medienkompetenz von der aktuellen Medientechnologie abhängig (vgl.
STRITTMATTER - NIEGEMANN 2000, 38; EBNER - SCHÖN 2011, 107).

  • Abgedeckt wird in der kognitiven Dimension die Medienkunde, in der Handlungsorientierung die Mediennutzung, in der moralischen Dimension die Medienethik und in der ästhetischen Dimension die Mediengestaltung.
  • Den Aufbau von Medienkompetenz im formellen Lernen bzw. Lehren betrifft die Schule, Hochschule und außerschulischen Bildungsbereich der Jugendarbeit und besonders Berufliche Bildung.
Digitale Medienkompetenz bedeutet ein aktive (Erstellung, Gestaltung, Publikation) und passive Kompetenz (Konsum, Auswertung, Bewertung) mit der Besonderheit

  • Digitale Medien sind tendenziell Massenmedien (weltweiter Zugriff),
  • für den Einzelnen fast kostenfrei,
  • für die Betreiber mit erheblichen Kosten verbunden, finanziert zumeist durch Einnahmen aus Produkten oder Benutzungsgebühren,
  • Bildungsanbieter benötigen ein IT-Budget? und
  • zielgerichteten Werbeflächen und einer Auswertung der Benutzer ("gläserner Mensch").
30 Medienbasiertes Lernen    

30.1 Planung und Gestaltung    

Die Konzeption mediendidaktischer Lehrmedien in medienbasierter Lernumgebung bedarf systematischer Planung und Gestaltung.

Lehrmedien müssen anders als bei der Planung im Unterricht die Grundlage für weitgehend selbständiges Lernen bis in alle Einzelheiten konzipiert und entwickelt werden (vgl. STRITTMATTER-NIEGEMANN? 2000, 7-17). Aus heutiger Sicht ist der fehlende Bezug zu einem psychologischen Modell des Lehr-Lern-Prozesse? problematisch.

Eine andere Entwicklung, die in Europa kaum verwendet wird, entwickelte sich in Nordamerika. "didactical" im nordamerikanischen Englisch hat eine eher negative Konnotation. Sie steht für einen rigiden und lehrerbestimmten Unterricht im Stil der religiösen Sonntagsschulunterweisung (also frontal-dominierend-reproduzierend-auswendig-lernend im Format eines didaktischen Materialismus).

Planungsmodelle für Bildungsangebote unterscheiden verschiedene Lehrziele und Lehrzielkategorien in bestimmter Folge von Lernschritten.

Dieses "Instructional Development Model"/ ID umfasst den Schulunterricht bis zur computerunterstützten Lernumgebung (vgl. GUSTAFSON-BRANCH? 1997).

Kern dieses Ansatzes bzw. der Theorie sind

  • Empfehlungen, was zu tun ist,
  • unter bestimmten Rahmenbedingungen mit bestimmten Lernvoraussetzungen,
  • Lernziele einer Kategorie zu erreichen.
30.2 Instruktion    

Instruktion geht von Instruktionstheorien aus und umfasst Demonstrieren, Erzählen und Erklären sowie Materialien, Aufgabenanforderungen und Reaktionen auf die Aktivitäten Lernender.

Damit ist Instruktion umfassender als Unterricht und beinhaltet die Entwicklung von Lehrmedien und deren Einsatz (vgl. STRITTMATTER-NIEGEMANN? 2000, 8). ID hat in den USA seit den sechziger Jahren eine Technologie der Planung und Gestaltung von Bildungsprozessen auch in der Weiterbildung entwickelt, Pionier ist Robert M. GAGNE (1985). Unterschieden werden fünf Lehrzielkategorien.

Grundprinzip der ID ist die Sicherung der Lernvoraussetzungen für die folgenden Lehrinhalte. Erforderlich ist eine Kategorisierung der Fähigkeiten.

  • Sprachliches Wissen - Bezeichnungen, Argumente, Faktenwissen und Theorie,
  • Kognitive Fähigkeiten - Unterscheidungsfähigkeit, anschauliche und abstrakte Begriffe, Regeln und Problemlösung,
  • Kognitive Strategien - Methodenentwicklung zur Effizienzverbesserung von Denk- und Lernprozessen,
  • Einstellungen - mentale Zustände bei Handlungsentscheidungen gegenüber Menschen, Dingen und Ereignissen,
  • Motorische Fähigkeiten - praktische Aufgaben unter Benutzung von Geräten und Materialien, Verfahren korrekt und flüssig in angemessener Zeit und Genauigkeit erfüllen.
Für die angestrebten Lernresultate werden entsprechende Lehrmethoden empfohlen. GAGNE (1985, 245) unterscheidet eine spezifische Abfolge von Lehrereignissen ("Lehrschritte"). Damit werden die notwendigen Lernbedingungen für die Aneignung der Fähigkeiten bezeichnet.

  • Gewinnen von Aufmerksamkeit
  • Information über Lehrziele
  • Aktivierung von Vorwissen
  • Darstellung des Lehrstoffes
  • Anleitung zum Lernen
  • Ausführung des Erlernten
  • Rückmeldungen geben
  • Kontrolle der Leistung und Beurteilung
  • Sicherung des Transfers
30.3 Digitale Potenziale    

Digitale Potenziale bilden

  • eine verstärkte digitale Kommunikationsmöglichkeit und Partizipation aller Beteiligten des Bildungssystems,
  • digitale Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien, etwa eine kostenfreie Gesamtbibliothek bis zur Reifeprüfung, ein Memory-Stick? für jeden Staatsbürger,
  • Digitale Erklärvideos integrierbare in den Unterricht,
  • Aufbau von Online-Kursen? in den einzelnen Bildungsbereichen für Qualifikationen und
  • Gamification von Lerninhalten, Flipped Classroom (Lernen zu Hause).
30.4 Technische Infrastruktur    

Bandbreite ist der Ausdruck für die Datenmenge in Bit oder Byte, die über eine bestimmte Datenleitung pro Zeiteinheit/ Sekunde transportiert werden kann. Moderne Internetverbindungen für Videos und schnelle Downloads werden als "Breitband" bezeichnet und liegen im Bereich 1-1000 MBit/s.

Server im Eigentum und unter Kontrolle einer Bildungsinstitution zur digitalen Unterstützung der Lehrenden und Lernenden dienen beim digitalen Lernen und Lehren in der Bildungsinstitution und von Zuhause ("distance Learning").

Allgemein verfügbare digitale Mediensammlungen (digitale Mediathek) bilden Speicherbereiche nach Fachbereichen und nach Zeitablauf.

30.5 Entwicklung von Lehr- und Lernsituationen    

Das Phänomen M 0 0 C (Massive Open Opline Course) meint Online - Kurse, die von zahlreichen Lernenden absolviert werden können. Bekannt wurden solche Online - Kurse von US - Elite - Universitäten, die für einige Jahre zu einer Zukunftsvision der universitären Bildung wurden.

Digitale Bildung eröffnet Entwicklungsvisionen für ländliche und periphäre Gebiete.

  • Lernende können hochqualitative Studien und Abschlüsse absolvieren ohne abzuwandern. Notwendig ist eine Breitband-Versorgung?, in der Folge für die Gründung und Ansiedlung von Unternehmen.
  • Für eine Attraktivität der Region für städtische Zuzügler und Touristen ist ebenso die Breitband-Versorgung? unabdingbar.
30.6 Problembereiche    

Als mediierende Position gelten Vor- und Nachteile auch für digitales Lernen und Lehren.

  • Als "Lernen mit Tastatur und Bildschirm" wird die soziale Seite verdrängt, weil Lernen im Kontakt und durch Kommunikation durch den Folter einer Videoübertragung behindert wird. Vermutlich wird es Verlierer und Gewinner geben, Menschen mit und ohne Talent dafür.
  • Geschaffen wird eine Vertrautheit mit digitalen Produkten und Werkzeugen, was sowohl im Alltag als auch in der Wirtschaft verlangt werden.
  • Die Versuchung "Kopieren und Einfügen" lässt schwerer die Eigenleistung ablesen. Es besteht die Gefahr einer solchen Einstellung durch die Schule und Mitnahme bis in den universitären Bereich ohne Unrechtsbewusstsein (Stichwort "Plagiate").
Unverzichtbar ist digitales Lernen und Lehren in bestimmten Situationen, die einen Erwerb zur Fähigkeit von Selbst-Organisation? und Selbst-Disziplin? notwendig machen. Zu beachten sind diese Teilschritte auf einem Weg zur Bildungs-Autonomie? mit Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation (lebensbegleitendes Lernen).

31 Leistungsbeurteilung mit E - Assessment - Systemen    

Nach der Phase der Vermittlung von Wissen erhalten zunehmend computerunterstützte Prüfungen Bedeutung.

E - Assessment - Systeme ergeben eine elektronische Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Kontrollen eines Lernfortschritts. Im Folgenden geht es um didaktisch-methodische und organisatorische Aspekte.

  • Eine Lernfortschrittskontrolle it die Abfrage, Messung und Bewertung des internalisierten Wissens und der Methodenbeherrschung eines Lernenden. Ziel ist die Information über den Lernstand.
  • E-Assessments? haben die Anforderungen auf die Dimensionen der Didaktik, Methodik und Organisation zu erfüllen (vgl. GRUTTMANN 2010). Zu beachten ist ergänzend die technische Unterstützung.
Didaktik - Einfluss auf Lehr- und Lernziele, beeinflusst die Art der Lernfortschrittskontrolle (LFK) - formatives Assessment mit mehreren kleineren Prüfungen im Rahmen des Lernprozesses, kontinuierlicher Überblick über Lernfortschritte - summatives Assessment mit Erreichen des Lernziels, Abschluss der Lernphase mit Zertifizierung - diagnostisches Assessment mit unterschiedlichen Formen wie lernbegleitendem oder selektivem Charakter

Methodik - konvergente Aufgaben mit genauer Definition der Lösung( etwa Multiple Choice - Aufgaben) - divergente Aufgaben erfassen Hintergrundwisssen, Lösungswege und Begründung (etwa Freitextaufgaben)

Organisation - Gliederung notwendig in Phasen

  • Vorbereitung - Fragenkatalog, Teilnehmerliste, Raum- und Zeiteinteilung sowie Datenaufnahme
  • Durchführung- Systembetrieb, Anwesenheit und Identität der Teilnehmenden, Hinweise auf Durchführung und
  • Nachbereitung - Korrektur der Arbeiten, Rückmeldung und Notenlisten, Archivierung
E-Assessment-Systeme? können eine Verbesserung der Effizienz und Effektivität bewirken. Die drei Dimensionen sind zu berücksichtigen. Die zunehmende Zertifizierungsnotwendigkeit im Hinblick auf eine Leistungsorientierung in der Gesellschaft und in den Bildungssystemen macht vermehrt LFK und Prüfungen notwendig.

32 Lernen und Lehren in der Erwachsenenpädagogik    

Lernen und Lehren im tertiären und quartären Bildungsbereich mit Technologien ermöglicht

  • mehr Selbststeuerung,
  • Anwendungsorientierung und Flexibilität,
  • bei der Gestaltung von Lehr- und Lernangeboten in Studieninhalten, beruflicher Fortbildung und privaten Kontexten sowie dem lebensbegleitenden Lernen.
Zu beachten sind die bestehenden Vorbehalte und/oder fehlenden institutionellen Rahmenbedingungen. Mit den Möglichkeiten des Web 2.0 und zunehmenden Internationalität der Erwachsenenpädagogik erhalten technologiebasierte Bildungsprozesse eine Bedeutung (vgl. E-Plattform? für Erwachsenenbildung in Europa/ EPALE > https://ec.europa.eu/epale/de/resource-centre/content/netzwerk-gegen-gewalt ; > https://epale.ec.europa.eu/de/node/152088 [12.01.21] ).

Im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern bedarf es vermehrter interessanter Angebote.

Erwachsenenpädagogik betrifft den tertiären Bildungsbereich (Hochschulen) und quartären Bildungsbereich mit Allgemeiner Erwachsenenbildung und der Breite der Beruflichen Erwachsenenbildung mit Berufsqualifikationen.

  • Aus dieser Perspektive geht es in Bildungsprozessen um neues Wissen auf dem Hintergrund der Vorbildung (vgl. die Bedeutung einer professionellen Bildungsberatung).
  • Technologie wird dem Wunsch nach Selbststeuerung gerecht, indem sie zu einer Flexibilität in den Lern- und Lehrprozessen führt. Ein Zugang zum Lernen wird erleichtert und individuelle Lernwege unterstützt.
  • Technologiegestütztes Lernen ersetzt keinesfalls die notwendige Interaktion der Lernenden mit Lehrenden face-to-face und erreicht keine vergleichbare Qualität wie Präsenzveranstaltungen. Blended-Learning-Konzepte? bilden einen Königsweg.
  • Ältere Erwachsene und medienaffine jüngere Erwachsene bedürfen eines sicheren Umgangs mit den Medien und einer Einsicht in einen Mehrwert.
  • Ein sinnvoller Technologieeinsatz setzt eine Medienkompetenz der Lehrenden voraus (vgl. die Bedeutung des Online-Kurses? "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner*innen"/TU Graz-CONEDU?).
  • Erwachsenenpädagogik für Lehrende gilt als am wenigsten professionalisierter Bildungsbereich, zumal die Breite der Ausbildung der Lehrenden keineswegs eine professionelle Aus-und Fortbildung voraussetzt (vgl. für den Hochschulbereich die Angebote der internen Personalentwicklung bzw. Interne Lehrgänge für Hochschuldidaktik; für den Bereich der Allgemeinen Erwachsenenbildung die Weiterbildungsakademie Österreich, interne Aus- bzw. Fortbildungsangebote der einzelnen Institutionen; EBNER-SCHÖN? 2011, 387-388).
  • Erfolgreiche Bildungskonzepte setzen Medien und Technologie auf mehreren institutionellen und didaktischen Ebenen ein. In Frage kommen Web 2.0., Soziale Online-Netzwerke?, Wikis oder Blogs. Web 2.0 bietet etwa "Peer-Learning?" an und kann neben den anderen Möglichkeiten gut in "Blended-Leaning-Konzepte?" eingebunden werden.
Die Frage der Zukunft technologiegestützter Erwachsenenpädagogik wird vermutlich die folgenden Ziele längerfristig betreffen (vgl. ISSING 2002).

  • Politische Ziele - Zugang zur Bildung
  • Ökonomische Ziele - Erhöhung der Kostenflexibilität, Reduktion von Leerlaufzeiten
  • Didaktische Ziele - Erhöhung der Lerneffizienz und Anwendungsorientierung
  • Inhaltliche Ziele - Förderung der Medien-, Selbstlern- und sozialen Kompetenz
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Zum Autor    

APS - Lehramt (VS - HS - PL 1970, 1975, 1976), zertifizierter Schülerberater (1975) und Schulentwicklungsberater (1999), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)

Absolvent Höhere Bundeslehranstalt für alpenländische Landwirtschaft Ursprung - Klessheim/ Reifeprüfung, Maturantenlehrgang der Lehrerbildungsanstalt Innsbruck/ Reifeprüfung - Studium Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), 1. Lehrgang Ökumene - Kardinal König Akademie/ Wien/ Zertifizierung (2006); 10. Universitätslehrgang Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ MSc (2008), Weiterbildungsakademie Österreich/ Wien/ Diplome (2010), 6. Universitätslehrgang Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), 4. Interner Lehrgang Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016) - Fernstudium Grundkurs Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium, Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung (2018), Fernstudium Nachhaltige Entwicklung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium, Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung (2020)

Lehrbeauftragter Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien/ Berufspädagogik - Vorberufliche Bildung VO - SE (1990-2011), Fachbereich Geschichte/ Universität Salzburg/ Lehramt Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung - SE Didaktik der Politischen Bildung (2026-2017)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche Österreich (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks Tirol (2004 - 2009, 2017 - 2019) - Kursleiter der VHSn Salzburg Zell/ See, Saalfelden und Stadt Salzburg/ "Freude an Bildung" - Politische Bildung (2012 - 2019) und VHS Tirol/ Grundwissen Politische Bildung (2024)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 29. August 2024