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Lehrgang Politische Bildung In Der Erwachsenenbildung

Grundwissen Politische Bildung    

Theorie, Praxis und Handlungsfelder in der Erwachsenenpädagogik    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Grundwissen Politische Bildung   
Theorie, Praxis und Handlungsfelder in der Erwachsenenpädagogik   
Danksagung   
Einleitung   
0 Einführung in die Politische Bildung   
1 Lernziele der Politischen Bildung   
2 Politisches Grundwissen   
2.1 Grundsätze von Demokratien   
2.2 Politische Systeme   
2.3 Wahlen und öffentliche Meinung   
Exkurs - Medien   
2.4. Parteien   
2.5 Verbände und Verwaltung   
2.6 Internationale Beziehungen   
2.6.1 West-Ost-Konflikt   
2.6.2 Nord-Süd-Konflikt   
2.6.3 Neutralität und Blockfreiheit   
3 Friedensbemühungen und Konfliktentschärfung   
4 Internationale Organisationen und Außenpolitik   
4.1 UNO   
4.2 Europäische Union/EU   
4.3 Europarat   
4.4 Beispiel: USA   
5 Beispielhafte Praxis und Handlungsfelder/Auswahl   
5.1 Wählen mit 16   
5.2 Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare   
5.3 Der Stellenwert von Religion heute   
5.4 Warum man arbeitet   
5.5 Bundespräsidentenwahlen in Österreich   
5.6 Frauen und Männer im Parlament   
5.7 Frauen und Männer als Migrantinnen und Migranten   
5.8 Gender - Gleichstellung - Geschlechtergerechtigkeit   
5.9 Sportveranstaltungen - Eventkultur   
5.10 Demographie in Österreich   
5.11 Krise in Afrika - Hungersnöte   
6 Methodenteil-Methodentraining/Fachdidaktik   
6.1 Methodeneinteilung   
6.2. Konzept der Lernfelddidaktik   
6.3 Didaktisch-methodische Schritte   
Literaturhinweise/Auswahl   
IT-Autorenbeiträge/Auswahl   
Fort- und Weiterbildung   
Zum Autor   

Danksagung    

Während ich diese Zeilen schreibe, gib es gerade internationale Zusammenhänge von Politik zur Erhaltung des Friedens in Europa. Aus der Sicht der Politischen Bildung gibt es widersprüchliche Dimensionen.

Die Kapitel 2.6, 3 und 4 sind als grundlegendes Basiswissen konzipiert und enthalten aktuelle Bedeutung.

Eine Erweiterung von Themen in einem Lehrgang Politische Bildung in der Erwachsenenpädagogik im Zusammenhang mit "lebensbegleitendem Lernen" ist selbstverständlich.

Erwachsenenpädagogik bleibt ein kontinuierliches Lernen und aktualisiertes Lehren.

Wie immer danke ich für Diskussionen und Anregungen. Besonders bin ich allen Akteuren meiner tertiären und quartären Bildung zu Dank verpflichtet.

Für die technische Unterstützung in der Manuskripterstellung danke ich Helmut Leitner.

Für die jahrelange reibungslose Zusammenarbeit danke ich der Autorenbetreuung des Akademiker Verlages.

Günther Dichatschek

Einleitung    

"Politische Bildung in der Erwachsenenpädagogik" als Lehrgang wurde 2005 zum "Europäischen Jahr der Politischen Bildung" konzipiert und in den letzten Jahren aus den Erfahrungen der Lehre im tertiären und quartären Bildungsbereich für ein generationenübergreifende Lernen aktualisiert.

Grundlage der Lehr- und Lernstituation einer Politischen Bildung in der Erwachsenenpädagogik ist der Erkenntnisstand des empirischen Zusammenhangs von biographischer Passung und Interesse an politischen Bildungsangeboten (vgl. FRITZ 2005).

2011-2013 wurde der Lehrgang in der Erwachsenenbildung/ Volkshochschule umgesetzt und den Bedürfnissen der Zielgruppe angepasst. Im tertiären Bildungsbereich konnte in der Lehramtsausbildung Geschichte im Teilbereich "Didaktik der Politischen Bildung" eingebracht werden. Es gibt Überlegungen, allerdings unterbrochen durch die Coronapandemie, den Lehrgang modular in der Erwachsenenpädagogik von Zuwandernden einzusetzen.

Gründe einer Bearbeitung von Inhalten einer Politischer Bildung sind

  • die Vermeidung von Diskriminierung, Gewaltphänomenen und
  • Förderung demokratischer Verhaltensweisen und Handlungen unter pädagogischen Gesichtspunkten
  • mit einer Bearbeitung beispielhafter politisch aktueller Aspekte sowie Hinweisen für notwendige bildungspolitische Konsequenzen anzustreben sowie
  • ein verantwortungsvolles Handeln mündiger Bürgerinnen und Bürger im privaten und beruflichen Feld möglichst zu erreichen.
  • In einer Epoche nationaler, internationaler und globaler Herausforderungen will der Lehrgang/Kurs Orientierung zur Erschließung und Weiterentwicklung des Praxisfeldes "Politische Bildung" geben.
  • Dabei werden theoretische Grundlagen und historische Entwicklungen bis in die neunziger Jahre beleuchtet.
Fünf exemplarische Praxisfelder und Handlungsebenen werden - didaktisch strukturiert - vorgestellt. Ein Methodenteil ergänzt handlungsorientiert die Elemente für eine Wissens- und Sozialkompetenz.

Politische Bildung hat in der Erwachsenenpädagogik die Aufgabe,

  • Menschen zu befähigen, ihren gesellschaftlichen Standort und ihre Interessen zu erkennen,
  • über politische Probleme zu urteilen und anschließend handeln zu können.
  • Dazu ist es erforderlich, politische, soziale und wirtschaftliche Abläufe und Strukturen zu durchschauen, Zusammenhänge zwischen Interessen und Politik und die Ursachen und Funktionen von Ideologien aufzudecken.
Ziel einer Politischen Bildung ist demnach ein

  • kritisches Bewusstsein,
  • selbständiges Urteil und
  • politisches Engagement.
Voraussetzung für demokratisches Engagement ist das Bewusstmachen der Zusammenhänge zwischen individuellem Schicksal und gesellschaftlichen Prozessen und Strukturen.

Hintergrund der erwachsenenpädagogischen Bemühungen sind

  • die Absolvierung des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg bzw. Klagenfurt,
  • die Absolvierung des 7. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg und
  • die Absolvierung der Weiterbildungsakademie Österreich/ Wien.
  • Die erfolgreiche Umsetzung großer Teile des Lehrganges an einer Salzburger Volkshochschule bestärkt den Autor, weitere Handlungsfelder der Politischen Bildung erwachsenenpädagogisch zu bearbeiten (Migrationspädagogik, Lehramtsausbildung).
Politisches Bewusstsein bildet sich

  • im Erkennen der eigenen Interessen,
  • Erfahren gesellschaftlicher Konflikte und Herrschaftsverhältnissen.
  • Der politisch aufgeklärte Mensch ist keineswegs in einer Demokratie nur Objekt der Politik, sondern vielmehr Subjekt im Eingreifen in politische Zustände.
Wissensbereiche

ErziehungswissenschaftenBildung
SoziologieGesellschaft
PolitikwissenschaftPolitik
ÖkonomieWirtschaft

Wissenszusammenhänge

Alltagpolitisches Ereignis
Kompetenzen
soziale Bildung <> Politische Bildung
Zielpolitisches Bewusstsein

Politische Kultur ist die Verteilung von politischen Kenntnissen, politischer Wertüberzeugung, politischer Einstellung und politischen Verhaltensweisen innerhalb einer Bevölkerung einer Gesellschaft in einem bestimmten Zeitpunkt (vgl. GREIFFENHAGEN 1993, 445-450; FILZMAIER-PLAIKNER-DUFFEK 2007, 131).

Demokratie braucht Bildung mit

  • Information, denn nur wer wo, wann und wie weiß, dass er mitbestimmen kann/soll, kann sich am politischen Geschehen beteiligen.
  • Rechte und Pflichten zu kennen und um Zusammenhänge im politischen Geschehen zu wissen. Dies ist Voraussetzung zur Bildung für eine eigene Meinung und Kritikfähigkeit.
  • Für das Erkennen von Zusammenhängen braucht es mehr als Faktenwissen. Neben der Wissensvermittlung benötigt es die Entwicklung von Fähigkeiten und Einsichten sowie der Bereitschaft zu verantwortungsvollem Handeln.
  • Inhalte der Politischen Bildung müssen im sozialen Alltag umgesetzt werden(können). Eine Generation, die nur das lernt, was sie für ihren Berufsalltag braucht, schadet der Demokratie. Wesentlich ist die Fähigkeit, eine humane Gesellschaft zu gestalten.
Damit ist das Spektrum für Politische Bildung umfassend (Zeitgeschichte, politische Systeme, politische Willensbildung, nationale und internationale Organisationen, Medien, Gestaltung sozialer Beziehungen - Gleichberechtigung, internationale Politik und Friedenssicherung, Recht und Rechtsordnung, Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik, Vorberufliche Bildung, Interkulturalität).

Der Lehrgang eröffnet das Angebot an dieser Vielfalt der Themen, vermeidet den Zwang zu einer umfassenden Kenntnis, die nicht machbar ist und auch nicht erwünscht wird, richtet sich an Interessierte in der Erwachsenenbildung/außerschulischen Bildungsarbeit und ist in seiner Themenwahl variabel bzw. ergänzbar.

0 Einführung in die Politische Bildung    

Ausgehend von der Ausgangssituation der Politischen Bildung in Österreich erkennt man ein Defizit im pädagogischen Standort.

Politische Bildung hat keine historischen Wurzeln. Im Gegensatz zu Deutschland wurden nach 1945 keine Maßnahmen für eine Einführung einer Politischen Bildung - man denke nur an die "re-education" in der Bundesrepublik - gesetzt. Dies spielt eine Rolle für die spätere Implementierung der Politikwissenschaft. Es fehlt zudem eine Parallele zur "Bundeszentrale für politische Bildung" mit den Landeszentralen.

Als eigenständiger Fachbereich mit den Bezugswissenschaften Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft, Soziologie, Politikwissenschaft, Medienwissenschaft, Ökonomie, Umweltkunde, Gesundheitswissenschaft und Kulturwissenschaft wird Politische Bildung in Österreich nur bedingt für eine Stärkung der Demokratie angesehen. Entsprechend haben die politischen Parteien ihre beherrschende Rolle in der politischen Sozialisation übernommen. Eine solche Politische Bildung gerät in den Verdacht der Ideologisierung oder (gar) Indoktrination.

Im Gegensatz dazu gibt es in Deutschland den "Beutelsbacher Konsens" (1976) mit den drei Grundsätzen des "Überwältigungsverbotes" (kein Zwang der Meinung durch den Lehrenden), des "Kontroversitätsgebotes" (kontroverse Sachverhalte müssen kontrovers diskutiert werden können) und der Schülerorientierung bzw. Teilnehmerorientierung (altersstufengemäß, eigene Interessenslage) (vgl. SANDER 2007, 18, 128; HELLMUTH-KLEPP 2010, 65).

In Österreich gibt es ab 1978/1994/2015 einen Grundsatzerlass zur Politischen Bildung als Unterrichtsprinzip in allen Schulformen (vgl. WOLF 1998, 45-48). Als eigenes Fach ist Politische Bildung in der Polytechnischen Schule und Berufsschule etabliert. In Kombination mit "Geschichte und Sozialkunde" gibt es den Fachbereich in der Sekundarstufe I und der AHS-Oberstufe.

Ein eigenes Lehramt für Politische Bildung existiert nicht.

Folgerichtig ist die Erwachsenenpädagogik bzw. Weiterbildung mit ihren Organisationsformen und ihrem methodisch-didaktischen Repertoire gefordert.

Politische Bildung hat sich mit Besonderheiten des Fachbereichs zu beschäftigen wie

  • Differenzierung von politischem Alltagswissen und politischen Begriffen/ Inhalten;
  • politische Sozialisation findet in Familie, Schule und Bildungsinstitutionen, peer groups, im Berufsleben und Medien sowie sozialen Gruppierungen statt. Der Staat besitzt das Machtmonopol;
  • neben diesem Machtmonopol gibt es Konflikte, Mangel an Gütern und Phänomene von Knappheit.
Politikwissenschaft hat sich mit drei Dimensionen zu beschäftigen (vgl. HUFER 2007, 303):

  • Policy: Inhalte, Wünsche, Bedürfnisse/Gestaltung - Ziele, Programme und Maßnahmen/einzelne Politiken (etwa Gesundheit, Soziales, Verkehr, Landwirtschaft, Bildung, Familie, Frauen, Landesverteidigung, Sicherheit und Umwelt) - Welche Ziele, Programme und Umsetzungen verfolgt die Politik?
  • Politics: Beschreibung der politischen Prozesse - Prozeduren, Willensbildungen und Entscheidungsprozesse, Arten der Konfliktanstrengungen, Konsensbildungen und Machtanstrengungen - Welche Akteure stehen im Mittelpunkt? Welche Mitwirkungsmöglichkeiten/ Chancen, Konfliktlinien und Interessenslagen sind vorhanden?
  • Polity: Beschreibung der formalen Dimension (Verfassung, Institutionen - Normen, Werte) - Welche Gesetze und Institutionen mit welchen Kompetenzen spielen eine Rolle?
Fallen für die Politische Bildung sind

  • in der Erwachsenenpädagogik die Unverbindlichkeit und mangelhafte Anerkennung im Bildungsbereich von Schule und außerschulischen Bildungseinrichtungen,
  • in der Schule die Kombination des Fachbereichs mit anderen Fächern (Geschichte und Sozialkunde, Geographie und Wirtschaftskunde), die Schulautonomie mit ihrer Wertigkeiten von Fächern/ Fächerkombinationen und die Stellung als Unterrichtsprinzip. Nur in der Polytechnischen Schule und Berufsschule ist Politische Bildung als eigenständiges Fach etabliert.
  • An der Universität Wien gab es ab 2012 ein Department für Politische Bildung und gibt es ein Didaktikzentrum, u.a. auch mit Einbeziehung der Didaktik der Politischen Bildung. Unklar bleibt der Stellenwert wissenschaftsorientierter Politischer Bildung.
  • In der Unterrichtsverwaltung gibt es eine Abteilung im Bildungsministerium und das zentrum polis mit der Aufgabe der Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien.
Unklar bleibt hier der unterschiedliche Stellenwert eines eigenen Unterrichtsfaches bzw. der Umsetzung des Unterrichtsprinzips (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Politische Bildung).

Die Interessensgemeinschaft Politische Bildung (IGPB) hat sich mit ihren Mitgliedern zur Aufgabe gemacht, Verbesserungsvorschläge und Innovationen im Rahmen des gesamtgesellschaftlichen Meinungsbildungsprozesses einzubringen und entsprechende Veranstaltungen zu organisieren (vgl. http://www.igpb.at).

In der Fachdidaktik gibt es die

  • Wissensfalle mit der Vermittlung von reinem Wissen, womit der Problemgehalt der Politik verschwindet.
  • Moralfalle mit der Gefahr als "Schwafelfach", wobei eine Sichtweise mit dem Hang zur Personalisierung und Skandalisierung sowie einem Trend zur Empörung statt Analyse gegeben ist.
  • Kontextfalle mit dem Verschwinden des Problemgehalts. Vorrangig ist die Beurteilung durch Fachwissen und die
  • Parallelisierungsfalle mit Erfahrungen und Deutungen aus dem Alltag und dem Mangel an Möglichkeiten des Hinterfragens.
Kompetenzen der Lehrenden sind demnach

  • eine Urteils- und Handlungsfähigkeit mit Kenntnis der fachspezifischen Didaktik und Methodik (vgl. HUFER 2007, 309) sowie
  • der Fach-, Personal- Sozial-, Handlungs- und Urteilskompetenz.
  • Fachwissen und Fachdidaktik bedingen sich gegenseitig und benötigen fachwissenschaftliche Elemente aus der Politikwissenschaft, Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft, Medienwissenschaft, Zeitgeschichte, Ökonomie, Umweltkunde, Gesundheitswissenschaft und (zunehmend) Kulturwissenschaft.
  • Lehrende müssen ihr Wissen interdisziplinär verbinden können, auf aktuelle Fragestellungen und Problemlagen anwenden können, damit die konkrete Lebensrealität der Lernenden angesprochen werden kann.
1 Lernziele der Politischen Bildung    

Eigenes politisches Handeln als selbstverständlich ansehen

Bereitschaft zur MitwirkungsdemokratieMühen einer Partizipation
Erkennen von Begrenzungsfaktoren 

Anerkennen demokratischer Handlungsformen

Anerkennung demokratischer WerteWerte: Toleranz, Kompromissbereitschaft, Unverletzlichkeit der Person demokratische Tugenden
Ausübung demokratischer RechtePrinzip der Gegenseitigkeit

Gewinnung von Interesse an öffentlichen Aufgaben

Sensibilität für gesellschaftliche ProblemeGefahr der "Froschperspektive"

Politische Bildung dient dem Einzelnen der Wertorientierung und befähigt zum demokratischen Verhalten.

2 Politisches Grundwissen    

Das folgende Kapitel bespricht den tatsächlichen Zustand gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse im Rahmen der Politischer Bildung. Die Erkenntnisse bedeuten keineswegs politische Neutralität, denn die Folgerungen daraus können durchaus für politische Ziele und den Wettbewerb mit anderen Vorstellungen eingesetzt werden.


Eine Wertfreiheit ist so wenig gegeben wie eine Wertunfreiheit.


Die Beobachtung, Erhebung, Beschreibung und Analyse politischer Sachverhalte mit der Entwicklung zu theoretischen Aussagen sollte unbeeinflusst von Interessen und Wertvorstellungen sein. Der vorgegebene Rahmen, in dem solche Fakten erhoben werden, ist jedenfalls von bestimmten Interessen und Wertvorstellungen abhängig. Ob man sich etwa mit Politik, Wahlrecht, Gewalt, Ungleichheiten von Nord und Süd, Kriegen oder Fragen der Arbeits- und Berufswelt beschäftigt, ist bereits eine Entscheidung, die interessens- und werteabhängig ist, die eine bestimmte Verwertung von politischen Erkenntnissen bedeutet.

Es gibt Bereiche in der Politischen Bildung, die auch in anderen Fachgebieten von Bedeutung sind, etwa die Sozialpartnerschaft in der Volkswirtschaft. Dieses Nebeneinander ist keine strenge Abgrenzung, vielmehr werden so unterschiedliche Schwerpunktsetzungen vorgenommen.

Arten des Politikbegriffs

normativer
wertbezogen, orientiert an einem Sollzustand;

konfliktorientierter
Verknüpfung von Politik und Konflikt;

historisierender
gesellschaftliche Abhängigkeit und Veränderbarkeit;

gouvernementaler
orientiert am Staat;

partizipatorischer
orientiert auf das Individuum;

deskriptiver
orientiert am Seinszustand, beschreibend;

konsensbezogener
orientiert an Ausgleichs- und Friedensfunktion der Politik;

ahistorischer
orientiert an Zeitlosigkeit und politischer Unveränderbarkeit.

Für eine Diskussion um den Begriff Politik ist die Unterscheidung zwischen einem engen und weiten Politikbegriff wesentlich.

  • Der enge Begriff klammert gesellschaftliche Phänomene aus, ist also dem gouvernementalen Politikverständnis zuzuordnen und damit defensiv zu verstehen (Beharrung der Zustände).
  • Der weite Begriff beinhaltet alle gesellschaftlichen Bereiche grundsätzlich politisch, ist also offensiv in seinem Verständnis(Veränderbarkeit).
Politische Phänomene sind Macht, Konflikt und Knappheit. Den eigenen Willen durchzusetzen - durch persönliche Überzeugung, Gesetz oder Willen - gehört zur politischen Gestaltung in Form von Machtverhältnissen.

Politik beinhaltet immer Konflikte, weil konkurrierende Interessen und Wertvorstellungen vorgegeben sind. Konflikte sind vielfältig zwischen Parteien, Verbänden, Eliten und Massen. Knappheit gibt es unter Gütern, die politisch zu verteilen sind. Es zeigt sich also, dass die jeweilige Verbindung zu den drei Phänomenen gegenseitig gegeben ist.

Auf Grund eines unscharfen Demokratiebegriffes und unterschiedlicher Deutungen ist es hilfreich, Demokratie in eine indirekte und direkte Form zu unterscheiden.

  • Die direkte Demokratie (plebiszitäre Form) benötigt keine Zwischenschaltung von Volksvertretern, das Volk herrscht direkt.
  • Bei der indirekten(repräsentativen)Demokratie werden Volksvertreter gewählt, weil das Volk Vertreter (Repräsentanten) für die Behandlung aller Probleme benötigt.
In modernen politischen Systemen herrschen oft Akzente eher plebiszitärerer oder repräsentativer Form vor (Schweiz/CH: direkte Form, Großbritannien/UK: indirekte Form/ bis 1975 keine Plebiszite).

Elemente direkter und indirekter Demokratie

direkte Formindirekte Form
Volksabstimmung (Plebiszit)Parlamentarismus
Volksbegehren (Volksinitiative)Parteien
WahlenVerbände
Demoskopie(Meinungsforschung)Sozialpartnerschaft(Neokorporatismus)
Negativform: CaesarismusNegativform: Oligarchie

Demokratie erfordert neben einer Mischung von direkten und indirekten Elementen auch einen Mix von Konflikt (Konkurrenzmodell) und Konsens (Konkordanzmodell), jeweils festgelegt in bestimmten Spielregeln, wozu jedenfalls die Grund- und Freiheitsrechte (Menschenrechte) gehören.

Bei Wahlen werden Alternativen den Bürgern zur Entscheidung vorgelegt.

Das wichtigste Bindeglied zwischen beiden Elementen sind Wahlen und ein funktionierender Parlamentarismus .

2.1 Grundsätze von Demokratien    

Grundsätze demokratischer Wahlen sind

  • die Unmittelbarkeit und Direktheit,
  • ihre Freiheit und Gleichheit - man denke an das Frauenwahlrecht in Österreich (A) 1919 und der Schweiz (CH) 1971 und
  • die Abschaffung der Begünstigungen für wohlhabende Personen (1907 Abschaffung des Kurienwahlrechts).
Der Parlamentarismus ist der Überbegriff für Systeme mit einer Legislative (Gesetzgebung) und Exekutive (Verwaltung) oder Legislative, Exekutive und Judikative (Gerichtsbarkeit).

Grundsätze eines demokratischen Wahlrechts

direkte Bestellung durch das Volk(Parteien) in eine Kammer des Parlaments nach demokratischem Wahlrecht
Gesetzgebung(Legislative)
Kontrolle der Regierung
Öffentlichkeit der Tätigkeit des Parlaments und freies Mandat mit Ungebundenheit an Aufträge und ohne Abberufung innerhalb der Wahlperiode(Aushöhlung durch Parteien und Interessensgruppen)

Parlamentarismus

vorparlamentarischer Raum/Verbände-Sozialpartner-Parteien
Ausschussarbeit/nicht öffentlich
Plenumsdiskussionen/öffentlich - Spannungsfeld: Regierung-Opposition

Oppositionsarten:

  • Fundamentalopposition
  • Alternativopposition
  • Scheinopposition
  • Bereichsopposition
Oppositionsaufgaben sind am besten in einer Alternativ- und Bereichsopposition zu erfüllen.

Hauptaufgabe eines politischen Systems in Form einer Verfassung ist die Ordnung der Machtzuweisung, Machtkontrolle und Machtablösung. Das Spannungsfeld zwischen der Verfassungstheorie(VTh) und deren Verfassungswirklichkeit(VWi)bestimmt die Problematik moderner Verfassungen(vgl. die Diskussion um eine EU-Verfassung).


Arten der Verfassung

Normative VerfassungVTh und VWi stimmen überein
Nominale VerfassungVTh und VWi stimmen teilweise überein
Semantische VerfassungVTh und VWi stimmen fast oder überhaupt nicht überein


Nomative Verfassungen sind der Idealzustand. In einer modernen Demokratie kann sie durchaus die Praxis sein.

Der Gedanke der Gewaltenteilung gehört zur modernen Demokratie. Eine Verteilung von Gewalt auf mehrere Personen oder Institutionen gehört zur Vermeidung von Machtkonzentration.


Abb. 8: Formen der Gewaltenteilung

Institutionelle GewaltenteilungExekutive, Legislative und Judikative sind gleichgewichtig
Zeitliche GewaltenteilungRegierung und Opposition erzeugen Gewaltenteilung auf Zeit
Föderative GewaltenteilungFöderalismus erzeugt eine Gewaltenteilung

IT-Hinweis

Konflikte schwächen Demokratien

https://orf.at/stories/3348819/ (16.2.2024)

2.2 Politische Systeme    

In einer industrialisierten Gesellschaft kommt es zu drei Formen/Typen politischer Systeme, wobei nach den Kriterien Partei- und Wirtschaftssysteme sowie ideologische Grundnorm unterscheiden wird:


Typen politischer Systeme in einer Industriegesellschaft

Liberale SystemePluralismus-Kapitalismus-Demokratie
Kommunistische SystemeEinparteiensystem(Monismus)-Planwirtschaft-("Volks-")Demokratie
Faschistisches SystemEinparteiensystem(Monismus)-Kapitalismus-Antidemokratie

(Utopie: "Prager Frühling 1968" > Pluralismus-Planwirtschaft-Demokratie)


Parlamentarische Systeme sind eine Verflechtung von Parlament und Regierung. Die Regierung wird direkt oder indirekt durch die Parlamentsmehrheit legitimiert, die auch für die personelle Zusammensetzung der Regierung zuständig ist. Eine enge Bindung an das Parlament zeigt sich in der politischen Realität dadurch, dass nicht das Parlament, sondern die Regierung das Parlament beherrscht. Eine solche Verbindung von Macht begünstigt eine Entmachtung des Parlaments.


Merkmale parlamentarischer Systeme

DoppelmitgliedschaftParlaments- und Regierungssitz(UK: Vorschrift)
Politische Verknüpfung durch MisstrauensvotumRegierungssturz durch Mehrheitsbeschluss
AuflösungsrechtNeuwahlen
FraktionsdisziplinFührungspositionen in Personalunion
Reduzierte Stellung des Staatsoberhauptesstaatliche Macht des Regierungsschefs
Reduzierte Stellung der 2. Parlamentskammer2. Kammer nicht direkt gewählt(Ausnahme: Italien)

Mit dem Misstrauensvotum entsteht eine Verklammerung von Parlament und Regierung, denn dieses zwingt die Regierung, Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu berücksichtigen. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Misstrauensvotum als "konstruktives Misstrauensvotum" verwirklicht. Es genügt hier nicht, dass eine Mehrheit gegen den Bundeskanzler und damit gegen die Regierung sich ausspricht, gleichzeitig muss auch die Mehrheit des Bundestages einen neuen Bundeskanzler wählen. Damit sollen Zustände der Weimarer Republik verhindert werden, wo die NSDAP und KPD eine Regierung stürzen konnten, aber keine gemeinsame Alternative zu bilden vermochten.


Präsidiale Systeme sind durch eine weitgehende Trennung von Regierung und Parlament gekennzeichnet, wobei in einer Direktwahl Parlament und Präsident (Volkswahl)gewählt werden - Beispiel: USA.


Merkmale präsidialer Systeme

Ausschluss einer Doppelmitgliedschaft in Regierung und Parlament(Inkompatibilität)
kein Misstrauensvotum und Auflösungsrecht gegen die Regierung - totale Trennung von Regierung und Parlament
Regierung und Parlamentsmehrheit müssen nicht identisch sein (Bipolarität), daher keine Bündelung von staatlichen Führungspositionen durch die Regierung
Staatsoberhaupt ist gleichzeitig Regierungschef
Trennung von Legislative ( Kongress: Repräsentantenhaus - Senat) und Exekutive (Präsident und von ihm ernannte Regierung)

Zusammenarbeit von Präsident und Kongress:

Budgetrecht des Kongresses
Vetorecht von Präsident und Kongress
Völkerrechtliche Verträge bedürfen einer Zweidrittelzustimmung des Senats


Der Kongress ist ein echtes Zweikammersystem mit direkter Wahl (Senat 6 Jahre, Repräsentantenhaus 2 Jahre Amtsdauer; somit politisches Übergewicht des Senats durch dreifache Amtszeit). Die Besonderheit des präsidialen Systems in den USA ist auch die politische Macht der Gerichtsbarkeit (Judikative). Der Oberste Gerichtshof - mit vom Präsidenten auf Lebenszeit ernannten und vom Senat bestätigten Richtern - nimmt auf gesellschaftspolitische Fragen durch die ständige Interpretation der US-Verfassung großen Einfluss.

Gemischte Systeme verbinden bestimmte Merkmale des parlamentarischen mit dem präsidialen System. Mit der Bipolarität im Wahlvorgang - Parlament und Präsident werden unabhängig voneinander gewählt - und Fusion von Exekutive und Legislative - die vom Präsidenten ernannte Regierung ist von ihm und dem Parlament abhängig - sind zwei Merkmale gegeben (vgl. NICK-PELINKA 1984, 22). Bei einem Konfliktfall kann es zu einer Pattstellung und damit Lähmung des politischen Systems kommen (vgl. Frankreich bei unterschiedlichen politischen Zielvorstellungen des Präsidenten und der Nationalversammlung).

Ein Sonderfall eines gemischten Systems ist die Schweiz mit der Regierung (Bundesrat) - legitimiert vom Parlament - und dem jährlich gewählten Bundespräsidenten (Ehrenvorrang), der nur eine repräsentative Funktion besitzt. Als echtes Zweikammersystem - direkt der Nationalrat und indirekt über die Kantone der Ständerat - wird der Bundesrat gemeinsam gewählt. Ergänzt wird die Besonderheit durch

  • auch in der Verfassungswirklichkeit praktizierte Initiativen und Plebiszite auf Gemeinde-, Kantons- und Bundeseben
  • ausgeprägte Konkordanzmechanismen, die zu einer ständigen nicht nur die Parteien, auch Sprachgruppen und Konfessionen verklammerten Konzentrationsregierung führen und
  • einem Kollegialitätsprinzip auf Regierungsebene - die Mitglieder des Bundesrates sind untereinander gleich, es gibt keinen Regierungschef, der jährlich gewählte Bundespräsident hat lediglich einen Ehrenvorrang - mit sieben Mitgliedern des Bundesrates (Direktorialregierung).
Einparteiensysteme gehen davon aus, dass das Gemeinwohl feststeht, dem Volk, der Nation und der Klasse nützt und einsichtig ist. Daher gibt es keinen politischen Wettbewerb zwischen Interessen und Wertvorstellungen. Man kennt keine freie Bestellung, keine freie Kontrolle und Ablösbarkeit der Regierenden sowie die Neigung zum politischen Terror.


Im 20. Jahrhundert haben sich zwei Haupttypen von Einparteiensystemen in der Industriegesellschaft herausgebildet, die je nach Betrachtungsweise und politischer Theorie Gemeinsamkeiten oder Unterschiede aufweisen.

  • Die Faschismustheorie - Reinhard Kühnl formulierte sie - betont die Unterschiede zwischen kommunistischen und faschistischen Einparteiensystemen und hebt die Gemeinsamkeiten zwischen faschistischen Einparteiensystemen und liberalen Mehrparteiensystemen hervor. Schwerpunkt ist die sozioökonomische Infrastruktur. Nach diesem theoretischen Ansatz ist der Faschismus die Folge von Krisenerscheinungen des Kapitalismus, das liberale Mehrparteiensystem die Folge von günstigen Wirtschaftsbedingungen für den Kapitalismus.
  • Die Totalitarismustheorie - Hanna Arendt vertritt sie beispielsweise - hebt Gemeinsamkeiten zwischen Faschismus und Kommunismus hervor. Gemeinsam ist allen Einparteiensystemen die Unterdrückung Andersdenkender und ihr totalitärer Charakter.
Faschistische Einparteiensysteme haben immer auf demokratische Rechtfertigungen verzichtet. Wie die heutigen faschistischen Strömungen sind sie von einem starken antiegalitären Affekt getragen:

  • Abstiegsängste eines Kleinbürgertums,
  • Modernisierungsängste eines Bauerntums(Beispiel: Drittes Reich) und
  • Ängsten einer Rassenintegration (Beispiel: USA).

Faschismusideologie

Gemeinschaft: "Volksgemeinschaft" baut auf Konflikt der Rassen und Nationen
Führerprinzip: Einheitsparteien (und die Wirtschaft) sind von oben nach unten organisiert
Ambivalenz zwischen antikapitalistischer Ideologie und kapitalistischen Wirtschaftsstrukturen
Nationalismus - Imperialismus: außenpolitische Aggression
Sündenbocktheorie: irrationale Gegner werden festgemacht - Verbund von kollektiven Vorurteilen mit faschistischen Neigungen


2.3 Wahlen und öffentliche Meinung    

Die Wahl von Parlamenten erfolgt nach den Rechtsgrundsätzen des Wahlrechts, direkt, unmittelbar, frei, geheim und gleich. Die Form der Mandatsberechnung ist umstritten. Bei Mehrparteiensystemen ist die Art der Berechnung - also das Wahlsystem - von wesentlicher Bedeutung.


Wahlsysteme: Verhältniswahl-Mehrheitswahl-Vorzugsstimmen

Verhältniswahl
Grundgedanke ist eine möglichst genaue, spiegelbildliche Umrechnung des Stimmenanteils einer Partei in einen Mandatanteil (n-Prozente = n-Mandate), damit wird eine größere Anzahl von Parteien in das Parlament entsendet. Als Hürde besteht ein Mindestanteil an Stimmen, der übersprungen werden muss(vgl. Deutschland 5 und Schweden 4 Prozent). In Österreich besteht diese Hürde in Form einer Einteilung des gesamten Wahlgebietes in kleinere Wahlkreise, wobei die Verhältnismäßigkeit dann nur für diese gilt - wodurch ebenfalls kleinere Parteien eine Schwelle zu überwinden haben.

Mehrheitswahl
Grundgedanke ist die Entsendung eines Vertreters aus jedem Wahlkreis in das Parlament. Die Mehrheitswahl kann in Form der relativen Mehrheitswahl durchgeführt werden, womit der jeweils stimmenstärkste Kandidat gewählt ist(vgl.UK und USA). Abgeschwächt wird diese Form durch das absoluten Mehrheitswahlsystem (vgl. Frankreich). Gewählt ist nur, wer über 50 Prozent der gültigen Stimmen erreicht hat(Nachwahlmöglichkeit mit relativer Mehrheit - Absprachemöglichkeit auch für kleinere Parteien/Stichwahl-Problematik).

Listen- und Persönlichkeitswahl
Bei der Listenwahl werden Persönlichkeiten - zumeist von einer Partei - geschlossen zur Wahl zumeist in einem Verhältniswahlsystem vorgeschlagen. Die Mehrheitswahl ist dagegen grundsätzlich eine Persönlichkeitswahl.

Ein Beispiel für eine Verbindung von Verhältnis- und Persönlichkeitswahl ist die personalisierte Verhältniswahl in Deutschland. Bei der Wahl des Bundestages hat jeder Person zwei Stimmen. Mit der Erststimme wählt man nach den Grundsätzen der relativen Mehrheitswahl in einem Wahlkreis einen Kandidaten, mit der Zweitstimme wählt man die Liste einer Partei. Mit der Zweitstimme bestimmt man damit die Mandatsstärke (unter Einbeziehung der 5 Prozent-Klausel). Bei der Verteilung der Mandate werden jedoch die in den Wahlkreisen von den Parteien gewonnenen Mandate auf die endgültige Mandatszahl ausgerechnet (wobei die Zahl der Wahlkreise 50 Prozent der Gesamtzahl der Mandate ausmacht). So herrscht zwar der Grundsatz der Verhältniswahl, aber die Wähler haben durch die Erststimme einen gewissen Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Bundestages.

Das italienische Vorzugsstimmenwahlsystem sieht Listen der Parteien vor, die Wähler haben jedoch die Möglichkeit der Reihung (Präferenzbildung). So kann es zur Bevorzugung bei der Entsendung in das Parlament kommen (vgl. die Ähnlichkeit in Österreich mit der Möglichkeit von Streichungen und Umreihungen von Listenplätzen).

In der Wahlforschung wird nun versucht, Informationen zu den Zusammenhängen zwischen gesellschaftlichen Faktoren und der Stimmabgabe zu erhalten. In Mehrparteiensystemen, mit dem besonderen Interesse von Parteien am Wahlsieg, ist die Wahlforschung Aufgabe der Sozialwissenschaften (Statistik-Politikwissenschaft/ Wahldemoskopie; vgl. KALTEFLEITER-NIESSEN 1980).


Determinanten (Bestimmungsfaktoren) des Wählerverhaltens

Sozioökonomische Faktoren
persönliche und wirtschaftliche Lebensumstände: Beruf > Einkommen > Familie
Sozialpsychologische Faktoren
nicht-ökonomische Lebensumstände: Familientradition > Konfession > Volksgruppenzugehörigkeit/Minderheit
Institutionelle Faktoren
Beeinflussung durch das Wahlsystem: Mehrheits- vs. Verhältniswahl


Ein exemplarisches Beispiel für den Zusammenhang sozioökonomischer und sozialpsychologischer Faktoren lieferte die legändere Studie von Lazarsfeld, Berelson und Gaudet, die nach der Methode der Umfrageforschung einen repräsentativen Querschnitt des Bezirks Erie Country/Ohio mehrfach befragt hat (Panel-Technik). Bei dieser Befragungstechnik wurden nicht nur Momentanaufnahmen gewonnen, es wurden auch Entwicklungen des politischen Bewusstseins von Wählern während der Wahlauseinandersetzung aufgenommen. Zum Vergleich wurde eine andere repräsentative Wählergruppe nur am Anfang und am Ende des Befragungszeitraumes in diesem Monat befragt (Kontrollgruppe), wodurch Abweichungen festgestellt werden konnten(Intervieweffekt). In der Folge wurden in diesem US-Modellbezirk nach einem Index der politischen Prädisposition geordnet, also je nach Faktoren als Sympatisanten eher republikanisch oder demokratisch (vgl. LAZARSFELD-BERELSON-GAUDET 1969).


Modellfall Erie Country - Index der politischen Prädisposition

Beeinflussung durch Faktoren DemokratenRepublikaner
Einkommen, Vermögen niedrighoch
Beruf "schwarze" Wähler"weiße" Wähler
Konfession katholisch, jüdischprotestantisch
Bildung niedrighoch
ethnische Herkunft nicht angelsächsischangelsächsisch


Der Index zeigt Wahrscheinlichkeiten, aber keine Sicherheiten der Stimmabgabe. Deutlich prognostizierbar ist das Stimmverhalten bei Wählern, bei denen die Determinanten eindeutig in Richtung einer Partei weisen. Hinweisen muss man noch auf die Wahrscheinlichkeit, dass Wähler zur Wahl gehen, dass das Wählerverhalten während der Wahlauseinandersetzung sich ändert und dass Wähler eine andere Partei als bei der letzten Wahl wählen. Zunehmend gesellschaftliche Mobilität bedeutet zunehmende Beweglichkeit bei der Stimmabgabe (Änderung des Wahlverhaltens).


Methoden der Wahlforschung

Umfrageforschung
Über einen kleinen Teil der Wählerschaft (Stichprobe) werden Rückschlüsse über die Einstellung und das Verhalten der gesamten Wähler gezogen (Faktoren sind Geschlecht, Alter, Beruf, Einkommen, Wohnort Religion, Bildungsgrad...). Zur Herstellung von Zeitreihen ist die Panel-Methode wichtig.

Wahlökologie
Alle Umweltfaktoren werden auf ihren Erklärungswert überprüft. Bekannt sind die Zusammenhänge zwischen geographischen Gegebenheiten und Wählerverhalten (vgl. Wahlgeographie/Andre Siegfried-Regionalstudie über das Departement Ardeche/Frankreich) und sozioökonomische Faktoren (vgl. den Aufstieg der NSDAP - Konfession und Beruf).

Wahlkampfmonographien
Sie sind eine Darstellung einer kurzen Zeitspanne unmittelbar vor der Wahl(vgl. UK: Grundsatz des Wahlgeheimnisses).

Wahlstatistik
Je mehr Daten - auch unter Einbeziehung der Wahlökologie und Umfrageforschung - über Bevölkerung und Wählerschaft vorhanden sind, desto genauer sind die Aussagen der Statistik.


Ein Problem der Umfrageforschung ist die Verwendung der Ergebnisse zum Instrument der Wahlauseinandersetzung. Parteien, die Wahlforschung betreiben, verwenden aus Eigeninteresse ihre Resultate. Festzuhalten sind in der Wahlforschung jedenfalls die Resultate als Aussagen in Wahrscheinlichkeiten und mit der notwendigen Exaktheit der Durchführung, womit auch einander entgegengesetzte und damit wenig glaubwürdige Ergebnisse erklärt werden können.

Vorzeitige Veröffentlichungen von Meinungsbefragungen erzeugen - mit unterschiedlicher Absicht - zwei mögliche Effekte:

  • Der Mitläufereffekt erhofft bei einer Partei eine gewisse Sogwirkung.
  • Der Mitleidseffekt erhofft ein gewisses Gleichgewichtsdenken bei der Wählerschaft und das sich in Sicherheit wiegen beim politischen Wahlgegner.
Exkurs - Medien    

Print- und elektronische Medien erfüllen eine Informations- (Wissensverbreitung), Artikulations- (Entscheidungsbeeinflussung) und Kontrollfunktion (Aufzeigen von Entwicklungen).

Auf Grund der wesentlichen Bedeutung von Medien kommt es in Mehrparteiensystemen zu Problemen des Eigentums (öffentlich/staatlich vs. privat) und demokratischer Grundüberlegungen.

Die die Medien gestaltenden Mitarbeiter benötigen für ihre Arbeit einen Freiraum (Redakteursstatute), der ihnen eine innere Pluralität sichert. Relativiert wird dies allerdings durch das Interesse der politischen Akteure, die Einfluss auf die Meinungsbildung eines Mediums ausüben wollen.

Eine Besonderheit ist der medienpolitische Zusammenhang von Kirche und Medien (vgl. DICHATSCHEK 2006, 252-254). Auf diesen wird eingegangen, weil der Autor in den Jahren 2000 - 2008 Medientheorie und Medienpraxis als Tirol-Redakteur der gesamtösterreichischen Kirchenzeitung der Evangelischen Kirche in Österreich A.B. "SAAT" und des Evangelischen Pressedienstes (epdÖ) sammelte.

Fünf Thesen sollen zur Diskussion vorgestellt werden.

These 1

Medien werden zumeist vordergründig falsch eingeschätzt, über- oder unterschätzt. Alle Medien und jeder Medieneinsatz ist zunächst und grundsätzlich wertfrei, deshalb auch für die Kirche einsetzbar.

These 2

Nicht die Zahl der verkauften Produkte kann das Hauptziel sein. Vielmehr gilt es, Menschen verantwortungsbewusst, mündig und glaubensfest zu machen. Es geht also weniger um Motivation, eher um Bewusstseins- und/oder Verhaltenseinstellungen, zumeist um Änderungen.

These 3

Nur auf mediale Kommunikation zu setzen - also etwa Gratiszeitung, Mitarbeiterblatt, Privatradio, Homepage, Internet-Newsletter - und persönliche Kommunikation so zu vernachlässigen, verfehlt die Wirkung. Die Wirklichkeit von Kirche spielt sich auch in der persönlichen Kommunikation mit allen Vor- und Nachteilen ab.

These 4

Legitime Ziele kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit sind die Steigerung des Bekanntheitsgrades und der Akzeptanz ihrer Ziele und Vorhaben. Man denke in diesem Zusammenhang aktuell an die Diakoniearbeit, innerkirchliche Auseinandersetzungen, das ökumenische Sozialwort von 14 Mitgliedskirchen in Österreich, das Eintreten für Minderheiten, das Ringen um Glaubenswahrheiten (Gottesdienstübertragungen) und letztlich das Eintreten für ein Amts- und Kirchenverständnis in der Diaspora (vgl. DICHATSCHEK 1998, 199-202).

These 5

Kirchliche Medien gehen von anderen Voraussetzungen aus. Dazu gehört ein Fehlen der Sensationsberichterstattung und die Unverletztlichkeit der Würde des Einzelnen und einer Gruppe sowie das aktuelle Angebot von objektiven und verständlichen Informationen. Dies verlangt unabhängige Öffentlichkeitsarbeit, frei von inner- und außerkirchlicher Einflussnahme. Die Arbeit mit den unterschiedlichen Medien beinhaltet einen ständigen Lehr- und Lernprozess (vgl. DICHATSCHEK 2004, 7; PREUL/SCHMIDT-ROST 2000, 51-71).

2.4. Parteien    

Politische Parteien erfüllen die drei Aufgaben der Integration (Anhänger werden eine überschaubare Größe), Rekrutierung (Auswahl der Funktionsträger) und Legitimation (akzeptierte Machtausübung auf Grund der Wahlbeteiligung).

Die Geschichte moderner Parteien beginnt im britischen Parlament des 17. Jahrhunderts. Aus den Tories entwickelte sich eine Partei der Konservativen und aus den Wigs die Liberalen. Beide Parteien entsprachen jeweils einer Honoratiorenpartei, also einem Wahlverein, der von sozial angesehenen Mitgliedern in der Gesellschaft vertreten wurde, die wiederum deren Interessen repräsentierten.

Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelten sich in Europa Massenparteien, die im Gegensatz zu den Honoratiorenparteien eine ständige Organisation benötigten. Ständige Mitglieder und hauptamtliche Parteifunktionäre arbeiten zwischen den Wahlzeiten für die Massenpartei. Auf Grund der wirtschaftlich unterschiedlich strukturierten Mitglieder werden Mitgliedsbeiträge eingeführt.

So entstanden in der Folge auch im 20. Jahrhundert die zwei Organisationsformen der Massenpartei als Mitgliedspartei (große Zahl der Mitglieder gemessen an der Zahl der Wähler) und Wählerpartei (Zahl der Parteimitglieder klein gemessen an der Zahl der Wähler). Als Kriterium beider Organisationsformen gilt der Grad der Organisationsdichte.

Eine andere Organisationsform wurde in Russland nach dem Sturz des Zarenhauses durch Lenin in Form der Kaderpartei entwickelt. Kennzeichnend war hier weniger die Zahl als die Qualität der Parteimitglieder (Qualifikation und Vorleistungen). Strukturiert wurde hier die Partei für einen illegalen Kampf.

Parteien beanspruchen heute entweder die Gesamtzahl der Wähler - als Volksparteien - oder für spezielle Interessen und Wertvorstellungen - als Klassen- oder Weltanschauungsparteien in Form von Arbeiter- oder Bauernpartei bzw. christlichen Parteien.

Stabile Mehrparteiensysteme haben das Kennzeichen dominierender Großparteien ("Volksparteien").

Innerhalb der Parteien beanspruchen fast alle politischen Bewegungen innerparteiliche Grundsätze der Demokratie. Es gibt zwar kein allgemein gültiges Konzept/ Modell einer innerparteilichen Demokratie, aber zwei Grundformen lassen sich hier erkennen:

  • Die Mitgliedspartei macht das Parteimitglied zum Parteibürger und bindet ihn in den innerparteilichen Entscheidungsprozess mit ein (Parteitage mit freiem Mandat/Mangel an offener Konkurrenz - Gefahr einer Akklamationskulisse mit Mobilisierung von Grenzwählern).
  • Die Wählerpartei verleiht dem Mitglied die entscheidende Rolle dem Wähler der Partei(Vorwahlen durch Anhänger dieser Partei mit öffentlichen innerparteilichen Konflikten, finanzielle Abhängigkeit der Politiker/vgl. USA).
  • Wesentlich ist der Effekt beider innerparteilicher Formen für die Gewinnung mobiler Grenz- bzw. Wechselwähler.
In langfristig orientierten Grundsatz- und kurzfristig orientierten Aktionsprogrammen mit Zielformulierungen und Absichtserklärungen versuchen Parteien, Wählerschichten anzusprechen.

Parteien formulieren eher Programme, um Wahlen zu gewinnen. Parteien wollen weniger Wahlen gewinnen, um Programme zu verwirklichen.

Typen des Mehrheitssystems

Zweiparteiensysteme
Wettbewerb von zwei großen Parteien bei Chancenlosigkeit dritter Parteien (vgl. UK und USA)
Zweieinhalb-Parteien-Systeme
Zwei Großparteien mit einer dritten Partei als Zünglein an der Waage
Vielparteienensystem mit und ohne dominierender Partei
Mehr als drei Parteien mit Führung einer traditionellen Partei bzw. mehr als drei Parteien ohne Führungsrolle einer Partei

2.5 Verbände und Verwaltung    

Verbände erfüllen jedenfalls eine Integrationsfunktion. Die Rekrutierungs- und Legitimationsfunktion ist - besonders in Mehrparteiensystemen - weniger bis gar nicht ausgeprägt. Parteien und Verbände unterscheiden sich in der zwingenden Wahlbeteiligung bei der weiten Definition von Interessen und Wertvorstellungen von Parteien. Verbände grenzen sich eindeutig ab (vgl. Gewerkschaften vertreten eindeutig Arbeitnehmer- und keine Arbeitgeberinteressen).

Verbändearten

Ideelle Verbände
Konfessionelle VerbändeReligionsgemeinschaften mit ihren Vereinigungen/Vereine und Werke
EinzweckverbändeVerbände mit nur einem Ziel: Bürgerinitiativen
Humanitäre, sportliche und andere VerbändeSportdachverbände, Rotes Kreuz, Diakonie, Caritas, Richtervereinigung, Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich....
Wirtschaftsverbände
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände/Sozialpartner in ÖsterreichGewerkschaft, Wirtschaftskammer, Kammer für Arbeiter und Angestellte, Landwirtschaftskammer, Landarbeiterkammer, Industriellenvereinigung und Kammern der Freiberufler(Ärzte-, Apotheker-, Rechtsanwalts-, Notariats-, Tierärztekammer....)


Verbände verstehen sich als "Druckgruppen" ("pressure groups") für ihre Interessen, wobei das Nebeneinander verschiedener Interessen - man denke an Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden - zu einer Pluralität in einem liberalen politischen System verhilft.

Adressaten von Verbänden sind das Parlament, die Regierung und Verwaltung sowie die Parteien. In präsidialen Systemen spielen Verbände mit ihrem Einfluss eine große Rolle (Lobbyismus). Verrechtlicht wird der Einfluss durch bestimmte institutionelle Einrichtungen wie das Anhörungsrecht auf Regierungsebene (Deutschland) und das Begutachtungsverfahren im vorparlamentarischen Rahmen der Gesetzgebung (Österreich).

Als Neokorporatismus wird die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden zur Durchsetzung von Interessen im System des Parlamentarismus bezeichnet. Staat (Regierung), Arbeit (Gewerkschaft) und Kapital(Arbeitsgeberverbände) arbeiten zusammen (vgl. Österreich: Sozial- und Bildungspartnerschaft, Paritätische Kommission für Lohn- und Preisfragen). Unter dem Aspekt einer Mitbestimmung und damit Gleichberechtigung werden Partizipationsmöglichkeiten am Arbeitsplatz und auf Betriebsebene (Betriebsräte, Personalvertretungen im Öffentlichen Dienst), auf Unternehmensebene (Betriebsräte; in Deutschland "Montan-Mitbestimmung" in der Eisen- und Stahlindustrie) und überbetrieblichen Einrichtungen (Paritätische Kommission für Lohn- und Preisfragen) eingerichtet.

Traditionelles Verfassungsdenken benötigt für Regierungen bürokratische Hilfsapparate, die den politischen Willen der Regierenden zu erfüllen haben. In diesem Sinne ist Verwaltung ein neutrales Instrumentarium, das jeweils für die legitim Herrschenden eingesetzt wird. In der Realität zeigt es sich jedoch, dass der Öffentliche Dienst eine vollständige Neutralität nicht erfüllen kann. Beamtete Mitarbeiter beeinflussen - bewusst oder unbewusst - Entscheidungen, wobei moderne Verwaltungen zu einem Großteil sich selbst Gesetze geben, auf die sie sich bei der Vollziehung berufen. So gibt es in den USA eine politische Beamtenschaft ("Administration"), in Europa - insbesondere im UK - ein unpolitisches Beamtentum:

  • In den USA hat jeder Präsident das Recht, Spitzenpositionen der Verwaltung entsprechend seinem politischen Willen zu besetzen. Damit wird seine politische Macht sichergestellt, Beamte sind allerdings auf Abruf/Zeit bestellt.
  • Besonders im britischen "Civil Service" sind bestimmte parteipolitische Funktionen und Beamtenpositionen unvereinbar. Es besteht hier ein Berufsbeamtentum.
  • In Europa gibt es in Regierungen politische Beamte in Spitzenpositionen in Form von Besetzungen in Ministerbüros, die zwischen dem Minister und der Berufsbeamtenschaft angesiedelt sind und für jeden Minister das wichtige politische Vertrauensklima herstellen. Damit wird auch das "unpolitische" Berufsbeamtentum politisiert.
2.6 Internationale Beziehungen    

In der Politischen Bildung werden internationale Beziehungen/Politik als Formen der Kooperation (Zusammenarbeit) und Konfrontation (Auseinandersetzung) zwischen politischen Systemen betrachtet. Dazu zählen zwischenstaatliche und nicht-staatliche Beziehungen (vgl. Beziehungen zwischen nationalen Parteien in der EU).

Internationale Beziehungen spielen sich vor allem in internationalen Organisationen in Form von Kontakten mit mehreren Staaten (Multipolarität) ab. Gegenstand solcher Beziehungen sind heute alle Politiksparten, insbesondere die Außenpolitik. Wie diese betrieben wird, welche Ziele sie verfolgt, ist nicht nur Ausdruck innenpolitischer Beziehungsgeflechte, auch Ausdruck von Kontakten zwischen den außenpolitischen Akteuren.

Analyse internationaler Beziehungen

Geopolitik
Geographische Faktoren bestimmen internationale Beziehungen. Das außenpolitische Verhalten etwa des UK oder Japans im 19. und 20. Jahrhundert kann nicht ohne die Berücksichtigung der Insellage verstanden werden. Ebenso ist die Neutralität Österreichs 1955 wesentlich ein Ergebnis der Lage zwischen Ost und West.

Gleichgewicht der Mächte
Dieses Denkmodell verfolgt eine Politik der Gleichgewichtstheorie, ein stabiles System des internationalen Status quo zu etablieren(vgl. Henry Kissingers Außenpolitik der USA; "Heilige Allianz" Metternichs 1815-1848).

Nationale Interessen
Hier werden Ungleichgewichte internationaler Macht durch nationale Kräfte akzeptiert.

Integration
Aus unterschiedlichen nationalen Interessen sollen gemeinsame Vorgangsweisen sich entwickeln, wobei letztlich die beteiligten Akteure miteinander verschmelzen (vgl. supranationale Organisationen in Form eines Bundestaates; internationale Dachverbände).

2.6.1 West-Ost-Konflikt    

Der West-Ost-Konflikt entwickelte sich aus der weltpolitischen Situation des Jahres 1945 zu einem Konflikt auf verschiedensten Ebenen:

Militär
Der NATO/Westen steht der Warschauer-Pakt/Osten entgegen.

Politik
Dem liberalen System des Westens steht das einheitlich strukturierte System des Kommunismus des Ostens gegenüber.

Ideologie
Die "freie Welt" des Westens ist mit der Klassenherrschaft des Ostens konfrontiert.

Wirtschaft
Westliche Wirtschaftskooperationen(OECD als Nachfolge des Marshall-Plans und EWG/EG) treten dem östlichen Teil des COMECON entgegen.

Überblick über den West-Ost-Konflikt

1945Ende des Zweiten Weltkrieges
1947Politik der Eindämmung der USA/"Truman-Doktrin" - Beginn der Phasen des "Kalten Krieges"
1948/49Berlin-Blockade("Rosinenbomber")
1949Sieg der Kommunisten in China/Mao? Tse Tung - Gründung der NATO
1950-1953Korea-Krieg
1953Tod Stalins - Beginn der Entspannung
1955Abschluss des österreichischen Staatsvertrags - Gründung des Warschauer Pakts
1956Eingreifen der Sowjetunion in Ungarn
1958Berlin-Ultimatum der Sowjetunion
1962Kuba-Krise/Gefahr des eines Atomkrieges
1963Atomtest-Abkommen
1968Atomsperrvertrag - Besetzung der CSSR durch den Warschauer Pakt
1972SALT I
1965-1973Vietnam-Krieg
1975Unterzeichnung der "Schlussakte von Helsinki"
1979SALT II -Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan
1981Aufstand in Polen

Abweichungen in der NATO gab es seit 1966 für Frankreich als Mitglied der NATO nur im zivilen Bereich, im Warschauer Pakt ab 1968 mit dem Austritt Albaniens und der Verweigerung Rumäniens an der Besetzung der CSSR.


2.6.2 Nord-Süd-Konflikt    

Der Nord-Süd-Konflikt ist im Gegensatz zum West-Ost-Konflikt eine wirtschaftliche Auseinandersetzung. Der Norden als industriell entwickelte Gesellschaft - mit dem Großteil des Reichtums, der Lebensqualität und Lebenschancen - steht im Gegensatz zum armen Süden mit hoher Sterblichkeitsrate, geringeren Bildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten. Durch die hohe Bevölkerungszunahme im Süden wird der Unterschied bemerkbar größer.

D. SENGHAAS entwickelte mit J. GALTUNG u.a. das sog. Zentrum-Peripherie-Modell. Die Industriestaaten werden als Zentrum gesehen, das wirtschaftlich, kulturell und politisch die Peripherie(= Entwicklungsländer) dominiert. Diese Dominanz kompliziert sich dadurch, dass in der Peripherie Zentren entstehen, die sich die Peripherie der Peripherie abhängig machen. In den Industrieländern entstehen Peripherien im Zentrum.


Zentrum-Peripherie-Modell/ Beispiele

Peripherie 1
Zentrum + Peripherie
Zentrum:EU
Peripherie im Zentrum:Migrantentum Arbeitslosigkeit Asylantentum Randstaatenproblematik
Peripherie 2
Zentrum + Peripherie:Beispiel Industrieregion im S-Brasilien
Peripherie 3
Peripherie + Peripherie:regionales Beispiel NO-Brasilien
Peripherie 4
Peripherie im Zentrum:Beispiel Randzonen des Mittelmeers in Europa


Wirtschaftlicher Ausdruck dieser Abhängigkeiten sind die internationalen Handelsbeziehungen ("terms of trade"). Sie entwickeln sich zum Nachteil der Entwicklungsländer. Die Dritte Welt erhält für ihre Exporte in die Industriestaaten einen eher abnehmenden Preis, für die Importe aus den Industrieländern sind zumeist steigende Preis zu zahlen. Die Handelsbeziehungen zu verbessern und Rohstoffkartelle zu bilden, gelang dies bisher nur einmal in Form des OPEC-Zusammenschlusses erfolgreich.

Kultureller Ausdruck dieser Abhängigkeiten ist die Kommunikationsstruktur. Hier zeigt sich noch das ehemalige koloniale Verhältnis, bei dem beispielsweise der anglophone Teil Afrikas dichtere kulturelle Beziehungen als der frankophone Teil aufweist.

Zwei politische Strategien versuchen diese Abhängigkeiten zu überwinden:

  • Das Konzept der Ankoppelung baut auf einer intensiven Verflechtung zwischen Entwicklungsländern und entwickelten Staaten (vgl. Entwicklungshilfe).
  • Das Konzept der Abkoppelung baut dagegen auf einer Entflechtung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, um die Peripherie vom Zentrum autonom zu machen.
2.6.3 Neutralität und Blockfreiheit    

Neutralität und Blockfreiheit sind zwei Konzepte, die aus dem West-Ost-Konflikt heraus entstanden sind. Die Neutralität praktizieren europäische Staaten mit einem liberalen politischen System. Die Blockfreiheit ist ein Konzept zumeist der Länder der Dritten Welt, deren politische Systeme verschiedenartig sind.

Dauernde Neutralität - in Österreich bezeichnet als "immerwährende Neutralität" (seit 1955) - ist eine außenpolitische Zielvorstellung in Europa aus Erfahrungen der Schweiz, wobei Österreich, Irland, Finnland und Schweden eine unterschiedliche Praxis innerhalb der EU mit - Österreich und Irland - und ohne Neutralität - Finnland und Schweden - aufweisen. Völkerrechtlich abgesichert ist die Neutralität der Schweiz (vgl. die Diskussion dazu in Österreich).

Die Konferenz der Blockfreien ist nach Beendigung des West-Ost-Konflikts nunmehr Partei im Nord-Süd-Konflikt. Die alle drei Jahre stattfindende Konferenz - seit ihrer Gründung 1961 in Belgrad - hat als erklärtes Hauptziel eine Wirtschaftsumverteilung zugunsten der Dritten Welt ("Neue Weltwirtschaftsordnung"). Internationale Konflikte trennen die Mitglieder, so der 1980 begonnene Krieg zwischen dem Irak und Iran und der Konflikt in Afghanistan (1979). Kuba als freundlicher Partner ehedem der Sowjetunion vertritt eine unterschiedliche Rolle in der Stellung der Blockfreien. Durch die heutige Bedeutung der EU ist der Gaststatus - Sitz ohne Stimmrecht - neutraler europäischer Staaten in der Konferenz der Blockfreien bedeutungslos geworden.

3 Friedensbemühungen und Konfliktentschärfung    

Von Krieg spricht man, wenn ein Staat eine Kriegserklärung in völkerrechtlicher Form abgibt oder feindliche Handlungen ohne eine solche Erklärung ausbrechen. Nach 1945 wurde die Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden komplizierter, weil Elemente von Bürgerkriegen und Stellvertreter- und Befreiungskriege geführt wurden.

Beispiele für solche Kriegsarten sind der Vietnam- (ohne Kriegserklärung der US-Verfassung der USA), Afghanistan- (ohne Kriegserklärung der Sowjetunion) und Angolakrieg (kubanische und südafrikanische Truppen kämpften jeweils auf der anderen Seite).

Beim Friedensbegriff ist zum besseren Verständnis vom Gewaltbegriff auszugehen. Davon spricht man, wenn die für eine(n) Person/Staat die für ihn geplanten Möglichkeiten durch das Dazwischentreten anderer unmöglich werden (personelle Gewalt/= Krieg und strukturelle Gewalt/= Gegensatz zwischen Nord und Süd).

Die Friedens- und Konfliktforschung beschäftigt sich mit den zwei Denkschulen der

  • realistischen Friedensforschung, die sich auf den negativen Frieden (Frieden durch Nicht-Krieg) und
  • kritischen Friedensforschung, die sich auf positiven Frieden (= Fehlen der Voraussetzungen für einen Krieg) beziehen und in der praktischen Arbeit einander ergänzen.
Hinter Krieg und Gewalt steht der Konflikt, die Unvereinbarkeit von Interessen und Wertvorstellungen.

Zur Konfliktlösung bedarf es der Kenntnis der Konfliktarten, wobei

  • antagonistische Konflikte solche sind, bei denen sich die Gegner unversöhnlich gegenüberstehen (Kompromisslosigkeit - vgl. Klassenkampf im Marxismus).
  • Nicht antagonistische Konflikte können durch Kompromisse gelöst werden.
  • Symetrische Konfikte bestehen zwischen zwei gleich starken Partnern (vgl. West-Ost-Konflikt).
  • Asymetrische Konfikte bestehen bei ungleichen Partnern (vgl. Großmächte -Kleinstaaten/Invasion Sowjetunion - CSSR/1968 und USA-Grenada/1984) oder Staaten und Individuen.
Zwei Techniken bieten ich bei der Lösung von Konflikten an:

  • Die dissoziative Lösung zielt auf die Herstellung des negativen Friedens ab. Dazu zählt ein Konzept des Gleichgewichts der Mächte und die wechselseitige Garantie von Einflusssphären mit Unterbrechung bestimmter Formen der Kommunikation(vgl. Eiserner Vorhang, Berliner Mauer/"Cordon Sanitaire").
  • Die assoziative Lösung zielt auf die Herstellung eines positiven Friedens ab. Der Konflikt wird gelöst, indem eine Integration - also eine Entstehung eines neuen Akteurs - vorgenommen wird(vgl. europäische Integration als Mittel zur Lösung des deutsch-französischen Gegensatzes).
Als Alternativen zum Krieg

  • gilt die Abschreckung mit der Anwendung des Konzepts des Gleichgewichts der Kräfte. Eine Abschreckungspolitik will einen möglichen Gegner davon überzeugen, dass ein Angriff für ihn mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringt. Abschreckungspolitik ist immer Rüstungspolitik mit militärischer Drohkapazität, um auch nach einem möglichen Überraschungsangriff wirksam zurückschlagen zu können ("Zweitschlagkapazität"). In der West-Ost-Konfrontation hat in Europa dies einen Krieg verhindert. Der Preis ist eine teure Rüstungsspirale, insofern ist das Gleichgewicht auch in instabiles (vgl. "overkill capacity").
  • Eine Konsequenz aus dieser negativen Seite ist die Abrüstung, die erst in Ansätzen tatsächlicher Politik praktiziert wird. Genau genommen sind diese Anfänge Rüstungsverzicht, wie es beim SALT I und II - Abkommen, der Begrenzung der Antiraketenrüstung(ABM-Vertrag), dem Verzicht auf überirdische Atomtests(Atomteststopp-Abkommen), dem Verzicht auf Weitergabe von Atomwaffen(Atomwaffen-Sperrvertrag) und den vertrauensbildenden Maßnahmen(KSZE) sich darstellt. Beidseitige(Gradualismus) und einseitige Abrüstung(Unilateralismus) sind zwei konkrete Formen zur Kriegsverhinderung.
  • gilt die soziale Verteidigung. Sie ist eine gewaltfreie Form zur Verhinderung von Aggressionen von außen und eine Strategie zur Verhinderung solcher Aggressionen. Im Gegensatz zu einem Guerillakrieg wird hier die Bevölkerung auf ein geschlossenes gewaltfreies Auftreten vorbereitet und damit in die Rolle einer Nicht-Kooperation mit dem Aggressor gebracht. Indien als Beispiel gegen die britische Kolonialmacht praktizierte so seine erfolgreichen Unabhängigkeitsbestrebungen (1946), die Bürgerrechtsbewegung der USA wurde in den 50ger und 60ger Jahren davon stark beeinflusst. Der Widerstand in der CSSR 1968 gegen die Truppen des Warschauer Pakts und im Zweiten Weltkrieg der Widerstand in Dänemark gegen die deutsche Besetzung mit der Deportation der jüdischen Bevölkerung sind weitere Beispiele sozialer Verteidigung.
Modelle des Friedens beschäftigten auch die politische Bildung in Form von Zielvorstellungen, die einen idealen Friedenszustand beschreiben (vgl. Iring FETSCHER):

  • Frieden durch Gleichgewicht entspricht der Abschreckungspolitik, ergänzt durch Elemente der Abrüstungspolitik.
  • Frieden durch Freihandel baut auf der Annahme, dass eine Beseitigung wirtschaftlicher Begrenzungen auch die Beseitigung des Wirtschaftsgefälles und einer Isolation wirtschaftlich schwacher Staaten mit sich bringt (vgl. die umstrittene Annahme, dass ein liberalisierter Welthandel die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Entwicklungsländer wesentlich verbessert).
  • Frieden durch Koexistenz autarker Kleinstaaten ist entgegengesetzt dem Modell "Frieden durch Freihandel". Es baut auf der Annahme, dass schwächer entwickelte Staaten durch eine autonome Entwicklung ihre Armut und damit die Grundlagen für Gewalt am besten überwinden können.
  • Frieden durch Demokratie geht auf den positiven Zusammenhang von Frieden und weitgehender Mitbestimmung ein. Wenn Frieden wirklich erwünscht wird, so müsste eine Demokratisierung der Gesellschaft, besonders in der Außenpolitik, dem Frieden nützen. Angesichts der Erfahrungen mit populären Kriegen ist der positive Zusammenhang von Demokratie und Krieg durchaus umstritten (vgl. die Kriegsbegeisterung am Beginn des Ersten Weltkrieges und am Beginn des Falkland-Krieges).
  • Frieden durch Sozialismus geht vom Zusammenhang von Frieden und einer sozialistischen Gesellschaft aus. Wenn Konflikte mit wirtschaftlichen Interessen zu tun haben (militärisch-wirtschaftlicher Komplex), könnte eine wirtschaftliche Umorientierung (= Loslösung vom Profitdenken) dem Frieden dienen. Da sich sozialistisch nennende Staaten Krieg gegeneinander geführt haben, ist das Modell umstritten (vgl. Krieg zwischen China und Vietnam 1979).
  • Frieden durch einen Weltstaat baut auf die Autorität einer supranationalen Institution(vgl. eine Weiterentwicklung der Vereinten Nationen). Diese institutionelle Modellvorstellung bedarf einer Ergänzung durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen (vgl. Frieden durch Demokratie und Frieden durch Sozialismus).
  • Frieden durch Abbau individueller Aggressivität geht davon aus, dass Unfrieden individuelle Ursachen hat (vgl. die Verhaltensforschung mit der Annahme eines nicht veränderbaren Aggressionspotentials und die Psychoanalyse mit dem Grundtrieb des eros und der Ergänzung des destruo/Zerstörungs- und Todestrieb).
4 Internationale Organisationen und Außenpolitik    

Internationale Organisationen sind Zusammenschlüsse nationaler politischer Akteure zu internationalen Gemeinschaften. Das Konzept der Integration ist dort besonders zu beobachten, wo Zusammenschlüsse föderalistische Ziele verfolgen (Bundesstaat), weniger dagegen bei konföderalistischen Vorstellungen (Staatenbund).

Internationale Organisationen unterscheiden sich nach

  • staatlichen oder nicht-staatlichen Organisationen
  • globalen oder regionalen Organisationen (vgl. UNO - OAU, EU) und
  • supranationalen oder intergouvernementalen Organisationen (bundesstaatliche Aspekte/ UNO - Abtritt von Souverenitätsrechten/ EU).
Nichtstaatliche internationale Organisationen sind von erheblicher Bedeutung. Vor allem sind

  • internationale Zusammenschlüsse von Parteien und
  • internationale Zusammenschlüsse von Gewerkschaften wesentlich.
Damit können diese nichtstaatlichen Organisationen auf der Ebene staatlicher internationaler Organisationen agieren, wobei solche Organisationen global und regional institutionalisiert sind(Sozialistische Internationale; Liberale Weltunion Internationale Demokratische Union, Europäische Demokratische Union; Internationale und Europäische christlich-demokratische Parteien). Ein entsprechender Zusammenschluss kommunistischer Parteien fehlt dagegen. 1943 wurde die "Kommunistische Internationale" - gegründet 1917 bei der Oktoberrevolution - aufgelöst. Durch die verschiedenen Konflikte - vgl. Sowjetunion-Jugoslawien, Sowjetunion-China, China-Vietnam - und Autonomieinteressen nicht regierender kommunistischer Parteien - "Eurokommunismus" - wurde eine internationale Organisation verhindert, obwohl hier der Gedanke der Internationalität besonders hervorgehoben wurde.

Auch internationale Zusammenschlüsse von Gewerkschaften folgen dem Muster der Straffung von Organisationen. 1948 spalteten sich der Weltgewerkschaftsbund in einen "Internationalen Bund Freier Gewerkschaften" (sozialdemokratisch-sozialistische Gewerkschaften) und einen "Weltgewerkschaftsbund" (KP-Gewerkschaften). Unabhängig davon gibt es den "Weltverband der Arbeitnehmer" (christliche Gewerkschaften). Regional haben Gewerkschaften in Europa den "Europäischen Gewerkschaftsbund" (EGB) gegründet.

4.1 UNO    

Als bedeutende staatliche internationale Organisation wurden 1945 die Vereinten Nationen (UNO) von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges als Instrument der "kollektiven Sicherheit" begründet. Zu diesem Zeitpunkt sahen besonders die USA die UNO als friedenssicherende Institution an. Entsprechend dem realistischen Prinzip - die Großmächte haben bis heute im UN-Sicherheitsrat einen Machtvorsprung - und der Egalität - die UNO besitzt in der UN-Generalversammlung entsprechend dem Prinzip der Gleichheit eine Einrichtung - hat die UNO drei Hauptorgane:

  • Die UN-Generalversammlung mit je einer Stimme eines Mitgliedsstaates - bis 1990 hatte die Sowjetunion mit Weißrussland und der Ukraine drei Stimmen - ist ein Diskussionsorgan.
  • Der UN-Sicherheitsrat mit den dzt. ständigen Mitgliedern in Form der fünf Großmächte - USA, Russland, UK, Frankreich und VR China - mit Vetorecht und zehn nicht ständigen Mitgliedern, die nach einem regionalen Schlüssel von der Generalversammlung gewählt werden, ist ein Beschlussorgan für "friedenserhaltende Maßnahmen" (vgl. Entsendung von UNO-Truppen).
  • Der Generalsekretär wird auf auf Vorschlag des UN-Sicherheitsrates von der UN-Generalversammlung für fünf Jahre gewählt. Neben der Leitung der UNO hat er die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates zu vollziehen.
  • Die drei anderen UN-Organe - Wirtschafts- und Sozialrat, Treuhandrat und Internationaler Gerichtshof - sind politisch von geringerer Bedeutung.
  • Die UN-Spezial- und Teil- bzw. Sonderorganisationen sind im Alltag heute bereits selbstverständlich geworden: WHO (Gesundheitspolitik), Weltpostverein (Nachrichtenverkehr), ILO (Erfahrungen in den industriellen Beziehungen/Arbeitsmärkte), FAO (Nahrung -Landwirtschaftspolitik) und UNESCO (Erziehung und Wissenschaft).
4.2 Europäische Union/EU    

Die Europäische Union mit ihren Vorläuferorganisationen der Montanunion (1951), EWG (1958), EURATOM (1958) und EG dient als wichtigste Organisation in Europa der Stabilität in Wirtschaft, Politik und Sicherheit.


Entwicklung Europas als Gemeinschaft

1947Europäisches Wiederaufbauprogramm(ERP - "Marshall Plan")
1948Gründung des Europäischen Wirtschaftsrates (OEEC) in Paris - in der Folge Entwicklung der OECD zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik der westlichen Industrieländer
1949Gründung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON) in Moskau
1951Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) bzw. Montanunion
1954Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) durch Frankreich
1957/1958Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft(EWG) und EURATOM auf Grund der Römische Verträge(1957)
1960Gründung der Europäischen Freihandels-Assoziation (EFTA) durch die zunächst nicht an der EWG beteiligten westlichen Industrieländer
1965Fusion der Kommission von EWG und Euratom sowie Hoher Behörde der EGKS > gemeinsamer Rat und Kommission
1973Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft durch den Beitritt Großbritanniens, Dänemarks und Irlands - Freihandelsabkommen mit den vier neutralen Staaten > Bedeutungsverlust der EFTA
1979Erste Direktwahl des Europäischen Parlaments
1981Erweiterung durch den Beitritt Griechenlands
1986Erweiterung durch den Beitritt Spaniens und Portugals
1991/1992Vertrag von Maastricht - Zusammenarbeit in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik/GASP, Innen- und Justizpolitik und Wirtschaftspolitik
1995Erweiterung durch den Beitritt Österreichs, Schwedens und Finnlands
2001Gemeinsame Währung in einer Wirtschafts- und Währungsunion/EURO-Cent
2004"Osterweiterung" mit zehn neuen Beitrittsländern
2007Beitritt Rumäniens und Bulgariens



Organe der Europäischen Union

Rat Mitgliedsstaaten durch Regierungschefs vertreten - Entscheidungsorgan der EU
Kommission Durchführung der Beschlüsse des Rates - keine Weisungsgebundenheit durch die entsendeten Regierungen mit einem Verwaltungsapparat in Brüssel
Parlament Seit 1979 direkt gewählt, wählt es die Kommission und besitzt Budgetrecht
Andere Organe der EU Europäischer Gerichtshof - Wirtschafts- und Sozialausschuss - Europäischer Sozialfonds - Europäischer Agrar- und Garantiefonds - Europäischer Entwicklungsfonds - Europäische Investitionsbank

4.3 Europarat    

Seit 1949 besteht unabhängig von EWG/EG/EU der Europarat in Straßburg, dem alle europäischen Staaten mit einem liberalen politischen System angehören (Parlamentarische Versammlung, Ministerrat und Generalsekretär). 1950 verabschiedete der Europarat die Europäische Menschenrechtskonvention und 1961 die Europäische Sozialcharta.


Der Außenpolitik kommt insofern eine große Bedeutung zu, als sie nur bedingt von eigenen Akteuren und hauptsächlich solcher anderer politischer Systeme abhängig ist. Damit kommt es zu internationalen Beziehungen.

Merkmale sind der Vorrang der Exekutive (Regierung) gegenüber dem Parlament, ein Berufsbeamtentum mit mitunter politischen Ambitionen (Diplomatischer Dienst), besondere Normen (Völkerrecht), einem nationalen Konsens (weniger Kontroverse als in anderen Politikfeldern) und einem Defizit in der Öffentlichkeit (Geheimdiplomatie).

4.4 Beispiel: USA    

Das Beispiel USA zeigt ein Nebeneinander der Doppelzuständigkeit des Präsidenten und des Kongresses (insbesondere des Senats). In der Regierung gibt es ebenfalls eine Doppelzuständigkeit mit dem Außenministerium (State Department) und Sicherheitsrat (vgl. das Zusammenspiel von Nixon und Carter mit Kissinger und Brzezinski sowie die Kontroverse Powell und Rice 2004).

Zwei Richtungen kennzeichnen die US-Politik. Einerseits der (demokratische) Interventionismus mit Beispielen der Präsidenten Wilson und Roosevelt, andererseits der (republikanische) Isolationismus, der erst mit Eisenhower (1953-1961) zurückgedrängt wurde.

Seither ist das weltpolitische Engagement der USA in der Außenpolitik dominierend.

5 Beispielhafte Praxis und Handlungsfelder/Auswahl    

Im Folgenden werden Beispiele aktueller demokratischer Diskussionskultur angeführt, die zu weiteren Analysen des politischen Alltages führen (sollen).

5.1 Wählen mit 16    

PRO CONTRA
Wunsch von Jugendlichen nach Gestaltung und MitbestimmungEntwicklung der Lern- und Erfahrungsräume Jugendlicher durch Politische Bildung
Wirtschaft hat den Jugendlichen als Konsumenten entdecktWahlbeteiligung von Lehrlingen bei AK-Wahlen auffallend niedrig (11,5 Prozent)
Forderung: verstärkter Unterricht in Politischer Bildung / Praxisfelder in den GemeindenUntersuchungen ergeben politische Defizite bei Jugendlichen

Diskussion " Pro und Contra" in der Tiroler Tageszeitung vom 12./13. Oktober 2002

5.2 Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare    

Anerkennung von Homosexualität unter Männern in der Antike

Ächtung und Verfolgung Homosexueller in der Folge - erst im 20. Jahrhundert langsames Umdenken mit Vorreiterrolle skandinavischer Länder bei einer Entdiskriminierung gleich- geschlechtlicher Partnerschaften

Filmbranche, Modeindustrie und Pornoszenen haben die Vermarktung entdeckt

Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe bedeutet weiten Weg


Beitrag "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe", Der Standard, 25. Februar 2003

5.3 Der Stellenwert von Religion heute    

"Nun sag, wie hast du's mit der Religion?"/ Faust


EU-Debatte um die Verankerung des religiösen Erbes in einer Verfassung - strikte Ablehnung durch französische Laizisten

Deutschland über die EU-Grundrechtscharta: Gründung der EU/ Union auf "die Werte der Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Solidarität im Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes"

Frankreich: "spirituel et moral"

Polen: fester (katholischer) Glaube inspirierte EU-Beitritt

Türkei: kemalistischer Staat fordert Trennung von Staat und Kirche

UK: Staatsoberhaupt gleichzeitig weltliches Oberhaupt der Kirche

Griechenland: bis 2000 orthodoxe Staatskirche


Beitrag "Wie hast du's mit der Religion?", Der Standard, 19. November 2002

5.4 Warum man arbeitet    

Berufswahl - Schulwahl-Lehre-Studienwahl; Institutionen der Bildungs- und Berufsberatung:

  • Schule: Berufsorientierungsunterricht-Realbegegnungen-Bildungsberatung
  • Arbeitsmarktservice(AMS): Jugendberatung - Berufsinformationszentrum(BIZ)
  • Wirtschaft: BIZ der Wirtschaft - Bildungs- und Lehrlingsberatung
Arbeit als Grundbegriff menschlichen Handelns und Tuns - Einfluss auf den Alltagsrhythmus, persönlicher Wert von Arbeit/Beruf

Arbeit als wirtschaftliche Wertschöpfung - Privateinkommen, volkswirtschaftliche Bedeutung

Arbeitslosigkeit und seine Folgewirkungen

Arbeit als geistige und körperliche Anstrengung - berufliche Anerkennung-Leistung

Arbeit als gesellschaftliche Anerkennung - Image eines Berufes-Berufsträgers

5.5 Bundespräsidentenwahlen in Österreich    

Formulieren von Widersprüchen-Vorstellungen-Begriffen

Beziehungen zwischen Formen und Inhalten: Rituale-Traditionen-Stellenwert der politischen Moral/Frage nach den Nutznießern

Programme: Aussagen von Kandidaten/TV-Plakate-Werbung


Exemplarisches Beispiel der Kandidatur/Wahlwerbung von Gertraud Knoll:

Kandidatur einer evangelischen Theologin/geistlichen Amtsträgerin in Österreich - Trennung vs. Vereinbarkeit von Kirchen- und politischem Staatsamt

Politisches Engagement für Friedensinitiativen und Gleichberechtigung von Frauen(und Männern)

Distanzierung von politischen Parteien

Wahlwerbung und Programmdarstellung sowie

Folgewirkungen in aktuellen Debattenbeiträgen mit Diskussionsbedarf/Einmaligkeit einer solchen Kandidatur in der Zweiten Republik - Vergleiche mit ähnlichen Kandidaturen im europäischen Ausland/ EKD-Amtsträger wie Schmude, von Weizsäcker, Eppelmann und Albertz

5.6 Frauen und Männer im Parlament    

Frauen- und Männeranteil im Parlament heute - Ausblick in die Zukunft

Vor- und Nachteile der Quotenregelung

Mit Hilfe der Website des Nationalrates wird der jeweilige Anteil von Frauen und Männern in den Parteien festgestellt. Von Interesse ist die Verteilung in den Ausschüssen (und in der Bundesregierung).

http://www.parlament.at

5.7 Frauen und Männer als Migrantinnen und Migranten    

Aspekte/Blickwinkel und Rahmenbedingungen von Migration in Österreich

Migration - Biographien/Recherchearbeit über die jeweiligen geschichtlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen

Migrationsspuren in der eigenen Familiengeschichte

Bürger muslimischen Glaubens


Migration und Frauen > http://no-racism.net/thema/41/

5.8 Gender - Gleichstellung - Geschlechtergerechtigkeit    

Gender und Bildung in Österreich

Der geteilte Arbeitsmarkt

Frauen und Männer in der Politik/Frauenwahlrecht

Veränderte Frauen- und Männerrolle/Rollenklischees

5.9 Sportveranstaltungen - Eventkultur    

Olympische Spiele - 1896 und heute/Leistungssport vs. Breitensport

Nationale Bedeutung von Sporterfolgen

Sportidole

5.10 Demographie in Österreich    

Unterschiedliche Besiedelung in Österreich

Unterschiedliche Gruppierungen der Bevölkerung: Altersstruktur, Berufe-Ausbildungswege und Kulturen/Sprachen

Geburtenbilanz: Zahl der Geburten (Traditionen, Kinderwunsch, Empfängnisverhütung, sozioökonomische Situation),

Zahl der Todesfälle: Lebensalter, Gesundheitsversorgung, Ernährungslage, Katastrophen,

Zahl der Zuwanderungen: Arbeitsplätze, Wohnbedingungen, Verbesserung der persönlichen Lage, Bildungsmöglichkeiten,

Zahl der Abwanderungen: Mangel an Arbeit, Infrastruktur, Hoffnung auf Verbesserung der persönlichen Lage, berufliche Mobilität


Man spricht von der Geburtenbilanz und Wanderungsbilanz > AUSTRIA STATISTIK

Stadt-Land-Gefälle: Urbanisierung - Landflucht

Stadt-Erneuerung: Raumplanung - Gebietsbetreuung - Flächenwidmungspläne

5.11 Krise in Afrika - Hungersnöte    

Sahelzone - Horn von Afrika

Ursachen: Wetterextreme/Dürre - Katastrophen/Heuschreckenplage - Konflikte/politsiche Instablität - Wirtschafts- und Finanzkrise - Epidemien/HIV, AIDS, Malaria

Auswirkungen: Unterernährung - Leistungsfähigkeit - Immunsystem - Unterernährung/WHO

Hilfen: Zusatznahrung - Ernährungszentren - Medikamente - Trinkwasser - Impfkampagnen - "Hilfe zur Selbsthilfe"(ldw. Programme/Ausbildungen, Schutz der natürlichen Ressourcen, Anbauprogramme, Welthandel/Kakao, Kaffee, Bananen...., Geburtenbeschränkungen, Verzicht auf tierische Proteine, politische Stabilität

6 Methodenteil-Methodentraining/Fachdidaktik    

In der außerschulischen/ erwachsenenpädagogischen Bildungsarbeit sind Unterrichtsmethoden und damit ein Methodentrainung von grundlegender Bedeutung. Sie leisten die Vermittlung von inhaltlichen Zielen, weil Inhalte und Unterrichtsverläufe strukturieren.

Methoden stellen optimale Bedingungen für eine Begegnung von Lernenden, Lehrenden und Inhalten dar (vgl. FRECH-KUHN-MASSING 2004, 5). Unabhängig davon muss man die Fachdidaktik ansiedeln (vgl. TERHART 2011, 18-19).

Die Position der Fachdidaktik zeigt sich

  • in vertikaler Hinsicht im Zusammenhang von wissenschaftlicher Disziplin(en), Unterrichtsfach/Lernbereichen und Fachunterricht.
  • In horizontaler Hinsicht zeigt sich ihre Position an den beteiligten Wissenschaften/Teildisziplinen der Ausbildung von Lehrenden.
Es ist daher zu berücksichtigen, dass eine Fachdidaktik - in unserem Fall der Politischen Bildung - nur eines von vielen Segmenten darstellt (etwa der Erziehungs- und Bildungswissenschaft/Lernpsychologie, Unterrichtspsychologie, Bildungssoziologie und Allgemeinen Didaktik).

Es gibt einen breiten Konsens, dass außerschulische Bildungsarbeit/ Erwachsenen- und Weiterbildung alle Personen zur Teilnahme i.e.S. und i.w.S. am öffentlichen Leben befähigen soll.

Politische Bildung soll diese Fähigkeit fördern,

  • in einer modernen Gesellschaft und Wirtschaft sich angemessen orientieren zu können,
  • auf demokratischer Grundlage politische Fragen und Probleme beurteilen und
  • sich in öffentlichen Angelegenheiten entsprechend engagieren zu können (vgl. die Forderung nach Wissens-, Sozial- und Handlungskompetenz).
  • Dies beinhaltet die Erziehung zu politischer Mündigkeit, die wiederum Bedingung für Mitbestimmung und Mitverantwortung(Partizipation) ist.
Lernprozesse in der Politischen Bildung werden durch ein Methodentraining bzw. Unterrichtsmethoden organisiert, wobei die Thematik des Unterrichtsgegenstandes strukturiert wird und Unterrichtstechniken integriert werden.

Methodenfreiheit ist nach wie vor ein offenes Entscheidungsfeld der Lehrenden, die einen Lehrgang dominieren. In gewisser Weise hat jeder Lehrende sein methodisches "Privatcurriculum" (vgl. FRECH-KUHN-MASSING 2004, 8).

6.1 Methodeneinteilung    

Über die Einteilung von Methoden herrscht in der Politikdidaktik Unklarheit. Varianten wie die Makrostruktur als unspezifische Techniken sind bei Hermann Giesecke etwa der Lehrervortrag, das Unterrichtsgespräch, die Gruppenarbeit, die wiederum in anderen Publikationen zu den Sozialformen zählt (vgl. GIESECKE 1973, 125; 2000, 176). Unterschiedlich ist auch die Einteilung von Heinz Klippert (vgl. KLIPPERT 1994, 28; MICKEL 1999, 341). Er unterscheidet Makro- und Mikromethoden, wobei Gruppenarbeit und Teilnehmerreferat unter Makro-, Nachschlagen, Notizen machen, Fragetechniken und Zusammenarbeit unter Mikromethoden zu benennen sind.

Die folgenden Methoden/Lernvorhaben gelten als praktikabel (vgl. FRECH-KUHN-MASSING 2004; SANDER 2007, 589-604).

Mikromethoden

  • Lehrervortrag
  • Karikaturen
  • Textanalyse
  • Gespräche führen
  • Internet/Netzwerkarbeit
Makromethoden

  • Rollenspiel
  • Fallanalyse
  • Teilnehmerreferat
  • Talkshow
  • Pro-Contra-Debatte
  • Grupppenarbeit
  • Planspiel/Entscheidungsspiel
  • Erkundung - Sozialstudie
  • Praktikum
  • Expertenbefragung
Komplexe Lernvorhaben

  • Projekt
  • Sozialstudie
  • Zukunftswerkstatt
6.2. Konzept der Lernfelddidaktik    

Lernfelddidaktik ist ein handlungsorientierter Unterricht, der die Individualisierung von Unterrichtsprozessen ermöglicht. Er stelle eine Reaktion auf die zunehmende Heterogenität einer Lerngruppe dar, von der man in der Erwachsenen- und Weiterbildung davon auszugehen hat (vgl. "Abholen der Teilnehmenden").

Lernpsychologisch basiert die Lernfelddidaktik auf dem Konzept des "situierten Lernens", wie dies im fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Diskurs heute praktiziert wird. Nach SCHWARZ-GOVAERS (2005) und WAHL (2006) können oft Lernende das im Unterricht gebotene Wissen nicht in konkretes Handeln umsetzen, weshalb die Forderung erhoben wird, Lernsituationen möglichst an Anwendungssituationen anzupassen, da Wissen an den situierten Kontext der Lernsituation gebunden ist (vgl. RENKEL 1996, 88). Politische Bildung in alltags- und berufsspezifische Lernsituationen einzubinden ist daher konsequent, allerdings gilt die Kritik von HELMKE (2009), wonach die Wirksamkeit unterrichtsempirisch wenig erforscht ist.

Folgerichtig hat man sich mit Ergebnissen zum Lernverhalten und biographisch früh herangebildeter Lernstile auseinanderzusetzen, die mögliche Hemmnisse einer Lernfelddidaktik sein können. SCHRADER (2008, 134) skizziert demnach

  • einen "unsicheren Lerntyp", der sich auf wichtige Inhalte beschränkt, misserfolgsorientiert ist und sich Unterstützung und Anleitung wünscht.
  • Der Lerntyp "Musterschüler" ist ehrgeizig, strebsam, bevorzugt angeleitete Lernprozesse und hat Lernschwierigkeiten, wenn es keine eindeutigen Lösungen gibt (vgl. SCHRADER 2008, 113).
  • Der Lerntyp "Theoretiker" gilt als intrinsisch motivierter Lerner mit wenig Lernschwierigkeiten, an theoretischer Fundierung interessiert und bedarf wenig Unterstützung (vgl. SCHRADER 2008, 110).
Das Fähigkeitskonzept hat Einfluss auf die Lern- und Leistungsmotivation einer Person und beeinflusst die tatsächliche Leistung. Für gewöhnlich ergibt sich in der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung die Notwendigkeit einer didaktischen Reduktion von Lernsituationen, allerdings fördert die Lernfelddidaktik zum vernetzten und problemorientierten Denken und Handeln.

6.3 Didaktisch-methodische Schritte    

Geht man von dieser Problemanalyse aus, bieten sich die folgenden vier Schritte an.

  • Eine schrittweise Heranführung an handlungsorientierte Lernsituationen ist notwendig. Eine prozessbegleitende Ergebnissicherung mit der Strukturierung des Lernstoffes/Grundwissen, kooperativen Lerngebieten/Fachspezifik und einer Methodenvielfalt sichert den Unterrichtsertrag.
  • Durch die Heterogenität der Lern- bzw. Zielgruppe ist eine Individualisierung des Unterrichts notwendig (Strukturierung, Lernmaterial).
  • Eine Stärkung der lernängstlichen und misserfolgsorientierten Teilnehmer/innen ist notwendig.
  • Neue Anforderungen und neue Leitbilder einer Lernkultur sind notwendig. Die Einrichtung von Lernpartnerschaften ist sinnvoll (vgl. HEUER-BOTZAT-MEISEL 2001, 13-35; WAHL 2006).

Problematisch ist in der Erwachsenen- und Weiterbildung der hohe Anteil fachfremd erteilten Unterrichts, denn ohne ein Fachwissen von Erwachsenenpädagogik und Politischer Bildung kann ein "Lehrgang für Politische Bildung" nicht bewältigt werden.

Literaturhinweise/Auswahl    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.


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IT-Autorenbeiträge/Auswahl    

Die Beiträge dienen der Ergänzung der behandelten Thematik.

Netzwerk gegen Gewalt > http://www.netzwerkgegengewalt.org/wiki.cgi > Index:

Erwachsenenbildung

Interkulturelle Kompetenz

Migration in Österreich Teil 1 und 2

Aspekte Antisemitismus in Österreich

Globales Lernen

Politische Bildung

Lernfeld Politik

Europa als Lernfeld

Erziehung

Medienarbeit

Netzbasiertes Lernen in Theorie und Praxis

E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa/EPALE

https://ec.europa.eu/epale/de/resource-centre/content/netzwerk-gegen-gewalt

Fort- und Weiterbildung    

Universitätslehrgänge

Universität Salzburg

Interkulturelle Kompetenz

Migrationsmanagement

Donau-Universität Krems

Politische Bildung

Interkulturelle Kompetenzen

Professional Teaching and Training

Universität Klagenfurt

Global Citizenship Education

Erwachsenen- bzw. Weiterbildung

Zum Autor    

APS-Lehrer/ Lehrämter Volksschule-Hauptschule (D-GS-GW)-Polytechnischer Lehrgang (D-SWZ-Bk); zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater (1975, 1999)

Lehrbeauftragter am Institut für Bildungswissenschaften/ Universität Wien/Vorberufliche Bildung (1990/1991-2010/2011); Lehrbeauftragter am Pädagogischen Institut des Landes Tirol/ Lehrerbildung-Berufsorientierung (1990-2003); Lehrbeauftragter am Sprachförderzentrum des Stadtschulrates für Wien/Interkulturelle Kommunikation (2012); Lehrbeauftragter am Fachbereich für Geschichte/ Universität Salzburg/Sozialkunde und politische Bildung (2015/2016 - 2017)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche Österreich A. und H.B. (2000-2011); Gründungsmitglied der LehrerInnen-Plattform für Politische Bildung und Menschenrechtsbildung des bm:bwk (2004-2005); stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017 - 2019); Kursleiter an den Salzburger VHSn Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg (2012-2019)

Absolvent der Universität Innsbruck/ Institut für Erziehungswissenschaft/ Doktorat (1985); der Weiterbildungsakademie Österreich/Wien/ /wba I und II (2010); des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg bzw. Klagenfurt/Masterlehrgang/ MSc (2008), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg (Lehrgang Wien)/ Diplom (2012)und der Personalentwicklung für Mitarbeiter der Universitäten Wien/Bildungsmanagement/ Zertifizierung (2008-2010) und Salzburg/ 4. Interner Lehrgang für Hochschuldidaktik/ Zertifizierung (2015/2016), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium - Comenius Institut Münster/Zertifizierung (2018)

Aufnahme in die Liste der sachverständigen Personen für den Nationalen Qualifikationsrahmen/NQR, Koordinierungsstelle für den NQR/ Wien (2016)


MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 16. Februar 2024