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Europa als Lernfeld

Europa als Lernfeld    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Europa als Lernfeld   
Einleitung   
1 Kindheits- und Jugendkonzepte im Wandel in Europa   
2 Statistische Daten Europas   
3 Rechte und Politik für Kinder und Heranwachsende   
4 Europäische Bildungskonzepte   
4.1 Themen   
4.2 Schwerpunkte der Jugendarbeit   
4.3 Bildungsprogramme   
4.4 Nationale Bildungspolitik   
5 Schule in der EU/Diskurs   
6 Europa - Hoffnung und Feindbild   
6.1 Begrifflichkeit - Name   
6.2 Europäisch-politische Geschichte   
Antike - Hellas-Rom   
Christentum   
Frankenreich   
Frankreich - Deutschland   
Nordeuropa   
Britische Inseln   
Europäischer Osten   
Mittelalterliche Machtverteilung - Investiturstreit   
Kreuzzüge   
Rittertum   
Städte im Mittelalter   
Reformation   
Iberische Halbinsel   
Das "dritte Rom"   
Schweiz   
Niederlande   
Änderung des Weltbildes   
Glaubenskriege   
Ludwig XIV. - Absolutismus   
Parlamentarismus in England - "Glorious Revolution"   
Russland - Weg in die Moderne   
Der Aufstieg Preußens   
Das Zeitalter der Vernunft - Aufklärung   
Auswanderungswellen nach Nordamerika - USA   
Französische Revolution 1789   
Europa und Napoleon   
Unruhen in Europa   
Die Industrielle Revolution   
Die Soziale Frage   
Europäischer Imperialismus   
Italien   
Gründung des Deutschen Reiches   
Österreich - Ungarn   
Spannungsfeld Balkan   
Erster Weltkrieg   
Sowjetunion   
Nachfolgestaaten   
Faschismus/Italien   
Nationalsozialismus/Deutschland   
Der Zweite Weltkrieg   
Wiederaufbau in Europa   
Projekt Europa   
Europäische Militärbündnisse   
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft   
Folgeentwicklungen in Europa   
Die Wende   
Europäische Union/EU   
6.3 Europäische Sozialgeschichte   
Bildung   
Arbeit   
Migration   
Soziale Bewegungen/Zivilgesellschaft   
Wertewandel - Säkularisierung   
7 Europa als politisches System   
7.1 Gemeinsame Grundwerte - Lissabon 2009   
7.2 Europäische Institutionen   
7.3 Sonstige Institutionen   
7.4 Politikbereiche der EU   
7.5 Bürgerbeteiligung   
7.6 Vier Freiheiten der EU   
Reflexive Phase   
Literaturhinweise Europa   
Zum Autor   

Einleitung    

Im Rahmen der tertiären und quartären Bildung beschäftigt sich der Beitrag mit

  • Lebensbedingungen realer Kinder und Heranwachsender in den europäischen Gegenwartsgesellschaften und reflektiert bildungspolitische EU-Konzepte von Kindheit und Jugend sowie
  • Lerninhalten europäischer politischer und Sozialgeschichte sowie dem politischen System der EU.
Mit dem Weißbuch "Neuer Schwung für die Jugend Europas" 2001 hat die europäische Jugendpolitik einen vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Die Aussage Pierre Bourdieus, je weniger die Gesellschaft über die Ursachen von Schulschwierigkeiten informiert ist, umso mehr schreibt sie den Lehrkräften die Verantwortung für das "Schulelend" zu, veranlasst den Autor auch zum Diskurs über Schule.

Die EU in ihrer Vielfalt mit verschiedensten nationalen Traditionen und Lebens- und Lernbedingungen sowie die Wissenschaftliche Konferenz/ Universität Wien, 8.-9. September 2014/ "Europa - Hoffnung und Feindbild " regt zur Auseinandersetzung mit der Thematik an.

Immer mehr Themenbereiche bedürfen einer EU-Perspektive,

  • man denke etwa an das Loslösen von Kinder- und Jugendkulturen aus dem lokalen Bereich,
  • dem internationalen Vergleich von Schulleistungen und
  • Aspekten der Medien- und Jugendpädagogik und demographischer Entwicklungen, die national nicht mehr ausreichend erklärbar und steuerbar sind.
  • Ähnliches gilt für die gezwungene Migration, verarmte Familien und Gewalt gegen Kinder und Heranwachsende.
  • Basiskenntnisse einer europäisch-politischen und Sozialgeschichte sowie des politischen Systems der EU im Rahmen einer Politischen Bildung und Menschenrechtsbildung sollten bekannt sein.
1 Kindheits- und Jugendkonzepte im Wandel in Europa    

"Lange Zeit betrachteten Erziehungswissenschaftler Kinder in erster Linie als educandi, als zu Erziehende. Sie sollten im Verlauf ihrer Kindheit und Jugend schrittweise lernen, sich in der Welt der Erwachsenen zurechtzufinden und die herrschenden gesellschaftlichen Normen und Werte zu internalisieren. Nach Abschluss dieses Prozesses wurden ihnen die gleichen Rechte gewährt und Pflichten auferlegt, die in der jeweiligen Gesellschaft gültig waren; bis dahin sollten Kinder, so die gängige Auffassung von Pädagogen, in einer Art Schonraum leben, behütet und gelenkt von ihren Erziehern. Erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde diese Auffassung vom Kind erschüttert. Einerseits durch neue Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie, die Kindheit in verschiedene Phasen ausdifferenzierte, und die Reformbewegung, die Lernpotentiale von Kindern freisetzen wollte, die gängige Drillschule unterdrückte. Andererseits durch Modernisierungsprozesse, die Kinder weitgehend aus der Lohn- und Haus- und Feldarbeit freisetzten und eine verlängerte Lernkindheit und -jugend bewirkten. Kinder blieben zwar nach wie vor abhängige Wesen, aber sie eroberten sich eine eigenständige Lebensphase: Kindheit war nun nicht mehr nur Auftakt zum Erwachsenenstatus, sondern konnte von immer mehr Kindern auch zu eigenbestimmten Tätigkeiten genutzt werden" (DU BOIS-REYMOND 2004, 65-66; vgl. HONIG 1999).

Diese verkürzt dargestellte Entwicklung verlief in den meisten europäischen Staaten, wobei mittel- und nordeuropäische Ländern eher eine Lernkindheit mit kindgerechtem Konsum, osteuropäische Länder eine Lernkindheit mit regulierter Kinder- und Jugendorganisation entwickelten.

In der Folge setzten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesellschaftliche Modernisierungen im Verhältnis Männer und Frauen - damit auch bei Eltern und Kindern/Heranwachsenden - durch. Ausbildung und Berufsarbeit veränderten die Mutterrolle, das innerfamiliäre Leben verlor viel vom autoritären Charakter, Kinder und Heranwachsende profitierten von der Emanzipation der Mütter.

Kinder und Heranwachsende haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte aus Abhängigkeiten gelöst und sich eine eigene Stimme erworben. Die individualisierten Lebensentwürfe ihrer Eltern tragen dazu bei. Immer mehr Kinder und Heranwachsende lernen, mit komplizierten zwischenmenschlichen Beziehungen umzugehen. Neben der traditionellen Vater-Mutter-Kind-Familie gibt es Patchwork-Familien, im extremen Fall bildet ein homosexuelles (Ehe-)Paar mit adoptiertem Kind eine Familie.

Auf Grund der Unterschiedlichkeit der Kindheiten in Europa spricht die Jugendforschung von einer "Theorie der selektiven Modernisierung", weil osteuropäische Gesellschaften in bestimmten Bereichen Modernisierungen westeuropäischer Gesellschaften nicht durchlaufen haben.

ZINNECKER (1991) beschreibt - unabhängig vom politischen und wirtschaftlichen System - ähnliche Wertvorstellungen bei Familien- und peer-group-Beziehungen, wobei ihre Kindheits- und Jugendleben in vieler Hinsicht dem gleichen, was westliche Heranwachsende in den fünfziger Jahren erlebten.

Unter kindersoziologischen Gesichtspunkten gehen heute Kindheits- und Jugendforscher von einer Verkürzung der Kindheit und durch die zunehmenden Schul- und Bildungsjahre von einer Verlängerung der Jugendzeit aus (vgl. WALTHER-STAUBER 1998/1999). Ein Diskurs um die verkürzte Kindheit ist vorhanden, die Polemik von NEIL POSTMAN über "Das Verschwinden der Kindheit" ist bekannt geworden (POSTMAN 1983).

Kinder werden als Folge der Frauenemanzipation in Verbindung mit beruflichen Aktivitäten später geboren, die Bevölkerungspyramide verändert sich, der Generationenvertrag ist zu neu zu überdenken.

Kinder sind jedenfalls in westlichen Marktwirtschaften teurer geworden, Eltern geben mehr Geld für die neuen Erfahrungsräume, Erziehung und Bildung aus.

ZINNECKERs Theorievorschlag (1991) einer Einteilung von Kindheit unterscheidet in der Folge vier Kindheitsmodelle:

traditonal-moderne Kindheit>Pädagogik und Entwicklungspsychologie
avanciert-moderne Kindheit>Sozialisationsforschung
postmoderne Kindheit>Kindersoziologie
fundamentalistische Kindheit>Multikulturalität

Von Nord- und Westeuropa ausgehend entwickelt sich in den siebziger und achtziger Jahren ein Partizipationsdiskurs in der Kindheitsforschung, der einen starken Schub durch die UN-Konvention für die Rechte der Kinder 1989 erhielt.

Erstmals in der Geschichte wurden universale Grundrechte des Kindes codifiziert. Das Kind wird gesellschaftlicher Akteur und Mitgestalter seines Lebensraumes (vgl. HONIG-LANGE-LEU 1999, 69-80).

Die Kinderrechtsbewegung definiert das Kind als autonomen Mitbürger, wobei die Schule als zeitintensivster Kindheitsort Kindern - auch in der Moderne - so gut wie keine altersgemäße Mitbestimmung über Organisation und Inhalte gewährt.

Lernen erstreckt sich heute tendenziell über den gesamten Lebenslauf. Das macht lebensbegleitendes Lernen notwendig.

Europäische Jugend- und Bildungspolitik denkt über eine Verzahnung von "formal education", "non-formal education/learning" und '"informal learning'" nach, wobei SchülerInnen ihre eigenen Lernprozesse als Lern- und Lebensprojekt in die Hand gegeben werden soll.

2 Statistische Daten Europas    

Im "Bericht zur sozialen Lage in der Europäischen Union" (2001) wird über Kinder als eigenständige soziale Gruppierung wenig mitgeteilt. Als demographische Teilpopulation existieren sie vielmehr in Einheiten in Einkommens- und Haushaltstatistiken.

Durch die Verbesserung der Lebensbedingungen in den letzten zehn Jahren in 15 Staaten der EU hat sich auch die Situation von Kindern, Jugendlichen und Familien zum Positiven verändert. Zurückgegangen sind die Geburtszahlen in den letzten 40 Jahren, im Schnitt bekommen Europas Frauen 1,5 Kinder.

Statistisch wird die Familienzusammensetzung nicht erfasst (Einzel- bzw. Mehrgeschwisterfamilie, Stieffamilien, Patchworkfamilien). Frankreich und Irland haben die meisten Kinder, Spanien und Italien die wenigsten. Faktoren helfen die Gründe für unterschiedliche Geburtenzahlen in der EU zu erklären, wie etwa die Religionszugehörigkeit, Arbeitslosenquote, Frauenarbeitsquote, Aspekte der Kinder- und Sozialpolitik und Migrationsströme.

Verschieben sollte sich in den kommenden 15 Jahren der Bevölkerungsaufbau zugunsten der alten Bevölkerung, die Kinder- und Jugendzahl wird abnehmen.

Innerhalb der EU-15 Länder ist die Nahtstelle zur Schulpflicht 16 Jahre (Österreich 15 Jahre), es beginnt für bestimmte SchülerInnen der Eintritt in das Berufs- und Arbeitsleben und die SchülerInnen der Sekundarstufe II noch 3-5 Jahre die schulische Lernarbeit.

Abnehmende Heiraten und Geburtenraten haben zu mehr außerehelichen Geburten geführt. Mehr als ein Drittel aller Kinder wurden in Estland, Litauen, Slowenien und Bulgarien außerehelich geboren (UNICEF 2001, 22). Neben einer gewissen Auflösung von Normalbiographien zugunsten verschiedener Lebens- und Familienformen gibt es in diesen Ländern im Gegensatz zu westlichen EU-Ländern vermehrt Teenager-Schwangerschaften.

Bei der Erörterung von Armut im angesprochenen UNICEF-Bericht 2001 wird beim Armutsbegriff zwischen

  • absoluter Armut, also der Zahl der Kinder im Haushalt mit nicht leisten können eines Minimums von Waren und Dienstleistungen und
  • relativer Armut mit Ausschluss vom gängigen Lebensstil unterschieden.
Jedenfalls ist das Armutsrisiko für Landkinder und ihre Eltern größer als bei Stadtkinderfamilien. Es gibt am Land weniger Bildungsmöglichkeiten, weniger Frauenerwerbsarbeit, mehr Kinderarbeit und schlechtere Hygienebedingungen - in Rumänien hat etwa nur 13 Prozent der Landbevölkerung fließend Wasser.

Große Einkommensunterschiede, die kinderreiche Familien diskriminieren, erzeugen hohe Kinderarmutsraten, wie an den beiden Beispielen Italien und Großbritannien demonstriert werden kann. Das "Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF)" weist in einem Bericht 2001 über Familie und soziale Ausgrenzung in EU-Ländern darauf hin, dass soziale Ausgrenzung gegensätzlich zum Begriff soziale Integration steht und damit einen weiteren Aspekt von Lebensqualität erfasst (vgl. FERNANDEZ DE LA HOZ 2001).

Die Vielseitigkeit des Kinder- und Jugend-Armutsbegriffes zeigt sich beispielsweise

  • in Form sozialer Verwahrlosung,
  • Familienzerfall,
  • Kindermisshandlungen,
  • sexueller Ausbeutung,
  • Arbeitslosigkeit mit Kinderverstoßung und
  • Bildung krimineller Gruppen.
3 Rechte und Politik für Kinder und Heranwachsende    

Hier soll auf die UN-Kinderrechtscharta 1989 und auf mögliche Folgerungen für die Politik eingegangen werden.

Das Projekt "UN-Kinderrechtskonvention" sah erstmals die Zusammenkunft Vertreter der gesamten Welt zur Behandlung gemeinsamer Standards für die Behandlung von Kindern als MitbürgerInnen vor. Als Meilenstein für die Kinderforschung kommt es erstmals zur Bereitstellung von regelmäßigen Daten über gesetzliche, materielle, gesundheitliche, familiäre und bildungsrelevante Fakten. Zwar kann ein solcher völkerrechtlich verbindlicher Kinderrechtsvertrag nicht zu kinderfreundlichen Gesetzen zwingen, er setzt aber für die Mitgliedsstaaten Standards, wobei in Örebro drei Brennpunktthemen behandelt und Resolutionen verfasst wurden:

  • Kinderarbeit,
  • sexueller Missbrauch von Kindern und
  • die Situation von Flüchtlings- und Romakindern (The Conference on the Rights of the Child in Europe, Challenge and Responsibility, 30-31 May 2001, Örebro/Schweden - Schwedischer Vorsitz der EU-Kommission/The Örebro Appeal 2001).
Der Weltkindergipfel in New York 2002 behandelte

  • Fördermaßnahmen von Kleinkindern/ Kleinkindererziehung,
  • Zugang zur Grundbildung (Pflichtschulbildung),
  • Partizipation von Kindern und Jugendlichen und
  • Heranwachsende als Ressource für gesellschaftliche Entwicklung (statt Problemgruppe).
In der EU werden Kinderrechte formell in der Charter of Fundamental Rights''' anerkannt, die auf dem Nizzagipfel 2000 verabschiedet wurden.

Artikel 24 legt fest:

  • Kinder haben das Recht auf Schutz und Fürsorge, die sie für ihr Wohlergehen benötigen,
  • Kinder sollen ihre Meinung frei äußern können und diese soll in ihren Angelegenheiten altersstufengemäß und ihrem Reifegrad entsprechend berücksichtigt werden und
  • Kinder sollen als Recht mit ihren Eltern in regelmäßigem und persönlichem Kontakt stehen, außer es schadet ihren Interessen.
Kinder- und Familieninteressen/-politik mit den Problembereichen der Heranwachsenden unterliegen dem Subsidiaritätsprinzip der Mitgliedsländer, daher gibt es kein übergeordnetes Ressort, dass eine EU-Politik initiieren und durchsetzen kann.

Heranwachsende sind auf Grund ihrer erworbenen beruflichen oder schulischen Qualifikationen - insbesondere fördert die EU den IT-Bereich - als zukünftige Arbeitnehmer als soziale Gruppe von Interesse.

Die EU ist noch weit davon entfernt, ein Europa auch für ihre jungen Bürger zu sein (vgl. EUROPEAN COMMISSION 2001). Rhetorisch gibt es den Diskurs um Kinder- und Heranwachsende-Rechte bei Partizipationsmodellen und Citizenship i.e.S., wenn es also um eine Ausweitung des Bürgerschaftsstatus geht. Die bereits angesprochene Verfrühung betrifft in der EU teilweise Regionen mit einer verlängerten Lern- und Konsumkindheit.

Als Beispiel soll eine Übersicht über die verpflichtenden Lebensbereiche, in denen Kinderrechte auf Grund der Kinderrechtskonvention verwirklicht werden müssen, dokumentiert werden, wobei der UNICEF-Report 1997 als Grundlage gilt:

  • körperliche Bedürfnisse: ausreichende und unverschmutzte Nahrung,
  • Unterkunft: Sicherheit und genügend Lebensraum für eine Entwicklung/auch bei Behinderung(en),
  • Transport: sichere und zugängliche Transportmöglichkeiten(Schule/Nachrichtenverkehr),
  • Gesundheit: pränatale Versorgung, medizinische Betreuung und Gesundheitsvorsorge,
  • Schutz der Kinder: in der unmittelbaren Lebensumgebung - Schutz vor körperlicher Misshandlung (in Zusammenhang mit Armut, Arbeitslosigkeit, Minderheitendiskriminierung, Rassismus, Mädchen-/Frauendiskriminierung, sexueller Ausbeutung und gefährlichen Materialien),
  • emotionale Bedürfnisse: Recht auf Liebe, Zuwendung, Würde und Lebensglück,
  • soziale Bedürfnisse: Recht auf Familienleben, auf Teilhabe an Entscheidungen (Partizipation/citizenship), Kontakt mit Gleichaltrigen, kulturelle und nationale Identität - Rekreation, Freiheit und Vereinsbildung,
  • entwicklungsbedingte Bedürfnisse: Kontakt mit wichtigen Erwachsenen, eine anregende Umgebung von der Kleinkindzeit angefangen und altersstufengemäße Erziehung und Bildung und
  • geistige Bedürfnisse: Gedankenfreiheit, Hilfe und Führung bei moralischen und ethischen Fragen sowie dem Bedürfnis nach Liebe und Frieden.
Der Katalog hat nicht nur politisch-rechtliche Bedeutung, er erfordert auch pädagogische Maßnahmen in allen Institutionen der Kinder- und Jugenderziehung.

Auf diese soll im folgenden Abschnitt der Besprechung europäischer Bildungskonzepte näher eingegangen werden.

4 Europäische Bildungskonzepte    

Mit der Veröffentlichung des Weißbuches "Neuer Schwung für die Jugend Europas" (EC 2001) wird erstmals in der EU die Intention für eine integrierte Jugendpolitik angesprochen.

4.1 Themen    

Relevante Themen sind die

  • Partizipation Heranwachsender in die betreffenden Fragen und Entscheidungen,
  • schulische und außerschulische Bildung,
  • Sozial- und Arbeitsmarktpolitik,
  • Integrationsbemühungen in die Gesellschaft mit der Bekämpfung von sozialem Ausschluss und
  • Mobilitätsmaßnahmen in den Mitgliedsländern.
Von besonderem Interesse sind Konzepte mit der Thematik des Lernens.

  • 1972 wurden das Europäische Jugendzentrum in Straßburg und das Europäische Jugendwerk mit der Absicht, die Europaferne der jungen Generation abzubauen, gegründet.
  • 1989 entstand das "European Steering Committee for Intergouvernmental Co-operation in the Youth Field (Youth Direction)" mit dem Arbeitsprinzip des co-management zwischen nationalen Regierungsvertretern und Jugendorganisationen.
  • Nach 1989 erweiterte die EU ihre Jugendaktivitäten mit der Gründung eines zweiten "Europäischen Jugendzentrums in Budapest" (1995) in dieser Region, womit - wie in Straßburg - eine weitere Begegnungsstätte errichtet werden konnte.
  • Ziel ist ebenso auch der Aufbau von "Youth Non-Gouvernmental Organisations".
  • Eine Forschungsagenda auf europäischem Niveau zu verwirklichen, erscheint derzeit noch nicht realisierbar.
4.2 Schwerpunkte der Jugendarbeit    

Schwerpunkte der Jugendarbeit des Rates sind

  • Jugendmobilität,
  • Informationspolitik in den Bereichen Arbeit, Bildung und Freizeit,
  • Jugendpartizipation,
  • Civic education/Antirassismus-Friedenserziehung-interkulturelles Lernen und
  • Jugendforschung zur Lebenslage Heranwachsender in Europa.
Mit der Gründung 1998 einer Arbeitsgruppe der europäischen Jugendminister zur Thematik "non-formal-education" wurde der Bereich der außerschulischen Bildung und dieses Lernens zur Diskussion gestellt.

Länder-Evaluationen können ebenfalls durchgeführt werden. Insbesondere zeigen die neuen Beitrittsländer hier großes Interesse.

Alle Bemühungen zukünftiger Jugendpolitik zeigen das Interesse der EU an 75 Millionen Jungeuropäern im Alter von 15-25 Jahren, wobei die Altersgrenzen nach unten und oben auf Grund der rasanten Entwicklungstendenzen ausgeweitet werden.

4.3 Bildungsprogramme    

Zusätzlich laufen in der Schul- und Bildungspolitik der Mitgliedssaaten eine Reihe von Programmen, die als "Socrates" für die Allgemeinbildung, "Leonardo da Vinci" für Berufsbildung und "Jugend für Europa" für außerschulische Bildung angeboten werden. "Tempus" zielt auf Mittel- und Osteuropa mit Bemühungen zur Transformation der Erziehungssysteme nach der Wende 1989.

Erwähnenswert für die studierende Jugend/Erwachsenengeneration ist die Entwicklung eines "European Credit Transfer Systems (ECTS)", mit dem die Anerkennung von Hochschulabschlüssen ermöglicht und stimuliert werden soll.

Das 2002 verabschiedete "eLearning-Programm" soll die Qualität der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie den Zugang dazu verbessern (vgl. DICHATSCHEK 2004b, 145).

Das Programm "Jugend" bezieht sich sehr direkt auf Partizipation, soziale Integration und interkulturelle Erziehung. Informelle und außerschulische Lernerfahrungen sollen hier ermöglicht werden, eine Vernetzung und Austauschprogramme - auch für Behinderte - sowie ehrenamtliche Dienste sollen bei der Realisierung solche Bemühungen helfen.

Schwachpunkt all dieser Bemühungen und Angebote ist eine Überbürokratisierung, die mangelhafte Kontinuität und unzureichende Evaluation der Effekte. Zweifelsohne werden große Chancen ermöglicht, ebenso werden viele Möglichkeiten aus den genannten Gründen zu wenig oder kaum genützt.

4.4 Nationale Bildungspolitik    

Ein Höhepunkt in der Beeinflussung nationaler Bildungspolitik war das EU-Bildungsminister-Treffen von Lissabon 2000, in dem eine Verschränkung von Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik in Verbindung mit lebensbegleitendem Lernen angestrebt wird.

Hierbei geht es um

  • die Qualitätsverbesserung der Allgemein-, Berufs- und Lehrerbildung,
  • eine Durchlässigkeit der Bildungssysteme zum besseren Zugang für alle gesellschaftlichen Gruppierungen,
  • ein erweitertes Grundcurriculum für alle Lernenden und
  • eine Öffnung des Bildungssystems in regionale Räume/Wirtschafts-, des Europaraumes und der restlichen Welt.
Nationale Bildungseinrichtungen haben nunmehr die Aufgabe, neue Lernverbindungen zwischen formal, non-formal und informal learning sowie intrinsischer Lernmotivation bei SchülerInnen und LehrerInnen zu schaffen (vgl. HINTERGRUNDBERICHT DES bm:bwk ZUM ÖSTERREICHISCHEN LÄNDERBERICHT-MEMORANDUM ÜBER LEBENSLANGES LERNEN DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION, Wien 2001).

Es versteht sich von selbst, dass dies eine radikale Erneuerung bestehender nationaler Bildungssysteme - vor allem in Organisation und Verschränkung zwischen Allgemein- und Berufsbildung, in der Sprach- und IT-Kompetenz, politischen und interkulturellen Bildung - erfordert.

Ebenso ist eine Individualisierung von Lernangeboten und Lernaktivitäten bei Integration von Risikolernenden erforderlich, damit es zu keinen/weniger Ausgrenzungen kommen kann.

Man kann in diesem Zusammenhang von einer europäischen Bildungsoffensive der Selbstverpflichtung sprechen, weniger aus pädagogischen Gründen, vielmehr zum Bestehen im wirtschaftlichen und sozialen Wettbewerb in einer globalisierten Welt.

Schwer zu beurteilen ist, inwieweit europäische Dokumente auf ihren Realitätsgehalt zu überprüfen sind. Jedenfalls wird eine große Zeitspanne dafür zu veranschlagen sein.

Auch weiß man nicht, ob nicht wirtschaftliche Gründe und Interessen progressive Ziele einengen und umgestalten werden, wie etwa am Beispiel der Privatisierung und Ökonomisierung von Teilen des Bildungssystems zu erkennen ist.

5 Schule in der EU/Diskurs    

Wer in EU-Perspektiven über Schule sich äußert, sollte das Verhältnis zwischen Schule und Gesellschaft beleuchten und sich nicht in Detaildiskussionen über Schulprobleme verstricken.

Hartmut von HENTIG deutet etwa die strukturelle Krise der Schule mit der Aussage: "Das Missverhältnis von Aufwand und Erfolg, von Absicht und Ergebnis ist so groß und jetzt so offensichtlich, dass allenenthalben die Menschen bereit zu sein scheinen, 'Denkübungen' zu machen" (HENTIG 1993, 10 bzw. 1999; M. van MANEN 1994/USA, zit. nach du BOIS-REYMOND 2004, 127).

Hier wird expliziter und auffallend schärfer über eine Schulkrise in der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft gesprochen, wobei elf Kritikpunkte angebracht werden.

Kritik 1: Auffallend sind Änderungen in der Schulorganisation (Österreich), die zerklüftete Schullandschaft in ihrer Dreigliedrigkeit (Deutschland) und Ähnlichkeiten in den Niederlanden.

Kritik 2: Das pädagogische Verhältnis stimmt nicht mehr. Die alten Leitbilder taugen nicht mehr, es kommt zu Gewalt in der Schule und einem Abbau der LehrerInnen-Autorität.

Kritik 3: An den Curricula wird bemängelt, dass der Sprachunterricht veraltet sei. Man fordert mehr Raum für interkulturelle Erziehung und Friedenserziehung.

Kritik 4: Bildungssystem und Arbeitsmarkt sind nicht mehr aufeinander abgestimmt. Die Problematik der Basisqualifikationen zeigt sich an diesem Beispiel und anderen Inhalten deutlich (vgl. DICHATSCHEK 2003/2004). Unterschiedlich ist die Beurteilung von Unter- bzw. Überqualifikationen und Maturanten- und Akademikerschwemme. Selbstverständlich darf Bildung keine Ware werden.

Kritik 5: Der Erlebnisgesellschaft in ihrer Vielfalt der Möglichkeiten ist die pädagogische Krise gleichgültig.

Kritik 6: Bildungssysteme sind überbürokratisiert.

Kritik 7: Bildungssysteme zeigen deutlich die Kluft zwischen dem Alltagsleben und schulischem Lernen auf. Die Club of Rome-Studie "Zukunftschance Lernen" spricht bereits 1980 von dieser Kluft, die sich zunehmend vergrößert (vgl. DATTA 1994, 143-156).

Kritik 8: Wissen befindet sich heute in vielen Händen, Lernprozesse laufen aber nach altem Schema ab. Eine Vernetzung mit gesellschaftlichen Unternehmungen und Projekten fehlt. Auf derartige Konzepte ist Schule mit ihrer traditionellen LehrerInnen-Rolle noch nicht eingestellt.

Kritik 9: Nationale Bildungssysteme sind nicht auf den EU-Arbeitsmarkt eingestellt. LehrerInnen und DozentenInnen? sind kaum geschult, Lebensperspektiven ihrer Klientel - in Richtung künftiges Arbeits-, Berufs- und Wirtschaftsleben - in pädagogischen Veranstaltungen und entsprechender Bildungsberatung umzusetzen (vgl. DICHATSCHEK 1995, 67-76; DICHATSCHEK 2004b, 145).

Kritik 10: Anzeichen sprechen dafür, dass es zur Zweiteilung von Bildungssystemen in staatlich finanzierte und organisierte und neu strukturierte privat finanzierte Bildungssektoren kommt.

Kritik 11: Bildungssysteme sind kaum/wenig auf Internationalisierung eingestellt (vgl. ADICK 1995, 157-180).

6 Europa - Hoffnung und Feindbild    

Unter diesem Titel fand am 8./9. September 2014 im Kleinen Festsaal der Universität Wien eine Wissenschaftliche Konferenz des Sir Peter Ustinov Instituts/Wien statt.

Im Folgenden werden Überlegungen des Autors aus der Sicht der Politischen Bildung und Menschenrechtsbildung zur Aus- bzw. Fortbildung Lehrender in europäisch-politischer und Sozialgeschichte vorgestellt (vgl. KAELBLE 2007, MAI 2007, GEHLER 2014).

Das politische System der Europäischen Union/EU sollte bekannt sein (vgl. POLLAK-SLOMINSKI 2006).

Auf IT-Autorenbeiträge wird verwiesen.

6.1 Begrifflichkeit - Name    

Wer von Europa redet bzw. schreibt, wird an HERODOT als Vater der Geschichtsschreibung erinnert, der vor rund 2500 Jahren schrieb: "Von Europa weiß offenbar niemand Genaues" (vgl. MAI 2007, 11).

Man kann vieles von Europa meinen.

  • Das geographische Europa ist keinesfalls mit seinen Grenzen besonders im Osten klar (Ural, Bosporus).
  • Das politische Europa - unabhängig mit seiner "Osterweiterung" der EU auf 25 Mitglieder 2004 - betrifft etwa die Schweiz als mitteleuropäischen Staat nicht. Norwegen hat zweimal einen Beitritt zur EU abgelehnt. Bei der Türkei ist einen Beitritt umstritten, obwohl das Land Mitglied im Europarat seit dessen Gründungsjahr 1949 ist. Die östlichen Staaten wir Russland (ebenso Mitglied im Europarat), Moldawien, die Ukraine und/oder Weißrussland stehen nicht zur Debatte bzw. sind konfliktreich im Gespräch.
  • Das sagenumwobene Europa beginnt mit der Namensgebung. Im heutigen Libanon ("Phönizien")lebte eine wunderschöne Prinzessin. Zeus verliebte sich in sie, verwandelte sich in einen Stier und näherte sich der Prinzessin und ihrer Gespielinnen am Strand. Es gelang ihm, dass sich die Prinzessin auf seinen Rücken setzte, er entführte sie, durchquerte das Meer und gelangte nach Kreta. Er gestand dem ängstlichen Mädchen, dass er der Göttervater Zeus sei. Dieser Prinzessin, die "Europa" hieß, verdankt mythologisch der Kontinent (bzw. Eurasien)den Namen.
Sprachwissenschaftler erklären den Namen aus dem semitischen "ereb" (Abend, Dunkelheit), weil die Phönizier Griechenland in Richtung untergehender Sonne sahen. HESIOD nannte im 8. Jahrhundert v. Chr. erstmals in einem Text den Namen "Europa".

Die Griechen teilten im 6. Jahrhundert v. Chr. die Erde in Europa und Asien, HERODOT fügte den nördlichen bekannten Teil Afrikas (Libyen) als dritten Erdteil dazu. Als Grenzfluss galt damals der Don.

Literaturhinweis

Mai 2007, 11-14

6.2 Europäisch-politische Geschichte    

Im Folgenden wird überblicksmäßig auf wesentliche Aspekte' einer europäisch-politischen Geschichte im Rahmen einer Politischen Bildung und Menschenrechtsbildung eingegangen. Sie erheben - im Selbstverständnis einer Politischen Bildung - keinen Anspruch auf umfassende historische Informationen (vgl. MAI 2007; GEHLER 2014, 11-108).

Antike - Hellas-Rom    

  • Die Wiege der politischen Geschichte ist das antike Griechenland vor ungefähr 2500 Jahren. Mit vielen untereinander zerstrittenen Klein- und Stadtstaaten ("Polis") entwickelten sich diese verschieden. Athen und Sparta als führende Städte waren solche Beispiele.
    • Sparta setzt auf militärische Stärke, vergrößert sich am Peloponnes und hat ein wohl organisiertes Sklaventum.
    • Athen auf der Halbinsel Attika mit reichen und adeligen Landbesitzern sowie Unterdrückung und Ausbeutung der Bauern setzt auf Schlichtung/ Regelung mit Einverständnis beider Seite. SOLON als erster Schlichter bestimmt, dass Besitz und Rechte der reichen Adeligen begrenzt und armen Bauern Schulden erlassen werden. Folgenreich war die "Solonische Verfassung" mit mindestens vierzig Mal im Jahr Volksversammlungen zur Diskussion wichtiger Fragen, Beschluss von Gesetzen und Entscheidung von Krieg und Frieden. Die Ausführung der Gesetzte oblag einem Rat, die Einhaltung einem unabhängigen Volksgericht. Diese Form wurde "Demokratie"(Volksherrschaft) benannt.
  • Solon als erster großer Staatsmann der europäischen Geschichte führte mit seinen Reformen und in der Folge mit Kleisthenes und Perikles auch zu einer neuen Lebensform. Für Männer galt nicht Befehl und Gehorsam, vielmehr Rede und Gegenrede ("öffentliches Nachdenken").
  • Alle Aspekte beleuchten war die Grundlage für die Philosophie. Mit der Selbständigkeit des Denkens machte man sich frei von religiösen Abhängigkeiten.
  • Die Perser bedrohten als Großmacht im Osten das kleine Hellas. Athen und Sparta unterwarfen sich nicht, es schien zu einem Zusammenschluss zu kommen. In der Schlacht von Marathon kämpften die Athener nahezu allein, es gelang die Perser in die Flucht zu schlagen ("Wunder von Marathon"). Zehn Jahre später gelang es unter der Führung Spartas die persische Flotte in der Meerenge von Salamis zu vernichten.
  • Wegweisend im Selbstverständnis der Griechen waren die Perserkriege auch als Kampf gegensätzlicher Welten - Freiheit vs. Unterdrückung, Demokratie vs. Tyrannei, Europa vs. Asien. Mit beiden Siegen gelang es, die kulturellen Leistungen zum Fundament Europas werden zu lassen.
  • Die Demokratie hatte die Chance einer Weiterentwicklung. Es gab eine direkte Demokratie mit einer Mitbestimmung und Mitverantwortung der Bürger (mit Ausschluss von Frauen). Das Menschenbild beinhaltete Tugenden wie Vernunft, Augenmaß, Selbstbewusstsein, Bescheidenheit, Gemeinsinn und Verantwortungsbewusstsein.
  • Zu beachten sind Ideen (Erkenntnisse) im antiken Griechenland, wie die Sonne ist keine Gottheit, vielmehr glühende Gesteinsmasse (Anaxagoras), die Kenntnis von Atomen als kleinste Teile von Materie (Demokrit), Krankheiten haben eine natürliche Ursache (Hippokrates). Die Sophisten machten den Menschen zum Maß aller Dinge. Das westliche Denken wurde von Philosophen wie Sokrates, Platon und Aristoteles geprägt.
  • Rom war zur Blütezeit Athens ein unbedeutendes Bauerndorf am Tiber. Mit der Unterwerfung der Nachbarn wurde der Herrschaftsbereich größer.
    • Man lehnte sich gegen die Etrusker auf, stürzte den verhassten König und bildete in der Folge die "res publica" (römische Republik). Nicht die Demokratie, vielmehr eine Mischform wurde für Rom gewählt. Man wählte eine Stadtregierung, den Magistrat mit zwei Konsuln an der Spitze für ein Jahr - damit keiner mächtiger als andere sein konnte. Die eigentliche Macht lag beim Senat, einer Versammlung von Männern aus vornehmen Familien auf Lebenszeit ("Patrizier").
    • Männer des einfachen Volkes ("Plebejer") hatte in der Folge Rederecht, konnten Gesetze mitbeschließen und den Magistrat mitwählen, Ein ausgeklügeltes Mehrheitswahlrecht bevorzugte die wohlhabenden Römer.
    • Mit dem "Zwölf-Tafel-Wahlrecht" wurde das Plebejertum gleichgestellt, Willkür verhindert und damit Rechtssicherheit geschaffen (Zwang zu Gerichtsverfahren, Notwendigkeit eines Schuldbeweises). Das römische Rechtswesen wurde Vorbild vieler europäischer Rechtsordnungen.
    • Die vielen Kriege bevorzugten das Patriziertum mit Kriegsbeute, Kriegsgefangenen als Sklaven. Die Plebejer und Bauern gingen in der Regel leer aus.
    • Mit Gaius Julius Cäsar ging aus einem Bürgerkrieg ein großer Sieger hervor (Diktator für zehn Jahre, später auf Lebenszeit). Trotz Republik regierte Cäsar als Alleinherrscher (Diktator) bis zu seiner baldigen Ermordung.
    • Aus den jahrelangen Machtkämpfen ging der Adoptivsohn Cäsars Octavian als Sieger hervor, in der Folge mit dem Ehrentitel "Augustus" ("der Erhabene") und mit dem Titel "Cäsar" (daraus entstand der Titel "Kaiser") ausgezeichnet. Mit dem Senat, der Volksversammlung und als Herrscher über das Heer und die Staatskasse konnte gegen seinen Willen nichts entschieden werden. Die "res publica" wurde eine Monarchie, in der der Kaiser alle Macht hatte. Genützt wurde diese Macht aber auch für Kunst und Kultur. Dichter am Hof waren Vergil, Horaz und Ovid, als Philosoph ragte Seneca heraus, die Geschichtsschreibung beherrschten Livius und Tacitus.
Um 120 erreichte Rom/das Römische Reich seine größte Ausdehnung. Römisch waren der Raum um das Mittelmeer, Gallien, Germanien bis zum Rhein, ein großer Teil Britanniens, der Balkan und das Schwarze Meer mit Kleinasien.

Kennzeichnend für die Vielfalt der Völker waren

  • das Beibehalten der Sitten und Bräuche,
  • das Römische Recht,
  • römische Münzen als Zahlungsmittel und der nachdrückliche Wunsch der
  • Verehrung der römischen Götter.
  • Latein und Griechisch waren die beiden Haupt- bzw. Verkehrssprachen.
  • Ein gutes Straßennetz für den Truppentransport und Handel sowie Häfen und die Schifffahrt wurden gebaut.
  • Im Städtebau gab es im Zentrum das Forum für öffentliche Versammlungen. Werkstätten, Geschäfte, Gasthäuser und öffentliche Bäder bildeten das Stadtbild.
Römische Provinzen als Besatzungsgebiete erlebten einen beispielhaften Aufschwung.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 1, 1975, 42-97,111-174

Mai 2007, 15-23

Christentum    

Zu den Grundpfeilern Europas gehörte neben den Ideen der Griechen und Römer das Christentum. Seine Wurzeln waren in Palästina bzw. Kleinasien. Juden lehnten die römische Besatzung und Vielgötterei ab (Monotheismus/"Jahwe"). Man hoffte auf den "Messias" ("Erlöser").

In Jesus aus Nazareth sagen viele diesen Erlöser. Mit rund 30 Jahren trat er in die Öffentlichkeit als Prediger. Er verkündete öffentlich, dass alle Menschen Kinder Gottes seien, die unendliche Liebe Gottes im Himmel und die Gleichheit aller Menschen. Seine Sprache war die Sprache des Volkes. Gottes Gebote wurde in Geschichten der einfachen Menschen wie Bauern und Fischer, ungehorsame Söhne und verlorene Schafe gekleidet ("Gleichnisse").

Nach den biblischen Berichten fand Jesus viele Anhänger, vor allem unter den Armen und Schwachen. Im baldigen Reich Gottes sollte Friede, Gerechtigkeit und Liebe unter den Menschen herrschen. Eine solche Lehre war eine Provokation für die jüdischen Priester und römische Obrigkeit. Folgen waren Beschimpfungen, Spott und letztlich die Verurteilung zum Tod am Kreuz durch Pontius Pilatus. Seine Anhänger und Schüler, vor allem die zwölf "Jünger", verkündeten später die Auferstehung Jesu von den Toten und die Himmelfahrt. Für sie war er Gottes Sohn, der ersehnte Messias (das heißt Christus/Erlöser).

Erste christliche Gemeinden entstanden in Palästina, verbreitet wurden sie über Kleinasien nach Westen. Eine entscheidende Rolle spielte der Apostel Paulus. Hoch gebildet und wortgewaltig unternahm er Reisen, gründete christliche Gemeinden und bestärkte seine Anhänger durch Reden und Briefe.

Als unbedeutende Minderheit kümmerte sich die römische Führung nicht um Christen. Zu ersten Verfolgungen kam es wegen der Verweigerung des Bekenntnisses eines göttlichen Kaisers, weil dies als Hochverrat anzusehen sei. Tacitus beschreibt in den "Annalen" die Verfolgung von Christen unter Nero. Zu vermuten ist hier auch der Tod der Apostel Petrus und Paulus.

Erst unter Konstantin d. Gr. änderte sich die Lage der Christen. 313 erklärte er, dass "die Religionsfreiheit nicht verwehrt" werden dürfe. Damit wollte er die Christen für sich gewinnen. Unter seinem Schutz wurde das Christentum zur führenden Religion des Römischen Reiches. Unter seiner Herrschaft flossen christliche Ideen in die römische Gesetzgebung (christliche Ehe, Sonntag als Tag des Herren).

324 wurde Byzanz, nach ihm benannt Konstantinopel, neue Hauptstadt des Reiches (Klammer zwischen Ost und West, Lage am Bosporus, Bau von prächtigen Gebäuden/Anlagen, Verbindung von griechischer und orientalischer Kultur). Zum einigenden Band im Reich sollte das Christentum werden (Kaiser als Schutzherr über die christliche Kirche). Der "Patriarch" von Konstantinopel (oberster Bischof) unterstellte sich dem Kaiser.

Der Bischof von Rom war dazu nicht bereit. Auf den Apostel Petrus sich berufend, berief er sich auf die Führung der Christenheit ("Bischof von Rom", später "Papst"). Rom als Hauptstadt der Christenheit beanspruchte Bedeutung, als Hauptstadt des Reiches war es abgelöst.

Im östlichen Teil des Reiches entstand die "Griechisch-Orthodoxe Kirche" mit dem Kaiser als Oberhaupt und Vertreter Gottes (dargestellt mit Heiligenschein auf Bildern).

Nach der Spaltung der jungen Christenheit wurde auch das Römische Reich 395 geteilt. Germanische Stämme griffen den westlichen Teil an, 476 hörte das Weströmische Reich auf zu bestehen. Das Oströmische Reich überdauerte noch weitere 1000 Jahre.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd.1, 1975, 174-176, 188-189

Mai 2007, 24-27

Frankenreich    

Die Entwicklung im größten Teil Europas bestimmten germanische Stämme nach dem Ende des Weströmischen Reiches. Zusammen mit den Errungenschaften römischer Kultur kam es zu einer Verschmelzung des Römertums mit den germanischen Sitten und Bräuchen.

Erfolgreich und skrupellos war der Frankenfürst Chlodwig, der sich gegen alle Stammesfürsten und Verwandten durchsetzte. In der Folge als König eroberte die Gebiete der Alemannen, Burgunder, Westgoten und ganz Gallien. Um 500 entstand das Frankenreich (in der Folge später Frankreich, Deutschland und die BENELUX-Staaten). Er ließ sich taufen, verlangte das von den Untertanen und wurde der Begründer des christlichen Europas mit Gewalt und Brutalität. Erst 200 Jahre später wird mit dem Mönch und Bischof Bonifatius die endgültige Christianisierung zugeschrieben.

300 Jahre nach Chlodwig wurde Karl aus dem Geschlecht der Karolinger Alleinherrscher des Frankenreiches. Nach langen Kämpfen, besonders mit den Sachsen (Widukind), wurden alle germanischen Stämme im Reich vereint. Mit der Krönung 800 vom Papst in Rom wurde ein "Weströmisches" Reich begründet. Neben den vielen Kriegen ist Karl (später "der Große") ein Förderer von Wissenschaft, Kunst und Literatur gewesen.

Eine neue Herrschaftsform auf germanischer Tradition zur Sicherung und Verwaltung des Reiches wurde geschaffen. Treue Gefolgsleute ("Vasallen") belohnte man mit geliehenen Gütern für ihre Dienste mit Landgütern und dort lebenden Bauern ("Lehen"). In der Folge bildete sich eine Lehensordnung (Pflichten, Rechte - Lehensherr und Vasallen). Langsam wurde es geltendes Recht, das Lehen an den Erstgeborenen weiterzugeben.

Das Lehensprinzip ist Grundlage in weiten Teilen Europas der mittelalterlichen Ordnung ("Feudalordnung"). Diese beruht auf Ständen, an der Spitze mit dem Kaiser, darunter weltliche und geistliche Reichsfürsten. Unter ihnen folgten Ritter, Beamte, reiche Bürger und Handwerker. An der untersten Stufe standen rechtlose leibeigene Bauern.

Kinder der unteren Stände wurden wie Erwachsene behandelt, eine Kindheit gab es nicht (Arbeit am Hof und im Haus, frühe Heirat zur Vergrößerung der Untertanen).

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 2-24

Mai 2007, 28-30

Frankreich - Deutschland    

In der Folge konnte das Frankenreich nicht zusammengehalten werden. Ludwig der Fromme teilte es unter seine drei Söhne, gegen den ältesten Bruder Lothar verbündete man sich. Sie schworen sich im Straßburger Eid 842 die gegenseitige Treue. Es zeigte sich eine Sprachgrenze bei der Eidesleistung (Westfranken- altfranzösisch, Ostfranken-altgermanisch).

  • Nach Auseinandersetzungen der Stammesfürsten fielen Nordgermanen (Normannen, Wikinger) in das Westfrankenreich ein und standen 885 vor Paris. Herzog Odo (Kapetinger) rettete die bedeutendste Stadt des Reiches. 888 wurde er als König gewählt. 978 begründete Hugo die Regentschaft der Kapetinger, in der Folge kam es zu einer Erbmonarchie mit Paris als Königssitz. Bis 1328 regierten die Kapetinger ununterbrochen.
  • Die Entstehung des französischen Nationalstaates wird mit dem Treueschwur aller Fürsten an Philipp II. 1214 angenommen, der für die Rückeroberung verlorener Gebiete an die Engländer geleistet wurde.
  • Im Ostfrankenreich wurde nach dem Aussterben der Karolinger der Sachsenherzog Otto I. zum König gewählt, dem es gelang, die Macht der Fürsten einzuschränken.
    • 950 unterwarf er Böhmen und Mähren.
    • 962 ließ er sich in der Nachfolge von Karl dem Großen in Rom vom Papst zum Kaiser krönen. Damit waren deutsche Könige wieder Römische Kaiser und Schutzherren des Christentums.
    • 995 gelang ihm nach jahrzehntelangem Kampf in der Schlacht am Lechfeld der entscheidende Sieg gegen die Ungarn(Magyaren).
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 24-25, 28-29, 32-41

Mai 2007, 31-33

Nordeuropa    

Noch im Karolingerreich begannen die Dänen sich vom Frankenreich abzugrenzen. Um 950 waren alle Dänen in einem Reich vereint, König Harald Blauzahn wurde getauft und setzte gegen den Widerstand der Untertanen die Christianisierung durch.

  • Bereits im 9. Jahrhundert unternahmen dänische Wikinger Raubzüge in das Frankenreich, um 1000 griffen sie England an. Knut II. besiegte diese endgültig und wurde König von England. Diese Vorherrschaft im Nordseeraum führte zum Widerstand der Schweden und Norweger, es kam zu Kämpfen und letztlich konnten die Dänen einen Teil Norwegens unterwerfen. Knut II. wurde König eines großen Reiches, eine dänische Glanzzeit - wenn auch kurz - begann. Mit dessen Tod 1035 zerfiel das Reich, übrig blieb ein kleines Land.
  • Die Svear in Schweden konnte sich in den germanischen Stämmen durchsetzen und bis 1000 eine einheitliche Herrschaft errichten. Erbitterten Widerstand gab es bei der Christianisierung durch deutsche Missionare. Erst als sich König Olaf III. 1008 taufen ließ, fasste das Christentum langsam Fuß. Schwedische Wikinger ("Waräger")als Kaufleute und Krieger zogen immer über Flüsse und Seen immer weiter in den Süden. Es entstanden Handelswege von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer.
  • 872 gelang es Harald Schönhaar mit der Unterwerfung der Stammesfürsten den Grundstein für das Königreich Norwegen zu legen. Nach dessen Tod zerfiel das Reich und geriet abwechselnd unter dänische und schwedische Herrschaft.
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 25-27

Mai 2007, 34-36

Britische Inseln    

Im Folgenden wird skizzenhaft die historische Entwicklung aus der Sicht der Politische Bildung dargestellt.

  • Große Teile der Britischen Inseln gehörten zum Römischen Reich (Caesar, Hadrian). Zur Zeit der Völkerwanderung zogen die Römer sich zurück.
  • Seit dem 5. Jahrhundert siedelten sich Angeln und Sachsen an, die aus dem heutige Schleswig-Holstein kamen. Die einheimische keltische Bevölkerung wurde in die nördlichen (Schottland) und westlichen Teile (Wales) gedrängt. 500 Jahre konnten die Angelsachsen ihre Herrschaft behaupten.
  • Nach den Dänen im 11. Jahrhundert rief man den Angelsachsen Eduard von Wessex aus der Normandie zurück und machte ihn zum englischen König. Auf Kosten der Macht dieses schwachen Königs entwickelten sich die Grafen von Godwin als einflussreiche Adelsfamilie.
  • Entgegen der Hoffnungen auf die Krone wurde Wilhelm, Herzog der Normandie ("der Eroberer"), nach der Schlacht bei Hastings neuer König von England. Die angelsächsische Oberschicht wurde entmachtet, normannisch-französische Adelige übernahmen den Platz (französisches Lehenswesen, französische Sprache). Wilhelm blieb auch Herzog der Normandie.
  • In der Folge verbrachten englische Könige oft längere Zeiten in Frankreich. Der englische Adel nützte die Abwesenheit. Mit der Niederlage von Johann Ohneland zwang der Adel 1215 den König die "Magna Charta Libertatum" zu unterzeichnen. Erstmals wurde festgeschrieben, dass der König nur mit Zustimmung der Fürsten, Bischöfe und Barone Steuern einheben dürfe. Die Kontrolle durch eine Versammlung hoher Adliger findet statt und ein Gremium hat den König bei wichtigen Entscheidungen zu beraten (Keim einer parlamentarischen Vertretung).
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 27-28

Mai 2007, 37-39

Europäischer Osten    

Seit dem 4. Jahrhundert siedelten im Osten Europas slawische Stämme an. Zu mächtigsten entwickelte sich im 9. Jahrhundert das Kiewer Reich, in dem die schwedischen Waräger herrschten - benannt "Rus", abgeleitet aus dem Finnischen "Ruotsi" (Land Schweden) und seinen Bewohnern ("ruotsalainen"). In der Folge wurden alle Bewohner des Kiewer Reiches so bezeichnet(das das heutige Russland, Weißrussland und die Ukraine umfasste).

Im 10. Jahrhundert beanspruchte Mieszko, Herzog der "Polanen", den Führungsanspruch. 966 wurde er getauft und brachte das Land in die europäisch-christliche Staatengemeinschaft. Sein Sohn Boleslaw wurde der erste König des ab 1000 benannten Reiches von Polonia. Als Gegner des Kiewer Reiches eroberte er Schlesien, Pommern und Mähren und drang bis in das Gebiet um Kiew vor. In der Folge verlor er wieder die Gebiete, die damaligen Grenzen verliefen ungefähr wie die heutigen. Das nach den Polanen benannte heutige Polen erlitt eine wechselhafte Geschichte zwischen den beiden Nachbarn im Westen und Osten.

Als südlicher Nachbar ließen sich im fruchtbaren Gebiet zwischen Theiß und mittlerer Donau die Magyaren (Ungarn) nieder. Ihre Urheimat lag zwischen dem Ural und dem Kaspischen Meer. Das Nomadenvolk hatte zunächst nicht die Absicht, sich niederzulassen. Mit ihren schnellen Pferden kam es zu Raumzügen, die bis an die Nordsee, nach Frankreich und Italien und vor die Tore von Byzanz führten. Mit der Niederlage am Lechfeld 955 wurden sie endgültig sesshaft. Es begann unter Großfürst Géza eine Vermischung mit slawischen Stämmen. Die Eingliederung in das christliche Europa wurde unter seinem Sohn Vajk, getauft auf den Namen Stephan, vollzogen. Die Verbindung zu westlichen Ländern gelang über die Heiratsdiplomatie, wobei sein Sohn die Tochter des Bayernherzogs heiratete. Mit Hilfe von Papst Silvester II. und des deutschen Kaisers kam es zu einer Aufwertung Ungarns mit der Erhebung Esztergoms zum Erzbistum und der Krönung Stephans 1001 (Stephanskrone als Symbol der Unabhängigkeit Ungarns).

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 28

Mai 2007, 40-42

Mittelalterliche Machtverteilung - Investiturstreit    

Nunmehr ist das "Heilige Römische Reich" (Deutscher Nation)für lange Zeit das größte und mächtigste Reich in Europa. Gemeinsam mit allen anderen Reichen ist das Christentum als offizielle Religion, womit die religiöse Dimension in Europa beachtenswert ist.

Mit der zunehmenden Kritik am geistlichen Leben und dem Lebensstil von Geistlichen entstand als Gegenbewegung die Reformbewegung des Benediktinerklosters Cluny/Burgund. Gefordert wurde eine Rückkehr zu den Idealen des heiligen Benedikt ("ora et labora") mit einer Änderung des Klosterlebens und auch der Kirche (zu große Nähe zu weltlichen Dingen). Es beginnt eine Auseinandersetzung um die Frage des Verhältnisses zwischen weltlicher und geistlicher Herrschaft (Macht).

  • Heinrich III. sah sich wie seine Vorgänger als Beschützer der Christenheit. Er setzt Bischöfe und sogar den Papst ab.
  • Als sein minderjähriger Sohn Heinrich IV. ihm folgt, wird die Papstwahl von sieben Kardinälen ohne Einmischung des Kaisers durchgesetzt.
  • Der Mönch Hildebrand als Papst Gregor VII. formuliert im "Dictatus Papae" 1075 das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Macht (Einsetzung und Absetzung der Bischöfe durch den Papst, Absetzung des Kaisers durch den Papst, Fußkuss der Fürsten, alleinige richterliche Gewalt durch den Papst, Entbindung des Treueeides gegen schlechte Herrscher durch den Papst, kein Irrtum der römischen Kirche).
  • Mit der Ablehnung und Empörung der europäischen Fürsten, besonders auch Heinrich IV., wurde das Recht auf die Einsetzung ("Investitur") von Bischöfen nicht verzichtet.
  • Mit der Absetzung des Papstes durch Heinrich IV. wurde dieser in Bann gesetzt (Rechtlosigkeit des Kaisers). In der Folge schlugen sich viele Fürsten auf die Seite des Papstes. Als der Druck auf Heinrich so stark wurde, musst sich der Kaiser mit dem Papst versöhnen ("Gang nach Canossa"/Vergebung).
  • Als reuiger Sünder wurde der Kaiser wieder in die Kirche aufgenommen.
  • Erst mit dem "Wormser Konkordat" 1122 wurde ein Kompromiss gefunden (Stellung des Papstes als Oberhaupt der Christenheit).
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 45-55

Mai 2007, 43-45

Kreuzzüge    

Für den mittelalterlichen Menschen war der christliche Glaube Grundlage des Lebens. Daher waren die Gebote der Religion zu befolgen. Christen pilgerten in das "Heilige Land", zu den Orten des Wirkens von Jesus. Muslimische Araber ließen dies zu.

Erst als türkische Seldschuken 1071 das Gebiet eroberten, änderte sich dies. Gefordert wurde Eintrittsgeld, es kam zu Gräueltaten. Dies war für Papst Urban II. Anlass, gegen die "Heiden" vorzugehen. 1095 rief er die Christen zum Krieg gegen die Türken (im Zeichen des Kreuzes/"Kreuzzüge") auf.

Mit einer gewaltigen Resonanz folgten dem Aufruf rund 330 000 Menschen, wobei die Motive höchst unterschiedlich waren (reiche Beute, Glauben an Erlösung). Schon im ersten Kreuzzug richteten die Kreuzfahrer ein fürchterliches Blutbad an.

Kreuzfahrer gründeten christliche Gemeinschaften. Sogar ein "Kinder-Kreuzzug" mit katastrophalen Folgen wurde durchgeführt.

Für das christliche Abendland waren die Kreuzzüge eine (erste) Berührung mit fremden Kulturen .

  • Man staunte über imposante Städte, öffentliche Badeanstalten, Gesundheitseinrichtungen, Bibliotheken, Schulen und prächtige Moscheen.
  • Zudem lernte man eine andere Handwerkskunst und Essensgewohnheiten kennen.
  • Der Handel mit dem Orient nahm zu. Hafenstädte wie Venedig und Genua wurden bedeutend.
  • Neue Kenntnisse in den Naturwissenschaften und das Erbe der Araber der Antike kamen nach Europa. Das arabische Zahlensystem wurde langsam eingeführt.
  • Christen lernten von den Muslimen und nicht umgekehrt.
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 57-64

Mai 2007, 46-48

Rittertum    

Ritter waren schwer gerüstete Reiter für Schlachten und entwickelten sich in der Folge zu einem eigenen Stand mit eigener (Aus-) Bildung und eigenen Standesregeln (Schutz des Glaubens-Schutz der Gerechtigkeit-Schutz der Frauen und Armen; Page-Knappe-Ritter). Allerdings gab es auch ein Raubrittertum.

Ritterliches Leben hatte als Abwechslung Turniere, Feste und Minnegesang, in der Sprache des Volkes zum Unterschied zur geistlichen Dichtung. In Frankreich entstanden so Romane über König Artus und seine Tafelrunde und bei uns das Nibelungenlied.

Städte im Mittelalter    

Mit dem Abstieg des Rittertums entstanden im 13. Jahrhundert gleichzeitig ein Bürgertum in Städte. Städtegründungen ergaben sich durch den aufstrebenden Handel, insbesondere an Kreuzungen von Handelswegen, Flüssen und Häfen, in der Nähe von Burgen und Klöstern. Mittelpunkt war der Marktplatz, wo Kaufleute, Handwerker und Bauern ihre Waren gegen Gebühren anboten. Neuen Bürgern wurden Steuern erlassen, Beruf und Wohnung konnte frei gewählt werden. Geheiratet konnte werden, wen man wollte. "Stadtluft macht frei" zog viele Menschen in Städte. Es gab Unterschiede zwischen Arm und Reich. Viele Landarbeiter und Handwerksburschen waren arm und damit nicht frei. Isoliert lebte die jüdische Bevölkerung in Ghettos ("Diaspora"). Seit 1215 mussten sie mit einem gelben Fleck an der Kleidung und einem spitzen Hut erkennbar sein. Es kam zu Ausschreitungen, Verfolgung und Mord (Pogrome).

Mit dem zunehmenden Fernhandel kam es zur Geldwirtschaft, gebaut wurden kleine Fabriken (Manufakturen). Im 14. Jahrhundert entstanden die ersten Banken (Kredite gegen Zinsen - Medici/Italien-Fugger, Welser/Deutschland), die selbst dem Kaiser Geld liehen und damit Einfluss auf die Politik nahmen.

Mit den Städteentwicklungen verbunden war die Baukunst und Entstehung der ersten Lateinschulen und Universitäten (Bologna, Paris, Cambridge, Prag, Wien, Heidelberg, Köln). Es entstanden Dome, Kathedralen und Rathäuser. Glaube und wissenschaftliches Denken wurde gelehrt.

Im Mittelalter gab es Folter, Verbrennungen und als Seuche die Pest. Allein im 14. Jahrhundert starben rund ein Drittel der europäischen Bevölkerung.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 74-76, 89-106

Mai 2007, 49-53

Reformation    

Mit der Verweltlichung der "Kirche" kam es zur Kritik an Zuständen und der Praxis. Forderungen nach Reformen wurden bereits von "Vorreformatoren" erhoben (Johannes Hus, John Wicliff, Petrus Waldus).

Der Konflikt entstand um den "Ablasshandel", gegen den sich der deutsche Mönch und Theologieprofessor Martin Luther wandte. Mit 95 Thesen, aus der Bibel begründet, wird Kritik an den Ablasspredigern formuliert (1517). Vier Jahre später lud Kaiser Karl V. den "widerspenstigen Mönch" zum Widerruf vor den Reichstag von Worms. Der Kurfürst von Sachsen beschützt und versteckt Luther (Wartburg/Übersetzung der Bibel in eine damalige deutsche Standardsprache). Andere deutsche Fürsten stellten sich auf die Seite Luthers verließen die "Katholische Kirche".

Im Reichstag von Augsburg 1530 versuchte man vergeblich, eine Einigung unter der persönlich Leistung von Kaiser Karl V. herbeizuführen. Eine von Philipp Melanchthon verfasste Zusammenfassung der evangelischen Glaubenslehre - die Confessio Augustana (Augsburger Bekenntnis) - wurde vorgelegt.

Erst im "Augsburger Religionsfrieden" 1555 wurde die Lehre und Evangelische Kirche als gleichberechtigt anerkannt. Jeder Fürst konnte entscheiden, welche Religion in seinem Land gelten sollte.

Die Reformation blieb nicht auf Deutschland beschränkt. Ulrich Zwingli und vor allem Jean Calvin entwickelten eine eigene Lehre, die sich von Luther deutlich unterschied. In der "Prädestination" (Vorherbestimmung) wird von unterschiedlichen Bedingungen für Menschen ausgegangen (ewiges Leben vs. ewige Verdammnis). Nach calvinistischer Lehre wird jemand als Auserwählter Gottes bereits zu Lebzeiten sichtbar. Fleiß und Sparsamkeit ergibt ewiges Leben, ansonsten droht die Hölle. Damit wurde eine wichtige Antriebskraft für den modernen Kapitalismus geschaffen.

In Europa verbreitete sich Calvins Lehre (Süddeutschland, Niederlande, Frankreich/"Hugenotten", Schottland und England/Auswanderer als "Puritaner"). Bis heute haben Puritaner großen Einfluss auf die Entwicklung der USA ("Gods own country").

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 173-207

Rudolph 2002, 77-89

Mai 2007, 54-56

Iberische Halbinsel    

Araber hatten 711 die Iberische Halbinsel über die Meerenge von Gibraltar weitgehend erobert. Die Pyrenäen bildeten die Nordgrenze. 772 vereitelte Karl Martell die weitere Eroberung nach Norden.

In der Folge lebten in "al Andalus" 300 Jahre lang Muslime, Juden und Christen neben- und miteinander( Blütezeit der Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur). Cordoba als Residenzstadt galt als eine der schönsten Städte der Welt. Berühmt ist Granada mit der Festungsanlage Alhambra.

1064 rief Papst Alexander II. zum Kampf gegen die Muslime ("Mauren") auf , versprach Segen und Sündenablass. Es entwickelte sich eine Art Kreuzzugscharakter, der in einem kleinen Restreich Granada endete.

Lange Kämpfe zwischen den christlichen Fürsten ließen die Königreiche Kastilien und Aragon entstehen. 1469 wurden Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon vermählt, damit wurde die Basis für einen spanischen Nationalstaat gelegt. Ziel des Königspaares war die religiöse Einheit des Reiches. Muslime und Juden verließen das Land, wer nicht Christ werden wollte, landete in Folterkellern. Die "Inquisition" zählte viele Opfer.

1492 wurde letztlich das muslimische Granada erobert, Isabella unterstützte Christoph Columbus bei dem Versuch Indien auf dem Seeweg über den Atlantik zu erreichen. Amerika wurde wiederentdeckt, Spanien wurde ein Weltreich.

Die Grafschaft "Portucalia" war ein Lehen des kastilischen Königs. Seit dem 11. Jahrhundert wollte man unabhängig werden. 1135 verweigerte Graf Alfons Heinrich den Lehenseid und mit dem glanzvollen Sieg über die Araber 1139 erklärte sein Land für unabhängig und wurde König Alfons I. von Portugal. Zur Sicherheit unterstellte er sein Königteich dem Papst, der die Unabhängigkeit bestätigte. Portugal hat seine Territorialität kaum verändert.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 212-213

Mai 2007, 57-59

Das "dritte Rom"    

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts hatten die Mongolen das Kiewer Reich erobert. Unangetastet blieben die politischen Strukturen und die Kirche. Wesentlich waren Tributzahlungen, Soldaten und Sklaven, die Fürsten zu leisten/stellen hatten. Über 200 Jahre dauerte die Mongolenherrschaft ("Goldene Horden").

Vom Teilfürstentum Moskau aus ging die Befreiung des Landes aus. In der Folge konnten angrenzende Fürstentümer übernommen werden, es bildete sich ein Moskauer Großfürstentum. 1380 konnte in der Schlacht auf dem Schnepfenfeld am Don ein Sieg über die Mongolen errungen werden. Moskauer Großfürsten sahen sich als Vorkämpfer gegen die Fremdherrschaft.

Schließlich gelang es Iwan dem Großen die Herrschaft der Mongolen zu beenden. Die staatliche Einheit Russlands wurde hergestellt. Seit Konstantinopel 1453 von muslimischen Türken erobert wurde, betrachtet sich Moskau als Verteidiger des Christentums und Nachfolge des byzantinischen Kaisers. Man fühlt sich als rechtgläubige Christen ("Orthodoxe") und erklärte Moskau zum "dritten Rom". Man kapselte sich vom Westen bewusst ab.

1547 wurde Iwan IV. (der Schreckliche) zum Zar (Kaiser) gekrönt. Russische Geistliche anerkannten die Führungsrolle des Zaren.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 133-138

Mai 2007, 60-61

Schweiz    

Mitten im "Heiligen Römischen Reich" hatten die Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden mit einigen Städten die Reichsfreiheit erkämpft. 1291 schossen die drei Kantone einen "Ewigen Bund" gegen die Habsburger, die seit 1273 den Kaiser stellten.

Nach einer Legende trafen sich die Vertreter der drei Urkantone auf dem Rütli und schworen die Befreiung des Landes von den Habsburgern. Als "Eidgenossen" schlugen sie 1315 in der Schlacht am Morgarten ein Habsburger Heer. In der Folge schlossen sich andere Kantone an die Eidgenossenschaft.

1499 errangen sie die Unabhängigkeit vom Reich. Völkerrechtlich wurde die Schweiz erst im Westfälischen Frieden 1648 als unabhängiger Staat anerkannt.

Literaturhinweis

Mai 2007, 62-63

Niederlande    

Auch die die Niederlande wehrten sich gegen die Herrschaft der Habsburger. Kaiser Karl V. (auch König von Spanien) dankte 1556 ab, sein Sohn Philipp II. wurde Nachfolger. Als Regent der Niederlande und damit eines Teils von Spanien bekämpfte er den Calvinismus. Er schürte damit den Wunsch nach Unabhängigkeit der Niederländer, die 1556 einen Aufstand begannen. Dieser wurde blutig niedergeschlagen, die Anführer der Bewegung, die Grafen Egmont und Hoorn wurden hingerichtet.

In dem achtzig Jahre lang dauernden Freiheitskampf, der zunächst vom Wilhelm von Oranien geleitet wurde, trennten sie sich 1581 von Spanien und schlossen sich zur "Republik der Vereinigten Niederlande" zusammen. Mit dem Recht auf Widerstand - gegen Tyrannei und Sklaverei - wurden die Niederlande unabhängig, wie die Schweiz aber erst 1648 als unabhängiger Staat völkerrechtlich anerkannt.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 213-216

Mai 2007, 63-64

Änderung des Weltbildes    

Im Mittelalter hatten die Menschen ein festgefügtes Weltbild. Die Zustände waren von Gott gegeben, daher ewig und unerschütterlich. Nun treten Gelehrte und Künstler auf, die ein anderes Weltbild vertreten.

Man besinnt sich der Antike, das Zeitalter der Renaissance beginnt.

  • Sie wendet sich dem Diesseits zu und rückt den Einzelmensch in den Mittelpunkt.
  • Er sollte über sich selbst und sein Leben entscheiden.
  • Als Voraussetzung gilt eine antike Vorbildung.
  • Entstanden ist diese geistige Bewegung in Florenz und Venedig.
  • Da der Mensch im Mittelpunkt des Denkens steht, spricht man vom "Humanismus".
Humanisten beobachten Menschen und die Natur und erforschen sie. Leonardo da Vinci als Inbegriff dieses neuen Menschentyps schuf nicht nur Kunstwerke ("Mona Lisa", "Das letzte Abendmahl"), er war auch Bildhauer, Wissenschaftler, Architekt, Techniker und Erfinder. Bekannt sind seine Pläne für Flugmaschinen, er seziert Leichen und dokumentiert anatomische Zeichnungen.

Große Geister dieser Epoche waren der Maler und Bildhauer Michelangelo, der Humanist und Philosoph Erasmus von Rotterdam und der Astronom und Entdecker der Erde als Planet Nikolaus Kopernikus. Ihre Gedanken und Erkenntnisse wurden dank der Erfindung des Buchdrucks verbreitet. Um 1450 gelang es Johannes Gutenberg (Mainz) Bücher mit beweglichen Lettern aus Metall zu drucken. Damit konnten Schriften in großer Anzahl in gleicher Qualität angefertigt werden.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 152-164

Mai 2007, 65-67

Glaubenskriege    

Weil der Protestantismus nicht verhindert werden konnte, versuchte die Katholische Kirche ihn zu verhindern. 1554 wurde das Konzil von Trient als Reformkonzil einberufen. 18 Jahre wurde über Erneuerungen beraten, sich gegen "Irrlehren" abgrenzen, Rechte und Pflichten des Papstes, der Bischöfe und Priester festgelegt. Mehr Dienst an Gott, mehr Sorge um Gläubige und Arme, bessere Priesterausbildung - mehr Reformen in der Katholischen Kirche ("Gegenreformation").

Auseinandersetzung gab es in allen europäischen Ländern zwischen beiden Konfessionen.

  • In Frankreich gab es als traurigen Höhepunkt die "Bartholomäus-Nacht" 1572, in der rund 20 000 Hugenotten niedergemetzelt wurden. 17 Jahre später wurde mit Heinrich von Navarra erstmals ein Hugenotte König.
  • In Spanien wollte Philipp II. den Protestantismus ausrotten und ließ die stärkste Flotte der Zeit, die "Armada", in Richtung England fahren. Dort war Elisabeth I. als Protestantin am Thron, den ihr die Katholikin Maria Stuart als König von Schottland streitig machte. Weil sie gefangen und hingerichtet wurde, war u.a. auch ein Grund von Philipp II., die Armada los zu lassen. Die Schwerfälligkeit der Schiffe und Stürme bzw. Nebel im Kanal halfen die Armada 1588 zu vernichten. Für England begann ein Aufstieg zur See- und Kolonialmacht, für Spanien der Verlust um die katholische Vorherrschaft.
  • In Deutschland verschärften sich die Gegensätze im 17. Jahrhundert, bis schließlich 1618 der "Dreißigjähriger Krieg" begann.
    • War am Beginn tatsächlich noch Religion und Glaube wichtig, so kamen machtpolitische Aspekte zum Tragen, als der kaiserlich-katholische Feldherr Wallenstein Norddeutschland eroberte und die Kirchengüter einverleiben wollte. Hier stellten sich die katholischen Fürsten gegen den Kaiser, womit die Frage der Macht wichtiger als die Glaubensfrage war.
    • Ebenso ging es um Macht, als der schwedische König Gustav Adolf Norddeutschland von den Katholiken zurückeroberte. Schwedens Führungsrolle an der Ostsee sollte gesichert werden, das katholische Frankreich unterstützte ihn. Deutschland sollte geschwächt und Frankreich europäische Führungsmacht werden. Am Ende des Krieges 1648 gelang dies auch Frankreich.
    • Mit dem Westfälischen Frieden 1648 endete der verheerende Dreißigjährige Krieg und bestätigte auch den Augsburger Religionsfrieden von 1555. Ergänzt wurde, dass nunmehr die Untertanen nicht mehr gezwungen werden konnten, die Religion des Landesfürsten anzunehmen. Das Landesfürstentum wurde gestärkt, Gebiete mussten an Frankreich und Schweden abgetreten werden, die Schweiz und die Niederlande wurden unabhängig. Von 17 Millionen Einwohnern am Beginn des Krieges lebten noch rund 10 Millionen am Ende. Deutschland war teilweise versteppt, große Teile verwüstet.
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 2, 1975, 213-228

Mai 2007, 68-71

Ludwig XIV. - Absolutismus    

In der Weltgeschichte hat kaum jemand so unumschränkt, absolut und so lange regiert wie der "Sonnenkönig". 1643 mit fünf Jahren auf den französischen Thron gekommen blieb er 72 Jahre König. Als Kind regierte für ihn Kardinal Mazarin. Als dieser 1661 starb, nahm der Achtzehnjährige die Staatsgeschäfte selbst in die Hand.

Bedingungslose Ergebenheit, ein geschicktes Beratersystem unter Kontrolle, ein prächtiger Hofstaat ohne politischen Einfluss und Macht, am Lande ebenso eine Entmachtung des Adels und Einsetzung ihm ergebener Beamte waren kennzeichnend für den Führungsstil.

Ludwig XIV. erließ selbst die Gesetze, bestimmte über Krieg und Frieden, nahm alle Steuern und Zölle in die Staatskasse und hatte so die absolute Macht im Staat ("Absolutismus").

Schloss Versailles als Zentrum der Macht wurde um rund 25 bis 30 Milliarden € erbaut (für damalige Verhältnisse eine astronomische Summe), 4 000 Personen standen dem König für jeden Handgriff ständig zur Verfügung. Ebenso riesige Summen verschlang eine große Armee.

Sein Finanzminister Colbert entwarf eine einfache Wirtschaftstheorie ("Merkantilismus"):

  • viel Exporte und möglichst wenig Importe mittels Manufakturen, Förderung durch billige Kredite und Steuerfreiheit.
  • Hunderte von Fach- und Hilfsarbeiter stellten die Güter in großer Menge und guter Qualität beinahe wie am Fließband her.
  • Für den Handel wurden Straßen, Kanäle und Häfen vergrößert bzw. neu gebaut.
  • Ausfuhrzölle wurden gesenkt, um billiger im Ausland verkaufen zu können.
  • Ausländische Waren wurden mit hohen Zöllen belegt.
  • Rücksicht auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung gab es nicht.
Als Ludwig XIV. 1715 starb, hinterließ er einen Staat mit äußerem Prunk und massiven inneren Problemen (Zerrüttung der Staatsfinanzen, Vormachtstellung Frankreichs im Schwinden, Verarmung der Bevölkerung). Trotzdem ahmten viele Fürsten und Könige seiner Zeit diesen Lebensstil nach. Insbesondere Bauern litten unter Frondiensten und hohen Abgaben.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 2-13

Mai 2007, 72-75

Parlamentarismus in England - "Glorious Revolution"    

Seit 1215 dem Jahr der "Magna Charta Libertatum" gab es keine Herrscher einer uneingeschränkten Macht (Absolutismus). Der König konnte nur mit Zustimmung der Fürsten, Bischöfe und Barone Steuern unter Kontrolle einer Versammlung hoher Adeliger einheben. Aus dieser Versammlung wurde in der Folge das zweigeteilte englische Parlament - das Unterhaus (Landritter und Bürger) und das Oberhaus (Hochadel und Bischöfe).

Bis 1626 unter Karl I. gab es keine Konflikte. Er beanspruchte uneingeschränkte Rechte, lediglich Gott sei er Rechenschaft schuldig. 1642 kam es daher zum Bürgerkrieg. Oliver Cromwell ("Streiter Gottes") mit den Truppen des Parlaments siegte in zwei Schlachten, verjagte alles aus dem Parlament, die sich ihm nicht anschließen und mit dem König verhandeln wollten. Im Rumpfparlament wurde der König zum Tode verurteilt und 1649 enthauptet. Erstmals kostete ein Aufstand der Untertanen in der Weltgeschichte einem König das Leben.

In der Folge wurde England eine Republik. Cromwell ließ sich 1653 zum "Lord Protector" auf Lebenszeit ausrufen und regierte wie ein Militärdiktator. Sein unfähiger Sohn folgte ihm im Amt für nur ein Jahr.

1660 folgte Karl II. als neuer König, auch erstrebte eine absolute Herrschaft an, zudem stand er dem Katholizismus nahe. Das Parlament wehrte sich demonstrativ mit einem Gesetz, welches Katholiken von allen öffentlichen Ämtern ausschloss. In der Nachfolge mit dem katholischen Bruder Jakob II. spitzte sich die Lage zu (Schwächung des Parlaments, Stärkung des Katholizismus im Lande). Dem Parlament sehr gelegen war die Ehe Jakobs Tochter Maria mit dem niederländischen Protestanten Wilhelm III. von Oranien. 1668 verjagte ein Heer den König (Flucht nach Frankreich).

In der "Declaration of Rights" verpflichteten sich Wilhelm und Maria zu wichtigen Grundsätzen: Zustimmung bzw. Ablehnung des Parlaments zu Gesetzen, freie Parlamentswahlen, freie Rede und Immunität der Parlamentarier, Zustimmung des Parlaments zu einem in Friedenszeiten stehenden Heer, unabhängige Gerichte und richterliche Urteile für Verurteilungen. Diese kodifizierten Grundrechte 1698 waren revolutionär. Die "Glorious Revolution" war damit besiegelt.

Das englische Parlament erkämpfte sich in einem in Europa vorherrschenden Absolutismus grundlegende Rechte und eine führende Rolle im Staat.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 13-24

Mai 2007, 76-78

Russland - Weg in die Moderne    

Die Abschottung Russlands endete mit Zar Peter I., der das Land reformieren wollte. Das Land sollte nach Wesen geöffnet werden und vom Westen lernen. 1697/1698 machte er deswegen eine höchst ungewöhnliche Reise.

  • Mit 250 Personen bereiste er, mitunter unter dem Decknamen "Pjotr Michailow", Westeuropa.
  • Von Interesse waren Staatsformen und Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme.
  • Technische Entwicklungen interessierten besonders. Er hörte Vorlesungen über Mechanik und besuchte Gelehrte in ihren Werkstätten.
  • Peter I. soll sogar zehn Monate lang auf englischen und niederländischen Werften als Schiffszimmermann gearbeitet haben (vgl. auch Albert LORTZINGs Oper ""Zar und Zimmermann").
  • In der Folge kehrte er mit etwa 1000 Fachleuten und einer Fülle von neuem Wissen nach Russland zurück.
Folgen waren

  • die Änderung in der Kleidung (Ablegen einheimischer Trachten),
  • das Abschneiden der langen Bärte und
  • eine neue europäische Hauptstadt für Russland als Hafenstadt an der Ostsee. In einem überfluteten und sumpfigen Gebiet wurde mit zwangsverpflichteten Bauern, Arbeitern und Handwerkern unter entsetzlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen St. Petersburg geschaffen ("Fenster zum Westen"). Schätzungen sprechen von 120 000 Menschen, die um das Leben kamen.
  • Um Russlands Position in der Welt zu stärken, wurde ein stehendes Heer nach westlichem Vorbild von 30 000 bis 40 000 einberufenen Männern geschaffen.
  • Die Flotte wurde zur stärksten Macht in der Ostsee ausgebaut.
  • Die staatliche Verwaltung wurde neu organisiert, das Reich wurde in acht Bezirke eingeteilt.
  • Der Geburtsadel wurde durch den Dienstadel ersetzt. Entscheidend war die Leistung für eine Rangordnung der Beamten und Offiziere.
  • Die einfachen Leute hatten immer mehr Dienste und Aufgaben zu leisten, in der Folge kam es zu einem Bruch zwischen Zaren und Volk (Despotentum).
Seinen Sohn Alexej ließ Peter I. ermorden, weil dieser den westlichen Kurs des Vaters in einer altrussischen Bewegung nicht mittragen wollte. 1725 starb Peter I.(inzwischen "der Große" genannt) gehasst von den Untertanen. Das politische Ziel, Russland eine wichtigere Rolle in Europa zu verschaffen, hatte er erreicht.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 25-30

Mai 2007, 79-81

Der Aufstieg Preußens    

Im 17.Jahrhundert gewann das Geschlecht der Hohenzollern an Bedeutung. Mit der 48jährigen Regentschaft des Kurfürsten Friedrich Wilhelm wurde die Verwaltung, Wirtschaft und Armee modernisiert.

Sein Sohn Friedrich wollte König sein. Nach langen Verhandlungen und unter Einsatz großer Mittel gelang es ihm, 1701 sich selbst in Königsberg zum "König von Preußen" zu krönen. Als Schöngeist von geringer politischer Bedeutung nahm man ihn nicht ernst.

Ganz anders war sein Sohn Wilhelm I., bald "Soldatenkönig" genannt. Für ihn war ein starkes Heer und eine sparsame Haushaltführung Grundlage der Etablierung Preußens. Angeworben wurden junge Männer zur Verdoppelung der Zahl der Soldaten auf 80 000 Mann in ganz Europa (Garderegiment mit "langen Kerls" mit mindestens 1,88 m). Gehorsam wurde regelrecht eingeprügelt ("preußischer Drill").

Höchste Werte für den "Soldatenkönig" waren Pflichtbewusstsein, Gehorsam, Disziplin, Ordnung und Fleiß. Mit diesen Tugenden gelang es ihm, das kleine rückständige Land zu einer europäischen Großmacht zu bringen.

Preußen besaß gegen Ende der Regentschaft Wilhelm I. die drittstärkste Armee in Europa, hatte keine Schulden und zehn Millionen Taler in der Kriegskasse. Sein Wunsch, dass sein Sohn Friedrich ebenso sein würde wie er ging nicht in Erfüllung. Der Kronprinz war ein Anhänger der Aufklärung.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 41-46

Mai 2007, 82-83

Das Zeitalter der Vernunft - Aufklärung    

Die Aufklärung oder das Zeitalter der Vernunft im späten 17. und 18. Jahrhundert wird gekennzeichnet durch die Befreiung des Denkens vom Glauben bzw. Aberglauben. Renaissance und Humanismus begannen, nun setzt sich diese neue geistige Strömung fort, die aus England und Frankreich kam. Kritisch hinterfragt wurden die bis dahin gültigen Ansichten in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Religion. Gültig waren die Dimensionen, die einer rationalen Überprüfung standhielten.

René DESCARTES hat schon 1637 in seiner "Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauches" zu verstehen gegeben, dass nur das wahr sei, was der Mensch mit seiner Vernunft erkennen könne. Nicht die Bevormundung der alten Autoritäten gelten, vielmehr solle man selbständig und vernünftig handeln.

Imanuell KANT (1724-1804) schrieb in seiner berühmten Definition, dass die Aufklärung der Ausgangspunkt des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit sei. Unmündigkeit sei das Unvermögen der Bedienung des eigenen Verstandes. Selbstverschuldet sei die Unmündigkeit, wenn die Ursache nicht am Mangel, sondern der Entschließung und des Mutes liege. Wahlspruch der Aufklärung ist: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! KANTs Schrift "Zum ewigen Frieden" geht von einer Welt-Innenpolitik aus uns soll zu einem dauerhaften Frieden führen.. Mit einer europäischen Innenpolitik, so kann man heute argumentieren, sind einige Schritte immerhin zurückgelegt.

Aufklärer sprachen von einer natürlichen Gleichheit der Menschen, von Rechten und Würde, die ihnen niemand nehmen darf (auch nicht Herrscher). John LOCKE beschrieb dies 1689.

70 Jahre später ging Jean-Jacques ROUSSEAU in seiner Schrift "Der Gesellschaftsvertrag" davon aus, dass der Mensch frei geboren, aber überall in Ketten liege. Dies Ketten (heute [vermutlich] als "Abhängigkeiten" bzw. "Normierungen" bzw. spezifischen Sozialisationsbedingungen verschiedenster Art zu bezeichnen) wollten auch LOCKE, KANT, MONTESQUIEU und VOLTAIRE sprengen.

Menschen sollten sich frei in Gemeinschaften zusammenschließen. Rechte und Pflichten sollten von Regierenden und Regierten gemeinsam festgelegt werden. Die Machtteilung sollte vollzogen werden: Gesetzgebung - Verwaltung - Gerichte. Herrscher sollten vom Volk eingesetzt werden (nicht von "Gott"). Aufgabe war die Würde des Menschen zu achten, seine Freiheit zu schützen und sein Glück zu fördern war die Aufgabe (vgl. die Eingangspräambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland). Wird dies als Herrscher missbraucht, kann er vom Volk abgesetzt werden.

Diese politischen Ideen bzw. Dimensionen von Handlungen widersprachen dem Absolutismus. Nur Joseph II. von Österreich, die russische Zarin Katharina d. Gr. und Friedrich II. von Preußen wurden von der Aufklärung beeinflusst.

Das Beispiel Friedrich II. zeigt deutlich persönliche und massive Konfliktbereiche der Aufklärung auf. Der Vater ("Soldatenkönig") wollte ihn zu seinem Ebenbild erziehen. Dem Kronprinzen war alles Militärische und die preußischen Tugenden zuwider. Als begabtes und sensibles Kind liebte er das höfische Leben, schöne Künste, las französische Literatur, beschäftigte sich mit Philosophie und spielte heimlich Flöte. Mit 18 Jahren wollte er vor dem Vater mit seinem Freund Hans Hermann von Katte nach Frankreich fliehen. An der Grenze scheiterte die Flucht, beide wurden vor ein Kriegsgericht gestellt und wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt. Der Kronprinz wurde begnadigt, musste jedoch die Enthauptung des Freundes in der Festung von Küstrin zusehen. Danach wurde Friedrich in den Kerker geworfen.

Dies und andere negative Erfahrungen wir Stockschläge und Hiebe veränderten die Persönlichkeit. Er fügte sich dem Willen des Vaters, leistete eine Lehrzeit in der Verwaltung, Wirtschaft und Armee und heiratete. Auf Schloss Rheinsberg in Brandenburg begann ein Briefwechsel mit VOLTAIRE. Er schrieb ein Buch, in dem er das Bild eines pflichtbewussten und friedliebenden Herrschers in der Aufklärung entwarf. Der Herrscher sollte erster Diener des Staates sein.

1740 wurde Friedrich König und man erhoffte einen Philosophen auf Preußens Thron. Friedrich II. schaffte die Folter ab, das Eingreifen des Königs in Gerichtsverhandlungen, er sorgte für die gleiche Behandlung aller Stände vor Gericht, verkündete Glaubens- und Religionsfreiheit und war damit für seine Zeit ein toleranter Herrscher. Ein neues Denken konnte sich entfalten. Gotthold Ephraim LESSING konnte ohne ein Hindernis in "Nathan der Weise" für Toleranz, Humanität und Vernunft eintreten. Als oberster preußischer Soldat nutzte er zur Überraschung aller die Gelegenheit, sein Land auf Kosten der Habsburger zu vergrößern (vgl. die Unsicherheit der "Pragmatischen Sanktion" in der Nachfolge oder im Anspruch auf die österreichische Krone bei Maria Theresia). Mit dem Einmarsch in Schlesien begann der Schlesische Krieg. Mit dem Bündnis Maria Theresias mit Russland und Frankreich folgte der "Siebenjährige Krieg". Neben Disziplin und Schlagkraft der preußischen Armee kam Friedrich zugute, dass Zarin Elisabeth starb. Der Nachfolger Peter III. war ein Bewunderer Friedrichs und wechselte die Front. Nach dem Frieden von Hubertusburg (1764) wurde Preußen europäische Großmacht (Friedrich wurde nun "der Große" genannt).

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 64-75

Mai 2007, 84-90

Auswanderungswellen nach Nordamerika - USA    

Das 17. und 18. Jahrhundert war durch Auswanderungswellen in die sogenannte "Neue Welt" gekennzeichnet. Ursachen waren für zehntausende Menschen ihre Heimat zu verlassen wirtschaftliche Gründe (ein besseres Leben), politische Anschauungen (Meinungsfreiheit) und die Verfolgung wegen ihres Glaubens (Glaubensfreiheit, Nachteile/Diskriminierung im Alltag)).

Man blieb in der Regel politisch seiner Heimat verbunden (vgl. die Einstellung zum Siedlertum). Europäische Herrscher betrachteten Amerika als Teil Europas. Dies zeigte sich vor allem für England und Frankreich. Beide Länder beanspruchten die Vorherrschaft.

Mit dem Frieden von Paris 1763 gehörten die Kolonien an der Ostküste und große Teile Nordamerikas zum britischen Weltreich. In der Folge kontrollierte England schärfer die Kolonien und verlangte einen Beitrag zur Reduzierung der Staatschulden. Heftige Proteste lösten die neuen Zoll- und Steuergesetze für die Kolonien aus. Am 4. Juli 1776 sprachen die Kolonien dem Parlament das Steuerrecht ab und erklärten sich unabhängig. Im folgenden Krieg gelang es England nicht, trotz Überlegenheit die US-Truppen unter George Washington zu besiegen. Zudem unterstützte Frankreich die Kolonisten mit Soldaten, Geld und Waffen. Im Frieden von Versailles 1783 anerkannte England die Unabhängigkeit der "United States of America" (USA).

Die "Gründungsväter" machten Gedanken und Forderungen der Aufklärer zur Grundlage der US-Verfassung. Sie schufen erstmals eine freiheitlich-demokratische Herrschaftsordnung als Vorbild für viele Staaten.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 76-79

Mai 2007, 91-92

Französische Revolution 1789    

Die gesellschaftliche Kluft zwischen Adel, Klerus und reichem Bürgertum sowie dem einfachen Volk und das ungerechte Steuersystem erzeugte wütende Proteste in Frankreich. Ein Staatsbankrott drohte zudem wegen der hohen Kosten für das Militär und die prunkvolle Hofhaltung von Versailles. 1789 sollten die "Generalstände" der Steuererhöhung zustimmen.

Stichwortartige soll hier der Ablauf der folgenden Französischen Revolution dargestellt werden, wobei von Interesse ist, dass die US-Unabhängigkeitserklärung bereits 1776 stattfand und in Europa erst mit dem Jahr 1789 - zudem gewalttätig und blutig - Gedanken und Folgerungen der Aufklärung begonnen wurden umzusetzen.

  • Der Dritte Stand lehnt die generalstände ab und richtet am 17. Juni 1789 die "Nationalversammlung " ein. Eine Trennung nach Ständen wurde abgelehnt.
  • Mit dieser Ablehnung des Absolutismus und der Forderung nach Volkssouveränität begann eine Revolution.
  • Mit der Konzentration von Truppen um Paris und der Stürmung der Bastille als Symbol der Willkür, wobei die Wachmannschaft erschlagen wurde, zog die Menge durch Paris. Es wurden nur wenige gewöhnliche Kriminelle befreit, allerdings war der psychologische und politische Effekt bedeutend. Das Symbol des Despotismus wurde bezwungen. Der 14. Juli ist deswegen bis heute auch der Nationalfeiertag.
  • Auch am Lande erhob sich die Bevölkerung, plünderte und zerstörte Schlösser und Köster. In einer stürmischen Nachtsitzung beschloss die Nationalversammlung am 4./5. August die Aufhebung der Leibeigenschaft und aller Privilegien für den Adel und Klerus.
  • Drei Wochen später wurden die Menschen- und Bürgerrechte verkündet, womit das alte System ("Ancien Régime") angeschafft war (frei und gleich geboren; Freiheit-Eigentum-Sicherheit-Widerstand gegen Unterdrückung; Ursprung der Herrschaft beim Volk; Freiheit bedeutet dem anderen nicht zu schaden; Gesetze verfolgen Handlungen, die für die Gesellschaft schädlich sind).
  • In der Folge wurde eine Verfassung ausgearbeitet, in der Frankreich eine konstitutionelle Monarchie wurde. Die politische (legislative) Macht lag bei der Nationalversammlung. Unabhängige Gerichte sicherten zudem die Gewaltenteilung.
  • Undemokratisch im heutigen Sinne war das Wahlrecht. Es richtete sich nach Besitz und Einkommen.
  • Ludwig XVI. wollte nach Österreich fliehen, wurde nach Paris zurückgebracht. Die Abschaffung der Monarchie wurde nunmehr gefordert. Europäische Fürsten unterstützen den König, es kam zu den Koalitionskriegen. Bei Unruhen in Paris wurde der König verhaftet, Revolutionsfeinde wurden hingerichtet.
  • 1792 wurde die Republik ausgerufen und schließlich wurde der König 1793 öffentlich hingerichtet.
  • Bei den Republikanern bildeten sich Gruppierungen, wobei die "Girondisten" und "Jakobiner" die wesentlichen waren. Die radikalen Jakobiner gingen mit Maximilien de Robespierre als Sieger hervor, der in der Folge für die Innenpolitik zuständig war ("Wohlfahrtsausschuss"). Sein "Tugendstaat" ähnelte modernen Diktaturen mit allgegenwärtiger Überwachung. Geschätzt wird, dass während seiner Schreckensherrschaft 35 000 bis 40 000 Bürger durch das Fallbeil (Guillotine) hingerichtet wurden. Der selbst wurde letztlich ein Opfer des Systems und 1794 öffentlich unter dem Jubel der Zuschauer enthauptet.
  • In der Folge übernahm das wohlhabende Bürgertum den politischen Einfluss. Ein "Direktorium" von fünf Männern übernahm die Regierungsgeschäfte. Es kam es zu Kriegen gegen die Gegner der Revolution wie Österreich, Preußen, England und die Niederlande.
  • Bekannt wurde als junger General Napoleon Bonaparte der in 1799 das Direktorium stürzte, das Parlament mit Waffengewalt auflöste und als "Erster Konsul" die Macht im Staat übernahm. Die Sehnsucht des Volkes nach Ruhe und Ordnung war groß, die Mehrheit akzeptierte eine starke Führung. 1802 wurde er "Konsul auf Lebenszeit", 1804 setzte er sich selbst die Kaiserkrone auf.
  • Die Revolution war damit beendet, der Wahlspruch "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" wirkte weiter.
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 80-91

Mai 2007, 93-100

Europa und Napoleon    

Eine Ironie der Geschichte war Napoleon als Herrscher, der mächtiger als der verhasste König war. Als Folge der Macht in Frankreich kam es zu Eroberungszügen quer durch Europa.

  • 1806 schlug er das preußische Heer vernichtend und beendete das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation".
  • 1809 wurde Napoleon überraschend in der Schlacht von Aspern von Erzherzog Karl geschlagen, kurz darauf siegte Napoleon in Wagram und am Berg Isel.
  • 1812 stellte er mit mehr als 600 000 Mann beim Russlandfeldzug die bis damals stärkste Armee der Geschichte. Durch das Ausweichen von Kämpfen und den Rückzug der russischen Armee marschierte Napoleon in das fast menschenleere Moskau ein. Wenige Tage später brannte Moskau. Das Waffenstillstandsangebot an den Zaren wurde nicht beantwortet, der Rückzug der Armee wurde zur Katastrophe (Hunger, Erschöpfung, Kälte - wenige Tausende überlebten).
  • 1813 erklärten dem besiegten Frankreich Preußen, Österreich, Russland, England und Schweden den Krieg. In der "Völkerschlacht" bei Leipzig erlitt Napoleon die zweite Niederlage.
  • 1814 zogen die Verbündeten in Paris ein. Napoleon dankte ab und wurde auf die Insel Elba verbannt.
  • 1815 konnte nach Napoleon nach Paris einmarschieren, den König stürzen und die Macht übernehmen. Er stellte eine Armee auf, wurde in der Schlacht bei Waterloo endgültig geschlagen.
  • 1821 starb er als Gefangener der englischen Regierung auf der Atlantikinsel St. Helena.
In den zehn Jahren seiner Herrschaft wurde Europa anders.

  • Überdauert haben ihn die Neuerungen, etwa das Bürgerliche Gesetzbuch von 1804 ("Code civil") mit einem einheitlichem Recht für alle, Gleichheit vor dem Gesetz, persönliche Freiheit, Beseitigung des Ständesystems Zugang zu öffentlichen Ämtern durch Leistung, Gewerbefreiheit, freue Berufswahl, Recht auf Eigentum, Religionsfreiheit und Einführung der Zivilehe.
  • Die Verwaltungsreform war für Frankreich überaus wichtig. Mit 98 Departements, einer zentralen Steuerung von Paris aus, einem staatlichen Schulwesen mit einheitlichen Lehr- und Stundenplänen wurde das Land einheitlich verwaltet.
  • In Deutschland wurden geistliche Herrschaftsgebiete säkularisiert.
  • Bildungsreformen orientierten sich weitgehend an Frankreich bzw. der Aufklärung. Die Vorstellungen von Wilhelm von Humboldt betrafen Schule und das Hochschulwesen. Selbständig denkende Menschen, mitarbeitend im Staat bzw. der Volksvertretung waren Zielvorstellungen einer zukünftigen Bildung.
In Deutschland regte sich Widerstand, eine nationale Bewegung entstand. Verstand man sich als Kulturnation, so wollte man jetzt Staatsnation werden. Johann Gottlieb FICHTE forderte dies in den "Reden an die deutsche Nation".

In den Befreiungskriegen wurde der Wunsch nach den nationalen Eigenheiten deutlich. So manches gesteigerte bzw. übersteigerte Nationalbewusstsein hatte hier einen seiner Ursprünge.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 92-107, 112-119

Mai 2007, 101-105

Unruhen in Europa    

In der nach-napoleonischen Zeit hofften die Völker Europas auf mehr politische Rechte, Freiheiten und politische Ruhe. Dies wollten aber die Herrschenden verhindern. 1814 bis 1815 wurde am "Wiener Kongress"' Europa neu geordnet. Man wollte möglichst viel nicht ändern. Unter Österreichs Staatskanzler Fürst Clemens Metternich sollten die Zustände vor 1789 wiederhergestellt werden. Allerdings blieb es in Europa unruhig.

  • Ein Unruheherd war die Schnittstelle zu Kleinasien. Hier war für mehrere Jahrhunderte das Osmanische Reich die entscheidende Macht in Kleinasien und am Balkan. Ein besonderer Gegner des Osmanischen Reiches waren die Serben. 1812 führte nach mehreren Aufständen ein von Russland unterstützter Versuch zur Anerkennung der serbischen Autonomie. Aus Angst vor schlechten Verhältnissen zu den europäischen Großmächten unterstützte Russland in der Folge Serbien nicht mehr, die Osmanen besetzten wieder Serbien. Unter Milos Obrenovic erkämpfte man von 1815 bis 1817 endgültig die Freiheit. Er wurde zum "Fürsten von Serbien" gewählt. Blutrache und Machenschaften von Clans (Karadjordje vs. Obrenovic) spielten in der Folge in der Geschichte Serbiens eine wesentliche Rolle.
  • Ein weiterer Unruheherd war Griechenland, die ebenfalls nicht hat unter den Osmanen leben wollten. 1821 wurde ihr Aufstand grausam niedergeschlagen. Eine Welle der Unterstützung für das "Mutterland Europas" wurde ausgelöst. Frankreich, Großbritannien und Russland unterstützte Griechenland und vernichtete 1827 in der Seeschlacht bei Navarino die osmanische Flotte. Erst 1830 wurde im "Londoner Protokoll" die Unabhängigkeit Griechenlands bestätigt. In der Folge kam es zu massiven Unruhen in Griechenland (Ermordung nach einem Jahr des ersten Regenten). Die Großmächte mischten sich ein, der 17jährige Prinz Otto von Bayern wurde als Otto I. König der Griechen(1832-1862). Nach einer absolutistischen Regentschaft kam es zu einer Militärrevolte, in der Folge wurde der dänische Prinz Georg als König Georg I. 1864 in einer parlamentarischen Monarchie ausgerufen. Er trieb die Modernisierung des Landes wesentlich voran.
  • Im südlichen und katholischen Teil der Niederlande rebellierten ebenfalls die Menschen. Sie wollten sich von der Herrschaft der Habsburger befreien und gründeten 1790 den "Souveränen Kongress der Vereinigten belgischen Staaten". 1792 wurde allerdings das Land von Frankreich besetzt und in der Folge an Frankreich angeschlossen. Auf dem Wiener Kongress wurde beschlossen, den katholischen Süden mit dem protestantischen Norden und dem Großherzogtum Luxemburg zum "Königteich der Vereinigten Niederlande" zusammen zu schließen. Der Protestant Wilhelm I. wurde König. In der Folge rebellierten die Belgier und wagten im Zuge der französischen Revolten um 1830 den "Brüsseler Aufstand", der im gleichen Jahr zur Unabhängigkeit Belgiens als konstitutionelle Monarchie führte. 1831 anerkannten die europäischen Großmächte auf der "Londoner Konferenz" den neuen Staat und seine Neutralität.
  • 1842 trat das Großherzogtum Luxemburg als Teil der Niederlande dem "Deutschen Zollverein" bei. Die Niederlande versuchten in der Folge, Luxemburg an Frankreich zu verkaufen ("Luxemburgkrise"). 1867 wurde mit er Unabhängigkeit und Neutralität des Landes die Krise beigelegt.
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 120-131

Mai 2007, 106-109

Die Industrielle Revolution    

Obwohl 1848 in den Aufständen in Paris, Berlin und Wien Veränderungen mit militärischer Gewalt verhindert wurden, veränderte sich das Wirtschaftsleben rasant.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann in England die Umwälzung ökonomischer Verhältnisse und menschlicher Lebensverhältnisse.

  • England war als See- und Kolonialmacht reich geworden. Zudem machte die "Glorious Revolution" das Land zu einer Geistesmacht. Für die Industrialisierung war der Aufschwung der Naturwissenshaften wesentlich.
    • Mit der Nutzbarmachung kam es zu bahnbrechenden Erfindungen, etwa 1789 der ersten brauchbaren Dampfmaschine/James Watt mit der Nutzung im Bergbau, Textilgewerbe, in Handwerksbetrieben und dem Verkehrswesen.
    • Mit den neuen Arbeitskräften begann die "Landflucht", so wuchs Manchester zwischen 1760 und 1830 von 17 000 auf 180 000 Einwohner. Probleme der Lebensumstellung ("Lebensrhythmus"), des sozialen Elends und der Arbeitslosigkeit waren die Folge. Massenquartiere, Krankheiten und Seuchen sowie Verschmutzung von Luft und Wasser traten auf.
  • Die theoretische Grundlage für die neue Wirtschaftsform schuf Adam SMITH (1723-1790). In seinem Hauptwerk "Der Reichtum der Nationen" lehrte er, dass die menschliche Arbeitskraft Quelle der Wirtschaft und des Reichtums der Gesellschaft sei. Produktionsvorgänge müssten in viele kleine Einheiten zerlegt werden. Angebot und Nachfrage entscheiden über Kosten und Mengenproduktion. der Staat darf in dieses Spiel ökonomischer Kräfte nicht eingreifen. Smith unterstelle mit dem Hinweis auf freie Mitgestaltung und viel Eigennutz zur Hebung des Wohlstandes eine Harmonie zwischen Privatinteressen und Gemeinwohl. Dieser "Wirtschaftsliberalismus" entsprach den Interessen der Fabrikanten und dem Handel, die sozial Schwachen hatten keine Vorteile.
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten,. Bd. 3, 1977, 156-167

Mai 2007, 110-113

Die Soziale Frage    

Schockiert durch die Zustände in den Industriestädten, wird die "Soziale Frage" nach Verbesserungen der humanen und ökonomischen Ressourcen gestellt.

  • Friedrich Engels besuchte in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts englische Industriestädte und berichtet 1845 in seinem Buch "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" von geringsten Löhnen, Frauen- und Kinderarbeit, überlangen Arbeitszeiten, Wohnungsnot, Verlust sozialert Bindungen, fehlender Absicherung bei Krankheit, Unfall und Alter sowie massenhafter Arbeitslosigkeit. Seine Schlussfolgerung war die Theorie von zwei Klassen, der "besitzenden Klasse"("Bourgeosie") und der "arbeitenden Klasse" ("Proletariat"). Früher oder später käme es, so die Prophezeiung, zu Klassenkämpfen("Krieg des Palästen, Friede den Hütten!").
  • In der Folge kam es Gründungen revolutionärer Geheimbünde, so auch dem "Bund der Gerechten", dem auch neben Engels Karl Marx angehörte. Daraus wurde 1847 der "Bund der Kommunisten". Mit dem politischen Programm, bezeichnet als "Manifest der Kommunistischen Partei" 1848, wurde ein in der Folge bedeutendes Dokument veröffentlicht. Anhänger sahen darin eine Heilslehre, Gegner eine Teufelsbotschaft.
  • Mit der Veröffentlichung des Buches von Karl MARX "Das Kapital" bekam der Diskurs eine ökonomische Dimension.
  • Mit den Veröffentlichungen brachen 1848/49 in Europa Revolutionen aus. Diese waren noch nicht proletarisch-sozialistisch, vielmehr bürgerlich. Dies änderte sich in den nächsten 100 Jahren, wenngleich nicht immer in der von MARX erwarteten Weise. Die Bedeutung der Schriften war allerdings gegeben.
Neben der radikalen Gruppierungen bemühten sich auch gemäßigte Kräfte um Lösungen der sozialen Frage. Kirchen und das christliche Bürgertum dachten konservativ und monarchistisch-staatstreu, handelten jedoch aus christlicher Verantwortung.

  • Johann Heinrich Wichern sammelte verarmte junge Leute in Hamburg um sich, im "Rauhen Haus" bekamen sie Erziehung, Ausbildung und Hilfestellungen. Die Evangelische Kirche schuf aus dieser Anregung die "Innere Mission", in der Folge als "Diakonie" benannt.
  • Friedrich von Bodelschwingh führte in Bethel bei Bielefeld ein stark wachsendes Hilfswerk der Inneren Mission als Pflegestätte für psychisch Kranke.
  • In ähnlicher Art und Weise bemühte sich Adolf Kolping um Handwerksgesellen. Die Kolpinghäuser halfen als Heime und Schlafstellen, boten Freitische und sinnvolle Freizeitgestaltung an.
  • Letztlich formulierte aus sozialer Verantwortung Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika "Rerum Novarum" (1891) die Stellungnahme der Katholischen Kirche. Folgerungen waren caritative Einrichtungen und christliche Arbeitervereine.
In England und Deutschland durften sich jahrzehntelang Arbeiter nicht zusammenschließen. Erst mit der Gründung von Arbeitervereinen duldete man diese.

Nach englischem Vorbild entstanden Gewerkschaften. Sie kämpften für Erleichterungen bei der Arbeitszeit, am Arbeitsplatz und bei sozialen Einrichtungen in Betrieben sowie für gerechte Löhne. Lohnabkommen wurden in der Folge abgeschlossen. Das Sozialversicherungswesen wurde verbessert und abgesichert.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 168-173

Mai 2007, 114-117

Europäischer Imperialismus    

Unter Imperialismus versteht man die Bemühungen europäischer Staaten, außereuropäische Kolonien zu gewinnen und diese ökonomisch und machtpolitisch auszubeuten (Rohstoffe, Absatzmärkte, Stützpunkte).

  • In Südamerika gelang es unter Jose de San Martin im Süden und Simon Bolivar im Norden mit Unterstützung der USA ("Monroe-Doktrin") in Aufständen die Spanier zu verdrängen. In der Folge bildeten sich viele unabhängige Einzelstaaten entgegen der Vorstellung Bolivars, ähnlich der USA eine Republik bilden zu können.
  • England gelang es, europäische Konkurrenten aus Indien zu verdrängen, Frankreich wurde von 1756 bis 1763 in einem Krieg verdrängt. Bis ins 19. Jahrhundert regierten die indischen Fürsten, die die eigentliche Macht hatten die Briten. 1857 gelang es diesen, einen Aufstand indischer Soldaten niederzuschlagen. Danach wurde offiziell die Regierung übernommen, Königin Viktoria "Kaiser von Indien". Indien wurde wie alle Kolonien als Rohstoff- und Absatzmarkt gesehen, britische Interessen dominierten.
  • Als führende Kolonialmacht der Welt gehörten Australien, Neuseeland und Teile der Inselwelt des Pazifik zu Großbritannien. Den Rest dieser Inseln teilten sich Frankreich, Portugal und die Niederlande.
  • Afrika wurde ebenfalls aufgeteilt. Der Westen war eher französisch (mit Anteilen von Portugal), der Osten und Süden britisch dominiert (Cecil Rhodes). Jahrhundertelang war Afrika Opfer des Menschenhandels (Sklaverei). In weiten Teilen des Kontinents wurden damit Stammeskulturen und Lebensgrundlagen von Menschen zerstört. Mit der Eröffnung des Suez-Kanals begann ein neues Kapitel des verstärkten Kolonialismus. Auch das Deutsche Reich bemühte sich um Rohstoffe, Macht und Geld (Deutsch Ost- und Süd-Westafrika). Mit Rassentheorien und Lehren über eine angebliche Minderwertigkeit der Bevölkerung wollte man die europäische Kultur und Zivilisation einführen.
  • Heutige ökonomische und soziale Probleme in ehemaligen Kolonien sind teilweise eine Folge europäischer Kolonialpolitik.
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 217-224

Mai 2007, 118-121

Italien    

Der Wunsch nach nationaler Einheit war auch im 19. Jahrhundert in Italien vorhanden. Eine Rückbesinnung auf die einstige Größe führte zur Bewegung des "Risorgimento" (Wiederbelebung und Erneuerung). Ein Geheimbund ("Corbonaria") mit Aufständen wurde mit österreichischer Hilfe bekämpft.

Guiseppe Mazzini (1805-1872) als geistiger Führer gründete 1831 "Giovane Italia" (Junges Italien), das sich in der Folge zu einer Volksbewegung entwickelte. Unterstützt von Freiheitskämpfer Guiseppe Garibaldi (1807-1882) wollte man mit der Parole "Italien schafft es allein!" ein freies, unabhängiges und republikanisches Italien errichten. Hilfestellung nach mehreren Niederlagen gegen französische und österreichische Truppen kam ausgerechnet von Graf Cavour. Als Ministerpräsident des Königreichs Sardinien-Piemont unterstützte er im Krimkrieg (1853-1856) Frankreich. Für diese Unterstützung erhielt Cavour nun die Hilfe Frankreichs gegen Österreich (1859 - Schlacht bei Solferino/Gründung des Roten Kreuzes, Henri Dunant).

Garibaldi landete 1860 mit 1000 Freiwilligen heimlich in Sizilien, konnte 20 000 königliche Truppen trickreich ausschalten und hatte Mitte des Jahres die Insel unter seiner Kontrolle. Mit nunmehr 10 000 Mann wurde der Sprung zum Festland gewagt. Das Königreich Neapel wurde erobert. Garibaldi mit seinen Truppen konnte nicht aufgehalten werden.

Alle Teilstaaten bis auf das zu Österreich gehörende Venetien und der Vatikan (als Kirchenstaat) schlossen sich zusammen, 1861 fanden Parlamentswahlen statt und im März wurde das Königreich Italien ausgerufen.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 177-180

Mai 2007, 122-123

Gründung des Deutschen Reiches    

Mit dem preußischen Ministerpräsident Otto von Bismarck (1815-1898) wurde das Ziel eines starken deutschen Nationalstaates unter preußischer Führung angestrebt ("Eisen und Blut"). 1866 trat Preußen aus dem "Deutschen Bund" und provozierte einen Krieg gegen Österreich (Schlacht bei Königgrätz).

In der Folge wurde im Frieden von Prag der "Deutsche Bund" aufgelöst und Österreich aus Deutschland hinausgedrängt. Im "Norddeutschen Bund" schlossen sich die Staaten nördlich des Mains zusammen. Die nationale Welle wurde ausgenützt, die süddeutschen Staaten sollten im Zuge eines Krieges gegen Frankreich mitkämpfen. Wie bei den Befreiungskriegen gegen Napoleon kam es zu einer nationalen Begeisterung, in der Schlacht bei Sedan 1870 wurden die Franzosen geschlagen. Damit war in der nationalen Hochstimmung eine Einigkeit vorgegeben.

1871 wurde dann im Spiegelsaal von Versailles der preußische König Wilhelm zum Deutschen Kaiser Wilhelm I. ausgerufen. Die Franzosen empfanden dies als Demütigung. Das war die Geburtsstunde des ersten deutschen Nationalstaates. Drei Monate später folgte eine Verfassung.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 185-194

Mai 2007, 124-126

Österreich - Ungarn    

Mut der Niederlage von Königgrätz 1866 kam es zur Neuordnung Deutschlands ohne Beteiligung des Habsburgerreichs. Venetien musste in der Folge abgetreten werden. Um mit den Großmächten mithalten zu können, mussten die Gebiete im Osten gehalten werden.

Es war daher vorrangig, mit den Unabhängigkeitsbestrebungen Ungarns zu einer Verständigung zu kommen. 1867 kam es nach langen Verhandlungen zum Ausgleich,

  • zu einem Kompromiss eines staatsrechtlichen Gebildes einer Doppelmonarchie mit einem österreichischen Kaiser, zugleich ungarischen König, dem das Außen-, Kriegs- und Finanzministerium unterstanden (k.u.k./kaiserlich und königlichen Behörden).
  • Jeder Reichsteil hatte seine eigene Verfassung, ein eigenes Parlament und eine eigene Regierung (mit Ausnahme der drei Bereiche). Gemeinsame Ausschüsse kontrollierten die drei gemeinsamen Bereiche.
Mit der Aufwertung Ungarns kam es zur Unzufriedenheit bei den Tschechen, Slowaken, Polen, Serben, Kroaten, Slowenen und Rumänen, die sich als Nationen zweiter Klasse sahen. Man verlangte mehr Autonomie.

  • Anstatt sich um einen Ausgleich im Inneren zu bemühen, annektierte man Bosnien-Herzegowina 1912 vom Osmanischen Reich (vgl. die Anerkennung des Islam seitdem in Österreich). Ziel war die Festigung der Stellung am Balkan.
  • Dabei kam es zum Interessenskonflikt mit Serbien, das mit Hilfe Russlands eine Loslösung der südslawischen Gebiete vom der Monarchie anstrebte, um ein Großserbisches Reich errichten zu können ("Panslawismus"). Die Monarchie suchte einen starken Verbündeten im neugegründeten Deutschen Reich (Zweibund Deutschland-Österreich 1879).
  • In der Folge sollte der Konflikt bzw. Nationalismus einer der Ursachen zum Ersten Weltkrieg sein.
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 208, 211

Mai 2007, 127

Spannungsfeld Balkan    

Über die bisher angesprochenen Krisenherde hinaus haben am Balkan andere Völker noch um ihre Unabhängigkeit gerungen (Bulgarien, Rumänien und Albanien).

  • Bulgarien waren zeitweise Teil des Byzantinischen und des Osmanischen Reiches. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts strebe man die Loslösung von der Griechisch-Orthodoxen Kirche und den Türken.
    • Mit der Gründung einer autokephalen Orthodox-Bulgarischen Kirche wurde 1870 der erste Schritt vollzogen.
    • Mit dem Krimkrieg setzte sich Russland für ein befreites Bulgarien ein. Ein Großbulgarisches Reich könnte, so die Überlegung, im russischen Machtbereich den russischen Traum von einem freien Zugang zum Mittelmeer ermöglichen.
    • Der russische Traum wurde auf dem "Berliner Kongress" 1878 abgelehnt. Bulgarien wurde im Norden ein autonomes Fürstentum, im Süden blieb es osmanische Provinz.
    • Sieben Jahre später waren beide Teile vereint. Mit dem gewonnenen Krieg gegen Serbien kam es zum Konflikt mit Russland, das ein Groß-Bulgarien ablehnte.
    • Europäische Mächte sorgten sich um die Unabhängigkeit des Landes - Prinz Ferdinand aus dem Hause Sachsen-Coburg wurde als Ferdinand I. Fürst von Bulgarien - und setzten diese durch. 1908 wurde der Fürst zum Zaren gekrönt.
  • Um 1600 nahm ein rumänischer Staat langsam Gestalt an. Die Fürstentümer Walachei und Moldau sollten vereinigt werden. Michael der Tapfere wurde jedoch ermordet. 250 Jahre waren die beiden Fürstentümer unter fremder Herrschaft von Osmanen, Ungarn, Österreich-Ungarn und Russland. Nach dem Krimkrieg wurden die Fürstentümer als "Rumänien" vereinigt. Fürst Alexandru Cuza wurde 1866 gestürzt, Karl von Hohenzollern-Sigmaringen wurde als Carl I. König von Rumänien bis 1914. Formal stand das Land unter osmanischer Oberhoheit, am Berliner Kongress 1878 wurde die Unabhängigkeit Rumäniens anerkannt.
  • Albanien wurde 500 Jahre lang von Bulgaren, Normannen, Byzantinern, Venezianern und Serben beherrscht. 1385 kamen die Türken. Mit dem albanischen Freiheitshelden Gjergi Kastrioti, genannt Skanderbeg (um 1405-1468), erkämpfte man für 25 Jahre die Freiheit. Nach dessen Tod wurde das Land wieder osmanisch, in der Folge übernahmen viele Menschen den Islam. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand eine Nationalbewegung. 1912 wurde vom Albanischen Nationalkongress die Unabhängigkeit ausgerufen. Mit der Ausrufung 1913 als Herrscher bzw. Fürst von Albanien von Wilhelm von Wied wurde die Unabhängigkeit von den Großmächten anerkannt.
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 210

Mai 2007, 2007, 128-131

Erster Weltkrieg    

Mit den Schüssen von Sarajewo am 28. Juli 1914 und der Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares kam bis zum 4. August die Bündnismaschinerie ins Rollen. Deutschland und Österreich-Ungarn standen Serbien, Russland, Frankreich und England gegenüber.

  • Deutsche Truppen überrollten ihre Gegner an der West- und Ostfront. Kurz vor Paris stoppten französische und englische Truppen den deutschen Angriff. Nach der Marneschlacht kam es zu einem Stellungskrieg (6.-9. September 1914).
    • Mit Schützengräben konnten die Kriegspläne nicht verwirklicht werden.
    • Materialien dieses neuartigen Krieges waren Maschinengewehre, Panzerwagen, Flugzeuge, Unterseeboote und Giftgas. In der Schlacht von Verdun 1916 wurde mit Hunderttausenden von Toten der Höhepunkt erreicht.
    • 1916 wollte die deutsche Oberste Heeresleitung Frankreich mit einer Materialschlacht Frankreich ausbluten.
    • Zum Weltkrieg wurde der bis dahin europäische Krieg mit dem deutschen Befehl eines U-Boot-Krieges, in dem auch neurale Schiffe - etwa auch der USA - versenkt wurden.
    • Am 6. April 1917 erklärten die USA Deutschland den Krieg.
    • Deutschland mit seiner Militärführung träumte hier noch von einem "Siegfrieden". Friedensinitiativen des Deutschen Reichstages und des US-Präsidenten Woodrow Wilson wurden abgelehnt.
    • 1918 diktierte man Russland noch den Frieden von Brest-Litowsk.
    • Ein halbes Jahr später gestand man sich, dass der Krieg verloren war. Mit einer Verdrehung der Tatsachen schob man den Parteien, besonders den Sozialdemokraten, die Niederlage in die Schuhe.
    • Mit der "Novemberrevolution" wagten Matrosen den Aufstand, am 9. November 1918 rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann die "Deutsche Republik" aus. Kaiser Wilhelm II. ging in die Niederlande in das Exil, die Landesfürsten dankten ab.
    • Am 11. November unterzeichneten Vertreter der deutschen Regierung den Waffenstillstand.
  • Österreich-Ungarn war wenig auf einen Krieg vorbereitet. Die Aufmarschgeschwindigkeit war durch die Infrastruktur gehemmt, die Logistik unterentwickelt. Das Niveau der Truppe hatte ernsthafte Schwächen (Deutsch als Befehlssprache, vorwiegend deutschsprachige Berufsoffiziere).
    • 25. Juli 1914 - Teilmobilmachung
    • 1914 - Teile Galiziens gingen verloren, hohe Verluste; Belgrad konnte nicht gehalten werden, Massenhinrichtungen in Serbien durch die k.u.k. Armee,
    • 1915 - russische Karpatenfront befand sich in Auflösung, Rückeroberungen; Kriegseintritt Italiens(Geheimvertrag von London), italienische Großmachtbestrebungen an der östlichen Adria, 1. - 4. Isonzoschlachten mit Verlusten,
    • 1916 - Feldzug gegen Montenegro, Frühjahrsoffensive gegen Italien mit Stellungskämpfen; Brussilow - Offensive endet mit Desaster, hohe Verluste; 5.-9. Isonzoschlachten; Tod Kaiser Franz Josephs I. mit Nachfolge durch Karl I.
    • 1917 - Einführung des Stahlhelms (Erkennen der Splittergefahr) und von Sturm-Batallionen; Rückeroberung Ostgaliziens und der Bukowina mit Stellungskrieg; 10.-11.Isonzoschlachten, 12. Isonzoschlacht brachte Vormarsch bis zur Piave mit anschließender Aufgabe,
    • 1918 - Übermacht der Alliierten, Friaul und Trentino in italienischer Hand; Österreich-Ungarn befindet sich in Auflösung.
Die Siegermächte saßen in den Vororten von Paris zu den folgenden Friedenskonferenzen. Für Deutschland war dies in Versailles (wo vor 48 Jahren das Deutsche Kaiserreich ausgerufen wurde), Österreich in St. Germain und für Ungarn in Trianon.

Die Folgen waren gravierend. Der Erste Weltkrieg kostete mehr als 10 Millionen Menschenleben. 30 Millionen wurden verwundet. Die Welt veränderte sich grundlegend. Drei große Monarchien brachen zusammen (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn und Russland). Neue Staaten entstanden wie die Tschechoslowakei und Jugoslawien. Das Osmanische Reich zerbrach, die Türkei wurde 1923 selbständiger Staat.

Europa verlor seine beherrschende Rolle. Die USA traten als Weltmacht und eigentliche Sieger erstmals auf. 1917 wurde ein Epochenjahr mit dem US-Kriegseintritt und der "Oktoberrevolution".

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 3, 1977, 230-248

Mai 2007, 135-141

Sowjetunion    

Zu den glühendsten Verfechtern des Marxismus in Russland gehörte Wladimir Iljitsch Uljanow, in der Folge genannt LENIN (1870-1924). Anders als im übrigen Europa verbreitet sich der Marxismus unter Intellektuellen. Lenin kam zum Schluss, dass sich der Marxismus in Russland kaum anwenden ließe. Man müsse ihn daher an russische Verhältnisse anpassen, was Lenin selbst tat ("Marxismus-Leninismus", kurz "Leninismus").

Von wenig entwickelten Ländern wie Russland könne die Lehre auf andere Länder und die ganze Welt übertragen werden. Es benötige dafür eine straff organisierte "Kaderpartei" (Partei) von Berufsrevolutionären. Die Partei entscheide allein über den Zeitpunkt der Revolution und behalte die Führung in der Übergangsphase von der sozialistischen zur kommunistischen Gesellschaft, was im Interesse des Volkes zum Schutz vor "reaktionären Kräften" sei.

Der Leninismus war auf die Situation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands zugeschnitten, die von Lenin umworben wurde. Sie agierte im Untergrund bzw. vom Ausland aus. Da man sich nicht über die Lehre einig war, kam es zur Spaltung der Partei in radikale "Bolschiwiki" und gemäßigte "Menschewiki". Unter Lenins Führung wurden die Bolschiwiki in der Folge die entscheidende Kraft.

Im Februar 1917 hatten in St. Petersburg Arbeiter und Soldaten die Republik ausgerufen. Die provisorische Regierung wollte nur eine politische Revolution, sozial änderte sich nichts. Zudem wurde der Krieg gegen Deutschland fortgesetzt.

Aus dem Schweizer Exil kam Lenin nach Russland zurück, setzte sich an die Spitze gegen die Regierenden und forderte in seinen "Aprilthesen" die Beendigung des Krieges, den Sturz der Regierung und die Enteignung der Großgrundbesitzer sowie die Aufteilung des Landes unter die Bauern. Alle Macht sollten die "Arbeiter- und Soldatenräte" haben ("Sowjets").

Lenins Partei wurde verboten, Truppen wurden gegen Demonstranten eingesetzt. In der Nacht vom 24. zum 25. Oktober russischer Zeitrechnung (westlicher Zeitrechnung der 7. November) besetzten die Bolschiwiki wichtige Einrichtungen der Hauptstadt, die Regierung wurde verhaftet und die "Sozialistische Sowjetrepublik" ausgerufen. Mit "Dekreten" wurde Industrie, Banken und Kirchenbesitztümer verstaatlicht, privater Handel verboten und die Verteilung von Gütern organisiert. Volksgerichtshöfe wurden eingerichtet, Frauen sollten gleichberechtigt werden. Ehescheidungen wurden erleichtert, uneheliche Kinder wurden ehelichen gleichgestellt, Schulen und Universitäten wurde der arbeitenden Bevölkerung geöffnet. Wissenschaft, Kunst und Bildung hatten ihren Beitrag für einen "neuen Menschen" zu leisten.

Bei angesetzten Wahlen erhielten die Bolschiwiki nur 24 Prozent. Lenin ließ am 18. Jänner 1918 die Nationalversammlung mit Gewalt auflösen. Kennzeichen der Bolschiwiki war so zu tun, als ob man die Interessen der Bevölkerung kenne. In einem fast dreijährigen Bürgerkrieg siegte die von Lenins Mitstreiter Leo Trotzki geführte "Rote Armee".

Als 1924 Lenin starb, ging in einem erbitterten Nachfolgekampf Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili (genannt Josef Stalin) als Sieger hervor. Gegner wurden ausgeschaltet, Trotzki im Exil in Mexiko noch 1940 ermordet. Bis 1929 hatte Stalin die unumschränkte Macht erreicht. In der Folge kam es zu einer "Revolution von oben". "Kolchosen" und "Sowchosen" wurden errichtet, Verbannungen nach Sibirien in Arbeitslager wurden vorgenommen. Zwei bis drei Millionen Menschen fielen der Zwangskollektivierung zum Opfer.

Die Industrialisierung wurden rücksichtlos durchgeführt. Vorrang hatte die Schwerindustrie. Industrieregionen wurden über das ganze Land errichtet, in "Fünf-Jahres-Plänen" wurden Produktionsziele festgelegt ("Planwirtschaft"). Die Bedürfnisse der Arbeitenden spielten keine Rolle.

Die menschenverachtende Politik regte zu Widerstand im Lande an. Reagiert wurde mit Säuberungsaktionen, Weggefährten Lenins wurden ermordet. Die Revolution fraß ihre Kinder, wie zuvor 1789 in Frankreich (Folter, Schauprozesse). Alexander Solschenizyn beschrieb im "Archipel Gulag" das Leben und Sterben. Man schätzt den Tod von 12 Millionen Menschen in diesen Lagern.

Beinahe zeitgleich mit dem Nationalsozialismus zeigt diese Dimension von totalitärem Staat, dass Kontrolle der Macht notwendig ist und welche Folgen ein Fehlen beinhaltet.

Literaturhinweis

Spiegel der Zeiten, Bd. 4, 1996, 21-25, 71-77

Mai 2007, 142-147

Nachfolgestaaten    

Während des Ersten Weltkrieges erklärte sich Finnland 1917 unabhängig und wurde von der Sowjetregierung anerkannt. 1918 begann ein blutiger Bürgerkrieg, da die finnischen Kommunisten den Anschluss an Sowjetrussland forderten. Vier Monate später konnten das "weiße Lager" (von Deutschland unterstützt)gegen das "rote Lager" (von den Sowjets unterstützt) siegen, Finnland wurde Republik.

Estland, Lettland und Litauen wurden während des Ersten Weltkrieges von zwei Seiten bedroht. Zunächst die deutsche Besetzung, in der Folge der Versuch einer Sowjetisierung. 1918 erklärten die drei Staaten sich unabhängig und wurden Republiken.

Bei der Friedensverhandlungen 1919 wurden neue Staaten begründet, auch aus Gründen der Schwächung der ehemaligen Großmächte. Zunächst entstand die Tschechoslowakei als Vielvölkerstaat mit 7 Millionen Tschechen, 3 Millionen Deutschen, 2,5 Millionen Slowaken und 1,3 Millionen Ungarn, Ukrainern und Polen. Die Slowaken wehrten sich gegen die tschechische Dominanz, nachdem sie die ungarische Bevormundung überstanden hatten. Die Deutschen lehnten den Staat rundweg ab. Der Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben - ähnlich der Schweiz - ging nicht in Erfüllung.

Das neue Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen bildete ebenfalls einen Vielvölkerstaat auch mit Bosniern, Mazedoniern, Albanern, Ungarn und Deutschen. 1929 umbenannt in Jugoslawien trennte die westlich geprägte Region mit der Katholischen Kirche mit Slowenen und Kroaten sich von den byzantinisch-orthodoxen Kirchen bzw. des muslimischen Gemeinden im Südosten. Zudem erhoben die Serben mit knapp 50 Prozent der Bevölkerung einen Führungsanspruch. Spannungen gab es mit den selbstbewussten Kroaten.

Polen entstand als alter Staat neu, nachdem die Großmächte am Ende des 18. Jahrhunderts das Land aufgeteilt hatten. Deutschland und Österreich traten große Gebiete ab, 1920 kam es zum Krieg mit Sowjetrussland (damals im revolutionären Umbruch). Der russische Angriff auf Warschau konnte gestoppt werden. Marschall Jozef Pilsudski sah die Russen als Feinde der Unabhängigkeit ("Wunder an der Weichsel"). Im Frieden von Riga verschob sich die polnische Grenze 250 km nach Osten (damit gehörten 6 Millionen Ukrainer und 1,5 Millionen Weißrussen zu Polen, mit 1,1 Millionen Deutschen betrugen die Minderheiten in Polen rund 30 Prozent).

Rumänien als Alliierter erhielt im Westen von der Donaumonarchie und im Osten von Sowjetrussland große Gebiete und verdoppelte fast die Fläche. Hier lebten nunmehr 3 Millionen Rumänen, 1,5 Millionen Ungarn und 750 000 Deutsche. Die Regierung verweigerte den Minderheiten eine politische Mitsprache.

Österreich-Ungarn verlor riesige Gebiete.

  • Der Kleinstaat Österreich hatte nur mehr 6,5 Millionen Einwohner (gegenüber rund 50 Millionen in der Monarchie).
    • Gebietsverluste und hohe Reparationen machten das Land wirtschaftlich kaum überlebensfähig.
    • Eine Belastung waren die zahllosen Beamten und Offiziere.
    • Die Abschaffung des Adels galt für viele als Verlust ihrer Würde.
  • Die kleinere Hälfte der Monarchie Ungarn verlor rund zwei Drittel ihres Staatsgebietes und der Bevölkerung.
Literaturhinweis

Mai 2007, 148-150

Faschismus/Italien    

Die Startbedingungen der neuen demokratischen Regierungssysteme waren nach Ersten Weltkrieg schlecht,

  • der Übergang von der Monarchie zum Parlamentarismus gelang nicht immer,
  • der Krieg hatte große Schäden angereichtet,
  • die Wirtschaft lag darnieder und
  • die Menschen litten große Not (Hunger, Flüchtlinge).
Der "Faschismus" als Alternative zum Sozialismus und zur parlamentarischen Demokratie war eine Form der totalitären Herrschaft und damit eine Diktatur. Am Beispiel Italien und Benito Mussolini/ "Duce" (1883-1945) zeigt sich dies.

  • Mussolini konnte ungehindert die "Schwarzhemden" zusammenstellen und sie als Hüter der öffentlichen Ordnung einsetzen.
  • Es herrschte die Angst, dass die Ideen der russischen Revolution in Europa überall sich durchsetzen könnten.
  • In Italien erwartete man, dass der "Duce"(Führer)das Eigentum vor Sozialisten und Kommunisten schützt.
  • 1922 kam es zum "Marsch auf Rom", um die Regierung abzusetzen und die Macht zu übernehmen (vgl. Mussolini nahm am Marsch auf Rom gar nicht teil und reiste im Schlafwagen von Mailand nach Rom, um sich erst kurz vor dem Ziel bei den Teilnehmern einzureihen).
  • Auf Druck der Faschisten ernannte König Viktor Emanuell III. Mussolini zum Ministerpräsidenten.
Die legendäre Antwort Mussolinis, man brauche keine geistigen Grundlagen des Faschismus, vielmehr sei Handeln wichtiger als alle Philosophie, weist vielmehr auf die Ablehnung der Gedanken anderer. Man war antimarxistisch, antikommunistisch, antiliberal und antikapitalistisch. Wesentlich war, dass man ein Teil einer einzigen großen harmonischen Volksgemeinschaft sei ("Glaube, gehorche, kämpfe!"). Ähnlichkeiten mit Adolf Hitler waren deutlich zu erkennen.

Die Demokratien der ersten Nachkriegsjahre wurden teilweise vom Faschismus (autoritäre Systeme) und vom Kommunismus (sowjetisches Vorbild) angegriffen und bedroht. Der Erfolg lag in den Lebensbedingungen der jeweiligen Länder. Die zwanziger Jahre waren eine Zeit große wirtschaftlicher und sozialer Krisen, weshalb der Nährboden für totalitäre Systeme gegeben war.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 4, 1976, 66-69

Mai 2007, 151-153

Nationalsozialismus/Deutschland    

Nach den "goldenen zwanziger Jahren" mit pulsierendem freiem Leben in den Großstädten, Jazz, neuen Kommunikationsmitteln (Telefon), aufstrebender Filmindustrie und Fabriken (Fließband) kam der "Schwarze Freitag" (25.Oktober 1929)''' mit dramatischen Kursstürzen an der New Yorker Börse ("Weltwirtschaftskrise"). US-Banken verlangten von den europäischen Schuldnern die sofortige Rückzahlung der Kredite mit Zinsen.

Deutschland traf diese Entwicklung besonders hart.

  • Eine Verknappung des Geldes trat auf.
  • Die Industrie stockte, Firmenzusammenbrüche traten über Nacht auf.
  • Die Folgen waren eine Massenarbeitslosigkeit, Verarmung und Perspektivenlosigkeit.
In dieser Situation erwiesen sich die Repräsentanten der "Weimarer Republik" schwach. Der Reichstag war nicht mehr in der Lage, nach der gescheiterten Finanzierung einer Arbeitslosenversicherung eine Regierung zu bilden, womit der Reichspräsident zur bestimmenden Macht der Politik wurde. Der seit 1925 gewählte Reichspräsident war Paul von Hindenburg, Weltkriegsgeneral, im autoritären Denken verhaftet und von der Situation überfordert. Mit "Notverordnungen" wurde die demokratische Gewaltenverteilung aufgehoben (vgl. das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit seinen parlamentarischen Bestimmungen).

Ab 1930 wurde diese Ausnahmeregelung zum Normalfall. Damit war die Weimarer Republik schon vor der Machtergreifung Hitlers gescheitert. Dieser spielte seit der Weltwirtschaftskrise eine politische Rolle. 1933 wurde er dann als Führer der stärksten Partei (NSDAP) zum Reichskanzler von Hindenburg berufen.

Adolf Hitler als Person gilt in seinem Aufstieg als fast unbegreiflich. Kein Schulabschluss, keine ordentliche Berufsausbildung, ein Leben in Wien im Männerheim als Gelegenheitsarbeiter, als 25jähriger Freiwilliger im Ersten Weltkrieg - beim Militär fühlte er sich aufgehoben. Befehl und Gehorsam imponierten. Als guter Redner wurde er schon nach einem Monat "Werbeobmann" der "Deutschen Arbeiterpartei". Er setzte den neuen Namen "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" (NSDAP) durch. Das Hakenkreuz wurde zum Emblem. 1921 wurde er mit fast unbeschränkten Machtbefugnissen deren Vorsitzender. Die "Sturmabteilung" (SA) wurde nach italienischem Vorbild eine halbmilitärische Formation mit braunen Uniformen.

Hitler rief - ähnlich dem Marsch auf Rom - am 9. November 1923 zum "Marsch auf die Feldherrenhalle" in München auf. Ziel war der Sturz der Regierung. Die Polizei hielt den Zug auf und verhaftete die Aufständischen. Hitler wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, neun Monate musste er verbüßen. Hier schrieb er seine Bekenntnisschrift "Mein Kampf" mit seinen Vorstellungen und Zielen. Hinzu kam eine fanatische Rassenlehre und Antisemitismus, der Juden als "minderwertige Rasse" ansah. Für das "deutsche Herrenvolk" forderte er "Lebensraum im Osten". Die "arische Herrenrasse" sollte unter deutscher Führung die Welt beherrschen. Am 30. Jänner 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg den Führer der NSDAP Adolf Hitler zum Reichskanzler (Tag der Machtergreifung).

  • Die Parteitruppen SA und SS ("Schutzstaffel") beherrschten die Straßen. Politische Gegner wurden verfolgt.
  • Am 27. Februar 1933 brannte der Reichstag, einen Tag später wurde eine Notverordnung "Zum Schutz von Volk und Staat" erlassen (Aussetzung der wichtigsten Grundrechte bis auf Weiteres; blieb bis 1945 in Kraft).
  • Am 5.März 1933 fand die Reichstagswahl statt, die NSDAP überflutete mit Propagandamaterial das Land. Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) wurde verboten, SA-Trupps störten andere Wahlveranstaltungen. Die Pressefreiheit wurde eingeschränkt. Mit 43,9 Prozent erhielt die NSDAP nicht die erhoffte Mehrheit. Mit der "Deutschnationalen Volkspartei" wurde eine Koalition gebildet.
  • Mit dem "Ermächtigungsgesetz" sollte der Regierung erlaubt werden, Gesetze ohne Mitwirkung des Reichstages zu beschließen. Am 23. März 1933 wurde unter dem Druck von SA mit Zweidrittel-Mehrheit unter Ausschaltung der KPD - ohne Zustimmung der SPD - der Reichstag durch sich selbst ausgeschaltet.
  • Die Selbständigkeit der Länder wurde aufgehoben, "Reichstatthalter" wurden dafür eingesetzt, Gewerkschaften und SPD verboten, Funktionäre in "Schutzhaft" genommen und in "Konzentrationslager" gesperrt.
  • Bürgerliche Parteien lösten sich durch Zwang auf, die Gründung neuer Parteien wurde am 14. Juli 1933 durch Gesetz verboten.
  • Mit dem Tod von Paul von Hindenburg am 2. August 1934 übernahm Adolf Hitler das Amt des Reichspräsidenten, den Oberbefehl über die Reichswehr und den Titel "Führer des Deutschen Reiches und Volkes".
Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 4, 1976, 13, 43-47, 78-100

Mai 2007, 153-159

Der Zweite Weltkrieg    

Hitlers Ziele waren in "Mein Kampf" klar definiert.

Man wollte einen

  • Weltanschaulichkeitskrieg gegen Russland,
  • einen Rassenkrieg gegen das Judentum und
  • eine Eroberungskrieg gegen die Völker im Osten.
Am 3. Februar 1933 machte Hitler vor den Spitzen der Reichswehr klar, Ziele der deutschen Politik seien die Ausrottung des Marxismus, die Beseitigung der Demokratie, der Aufbau der Reichswehr und die Eroberung des Lebensraumes im Osten mit einer Germanisierung.

Alle Deutschen hätten das Recht, in einem gemeinsamen Deutschen Reich zu leben.

  • Als erster Schritt erfolgte 1935 die Volksabstimmung des Saarlandes für einen Beitritt zum Deutschen Reich.
  • Rund ein Jahr später rückten deutsche Truppen in das seit 1919 entmilitarisierte Rheinland ein (Bruch des Versailler Vertrages).
  • Der "Anschluss" Österreichs 1938 war ebenfalls ein Völkerrechtsbruch.
  • Ein halbes Jahr später kam er zum Anschluss des Sudetenlandes. In allen Fällen sahen die europäischen Mächte zu und versuchten Hitler zu beschwichtigen ("Appeasement-Politik").
Mit dem Überfall auf Polen begann er Zweite Weltkrieg.

  • Die deutsche Armee erprobte den "Blitzkrieg" (schnelle Panzerverbände, Kampfflugzeuge, Fußtruppen als Besatzung). Dies funktionierte in Dänemark, Norwegen, Belgien, den Niederlanden und in Frankreich. Nach fünf Wochen zogen deutsche Truppen in Paris ein. Hitler ließ im gleichen Eisenbahnwaggon im Wald von Compiegne den Waffenstillstand 1940 unterzeichnen. Die "Schmach von Versailles" war nach Hitlers Verständnis damit getilgt.
  • Ein Rückschlag kam beiden Luftangriffen auf englische Städte. Der Widerstandswille der Engländer konnte trotz monatelanger Bombardierungen nicht gebrochen werden.
  • Nach deren Einstellung griff er Russland am 22. Juni 1941 an ("Unternehmen Barbarossa"), obwohl er 1939 einen Nichtangriffspakt mit Stalin abschloss. Scheinbar half die Blitzkrieg-Taktik, im Oktober stand man vor Moskau. Mit dem Wintereinbruch stockte der Vormarsch (Kälte/hohe Verluste, schlechte Versorgung). Mit der Gegenoffensive der Roten Armee war die Blitzkrieg-Taktik gescheitert.
  • Bei Stalingrad wurden 300 000 Mann im Winter 1942/43 eingekesselt. Durch ein Verbot der Kapitulation wurde die 6. Armee völlig aufgerieben. Stalingrad gilt als Wendepunkt des Krieges.
  • Mit Deutschland verband sich Italien und Japan, das mit dem Angriff auf Pearl Harbor 1941 die USA in den Krieg zog.
  • In Italien wurde 1943 im Auftrag des Königs Mussolini verhaftet, das Land wechselte die Fronten. Ein Attentat on Oberst Graf Stauffenberg auf Hitler scheiterte 1944.
  • Deutschland wurde selbst zum Kriegsschauplatz(Bombenhagel auf Städte, von allen Seiten drangen die Alliierten vor. Im Frühjahr 1945 war Deutschland besetzt.
  • Am 30. April 1945 beging Hitler Selbstmord, am 8.Mai kapitulierte die deutsche Führung bedingungslos. Im Pazifik endete der Krieg nach Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki(6. und 9. August 1945).
Der Zweite Weltkrieg kostete 55 Millionen Menschen das Leben und demonstrierte Grausamkeit, Morde und Tod. Erstmals wurden mit dem Abwurf von zwei Atombomben eine neue Kriegstechnik ausgeführt. Der Führungsanspruch der USA als Weltmacht ergab sich daraus.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 4, 1976, 109-139

Mai 2007, 164-169

Wiederaufbau in Europa    

Winston Churchill (1874-1965) hielt 1946 eine bemerkenswerte Rede in Zürich, in der er von einer Vereinigung europäischer Länder sprach, die Wohlstand, Ruhm und Glück erleben lässt. Ein erster Schritt für eine europäische Staatenfamilie sein ein "Europarat". Frankreich, Deutschland, Großbritannien, die USA und die Sowjetunion müssen sich wieder versöhnen. Dann wären alle Probleme gelöst.

Er erhielt viel Beifall, in der Realität standen sich die USA und die Sowjetunion bald gegenüber. Die Angst vor einem kommunistischen Westeuropa ließ die USA erkennen, dass man Europa wirtschaftlich und militärisch stärken müsse. Damit begann eine Auseinandersetzung zwischen den Systemen einer parlamentarischen Demokratie mit Marktwirtschaft und einem kommunistischen Einparteienstaat mit Planwirtschaft. Zwei Blöcke entstanden, ohne Kriegseinsatz. Man sprach daher von einem "Kalten Krieg".

Am 5. Juni 1947 veröffentlichte US-Außenminister George Marshall ein Programm zum Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft ("Marshall-Plan"/ ERP-Hilfe). Alle europäischen Staaten einschließlich der Sowjetunion zeigten Interesse. Für die Wirtschaftshilfe wurden Informationen der Staaten benötigt, dies lehnte Stalin ab. Er zwang die osteuropäischen Staaten, die Verhandlungen über das Hilfsprogramm abzubrechen.

Am 12. Juni 1947 nahmen daher die west- und mitteleuropäischen Staaten einschließlich Italien und der Türkei in Paris an einer Konferenz über den Marshall-Plan teil (das besiegte und besetzte Deutschland war kein Teilnehmer). Die USA stellten 13 Mrd. Dollar zur Verfügung, die Handelsbeziehungen müssten liberalisiert werden und die Zollschranken abgebaut werden. Zur Kontrolle und eventuellen Sanktionen müsse man der OEEC ("Organization of European Economic") beitreten. Mit der Unterzeichnung des Vertrages am 16. April 1948 war ein erster Schritt zu einer westeuropäischen Vereinigung getan.

Entgegen der Praxis mit Österreich als besetztem Land bekam Deutschland mit Besatzung der vier Siegermächte nur in den drei westlich besetzten Zonen Wirtschaftshilfe und damit Geld zum Wiederaufbau. Dies war der erste Schritt zu einer Spaltung Deutschlands und damit Europas.

  • Mit der "Währungsreform" 1948 und der Einführung der "Deutschen Mark" in den drei Westzonen und 1949 der Gründung der "Bundesrepublik Deutschland" war die staatliche Neuordnung vollzogen.
  • Fast gleichzeitig wurde die sowjetische Besatzungszone als "Deutsche Demokratische Republik" am 7. Oktober 1949 als "sozialistischer Bruderstaat" begründet.
  • Die Spaltung Deutschlands war vollzogen.
Als Gegenstück zum westlichen Wirtschaftsbündnis hatte Stalin 1949 den "Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe" (COMECON) geschaffen. Ihm gehörten die sogenannten "Ostblockstaaten" an. Die Mitglieder waren allerdings nicht gleichberechtigt, man war von der Sowjetunion abhängig.

Churchills Vision von Zürich war unrealistisch geworden.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 4, 1976, 160-165

Mai 2007, 170-173

Projekt Europa    

Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte es sich, dass Großbritannien kein Interesse an Europa hatte. Commonwealth-Interessen waren stärker als ein "Projekt Europa". In dieser Zweit entstand eine ungewöhnliche Idee eines ungewöhnlichen Mannes.

Jean Monnet (1888-1979) kam in jungen Jahren durch das gut gehende Cognac-Unternehmen seiner Familie in der Welt herum. Über das Unternehmen hinaus arbeitete er als Bankier in New York, war für den Völkerbund tätig, organisierte 1932 das Eisenbahnwesen in China und war 1938 als Wirtschaftsberater in Rumänien und Polen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Leiter des Planungsamtes für die Modernisierung der französischen Wirtschaft.

Mit Blick auf Deutschland entstand die Idee, eine Kohle- und Stahlproduktion als Schlüsselindustrie für die Rüstung von einer übernationalen Behörde kontrollieren zu lassen. Frankreichs Außenminister Robert Schumann arbeitete diese Idee als "Schumann-Plan"" aus und Konrad Adenauer als Bundeskanzler der BRD erkannte die große Chance und stimmte zu. 1950 wurde der Plan vorgestellt und stand den anderen europäischen Staaten zum Beitritt offen. Dieser 9. Mai gilt seither als Meilenstein auf dem Weg nach Europa.

Im Juni 1950 begannen Verhandlungen mit Frankreich, Deutschland, Italien und den BENELUX-Staaten. Am 18. April 1951 unterzeichneten sie den Vertrag über die "Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl"' (EGKS), auch "Montanunion" genannt. Ziel war die Ausweitung der Wirtschaft, Steigerung der Beschäftigung und Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedsstaaten. Als Leitungsgremium fungierte die "Hohe Behörde". Kontrolliert wurde diese von einem "Beratenden Ausschuss" mit Abgeordneten der nationalen Parlamente. Ein Gerichtshof wurde installiert, der angerufen werden konnte.

Dass ehemalige Feinde wenige Jahre nach Kriegsende eine Gemeinschaft bilden würden, war ohne Beispiel bisher.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 4, 1976, 212-213

Mai 2007, 174-177

Europäische Militärbündnisse    

1950 begann der Koreakrieg. Die westlich-europäischen Staaten befürchteten eine expansive Politik der Sowjetunion. Das nächste Ziel könnte Westdeutschland sein.

Die USA verstärkten ihre Militärpräsenz in Europa, die Bundesrepublik Deutschland sollte einen entsprechenden wirtschaftlichen und militärischen Beitrag zur Verteidigung leisten. Gesucht wurde eine Lösung, die von allen akzeptiert werden konnte. Jean MONNET legte einen Plan vor, den der französische Ministerpräsident Rene PLEVEN am 24. Oktober 1950 als "Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) vorstellte. Die Streitkräfte der Mitgliedsländer sollte unter einen gemeinsamen Oberbefehl gestellt werden, d.h. auch eine deutsche Armee unterstünde einer europäischen Kontrolle.

Die Französische Nationalversammlung lehnte mehrheitlich ab,

  • eine deutsche Aufrüstung wurde abgelehnt.
  • Zudem lehnte man ab, die eigene Armee unter einen anderen Oberbefehl zu stellen.
  • Frankreich war am Weg zu einer Atommacht, die eigenen Atomwaffen wollte man nicht europäisieren.
Eine Ersatzlösung musste schnellstens gefunden werden. 1954 kam es zu einer Neunmächte-Konferenz in London (USA, CAN, UK, F, BENELUX-Staaten, BRD und I). Das Besatzungsstatut der BRD wurde aufgehoben ("Deutschland-Vertrag"), die BRD als gleichberechtigtes Mitglied in die NATO ("Nordatlantisches Verteidigungsbündnis") aufgenommen.

Rund zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die BRD als souveräner Staat in die NATO aufgenommen. Eine eigene deutsche Armee durfte aufgebaut werden. Ein Auseinanderbrechen des westlichen Bündnisses wurde (diesmal) nicht riskiert.

Bereits 1952 hatte Stalin die beiden deutschen Staaten als ein neutrales Deutschland unter alliierter Kontrolle zusammenfassen wollen.

Neun Tage nach dem Beitritt der BRD zur NATO reagierte die Sowjetunion am 14. Mai 1955 mit der Gründung des "Warschauer Paktes". Die "Ostbock-Staaten" und 1956 in der Folge die DDR traten dem Pakt bei.

Damit standen zwei Militärblöcke einander gegenüber - mit Atomwaffen ("Gleichgewicht des Schreckens"). Von Winston CHURCHILL stammte in der Folge der Ausdruck "Eiserner Vorhang". Zum Beispiel einer solchen Grenzbefestigung wurde die "Berliner Mauer", die im August 1961 die DDR-Führung bauen ließ. Sie wies auf die tiefe Spaltung Europas in dieser Epoche hin.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 4, 1976, 148-172

Mai 2007, 178-180

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft    

Für Europa in der Nachkriegszeit war es typisch, dass man sich von dem Weg einer engen Zusammenarbeit bzw. Zusammenschlüsse nicht abbringen ließ.

Treibende Kraft war Jean Monnet. Als er nach Differenzen mit seiner Regierung als Präsident der Montanunion zurücktrat, gründete er ein "Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa" mit den Spitzen europäischer Parteien und Gewerkschaften. Vorgeschlagen wurde, auch andere Wirtschaftsbereiche zu europäisieren. Angetan war man von der friedlichen Nutzung der Atomenergie, in der MONNET eine Möglichkeit sah, den steigenden Energiebedarf Europas preiswert zu decken und unabhängiger von Ölimporten zu werden.

Gesucht wurde ein europäisch gesinnter Spitzenpolitiker mit Visionen, gefunden wurde der belgische Außenminister Paul-Henri Spaak (1899-1972). Am 2. April 1955 regte er in einem Brief an seine fünf Kollegen der Montanunion-Mitglieder eine Konferenz an, um das "Projekt Europa" fortzusetzen und brachte MONNETs Pläne in das Spiel. Frankreich und Deutschland (Ludwig Erhard) reagierten zurückhaltend. Frankreich hatte Angst um seine staatlich geförderte Wirtschaft, Deutschland wollte seien Wirtschat möglichst frei gestaltet wissen. Man hatte die Befürchtung, dass sich eine europäische Behörde einmischt und die Wirtschaft bürokratisiert.

Trotz Bedenken nahmen Vertreter der sechs Regierungen zwei Monate später in der Konferenz von Messina teil, mit überraschendem positivem Erfolg.

Man hielt es für notwendig,

  • den Ausbau von gemeinsamen Institutionen fortzusetzen,
  • die schrittweise Fusion nationaler Wirtschaften anzustreben,
  • einen gemeinsamen Markt einzurichten und
  • die schrittweise Koordination der nationalen Sozialpolitik fortzusetzen.
Dass diese Kommission dieses Vorhaben schaffte, war ein Meilenstein in der europäischen Geschichte.

Am 25. März 1957 wurden dann in Rom die Verträge über die Gründung der "Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" (EWG) und der "Europäischen Atomgemeinschaft" (EURATOM) unterzeichnet. Der EWG-Vertrag wurde das stabile Fundament für ein zu errichtendes europäisches Haus mit dem Kernstück

  • einer Zollunion,
  • einem möglichst ungehinderten Verkehr von Waren, Kapital und Arbeit sowie
  • einer gemeinsamen Zollgrenze nach außen.
  • In einem Zeitraum von 12 bis 15 Jahren sollte schrittweise dies aufgebaut werden.
  • Standortnachteile sollten vermieden und ausgeglichen werden, wozu es eine Koordination und gemeinsame Wettbewerbsregeln bedarf.
Ähnlich der Hohen Behörde in der Montanunion gab es in der EGW die Kommission als eine Art einer europäischen Regierung und den Ministerrat mit der Interessensvertretung der Mitgliedsländer.

Die Erfolge der EWG zeigten sich in der Folge. Von 1958 bis 1962 stieg das Bruttosozialprodukt der EWG um 21,5 Prozent (im Vergleich im UK um 11 und in den USA um 18 Prozent). Die Industrieproduktion stieg um 37 Prozent (im Vergleich im UK um 14 und in den USA um 28 Prozent). Die EWG mit 170 Millionen Einwohnern wurde wichtiger Handelspartner der Welt.

Mit der schrittweisen Fortführung eines gemeinsamen Europas im Sinne Jean MONNETs würden sich neue Perspektiven ergeben. Menschen würden den Begriff "Europa" positiver besetzen und letztlich würden sich neue Politikfelder auftun. Zu diesem Zeitpunkt war entscheidender der Prozess einer Einigung, nicht das Ziel.

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 4, 1976, 212-214

Mai 2007, 181-184

Folgeentwicklungen in Europa    

Großbritannien ("United Kingdom"/UK) lehnte mehrfach eine Teilnahme am "Projekt Europa" ab, obwohl Winston CHURCHILL 1946 als erster Politiker nach dem Zweiten Weltkrieg ein gemeinsames Europa gefordert hat. An erster Stelle standen für das UK die Staaten des "Empire", erst dann folgten "special relationships", also besondere Beziehungen zu den USA.

In den fünfziger und sechziger Jahren zerfiel das "British Empire", die Beziehungen zu den USA wurden brüchig. Trotzdem kam ein Beitritt zur EWG nicht in Frage. Da UK wollte keine nationalen Kompetenzen abgeben. Man schlug dagegen eine große Freihandelszone mit einer Liberalisierung der Handelsbeziehungen aller OEEC-Staaten vor. Die EWG lehnte ab, gegründet wurde die "Europäische Freihandelszone"/EFTA mit UK, DK, N, AT, S und der CH.

Ab 1960 gab es in West-Europa zwei Wirtschaftsbündnisse, im Alltagshandel so gut wie keine Konkurrenz. Mitglieder der EFTA betrieben einen stärkeren Handel mit der EGW als innerhalb ihres Bündnisses. Die EWG war erfolgreicher, ein europäischer Integrationsprozess verlief schleppend.

Frankreichs Präsident Charles de GAULLE (1890-1970) beharrte auf Nationalstaaten als Akteure der internationalen Politik. Frankreichs Stellung blieb in seinem Weltbild auf der Stärke, die als Weltmacht als notwendig anzusehen war. Für ihn kam nur ein "Europa der Vaterländer" in Frage, also ein Staatenbund mit Zusammenarbeit und eigener Souveränität.

Die kleineren Staaten der EWG begrüßen insbesondere 1961 den Antrag des UK auf Mitgliedschaft in der EWG. Das Veto Frankreichs folgte.

Ähnliches wurde dem neuen US-Präsidenten John F. KENNEDY 1962 mit seinem "Großen Entwurf" unterstellt. Darin wurde vorgeschlagen, die USA und Europa (einschließlich dem UK) sollten eine "atlantische Partnerschaft" eingehen. Die Mitglieder sollen in politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht gleichberechtigt mit Ausnahme der Atomwaffen sein (vgl. die Aussage, die USA würden für atomaren Schutz sorgen). De GAULLE lehnte ab, ebenso die Aufnahme des UK und stellte fest, Frankreich würde eigene Atomwaffen mit eigener nationaler Verfügung und Verteidigung herstellen.

In der konsequenten Ablehnung der europäischen und atlantischen Gemeinschaften setzte de GAULLE auf die Zusammenarbeit mit der BRD. Beiden Staaten lag letztlich eine deutsch-französische Aussöhnung am Herzen.

Am 22. Jänner 1963 wurde der "Französisch-Deutsche Freundschaftsvertrag" unterzeichnet.

Er sieht vor

  • gegenseitige Konsultationen in der Außen-, Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik sowie
  • eine enge Zusammenarbeit in kulturellen Beziehungen und im Jugendaustausch.
Erst in der Nachfolge von Georges POMPIDOU änderte sich die Haltung Frankreichs nach einem neuerlichen Veto gegenüber dem UK. 1969 in Den Haag beschlossen die EWG-Mitglieder Verhandlungen mit den Regierungen des UK, Irlands, Dänemarks und Norwegens. Bei einer Volksabstimmung in Norwegen wurde die EWG-Mitgliedschaft abgelehnt. 1973 wurde die EWG um drei Mitglieder erweitert.

1981 folgte Griechenland als Mitglied, 1986 Spanien und Portugal.

Mit der Verdoppelung der Mitglieder wuchsen auch die Problembereiche (Förderung der unterentwickelten Wirtschaftsräume, Subventionen für Agrarbereiche, Einstimmigkeit der Regierungschefs/Blockadepolitik durch Margaret Thatcher).

Literaturhinweise

Spiegel der Zeiten, Bd. 4, 1976, 215-219

Mai 2007, 185-189

Die Wende    

Bis 1992 sollte nach der damaligen Planungsphase ein einheitlicher Binnenmarkt mit voller Freizügigkeit für Personen, Dienstleistungen, Güter und Kapitalverkehr geschaffen werden.

Die weltpolitische Lage veränderte sich allerdings sehr.

  • 1985 kam Michael Gorbatschow in Russland an die Macht. Er war von notwendigen Reformen überzeugt. Eine Umgestaltung und Erneuerung ("Perestroika") und eine Offenheit und Transparenz("Glasnost") seien notwendig. Das Land sollte durch eine Revolution von oben modernisiert und liberalisiert werden, ohne den Führungsanspruch der KPdSU? und staatlicher Kontrollstellen der Wirtschaft aufzugeben. Schneller als je zu denken war fiel der Machtanspruch der Kommunistischen Partei (KP)
  • In Polen kam es zur Gründung der unabhängigen Gewerkschaft "Solidarnocs", die eine mit christlichen und sozialistischen Ideen humane Gesellschaft aufbauen wollte. Im Untergrund wurde sie so stark, dass sie im Frühjahr 1989 von der Regierung am "Runden Tisch" Gesprächspartner wurde. Im Sommer kam es zu freien Wahlen, aus denen eine Mehrparteienregierung in einem kommunistischen Land entstand. Das polnische Beispiel ermunterte Oppositionsgruppen in Ungarn und der Tschechoslowakei Reformen zu verlangen.
  • In der DDR wehrte sich die Führung gegen jede Reform. SED-Parteichef Erich Honecker erkannte die Auflösungserscheinungen im sozialistischen Lager nicht. Im Herbst 1989 kam es zu großen Demonstrationszügen in den Städten für Freiheit und Demokratie. Als Honecker abgesetzt wurde, gab am 9. November 1989 die neue Führung die Öffnung der Grenzübergänge nach West-Berlin bekannt (Feiern an den Übergängen und auf der "Mauer").
  • In Russland kam es am 19. August 1991 zu einem Putsch der Reformgegner aus Armee und Partei. Gorbatschow wurde verhaftet, man zog 3500 Panzer um Moskau zusammen. Demokratische Kräfte unter Präsident Boris Jelzin konnten den Umsturzversuch verhindern, Jelzin wurde der neue starke Mann in Russland. Die KPdSU? wurde verboten, die "Russische Republik" ausgerufen. Die "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" wurde aufgelöst, die übrigen Republiken erklärten sich souverän. Am 31. Dezember 1991 hörte die UdSSR? auf zu bestehen, ihre Stelle als Nachfolgestaat in der Weltpolitik übernahm Russland als größter Teilstaat.
  • Die "Deutsche Frage" ´stellte sich nach dem Fall des "Eisernen Vorhanges" neu ("Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört"/Willy BRANDT). Frankreich und das UK befürchteten eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse. Helmut KOHL versuchte Bedenken auszuräumen. Eine Wiedervereinigung gehe nicht auf Kosten der europäischen Integrationsprozesses, vielmehr müsse dieser gestärkt werden. Mit Francois MITTERAND wurde er eine treibende Kraft für eine "Europäisierung".
Europäische Union/EU    

Im Dezember 1991 beschlossen die zwölf Staats- bzw. Regierungschefs in Maastricht die Europäische Gemeinschaft zu einer "Europäischen Union" (EU) weiterzuentwickeln.

  • Schrittweise sollte die EU auch eine politische Union werden.
  • Der Binnenmarkt sollte zu einer Wirtschafts- und Währungsunion mit einer Europäischen Zentralbank und gemeinsamen Währung werden.
  • Ziel sei eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (mit einer irgendwann gebildeten gemeinsamen Armee).
  • Die Innen- und Rechtspolitik sollte verbunden werden.
  • Dänemark lehnte in einer Volksabstimmung diese Ziele ab, nach Verhandlungen und Zugeständnissen stimmte man in einer weiteren Volksabstimmung knapp zu.
  • Am 1. November 1993 traten die Maastrichter Verträge in Kraft.
Unterschiedliche Vorstellungen verhindern dem Europäischen Parlament und der Kommission mehr Kompetenzen zu geben. Die Einzelstaaten wollen selbst die politischen Richtlinien bestimmen.

Am 1. Jänner 1995 traten Finnland, Österreich und Schweden der EU bei. Von 15 EU-Staaten führten elf am 1. Jänner 1999 die neue Währung - den EURO (€) - zunächst als Rechnungseinheit ein. Drei Jahre später konnten die Konsumenten das Geld in der Hand halten. Geklagt wurde bei der Preisumstellung über den "Teuro".

Für Ostdeutschland war dies besonders bedeutend, mussten sie doch zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Jahren eine Währungsumstellung vornehmen.

Ein Fundament für Europa sollte neben der Währung eine gemeinsame Verfassung werden. Ein Konvent arbeitete daran, wobei 2003 der Entwurf überarbeitet werden musste.

Am 1. Mai 2004 nahm die EU mit Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Slowenien, Litauen, Lettland, Estland, Malta und dem griechischen Teil Zyperns zehn neue Mitglieder auf. Am 1. Jänner 2007 kamen Bulgarien und Rumänien hinzu. Damit war die "Osterweiterung" abgeschlossen und die Spaltung Europas beendet. Die EU umfasste einen Wirtschaftsraum von 480 Millionen Menschen (vgl. die USA mit 280 Millionen).

Inwieweit das Ziel erreicht werden kann, in Europa Demokratie und Marktwirtschaft auszudehnen, hängt von den jeweiligen politischen Zuständen ab.

Im Juni 2004 konnten die Bürgerinnen und Bürger der EU ein Parlament wählen. Allerdings war die Wahlbeteiligung mit 43 Prozent gering, wobei in den zehn neuen Ländern sie auffallend unter den alten Ländern lag. EU-kritische Parteien erhielten auffallend mehr Stimmen als die Regierungsparteien. Offensichtlich gibt es noch große Vorbehalte gegenüber der EU.

Nach der Parlamentswahl konnte ein Kompromiss über den Entwurf des Konvents erreicht werden.

  • Erstmals gelten gemeinsame Grundrechte für alle Bewohner in der EU.
  • Das EU-Parlament erhält mehr Kompetenz, darf aber nicht die Kommission bilden. Diese wird von den Regierungen berufen.
  • Umstritten war das Abstimmungsverfahren. Kompliziert war die Kompromissformel der "doppelten Mehrheit". Ein Beschluss wird gefasst, wenn 55 Prozent der Mitgliedsländer oder mehr, mindestens aber 15 Länder zustimmen. Diese müssen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Mindestens vier Länder sind nötig, um einen Beschluss zu blockieren.
  • Neu eingeführt wurde das Amt eines "Außenministers" zur Formulierung einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik (gleichzeitig auch als Vizepräsident der Kommission bestellt).
  • Diese Verfassung war von den nationalen Parlamenten zu ratifizieren.
  • Ängste bestanden vor einer übermächtigen europäischen Bürokratie und einem Europa mit zu vielen Mitgliedsländern und nationalen Eigenheiten und Identitäten (vgl. dazu den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz).
Literaturhinweis

Mai 2007, 190-199

6.3 Europäische Sozialgeschichte    

Im Folgenden wird auf die sozialgeschichtliche Entwicklung Europas im Zeitraum von 1945 bis heute eingegangen. Von Interesse für den Autor sind die Bereiche Bildung, Arbeit, Migration, Soziale Bewegungen/Zivilgesellschaft und Wertewandel/Säkularisierung (vgl. KAELBLE 2007).

Bildung    

Als großer Bereich neben der Städteplanung und sozialen Absicherung war Bildung an Schulen und Hochschulen in Europa ein großer Bereich staatlicher Intervention in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (vgl. KAELBLE 2007, 385).

Für die Politische Bildung ist Bildung in Form der Aus-, Fort- und Weiterbildung von besonderem Interesse''' im europäischen Kontext.

Soziale Prozesse, kulturelle Einstellungen und wirtschaftliche Entwicklungen spielen für die Umsetzung insbesondere der Ausbildung in Europa eine wesentliche Rolle. Solche Veränderungen von Bildung wirken erst nach Jahrzehnten, man denke nur an die Bildungsbemühungen bei benachteiligten Gruppen und bei Basisqualifikationen.

Aus diesem Verständnis heraus sind die Impulse der Europäischen Union und der OECD zu würdigen. Hier kann die zukünftige Entwicklung Europas abgelesen werden (vgl. MÜLLER-GANGL 2003, 23-62; OECD 1994 für Westeuropa).

Die Ausweitung des Bildungsangebots vollzog sich im genannten Zeitraum ungemein rasch und fand auf allen Ebenen statt (vgl. KAELBLE 2007, 386-394). Zu nennen sind insbesondere die

  • Alphabetisierung mit der Beseitigung des Analphabetismus in Süd- und Südosteuropa, besonders unter der älteren Generation und in ärmeren Regionen. Zum Rückgang trugen der Druck der Öffentlichkeit etwa auch der UNESCO, der Einfluss der nationalen Intellektuellen, der Regierungen und der Wirtschaft (vermehrter Maschinen- und Automationseinsatz) bei. Nicht zuletzt kam es zum Phänomen der Einwanderung von Analphabeten in Europa, wodurch unter den Kindern die Analphabetenrate zurückging.
  • Kindergärten werden gerne bei Bildungsbemühungen übersehen. Nunmehr werden sie zunehmend ein fester Bestandteil. Frankreich gilt in Europa als Pionierland (vgl. in den siebziger Jahren den Anteil mit 80 Prozent, in Westdeutschland mit 50 Prozent). Mit Ende des 20. Jahrhunderts setzen sich die Bildungsbemühungen in den meisten europäischen Ländern in Form der Kindergärten oder Vorschulen durch. Die Türkei gilt als besondere Ausnahme mit dem Besuch einer winzigen Minderheit (vgl. UNESCO 1995, 356-357). Gründe für den Kindergartenbesuch sind die Veränderung von Erziehungsvorstellungen, die Erwerbstätigkeit von Müttern, die Begegnung mit Gleichaltrigen und der Außenwelt sowie die Professionalisierung der Kindergartenpädagogik. Alternativen zu den Kindergärten fehlen zunehmend (etwa das Netzwerk Erziehender neben den Eltern).
  • Sekundarschulen erhalten vermehrt Bedeutung, allerdings sind sie in Europa unterschiedlich. Die Reifeprüfung blieb ein Vorrecht einer Minderheit bis in die fünfziger Jahre. In den sechziger Jahren wurde die Sekundarschule zur Normalschule. Um 2000 besuchte die Mehrheit Lernender diese Schulform. Anders als im übrigen Europa zeigen sich die Zahlen in der Türkei, wo erst in den achtziger Jahren eine Mehrheit der Buben und in den neunziger Jahren eine Minderheit der Mädchen die Sekundarschule besuchten (vgl. UNESCO 1995, 3-67). Von Interesse ist der unterschiedliche Besuch von Mädchen in den siebziger Jahren, der höher liegt als bei Buben in Bulgarien, Ungarn, Finnland, Schweden, Großbritannien, Frankreich und Portugal. Mit der Reifeprüfung veränderten sich die Biographien und zukünftige Bildungsansprüche. Gründe für die Zunahme von Lernenden in Sekundarschulen sind der Wunsch nach Bildung, die Nachfrage nach Qualifikationen durch den Arbeitsmarkt und eine Änderung der Bildungspolitik. Durch den Konjunkturaufschwung in den fünfziger und sechziger Jahren stiegen die Realeinkommen wie nie zuvor, der Besuch dieser Schulform wurden nicht als wesentliche finanzielle Belastung gesehen. Sinkende Geburtsraten verstärkten die Nachfrage, eine bessere Schulausbildung der Mädchen ergab sich konsequenterweise. Die vermehrte Bedeutung von Angestelltenberufen der Industrie, die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors und des Öffentlichen Dienstes sowie die Bedeutung von Landwirtschaft verlangten nach Qualifikationen. Ein Volksschulabschluss wurde zunehmend als zu gering angesehen (vgl. die Bedeutung der Aufbau-Volksschule in Österreich mit Fächern aus der Sekundarstufe I und damit der Möglichkeit des Besuchs der Sekundarstufe II in den siebziger Jahren).
  • Hochschulen ermöglichten durch die Bildungsexpansion ab den sechziger Jahren eine Zunahme der Studentenzahlen. Damit erhielt ein "Studium" ein anderes Gewicht und wurde ein wichtiger Teil eines Lebensabschnittes (vgl. den Anstieg der Studierenden im europäischen Durchschnitt in den fünfziger Jahren von 4 Prozent auf 14 Prozent in den siebziger Jahren, auf 30 Prozent in den neunziger Jahren und über 45 Prozent 1995; vgl. KAELBLE 2007, 391-392). Gründe waren der Wirtschaftsboom der sechziger Jahre, die Nachfrage nach Qualifikationen, eine vermehrte staatliche Verwaltung, das Ansteigen des Bildungssektors, der "Sputnik-Schock" und die Debatten um Chancengleichheit. Wenig diskutiert in der Öffentlichkeit veränderten sich europäische Bildungsqualifikationen von einer um 1950 noch vorhandenen Volksschulgesellschaft zu einer Gesellschaft von Universitäts- und Fachhochschulabsolventinnen und Absolventen, "[...]die in den jungen Jahrgängen mindestens ebenso häufig waren wie ein halbes Jahrhundert zuvor die Industriearbeiter" (KAELBLE 2007, 394). Mit diesem Wandel an Bildungschancen öffnen sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Chancen für Gruppen, die um 1950 auf erhebliche Zugangsbarrieren stießen.
  • Frauen erhielten nunmehr mit der Öffnung des Bildungssystems gleiche Bildungsmöglichkeiten ("Verwirklichung des gleichen Rechts auf Bildung"). Im europäischen Durchschnitt waren 1995 52 Prozent aller Studierenden Frauen (vgl. KAELBLE 2007, 395-396). Trotzdem drangen bzw. drängen Frauen in bestimmten technischen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen nur langsam vor (vgl. zur unveränderten Situation heute KRAIS 2014, 274-275). Nur zögernd wirkt sich die Gleichheit der Zugangschancen zum Studium auf die Zugangschancen zu akademischen Berufen aus. Gründe für die Öffnung sind die öffentliche Debatte um ein Frauenstudium, eine veränderte Lebensplanung der Frauen (Berufstätigkeit/lebenslange Beschäftigung) und akademische Karrieren. Das Frauenbild hat sich entscheidend geändert.
  • Soziale Unterschichten erhielten in den Gruppen der Arbeiter, kleinen Landwirten und unteren Angestellten wesentlich verbesserte Chancen. Am Ende des 20. Jahrhunderts dürften nach groben Schätzungen in Europa ungefähr 10-13 Prozent dieser Gruppierung Studierende sein. Gründe sind die bessere wirtschaftliche Situation dieses Milieus, das Sinken der Milieubindung und die Änderung von Berufswahlvorstellungen, das bessere Angebot der Schulwahl in räumlicher Nähe und die öffentliche Debatte über das Studium und die Bildungspolitik (vgl. die immer noch spezifischen Bildungsbenachteiligungen von Arbeiterkindern und das neue Phänomen der Bildungsarmut - KRAIS 2014, 273).
  • Zuwandernde hatten am Ende des 20. Jahrhunderts schlechtere Bildungschancen als der Durchschnitt der Lernenden der einheimischen Bevölkerung. Bruchstückhaft lässt sich ein Abbau von Ungleichheiten hier erkennen. Die Analphabetenrate ist in der zweiten Generation gesunken, der Sekundarschulbesuch nahm zu und die Veränderung des Migrationsmilieus dürfte neben der Änderung der Schul- und Hochschulpolitik wesentlich gewesen sein (vgl. KAELBLE 2007, 398-399; KRAIS 2014, 273). Von Interesse ist etwa die Unterschiedlichkeit in europäischen Ländern. In Frankreich zeigt sich etwa, dass türkische Zuwanderer ihre Bildungschancen und ihren Hochschulzugang doppelt so hoch waren als in den deutschsprachigen Ländern, weil die Ausbildung im früherem Alter einsetzt, die Schulwahl (Übertritte) später getroffen wird und die individuelle Unterstützung besser war (allerdings die Abbrecherquoten höher). Deutschsprachige Schulsysteme boten dagegen eine bessere Berufsausbildung einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt und weniger Arbeitslosigkeit (vgl. CRUL-VERMEULEN 2003, 965-968). Die Bildungspolitik in Europa veränderte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark (vgl. KAELBLE 2007, 400-402).
  • Bildungsreformen in Großbritannien (UK) mit dem ""Education Act" (1944) und in Schweden mit der Einführung der "comprehensive School" (1950) und in der Folge in ganz Skandinavien waren kennzeichnend. Im östlichen Europa wurde die Schule zumeist verstaatlicht und grundlegend umgebaut. Marxismus-Leninismus und Russisch als Fremdsprache waren verpflichtend.
  • Eine zweite Epoche in den sechziger und siebziger Jahren wurde durch das Bildungswachstum und Chancengleichheit bestimmt. Kennzeichnend waren in einer Zeit des Wirtschaftsbooms die Verlängerung der Schulzeit, der Ausbau der Sekundarschulen und Hochschulen, die Errichtung von Ganztagsschulen in weiten Teilen Europas und vermehrte Lehrer- und Hochschullehrerstellen. Erziehungswissenschaft und Bildungssoziologie wurden als Studienfach wesentlich. Gefordert waren die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen, die Reifeprüfung zugänglicher gestalten, Stipendienprogramme und eine flächendeckende Versorgung von Schulen. Konflikte entstanden um eine Modernisierung von Bildungssystemen und Partizipationsmöglichkeiten in Hochschulen.
  • In den siebziger und achtziger Jahren geriet die Bildungspolitik durch das Absinken des Wirtschaftswachstum in eine Krise. Gefordert waren nun Effizienz- und Finanzkontrolle.
  • In den neunziger Jahren kam es zu drei neuen Entwicklungen.
    • Die Wirtschaftsentwicklung wurde stärker beachtet. Die Qualität der Ausbildung und kostengünstige Organisation nach Modellen von Unternehmen waren nunmehr Themen(vgl. die beginnenden Bemühungen um "Schulentwicklung"). Chancengleichheit wurde kaum diskutiert.
    • Im östlichen Europa kam es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu einem aufgestauten Bildungsbedarf.
Europäische Debatten wiesen auf Ähnlichkeiten trotz Unterschiedlichkeiten und Besonderheiten in nationalen Staaten. Internationale Netzwerke erhielten Bedeutung. Die OECD, UNESCO und in der Folge die EU führten internationale Debatten.

Themen waren im Zeichen des Rückstandes des Westens ("Sputnik-Schock")

  • die Einführung von Naturwissenschaften im Unterricht (Paradigmenwechsel von Geistes- zu Naturwissenschaften),
  • eine stärkere Bildungsplanung,
  • die Ungleichheit der Bildungschancen und Bildungsbenachteiligungen (Unterschichten, Frauen),
  • die Qualität von Bildung, Unterricht und der Lehrenden,
  • die Integration von Zuwandernden, Behinderten und sozial Benachteiligten und
  • lebensbegleitendes Lernen, in der Folge mit der Finanzierung der Aus- und Fortbildung
Vermehrt bekam die Europäische Union mit ihren Bildungsprogrammen Bedeutung.

  • Auslandsstudien in Form von Erasmus/Sokrates-Programmen wurden verstärkt beworben.
  • Europäische Forschungsprogramme zur Forschungsförderung mit Kontakten zu Forschungseinrichtungen wurden eingerichtet.
  • Wechselseitige Anerkennung von Studien und eine Vereinheitlichung der Studienabschlüsse (BA und MA/"Bologna"-Prozess) wurden angestrebt.
  • Gefördert und erleichtert wurden Mobilitätsmaßnahmen von Auslandsaufenthalten Lernender und Lehrender. Damit kam es zu einer Wertschätzung der Auslandsaus- und Fortbildung bzw. ausländischer Studien bzw. Abschlüssen.
Ohne Zweifel war/ist Europa kein homogener Bildungsmarkt. Man geht davon aus, dass europäische Verschiedenheit (oft) mehr Innovationen zulässt als ein vereinheitlichtes Europa (vgl. KAELBLE 2007, 409).

Europäische Besonderheiten sind im Vergleich zu außereuropäischen Gesellschaften (beispielhaft USA und Japan)

  • die staatliche Organisation. Folgerungen ergeben sich jeweils aus der national-staatlichen Haushaltspolitik.
  • die europäischen Massenuniversitäten mit ihrer unpersönlichen Ausbildung, nachlassenden Qualität und zumeist Unterfinanzierung.
  • die widersprüchliche Europäisierung von Bildung. Einerseits europäisierten sich zunehmend die Studierenden und ausländische europäische Studierende nahmen stark zu und andererseits fehlte ein europäischer Arbeitsmarkt für Lehrende.
  • die Rolle Europas als kulturelle globale Drehscheibe am Ende des 20. Jahrhunderts. Europa war auch der größte Zeitungs- und Buchexporteur der Welt, das wichtigste Zentrum von Übersetzungen in andere Sprachen und der größte Tourismusmarkt sowie Magnet des globalen Kulturtourismus.
Literaturhinweise

Crul M.-Vermeulen H. (2003): The second Generation in Europe, in: International Migration review 37/2003, 965-968

Kaelble H. (2002): Zu einer europäischen Sozialgeschichte der Bildung, in: Caruso M.-Tenorth H.-E. (Hrsg.): Internationalisierung - Internationalisation. Semantik und Bildungssystem in vergleichender Perspektive, Frankfurt/M., 249-268

Kaelble H. (2007): Sozialgeschichte Europas. 1945 bis zur Gegenwart, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 618, Bonn

Krais B. (2014): Bildungssoziologie, in: Die DDS, Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Bildungspolitik und pädagogische Praxis, Heft 3/2014, 264-290

Müller W.-Gangl M. (Hrsg.) (2003): Transitions from Education to Work in Europe: the Integration of Youth into EU Labour Markets, Oxford

OECD (1994): Education 1960-1990. The OECD Perspective, Paris

UNESCO: Statistisches Jahrbuch 1995

Arbeit    

Arbeit gehört nicht zu den bevorzugten Themen der Sozialgeschichte (vgl. KAELBLE 2007, 57). Dies verwundert, hat sich doch Arbeit in Europa seit 1945 grundlegend verändert. Gewandelt haben sich Inhalte, Hierarchien, Professionalisierung, Prestige, Entlohnung, Arbeitsbedingungen, Technologie und die Wege zur Arbeit. Berufspädagogik hat eine grundlegende Bedeutung erhalten.

Schulisch sind Vorberufliche Bildung/Berufsorientierung?, Wirtschaftserziehung, Erkundungen, Praktika und als Schulform das berufsbildende Schulwesen von Interesse.

Für die Politische Bildung ist "Ökonomisches Lernen" von Bedeutung (vgl. SANDER 2014, 312-320). "Vorberufliche Bildung" weist auf Dimensionen einer Politischen Bildung hin(vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich).

Im Folgenden soll auf den Wandel der Arbeit näher eingegangen werden, wobei von Interesse die fünfziger und sechziger Jahre, der Wandel der Arbeitsplätze und Lebensläufe, Frauenarbeit und Trennlinien zwischen Arbeit und Nichtarbeit sind. Europäische Besonderheiten beschließen diesen Abschnitt.

Arbeit um 1950 war überwiegend in Europa agrarisch geprägt. Das "Internationale Arbeitsamt" (ILO)/Genf schätzt von den damalig 181 Millionen erwerbstätigen Europäern66 Millionen in der Landwirtschaft, 61 Millionen in der Industrie und 54 Millionen im Dienstleistungssektor (ohne Sowjetunion) (vgl. ILO 1986, Bd. 5, 9, 123). B, UK, BRD, A, CH und S waren Industrieländer geworden. Schulbücher mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert vermittelte ein falsches Bild, wenn es um die Geschichte Europas im Ganzen geht (vgl. KAELBLE 2007, 58).

Eine Durchsetzung der Industrialisierung Europas stand damals noch bevor. Harte körperliche Handarbeit, mitunter kombiniert mit Maschineneinsatz, war an vielen Arbeitsplätzen erforderlich (Baugewerbe, Landwirtschaft, Stahlindustrie, Fuhrgewerbe, Haushalt). Folgen waren Krankheiten und eine verkürzte Lebenserwartung. Skulpturen und Gemälde stellen Arbeit teils kritisch und heroisierend dar. Handwerk, Landwirtschaft, Einzelhandel und Fuhrgewerbe waren überwiegend Familienbetriebe. Familienarbeit war eine Lebensperspektive außerhalb der Industrie und der Großunternehmen und der Öffentlichen Verwaltung. Überwiegend war sie Arbeit ohne Lohn, mitunter ohne Berufsausbildung und außerhalb des Arbeitsmarktes. In der Regel gab es keine staatliche Sozialversicherung zur Absicherung. Frauenarbeit war eher die Ausnahmesituation, als Erwerbsarbeit vor oder statt der Ehe. In Kriegs- und der Nachkriegszeit galt sie als Ersatz für die Männerarbeit, die als Arbeit für das gesamte Erwerbsleben galt. Männer verloren den Zugang zu ihrem Beruf bzw. den Arbeitsplatz, Witwen mussten sich in das Berufsleben umorientieren.

Arbeit um 1960 war vom Wirtschaftsaufschwung geprägt. Kennzeichen waren die Produktivität, gute Entlohnung, Industriebeschäftigung, genügend Arbeitsplätz und beginnende Frauenarbeit (vgl. KAELBLE 2007, 60-75).

  • Die Produktivität stieg rasch an, ebenso die Wirtschaftswachstumsraten in Industrie und Landwirtschaft. Gut ausgebildete Arbeitskräfte kennzeichneten die Prosperität. Die Löhne und Gehälter stiegen.
  • Höhepunkt der Industriegesellschaft war von 1950 bis in die siebziger Jahre im gesamten Europa. Man geht von 204 Millionen Erwerbstätigen in Europa aus (ohne Sowjetunion und die Türkei), 83 Millionen in der Industrie und nur 41 Millionen in der Landwirtschaft (vgl. ILO 1986, Bd. 4, 160, 174). Dominierende Industriezweige waren Kohle und Stahl, Maschinenbau, chemische und Elektroindustrie sowie als neuer Industriezweig mit Massenproduktion die Automobilindustrie mit ihrer Zulieferindustrie. Industrielle Ansiedelungen kamen in Süditalien, Spanien, Finnland und Irland. Nach demselben Modell wurde in Osteuropa die Wirtschaft umorganisiert. Selbst nach der "Wende" 1989 wurde dieses Modell zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit eingesetzt. Die Umstellung hatte naturgemäß auch ihre negativen Folgewirkungen. Man fand nicht eine entsprechende Arbeit wie ehemalige Bauern, Handwerker und kleine Einzelhändler. Gefährdet waren Flüchtlinge aus ehemaligen europäischen Kolonien und Kriegsvertriebene.
  • Arbeitsplätze veränderten sich, vor allem in der Industrie. Handarbeit verlor ihre Bedeutung, autonome Gruppen in den Unternehmen entstanden, die Familienarbeit ging zurück, rigide Arbeitsteilungen entstanden, ausgeprägte Hierarchien wurden bestimmend, monotone Fließbandarbeit wurde wichtiger, der Unterschied zwischen un- -und angelernten Arbeitskräften-Facharbeitern-Angestellten-der Leitungsebene wurde spürbar und Gewerkschaften bestimmten mit.
  • Dienstleistungen entstanden zunehmend.
  • Der professionalisierte Beruf ergab in der Regel eine Lebensstellung, womit das Versicherungswesen wesentlich wurde. Ungelernte wurden in saisonale Nebenarbeit gedrängt, Frauenarbeit in vorübergehende Tätigkeiten vor der Heirat.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften stieg, es kam in der Folge zu einer außergewöhnlich niedrigen Arbeitslosigkeit im westlichen Europa. Lediglich in Italien, Jugoslawien und Irland blieb der Sockel der Arbeitslosigkeit hoch.

Frauenarbeit stieg um 3 Prozent im Zeitraum der fünfziger und sechziger Jahre, trotzdem veränderte sich in der Zeit des Wirtschaftswachstums einiges entscheidend.

  • Die Bildungsprozesse von Frauen weiteten sich aus, Frauen traten daher später in das Berufsleben und der Anteil arbeitender Frauen im jungen Alter sank. Der Ausbau des Sozialstaates begann langsam zu greifen (vgl. KAELBLE 2007, 65). Das Ruhestandsalter sank langsam (vgl. ILO 1986, Bd. 4, 28).
  • Die Wirkungen in Europa waren höchst unterschiedlich. Gemeinsam war der Trend in Europa, dass Frauen nunmehr auch während der Ehe arbeiteten. Nunmehr blieb die Mehrheit im Beruf. Erwerbsarbeit wurde zur Normalität.
  • In der Folge kam es zu einem Rückgang in der Familienwirtschaft. Der Wechsel in die Lohnarbeit bedeutete nicht selten einen sozialen Abstieg, weil Qualifikationen fehlten. Allerdings konnte die Familienwirtschaft arbeitslose Arbeitskräfte wiederum auffangen.
  • Unterschiedlichkeiten der Frauenarbeit in Europa hingen vorrangig von familiären Leitbildern ab. Die soziale Absicherung und die Bildungs- und Beschäftigungspolitik spielten eine Rolle. Zu unterscheiden sind
    • der östliche Raum Europas mit Planwirtschaft und Arbeitskräftebedarf,
    • das nördliche Europa (Skandinavien, UK) mit der Abhängigkeit von der Vollbeschäftigung und dem Bildungsstand,
    • die südeuropäischen Länder mit der Beschäftigung in der Regel vor der Heirat und niedrigerem Niveau als in allen europäische ändern, wobei wohlhabende Länder wie die NL, LUX, A und die CH ähnlich niedrigen Anteil hatten, sowie
    • wirtschaftlich starke Länder wie F, die alte BRD und B mit einer Frauenarbeit nach der Heirat und sozialen Absicherung.
    • Gegen Ende des 20. Jahrhunderts nahmen die Unterschiede in Europa ab(vgl. KAELBLE 2007, 75-76).
Trennlinien''' zwischen Arbeit und Nichtarbeit veränderten sich entscheidend. Erwerbsarbeit blieb in Europa weiterhin der zentrale Punkt im Leben. Der Beruf entschied über persönliche Entfaltung, gesellschaftliche Kontakte, den Wohlstand und soziale Sicherung. Es änderte sich nunmehr die Arbeitszeit(vgl. um 1955 fiel die Arbeitszeit von 46 Stunden auf rund 42 Stunden um 1970). In ganz Europa sank die Wochenarbeitszeit erst in den sechziger Jahren. Freizeit wurde zunehmend in vielen Berufen zur Regenerierung d er Arbeitskraft genutzt werden, da die Arbeitsintensität und das Tempo der Arbeit stiegen. Wege zur Arbeit verlängerten sich zudem. Konsumzwänge traten auf, Bildungsansprüche stiegen (vgl. zur Mädchenbildung KRAIS 2014, 274-275). Neben der zunehmenden Fortbildung der Arbeitskräfte wurden die Ausbildungen der Kinder länger. Es bedurfte der Unterstützung der Eltern. Urlaubs- bzw. Ferienreisen nahmen zu.

Als Zukunftsmodell nach 1945 entstand in der Debatte um Arbeit die Dienstleistungsgesellschaft. Dies bedeutete ein Ende der kräfteraubenden Handarbeit und eine Alternative zur monotonen Fließband-Arbeit. Der Dienstleistungssektor wurde als Zuflucht gesehen, als Bereich für Bildung, soziale Hilfe, Freizeitgestaltung und Religion. Man glaubte an die Humanität der Gesellschaft (vgl. FOURASTIE 1954; HÄUSSERMANN-SIEBEL 1995). In der Folge wurde dieses Modell mit dem Aufkommen der Büroarbeit, Digitalisierung und letztlich der Veränderung der Gesellschaft erweitert. Daniel BELL (1990, 28-47)entwickelte globale Fortschrittsmodelle von Arbeit.

Europäische Besonderheiten der Arbeit sind zunächst

  • die die europäische Industriearbeit. Nur in Europa wurde die Industrie für eine bestimmte Zeit - fünfziger bis sechziger Jahre - größter Beschäftigungssektor.
  • Nur in Europa gibt es die Entwicklung nach der Fourastieschen Modellvorstellung von der Agrar-, über die Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Nicht alle europäischen Länder folgten dem Entwicklungsmodell (NL, N, DK, IR, GR, Portugal). Gleichwohl blieb die Industrieintensität erhalten. Erklärbar ist dies durch den Export in außereuropäische Länder, historisch durch die großen Auswanderungswellen und dadurch den Verlust von Dienstleistungsberufen, das späte Heiratsalter mit einer Bildung einer Arbeitskraftreserve und der Bevorzugung europäischer Konsumenten für standardisierte und massenhaft produzierte Güter.
  • Die geringe Berufstätigkeit von Frauen in Europa fällt im Vergleich zu anderen Industrienationen auf, auch etwa zum Schwellenland China(vgl. KAELBLE 2007, 82-83). Erklärbar ist dies durch den langen Ausbildungsweg junger Frauen, den späteren Eintritt in das Berufsleben und die vergleichsweise starke soziale Absicherung. Ohne Zweifel gilt in Europa auch das Modell der reinen Hausfrau und Mutter.
  • Die Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit ging in Europa erheblich weiter. Der Unterschied zu den USA ist deutlich.
  • Letztlich dauerte der Erwerbsteil weniger lang als in anderen Industrieländern.
Literaturhinweise

Bell D. (1990): Die dritte technologische Revolution und ihre möglichen sozialökonomischen Konsequenzen,, in: Merkur 44/1990, 28-47

Fourastie J. (1954): Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts, Köln

Häußermann H.-Siebel W. (1995): Dienstleistungsgesellschaften, Frankfurt/M.

ILO/International Labour Organisation (1986): Economically Active Population. Estimates 1950-1980, Bd. 1-5, Genf

Kaelble H. (2007): Sozialgeschichte Europas. 1945 bis zur Gegenwart, Lizenzausgabe für die Bundesanstalt für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 618, Bonn

Krais B. (2014): Bildungssoziologie, in: DDS, Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Bildungspolitik und pädagogische Praxis, Heft 3/2014, 264-290

Sander W. (Hrsg.) (2014): Handbuch politische Bildung, Schwalbach/Ts.

Migration    

Europa wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch internationale Migration(Zuwanderung) und in der Folge Minderheiten stark verändert (vgl. BADE 2000; BADE-OLTMER 2004). Damit veränderte sich Europa vom Auswanderungs- zum Einwanderungskontinent. Zweitweise wurde mehr zugewandert als in das Einwanderungsland USA. Massiv veränderte sich die Sozialstruktur von Zugewanderten, das Verständnis von Migration und Minoritätenv(Minderheiten) sowie von Einwanderungspolitikv(vgl. KAELBLE 2007, 239; vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Migration in Österreich, Teil 1,2).

  • Es sollte nicht vergessen werden, dass Migration aus nicht industrialisierten Teilen Europas bereits in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts einsetztev(vgl. die Rückwanderung von Italienern nach 1915 von Deutschland in die Heimat, ähnlich die der Polen in den zwanziger Jahren nach Grenzkonflikten entweder nach Polen oder Frankreich; man denke auch an die ausländischen Arbeitskräfte in der Rüstungsindustrie im NS-Regime, die fast alle nach 1945[11 Millionen] zurückkehrten).
  • Die Behauptung fast aller europäischen Länder, keine Einwanderungsländer zu sein, stimmte beim UK, F, B und der CH nicht, in denen der Anteil von Ausländern ein Normalfall der europäischen Entwicklung war. Das Recht von EU-Bürgern auf Arbeit und Niederlassung in jedem EU-Land beendete eine Politik gegen Einwanderung. Verboten war das politische Bürgerrecht mit dem vollen Wahlrecht, damit eine volle Einwanderung.
Im Folgenden wird auf die Nachkriegszeit, Arbeitsmigration, die Herkunft und Sozialstruktur und die Zuwanderungspolitik eingegangen. Besonderheiten Europas beenden den Beitrag.

Im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit waren Europäer mit Zwang, Unmenschlichkeit und Leiden auf Flucht und Vertreibung. Diese Zwangsmigration hatte vier Formen.

  • "Displaced persons" (zwangsweise rekrutierte Arbeitskräfte) kehrten in ihre Heimatländer zurück bzw. wanderten weiter. Deutschland hatte rund 11 Millionen ausländische Zwangsarbeiter aus Polen, der Sowjetunion, Frankreich, Belgien und den Niederlanden (vgl. BADE 2000, 299). Diese beeinflussten die Politik nach dem Zweiten Weltkrieg.
  • Millionen Kriegsgefangene, KZ-Insassen, Deportierte, Zwangsumgesiedelte, Evakuierte und Flüchtlinge wanderten zu ihren Familien zurück (rund 5 Millionen allein in Deutschland; vgl. KAELBLE 2007, 242), in ihre Heimat oder wanderten in Übersee aus. Jüdische Überlebende blieben vorerst in Camps in Deutschland und wanderten zumeist in die USA aus.
  • Neue Grenzziehungen am Ende des Zweiten Weltkrieges verursachten Flucht, dazu zählten Volksdeutsche, polnische Umsiedler, ungarische Flüchtlinge aus den Grenzgebieten Ungarns, italienische Flüchtlinge aus Jugoslawien, finnische Flüchtlinge aus dem zur Sowjetunion gehörigen Südosten Finnlands und Flüchtlinge aus Osteuropa, die vor dem Kommunismus flüchteten. Soziale Barrieren entstanden, eine Integration erschien kaum lösbar.
  • Eine kleine Zahl betraf die Remigration von Exilanten und die Abwanderung von Technikern und Naturwissenschaftlern in Länder der Alliierten. Nut wenige Künstler, Wissenschaftler und Politiker kehren aus Teilen Europas, den USA, der Türkei und China zurück. Ausnahmen waren etwa Bruno Kreisky, Willy Brandt, Bert Brecht und Ernst Fraenkel.
Die normale Arbeitsmigration betraf die wohlhabenden Teile Europas. Allein Frankreich arbeiteten fast 1 800 000 Ausländer um 1950, in Belgien fast 400 000, in der Schweiz 300 000 und in Luxemburg fast 30 000 Ausländer (vgl. KAELBLE 2007, 243 bzw. 246). Dazu gehörte eine erneute Auswanderungswelle in die aufstrebenden USA, Kanada, Brasilien und Argentinien. Gründe waren eine ungewisse Zukunft, Soldatenheiraten, Flucht von Kriegsverbrechern und anderen Belasteten. Ähnliche Entwicklungen gab es im UK, S und I.

In der Folge in den fünfziger und sechziger Jahren fand eine wirtschaftliche Integration statt. Die Gesellschaft wurde verändert. Kennzeichen war der Wiederaufbau, Initiativen in Wissenschaft und Politik (vgl. den Europagedanken) und eine neue Mischung der Konfessionen auf lokaler Ebene. In das industrialisierte Europa folgte eine massive Arbeitsmigrationswelle, allein um 1970 in Westeuropa rund 10 Millionen Ausländer. Hoch war der Anteil in der Schweiz, aber auch in Belgien, Frankreich und Schweden. Zuwandernde im UK, F und der BRD als Bewohner früherer Kolonien und Abstammender aus Osteuropa konnten sich leicht einbürgern lassen. Von dieser Entwicklung waren Südeuropa und Finnland nicht betroffen. Unter den sogenannten "Gastarbeitern" waren um 1970 hauptsächlich Immigranten aus Europa aus den Mittelmeerstaaten (I, JU, GR und SP). Nur ein Fünftel kam es dem muslimischen Teil des Mittelmeers (Türkei, Algerien, Marokko und Tunesien) (vgl. KAELBLE 2007, 248). Die Zuwanderung war relativ kostengünstig (billige Sammelquartiere, keine Familien und kein Schulunterricht, Ausländer waren überwiegend Einzahlen und weniger Nutzer von Sozialversicherungen).

Kennzeichnend war für einen Teil Westeuropas eine geteilte Politik

  • der mobilen Arbeitskräfte als Ausländer und
  • die offene Einwanderungspolitik gegenüber Millionen für spezielle Gruppen wie Zuwanderer aus der DDR, französische Zuwanderer aus Algerien, im UK für Zuwanderer aus dem sich verändernden Commonwealth, in Belgien und den Niederlanden für Zuwanderer aus dem Kongo bzw. Indonesien.
  • Dieser Widerspruch in der Politik fiel kaum jemandem auf (vgl. KAELBLE 2007, 250).
In der Folge kam es zu einem massiven Wandel in der europäischen Migrationsgeschichte.

  • Trotz Anwerbungsstop 1973/1974 nahm die Zahl von Zuwandernden zu. Stark war dies in der BRD, den NL und in A zu verzeichnen, gering im UK, der CH und S. Familienangehörige ließen die Zahl steigen. In der Folge wurden nun soziale Leistungen beansprucht, Kinder nutzten die Schulen, der Alltag ähnelte den Einheimischen. Ausländische Arbeitskräfte waren nun in der Industrie und in den Dienstleistungssekten beschäftigt. Ein ausländisches Bürgertum mit Einzelhändlern, Handwerkern und Geschäftsbesitzern sowie gut ausgebildeten Unternehmern, Ärzten, Ingenieuren und Kunstschaffenden bildete sich.
  • Unabhängig davon bildete sich eine Gesellschaft ("communities") von Türken in der BRD und A, Indern im UK und Algeriern in F, die sich auf diese Weise in ihrer sozialen Schichtung langsam weniger unterschieden.
  • Verschlossen blieben wegen der ausländischen Staatsbürgerschaft Berufe in der öffentlichen Verwaltung, Justiz, beim Militär, in Universitäten und Schulen.
  • Zunehmend entwickelten Zuwandernde Perspektiven einer langen oder endgültigen Zuwanderung in Europa. Damit entstanden Bereiche wie interkulturelle Kompetenz und neue Dimensionen einer Politischen Bildung (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: "Interkulturelle Kompetenz", "Verhinderung von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit" sowie "Vorberufliche Bildung in Österreich").
  • Die Herkunftsgebiete veränderten sich ebenfalls. Außereuropäische Zuwandernde bekamen ein starkes Gewicht. Gründe waren der zunehmende Arbeitskräftebedarf, d er Bevölkerungsdruck aus Afrika und dem Nahen Osten, die Wirtschaftskluft zwischen Afrika und Europa, Verbilligungen vor allem beim Fliegen und Flucht vor Diktaturen und Genoziden. Damit entstanden eine Vielfalt von Religionen und kulturelle Vielfalt (vgl. SALZBRUNN 2014).
  • Unbemerkt blieb die neue Form von Migration, die wohlhabende Länder Europas betraf - Manager, Forscher, Studierende und Praktikanten sowie vermehrt Teilnehmende an EU-Bildungsprogrammen (Bildungsmigration).
  • Eine Europäisierung der Zuwanderungspolitik innerhalb der EU begann mit Koordinierungsbemühungen. Der Arbeitsmarkt der EU wurde für EU-Bürger liberalisiert. Wechselseitige Anerkennungen von Bildungsabschlüssen wurden forciert. Das Schengen-Abkommen und die Verträge von Maastricht und Amsterdam wurden wesentlich (vgl. BAADE 2000).
  • Zunehmend wurde Migration als Thema politisiert.
    • Vorschläge für eine Integration Zuwandernder in Europa wurden gemacht. Die Wirtschaft konnte nicht mehr auf ausländische Erwerbstätige verzichten. Sprachliche, gesellschaftliche und politische Anpassung wurden gefordert.
    • Eine Akzeptanz der Grundwerte der jeweiligen europäischen Gesellschaft, bei der die Sprache und Kultur der Zuwandernden erhalten werden soll.
    • Die Vorschläge waren entsprechend vielfältig und reichten von der Verbesserung der materiellen Lage und Ausbildung, einem zweisprachigen Schulunterricht bis zum kommunalen Wahlrecht und dem Angebot der raschen Einbürgerung. Konfliktthemen waren das Tragen des Kopftuches, das Kruzifix-Urteil und die Zuwanderungspolitik. Ausländerhass wurde ein Wahlkampfthema, neue Parteien entstanden (UK: National Front, F: Front National).
    • Mit der Öffnung der Grenzen in Osteuropa und in China stieg der Zuzug von illegalen Erwerbstätigen.
  • Neuentwicklungen ergaben sich mit der Zunahme politischer Flüchtlinge und Asylbewerber sowie der Wirtschaftsmigration.
  • Ebenso ergab sich eine Auswanderung von Hochqualifizierten aus Osteuropa nach Westen, mitunter ein herber Verlust für osteuropäische Staaten.
  • Auch die außereuropäische Zuwanderung in die südlichen europäischen Staaten, Irland und Finnland war eine Neuentwicklung. Bemerkenswert war die riskante von Menschenhändlern ausgenutzte Zuwanderung über das Meer.
  • Internationale Familienbeziehungen ergaben eine transnationale Zuwanderung. Gründe waren die Bindung an internationale Städte, Kenntnis zweier Sprachen und Besitz von zwei Staatsbürgerschaften. Damit ergaben sich internationale Milieus (Wirtschaft-Wissenschaft-Kultur).
Besonderheiten Europas waren in dieser höchst unterschiedlichen Entwicklung

  • der dramatische Umbruch von Auswanderung in einem Kontinent zu einer Zuwanderung wie in klassischen Einwanderungsländern. Dieser Umbruch war einzigartig und veränderte das europäische Selbstverständnis. Damit ergab sich eine grundlegende Änderung der Einstellung Europas zum Anderen (vgl. KAELBLE 2007, 262).
  • Zu beachten sind in Europa das Vorhandensein von territorialen Minderheiten in bestimmten Regionen und Zuwanderungsminderheiten zumeist in Städten wie etwa Muslime am Balkan (Albanien-Bosnien-Mazedonien-Bulgarien), im Baskenland, Schottland, Korsika, Friesland und Sorbengebiet sowie russischen Minderheiten der ehemaligen europäischen Sowjetrepubliken. Europäische Minderheitenkonflikte sind zumeist (auch) Nationalitätenkonflikte, die mit der nationalstaatlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert aufkamen (vgl. in Nordamerika die Konfliktzonen nur in Form der Indianerreservate).
  • Sieht man sich die Einwanderung in Europa an, so ist eine Zuwanderung von Muslime zu verzeichnen. In den USA als klassisches Einwanderungsland kam es zu einer Verstärkung der Vielfalt christlicher Kirchen.
  • Schließlich öffneten sich die Grenzen innerhalb der EU. Der Binnenmarkt und Gemeinsamkeiten in der EU beseitigten Schranken der Wanderung innerhalb der EU, allerdings weigert sich Europa als jeweiliges Einwanderungsland außerhalb der EU zu verstehen. Aus dieser Sichtweise ergibt ich eine Politik der begrenzten Einbürgerung.
Literaturhinweise

Bade K.J. (2000): Europa in Bewegung. Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München

Bade K.J.-Oltmer J. (2004): Normalfall Migration, Bonn

Kaelble H. (2007): Sozialgeschichte Europas. 1945 bis zur Gegenwart, Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 618, Bonn

Kleinschmidt H. (2002): Menschen in Bewegung. Inhalte und Ziele der historischen Migrationsforschung, Göttingen

Salzbrunn M. (2014): Vielfalt/Diversität, Bielefeld

Soziale Bewegungen/Zivilgesellschaft    

Als wesentlicher gesellschaftlicher Akteur nehmen soziale Bewegungen und die Zivilgesellschaft auf den Staat - mit Regierung und öffentlicher Verwaltung - Einfluss. Sie sind europäisiert und internationalisiert (vgl. KAELBLE 2007, 299-301).

Für soziale Bewegungen ist kennzeichnend, dass sie in der Regel keine festen und dauerhaften Organisationen sind, vielmehr Netzwerke von vielfältigen Gruppen. Parteien, Gewerkschaften und Kirchen sind durchaus Teilnehmende, aber selbst gut organisiert. Soziale Bewegungen haben als Zielvorstellung gesellschaftliche Reformen, sind auf die Abwehr einer bestimmten Politik orientiert und besitzen eine gemeinsame Identität. Persönliches Engagement, vorübergehende Mitgliedschaft und bestimmte Rituale und Symbole zeichnen sie aus (Versammlungen, Komitees, Demonstrationen). Gehandelt wird lokal, national und mitunter transnational. Durch ihre politischen Ziele halten sie zumeist länger.

Neben Politik und Wirtschaft in ihrer Bedeutung meint man als dritten Faktor mit Zivilgesellschaft einen Bereich, der nicht auf das Ethos der Macht oder eines wirtschaftlichen Gewinnes ausgerichtet ist, vielmehr zumeist auf Hilfe für den Anderen, Solidarität, Vertrauen, Gewaltlosigkeit und Allgemeininteresse (Gesamtwohl). Autonomie ist ein wesentliches Kennzeichen. Eine Vielfalt von Organisationen, Bewegungen und Projekten mit Öffentlichkeitsarbeit zeichnet eine Zivilgesellschaft aus. Sie sichert eine Demokratie, kann aber auch in Diktaturen mit Intoleranz, Gewalt und Bürgerkrieg eingesetzt werden. Kontrovers ist, ob sie ein Sektor oder eine Handlungsmaxime darstellt. Im europäischen Kontext besteht Zivilgesellschaft in allen wichtigen Sprachen und mit Modifikationen auf der europäischen transnationalen Ebene (vgl. THERBORN 2000; KAELBLE 2003, 267-284; KNODT-FINKE 2005, 31-54).

Im Folgenden wird auf die Nachkriegszeit, die fünfziger und sechziger Jahre, die siebziger und achtziger Jahre mit der Studenten- und Regionalbewegungen sowie Frauen-, Umwelt- und Friedensbewegungen mit Dissidentenbewegungen eingegangen. Von Interesse ist die transnationale europäische Zivilgesellschaft und die neunziger Jahre. Europäische Besonderheiten beschließen den Beitrag.

Für beide Bereiche war die Nachkriegszeit ambivalent.

  • Einerseits waren Zivilgesellschaft und soziale Bewegungen bedroht (Isolierung des Einzelnen, Zuflucht in Familien). Man beschränkte sich auf Wohnungs- und Nahrungssuche, Illegalität am Schwarzmarkt, Durchstehen von Krankheiten und ein möglichst positives Lebensgefühl. Solidarisches Handeln fand kaum statt. Eine Nachkriegsapathie lähmte.
  • Anderseits begann in der Nachkriegszeit ein Zulauf zu Gewerkschaften (moralisches Prestige nach Diktatur und in/nach Besatzungszeit, besserer Lebensstandard, politische Teilhabe), der transnationalen Europabewegung (Distanz zu Diktaturen-Verlust an Bedeutung durch Gründung der EWG) und Kirchen (Zunahme von Mitgliedern, Erwartung von Hilfe in Notsituationen).
Die fünfziger und sechziger Jahre waren eine Glanzzeit der Gewerkschaften. Ihr Einfluss und die Mitgliederbasis in Europa erreichte den Höhepunkt, so in Skandinavien, im UK, der BRD, in den NL und B. In F und I war es genau umgekehrt. Die Gewerkschaften waren dort zersplittert und in politische Richtungsgewerkschaften organisiert. Rege Pressearbeit, Demonstrationen am 1. Mai und Streiks mit positiven Tarifabschlüssen kennzeichneten ihre Arbeit. Andere Konfliktbereiche wurden ausgespart. In der BRD bauten Gewerkschaften sogar Wohnbaugesellschaften und Konsumgenossenschaften auf.

1973 wurde auf europäischer Ebene der "Europäische Gewerkschaftsbund" (EGB) mit einem Koordinationsbüro aufgebaut. Gründe für die Glanzzeit der Gewerkschaften waren der politische Einfluss auf Regierungen, etwa im UK, Skandinavien und F und ihre Anerkennung als Sozialpartner im Verbund mit der Wirtschaft (betriebliche Mitbestimmung, Tarifabschlüsse). Die Gewerkschaften besaßen eine feste Basis in der Industriearbeiterschaft. Attraktiv war ihre Distanz zu den Rechtsdiktaturen und den Besatzungsregimen nach dem Zweiten Weltkrieg sowie einer Kapitalismusskepsis und den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise.

Hindernisse für die Entwicklung einer europäischen Zivilgesellschaft waren die Erfahrungen von zwei Weltkriegen, die Spaltung Europas durch den "Kalten Krieg" und die Gegensätze zwischen den katholischen, protestantischen und laizistischen Milieus mit ihrem eigenen zivilgesellschaftlichen Engagement (vgl. KAELBLE 2007, 304).

Trotzdem entstanden schwache Beispiele europäischer Zivilgesellschaften in unterschiedlicher Richtung. Einmal verbreiterte sich die damalige Form von Zivilgesellschaft, etwa bei Amnesty International, europäischen Sportverbänden (beispielhaft die UEFA), Rotary und Lions Clubs und dem Internationalen Roten Kreuz. Adressaten waren vorwiegend die nationalen Regierungen. Anderseits entstanden in einer beginnenden europäischen Integration die Montanunion und EWG, der europäische Landwirte- und Industrieverband als Dachverbände (allerdings begrenzt auf die EWG).

Von Interesse sind neue soziale Bewegungen von den später sechziger Jahren bis zu den achtziger Jahren. Neben den Gewerkschaften traten die Studentenbewegung und Regionalbewegungen, in der Folge Umwelt-, Frauen-, Friedens- und Dissidentenbewegungen (in Osteuropa) in Erscheinung. Protestmethoden waren u.a. provozierende Events zur Aufmerksamkeit im Fernsehen.

Ursachen dafür waren

  • die Veränderung von Werten und Normen, Liberalisierungstendenzen von sozialen Beziehungen, wachsende Soziabilität, veränderte Erziehungsziele, veränderte Einstellung zu Gewalt und Toleranz zu Minderheiten.
  • Zusätzlich kamen die massive Modernisierung Europas mit einer Urbanisierung, Bildungsexpansion und Massenkonsumgesellschaft sowie
  • der Veränderung internationaler Beziehungen wie dem Ende des Kolonialismus, veränderter Ost-West-Beziehungen und einer langen Friedenszeit in Europa.
Die Studentenbewegung war eine internationale Bewegung, über nationale Grenzen verflochten und entwickelte sich besonders stark in Frankreich, Italien und in der alten BRD aus. Ebenso war sie in der damaligen Diktatur in Griechenland und im Ostblock in Polen, der CSSR und in Jugoslawien aktiv (vgl. die weltweite Verbreitung in den USA, Lateinamerika, in der Türkei, Afrika, Indien, Pakistan und Japan; vgl. KAELBLE 2007, 307).

Höhepunkte in Europa waren 1968 in Frankreich der "Pariser Mai" und in West-Berlin die riesigen Demonstrationen. Anlass waren der Vietnam-Krieg (USA), die post-stalinistischen Repressionen und der "Prager Frühling". Gefordert wurden Liberalisierungsformen in Politik und Erziehung, freiere Soziabilität und ein freierer Umgang zwischen den Geschlechtern. In der BRD war ein Ziel die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Kontrovers wird die Bewertung und ihre Wirkung gesehen.

  • Erfolgreich werden der Werte- und Erziehungswandel sowie Reform im Hochschulwesen und die Auflösung von politischen Tabus wie das Schweigen zur NS-Zeit gesehen. Als Erfolge werden auch die Machtwechsel in der BRD (1969) und F (1981), die Distanzierung der KPI von der Sowjetunion und der Aufstieg von Akteuren der Studentenbewegung in Regierungen bzw. Parlamente Europas vermerkt (etwa Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Lionel Jospin, Guy Verhofstadt).
  • Als Misserfolg wird die innere Spaltung und die Anwendung von Gewalt angeführt (vgl. GILCHER-HOLTEY 2001).
  • Zu vermerken sind der Paradigmenwechsel der Erziehungswissenschaft zu einer sozialwissenschaftlichen Studienrichtung bzw. in der Folge zu Bildungswissenschaften und die Etablierung der Politikwissenschaft.
Regionalbewegungen waren in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre zu vermerken. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten sie einen Rückgang. In der Folge entstanden im westlichen Europa und nach dem Zusammenbruch der Franco-Diktatur sowie in Südtirol europäische Regionalbewegungen (Elsass, Bretagne, Korsika; Wales, Schottland; flämischer und wallonischer Teil Belgiens; Katalonien, Baskenland, Galizien; Südtirol). Vielschichtige Regionalismen entstanden im (süd-)östlichen Europa wie in Jugoslawien und der Sowjetunion, polnischen und ukrainischen Galizien, tschechischen Mähren, polnischen und tschechischen Schlesien, rumänischen Siebenbürgen. In den übrigen europäischen Ländern waren Regionalbewegungen seltener, weil föderalistische Verfassungen(mit Minderheiten- bzw. Volksgruppenrechten) vorhanden waren. Mit der europäischen Integration gründete man 1975 eine "Ständige Konferenz der Gemeinden und Regionen".

In den siebziger Jahren entstanden Umweltbewegungen und bedeuteten einen Einschnitt (vgl. KAELBLE 2007, 310-312). In der Öffentlichkeit erzeugten der "Bericht des Clubs of Rome" (1972) und der "Blueprint for survival" (1972) Aufmerksamkeit. Getragen wurde die Umweltbewegung - insbesondere in der alten BRD, im UK, in Skandinavien, und I - von allen Altersgruppen und vielen ideologischen Richtungen. Massenmobilisierung, Events, Kleingruppenarbeit mit zielgerichteten Konflikten mit der Staatsgewalt wurden ebenso wie Manifeste, Reports, Memoranden und Eingaben eingesetzt. In Parlamenten wurden Initiativen eingebracht. Mit den höchst unterschiedlichen Aktivitäten in den Nationalstaaten entstanden in der Folge internationale und einflussreiche Organisationen wie Greenpeace und "Robin Hood".

Gründe waren die gesteigerte Industrialisierung, Transport-Revolution, die Verbreitung von Umweltschäden, Verunreinigung der Gewässer, Nahrungsmittelverschlechterungen und die besondere Rolle von Wissenschaftlern. Einen Kontext gab es mit dem Ende der Wachstums- und Planungseuphorie. Zudem spielte eine Veränderung des Verständnisses von Demokratie eine Rolle (Kontrollfunktion durch Medien und Experten). Es entstand in der Folge eine Veränderung der Einstellung der Bevölkerung und Politik (neue Parteien). Ein neuer Wirtschaftszweig für Umweltprodukte entstand.

Neue Frauenbewegungen entstanden in den siebziger Jahren, allerdings unterschiedlich zur klassischen Frauenbewegung (vgl. KAELBLE 2007, 312-314). Ziel war die Gleichberechtigung von Frauen in der Politik, Gesellschaft, einer anderen Rolle in der Familie und Öffentlichkeit und Autonomie bei Scheidung, Abtreibung und Sexualität. Man verlangte eine andere Mentalität. Mitunter waren Frauenbewegungen bewusst exzentrisch (vgl. BOCK 2000, 321). Man wirkte in die Gesellschaft hinein, durch Selbsterfahrungsseminare, Sommeruniversitäten, Filme, Literatur, Frauenpresse und Selbsthilfe. Die neue Frauenbewegung umfasste alle Altersgruppen. Wichtige Schauplätze waren das UK, F und die BRD, ebenso I. Forderungen wurden auch auf internationalen Plattformen präsentiert, etwa auf den Weltfrauenkongressen in Mexiko (1975), Kopenhagen (1980), Nairobi (1985) und Peking (1995).

Europäisch forcierte die EU-Kommission die Gleichstellung (ohne eine gesamteuropäische Frauenorganisation). Man beschränkte sich allerdings auf die Gleichstellung am Arbeitsmarkt. Von Interesse waren/sind die Anzahl weiblicher Abgeordneter in den nationalen Parlamenten (vgl. dazu Frauen in nationalen Parlamenten/Interparlamentarische Union/Stichtag 1. Oktober 2014, 189 Länder > http://www.ipu.org/wmn-e/classif.htm [27.10.2014]). Neue Frauenbewegungen waren erfolgreicher als ihre Vorläuferin. Es verbesserten sich die Bildungschancen und Zugangsmöglichkeiten zu Wissenschaft, Politik, Kultur, öffentlicher Verwaltung und Justiz. Verändert hat sich allmählich die Mütter- und Väterrolle.

Die Friedensbewegung entstand in den achtziger Jahren und betraf vor allem den "Doppelbeschluss der NATO". mit einer massiven Aufrüstung und Aufstellung von Atomwaffen in Europa als Antwort auf das Atomwaffenprogramm der Sowjetunion. Die Basis waren alle Altersgruppen, Experten aus der Politikwissenschaft, den Sozialwissen- und Naturwissenschaften. Mit eigenen Symbolen arbeitete man mit Kundgebungen und Demonstrationen. Als ein internationales Thema war die Friedensbewegung auch international vernetzt. Mit dem Zusammenbrauch der Sowjetunion fiel auch der NATO-Beschlussbeschluss und andere Bedrohungen entstanden (vgl. KAELBLE 2007, 314).

Dissidentenbewegungen in Osteuropa betrafen ähnliche Themen wie Frieden, Umwelt und Menschrechte. Sie entstanden in den siebziger Jahren und agierten im Untergrund oder begrenzt in der lokalen Gegen-Öffentlichkeit (vgl. KAELBLE 2007, 315-317). Mit Manifesten, Büchern, Artikeln,, Untergrundtexten und Privattreffen - mit Zugang zu westlichen Medien - wurden Proteste organisiert. Sie waren keine Massenbewegungen, eher Netzwerke von Freundeskreisen.

Bekannt war die "Charta 77" in der Tschechoslowakei mit 1 500 Personen. Nur in Polen gelang die Verbindung zum Arbeitermilieu. Bekannt waren als Initiatoren Milan Kundera, György Konrad und Bronislaw Gemerek als Repräsentanten des Widerstandes in der CSSR, P und H. In der DDR entstanden erst vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion Dissidentenbewegungen (vgl. HILDERMEIER-KOCKA-CONRAD 2000, bes. 13-40). Ursachen dieser Bewegungen waren die Unvereinbarkeit von kommunistischer Diktatur und individueller Freiheit, die politische Realität und das Abkommen von Helsinki sowie Bereiche des Umweltschutzes, der Friedenssicherung und der Wirtschaft. Auf Grund der engen Netzwerke gelang es der Bewegung auch nicht, nach 1989 in den Regierungen Fuß zu fassen. Trotzdem konnten sie der politischen Freiheit eine unüberhörbare Stimme verleihen. Mit Vaclav Havel kam ein Vertreter in der Tschechoslowakei in Spitzenfunktionen.

Europäische Besonderheiten entstanden in den Parallelitäten der nationalen Entwicklungen, der zunehmenden Transnationalität und der Entstehung einer gemeinsamen Zivilgesellschaft.

  • Transnationale Tendenzen gab es in der Studentenbewegung, den Regional- und Frauenbewegung sowie den anderen angeführten Bewegungen.
  • Die Entstehung der europäischen Zivilgesellschaft folgte der Entwicklung einer Transnationalisierung, in der Folge eine Globalisierung. Die Europäische Union beeinflusste diese Politik.
Literaturhinweise

Bock G. (2000): Frauen in der europäischen Geschichte, München

Gilcher-Holtey I. (2001): Die 68er Bewegung. Deutschland-Westeuropa-USA, München

Hildermeier M.-Kocka J.-Conrad C. (Hrsg.) (2000): Europäische Zivilgesellschaft und Ost und West, Frankfurt/M.

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Therborn G. (2000): Die Gesellschaften Europas 1945-2000. Ein soziologischer Vergleich, Frankfurt/M.

Wertewandel - Säkularisierung    

Historische Wurzeln europäischer Werte wurden durch den Diskurs über eine europäische Verfassung, die Beitrittsverhandlungen der Türkei und den Irakkrieg sowie die muslimische Minderheit in Europa aktualisiert. Zudem sind die Auswirkungen der sechziger Jahre und neue Werte der jungen Generation von Interesse.

In der Folge standen andere Tendenzen als heute im Vordergrund, etwa die Lockerung der Familien- und Milieubindungen, der Bruch mit älteren Wertewelten und die Säkularisierung. Am Beginn des 21. Jahrhunderts sind der Wertewandel und neue Religiosität grundlegende Themen der europäischen Zeitgeschichte in der Politischen Bildung mit (vgl. KAELBLE 2007, 119).

Fragestellungen ergeben sich zu Wertvorstellungen zu Familienbindung, Leistungswerten in Beruf und Politik, zur Abkehr von Primärtugenden und/der Hinwendung zu Sekundärtugenden sowie einem Säkularisierungsprozess.

Der Beitrag diskutiert Konzepte des Wertewandels und der Religiosität, Epochen des Wertewandels, Gemeinsamkeiten bzw. Parallelitäten und europäische Besonderheiten (vgl. KAELBLE 2007, 121-145).

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bilden sich in den Sozialwissenschaften verschiedene Konzepte des Wertewandels heraus.

  • Ronald INGLEHART (1995) sieht einen Übergang von materiellen (Lebensstandard, Wirtschaftswachstum, Preisstabilität, Sicherheit, Autorität von Institutionen) zu postmateriellen Werten (Selbstverwirklichung, ziviler sozialer Umgang, Menschenrechte, soziale Bewegungen, politische Partizipation, Kultur und Ästhetik). Mit dem Generationenwechsel nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich ein Wertewandel in Europa (und auch weltweit).
  • Henri MENDRAS (1997) spricht von einem Individualisierungsprozess in Europa in nationalen und regionale Varianten. Individualisierung bedeutet eine Ablösung von Bindungen an soziale Milieus, etwa das Bürgertum, die industrielle Arbeiterklasse, das bäuerliche Milieu, konfessionelle und ethnische Milieus sowie einem einzigen Familienmodell und geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung. Individualisierung meint auch die Lockerung zu lebenslangen Loyalitäten gegenüber Großorganisationen wie Nation, Gewerkschaft und Kirche. Eine neue Freiwilligkeit und Bindung zu sozialen Bewegungen und privaten Formen von Religion entstand. Die Dauerhaftigkeit von Bindungen verlor an Bedeutung. Individualisierung bedeutet auch eine Verschiebung von Erziehungswerten (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Erziehung). Individualität bedeutet Selbstentfaltung, persönliche Verantwortung, Risikobereitschaft und Toleranz. Ursachen für individuelle Wertvorstellungen waren die soziale Sicherung durch den Wohlfahrtsstaat, bessere Bildungschancen, ein günstiger Arbeitsmarkt (auch für Frauen) und eine größere Mobilität.
  • Gerhard SCHULZE (2005) geht von einer Erlebnisgesellschaft mit verschiedenen Milieus aus (hedonistische Milieus, alternative Milieus, Aufstiegsmilieus, traditionslose Arbeitermilieus, konservative Milieus, kleinbürgerliche Milieus; vgl. HRADIL 2006).
  • Das Konzept der Säkularisierung eignet sich besonders für Entwicklungen der Religion und Religiosität(vgl. LEHMANN 2004).
    • Darunter wird der Rückgang der politischen Macht der Kirchen, der kirchlichen Besitztümer und der Führung von Bevölkerungsregistern verstanden.
    • Das Verhältnis von Staat und Kirche in Europa ist vielfältig (vgl. Frankreich und Österreich).
    • Entwickelt haben sich eigene Normen, Werte und Sprachformen in Wirtschaft, Politik, Kunst, Wissenschaft und Religion.
    • Letztlich gab es eine Schwächung der Kirchenbindung, des Gottesdienstbesuchs, der kirchlichen Inanspruchnahme bei Krisensituationen und Nutzung von kirchlichen Riten bei Ereignissen im Privatleben. Religion wurde eine private Angelegenheit. Gründe für eine Säkularisierung sind politische Zwänge, gesellschaftliche Modernisierung, Urbanisierung, Verwissenschaftlichung bzw. Bildungsexpansion und soziale Sicherung sowie eine Abkapselung der Kirchen gegenüber dem sozialen und kulturellen Wandel.
Werte und Religiosität entwickeln sich zwischen 1945 und 2000 unterschiedlich.

  • Die Not der Nachkriegszeit ergibt naturgemäß eine Orientierung an materiellen Werten. Klassenmilieus, ethnische und kirchliche Milieus ergeben eine starke Bindung, um Hilfe für Notlagen zu erhalten.
  • Ebenso ergibt sich eine Epoche der Individualisierung, oft durch die Umstände erzwungen. Heimkehrende junge Soldaten hatten sich weitgehend von den Familien entfremdet. Auch junge Frauen hatten sich von den Vätern losgelöst, man fand schwer zu den alten Werten zurück.
  • Zwischen den sechziger und achtziger Jahren säkularisierte sich die Gesellschaft, politische Werte änderten sich, ebenso Familien- und Arbeitswerte sowie die Religiosität. Europäische Werteumfragen ergaben eine liberale Haltung bei Fragen wie der Scheidung, Abtreibung, Sterbehilfe, Homosexualität und Prostitution. In fast allen europäischen Staaten nahm die Permissivität zu.
  • Als weiteren Wertewandel entstand Vertrauen junger Menschen neben der engeren Familie auch in die Mitmenschen, besonders in Skandinavien und in den Niederlanden. Das Misstrauen gegenüber dem Anderen herrschte allerdings vor (Erfahrungen in beiden Weltkriegen, Gewalt in politischen Konflikten). Erst in einem langen Prozess milderte sich dies bei jungen Menschen.
  • Um 1980 herrschte relativ große Toleranz gegenüber Migranten und religiösen Minderheiten in Europa. Wenig Toleranz gab es gegenüber Alkoholikern und Drogenabhängigen. Öffentlichen Institutionen misstraute man, etwa dem Militär, der staatlichen Verwaltung, der Presse, den Gewerkschaften und Großunternehmen. Das Vertrauen in das Erziehungssystem stieg an.
  • Zur gleichen Zeit ergab sich ein Vertrauensanstieg in eigene politische Aktionen. Populär wurden Petitionen und Demonstrationen. Wenig Vertrauen hatte man in wilde Streiks und Hausbesetzungen.
  • Im Kontext mit dem Vertrauen in den Anderen und politischen Aktionen veränderten sich die Familienwerte. "Innengeleitete" Werte wurden forciert, etwa Toleranz, Verantwortungsbewusstsein, Ehrlichkeit und Umgangsformen. "Außengeleitete" Werte wie Gehorsam, Selbstlosigkeit, Geduld und Sparsamkeit wurden beibehalten, fanden aber nicht die Akzeptanz.
  • Die strikte Arbeitsteilung verlor allmählich ihre Bedeutung. Die Mutterrolle wandelte sich, man erwartete einen Mitverdienst der Ehefrau.
  • Die Billigung von Homosexualität nahm zu.
  • Der Wertewandel beruhte auf dem Umstand, dass jüngere Europäer andere Werte besaßen als ältere. Es kam zu großen Spannungen zwischen den Altersgruppen(vgl. KAELBLE 2007, 128).
  • Die Ehewerte blieben bemerkenswert stabil. Wechselseitiger Respekt, Toleranz und Treue galten, im Gegenteil Familienwerte nahmen zu (vgl. ASHFORD-TIMMS 1995, 67, 122, 135).
  • Arbeitswerte änderten sich. Mitbestimmung von Arbeitnehmern war zunächst wesentlich, in der Folge stieg das Leistungsprinzip (vgl. den Konsens von Bezahlung nach Leistung). Arbeitsplatz, Arbeitszeit, Arbeitsklima und Arbeitsleistung wurden bedeutend. Materielle und postmaterielle Werte wurden wichtiger (vgl. ASHFORD-TIMMS 1995, 117-119). Grenzen zeigten sich beim Entscheidungsmonopol der Arbeitgeber und in der Verstaatlichung der Wirtschaft und Arbeiterselbstverwaltung (vgl. ASHFORD-TIMMS 1995, 134).
Gründe für den Wertewandel waren

  • eine Folge des Wohlstandes, zunehmende Bildung, soziale Sicherung und damit eine Schaffung von Individualität. Politische und kulturelle Akteure, Medien und soziale Bewegungen spielten ebenso eine Rolle. "Es war demnach keine stille Revolution der Bürger, sondern ein gewollter und erfolgreich herbeigeführter Wertewandel" (KAELBLE 2007, 130). Nicht zu übersehen war ein Generationenkonflikt zwischen der Kriegs- und Nachkriegsgeneration, nicht zuletzt mit einem Einfluss des US-Modells ("american way of life").
  • Es veränderte sich auch die Kirchenbindung und Religiosität zwischen den fünfziger und achtziger Jahren. Ein Rückgang an Kirchenmitgliedschaften, Gottesdienstbesucherzahlen (mit Ansteigen der Besucherzahlen in muslimischen Moscheen durch Zuwanderung) und kirchlichen Riten zeigte sich. Gründe waren der Ausbau sozialer Systeme, steigende Gesundheit, ein besseres Bildungssystem und Bildungsniveau. Kirchen verloren moralische Autorität, die Europäer griffen auf psychologische, medizinische und andere wissenschaftliche Autoritäten zurück. Religiöser Glaube wurde zunehmend Privatsache. In Osteuropa hatte der Rückgang viel mit politischen Repressionen zu tun (vgl. die Unterschiedlichkeit zwischen der DDR, CSSR und Polen).
In den neunziger Jahren entwickelte sich der Wertewandel vielfach in eine andere Richtung (vgl. KAELBLE 2007, 132-136).

  • Das Vertrauen in den Anderen sank in den großen Ländern, gleichzeitig schätzte man die persönliche Solidarität. Befürwortet wurde die persönliche Hilfe für Alte, Kranke und Behinderte.
  • Von Interesse ist die Zunahme von Toleranz gegenüber Minderheiten. Nur in den großen Ländern nahm die Bereitschaft ab. Da Toleranz nicht unbedingt Hilfsbereitschaft bedeutet, war in Europa zu persönlicher Hilfe nur eine Minderheit bereit(vgl. ASHFORD-TIMMS 1995, 14).
  • Familienwerte veränderten sich leicht, eindeutiger war die Veränderung in der Frauenrolle. Die traditionelle Einstellung verlor in West- und Osteuropa(Ausnahmen BRD und DK).
  • In den Arbeitswerten stieg die Leistungsbezogenheit. Betriebshierarchien wurden eher akzeptiert, mussten aber auf Leistung sich beziehen.
  • Die Religiosität veränderte sich. In Europa schwächte sich die Säkularisierung ab. Der Glaube an Gott nahm in den meisten Ländern leicht zu. Der Personenkreis blieb relativ unverändert. Traditionelle Kirchen erlebten nach der Wende einen Aufschwung in Osteuropa. Religionskonflikte kehrten in der Jugoslawienkrise zurück. Ein Randphänomen blieben christliche Sekten und ostasiatische Religionen(vgl. für postkommunistische Länder Mittel- und Osteuropa POLLACK-BOROWIK-JAGODZINSKI 1998).
  • Gründe für einen Wandel waren zunächst Schwierigkeiten, Karriere zu machen. Die steigende Arbeitslosigkeit veränderte langsam die Werteskala, das Vertrauen in den Mitmenschen und in die Zivilgesellschaft sank (mit ein Grund war die Balkankrise 1992).
Europäische Besonderheiten waren

  • der Irrtum der Europäer, der europäische Wertewandel mit Individualisierung, Postmaterialismus und Säkularisierung habe überall in der modernen Welt stattgefunden. Als reine europäische Besonderheit zeigte sich der Hang zu postmateriellen Werten (vgl. INGLEHART 1995). Einschränkend ist zu bemerken, dass zur Jahrtausendwende in Westeuropa die postmateriellen Werte viel verloren hatten.
  • der Skeptizismus gegenüber der Zukunft, der Wissenschaft und auch gegenüber Regierungen und dem Anderen (Ausnahmen waren Skandinavien, und das UK). Gründe waren die Erfahrung mit Gewalt und Diktaturen. Damit entstanden kritische Haltungen gegenüber der Politik und Kirchen (vgl. die Erfahrungen mit zwei Weltkriegen, Energieknappheit/1973, Grenzen des Fortschritts und neuen Epidemien).
  • die fortschreitende Säkularisierung. Entkirchlichung war in Europa besonders fortgeschritten.
  • Europäer machten Erfahrungen mit den USA und der arabischen Welt. Einstellungen zu Gewalt, Waffenbesitz, Todesstrafe, der Rolle des Staates/Sozialstaat, Sozialwerten, Konsum, Umwelt und Einstellung zu Religion waren verschieden (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz, Globales Lernen).
Literaturhinweise

Ashford S.-Timms N. (1995): What Europe thinks. A study of Western European Values, Aldershot

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Mendras H.(1997): L'Europe des europeens. Sociologie des l'Europe occidentale, Paris

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Schulze G. (2005): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, Frankfurt/M.

7 Europa als politisches System    

Die Europäische Union/EU hat sich aus der "Europäischen Gemeinschaft (EG) entwickelt. Diese wurde zur Konfliktvermeidung zwischen den westlichen europäischen Ländern gegründet.

In der EU sind die drei Gemeinschaften "Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl", "Europäische Wirtschaftsgemeinschaft/EWG" und "Europäische Atomgemeinschaft" zusammengefasst.

In Maastricht (NL) wurde die EU am 1. November 1993 gegründet.

Als Konkordanzdemokratie ist die EU eine demokratische Regierungsform, in der politische und gesellschaftliche Konflikte nicht primär über politische Mehrheiten und einfache Mehrheitsformen, sondern über Verhandlungen, Kompromisse und breite Übereinstimmung gelöst werden.

Gründungsmitglieder waren Frankreich, Belgien, Luxemburg, Italien, die Niederlande und Deutschland.

Symbole sind die EU-Flagge und die EU-Hymne. Diese symbolisiert nicht nur die Europäische Union, sondern auch Europa im weiteren Sinn. Mit der "Ode an die Freude" brachte Schiller seine idealistische Vision zum Ausdruck, dass alle Menschen zu Brüdern werden - eine Vision, die Beethoven teilte.

Die EU stellt kein europäisches Volk dar, vielmehr eine Ansammlung von Nationalvölkern mit geringer Identität.

Zusätzlich zu den 28 Mitgliedsstaaten (Stand: März 2015) sind in die Verwaltungsstruktur Frankreichs etwa Guayana, Martinique und die Reunion, Spaniens die Kanaren und Portugals die Azoren und Madeira einbezogen. In Zollunion sind die Kanalinseln und die Isle of Man. Der Euro/€ erhält damit die Bedeutung einer weltweiten Währung.

2009 wurden erstmals von den europäischen Parteien EU-Themen bearbeitet.

2014 waren erstmals EU-Themen auch Wahlthemen zum Europäischen Parlament. Damit kam es zu einer verstärkten Kommunikation über Europa.

7.1 Gemeinsame Grundwerte - Lissabon 2009    

  • Förderung des Friedens und des Wohlergehens
  • Soziale Marktwirtschaft und sozialer Frieden
  • Freiheit ohne Binnengrenzen
  • Menschenrechte - Anzeige bei Verletzung der MR, Rechtsetzung-Rechtsprechung
  • Meinungsfreiheit
  • Medienfreiheit
  • Solidargemeinschaft
  • Gleichberechtigung von Männern und Frauen-soziale Gerechtigkeit
  • Umweltschutz
  • Wirtschafts- und Währungsunion
  • Bekämpfung sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung
7.2 Europäische Institutionen    

Europäische Institutionen sind

  • der Europarat,
  • der Europäische Rat,
  • der Rat der Europäischen Union,
  • die Ratspräsidentschaft
  • die EU-Kommission,
  • das Europäische Parlament,
  • der Europäische Gerichtshof,
  • der Rechnungshof und
  • die Europäische Zentralbank.
7.3 Sonstige Institutionen    

Sonstige Institutionen sind etwa

  • der Wirtschafts- und Sozialausschuss,
  • der Ausschuss der Regionen und
  • der Bürgerbeauftragte(Ombudsmann).
7.4 Politikbereiche der EU    

Politikbereiche der EU sind

  • die Gemeinsame Agrarpolitik,
  • der Binnenmarkt,
  • die Wirtschafts- und Währungsunion,
  • die Sozial- und Beschäftigungspolitik,
  • die Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik und
  • die Innen-und Justizpolitik.
7.5 Bürgerbeteiligung    

Bürgerbeteiligungen stellen sich in

  • der Wahl der Parlaments,
  • indirekten Bestellung der Kommissare durch legitimierte Mehrheiten in den Mitgliedsländern und
  • der Möglichkeit von EU-Volksbegehren dar.
7.6 Vier Freiheiten der EU    

Die vier Freiheiten der EU sind

  • der Kapitalverkehr,
  • der Warenverkehr,
  • der Personenverkehr und
  • die Dienstleistungen.
Literaturhinweise

Naßmacher H.(2004): Politikwissenschaft. Lehr- und Handbuch der Politikwissenschaft, München-Wien, 471-478

Pelinka A.-Varwick J.(2010): Grundzüge der Politikwissenschaft, Wien-Köln-Weimar, 179-187

Pollak J.-Slominski P.(2006): Das politische System der EU, UTB 2852, Wien

Reflexive Phase    

Wer sich mit Europa in der Aus- bzw. Fortbildung Lehrender/ Erwachsener in der Politischen Bildung und Menschenrechtsbildung beschäftigt, kommt nicht umhin, sich mit

  • Aspekten der Kindheits- und Jugendkonzepte,
  • statistischen Daten,
  • Rechten und der Politik für Kinder und Heranwachsende,
  • europäischen Bildungskonzepten,
  • der Schulen in der EU und ihrer strukturellen Krise bzw. der Thematik der Schulkrise in der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft,
  • Europa in der politischen und Sozialgeschichte sowie
  • als politisches System der EU auseinanderzusetzen.
Das Projekt Europa kann von vielen Seiten bearbeitet werden. Der Autor hat sich für diese umfassende Dimension einer Betrachtung entschieden.

Impulse ergaben sich

  • aus der fachlichen Auseinandersetzung mit den angeführten Themenbereichen,
    • der Absolvierung der beiden Universitätslehrgänge Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz,
    • aus der Beschäftigung mit der Fachliteratur,
    • aus EU-Comenius-Projekten und einem Lehrer-Betriebspraktikum mit Kontakten zu anderen Schulsystemen und
  • dem notwendigen interdisziplinären Umgang mit der Thematik, der das Bewusstsein für den Themenkomplex schärft (vgl. die Hinweise auf IT-Autorenbeiträge).
Literaturhinweise Europa    

Angeführt sind diejenigen Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden. Bei einzelnen Kapiteln ist eine spezifische Fachliteratur angegeben.

Adick Chr. (1995): Internationalisierung von Schule und Schulforschung, in: Rolff H.-G. (Hrsg.) (1995): Zukunftsfelder von Schulforschung, Weinheim, 157-180

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Dichatschek G. (2004a): Berufswahl heute - Schulische Berufsorientierung von Mädchen, in: GW UNTERRICHT Nr. 92/2004, 80-85

Dichatschek G. (2004b): eLearning für die Lehrveranstaltung "Vorberufliche Bildung I und II"/Projekt: BFD 2413, in: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur: Bildungsforschung in Österreich 2002, 145

Dichatschek G. (2004c): 40 Jahre "Gastarbeiter" in Österreich - Ein Beitrag zur politischen Bildung in Wirtschaftskunde, in: GW UNTERRICHT Nr. 94/2004, 99-101

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Dichatschek G. (2017): Didaktik der Politischen Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2021): Interkulturelle Kompetenz. Theorie, Praxis und Handlungsfelder im Kontext Interkultureller Öffnung und Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2022): Flucht und Vertreibung in den letzten Jahrzehnten. Theorie und Praxis von Wanderbewegungen im Kontext Politischer Bildung und Interkulturalität, Saarbrücken

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Zum Autor    

APS-Lehrer/ Lehramt (VS-HS-PL/1970-1975-1976), zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater, Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)

Lehrbeauftragter am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien/Berufspädagogik/Vorberufliche Bildung (1990/1991-2010/2011), Lehrbeauftragter am Sprachförderzentrum des Stadtschulrates Wien/Interkulturelle Kommunikation (2012), Gründungsteilnehmer der LehrerInnen-Plattform für Politische Bildung und Menschenrechtsbildung des bm:bwk (2004/2005), Lehrbeauftragter am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg/Lehramt "Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung" - "Didaktik der Politischen Bildung" (2015/2016, 2017)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 10. Universitätslehrganges für Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt/ MSc (2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/ Diplome (2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg-Lehrgang Wien/Diplom (2012), des 4. Lehrgangs für Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016), des Online-Kurses "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner_innen"/ TU Graz-CONEDU-Werde Digital at.-Bundesministerium für Bildung/ Zertifizierung (2017), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium - Comenius Institut Münster/ Zertifizierung (2018), des Fernstudiums Nachhaltige Entwicklung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium - Comenius Institut Münster/ Zertifizierung (2020)

Aufnahme in die Liste der sachverständigen Personen für den Nationalen Qualifikationsrahmen/ NQR, Koordinierungsstelle für den NQR/Wien (2016)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 2. Dezember 2023