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* Konservativ hielten am landesherrlichen Kirchenregiment mit dem Landesherren als oberstem Bischof (Summepiskopat) mit eingesetzter Kirchenverwaltung (Konsistorien) fest.
* Konservativ hielten am landesherrlichen Kirchenregiment mit dem Landesherren als oberstem Bischof ("Summepiskopat") mit eingesetzter Kirchenverwaltung ("Konsistorien") fest.


Grundwissen Religion    

Aspekte einer Fernlehre Evangelische Theologie im Kontext kulturell-religiöser Kompetenz    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Grundwissen Religion   
Aspekte einer Fernlehre Evangelische Theologie im Kontext kulturell-religiöser Kompetenz   
Danksagung   
Vorbemerkung   
1 Einführung   
I Bibelkunde   
2 Das Alte Testament   
2.1 Einführung in den Pentateuch 1. - 5. Mose   
2.2 Genesis 1. Mose   
2.3 Exodus 2. Mose   
2.4 Leviticus 3. Mose   
2.5 Numeri 4. Mose   
2.6 Deuteronomium 5. Mose   
2.7 Einführung in das deuteronomische Geschichtswerk   
2.8 Josua   
2.9 Richter   
2.10 Samuel 1 und 2   
2.11 Könige 1 und 2   
2.12 Chronik 1 und 2   
2.13 Esra   
2.14 Nehemia   
2.15 Haggai   
2.16 Sacharja I   
2.17 Rut   
2.18 Ester   
2.19 Jona   
2.20 Hebräische Poesie - Dichtung Israels   
2.21 Hiob   
2.22 Psalmen   
2.23 Sprüche   
2.24 Prediger   
2.25 Hohelied   
2.26 Einführung in die Prophetie 8. Jh.   
2.27 Jesaja I   
2.28 Hosea   
2.29 Amos   
2.30 Micha   
2.31 Einführung in die Prophetie vom 7. bis zum 2. Jh. v. Chr.   
2.32 Jeremia   
2.33 Klagelieder   
2.34 Hesekiel/ Ezechiel   
2.35 Jesaja II (Deuterojesaja)   
2.36 Jesaja III (Tritojesaja )   
2.37 Sacharja II und III   
2.38 Maleachie   
2.39 Die übrigen Propheten   
3 Judentum   
3.1 Richtungen im Judentum   
3.2 Volk Gottes   
3.3 Torah   
3.4 Einheit Glauben und Leben   
3.5 Speisengebote   
3.6 Sabbat   
3.7 Festkalender - Feste im Leben   
3.8 Jesus der Jude   
3.9 Tod Jesu   
3.10 Antisemitismus   
3.11 Zionismus   
3.12 Christlich-jüdischer Dialog   
4 Das Neue Testament   
4.1 Markusevangelium   
4.2 Lukasevangelium   
4.3 Matthäusevangelium   
4.4 Johannesevangelium und drei Johannesbriefe   
4.4.1 Johannesevangelium   
4.4.2 Johannesbriefe 1. - 3. Johannesbrief   
4.5 Die Apostelgeschichte   
4.6 Paulusbriefe   
4.6.1 Echte Pastoralbriefe   
4.6.2 Deuteropaulinen   
4.6.3 Pastoralbriefe   
4.7 Übrige Schriften des NT   
4.8 Apokalyptische Literatur   
4.8.1 Buch des Propheten Daniel   
4.8.2 Die Offenbarung des Johannes   
II Kirchengeschichte   
5 Geschichte der Alten Kirche   
5.1 Die Urgemeinde   
5.2 Judenchristen und Heidenchristen - Paulus   
5.3 Kirchliche Strukturen im 2. Jahrhundert   
5.4 Christenverfolgungen - konstantinische Wende   
5.5 Trinitarischer und christologischer Streit   
5.6 Augustin   
5.7 Übersicht über die Geschichte der Alten Kirche   
6 Mittelalterliche Kirchengeschichte   
6.1 Germanenmission   
6.2 Zeitalter der Karolinger   
6.3 Ottonisches-salisches Reichskirchensystem   
6.4 Das Mönchtum   
6.5 Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst - Kreuzzüge   
6.6 Niedergang des Papsttums   
6.7 Aufbrüche im Mönchtum   
6.8 Scholastik und Mystik   
6.9 Übersicht mittelalterliche Kirchengeschichte   
7 Reformationsgeschichte   
7.1 Historischer Kontext   
7.2 Der Humanismus   
7.3 Der Werdegang und Wende Martin Luthers   
7.4 Auseinandersetzung mit Rom   
7.5 Auseinandersetzungen in der Reformation   
7.6 Zwingli und die schweizerische Reformation   
7.7 Johannes Calvin   
7.8 Augsburger Religionsfrieden 1555   
7.9 Konfessionelles Zeitalter   
7.10 Übersicht über die Reformationsgeschichte   
8 Kirchengeschichte der Neuzeit   
8.1 Der Pietismus   
8.2 Die Aufklärung   
8.3 Friedrich Schleiermacher   
8.4 Theologie und Kirchenpolitik im 19. Jahrhundert   
8.5 Karl Barth und die Dialektische Theologie   
8.6 Kirchen im Nationalsozialismus   
8.7 Entwicklung seit 1945   
8.8 Übersicht über die Kirchengeschichte der Neuzeit   
III Systematische Theologie   
9 Begriff   
10 Dogmatik   
10.1 Bedeutung der Bibel - Offenbarung   
10.2 Bedeutung Jesu von Nazareth (Christologie)   
10.3 Der Dreieinige Gott (Trinitätslehre)   
10.4 Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen (Ekklesiologie)   
10.4.1 Personales Element der Kirche   
10.4.2 Biblische Bilder von Kirche   
11 Ethik   
11.1 Problemstellung im Pluralismus   
11.2 Konsequenzen für eine evangelische Ethik   
11.3 Ansätze evangelischer Ethik   
11.3.1 Zwei-Regimenter-Lehre - Luther   
11.3.2 tertius usus legis - Calvin   
11.3.3 Kulturbezogenheit in der Ethik - Schleiermacher   
11.3.4 Sittlichkeit - Herrmann   
11.3.5 Gottes Gebot-autonome Ethik - Barth   
11.3.6 Mandatenlehre - Bonhoeffer   
11.3.7 Interimsethik - Thielecke   
11.3.8 Sozialethik - Rich   
11.3.9 Ethik und Anthropologie - Trillhaas   
11.3.9.1 Thematik der Ethik   
11.3.9.2 Anthropologie und Ethik   
11.3.10 Ethik und menschliche Lebensführung - Rendtorff   
11.3.11 Ethik und Dogmatik   
11.3.12 Bereichsethik - Beispiel Wirtschaftsethik   
11.3.12.1 Integrative Wirtschaftsethik   
11.3.12.2 Ökonomismuskritik   
11.3.12.3 Ethische Aspekte einer Sozialen Marktwirtschaft   
Literaturverzeichnis I, II und III   
IV Ökumenische Theologie   
12 Ökumene   
Vorbemerkung   
12.1 Einleitung   
12.2 Neutestamentliche biblische Texte   
12.3 Konfessionelle Geschichte der Ökumene   
12.3.1 Geschichte der Ökumene   
12.3.1.1 Begrifflichkeit   
12.3.1.2 Ausbreitung des Christentums   
12.3.1.3 Kirchenspaltung im Osten   
12.3.1.4 Kirchenspaltung im Westen   
12.3.2 Ökumenischer Aufbruch im 19./ 20. Jahrhundert   
12.3.3 Konfessionelle Eigenarten   
12.3.3.1 Reformatorische Kirchen   
12.3.3.2 Orthodoxie   
12.3.3.3 Römisch-Katholische Kirche   
12.3.4 Aktuelle Herausforderungen   
12.4 Reflexion   
Literaturverzeichnis IV   
V Religionspädagogik   
13 Diakonisches Lernen und Lehren   
13.1 Vorbemerkung   
13.2 Einleitung   
13.2.1 Gegenstand Diakonie   
13.2.2 Performative Religionsdidaktik   
13.2.3 Aktueller Diskussionsstand   
13.3 Diakonisches Lernen   
13.3.1 Impulse diakonischer Lernprozesse   
13.3.2 Inhalte   
13.3.3 Ziele diakonischen Lernens   
13.3.4 Diakonisches und ethisches Lernen   
13.4 Didaktischer Ansatz - Performative Religionsdidaktik   
13.5 Diakonie lehren   
13.5.1 Bezugswissenschaften   
13.5.2 Praxisprojekte - Lernen in tätiger Gemeinschaft   
13.5.3 Diakonie als Unterrichtsfach   
13.5.4 Diakonisches Lernen im Religionsunterricht   
13.5.5 Erwachsenen- bzw. Aus- und Fortbildung   
13.5.6 Zusammenfassung   
13.6 Kontext zu Politischer Bildung   
13.6.1 Themenfeld - Praxisfelder   
13.6.2 Didaktische Prinzipien   
13.6.3 Beidseitige Intentionen   
13.7 Diakonisches Unternehmensprofil   
13.7.1 Entwicklungen in der Diakonie   
13.7.2 Christliches Profil   
13.7.3 Fördermaßnahmen   
13.7.4 Konfessionelles Profil   
13.8 Bildungswochen 2018 im diakonischen Umfeld   
13.9 Reflexion   
Literaturverzeichnis V   
IT-Hinweis   
Zum Autor   

Danksagung    

Wer sich mit der Thematik kulturell-religiöser Kompetenz in einer Fernlehre beschäftigt, bemerkt die Komplexität der Bereiche.

Zu danken habe ich Helmut Leitner für die technische Hilfestellung bei der Manuskripterstellung.

Ebenso danke ich für die jahrelange reibungslose Autorenbetreuung dem Akademikerverlag.

Günther Dichatschek

Vorbemerkung    

Die Studie versteht sich als Arbeitsunterlage eines selbst organisierten Fernlehrganges, da es keinen "Fernlehrgang Evangelische Theologie" im quartären Bildungsbereich im deutschen Sprachraum gibt (Stand 2022).

Eine Einführung in theologische Identitätsbildung bedarf als Lernprozess eines theologischen Grundwissens.

Ausgangspunkt ist die Absolvierung des "1. Lehrganges Ökumene" der Kardinal König - Akademie Wien (2006) und die Fachliteratur.

Im Kontext Politischer Bildung und Interkultureller Kompetenz (kulturell-religiöse Kompetenz) wurden vier Buchprojekte/ Akademiker Verlag publiziert und in der Folge Beiträge in das "Netzwerk gegen Gewalt - Netzwerk zu Bildung" gestellt.

"Religion und Kirche" 2021, ISBN 978-3-330-50501-8

"Protestantismus" 2022, ISBN 978-3-639-46759-8

"Christentum" 2022, ISBN 978-3-639-47395-7

"Antisemitismus-Prävention" 2022, ISBN 978-3-639-46917-2

Internethinweise:

http://www.netzwerkgegengewalt.org/wiki.cgi?Antisemitismus (28.8.2022)

http://www.netzwerkgegengewalt.org/wiki.cgi?Israel (28.8.2022)

http://www.netzwerkgegengewalt.org/wiki.cgi?Nahost-Konflikt (28.8.2022)

Die Arbeitsunterlage versteht sich als ein Versuch einer Vermittlung eines Grundwissens in Form einer Fernlehre ("Basic").

Situativ bestimmt ist das Bemühen begründbar mit dem/ der

  • Fehlen einer Fernlehre,
  • Diasporasituation mit religiöser Bildungsbenachteiligung,
  • Kenntnis der Lerntheorie des "Konnektivismus" mit Selbstorganisation, entdeckendem Lernen mit Eigenerfahrung und im Bildungsmanagement eines selbstgesteuerten Lernens (vgl. MEISER 2001, 7-9),
  • Erfahrung des Autors aus zwei Fernlehrgängen des Comenius-Instituts Münster (2018, 2020) und
  • Kenntnis und Erfahrung in Lehre einer Erwachsenenpädagogik bzw. Weiterbildung (DICHATSCHEK 2018).
1 Einführung    

Der Begriff Theologie beinhaltet "theos" (Gott) und "logos" (Wort-Rede, Kunde, Lehre, Vernunft).

Von Interesse ist das Verhältnis beider Wörter zueinander.

  • Rede von Gott ist nur dann sinnvoll, wenn die Situation des Redenden, zugleich wenn das Verhältnis zu Gott miteinbezogen wird (vgl. BULTMANN 1993, 26).
  • Anders ist es bei Gottes Reden zu den Menschen, wie es in der Bibel geschieht (vgl. WERNER-MARQUART 1985, 18-20).
  • Die Spannung zwischen einem mehr auf Menschen und seine Situation und einem biblischen Ansatz bestimmt das Denken bis heute.
"Evangelisch" bedeutet (griech. "Eu-angelion" gute Botschaft) formal auf die biblische Schriften/ besonders Evangelien bezogen (vgl. Evangelische Kirchen/ Protestantistismus; DICHATSCHEK 2021, 2022ab) .

Die Theologie hat die Aufgabe, die biblische Überlieferung und die Fragen und Erfahrungen der Menschen der Gegenwart zu bearbeiten (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 2-8), gegliedert in den Bereichen

  • Altes Testament
  • Neues Testament
  • Kirchengeschichte
  • Systematische Theologie (Glaubenslehre/ Ethik)
  • Praktische Theologie (Lehre vom Predigen/ Homiletik und der Seelsorge/ Poimenik sowie Religionspädagogik und Fachdidaktik) und
  • Religionswissenschaft (nicht-christliche Religionen im Vergleich zu christlichen Religionen).
Im Folgenden gliedert sich die Studie in die Bereich Bibelkunde, Kirchengeschichte, Dogmatik, Ethik, Ökumene und Religionspädagogik/ Diakonisches Lernen und Lehren.

I Bibelkunde    

Die vorliegende Zusammenstellung der biblischen Schriften nennt man die kanonische Endgestalt der Bibel oder einfach "Kanon" ( Kanon = Richtschnur). Kanonisch meint die Auswahl der Schriften, die getroffen wurde. Diese Schriften bilden die heiligen Schriften des Christentums (BORMANN 2014).

Sie ergeben die Klammer in der Vielfalt, damit eine Einheit erkannt werden kann. eine dieser Klammern erschließt sich beispielsweise in den ersten Worten der Bibel Gen 1.1 und den letzten Versen Offb 22.20. Die Bibel ist ein Buch in diesem Sinne, das sich mit der Beziehung zu Gott befasst.

Das AT berichtet von der Herkunft des Menschen von Gott, es schließt mit der Zukunftserwartung des Menschen Mal 3.23. Die unterschiedlichen Entstehungszeiten der Schriften führen dazu, dass einzelne Schriften bereits auf andere Schriften Bezug nehmen. Die Schriften des NT beziehen sich häufig auf Texte im AT.

Die Schriften des AT und NT sind in Hebräisch, Aramäisch und Griechisch abgefasst. Die Verbreitung der Schriften über den Sprachkreis der Entstehungssprache hinaus ergaben Übersetzungen in der Regel mit einer Übertragung in das Denken und den neuen Kulturkreis.

Die griechische Übersetzung des AT nennt man "Septuaginta" (lat. siebzig). Die lateinische Übersetzung der gesamten Bibel durch Hieronymus "Vulgata" (lat. allgemein Verbreitete) wird schließlich die autoritative Textverfassung.

Erst die Reformation interessiert sich für die Ursprungssprachen wieder. Die Übersetzungen in moderne Sprachen greifen in der Regel auf die hebräischen und griechischen Ursprungstexte zurück (vgl. CAMPENHAUSEN 2003).

Beispielhafte gebräuchliche deutsche Übersetzungen sind die

Lutherbibel (NT 1522, AT 1534/ Revision 1984)

Zürcher Bibel ( Ulrich Zwingli 1529/ Revision 2007)

Einheitsübersetzung ( AT 1980, NT 1979)

Elberfelder Bibel (Pfingstkirchen, NT 1855, AT 1871/ Revision 1985)

Interlinearübersetzung (unter hebräischen und griechischen Text jeweils deutsche Übersetzung - Übersetzungshilfe)

2 Das Alte Testament    

Das Alte Testament/ AT ist das große Buch über Gott und die Welt. Es ist ein Stück Weltliteratur und das Glaubensbuch für Christen und Juden.

Beschrieben wird die Beziehung Gottes mit seinem Volk Israel über einen Zeitraum von rund 1200 Jahren. Es schildert Erfahrungen, die Israel als Volk und einzelne Menschen mit ihrem Gott gemacht haben.

Epochen der Geschichte Israels - Überblick
1200 - 1000 v.Chr. - Israel als Stämmeverband
 Rückgang der kaanäischen Stadtkultur
 Ende der ägyptischen Vorherrschaft
 Entstehung des altisraelitischen Stämmeverbandes
  
1000 - 586 v.Chr. - Eigenstaatliche Epoche
 Königtum Sauls, Davids und Salomons-Reichsteilung
 Nordreich Israel-Expansion des Assyrischen Reichs/ Provinz
 Südreich Juda- Assyrischer Vasallenstaat
 Joschijanische Reform/ Josia
 Erste und Zweite Eroberung Jerusalems
  
586 v.Chr. - 324 n.Chr. - Fremdstaatliche Herrschaft
 Babylonische Herrschaft-Juda babylonische Provinz
 Persische Herrschaft-Eroberung Babylons durch Kyros-Wiederaufbau des Tempels-Nehemia- Esra
 Griechische Herrschaft-Alexander d.Gr. in Israel und Ägypten
 Seleukidische Herrschaft-Befreiungskampf der Makkabäer (Hasmonäer)-Wiedereinweihung des Tempels
 129 - 63 v.Chr. Königtum der Hasmonäer
 63 v.Chr. - 324 n.Chr. Römische Herrschaft
   Geburt Jesu
   Jüdischer Krieg gegen Römer-Zerstörung Jerusalems
   Aufstand gegen die Römer unter Bar Kochba

Quelle: HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 41-42


2.1 Einführung in den Pentateuch 1. - 5. Mose    

Die fünf Bücher Mose werden "Pentateuch" bezeichnet, die hebräische Bibel spricht von "Torah" (Weisung).

Inhalt/ ThemaErzählmotive
UrgeschichteSchuld und Strafe
ErzelterngeschichteVerheißung von Nachkommenschaft/ Land und Segen
JosefsgeschichteWie kam Israel nach Ägypten?
Auszug aus ÄgyptenGott erwählt sein Volk
WüstenwanderungMotiv des Murrens
Aufenthalt am SinaiGott gibt seinem Volk die Torah
Wiederaufnahme der WanderungMotiv des Murrens
Abschiedsrede MoseMose gibt die Torah erneut bekannt
Tod MoseTod des Mose

Quelle:

BORMANN 2014, 35

2.2 Genesis 1. Mose    

Gliederung der Genesis

  • Urgeschichte
    • Schöpfungsberichte
    • Kain und Abel
    • Stammbaum von Adam bis Noah
    • Sintflutgeschichte
    • Gottes Bund mit Noah
    • Die Völkertafel
    • Turmbau zu Babel
  • Erzelterngeschichte
    • Abraham und Sara
    • Abrahams Berufung
    • Abraham und Lot
    • Gottes Bund mit Abraham
    • Abraham und Sara
    • Untergang Sodoms
    • Geburt Isaaks
    • Opferung Isaaks
    • Saras Tod
    • Brautwerbung um Rebecca
    • Abrahams Tod, Jakobs Geburt
    • Isaak und Rebecca
    • Jakobs List
    • Jakobserzählung
    • Juda und Tamar
  • Josefsgeschichte
    • Streit unter den Brüdern
    • Josef in Ägypten
    • Anhänge
    • Sprüche Jakobs über seine Söhne
    • Begräbnis Jakobs, Josefs Tod
2.3 Exodus 2. Mose    

Gliederung des Buches Exodus

Knechtschaft und Auszug

Israel in Ägypten

Moses

10 Plagen

Passah

Der Auszug

Wanderung zum Sinai

Vom Schilfmeer zum Sinai

Aufenthalt am Sinai

Gotteserscheinung am Sinai

Dekalog

Bundesbuch

Bundessschluss

Die Stiftshütte

Bundesbruch/ Goldenes Kalb

erneuter Bundesschluss

Ausführung der Stiftshütte

2.4 Leviticus 3. Mose    

Gliederung des Buches Leviticus

Bestimmungen über das Opfers

Priester

Rein und Unrein

Versöhnungstag

Heiligkeitsgesetz

27 Anhänge - Gelübde, Weihegaben und den Zehnten

2.5 Numeri 4. Mose    

Gliederung des Buches Numeri

Zählung des Volkes am Sinai

Einzelregelungen

Wiederaufnahme der Wanderung

Bileamgeschichten

Wanderung zum verheißenen Land

2.6 Deuteronomium 5. Mose    

Gliederung des Buches Deuteronomium

Einleitungsrede geschichtlicher Rückblick

Einleitungsrede Mahnung den Bund zu halten

Das deuteronomische Gesetz

Mahnung Fluch und Segen

Abschluss des Pentateuchs

Tod Mose

2.7 Einführung in das deuteronomische Geschichtswerk    

Zwei unterschiedliche Textsorten folgen aufeinander. Einmal prägen Erzählungen die Bücher Josua bis Könige 2. Auf der anderen Seite gibt es kommentarartige Einschübe, die aus Beobachterposition Geschehnisse deuten und bewerten. Der Wechsel zwischen Erzählungen und Kommentaren ist den Büchern Josua bis Könige gemeinsam.

2.8 Josua    

Gliederung des Buches Josua

Die Eroberung des Landes

Verteilung des Landes an die zwölf Stämme

Josuas Abschiedsrede

Bundesschluss zu Sichem

2.9 Richter    

Gliederung des Buches Richter

Richter Führer Israels - innere Ordnung und führen die Stämme in den Kriegen gegen die Philister

Landnahme

Erzählungen von den Richtern in Israel

Geschichtstheologisches Programm - Abfall von Jahwe, Heerführer/ "große Richter" - "kleine Richter"

Deborah-Delila

Michas Heiligtum nach Dan

Greueltaten der Benjaminiten

2.10 Samuel 1 und 2    

Gliederung der Bücher Samuel

1. Samuel

Geburtsgeschichte Samuel Hanna

Samuel der Priester und Saul der König

Konflikt Saul und David

2. Samuel

David wird König

Königtum Davids-Thronfolge

2.11 Könige 1 und 2    

Gliederung der Bücher der Könige 1 und 2

Davids Tod und Salomons Königtum

Die Geschichte der beiden Reiche Juda und Israel

Juda bis zur Eroberung Jerusalems 587 v. Chr.

2.12 Chronik 1 und 2    

Gliederung der Bücher der Chronik 1 und 2

1 Chronik

Aufzählung der Geschlechter von Adam, Abraham und den zwölf Söhnen Jakobs bis hin zur Sippe Sauls

Königtum Sules

Königtums Davids

2 Chronik

Königtum Salomons

Geschichte Judas bis zum Kyrosedikt

2.13 Esra    

Gliederung des Buches Esra

Heimkehr und Tempelbau

Esra in Jerusalem

2.14 Nehemia    

Gliederung des Buches Nehemia

Der Statthalter Nehemia und der Mauerbau

Gesetzesverlesung durch Esra

Bußgebet des Volkes und Verpflichtung auf das Gesetz

Listen, Vollendung der Mauer, Beseitigung von Missständen-Sabbatgebot, Mischehenverbot

2.15 Haggai    

Gliederung des Buches Haggai

Aufforderung zum Tempelbau

Die Pracht des neuen Tempels

Vom neuen Tempel wird Wohlstand bewirkt

Verheißung an den Statthalter Serubbabel

2.16 Sacharja I    

Gliederung des Buches Sacharja I

Erinnerung an Gottes Zorn gegen die Väter

Die acht Nachtgesichter Sacharjas-Visionen

Verschiedene Mahnungen

Gott wird in Jerusalem wohnen

2.17 Rut    

Gliederung des Buches Rut

Rut und Naomi verlassen Moab und ziehen nach Bethlehem

Rut begegnet Boas

Naomi und Rut planen die Verbindung mit Boas

Boas heiratet Rut

2.18 Ester    

Gliederung des Buches Ester

Die Jüdin Ester wird Königin

Der Plan zu Ermordung der Juden und dessen Vereitelung

Rache der Juden - Purimfest

Der Jude Mardochai wird höchster Beamter

2.19 Jona    

Gliederung des Buches Jona

Beauftragung Jonas

Jona auf dem Meer, Flucht, Aufenthalt im Fisch

Jona in Ninive

Jona im Gespräch mit Gott, Rizinus

2.20 Hebräische Poesie - Dichtung Israels    

Poetische Sprache erzielt Wirkung durch bestimmte Stilmittel. Im Hebräischen ist der "Parallelismus" (membrorum) die Form der Gestaltung.

2.21 Hiob    

Gliederung des Buches Hiob

Rahmenerzählung - Hiobdichtung

Reden der drei Freunde

Rahmenerzählung

Erweiterung der Rahmenerzählung

2.22 Psalmen    

Das Buch der Psalmen oder der Psalter ist eine Sammlung von 150 hebräischen Dichtungen.

Gliederung des Buches der Psalmen

Fünf Bücher als Vorbild vermutlich des Pentateuchs

1. Buch 1-41

2. Buch 42-72

3. Buch 73-89

4. Buch 90-106

5. Buch 107-150

Psalmgattungen

Klagelied

Danklied

Hymnus

- - -

Schöpfungspsalm

Weisheitspsalm

Königspsalm

Geschichtspsalm

2.23 Sprüche    

Gliederung des Buches der Sprüche

Weisheitliche Mahnreden

Sammlung von Weisheitssprüchen

2.24 Prediger    

Thematische Zusammenhänge

Grenzen des Lebens (Zufall, Zeit, Tod)

König und Gott

Armut und Reichtum

Grenzen weisheitlicher Lehren

Leben angesichts der Grenzen

Motto

2.25 Hohelied    

Gliederung des Buchs Hohelied

Zusammenstellung von Liebesliedern

Teil einer Hochzeitsliturgie

freie Dichtungen

2.26 Einführung in die Prophetie 8. Jh.    

Prophetie beruht auf einer speziellen Art von Erfahrungen in Auditionen (Botschaften einer höheren Macht) und Visionen, formuliert in Aussagen auf die Zukunft gerichtet.

2.27 Jesaja I    

Gliederung des Buches Jesaja I

Gericht über Israel

Gericht über fremde Völker

Jesaja-Apokalypse

Heil für Israel

2.28 Hosea    

Gliederung des Buches Hosea

Die Ehe Hoseas als Zeichen

Gericht und Heil für Israel

Umkehr und Heil

2.29 Amos    

Gliederung des Buches Amos

Gericht gegen die Fremdvölker und Juda

Gericht über Israel

Visionszyklus und Prophetenbericht

Heil für Israel

2.30 Micha    

Gliederung des Buches Micha

Unheil über Israel

Heil für Jerusalem

Unheil über Israel

Heil für Jerusalem

2.31 Einführung in die Prophetie vom 7. bis zum 2. Jh. v. Chr.    

Begründet wurde die prophetische Tradition im achten Jahrhundert von Jesaja, Hosea, Amos und Micha mit einer Verschriftlichung der Prophetenbücher (Schriftprophetie). Das Prophetenbild orientiert sich literarisch zunehmend an einem Ideal.

2.32 Jeremia    

Gliederung des Buches von Jeremia

Gerichtsankündigung über Juda und Jerusalem

Prophetenlegenden mit Heilsworten

Legenden über den leidenden Jeremia

Fremdvölkerworte

Historischer Bericht

2.33 Klagelieder    

Gliederung des Buches Klagelieder

Jerusalem gleicht einer klagenden Witwe

Zustand Jerusalem wird beklagt

Israelit beklagt seinen Situation

Bitte um Zuwendung Gottes

2.34 Hesekiel/ Ezechiel    

Gliederung des Buches Hesekiel

Gericht über Jerusalem und Juda

Gericht über Fremdvölker

Heilsankündigung

Vision der Heilszeit

2.35 Jesaja II (Deuterojesaja)    

Gliederung des Buches Jesaja II

Ankündigung des Kyros

Das Handeln Gottes

2.36 Jesaja III (Tritojesaja )    

Gliederung des Buches Jesaja III

Verstöße gegen das Recht

Die nahe Herrlichkeit Zions

Heil und neue Schöpfung

2.37 Sacharja II und III    

Gliederung des Buches Sacharja II und III

Der Friedenskönig und die schlechten Hirten in Israel-Zukunftshoffnung

Bedrängnis und Läuterung am Tag des Herren -Enttäuschung Realität

2.38 Maleachie    

Gliederung des Buches Maleachi

Wort Gottes durch Maleachi ("meinen Boten")

Streitgespräche

2.39 Die übrigen Propheten    

Joel-Heuschreckenplage-Kulthandlung-Orakel/ Heilszusage

Obadja-Konflikte mit Edomiter

Nahum-Vernichtung Ninives

Habakuk-Erwartung des Ansturms der Babylonier/ "Chaldäer"

Zefanja-Zeit von König Josia Juda-armes und geringes Volk

3 Judentum    

Die Beschäftigung mit jüdischer Religion und Kultur in Bibelkunde gehört zum Grundwissen des AT und NT (HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 79-113). Sie stellt auch einen Beitrag zur Prävention eines Antisemitismus dar (DICHATSCHEK 2022c).

3.1 Richtungen im Judentum    

Zur Zeit Jesu war das Judentum kein einheitlicher Block. Josephus (um 90 n. Chr.) nennt in seinen Werken vier Strömungen, die Pharisäer, Sadduzäer, Essener, antirömische Aufstandsgruppen wie die Zeloten und Sikarier. Auch das Urchristentum war ursprünglich eine jüdische Gruppierung.

Mit der Zerstörung des Tempels 70. n. Chr. kommt es zu einer Phase des "formativen Judentums" (Zentrum nicht mehr Jerusalem, jetzt Jabne), In der Folge des "rabbinischen Judentums", mit dem Zentrum das Gebot und die Torah kommt die Neuausrichtung des Judentums - Joachnan ben Zakkaj und Rabbi Akiba aus der pharisäischen Richtung.

Die anderen Richtungen versanken in Bedeutungslosigkeit. Das hellenistische Judentum Alexandriens endete nach dem Aufstand unter Handrian um 20. n.Chr.

Im Lehrhaus von Jabne (70-132 n.Chr.) waren Synagogen der einzige Ort von Gottesdiensten mit einer weitreichenden Liturgiereform (Gamaliel II wird mit den Römern Fürst, Patriarch/ "Nasi"). Unter die Häretiker fiele auch die "Judenchristen", die Jesus als Messias benannten (Joh 9.22, 12.42, 16.2).

Nach dem Aufstand gegen Rom wird Jerusalem unbenannt zu "Aelia Capitolina", das Hl. Land wird zu "Palästina" (Philisterland). In dieser Zeit wird das geistige Zentrum des Judentums von Jabne nach Galiläa verlegt (Bet Schean, Seppboris). Die mündliche Lehrtradition wird gesammelt und als "Mischna" schriftlich niedergelegt. An die Phase schließt sich eine Diskussion über die Torah mit der Entstehung der beiden Talmude (5./ 6. Jh. n. Chr.).

Das Judentum im Mittelalter ereignet sich im wesentlichen im Mittelalter in der Diaspora. Kennzeichnend ist die Gelehrsamkeit, der Antagonismus zwischen Kirche und Synagoge. Die Schwerpunkte jüdischer Kultur lagen zunächst in Mesopotamien, in der Folge in Nordafrika und dann in Spanien. Durch die arabische Eroberung kommen große Teile des mittleren Ostens und des Mittelmeerraumes unter islamische Herrschaft, in der Juden mit hoher Sondersteuer leben konnten.

In Spanien und Portugal entwickelten sich das "Sephardische Judentum" (hebr. Sapharad = Spanien, vgl. Obadja 20) mit speziellen kulturellen und liturgischen Traditionen. Nach der Vertreibung 1492 bzw. 1496 gründeten die Nachfahren Gemeinden in den Niederlanden, England, Amerika und im Osmanischen Reich.

Im nördlichen, zentralen und östlichen Europa entwickelte sich das aschkenasische Judentum (hebr. Aschkenas = Deutschland nach Gen 10) mit unterschiedlicher hebräischer Aussprache, Ritus und in der Liturgie. Heute gibt es beide Prägungen im Judentum, in Israel jeweils einen Oberrabbiner.

Im christlichen Herrschaftsbereich standen Juden stets außerhalb der Gesellschaft. Vorurteile und Vertreibungen waren kennzeichnend.

Die Reformation brachte keine Änderung. Erst in der europäischen Aufklärung beginnt das moderne Judentum. Voraussetzung ist weniger Kirchenmacht durch die Säkularisierung und den Beginn einer bürgerlichen Gesellschaft. Basis für ein neuzeitliches jüdisches Denken mit religiösen Entwicklungsprozessen schuf der Philosoph Moses Mendelssohn (1729-1786).

Modernes Judentum ist die Fortsetzung des von Mendelssohn einsetzenden Prozesses mit vielen Facetten (vgl. ROSENTHAL-HOMOLKA 2000, 9-10, 181-183). Die Vielfalt soll deutlich werden. Das moderne nicht-orthodoxe Judentum ist als legitime und nicht defizitäre Form einer jüdischen Identität anzusehen. Anders als im Christentum sind es nicht Glaubensinhalte in den verschiedenen Strömungen. Vielmehr geht es um die religiöse Praxis ("Halacha") und deren Interpretation mit dem unterschiedlichen Verständnis der Offenbarung. Heute sind die maßgeblichen Richtungen im Judentum das konservative Judentum, der Rekonstruktionismus, das orthodoxe Judentum und der Chassidismus. Jede Richtung ist in sich noch einmal differenziert.

3.2 Volk Gottes    

Das jüdische Volk führt seinen Ursprung auf Abraham zurück, der von Gott berufen wird als Stammvater eines großen Volkes (Gen 12, 1-3).

Im traditionellen jüdischen Denken erhält die Vätergeschichte eine grundlegende Funktion für das Selbstverständnis. Ebenso wesentlich ist die Erfahrung der Befreiung beim Auszug aus Ägypten - Passah-Abend mit Seder-Mahl (Ex 14-15). "Gott hat Israel ausgewählt".

3.3 Torah    

Die Torah beschreibt das Verhältnis von Menschen zu Gott gestaltet werden kann/ soll und gibt Orientierungshilfen.

  • Nach biblischer Überlieferung hat Gott mit Abraham und seinen Nachkommen einen "Bund" geschlossen (Gn 15). Am Sinai wird Moses die Tora geoffenbart.
  • Wie der bei der "Erwählung" handelt es sich beim Bund um eine theologische Kategorie.
  • Im Judentum hat sich die Vorstellung entwickelt, dass der wichtigste Teil der Bibel sich in den fünf Büchern Moe findet. Die Hauptaufgabe der Propheten besteht darin, die Torah aktuell auszulegen, dass aber auch die Lehrentscheidungen der Rabbinen die Torah darstellen.
  • 613 Mizwat ("Anweisungen"), 248 Gebote und 365 Verbote hat man traditionell im Pentateuch gezählt. Darüber hinaus gilt als "mündliche Torah" als Quelle der "Halacha", die den Lebenswandel regelt. Im 2. Jh. wurde die mündliche Torah schriftlich kodifiziert in Form der "Mischna" durch Rabbi Jehuda. Die "Gemara" bildet die Diskussion der Gelehrten in der Folge. Sie ist gesammelt im "Talmud" (Lehre).
  • Der Talmud existiert in zwei Fassungen, entstanden einmal in der Diaspora in Babylonien (Babylonischer Talmud oder "Bavli" im 6.Jh.n.Chr.) und einem in Israel entstandenen (Jerusalemischer Talmud oder "Jeruschalmi" bzw. Palästinischer Talmud im 5.Jh.n.Chr.) Eine heutige Talmudausgab besteht aus zwei Teilen, der Mischna und der Gemara (zur Einführung in den Talmud's BERGLER 1989; HEILINGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 89).
Der größte jüdische Gelehrte des Mittelalters Rabbi Mosche ben Maimon ("Maimodines" 1135-1204) ordnete den Traditionsstoff systematisch geordnet und in "Mischne Torah" ("Wiederholung der Torah") kodifiziert. Am Kommentarbeginn zum Traktat Sanhedrin Kap.v10 werden 13 Glaubensgrundätze formuliert("Ikkurim"). Diese sind in den meisten Gebetsbüchern Bestandteil des Gottesdienstes (nicht unumstritten; vgl. WYSCHOGROD 2001, 12).

Forschung und Interpretation der Torah ist die Aufgabe der Rabbiner ("Schriftgelehrte"). Häufig haben sie auch einen anderen Beruf erlernt. Im modernen Reformjudentum sind auch Frauen zugelassen.

Der letzte Tag des jährlichen "Laubhüttenfestes" im Herbst trägt den Namen "Simchat Torah" ("Torahfreude"). Die Torah als Gottes Wille ist Anlass zur Freude (mitunter Tanz mit Torah im Arm im Gottesdienst).

Das vom AT geprägte Judentum gilt als Religion der Werkgerechtigkeit, in der man sich das Heil verdienen müsse. Der Weg sei durch das Gesetz ("Torah") vorgezeichnet. Das Christentum dagegen ist als die Religion der Liebe, in der der Glaube den Weg zum Heil darstelle, dem jüdischen Verständnis genau entgegengesetzt.

Alttestamentliches und auch jüdisches Denken konnte dadurch entstehen, dass Torah und Erwählung bzw. Gesetz und Bund voneinander getrennt wurden, dass nicht mehr die Zusage Gottes "Ihr sollt mein Volk sein" als Voraussetzung für die Aufgabe "lebt dementsprechend" gesehen wurde (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 90).

Israel hat das Handeln Gottes zum Anfang seiner Geschichte als Offenbarung verstanden (vgl. Exoduserfahrung als grundlegende Bedeutung). Das AT enthält kein abgeschlossenes Gottesbild. Das Gottesverständnis wird von der jeweiligen Welterfahrung formuliert > nomadische Väterzeit "Gott geht mit" > Zeit der Sesshaftigkeit Auseinandersetzung mit kanaanäischen Kulten (1 Kön 18) > "Heno-Theismus" > universale Gottesherrschaft

3.4 Einheit Glauben und Leben    

Das Grundbekenntnis ("Schema Israel") Israels mit zwei religiösen Symbolen wird aus dem Text von Dtn 6,4-9 mit "Mesusa" ("Türpfosten") und "Terfillin" ("Gebetskapseln" bzw. "Gebetsriemen") gewonnen (vgl. HEILKIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 92).

Die Mesusa wird in jedem Haus bzw. Wohnungseingang und jedem Tor zu Erinnerung an die Gegenwart Gottes in der Richtschnur der Torah angebracht.

Auch die beiden Terfillin an Kopf und linkem Arm haben den Sinn, zu erinnern an das von Gott geregelte Denken und Tun. Vor dem Anlegen der Terfillin wird ein Gebetsmantel bzw. Gebetsschal (eingehüllt in die Gegenwart Gottes) aus natürlichem Material umgelegt. Männer tragen traditionell die Kippa ("Käppchen").

Die Gebetszeiten im Tageslauf orientieren sich an die ehemaligen Zeiten der Opfer im Tempel (Morgen-, Nachmittags- und Abendgebet sind Grundlage der Gebetsgottesdienste in der Synagoge).

3.5 Speisengebote    

Die jüdischen Speisevorschriften ("Kaschrut") sind historisch gesehen sehr alte Bräuche mit dem Rückbezug auf kultische Vorgänge wie antike Vorstellungen von Heiligkeit und ritueller Reinheit, Tabuvorstellungen, auch Tierschutz (vgl. Askesevorschriften anderer Religionen; HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 20ß0, 94).

Eingeteilt sind Speisen in drei Gruppen "koscher" sauber, erlaubt, "terefah" verboten, untauglich, "parve" neutral (vgl. MEIR 1984, 100-101). Tiere etwa gelten als rein, wenn sie gespaltene Huf haben und Wiederkäuer sind. Fische gelten neutral, müssen Schuppen haben. Fleisch lebender oder gerissener Tiere oder Aas sind verboten. Nicht rituell geschlachtete Tiere gelten als Aas. Obst gilt als neutral. Grundsätzlich verboten ist das Blut (Lev 17,11; vgl. Schächtung). Die Unterscheidung von Gesäuertem und Ungesäuerten gilt für das Passah-Fest (Ex 21,18). 7 Tage wird ungesäuertes Brot ("Mazza") in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten gegessen.

Die traditionellen Speisegebote stellen neben der religiösen Bedeutung ein kulturelles Erbe dar. Ihr Sinn erschließt sich aus dem Entstehungsort (diskulturelles Erbe, Sinn ergibt eine Distanzierung von anderer religiöser Praxis, klimatische und geographische Gegebenheiten).

3.6 Sabbat    

Sabbat gilt im Judentum als höchster Feiertag außer dem Versöhnungstag "Jom ho-Kipurrim" (Lev 16). Die Einhaltung beginnt am Vorabend und dauert von Sonnenuntergang ("Erev") bis zum Eintritt der Dunkelheit am folgenden Samstag > https://de.wikipedia.org/wiki/Schabbat 15.9.2022).

Die Theologie des Sabbat kehrt in jeder jüdischen Glaubensaussage wieder - Schöpfung-Exodus-Gabe der Torah-Landgabe-Exil-Rückkehr-messianische Vollendung. Prophetische Belegstellen kommen verstärkend dazu (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 95-96).

Die Aufforderung, nicht zu arbeiten, bedarf einer genaueren Bestimmung. Die Rabbinen haben "Arbeit" weiter aufgefächert, 39 Hauptarbeiten definiert und präzisiert. Ziel ist den Willen Gottes zu erfüllen. Wenn das Arbeitsverbot mit anderen Geboten, etwa Leben zu erhalten (Lev 18.5), in Konflikt kommt (vgl. "Du sollst nicht töten"), muss diskutiert werden, welches Gebot den Vorrang hat. In einer Zeit der Diskussion um Sonntagsarbeit, können Impulse aus der Sabbatpraxis auch für Christen neu Bedeutung gewinnen.

3.7 Festkalender - Feste im Leben    

Drei Kategorien von Festen sind unterscheiden.

  • Etwa Feste in der Torah angeordnet (Neujahr und Versöhnungstag mit Bußtagen dazwischen, Passah- und Laubhüttenfest),
  • Tempelweihfest ("Chamukka"), kleinere Fest- und Fasttage (Neujahrsfest der Bäume bzw. Frühlingsfest, Festtag wegen der Belagerung Jerusalems, Festtag der Ester, Holocaust-Gedenktag und Unabhängigkeitstag.
IT-Hinweise

https://religion.orf.at/stories/3214730 (25.9.2022) - Neujahr

https://religion.orf.at/stories/3215407/ (7.10.2022) - Laubhüttenfest

Im Judentum spielt die "Kultur der Erinnerung" eine größere Rolle als im Christentum. Erinnerung soll so festlich begangen werden, dass man möglichst mit ihr gleichzeitig wird (vgl. "Pesachfest" so, als sei man selbst aus Ägypten ausgezogen).

Bestimmte Feste im Leben bedeuten wesentliche Abschnitte wie die Beschneidung männlicher Nachkommen mit der Aufnahme in den Bund Abrahams ("Berit Mila"), der Eintritt in die Religionsmündigkeit ("Bat Mizwah") nur bei männlichen Jugendlichen, die Eheschließung ("Chuppa") und das Begräbnis. Bei allen Anlässen gibt es Riten und Gebräuche in der Familie und der Synagogengemeinde.

Aus historischen Gründen stehen die Männer im Vordergrund. Diese Ordnung wird zunehmend nicht mehr akzeptiert und deshalb aufgebrochen, nicht nur im liberalen oder reformierten Judentum (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 97).

3.8 Jesus der Jude    

Jesus von Nazareth verkündigt den Gott Israels. Der Theologe und Orientalist Julius WELLHAUSEN hat den folgenden Satz geprägt: " Jesus war kein Christ, er war Jude" (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 97-99). Die Aussage klingt für Christen befremdlich. Die christliche Kunst hat Jesus stets so dargestellt, als gehöre er in ihre Epoche.

Jesus war Jude. In der Reformationszeit wurde dies erstmals vom frühen Martin Luther hervorgehoben in seiner Schrift "Dass Jesus Christus geborener Jude sei" (1523).

Er wurde als Jude geboren, Er lebte und starb als Jude seiner Zeit. Am achten Tag wurde er beschnitten und erhielt den hebräischen Namen Jeschua (Luk 2.21). Er folgte wie seine Familie und sein Jünger den überlieferten Gebräuchen und Bestimmungen seines Volkes (Lk 2.22-24, Mk 1.44). Er lebte nicht nur in einem jüdischen Umfeld, auch die wichtigen Themen seiner Botschaft wie etwa Umkehr, Gottesherrschaft, Barmherzigkeit Gottes, Gerechtigkeit, Gottes- und Nächstenliebe sind nur in jüdischer Tradition richtig zu deuten. Deutlich wird seine Botschaft bei den Adressaten, nahezu ausschließlich Israel (vgl. Mt 15,24; 10.5). Es gibt nur wenige Beispiele für Begegnungen mit Heiden (vgl. Mk 7.24-30, Lk 7.1-10), die eher die Ausnahme blieben.

Jesus und die vielen Konflikte mit seinen Gegnern im NT bedeuten keineswegs eine Überwindung des Judentums mit seinen verschiedenen Gruppierungen. Am nächsten stand er den Pharisäern, auch wenn im NT häufig sie pauschal als Gegner Jesu auftreten (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 98).

3.9 Tod Jesu    

Beim Vorwurf "die Juden" seien schuld am Tod Jesu, handelt es sich um einen einmaligen Vorgang in der Geschichte. Menschen werden für Dinge verantwortlich gemacht, die Vorfahren - wenn überhaupt - vor zwei Jahrtausenden begangen haben (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 101-102). Die Anfänge dafür liegen bereits im NT, wenn dort pauschal von dem "ganzen Volk" oder "den Juden" die Rede ist, die Jesu Tod gefordert hätten (vgl. etwa Mt 27,25; Joh 19,2).

Es zeigt sich in den Evangelien die Tendenz, die Verantwortung für Jesu Tod den Vertretern der jüdischen Seite aufzuerlegen und Pilatus und die römische Seite davon zu entlasten. Dies kann damit erklärt werden, dass das Auseinandergehen der Wege von Judentum und Christentum sich auch in der Überlieferung der Jesusgeschichte niederschlägt (vgl. KRAUS 1998, 207-228).

Die Darstellung der Evangelien kann nicht als historische Nachzeichnung des Prozesses Jesus angesehen werden. Zu groß sind die Differenzen zwischen den einzelnen Evangelien und auch die rechtshistorischen Probleme. Es lag auch nicht in der Erzählabsicht der Evangelisten historisch objektiv zu berichten.

Nach heutigem Stand der Erkenntnis kann man davon ausgehen, dass es eine Anzeige bzw. Anklage jüdischer Repräsentanten beim römischen Präfekten Pontius Pilatus gab, weil man der Meinung war, Jesus sei eine Gefahr (vgl. "Tempelaktion"). Die "Kapitalgerichtsbarkeit" (Recht auf Todesurteile auszusprechen und zu vollziehen) lag eindeutig auf Seiten der Römer. Bei der Verurteilung und Hinrichtung werden politische Erwägungen eine Rolle gespielt haben (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 101). Der Vorwurf der Judenschuld ("Gottesmord") hat in der Kirche eine fatale Wirkungsgeschichte. Die Aussage vom Gottesmord und der Völkermord im 20. Jahrhundert stehen in einer inneren Beziehung. Damit ist auch die antijüdische Haltung unter Christen von Bedeutung erklärbar.

3.10 Antisemitismus    

Judenfeindschaft ist keine christliche Erfindung, schon vor Entstehung des Christentums und außerhalb des christlichen Bereiches (vgl. Ester 3,13, Tacitus und Juvenal; HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 102-103).

Der Begriff "Antisemitismus" wurde von Wilhelm MARZ 1879 publizistisch instrumentalisiert. Inhaltlich ist er deswegen problematisch, weil "semitisch" die Bezeichnung für eine Sprachfamilie ist (vgl. dazu Arabisch und Chaldäisch). Der Begriff umfasst religiöse, kulturelle, soziale, rassistische und pseudoreligiöse Vorwürfe (präziser wäre für die damalige Zeit "Antijudaismus").

Die in einigen Stellen des NT antijüdischen Motive behandeln "innerjüdische Polemik" (vgl. die verheerende Rolle von Mt 27,25). Im Mittelalter stehen Juden zumeist am Rande der Gesellschaft (vgl. Gettorecht). Der Volksaberglaube sucht einen Sündenbock für gesellschaftliche Probleme. Es entstehen falsche und absurde Vorwürfe wie Brunnenvergiftung, Hostienfrevel und Ritualmord. In der frühen Phase Martin Luthers Wirken schreibt er in den überkommenen Denkschemata und polemisiert gegen Juden und jüdische Religion (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 103).

Der rassistische Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert verbindet sozialdarwinistische Rassentheorien mit religiösen, weltanschaulichen, psycho-sozialen und politischen Motiven. In kirchliche Kreise kommt dieser Antisemitismus begünstigt durch gesellschaftliche Umstände.

Nach der Staatsgründung Israels 1948 lässt sich in einigen Staaten ein offener oder verdeckter Antisemitismus - mit politischen Argumenten verbunden - nachweisen (vgl. TILLY 2003, 67-75).

3.11 Zionismus    

Anders als bei Christen hat das "gelobte Land" für Israel und das weltweite Judentum religiöse Bedeutung. Wie schon im AT und der talmudischen Überlieferung gibt es über die Grenzen des Landes unterschiedliche Auffassungen. Viele Gebote der Torah sind an das Land gebunden. "Heilig" ist das Land, weil es Gottes Eigentum darstellt und Israel zum Erbbesitz anvertraut ist(vgl. HEILINGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 103-105). In der Antike wurde dem Volk Israel durch die Römer die staatliche Existenz genommen. Juden wurde sogar seit dem 2. Jahrhundert verboten, in Jerusalem zu wohnen.

Die Sehnsucht nach einer Rückkehr zum Zion hat sich durch alle Jahrhunderte in Gebeten und religiösen Texten erhalten (vgl. GEIS 1961, 205-231). Ende des 19.Jh. bzw. Anfang des 20.Jh. entstand vor allem durch die Pogrome an Juden in Osteuropa die politische Bewegung des "Zionismus". Ein wichtiger Vertreter war Theodor Herzl (1860-1904) mit seinem Buch " Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage"(1895) in der politischen Durchsetzung (vgl. KRUPP 2001). Viele Gruppierungen sammelten sich in diesem Bestreben wie sozialistische, bürgerliche, religiöse und völkisch-nationale. In Deutschland fand der Zionismus zunächst keine große Anhängerschaft, da Juden überwiegend assimiliert waren und "deutsch-national" dachten (deutsche Bürger mosaischen Glaubens).

Bei der Gründung der Staates Israel 1948 spielten politische Überlegungen, religiöse Erwartungen und Erfahrungen der Verfolgung in der NS-Zeit eine Rolle. In den Vereinten Nationen (UN) hatte sich die Erkenntnis eines Schutzes eines Staates durchgesetzt (völkerrechtliche Anerkennung/ Existenzrecht, Friedenslösung im Nahen Osten).

3.12 Christlich-jüdischer Dialog    

In dem Gespräch zwischen Christen und Juden hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine neue Wahrnehmung des Judentums ergeben, auch das christliche Selbstverständnis wurde neu angeregt (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 105-111).

Entscheidend war auf der Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Erklärung von Berlin-Weissensee 1950 und die Studien von 1975, 1991 und 2000 (vgl. HENRIX-KRAUS-RENDTORFF 2001).

Ein beliebter Text im christlich-jüdischen Dialog findet sich im Röm 9-11 zum Verhältnis der Zusage Gottes an Israel und der Botschaft einer Erlösung aller Menschen durch Christus.

Die folgenden Punkte erläutern die Beziehung von Juden und Christen heute (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 109).

- Juden und Christen beten den gleichen Gott an.

- Juden und Christen stützen sich auf das gleiche Buch (welches Juden "Tenach" und Christen "AT" nennen).

- Christen respektieren den Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel.

- Juden und Christen anerkennen die moralischen Prinzipien der Torah.

- Der Nazismus war kein christliches Phänomen.

- Der Unterschied zwischen Juden und Christen wird nicht eher ausgeräumt werden, bis Gott die gesamte Welt erlöst haben wird, wie es die Schriften prophezeien.

- Ein erneuertes Verhältnis zwischen Juden und Christen wird die jüdische Praxis nicht schwächen.

- Juden und Christen müssen sich gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen.

Erklärung der Generalsynode der Evangelischen Kirche in Österreich 1998

https://evang.at/wp-content/uploads/2015/07/umkehr_011.pdf (12.9.2022)

4 Das Neue Testament    

Die Evangelien Mt, Mk und Lk stimmen in Inhalt, Aufbau und Wortlaut weitgehend überein, dass sie im Spaltendruck parallel (synoptisch) gedruckt werden können. Mit "synoptischer Tradition" bezeichnet man die Stoffe der Jesusüberlieferung, die sich in Mt, Mk und Lk finden (vgl. BORMANN 2014, 176-178).

Jo weicht im Aufbau und Wortlaut ab. Man spricht von einer eigenständigen Tradition. Eine textliche Nähe findet man in den Perikopen (Abschnitten) Hauptmann von Kapernaum, Wundersame Speisung und Sturmstillung sowie Passionsgeschichte.

4.1 Markusevangelium    

Gliederung in drei Teile

Jesu Wirken in Galiläa - Der Täufer und Jesus, Jünger, erste Heilungen, erste Konflikte, Jesu große Taten und Reden (Gleichniskapitel), Hinwendung zu den Heiden

Jesu Weg nach Jerusalem - Person Jesu, Leben in der Gemeinde

Jesu Wirken in Jerusalem - Auftreten und im Tempel, Jesu lehrt im Tempel, apokalyptisch Rede, Jesus und die Jünger, Gefangennahme-Prozess-Hinrichtung-das Grab

4.2 Lukasevangelium    

Der Verfasser legt großen Wert auf einen Erzählstil, etwa die Emmauserzählung als eindrucksvolle Erzählung im NT, die bekanntesten Gleichnisse als Sondergut (barmherziger Samariter, verlorener Sohn, reicher Mann und armer Lazarus), Jesus in Nazareth, Berufung von Petrus oder von Maria und Martha.

Gliederung in vier Teile

Vorgeschichte - Ankündigung der Geburt des Täufers und Geburt Jesu, Begegnung zwischen Maria und Elisabeth, Geburt und Begrüßung Johannes des Täufers, Geburt und Begrüßung Jesu, der zwölfjährige Jesu im Tempel

Jesu Wirken in Galiläa und Judäa - Auftreten Jesu und des Täufers, Jüngergemeinschaft, öffentliche Rede Jesu, Ereignisse in Galiläa

Reisebericht - Jüngerunterweisung, Auseinandersetzung mit dem Volk, Lehre und Reisefortsetzung

Jesus in Jerusalem - Verkündigung in Jerusalem, Passion, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu

4.3 Matthäusevangelium    

Matthäus folgt dem Aufriss des Markusevangeliums. Jesus kommt von Galiläa, zieht nach Jerusalem. Den Jüngern erscheint er in Galiläa. Seine Lehre steht ganz im Kontext der Erwartungen des syrisch-palästinensischen Judentums. Unterschieden wird zwischen "Heiden" und Juden und Jesusanhängern. Von Interesse ist die Schärfe der "Pharisäerrede" Mt. 23 (vgl. BORMANN 2014, 210-212).

Gliederung in vier Teile

Stammbaum Jesu und Vorgeschichte - Stammbaum, Geburt und Gefährdung des Messias

Jesu Wirken in Galiläa und Judäa - Beginn des Wirkens, Die Bergpredigt, Jesu große Taten, Jesus und die Jünger, Feindschaft und Unglauben der Juden, Gleichnisse, Probleme der Gemeinde

Wirken in Jerusalem - Handeln und Lehre Jesu, Rede gegen die Pharisäer, Rede über die Endzeit

Jesu Leiden, Sterben und Auferstehung - Jesus und die Jünger, Der Prozess, Hinrichtung und Grablegung, Die Auferstehung

4.4 Johannesevangelium und drei Johannesbriefe    

4.4.1 Johannesevangelium    

In Kenntnis von Mk und Lk ist ein eigener Text abgefasst. Auffallend sind im Vergleich zu den Synoptikern die Anzahl der Jesusaufenthalte in Jerusalem Joh 2,3,5,7. Eine große Nähe zu den Synoptikern liegt im Passionsbericht (Joh 12 und 18-20). Zwei Textformen sind hervorzuheben die Wundergeschichten bzw. Wunderhandlungen und die "Ich-bin-Worte" (Rekognitionen) (vgl. BORMANN 2014, 225-236).

Wunderhandlungen

Weinwunder zu Kana

Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten in Kapernaum

Heilung eines Gelähmten

Speisung der 5000

Seewandel

Heilung des Blindgeborenen

Auferweckung des Lazarus

- - -

Bekannteste Ich-bin-Worte

Ich bin das Brot des Lebens

Ich bin das Licht der Welt

Ich bin die Tür zu den Schafen

Ich bin der gute Hirte

Ich bin die Auferstehung und das Leben

Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben

Ich bin der wahre Weinstock

- - -

Gliederung in vier Teile

Der Prolog

Jesus vor der Welt - Jesus und der Täufer-Tempelreinigung, Samaria und Galiläa-Aufenthalt in Galiläa, Auferweckung des Lazarus, Einzug nach Jerusalem

Jesus und die Seinen - Das letzte Mahl und die Abschiedsreden, Passion, Leeres Grab und Erscheinungen des Auferstandenen

Nachtrag - Jesus am See Tiberias, Beauftragung des Petrus, Buchabschlussformel

4.4.2 Johannesbriefe 1. - 3. Johannesbrief    

Der 1. Johannesbrief hat keine Adressatenangabe und nennt keinen Verfasser. Der 2. Johannesbrief ist an die "auserwählte Herrin und ihre Kinder" und der 3. Johannesbrief ist an den Presbyter (Ältester)" - beide Briefe geschrieben von einem namenlosen Presbyter - gerichtet (vgl. BORMANN 2014, 236-237).

Der 1. Johannesbrief behandelt ähnlich wie das Johannesevangelium die Themen Gottessohnschaft Jesu, das Liebesgebot und die Gemeinde mit der Bruderliebe. Im Schlussteil werden die Bekenntnisgrundlagen hervorgehoben.

Der Verfasser des 2. und 3. Joh gilt als der Presbyter von dessen Wirken in Ephesus berichtet wird. In allen Johannesbriefen findet eine Auseinandersetzung mit Irrlehren oder mit Streitigkeiten in den Gemeinden statt.

4.5 Die Apostelgeschichte    

Geboren um das Jahr 0 schließt Paulus sich in der Folge den Pharisäern aktiv an, verfolgt die Gemeinde der Jesusanhänger und wird durch eine Erscheinung des Auferstandenen Jesus bei Damaskus ca. 32 n. Chr. zum Apostel berufen (Gal 1.15-19). Drei Jahre ist er in der Mission der Christusbotschaft in Arabia/ Petra tätig, kehrt nach Damaskus zurück und wird vom Statthalter des Nabatäerkönigs Aretas verfolgt und muss fliehen.

Um 35 n.Chr. besucht er Jerusalem und bespricht sich mit den wichtigen Männern der Gemeinde Petrus und Jakobus. Mit Barnabas aus Antiochien führt er eine eigenständige Mission in Kleinasien durch (Gal 1, 21-24). Um 48 besucht er mit Barnabas und Titus die Gemeinde Jerusalem und auf dem "Apostelkonvent" wird die Heidenmission vereinbart und Jerusalem die Judenmission durchführt. Um 49 folgt ein Streit ("antiochenischer Zwischenfall").

Paulus beginnt mit einer unabhängigen Mission. Er zieht durch Galatien und gründet Gemeinden. Er gelangt nach Philippi und Thessaloniki und gründet trotz Spannungen überall Gemeinden. Über Athen kommt er nach Korinth, wo er 18 Monate bleibt. Er verfasst den 1. Thess. und kommt nach Ephesus 52 n. Chr. Dort schreibt er die meisten erhaltenen Briefe (1. und 2. Kor, Gal, Phlm und Phil). Vermutlich gerät er dort in römische Haft und muss einen Prozess auf Leben und Tod durchstehen und bleibt zwei bis drei Jahre. Danach zieht er durch Makedonien nach Korinth.

In der Folge kommt er wieder nach Jerusalem, wird verhaftet und nach Cäsarea gebracht. Zwei Jahre später gelangt er nach Rom, vor den Kaiser geführt (Apg 21, 15-28), steht zwei Jahre in einer Wohnung unter Arrest und verkündet das Evangelium ungehindert (vgl. BORMANN 2014, 240-251).

Gliederung

Petrusteil - Jerusalemer Urgemeinde-Himmelfahrt Jesu und Pfingsten, Urgemeinde, Mission in Samaria, Galiläa, Antiochia, Zypern und Kleinasien, Apostelkonvent

Paulusteil - paulinische Mission-Mission in Philippi, Thessaloniki, Athen und Korinth, Reisen nach Ephesus, Makedonien, Griechenland, Troas, Milet-Paulus in Jerusalem, Gefangennahme und Rom

Der wichtigste Text für eine theologisch und biographisch angemessene Sicht von Paulus ist 2. Kor 11.23 - 12.10. Sie ermöglichen eine Umgestaltung der Paulusdarstellung der Apostelgeschichte. Stichworte sind Pfingsten (Ausgießung des Heiligen Geistes) und Damaskus (Bekehrung).

4.6 Paulusbriefe    

Die Briefe des Paulus sind Gelegenheitsbriefe (Anfrage und Informationen). Die Mission lebt vom Austausch zwischen den Aposteln und seinen Gemeinden.

Es bleibt immer nur die Sicht des Paulus, vieles ist deswegen unsicher, etwa die Anliegen der Gegner. Man sollte unter den 13 Briefen des NT die echten von den Deuteropaulinen und den Pastoralbriefen unterscheiden können (vgl. BORMANN 2014, 251-271) .

4.6.1 Echte Pastoralbriefe    

1. Thessalonicherbrief

1. Korintherbrief

2. Korinherbrief

Philipperbrief

Brief an Philemon

Galaterbrief

Römerbrief

Alle geschrieben in einer Phase der eigenständigen Mission zwischen 49 und 56 n. Chr.

4.6.2 Deuteropaulinen    

Epheserbrief

Kolosserbrief

2. Thessalonicherbrief

Sie stehen den echten in Stil und Inhalt sehr nahe, aber es ist eher unwahrscheinlich, den gleichen Verfasser zu haben.

4.6.3 Pastoralbriefe    

1. Brief an Timotheus

2. Brief an Timotheus

Brief an Titus

Die Briefe sind an Einzelpersonen gerichtet und befassen sich mit Ämtern in den Gemeinden. Sie werden bisweilen bis in die ersten Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts datiert.

4.7 Übrige Schriften des NT    

Neben dem "Corpus Paulinum" gibt es noch sieben so genannte "Katholische Briefe" (vgl BORMANN 2014, 271-273).

Dazu zählen die beiden Petrusbriefe, die drei Johannesbriefe, der Judas- und Jakobusbrief.

4.8 Apokalyptische Literatur    

Die Bezeichnung "Apokalyptik" (Offenbarung) bezeichnet im wissenschaftlichen Gebrauch eine Denkweise, die die wahre Wirklichkeit (etwa den Willen Gottes) in einer jenseitigen Welt (etwa dem Himmel) verborgen sieht. Diese wahre Wirklichkeit ist diesem Denken, der Erfahrung und Forschen nicht zugänglich. Aus der jenseitigen Welt ("vom Himmel") wird sie "offenbart", durch Visionen und Auditionen mitgeteilt (vgl. BORMANN 2014, 276-287).

  • Der Apokalyptiker "empfängt" sein Wissen über die Zustände der Welt aus der jenseitigen Welt und wird dadurch frei von Zwängen und Bedingungen. Er hat Zugang zu einem geheimen Wissen, das ihn frei von Machtstrukturen macht.
  • Ein wichtiges Merkmal der Apokalyptik ist ein "Dualismus" oder ein dualistisches Weltbild. Die erfahrbare Welt ist zeitlich vorläufig, materiell gesehen dem Untergang geweiht und ethisch gesehen "schlecht", "sündhaft" und "gottlos". Der Apokalyptiker weiß um die Frist und richtet sich auf die nach ihr kommende wahre Wirklichkeit, die "neue Welt" mit göttlichen und gerechten Verhältnissen.
  • Die apokalyptische Literatur hat ihre Wurzeln vermutlich in der nachexilischen Prophetie Sacharjas und Tritojesajaa, auch in den Weisheitsspekulationen der ersten neun Kapitel des Sprüchebuches. Namensgeber sind biblische Gestalten, die in den Himmel entrück wurden, etwa Henoch (Gen 5,24) und Elia (2.LKön 2,11).
  • Grundzüge einer solchen Literatur finden in späteren Ergänzungen der Bibel bei Jesaja und Sacharja. Im NT sind das etwa Motive des Reiches Gottes, des Endgerichts und Totenauferstehung.
Unterschiede im neutestamentlichen Denken sind etwa die Gegenwart mit der frohen Botschaft (Evangelium) vom Kommen Gottes für alle, einer ethischen Verpflichtung daraus (Bergpredigt) und dem Liebeshandeln der Gemeinde und der besonderen Spannung zwischen "schon jetzt" (guten Willen) und "noch nicht" (vgl. Benennung "neutestamentliche Eschatologie").

Das Handeln der Christen bezieht sich etwa auf die Feindesliebe, Rechtsverzicht und Besitzverzicht ("eschatologische Ethik").

4.8.1 Buch des Propheten Daniel    

Das Danielbuch berichtet vom Ergehen und den Visionen des Israeliten Daniel im babylonischen Exil am Königshof. Daniel wird von Gott geschützt und zum Dank für seine Frömmigkeit mit besonderen Eigenschaften ausgestattet. Das Buch wird zum Zeugnis der Überlegenheit des Gottes Israels und seines Volkes über die Götzen der anderen Völker.

Gliederung

Frömmigkeit und Weisheit Daniels und seiner Freunde

Deutung des Traumes Nebukadnezars (vier Weltreiche)

Legende von Daniel und um seine Freunde

Daniel träumt von den vier Tieren und dem Menschensohn

Visionen Daniels

4.8.2 Die Offenbarung des Johannes    

Die Johannesoffenbarung berichtet vom Schicksal des gefangenen Johannes auf der Insel Patmos. Er empfängt eine Offenbarung mit dem Auftrag sieben Gemeinden Kleinasiens mitzuteilen (Sendschreiben an die Gemeinden).

Die Kritik an Rom mit der Chiffre "Babylon" ist scharf. Man datiert die Schrift deswegen in die späteren Jahre von Kaiser Dominitian (81-96 n. Chr.; Verehrung dominus et deus).

Gliederung

Johannes auf Patmos

Sieben Sendschreiben

Offenbarung der Zukunft

Die Thronvision

Das Buch mit den sieben Siegeln

Die Endereignisse

Das tausendjährige Reich

Das himmlische Jerusalem

Rahmenerzählung

II Kirchengeschichte    

Die Kirchengschichte steht zwischen der allgemeinen Geschichtswissenschaft (Methoden - Universalgeschichte) und der Theologie (Institution Kirche, Entwicklung christlicher Bekenntnisse, christliche Lehre, Ausbreitung des Christentums) und im Kontext der Religionswissenschaft, Philosophie und Sozialwissenschaften (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 231).

In der Folge wird ein grober Überblick über die Epochen gegeben. Schwerpunkt ist evangelische Kirchengeschichte mit Blick auf Deutschland (als Mutterland der Reformation).

5 Geschichte der Alten Kirche    

5.1 Die Urgemeinde    

Die Geschichte der Kirche begann mit einem historisch schwer erklärbaren Phänomen. Nach der Kreuzigung etwa im Jahre 30 liefen die Begleitenden nicht auseinander, sondern trafen sich in Fortsetzung der Tischgemeinschaften weiterhin in Privathäusern. Diese Jerusalemer Urgemeinde kannte kaum besondere Formen und feste Regeln. Sie lebte in Erwartung der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft (Parusie) ihres "Herrn" (kyrios) und der dann beginnenden Gottesherrschaft, deren Nähe Jesus verkündigt hatte. Erscheinungen wie das Zungenreden, wurden als Gabe des göttlichen (Heiligen) Geistes aufgefasst. "Geistgewirkt" spielte sich das Gemeindeleben ab.

Eine führende Stellung hatten die Jünger Petrus, Jakobus und Johannes sowie der leibliche Bruder Jesu Jakobus. Man kümmerte sich damals bereits um die Armen der Gemeinde und taufte diejenigen, die zur "Jesus-Bewegung" dazugehören wollten. Die Urgemeinde bewegte sich im Rahmen des Judentums, verstand sich aber als besondere Gruppe von "Herausgerufenen" (ekklesia = Kirche). Die Entwicklung einer eigenen Lehre begann, als man den Kreuzestod Jesu mit den Heiligen Schriften des Judentums (dem "Alten Testament") theologisch zu deuten versuchte. Jesus wurde als "Christus" bzw. "Messias" (= der Gesalbte) und "Sohn Gottes" Objekt religiöser Reflexion. Es ist umstritten, inwieweit bereits Jesus sich selbst als "Christus" gesehen hatte (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 232).

5.2 Judenchristen und Heidenchristen - Paulus    

Angezogen an die Urgemeinde wurden vor allem griechisch sprechende Juden (hellenistische Diaspora-Juden), die als Kaufleute von außerhalb nach Jerusalem kamen. Sie leiteten die Ablösung der "Jesus-Bewegung" vom Judentum ein (vgl. Widerstand des Judentums - Steinigung des Stephanus).

Neben Jerusalem wurde Antiochien ein Zentrum der "Jesus-Bewegung". Erstmals wurden die Anhänger von Außenstehenden als "Christen" bezeichnet. Judenchristen und Heidenchristen stritten um die Zugehörigkeit, ob ein Heide zunächst die jüdischen Gesetze beachten müsse. Auf dem "Apostelkonzil" ca. 48 in Jerusalem erreichte Paulus die Anerkennung. Er fundierte theologisch das Heidenchristentum (vgl. Röm, Gal) und die starke Ausbreitung durch seine Missionsreisen (Kleinasien und Griechenland, 50 bis 50 verfasste Briefe). Er erinnerte auch die Christen an die bleibende Erwählung Israels (vgl. Röm 9-11), was durch den Antijudaismus oft vergessen bzw. verdrängt wurde (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 233).

5.3 Kirchliche Strukturen im 2. Jahrhundert    

Ab etwa der zweiten Generation mussten die Christen mit einer zunehmend größeren Zahl von Gemeindegliedern und Mannigfaltigkeit festere Strukturen für ihr Zusammenleben finden. Die christliche Botschaft wurde nach einer Phase mündlicher Tradierung verschriftlicht. es entstand eine frühchristliche Literatur, bestehend aus einer Sammlung der Paulusbriefen und Schriften der "Apostolischen Väter" und den etwa jüngeren "apokryphen" Evangelien, Apostelgeschichten und Apokalypsen.

Aus den an die erwachsenen Täuflinge gerichteten Fragen erwuchs unter Aufnahme neutestamentlicher Bekenntnisformulierungen als Selbstaussage des Glaubenden und zum Lobpreis Christi ein Taufbekenntnis, aus dem später das apostolische Glaubensbekenntnis (Apostolicum) hervorging. Dieses diente als Fixierung der reinen apostolischen Lehre (Dogma) der Abwehr von "Irrlehre". Das in Verbindung mit einer normalen Mahlzeit gefeierte "Herrenmahl" in Erinnerung an das letzte Mahl (vgl. 1 Kor 11) wurde als sakramentaler Kultakt zum Zentrum des sonntäglichen Gottesdienstes.

Der um 115 hingerichtete Bischof Ignatius von Antiochien (einer der Apostolischen Väter) sieht das letzte Mahl gar als "Arzneimittel zur Unsterblichkeit". In der Folge ergibt sich sie Notwendigkeit der Ausbildung einer Bußdisziplin. Ferner entwickelt sich eine kirchliche Hierarchie mit dem Gedanken der apostolischen Sukzession (Vorstellung einer Weitergabe der Amtsvollmachten aus der Zeit der Apostel). mit den drei Ämtern des Bischofs, des Presbyters und Diakons, festen Gottesdienstordnungen (Liturgien), einem eigenen christlichen Festkreis, organisierten Barmherzigkeitspflege und freiwilligen Selbstbesteuerung (Zehenter).

Einen Impuls der Zusammengehörigkeit erhielt das frühe Christentum durch die latente Verfolgungssituation seit Kaiser Nero + 68 und die Grundlagenkrise vor allem durch die Lehren der Gnosis mit Suche nach Gotteserkenntnis, welche Menschen weckt und innere Erkenntnis ermöglicht, des Marcion als Unterscheidung zwischen dem guten Gott der Liebe im NT und einem bösen Gott im AT und des Montanus mit strenger Ethik und Glauben an die Offenbarung des Heiligen Geistes an den Gründer (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 233-234).

5.4 Christenverfolgungen - konstantinische Wende    

Tertullian + ca. 215 lateinischer Kirchenvater und Origenes + ca. 254 griechischer Kirchenvater gelang es neben anderen, die Theologie auf geistiges Niveau zu heben.

Neben der Attraktivität des Christentums begann Mitte des 3. Jahrhunderts eine konsequente Unterdrückung. Hintergrund war die Krise des Reiches unter Kaiser Decius (249-251), der von allen Reichsbewohnern ein allgemeines Opfer für die Götter des Staates forderte. Die Maßnahme war gegen die Christen gerichtet. Zu blutigen Verfolgungen kam es unter Kaiser Valerian (253-260) und Diocletian (284-305) (Märtyrerverehrung/ Beginn einer Heiligenverehrung).

Insgesamt hat sich die Kirche durch gefestigte Strukturen behaupten können. Kaiser Galerius + 311 und dann Kaiser Konstantin + 337 setzte sich gewaltsam gegen seine Konkurrenten durch und gewährten den Christen Religionsfreiheit - Toleranzedikt des Galerius und seiner Mitkaiser einschließlich Konstantin von 311 und Vereinbarung von Mailand 313 "konstantinische Wende". Das Christentum wurde für staatspolitische Zwecke nutzbar gemacht. Abgesehen von Kaiser Julian "Apostata" ("der Abgefallene") 361-363) waren alle Kaiser Christen. 380 wurde das Christentum zur Staatsreligion, andere Religionen wurden zunehmend geächtet (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 234-235).

5.5 Trinitarischer und christologischer Streit    

Im 4. und 5. Jahrhundert erschütterte der trinitarische und christologische Streit die Kirche. Vor dem Hintergrund neutestamentlicher Überlieferung von der Menschwerdung Gottes (Inkarnation) und der Auferstehung Jesu ging es um die Fragen, wie es sich mit der Gottheit und Menschheit Jesu verhalte.

Die vorhandenen Lehrdifferenzen bekamen in den veränderten politischen Bedingungen bekamen, weil die Einheit der Kirche für die Stabilität des Reiches wichtig wurde, eine neue Bedeutung. Der Kaiser mischte sich direkt in Fragen der Lehre ein. Die Ablehnung der dann dogmatisch fixierten Lehrsätze zog staatliche Sanktionen nach sich. Gegenüber der von Arius + ca. 336 vertretenen Lehre, wonach der Sohn wesensmäßig von Gott Vater unterschieden ist, bestimmen nach langen Auseinandersetzungen die Konzilien von Nizäa (325) und Konstantinopel (381) entsprechend den Lehren von Athanasius + ca. 373 sowie der drei großen kappadozischen Bischöfe Basilius von Caesarea +ca. 378, Gregor von Nazianz + ca. 90 und Gregor von Nyssa + ca. 395, dass Gott Vater und Sohn wesenseins und Vater, Sohn und Heiliger Geist drei Existenzweisen des einen Wesens sind.

Das Nizäno-Konstantantinopolitanische Glaubensbekenntnis mit dem Trinitätsdogma ist bis heute konstitutiv für die christliche Lehre, gleich welcher Konfession. Allerdings fand die verworfene arianische Lehre zeitweise eine große Anhängerschaft, besonders unter den Germanen.

Das Problem war das der Menschheit Jesu. Während antiochenische Theologen um den Patriarchen Nestorius von Konstantinopel + ca., 451 das Menschsein und Gottsein Jesu strikt voneinander trennten (Dyophysitismus bzw. Nestorianismus), betonten alexandrinische Theologen um den Patriarchen Cyrill von Alexandria + ca. 444 die Einheit seiner gottmenschlichen Natur (Monophysitismus). Der Konflikt wurde nach einer Verurteilung des Nestorianismus auf dem Konzil von Ephesus 431 schließlich 451 auf dem Konzil von Chalkedon durch einen Kompromiss beigelegt. Man einigte sich auf die Formel "unzerteilte, ungetrennte" Personeneinheit Christi in zwei "unverwandelten" Naturen (wahrer Gott und wahrer Mensch). Das Ziel der Kircheneinheit wurde nicht erreicht. Es kam zur ersten großen Kirchenspaltung durch die Entstehung eigenständiger "nestorianischer" und "monophysitischer" orientalischen Nationalkirchen, die bis heute existieren (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 235).

5.6 Augustin    

An der Schwelle zwischen Antike und Mittelalter stand der Kirchenvater Augustin + 430 mit seinem umfangreichen Werk, das jahrhundertelang theologisches Denken, vor allem der Reformatoren, stark beeinflusste. Der nach Umwegen erst Christ gewordene Rhetoriklehrer (vgl. "Bekenntnisse") erlebte als Bischof von Hippo Rhegius in Nordafrika (seit 396) den Beginn des Untergangs des weströmischen Reiches.

In 22 Büchern "Vom Gottesstaat" kontrastierte er scharf den durch Selbstliebe bestimmten "Welt- bzw. Teufelsstaat" mit dem "Gottesstaat". Zu dem gehören die, der Liebe zu Gott den Vorrang vor eigenen Wünschen geben. Augustin geht es hauptsächlich um ethische Ziele.

In den großen Auseinandersetzungen zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt im Mittelalter wurde kirchlicherseits in unzulässiger Vereinfachung der Gottesstaat mit kirchlicher Hierarchie und der Teufelsstaat mit dem weltlichen Regiment gleichgesetzt. In der Auseinandersetzung mit den Anhängern des Donatus + 355, die die Großkirche ablehnten, entwickelte Augustin seine Lehre von der universalen aus Frommen und Unfrommen bestehenden Kirche und deren gültigen Heilsmitteln (Sakramenten). Fatal war die Auffassung Augustins, dass man die Donatisten notfalls in die Kirche "hineinzwingen" (cogite intrare) müsse. Im Streit mit Pelagius + 418, wo der Getaufte zur Sündlosigkeit fähig ist und sich sein Heil verdienen kann, betonte Augustin im Anschluss an Paulus die Sündhaftigkeit und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen und stellte die Allmacht und freie Gnadenwahl Gottes heraus, der die einen zum Heil und die anderen zur Verdammnis vorherbestimmt (doppelte Prädestination).

5.7 Übersicht über die Geschichte der Alten Kirche    

UrgemeindeKreuzigung Jesu (30)
HeidenmissionApostelkonzil in Jerusalem (48)
Verfestigung der Strukturen
Traditionsbildung
urchristliche Literatur (ab 50)
Bekenntnis, Bußpraxis, Sakramente, Liturgie, Kanon, Großkirche
GrundlagenkriseGnostizismus, Macionitische Gegenkirche, Montanismus, heidnische Polemiken
Erste KirchenväterTertullian + ca. 215, Origenes + ca. 254
ChristenverfolgungenOpferedikte
"Konstantische Wende"Toleranzedikt des Galerius (311),
Vereinbarung von Mailand (313)
Lehrentscheidungen:
trinitarisches und christologisches Dogma
Konzilien Nicäa (325), Konstantinopel (381) und Chalkedon (451)

Quelle:

HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 236

6 Mittelalterliche Kirchengeschichte    

Das Mittelalter war geprägt durch die Faktoren Germanenherrschaft, Christentum und Rezeption der antiken Kultur. Die Kirchengeschichte trennt sich kaum von der übrigen Geschichte und umgekehrt (vgl. in der Folge HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 237-242).

6.1 Germanenmission    

Die germanische Reichsgründungen in der Völkerwanderung des 5. Jahrhunderts bedeudeten den Untergang des weströmischen Reiches. Bedeutend war die Gründung des Frankenreiches durch den Merowinger König Chlodwig (+ 511), der um 500 sich taufen ließ und die Christianisierung der Ostgermanen einleitete. Diese hingen im Gefolge des Gotenbischofs Wulfila (ca.+ 383) zumeist dem gemäßigten Arianismus an.

Die Christianisierung der Westgermanen erfolgte ab 600 zum Teil auf Initiative von Papst Gregor I. (+ 604) durch iro-schottische, gallisch-fränkische und angelsächsische Mönche und Missionsbischöfe. Um die Hälfte des 8. Jahrhunderts gelang erst Willibrord-Clemens (+ 739) und Winfried-Bonifatius (+ 754) als Bevollmächtigte des Papsts eine planmäßige Missionierung und Diözesanorganisation .

6.2 Zeitalter der Karolinger    

751 ergriff der Karolinger Pippin (+ 768) mit Zustimmung des Papstes die Macht im Frankenreich und ließ sich nach biblischem Vorbild zum König salben. Er versprach den Schutz des Papstes und nach der Eroberung ihm die Gebiete um Rom und Ravenna zu schenken ("Pippinische Schenkung" als Grundlage für den Kirchenstaat).

Es begann eine enge Verbindung zwischen den fränkischen später deutschen Herrschern, die in der Folge eine aktive Italienpolitik betrieben und den machtpolitischen Päpsten. Der Nachfolger Karl d. Gr. (+ 814) missionierte zwangsweise die Sachsen und ein abendländischen Universalreich schuf, kümmerte sich als bewusster christlicher Herrscher auch um kirchliche Belange, etwa durch die Rückführung des abgesetzten Papstes Leo III. (+ 816) und einem trinitatischen Denken mit entsprechender Ergänzung des Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses. Unzweifelhaft trat durch die Kaiserkrönung an Weihnachten 800 Karl d.Gr. in Konkurrenz zu dem oströmischen Kaiser.

6.3 Ottonisches-salisches Reichskirchensystem    

Einen Höhepunkt erreichte die Dominanz der weltlichen über die geistliche Gewalt während der Herrschaft der Ottonen im 10. Jahrhundert. Die Kaiser übten Einfluss auf die Besetzung des "Apostolischen Stuhles" aus. Otto I. (+ 973) begann zudem aus innenpolitischer Stabilisierung mit dem Aufbau eines "Reichskirchensystems".

Die Reichsbischöfe und Reichsäbte wurden aus der Hofkapelle benannt und waren deshalb dem Kaiser besonders ergeben, weil sie als Geistliche ohne Nachkommen frei von dynastischen Interessen waren. Neben geistlichen Aufgaben wurden auch weltliche Bereiche übertragen. Ottos Bruder Brun (+ 965) etwa war nicht nur kaiserlicher Erzkapellan und Kanzler, vielmehr auch Erzbischof von Köln und Herzog von Lothringen. Der Kaiser übertrug den Bischöfen und Äbten die geistlichen und weltlichen Amtsbefugnisse mittels Ring, Stab und Zepter (Investitur). Die salischen Kaiser haben das "Reichskirchensystem" systematisch ausgebaut.

6.4 Das Mönchtum    

Das Mittalter war die Blütezeit des Mönchstums. Klöster waren die Zentren der Gelehrsamkeit, Bildung, Kultur und Mission, auch des Wirtschaftslebens. Neue Impulse von Theologie und Kirche gingen in der Regel vom Mönchtum aus, mitunter auch in Konkurrenz zur kirchlichen Amtshierarchie.

Die Wurzeln des Mönchtum reichen in urchristliche Zeiten zurück. Die ersten Mönche waren Einsiedler (Anachoreten bzw. Eremiten). Die klassisch Form des Klostermönchtums geht auf den Ägypter Pachomius (+ ca. 348) zurück. Basilius von Caesarea hat Mönchtum und Amtskirche zusammengeführt und in das Leben seiner Diözese integriert. Die Bischöfe Martin von Tours (+ 397) und Ambrosius von Mailand (+ 397) schufen die ersten Klostergemeinschaften im Westen. Augustin (als Ambrosius getauft) stellte durch die Gründung einer Klostergemeinschaft von Priestern in Hippo Rhegius die Verbindung zwischen Mönchtum und Priestertum her.

Seit dem 8. Jahrhundert setzte sich im Westen allgemein die Klosterregel Benedikts von Nursia (+ ca. 550) durch. Entscheidend bei der Regel, die unter den Karolingern für alle Klöster im Reich galt und bis heute beim Benediktinerorden gilt, sin die drei Gelübde kein Klosterwechsel, persönliche Armut, Keuschheit und Gehorsam. von dem 910 gegründeten Kloster Cluny in Burgund ging als Reformbewegung die Befreiung vom "Eigenkirchenrecht" aus, in der Folge das klostereigene Investiturrecht.

6.5 Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst - Kreuzzüge    

Zwar war das Reformmönchtum im Zeitalter des sozialen und geistigen Aufbruchs nach der Jahrtausendwende ein wichtiger Faktor für das Erstarken des Papsttums. Merkmale waren die Sammlung und Ordnung der kirchlichen Rechtsquellen (Kanonistik), Ausbau der Kurie nach Vorbild des deutschen Königshofes und teilweisen erfolgreichen Bemühen von Lehensoberheit über zahlreiche Länder. Auf Synoden wurde die Reformpolitik vorangetrieben und der innerkirchliche Primatanspruch des Papstes. Letztlich trug dies zur Trennung der Westkirche von der Ostkirche 1054 ("großes Schisma") bei.

In den Leitsätzen zur Kirchenpolitik ("dictatus papae") von 1075 formulierte Papst Gregor VII. (+ 1085) u.a. nur der Papst verfügt über die kaiserlichen Insignien, der Papst kann den Kaiser absetzen. Als König Heinrich IV. (Salier + 1106) Bischöfe in Oberitalien einsetzte, versuchte Gregor 1076 gegen den Widerstand der deutschen Bischöfe, mit der Unterstützung der deutschen Fürsten, seine Leitsätze durch Exkommunikation Heinrichs und die Entbindung seiner Untertannen vom Treueeid, umzusetzen.

Heinrich unterzog sich 1077 dem Bußgang nach Canossa. In der Folge kam es 1080 zur Erhebung eines Gegenpapstes durch Heinrich (Papstschisma). Erst unter den Nachfolgern kam es 1122 im "Wormser Konkordat" zur Beilegung des Investiturstreits und Trennung zwischen den geistlichen (Spiritualien) und den weltlichen Befugnissen (Temporalien und Regalien). Die Spiritualien erfolgten nach kirchlichem Recht, die Temporalien und Regalien verblieben beim weltlichen Herrscher.

Die Auseinandersetzung ging auch zur Zeit der Staufer-Kaiser weiter, die Reichsideologie und Gottesunmittelbarkeit des Kaisertums betonten.

Vor dem Hintergrund der Machtansprüche von Papst und Kaiser müssen auch die Kreuzzüge gesehen werden, die nur durch ein Bündel von politischen, wirtschaftlichen, psychologischen und spirituellen Motiven zu erklären sind. Während der erste Kreuzzug mit blutiger Eroberung Jerusalems 1099 und der Gründung der Kreuzzugstaaten war (initiiert und organisiert von Papst Urban II.+ 1099), waren die übrigen meist erfolglos. Auch ein Staufer-Kaiser Friedrich I. ("Barbarossa", + 1190) war führend. Daneben gab es eine Welle von Judenpogromen in Westuropa, aber auch einen Kulturaustausch mit dem Orient.

Nach dem plötzlichen Tod Heinrich VI. 1197 und der folgenden Doppelwahl zweier Könige war die Voraussetzung dafür, dass Papst Innocenz III. (+ 1216) sich erstmals "Stellvertreter (vicarius) Christi" nannte und als mächtigster Papst in die Geschichte einging. Unter Friedrich II. (+1250) erlebte das mittelalterliche Kaisertum seinen letzten großen Aufschwung. Nach seinem Tod wurde das Herrschaftsgebilde auf Sizilien zerschlagen und das staufische Geschlecht vernichtet. Es folgte das "Interregnum" (kaiserlose Zeit) bis 1355 (vgl. HEILIGENGTHAL-SCHNEIDER 2004, 238-239).

6.6 Niedergang des Papsttums    

Das Papsttum geriet in der Folge in die völlige Abhängigkeit der französischen Krone. Von 1309 bis 1377 residierten die Päpste, sämtlich Franzosen in Avignon ("babylonische Gefangenschaft"). 1378 kam es bei der Papstwahl nach dem Tod von Papst Gregor XI. zum Konflikt. Das "große abendländische Schisma" führte zu einer Kirche mit Papst in Rom und Kirche mit Papst in Avignon. Nach dem Konzil von Pisa 1409 gab es drei Päpste.

Erst auf Initiative von Sigismund (+ 1437) erreichten Konzil von Konstanz 1414-1417 wurde durch die Wahl eines neuen Papstes die Kircheneinheit hergestellt (Dekret 1415 "Haec sancta"). Seither bestimmte der Dualismus zwischen Konziliarismus (kollegiale Kirchenleitung) und Papalismus (Alleinherrschaft des Papstes) die Römisch-Katholische Kirche mit, bis nach 1870 der Papalismus sich endgültig durchsetzte.

Lange vor der Reformation führte diese Entwicklung zu einer Infragestellung des Papsttums. Hier sind vor allem die Vorreformatoren John Wyclif und Jan Hus zu nennen. Beide wurden mit ihren Anhängern auf dem Konzil von Konstanz verdammt. Hus starb 1415, trotz freiem Geleit zugesichert, auf dem Scheiterhaufen. Die Leiche Wyclifs, der bereits 1384 gestorben war, wurde ebenfalls verbrannt.

6.7 Aufbrüche im Mönchtum    

Gründe waren ein Machtstreben, Reichtum und der Streit in der Kirche. In Abgrenzung zu Cluny entstand mit Anfang des 12. Jahrhunderts als erster Klosterverband der Zisterzienserorden (Kultivierung von Ödland). Ritter- und Spitalorden wurden im Zusammenhang mit den Kreuzzügen gegründet. Siedlungsgeschichte hat der Deutsche Orden in Preußen bewirkt.

Die entstandene Armutsbewegung als Reaktion auf die Verweltlichung der Kirche ließ die Bettelorden wie Franziskaner, Dominikaner, Karmeliter und Augustiner-Eremiten entstehen. Teile der Armutsbewegung wie die Katharer ("die Reinen") und die Waldenser (nach Petrus Wales + 1206), der katholischen Lehre verbunden, die sich später der Reformation anschlossen, wurden als "Ketzer" blutig verfolgt (Inquisition). Die Dominikaner spielten dabei eine Rolle.

6.8 Scholastik und Mystik    

Mönche entwickelten seit dem 11. Jahrhundert die wissenschaftliche Theologie der Scholastik. Es ging um Glauben und Wissen bzw. Offenbarung und Rationalität bzw. bei Thomas von Aquin (+ 1274) später um Gnade und Natur in Einklang zu bringen. "Credo ut intelligam"- ich glaube um zu verstehen - hatte Anselm von Canterbury (+ 1109) als Formel in die Scholastik eingebracht.

Typisch für die Scholastik war der Versuch, die Existenz Gottes rational zu beweisen. Nach der Wiederentdeckung der Schriften von Aristoteles (+ 322 v.Chr.) versuchte man das Denken für die Theologie nutzbar zu machen. Es ging um die Frage, ob "Universalien" wie Allgemeinbegriffe Kirche oder Liebe unabhängig von Einzeldingen wie konkrete Formen der Kirche real existieren. Ob Universalien bloße nachträgliche Benennungen der Einzeldinge sind.

Abseits der als erstarrt empfunden Scholastik entwickelten sich neue Frömmigkeitsformen neben Reliquienkult, Heiligenverehrung und Wallfahrten mit volkstümlichen Zügen verschiedener Ausprägungen der Mystik (vgl. Bernhard von Clairvaux + 1153, Hildegard von Bingen + 1179, Meister Eckhart + 1327). Mystik bezeichnet das Streben nach Überwindung des Gegensatzes Gott-Mensch-Welt, innerlicher Einswerdung mit dem Göttlichen durch Gebet, Meditation, Kontemplation, Versenkung und Ekstase. In der Regel wird man von einem gestuften Aufstieg ausgehen. Eine wichtige Roll spielten die Liebeslyrik des AT- Hohenliedes (Braut-Mystik) und das Leiden und Sterben Jesu (Passions- und Kreuzesmystik).

Die mittelalterliche Tradition der Mystik lebte fort in der Ende des 14. Jahrhunderts in den Niederlanden aufgekommenen Frömmigkeitsbewegung der "devotio moderna", die den jungen Luther teilweise beeinflusste. An den Universitäten wurden Fragen der Mystik systematisch behandelt, so dass sich hier Scholastik und Mystik miteinander verbanden (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 240-241).

6.9 Übersicht mittelalterliche Kirchengeschichte    

Christentum und GermanenherrschaftTaufe Chlodwigs um 500
Mission der Germanen
MönchtumBenediktinerregel
Reform Cluny, Armutsbewegung
Kaiser und PapstPippinische Schenkung
Reichskirchensystem
Investiturstreit ab 1076
Wormser Konkordat 1122
KreuzzügeEroberung Jerusalems 1099
Kreuzfahrerstaaten
Judenpogrome
ScholastikGottesbeweise
Aristoteles-Rezeption
Universalienstreit
MystikStreben nach dem innerlichen Einswerden mit Göttlichem
Niedergang PapsttumPäpste in Avignon 1309-1377
Papstschisma 1378-1415
Vorreformatoren
Konzil zu Konstanz 1414-1417
Renaissancepäpste

Quelle:

HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 241-242

7 Reformationsgeschichte    

7.1 Historischer Kontext    

Die Zeit um 1500 war eine Phase des Umbruchs (vgl. Buchdruck. Entdeckungen, Bevölkerungszunahme, Änderung der Sozialstruktur - Fugger - Ablösung der zünftisch-feudalen Wirtschaftsordnung - Ritteraufstand 1522-1523, Bauernkrieg 1524-1525).

Die Reformatoren profitierten von der Unterstützung der starken reichsständischen Partikulargewalten gegenüber der kaiserlich-habsburgischen Zentralgewalt sowie dem Dauerkonflikt mit der französischen Krone und der Verteidigung gegen das expansive Osmanische Reich (vgl.in der Folge HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 242-249).

7.2 Der Humanismus    

Das Renaissancepapsttum ließ den Ruf nach einer Reform der Kirche laut werden. Vor allem auch die Humanisten übten Kritik an kirchlichen Missständen. Der Humanismus besann sich auf sie Quellen in ihrer Originalsprache, vor allem auf die Orientierung am Beispiel Jesu. Das Verhältnis zur Reformation war nicht spannungsfrei, spätestens nach dem Streit zwischen Erasmus von Rotterdam + 1536 und Martin Luther 1525 kam es zum offenen Bruch.

Allerdings haben die Humanisten der Reformation den Weg bereitet mit der philologischen Forschung (vgl. mit dem Blick auf die biblischen Schriften), Verbreitung des Denkens und der Schriften der Reformatoren und der Prägung namhafter Reformatoren durch den Humanismus.

7.3 Der Werdegang und Wende Martin Luthers    

Die Reformation in Deutschland ist untrennbar mit Martin Luther verbunden, der vom Humanismus kaum beeinflusst wurde.

  • 1483 als Sohn eines Bergbauunternehmers in Eisleben geboren
  • Lateinschulen in Mansfeld, Magdeburg und Eisennach
  • 1501 Immatrikulierung Universität Erfurt - Magisterstudium ("sieben freie Künste" Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie)
  • 1505 Beginn Jurastudium auf Wunsch des Vaters und später abgebrochen (Blitzerlebnis bei Stotternheim)
  • Eintritt in das Kloster der Augustiner-Eremiten 1507 Priesterweihe
  • Theologiestudium Mentor Johannes von Staupitz (+ 1524)
  • nach Romreise 1512 Doktor der Theologie
  • 1513 bis 1546 Professor für Bibelwissenschaft Universität Wittenberg
Zentraler Inhalt der reformatorischen Wende Luthers war

  • die Entwicklung der "allein im Glauben" (sola fide) zu empfangenden Rechtfertigung des sich von Gott abwendenden Menschen ("homo icurvatus in se") "allein durch die Gnade Gottes" (sola gratia). Wann genau diese als "Turmerlebnis" entdeckte oder eher als einen längeren Entwicklungsprozess begann ist in der Forschung umstritten.
  • Bezeugt ist der Inhalt der Wende durch Luthers Selbstzeugnis von 1545. Die Lebensumstände des gottgefälligen Lebens als Mönch mitentscheiden für die Wende, vor allem beim Studium des Römerbriefes des Paulus. Vorausgegangen war die Konzentration auf die sich selbst heraus zu interpretierende Heilige Schrift als alleinige Offenbarungsquelle (sola sriptura) und auf die Person Jesu Christi (solus Christus) als den Schlüssel zu ihrem Verständnis.
7.4 Auseinandersetzung mit Rom    

Zum Bruch mit der römischen Kirche und mit dem Kaiser kam es nach dem (teilweise angezweifelten) Anschlag der 95 Thesen am Portal der Wittenberger Schlosskirche am 31. Oktober 1517. Luther wollte zunächst nur einen Gelehrtendiskussion über die kommerzialisierte Ablasspraxis anstoßen. Er musste sich nach der Übersetzung der lateinischen Thesen ohne sein Zutun gedruckt und verbreitet wurden, 1518 in Heidelberg und Augsburg und 1519 in Leipzig gegenüber Vertretern seins Ordens bzw. der Amtskirche rechtfertigen.

1520 entfaltetet er die reformatorische Lehre in drei Schriften.

  • In der Adelsschrift "An den christlichen Adel deutscher Nation" forderte er wegen des Versagens der Bischöfe die weltlichen Herrscher zur Durchführung der Kirchenreform auf und stellte der Unterscheidung zwischen Geistlichen und Laien die Lehre vom "allgemeinen Priestertum der Gläubigen" gegenüber.
  • In "Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" erklärte Luther in Anspielung auf die als "babylonische Gefangenschaft" bezeichnete Zeit der Päpste in Avignon das Papsttum selbst zum Gefängnis der Kirche. In dieser Schrift übte Luther vor allem auch Kritik am Sakramentsverständnis. Nur Taufe und Abendmahl anerkannte er als schriftgemäß, bei der Buße war er zunächst unsicher.
  • "Von der Freiheit eines Christenmenschen" ist die bekannteste Schrift. Ausgehend von der Antithese "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan." entfaltet er das dialektische Verhältnis zwischen der umfassenden Befreiung des Menschen durch von Gott geschenkten Rechtfertigung einerseits und dem notwendigen Dienst am Mitmenschen andererseits. Gegenüber dem libertinistischen Missverständnis der Freiheit schärft er ein, dass ein gerechtfertigter Mensch sich in Liebe seinem Nächsten zuwendet, nicht um sich Verdiernste vor Gott bei den Menschen zu erwerben oder um eine Regel zu befolgen oder einem Zwang nachzugeben, vielmehr einfach gleichsam selbstverständlich.
1521 wurde über Luther der päpstliche Bann und nachdem er am Reichstag zu Worms vor Kaiser Karl V. sich geweigert hatte zu widerrufen, die Reichsacht verhängt. Luthers Landesherr sächsischer Kurfürst Friedrich der Weise (+ 1525) ließ ihn auf der Wartburg bei Eisenach in Schutzhaft nehmen. Hier übersetzte er in wenigen Wochen das NT in die "Sächsische Kanzleisprache" (Frühneuhochdeutsch) ("Septembertestament").

7.5 Auseinandersetzungen in der Reformation    

Die folgenden Lebensjahre Luthers waren durch Auseinandersetzungen geprägt. Der Begriff "linker Flügel der Reformation" bezeichnet sehr verschiedene Gruppierungen, denen Luthers Reformen nicht weit genug gingen (vgl. HELIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 244-245).

  • "Spiritualisten" wollten wie im Urchristentum geistgeleitete Gemeinden anstatt institutionelle Kirche.
  • "Täufer" lehnten die Kindertaufe ab und wollten die Taufe als bewusste Entscheidung.
  • Thomas Müntzer (+ 1525) verband mit der Reformation sozialrevolutionäre politische Ziele und stellte sich im Bauernkrieg auf die Seite der Bauern.
  • Luther polemisierte teilweise sehr heftig gegen die "Schwärmer", wie er die Anhänger der Bewegungen nannte.
1523 warnte Luther bereits in seiner Schrift "Von weltlicher Obrigkeit" vor einer Vermischung von geistlichem und weltlichem Regiment. 1525 wandte er sich scharf gegen den gewaltsamen Aufstand der sich auf das Evangelium berufenden Bauern. Der Bauernkrieg war für die Reformation eine Zäsur. Sie war in der Folge weniger eine Volksbewegung von unten als vorher. Luthers Lehre von den zwei Regimentern hatte - fälschlich als "Zwei-Reiche-Lehre" bezeichnet - teilweise eine fatale Wirkungsgeschichte, weil damit häufig sämtliches Tun der Obrigkeit gerechtfertigt wurde. Nach Luther aber ist auch die Obrigkeit Gott gegenüber verantwortlich. Er konnte sich nicht vorstellen, dass das Reich Gottes mit machtpolitischen Mitteln geschaffen werden kann. Der Vorwurf, Luther sei ein "Fürstenknecht" gewesen, ist deshalb aus dem historisch Möglichen überzogen.

7.6 Zwingli und die schweizerische Reformation    

Ab 1526 setzte sich Luther mit Huldrych Zwingli auseinander. Dieser führte mit dem Rat der Stadt Zürich die Reformation ab 1522 in Zürich ein, andere Städte folgten. Umstritten in der Forschung ist die Formung Zwinglis durch die Lektüre Luthers. In jedem Fall hatte die Zürcher "Kirchenbesserung", begonnen mit einem Wurstessen in der Fastenzeit, auf Grund anderer sozialer und politischer Situation in Zürich gegenüber der Wittenberger Reformation ein eigenständiges Gepräge. Übereinstimmung herrschte in der Rechtfertigungslehre und Willensfreiheit.

Zwar lehnten beide die altgläubigen Lehren von der Wandlung der Elemente Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi (Transsubstantion) und von der Wiederholung des Opfers Christi ab, jedoch hielt Luther an der leiblichen Gegenwart (Realpräsenz) Christi beim Abendmahl fest, während Zwingli das Abendmahl symbolisch verstand in dem Sinne, dass die Gemeinde sich das Geschehen am Kreuz vergegenwärtigt und sich dazu bekennt. Das "Marburger Religionsgespräch" 1529 brachte keine Einigung in der Abendmahlsfrage. Es entwickelten sich die zwei reformatorischen lutherische und reformierte Konfessionen. Erst 1973 vereinbarten beide Konfessionen Abendmahls- und Kirchengemeinschaft ("Leuenberger Konkordie"). Anders als Luther hat sich Zwingli auch politisch engagiert. 1531 kam er als Teilnehmer am innerschweizerischen Glaubenskrieg ums Leben.

7.7 Johannes Calvin    

Der Franzose Johannes (Jean) Calvin (1509-1564) prägte stärker die reformierte Konfession. Er gilt als der größte Schüler Luthers. Als Jurist stand der zwischen Humanismus und Reformation und widmete sich philologischen Studien. 1536 veröffentlichte er in Basel die erste Ausgabe seiner "Institutio religionis Christianae" (Unterricht in der christlichen Religion). Diese systematische Darstellung evangelischer Lehre wurde sein Hauptwerk. Guillaume Farel (+ 1565) überredete ihn zur Unterstützung bei der Durchführung der Reformation in Genf. Nach Misserfolgen und zeitweiser Abwesenheit kam es 1541 zur Durchsetzung einer neuen Kirchen- und Gottesdienstordnung mit neuem Katechismus.

Anders als Luther ging er von der grundsätzlichen Erfüllung der biblischen Gebote durch die von Gott Gerechtfertigten aus. Der Calvinismus erhielt teilweise einen gesetzlichen Zug. Zum Merkmal wurde die Lehre von der doppelten Prädestination, die auch die Möglichkeit beinhaltet, dass Gott Menschen zur ewigen Verdammnis vorherbestimmt. Später entwickelte sich die Vorstellung, dass der Lebenswandel Rückschlüsse auf seine Erwählung bzw. seine Verwerfung erlaube (Syllogismus practicus). Bei dem Bemühen um Sittenstrenge fielen Kirchengemeinde und politische Gemeinde im Grunde genommen zusammen.

In einem gewissen Gegensatz zu diesem Rigororismus in Genf standen Calvins Bemühungen einer Vermittlung zwischen den schweizerischen und lutherischen Reformatoren. In der Abendmahlsfrage vertrat er eine mittlere Position. Christus ist beim Abendmahl durch die Wirkung des Heiligen Geists gegenwärtig (Spiritualpräsenz). 1541 unterzeichnet Calvin eine abgeänderte Form der grundlegenden lutherischen Bekenntnisaschrift des "Augsburger Bekenntnisses" und 1549 kam es zur "Zürcher Übereinkunft", einem Konsenspapier zwischen Calvin und Zwinglis Nachfolger in Zürich Heinrich Bullinger (+ 1575). In gewissem Sinne wurde die Zwinglische Reformation in die Calvinische überführt. Diese sogenannte "Varita" wurde von lutherischer Seite nicht akzeptiert.

Der Calvinismus verbreiterte sich neben der Schweiz vor allem in Westeuropa (Frankreich, Niederlande, Schottland und England), in Ungarn und in einigen deutschen Gebieten, später in Amerika.

7.8 Augsburger Religionsfrieden 1555    

Es gelang dem Kaiser nicht, eine weitere Ausbreitung der evangelischen Lehre zu verhindern. Das "Wormser Edikt" 1521 konnte wegen der Kriege und des Widerstandes der evangelischen Reichsstände nicht durchgesetzt werden. Verschieden beschloss der Reichstag sogar eine einsteilige Aussetzung des Edikts. Es gab es auch Beschlüsse, das Edikt durchzuführen, wogegen die evangelischen Reichsstände protestierten (daher die Bezeichnung "Protestanten").

Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 legten die evangelischen Stände da von Philipp Melanchthon (+ 1560) erarbeitete "Augsburger Bekenntnis" vor. Zwingli und vier Reichsstädte (Straßburg, Konstanz, Lindau und Memmingen) reichten jeweils ein eigenes Bekenntnis ein. Der Versuch, mit den Bekenntnissen den Kaiser zur Duldung des evangelischen Glaubens zu bewegen, scheiterte. Mit einer Widerlegung zum "Augsburger Bekenntnis" forderte der Kaiser die Stände zur Unterwerfung. In der Folge scheiterten vom Kaiser angeordnete Religionsgespräche.

Nach Luthers Tod 1546 kam es zum "Schmalkaldischen Krieg" mit weiteren Auseinandersetzungen.

Im "Augsburger Religionsfrieden" 1555 musste der Kaiser den Landesherren das Recht die Konfession zu bestimmen zugestehen. Anerkannt wurden nur die römisch-katholische und lutherische Konfession. Bis heute wird die konfessionelle Landkarte davon bestimmt.

Im "Dreißigjährigen Krieg" 1618-1648 brach die unterschwellige Konfliktsituation aus.

7.9 Konfessionelles Zeitalter    

Kennzeichnend ist eine Verfestigung der Konfessionen und ihre Entwicklung zu einem lehrmäßigen Profil. Der römische Katholizismus erneuert sich auf dem auf Betreiben des Kaisers einberufenen Konzil von Trient 1545-1563. Die Lutheraner einigen sich nach Lehrstreitigkeiten 1577 auf die "Konkordienformel" und 1580 auf das "Konkordienbuch" als eine Zusammenstellung als verbindlich geltenden Bekenntnisschriften.

Es entstehen auch die wichtigsten reformierten Bekenntnisschriften wie der "Heidelberger Katechismus" von 1563. Mit der Verfestigung der Konfessionen kommt es auch zu einem Streben von unverfälschter Lehre (Orthodoxie) und einer zunehmenden Abgrenzung der Konfessionen. Dieser Konfessionalismus war mit ursächlich für den "Dreißigjährigen Krieg" ein Motiv, in dem rasch machtpolitische Interessen alles überlagerten. Der "Westfälische Frieden" knüpfte an den "Augsburger Religionsfrieden" an. Diesmal wurden als dritte Konfession die "Reformierte" miteinbezogen.

7.10 Übersicht über die Reformationsgeschichte    

Historischer KontextErfindung Buchdruck um 1450
Entdeckung Amerikas 1492
neues Weltbild

Dualismus kaiserliche Zentralgewalt und reichsständische Partikulargewalt
Kriege gegen Frankreich und Osmanenreich/ Wien 1529
Humanismusphilologische Bildung/ Quellenstudium
kirchliche Missstände
Fortschrittsoptimismus
ReformationsanfängeLuthers Reformationswende/ "Turmerlebnis" ca. 1513-1518
Thesenanschlag 1517
Auseinandersetzung mit RomVerhör Luthers in Augsburg 1518
Leipziger Disputation 1519
Hauptschriften Luthers 1520
Bann gegen Luther 1521
Auseinandersetzungen in der Reformation"Täufer" und "Spiritualisten" 1521
Bauernkrieg 1525
Reformation SchweizZürcher Fastenbruch -Zwingli-Luther 1522-1526
Marburger Religionsgespräch 1529
Genfer Kirchenordnung 1541
Zürcher Übereinkunft 1549
Politische EntwicklungenWormser Edikt
Augsburger Bekenntnis 1530
Schmalkaldischer Krieg 1546
Konfessionelles ZeitalterGegenreformation Konzil von Trient 1545-1563
"Heidelberger Katechismus" 1563
Konkordienwerk 1577-1580
"Dreißigjähriger Krieg" 1618-1648
Westfälischer Frieden 1648

Quelle:

HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 248-249

8 Kirchengeschichte der Neuzeit    

8.1 Der Pietismus    

Der Dreißigjährige Krieg mit seinen Umwälzungen war der Anstoß für eine neue Frömmigkeitsbewegung in Europa. Der Schwerpunkt wurde auf den gelebten Glauben gelegt. Der Pietismus beeinflusste vom Ende des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in weiten Teilen des deutschen Protestantismus den kirchlich-theologischen Bereich (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 249-250).

  • Der Ursprung lag in den Erbauungs- und Gebetsbüchern Johann Arndts (+ 1621).
  • Merkmale des Pietismus sind regelmäßige Gebete, Bibellesen und Hausandachten, strenge Orientierung an der Bibel, Bekehrung im Leben eines Christen, Distanz zur Welt und zur Amts- bzw. Volkskirche, diakonisches und missionarisches Engagement sowie Relativierung der Dogmen und Bekenntnisse mit Betonung der individuellen Frömmigkeit.
  • Besondere Persönlichkeiten des Pietismus in Deutschland setzen Akzente
    • Philipp Jakob Spener (+ 1705) eigentlich Vater des Pietismus mit seiner Programmschrift "Pia desideria" (Frommes Verlangen), bemerkenswert seine Forderung nach stärkerer Einbeziehung von "Laien" unter Hinweis Luthers Lehre vom "allgemeinen Priestertum der Gläubigen".
    • Nikolaus Graf von Zinzendorf (+ 1760) gründete 1722 mit böhmisch-mährischen Glaubensflüchtlingen auf seinen Ländereien in der Oberlausitz die Kolonie "Herrenhut" mit besonderen Ordnungen, aus der sich eine Sonderkirche entwickelte (heute mit der EKD als "Herrenhuter Brüdergemeinde" verbunden).
    • August Hermann Francke (+ 1727) gilt als großer Organisator, gründete 1695 Armenschulen, ein Waisenhaus und Lehrerbildungseinrichtung "Hallesche Anstalten"). Tochtergründungen entstanden in Amerika und Russland.
Eine Renaissance erlebte der Pietismus in der "Erweckungsbewegung" des 19. Jahrhunderts. Zum Teil wirkt er auch in der heutigen evangelikalen Bewegung nach.

8.2 Die Aufklärung    

Fast zeitgleich mit dem Pietismus begann in Deutschland die Aufklärung, die eine gesamteuropäische Geistesbewegung im 18. Jahrhundert war. Im Mittelpunkt stand der Mensch und seine Emanzipation mit der Methode der Gebrauch der Vernunft. "Sapere aude! Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen!" Der "Vater der deutschen Aufklärung" Gottfried Wilhelm Leibniz (+ 1716) war mit Philipp Jakob Spener, dem "Vater des Pietismus", befreundet. Die rationale Kritik der Aufklärung an den Dogmen und Bekenntnissen war durch die Frömmigkeit im Pietismus vorbereitet worden (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 250-251).

Gegensätzlich war das Bibelverständnis. Der Pietismus entwickelte die "Verbalinspirationslehre", in der jedes Wort der Bibel vom Heiligen Geist diktiert wurde, verwendet die Aufklärungstheologie("Neologie") die philologischen Methoden den historischen Entstehungsprozess der Bibel zur Erforschung der Vorstellungswelt. Als Begründer dieser historisch-kritischen Bibelexegese gilt Johann Salomo Semler (+ 1791), der ähnlich wie Luther zwischen der Bibel und dem Wort Gottes unterschied.

1774 publizierte Gotthold Ephraim Lessing (+ 1781) die "Fragmente eines Wolfenbüttelschen Ungenannten" (Hermann Samuel Reimarus). In den Widersprüchen der Evangelien war dieser zum Ergebnis gekommen, die Jünger hätten den Leichnam Jesu entwendet, die Lüge von der Auferstehung verbreitet und auf dieser Grundlage die Kirche gegründet "Fragmentenstreit"). Es bleibt das Verdienst von Reimarus, auf die Unterschiede der Evangelien hingewiesen und die Leben-Jesu-Forschung angestoßen zu haben. Allerdings fehlte die Einsicht in den Überlieferungsprozess der Evangelien und deren Verkündigungsabsicht, nicht die biographische Absicht.

In der Folge bildet sich vielfach eine reine anthropozentrische Vernunft- und Tugendreligion. Pfarrer wurden besonders bei Friedrich d.Gr. von Preußen zu Volkserziehern, die Staatstugenden zu vermitteln hatten. Symbol war das Geläut der Potsdamer Garnisonskirche "Üb immer Treu und Redlichkeit...".

Der Höhepunkt und Endpunkt der deutschen Aufklärung zeigt im Werk von Immanuel Kant (+ 1804). In der "Kritik der reinen Vernunft" (1781) widerlegte er alle Gottesbeweise und aufklärerische Versuche, eine Vernunftreligion zu begründen. Die Grundideen, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit sind, so Kant Postulate der praktischen Vernunft, d.h der Moral.

Kant zeigt die Grenzen der Vernunft in seiner "Kritik der praktischen Vernunft" (1788) im Blick auf das Transzendente auf und betont die Notwendigkeit des moralischen Handelns. Berühmt ist der "kategorische Imperativ" "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne".

8.3 Friedrich Schleiermacher    

Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (+ 1814) brachte einen neuen Ansatz in der Theologie und gilt als Wegbereiter der modernen theologischen Wissenschaft. Er hatte vor dem Studium bei den Herrnhutern eine Predigerausbildung begonnen (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 251-252).

1799 erscheint sein erstes Buch "Über die Religion" mit einer Darstellung eine neuen Religionsverständnis. Anknüpfungspunkt der Religion ist danach nicht, wie die Aufklärer meinen, der menschliche Verstand oder die menschliche Sittlichkeit bzw. moralisches Handeln, sondern "eine eigene Provinz im Gemüte" des Menschen, das er in seiner "Glaubenslehre" (1821/22) näher definierte als "Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit" und zwar der Abhängigkeit von Gott als dem Woher dieses Gefühls.

Theologie war für Schleiermacher wie er in seiner "Kurzen Darstellung des theologischen Studiums" (1811) ausführte, keine "reine", sondern eine "positive" bzw. "praktische" Wissenschaft. Sie stellt keine allgemeingültigen Lehrsätze auf, sondern das in der Kirche geltende "fromme Bewusstsein" erfassen und die "Kunstregeln" des im weiteren Sinne "kirchenleitenden" Handelns zusammenfassen sollte.

8.4 Theologie und Kirchenpolitik im 19. Jahrhundert    

Drei große Strömungen sind für die Theologie des 19. Jahrhunderts bestimmend ( vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 252).

  • Die konservative Theologie anknüpfend an den Pietismus mit uneingeschränkter Autorität der lutherischen Bekenntnisschriften als festhaltendem Neuluthertum und orientiert am Bibeltext.
  • Die liberale Theologie in Tradition des aufklärerischen Rationalismus mit Infragestellung der Dogmen und Bekenntnisse, die historisch-kritische Bibelexegese fortführte (religionsgeschichtliche Schule).
  • Die Vermittlungstheologie auf Schleiermacher berufend als Ausgleich zwischen konservativer und liberaler Theologie.
Kirchenpolitisch stritten Konservative und Liberale um die Gestaltung der Kirchenverfassung.

  • Konservativ hielten am landesherrlichen Kirchenregiment mit dem Landesherren als oberstem Bischof ("Summepiskopat") mit eingesetzter Kirchenverwaltung ("Konsistorien") fest.
  • Liberale forderten analog den politischen Demokratiebestrebungen im Umfeld der Märzrevolution 1848 Mitbestimmungsrechte der Gemeinden (presbyterial-synodale Kirchenordnung) (1835) in Teilen Deutschlands, wie sie auch Schleiermacher forderte.
  • Die Vertreter der Liberalen und Vermittlungstheologie stimmten damit überein, dass man offen für Entwicklungen in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft sein müsse ("kulturprotestantisches Denken"). Dafür stehen die Namen Albrecht Ritschl (+ 1889) und Adolf von Harnack (+ 1930), wobei das Denken das Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestimmte.
Durch die nationalen Einigungsbestrebungen nach den Napoleonischen Kriegen kommt es letztlich zu einem Zusammenschluss von Lutheranern und Reformierten, 1817 verkündet König Friedrich Wilhelm III. für Preußen eine Kirchenunion. Auf Seiten des Neuluthertums stießen die Bemühungen auf massiven Widerstand, es kam zur Gründung lutherischer Freikirchen ("Altlutheraner"). In der Folge gab es drei protestantische Konfessionen Lutheraner, Reformierte und Unierte.

8.5 Karl Barth und die Dialektische Theologie    

Das Versagen des Nationalprotestantismus im Ersten Weltkrieg mit einer "Kriegstheologie" ließ Karl Barth ( +1968) mit der von ihm begründeten Dialektischen Theologie in einer neuen Epoche beginnen. Ausgangsgrund war ein Kommentar zum Römerbrief 1921 (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 253-254).

Schleiermacher setzte beim Menschen und seinem religiösen "Bewusstsein" an. Barth sieht hier eine Verwandlung der Theologie in Anthropologie. Jegliche "natürliche Theologie" im w.S. lehne er kategorisch ab. Der scharfe Kontrast zwischen Gott und dem Menschen (Realdialektik) könne keinesfalls vom Menschen überbrückt werden. Gott hat, so Barth, zu den Menschen in Jesus Christus gesprochen, biblisch bezeugt. Deshalb gehe es um, ganz auf das Wort Gottes zu hören und sich dabei durch keinerlei Nebengeräusche aus etwa Kultur, Politik und Wissenschaft stören bzw. beeinflussen zu lassen.

Barth hat das politische Gemeinwesen in reformierter Tradition auf die Christusgemeinde und die Königsherrschaft Christi bezogen. Im "Kirchenkampf" 1933-1945 half seine Theologie maßgeblich mit, dass Teile der Kirche gegenüber den Versuchen der NS-Zeit weitgehend resistent waren.

Im Luthertum kam es nach dem Ersten Weltkrieg zu einem theologischen Aufbruch. der mit dem Namen Karl Holl ( + 1926) verbunden ist. Im Mittelpunkt der "Lutherrenaissance" stand die Orientierung am Rechtfertigungserlebnis des jungen Luther.

8.6 Kirchen im Nationalsozialismus    

1933 standen weite Teile des deutschen Protestantismus der Machtübernahme des NS positiv gegenüber. Bestärkt in ihrer Haltung durch Adolf Hitler im Werben um das Kirchenvertrauen und zu Beginn sich christlich gab. Zum Konflikt kam er 1932 bei der Gründung der NS-orientierten Kirchenpartei der Deutschen Christen (DC).

Der Machtergreifung entgegenzuwirken beschloss man den Zusammenschluss der 28 Landeskirchen zu einer Reichskirche mit einem Reichsbischof. Mit breiter Mehrheit wählte man den Leiter der Betheler Anstalten Friedrich von Bodelschwingh (+ 1946) zum Reichsbischof entgegen der Forderung der DC Ludwig Müller (+ 1945), den Hitler als "Bevollmächtigten für Angelegenheiten der evangelischen Kirche" ernannt hatte. Bereits nach vier Wochen trat Bodelschwingh von seinem Amt zurück. 1933 wurde Ludwig Müller gewählt (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 254-155).

Sein Auftreten und diktatorischer Führungsstil sowie Anpassung der christlichen Lehre an die NS-Ideologie führten zu einer breiten Opposition gegen Müller, aus der 1934 Reichsbekenntnissynoden in Barmen und Dahlem sich die Bekennende Kirche (BK) entwickelte. Die vor allem von Karl Barth verfasste "Barmer Theologische Erklärung" wurde zu deren "Magna Charta". Nach der Zersplitterung der DC nach der Sportpalastrede der DC spaltete sich 1936 auch die BK in einen gemäßigten Flügel um Bischof Hans Meiser (+ 1956) ("Lutherrat") und einen radikaleren "bruderrätlichen" Flügel um Martin Niemöller (+ 1984). Aktiven Widerstand gegen den NS leisteten in beiden Kirchen jeweils nur einzelne, etwa Dietrich Bonhoeffer und Alfred Delp SJ, die beide 1945 hingerichtet wurden (vgl. RÖHM-THIERFELDER 1990).

8.7 Entwicklung seit 1945    

Die "Stuttgarter Schulderklärung" von 1945 ermöglichte die internationale Anerkennung der aus der BK neu gründeten Evangelischen Kirche (EKD), die 1948 gleich Mitglied des "Ökumenischen Rates der Kirchen" (ÖRK) wurde. Die "Leuenberger Konkordie" blieb aktuell(vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 255-256).

Der Traditionsbruch weiter Bevölkerungskreise konfrontierte in den sechziger Jahren beide Großkirchen. Bestimmte theologische und politische Fragen wie der Umgang mit der Bibel, Befreiungstheologie, Wiederbewaffnung und feministische Theologie wurden kontrovers diskutiert. Spät bekannte man sich an der Mitschuld an den Verbrechen gegen die Juden, in der Folge bemüht man sich um einen Dialog.

Die Kirchen in der DDR trennten sich 1969 von der EKD (DDR-Kirchenbund). 1991 vereinigte man sich wieder, die ostdeutschen Landeskirchen hatten einen Großteil ihrer Mitglieder verloren.

1999 vereinbarten Lutheraner und Katholiken eine "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre". Umstritten ist der "Konsens in Grundwahrheiten". Praktische Folgerungen blieben bisher aus (vgl. Erklärung Dominus Jesus vom 6. August 2000 - Reformatorische Kirchen sind nicht Kirchen im eigentlichen Sinne).

Eine Neubesinnung der Kernaufgaben der Kirche schließt nicht sozial-diakonische und politische wie etwa friedens- und umweltpolitischen Konsequenzen aus (vgl. Ökumenische Aufgabenstellungen).

8.8 Übersicht über die Kirchengeschichte der Neuzeit    

PietismusBiblizismus
Herrenhuter Brüdergemeinde
Aufklärunghistorisch-kritische Bibelexegese
"Fragmentstreit"
"Kritik der praktischen Vernunft"
"kategorischer Imperativ"
Theologie und Kirchenpolitik im 19. Jahrhundert"Gefühl" als Anknüpfung
Konsistorien vs. presbyterial-synodale Kirchenordnung
Altlutheraner
liberale Theologie
Vermittlungstheologie
Kulturprotestantismus
Nationalprotestantismus
Dialektische TheologieAblehnung "natürliche Theologie"
Realdialektik
 
LutherrenaissanceNeubesinnung Rechtfertigungslehre
NationalsozialismusNS-Kirchenpartei
Reichskirche
Reichskonkordat
Bekennende Kirche-Barmen
"Lutherrat"
Entwicklungen seit 1945"Stuttgarter Schulderklärung"
EKD
Ökumenischer Rat der Kirchen
"Leuenberger Konkordie"
DDR-Kirchenbund
Wiedervereinigung EKD
Mitgliederschwund-Kernaufgaben

Quelle:

HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 256-258

III Systematische Theologie    

9 Begriff    

In der Systematischen Theologie werden die Glaubensaussagen geordnet und zusammenhängend erörtert und als Arbeitsbereich dargestellt. Es geht um die Übereinstimmung heutiger Glaubensaussagen mit der biblischen Überlieferung sowie die Übereinstimmung mit gegenwärtigem Wirklichkeitsverständnis und Wahrheitsbewusstsein (vgl. HEILKIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 270-271).

Damit sind zwei Fragenbereiche angesprochen (vgl. Glaubenslehre/ Dogmatik und Ethik).

  • Was sollen wir glauben? Was sollen wir tun?
  • Was können wir glauben? Was können wir tun?
Für das Studium der wichtigen Fragen bietet sich an der "Evangelische Erwachsenenkatechismus: glauben-erkennen-leben", Gütersloh 2001.

Glauben wagen > Gott

Der Mensch > Jesus

Leben in der Welt > Ethik

Leben in der Kirche > Hl. Geist

Mit diesem dreiteiligen Doppelschritt folgt man der Gliederung des Glaubensbekenntnisses.

10 Dogmatik    

Es geht um die Vermittlung elementarer Kenntnisse zur Glaubenslehre und um Information über die Zusammenhänge und Fragen, die Voraussetzung sind für die Erarbeitung eines eigenständigen theologischen Denkens (vgl. LEONHARDT 2001).

Das Charakteristikum des christlichen Glaubens in einem Satz lässt sich formulieren.

Der christliche Glaube ist auf die in der Bibel bezeugte, aber von ihr unterschiedene Offenbarung Gottes in der Geschichte Israels und im Auftreten und Geschick Jesu von Nazareth bezogen.

In diesem Grundsatz sind wesentliche Fragestellungen der Dogmatik enthalten.

  • Frage der Bedeutung der Bibel
  • Frage nach Gott und seiner Offenbarung
  • Frage nach der Bedeutung Jesu (Christologie)
  • Frage nach der Dreieinigkeit Gottes (Trinitätslehre)
  • Frage nach dem Glauben und der Kirche als Gemeinschaft (Ekklesiologie).
Zu den meisten Fragen finden sich Aussagen im "Apostolischen Glaubensbekenntnis" (Apostolikum).

10.1 Bedeutung der Bibel - Offenbarung    

In diesem Zusammenhang geht es um welche Bedeutung/ Funktion die Bibel für den christlichen Glauben hat, in welchem Verhältnis Gott und Bibel stehen.

  • In der Alten Kirche wurde die Autorität der Bibel/ Schrift durch ihre Inspiriertheit gestützt (vgl. 2 Tim 3,16) wie Belehrung, Besserung, Erziehung in Gerechtigkeit, Widerlegung ("Theopneustie" - Einwirkung Hl. Geist, geistige Selbsttätigkeit).
  • Im Mittelalter Autorität der Schrift in Verbindung mit Tradition (kirchliches Lehramt).
  • In der Reformation alleinige Autorität der Schrift (viva vox evangeli).
  • In der Gegenreformation Konzil von Trient dann die Gleichstellung von Schrift und Tradition. Altprotestantische Orthodoxie entwickelt eine Lehre von der Schrift (Gleichstellung von Offenbarung Gottes und Schrift).
  • In der Folgezeit Inhalt und Aussageabsicht erkennen.
Verschieden wird die Frage nach Gott und seiner Offenbarung behandelt (vgl. HEILIGENTHAL-SCHNEIDER 2004, 276-279) wie bei Luther, Bultmann, Feuerbach, Marx und Freud.

10.2 Bedeutung Jesu von Nazareth (Christologie)    

Christologie als "Lehre von dem Christus" (Christus Übersetzung des jüdischen Hoheitstitels "Messias" = Gesalbte) geht es um die Person und Bedeutung Jesu.

  • In der Alten Kirche wurde diese Arbeit "theologia" (Zusammenhang Person Jesus und Gott/ Zwei-Naturen Lehre) und "oikonomia" (Heilswirkung Gottes in dieser Person/ Begriff bis heute gebraucht) genannt.
  • Christologisches Nachdenken beginnt bei der Person Jesu, um in ihm Gott zu finden (vgl. HEILINGENTHAL 1994). Der Gottesgedanke ist sachlich und historisch gegeben (Handeln Gottes in der Geschichte Israels).
10.3 Der Dreieinige Gott (Trinitätslehre)    

Im NT findet sich keine ausgeführte Trinitätslehre. Es gibt aber etwa vier Aussagen, in denen die drei Größen, die in dem erst später formulierten Bekenntnis die Trinität Gottes konstituieren, in einem Zusammenhang genannt werden.

  • 1. Kor 12, 4-6 ["...nur eine Geist....nur den einen Herrn...nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen"]
  • 2.Kor 13,13 [" Gnade Jesu Christi...die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes"]
  • Eph 4, 4-6 ["...ein Geist...ein Herr... ein Gott und Vater aller"]
  • Mt 28,19 ("Taufauftrag")
10.4 Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen (Ekklesiologie)    

10.4.1 Personales Element der Kirche    

Die Reformation hat das personale Element in der CA 1530 im Art VII betont (Versammlung der Gläubigen, Predigt des Evangeliums, Sakramente reichen). Merkmale der Kirche sind der Bezug zu Christus, die Heiligkeit Gottes, die Universalität und Apostolizität.

Die Christenheit ist vor fast 2000 Jahren als Gemeinschaft mit einem hohen Anspruch und Lebens- und Gemeinschaftsmodellen entstanden. Geringer Institutionsaufwand konnte das Modell der Geschwisterlichkeit verwirklichen (Gal 3, 28). Missbräuche wurden vom Paulus aufgedeckt und kritisiert ( 1.Kor 11, 17-19).

10.4.2 Biblische Bilder von Kirche    

Zwei Bilder sollen die Beschreibung von Kirche verdeutlichen.

  • Kirche als Volk Gottes als Bild im NT wird als Erbe für die Verheißung an das Volks Israel gesehen. Sie wird durch den Heiligen Geist bewegt (Apg 2). Die Taufe verbindet die Menschen mit Jesus. Wie Israel als Gottesvolk ist die Kirche unterwegs.
  • Kirche als Leib Christi wird als Bild von Paulus verwendet (1.Kor. 12,12-14). Die Teilnahme in der Gemeinde in allen Bereichen macht einen lebendigen Organismus aus. Dieses Bild schließt jede Sonderstellung und Diskriminierung aus.
11 Ethik    

Im Folgenden geht es um die Problemstellung evangelischer Ethik im Pluralismus, Konsequenzen und Ansätze in ihren verschiedenen Konzeptionen.

Evangelische Ethik als theologische Ethik wird versucht, auf ihre Bedeutung und Folgerungen aus der Sicht eines Absolventen der Erziehungswissenschaft/ Politischen Bildung mit Lehramt darzustellen.

11.1 Problemstellung im Pluralismus    

Theologische Ethik hat sich mit der Argumentation auseinanderzusetzen, ob sie eine überflüssige sei, da doch Atheisten und Konfessionslose auch über moralische Urteile verfügen.

  • "Wenn theologische Ethik das moralisch Richtige oder Falsche nur zum Willen Gottes ins Verhältnis setzt, dieser Wille aber nichts anderes als allgemeine moralische Normen aussagt, tritt die Überflüssigkeit dieser Ethik hervor. Will man diese Konsequenzen vermeiden und den Willen Gottes eindeutig den moralischen Normen überordnen, dann verlieren die moralischen Normen ihre Eigenständigkeit" (MÜLLER 2001, 15).
  • Wenn der Wille Gottes entscheidend ist, kann dies durchaus gegen autonome Moralsetzungen sprechen. In diesem Fall verhindert theologische Ethik jede autonome Moral. Das Problem stellt sich durch die Vielfalt der Ethikkonzeptionen und ihre Nichtverträglichkeit, weshalb theologische Ethik sehr differenzierte Begründungen benötigt (vgl. die Realität von Pluralismus und Interkulturalität).
  • Moderne demokratische Verfassungen setzen individuelle Integrität voraus.
    • Der Staat beschränkt sich auf eine Garantie eines fairen Umgangs seiner Bewohner und ihre Gleichbehandlung.
    • Autonomie garantiert die Entwicklung eigener Vorstellungen von gutem Leben und ihre Realisierung.
    • Der Staat fixiert keine Lebensziele, er bleibt neutral und vertritt den Grundsatz einer Nicht-Diskriminierung.
Ethik wird hier als Reflexion der Moral verstanden. Die verschiedenen Konzeptionen werden reflexiv gegeneinander abgewogen, verglichen und begründet.

Moral bezeichnet das aktuelle Sollen in der Gesellschaft bzw. im individuellen Lebensstil.

Ein praktisches "Tun-Müssen" ist in einer pluralen Gesellschaft mit pluralen Moralkonzepten nicht formulierbar.

  • Nötig ist vielmehr eine Moralbegrifflichkeit, die verschiedene Konzepte zulässt (vgl. RAWLS 1994).
  • Mit dem Vorwurf, dass hier allen Menschen eine homogene Form der Kultur aufgezwungen wird, verweist TAYLOR auf das Beispiel des frankophonen Quebec mit dem gemeinsamen Bündel von Sprachgesetzen zugunsten der französischen Sprache (vgl. TAYLOR 1992, 45). Hier wird die Gleichwertigkeit aller Kulturen abgelehnt. Gefordert wird der Respekt vor den kulturell vermittelten Bedeutungen anderer Menschen mit der Konsequenz eines Nebeneinander (vgl. TAYLOR 1992, 62-71).
  • HABERMAS sieht den individualistischen Kern des Freiheitsverständnisses in Frage gestellt. Er plädiert für die Achtung der Identität jedes Individuums und seiner Handlungsformen. Das Rechtssystem sei ein kein neutrales Gesetz(vgl. TAYLOR 1992, 153-154).
  • Letztlich entsteht in der Zustimmung einer pluralistischen Gesellschaft ein Gut, das auf dem Konsens aller Beteiligten beruht, die von Kooperation ausgeht(vgl. die Bedeutung von Trans- und Interkulturalität; MÜLLER 2001, 17).
  • Teilt man eine Gesamtkultur in die Bereiche Wirtschaft, Politik und Individualitätskultur ein, wird deutlich, dass unterschiedliche Prinzipien zugrunde liegen.
    • Wirtschaft beruht auf Effizienz,
    • Politik auf Gleichheit und
    • Individualitätskultur auf Selbstverwirklichung.
    • Durch die starke Segmentierung erhält die Wirtschaft und damit der Markt eine entscheidende Bedeutung mit pluralen Formen untereinander.
    • Theologische Ethik erhält damit Schwierigkeiten in ihrer Argumentation. Eine Ausschließlichkeit bei Letztbegründungen verletzt die Pluralität und verliert die Kommunikationsfähigkeit mit anderen Anschauungen oder Wissenschaften.
11.2 Konsequenzen für eine evangelische Ethik    

Unter Beachtung der bisherigen Konzepte ethischer Dimensionen ergeben sich Folgerungen für evangelische Ethik.

  • Es geht zunächst um ein Zugestehen einer Sonderrolle in der Normsetzung und impliziert ein abgesichertes moralisches Wissen.
  • Negiert wird, dass Christen gleiche Probleme wie andere Menschen mit Vernunft lösen müssen (vgl. MÜLLER 2001, 21).
  • Theologische Ethik muss einen universalen Anspruch erheben können.
Im Folgenden werden Ansätze und der Kontext zur Gegenwart beschrieben.

11.3 Ansätze evangelischer Ethik    

Ansätze evangelischer Ethik werden im Folgenden verkürzt dargestellt, das Verhältnis zur allgemeinen Ethik bzw. von Ethik und Dogmatik soll dargelegt werden.

Zunächst wird auf Luther, Calvin und Schleiermacher eingegangen. Mit Herrmanns liberaler Ethik wendet man sich dem 20. Jahrhundert zu. Die einflussreichen Modelle von Barth und Bonhoeffer folgen. Thielecke als Vertreter eines lutherisch geprägten Ordnungsdenkens und Richs Versuch einer zeitgemäßen Sozialethik gilt ebenso das Interesse.

Die Konzeptionen von Trillhaas und Rendtorff beschließen entsprechend der gegenwärtigen Säkularität und Verbindung zur Lebenswirklichkeit im Kontext mit theologischer Intention die Ansätze.

Abschließend wird das Verhältnis von Ethik und Dogmatik beleuchtet.

11.3.1 Zwei-Regimenter-Lehre - Luther    

Bei Martin LUTHER gehen alle Gesetze auf Gott zurück (vgl. den zu begründeten Verweis auf Röm 13,1 f. oder 1 Pet 2,13 f.; MÜLLER 2001, 22-27). Die Gesetze dienen der Regelung der zwischenmenschlichen Verhältnisse und richten sich an alle Menschen. Es klingt bereits die Lehre von den zwei Regimentern an.

  • Im Reich der Welt geht es ein friedliches Zusammenleben und die Ausrichtung auf das Gute. Ziel ist der äußere Frieden.
  • Im geistlichen Reich geht es um den Heiligen Geist im Herzen. Ziel ist Rechtschaffenheit. Das Bild des guten Baumes mit guten Früchten symbolisiert das Tun des Guten und leiden am Unrecht.
  • Beide Regimenter beziehen sich auf die Sündhaftigkeit des Menschen, so dass sie notwendig sind.
Das Verhältnis zur weltlichen Obrigkeit ergibt sich

  • aus der Verantwortung im Welthandeln des Christen,
  • aus dem Evangelium,
  • seiner Eignung um ein Amt der Obrigkeit und
  • der Beförderung der Wohlfahrt (vgl. Luthers Ansicht in der Kontinuität des Glaubens durch Liebe bei 1 Kor 10,3 und 12,13).
  • Aus dem Glauben folgt die Liebe zu Gott und daraus ein Leben, in dem man dem Nächsten umsonst dient ("freier Dienst").
Dieses Handlungsverständnis im Kontext zum Glauben steht eng zum ersten Gebot als Form eines Zutrauens zu Gott.

  • Alles was man tut ist Gott zu gefallen, selbst der Müßiggang(vgl. 1 Kor 10,31 oder Röm 8,28).
  • Durch die Verschiedenheit der Menschen bedarf es einer Unterweisung im Glauben. Daraus ergibt sich ein Erziehungsauftrag.
Luthers Ethik stellt kein weltliches Regiment für ein christliches Leben auf der Welt auf. Im geistlichen Regiment hat man dem Gesetz der Liebe, dem Verzicht auf Durchsetzung eigener Rechte und Eintreten für den Nächsten zu folgen. Allein der Glaube macht den Menschen rechtschaffen, nicht die Werke. Diese biblisch begründete Ethik besitzt einen universalen Bereich auf alle Menschen und versucht damit, das Verhältnis zum Nächsten, zur Obrigkeit (Staat) und zu Gott zu sehen (vgl. die Vorausgesetztheit Gottes im Handeln).

11.3.2 tertius usus legis - Calvin    

Durch den Sündenfall besitzt nach Johannes CALVIN der Mensch keinerlei Rechtschaffenheit mehr, trotzdem soll er belehrt werden und sich nach dem Guten bemühen (vgl. CALVIN 1984, II, 2,1). Ausdrücklich schließt er sich mit seiner Ablehnung des freien Willens Augustin an, für den der freie Wille mit dem Sündenfall verloren ist, womit der Mensch aus eigener Kraft nicht mehr zur Gerechtigkeit beitragen kann(vgl. CALVIN 1984, II,9; als biblische Begründung etwa Ps 147, 10f., Jes 40,29,31). Menschliche Gerechtigkeit wird negiert.

Vernunft und Wille gehören jedoch zur Natur des Menschen, weshalb sie durch den Sündenfall nicht vollständig zerstört werden. Rudimentär verbleiben beide Bereiche, wobei nach Calvin der Mensch bei irdischen Dingen ein gewisses Erkenntnisvermögen besitzt. Vernunft wird als besondere Gottesgabe anerkannt (vgl. CALVIN 1984, II, 2, 13-14).

  • Vernunft ist nicht autonom gedacht, weil das Gesetz der Schöpfung alles bewegt. So können Christen Erkenntnisse von Nichtchristen als Gabe Gottes entgegennehmen, da Gott in ihnen wirkt und durch sie seine Gnade zeigt(vgl. MÜLLER 2001, 28).
  • Calvin beschreibt die Vernunft gegenüber den Dingen des Reiches Gottes als unfähig, Gott von sich aus zu erkennen (vgl. Joh 1.4). Nur wer Christus im Glauben annimmt, ist aus Gott geboren (vgl. Joh 1.13)(vgl. CALVIN 1984, II, 2, 18-21).
  • Rechte Lebensführung durch Vernunft vermerkt Calvin als ein gewisses lex naturalis (vgl. CALVIN 1984, II, 2,22; Röm 2,14).
  • Sündhafte Menschen streben dennoch nach Tugenden. Hier verbirgt sich ein von Gottes Vorsehung gesteuertes Verhalten, dass die Sündhaftigkeit nicht schrankenlos werden lässt (vgl. MÜLLER 2001, 29).
  • Um zu wirklich Gutem sich zu wenden, ist der Mensch auf Gottes vorgängigem Handeln angewiesen. Dieser neue menschliche Wille ist ein Geschehen göttlicher Gnade. Als Geschenk Gottes ist er der Verfügungsgewalt des Menschen entzogen. Diesen Gedanken von der nur von Gott vermittelten Ursprünglichkeit des Guten drückt Calvin in der Vorstellung der Erwählung aus (vgl. CALVIN 1984, II, 3,8).
  • Gottes Gnade wird nicht allen Menschen gegeben. Wem sie nicht gegeben wird, dem bleibt die Gnade und die Fähigkeit zum Guten nach Gottes gerechtem Urteil verwehrt. Damit wird die Bedeutung des Gedankens der Prädestination im Denken Calvins deutlich (vgl. CALVIN 1984, II, 3,14).
Im Gesetz/ Dekalog als Richtschnur gerechten Lebens wird das Volk in Erwartung Christi gehalten. Christus ist das Ende des Gesetzes. Es lehrt die vor Gott geltende Gerechtigkeit. Gott nimmt den Menschen in Gnade an. Diese kann man sich nur im Glauben schenken lassen (vgl. MÜLLER 2001, 30).

  • Menschen können zunächst nicht das Gesetz erfüllen. Es überführt sie im usus elenchticus/theologicus als Sünder (vgl. MÜLLER 2001, 31).
  • Im usus politicus werden die Menschen aus Furcht vor Strafe zur Ordnung gehalten.
  • Im usus in renatis erkennen die Menschen einen Nutzen im Gesetz. Mit der Erfüllung wird das Ziel des Tuns gezeigt (vgl. Mt 5,17f.).
Der Gedanke der Erwählung in Verbindung mit dem tertius usus legis zeigt, dass der Mensch durch Reflexion auf das Gesetz und sein Handeln durch den Glauben sich des "rechten Tuns" und bei Gott der "Belohnung zu erwarten hat" (vgl. die Verwendung des syllogismus practicus, durch den die Menschen ihrer Heiligung und Erwählung sich vergewissern können). Damit erhält das Gesetz die Bedeutung, dass die Menschen sich demütig und nach den Regeln der Gerechtigkeit verhalten sollen.

Anders als bei Luther wird bei Calvins Ethik die Bedeutung der Gebote für das Verhalten in der Welt betont (vgl. die Macht Gottes, unbedingter Gehorsam). Damit kommt es zur einer geringeren Einschätzung des weltlichen Gesetzes als Erhaltung der äußeren Ordnung. Stärker als bei Luther wird das alttestamentliche Gesetz betont. Eine Reflexion zu Nichtchristen wird nicht angestellt. Die Abstufung zur weltlichen Ordnung zeigt, dass für Calvin nur die christliche Ethik maßgeblich ist (vgl. Gesetz im tertius usus als Richtschnur).

11.3.3 Kulturbezogenheit in der Ethik - Schleiermacher    

Friedrich SCHLEIERMACHER legt theologische Ethik wissenschaftlich aus und bestimmt ihr Verhältnis zur Dogmatik und philosophischen Ethik (vgl. SCHLEIERMACHER 1999; MÜLLER 2001, 32-42).

  • Christliche Sittenlehre/Ethik wird als Zusammenfassung der Regeln bestimmt, wonach sich ein Mitglied der christlichen Kirche das Leben gestalten soll.
  • Christliche Sittenlehre/Ethik steht christlicher Glaubenslehre und philosophischer Ethik gegenüber (vgl. MÜLLER 2001, 32-33).
  • Christliche Sittenlehre/Ethik bezieht sich als besondere Lehre nur auf Christen, während die philosophische Ethik als Gesamtlehre mit allgemeiner Gültigkeit ihr gegenübersteht.
  • Für Schleiermacher kann die Differenzierung nur aus der christlichen Lehre begründet werden.
  • Grundvoraussetzungen für eine Entwicklung christlicher Lehre liegt in Christo, in welchem ursprünglich dasjenige ist, was Menschen zu Christen macht.
  • Schleiermacher behandelt das Verhältnis zwischen religiöser und philosophischer "Sittenlehre"/Ethik (vgl. MÜLLER 2001, 34).
    • Das Christentum geht von der Voraussetzung aus, alle Gegensätze in sich überwunden zu haben. Religiöse Ethik setzt religiöse Motivation voraus.
    • Philosophische Ethik besitzt universelle Tendenz, daher nimmt sie religiöse Ethik auf, während diese sich in ihrer "Besonderheit" (eher) abschließt.
Es ergibt sich nunmehr die Frage bei christlichem Selbstbewusstsein nach einer Handlungsorientierung (Impuls für Handeln). Schleiermacher spricht von Lust nach "Seligkeit" (Gemeinschaft mit Gott) und Unlust als Negation der Gemeinschaft. Je nach Alter ("Lebensstufe") geht um Momente der Annäherung oder der Negation.

  • Handeln wird differenziert in wirksames Handeln als Zustandsänderung(etwa Erziehung in Familie und Kirche vs. Strafe, Zucht, Buße) und
  • darstellendes Handeln als innere Bestimmtheit des christlichen Bewusstseins(etwa Kirche/Gottesdienst und Staat/Geselligkeit)unterteilt.
Im Gegensatz von Geist und Fleisch wird die Relation von individuellem und göttlichem Geist erfasst (vgl. SCHLEIERMACHER 1999, 60-61).

  • Individuelle Vernunft ist als mitwirkend mit dem universellen göttlichen Geist anzusehen.
  • Handeln im christlich bestimmten Selbstbewusstsein wird durch das Verhältnis zwischen Universellem und Individuellem verwirklicht. Handeln versteht sich als individuelle Verwirklichung des christlichen Selbstbewusstseins.
  • Evangelische Ethik setzt eine Fortentwicklung von Regeln voraus, was auf einer entsprechenden Auffassung von Kirche beruht (vgl. ein Denken als bewegliches Ganzes, als Fortschreitung und Entwicklung; SCHLEIERMACHER 1999, 72).
  • "Jeder Fortschritt ist ein richtiges Verstehen dessen, was in Christus gesetzt ist" (MÜLLER 2001, 38). Mit dem Kircheneintritt anerkennt man ihre Regeln und ordnet das persönliche Bewusstsein dem gemeinsame unter´ (vgl. SCHLEIERMACHER 1999, 74).
Theologische Ethik erhält in der Form der Pflichtenlehre eine imperative Form mit der Beschreibung der Tugend und des Reiches Gottes als Ergänzung (vgl. SCHLEIERMACHER 1999, 79).

  • Es bedarf einer Fertigkeit bzw. eines Habitus ("Erziehung"), die dem Prinzip christlichen Lebens entspricht, damit wirksames und darstellendes Handeln erfolgt. Dies bestätigt sich in einer Kirche mit der Zugehörigkeit seit der Geburt(vgl. SCHLEIERMACHER 1999, 84).
  • Biblische Lebensvorschriften beziehen sich auf damalige Verhältnisse, daher müssen sie aktuell übersetzt werden, wenn man sie richtig anwenden will (vgl. SCHLEIERMACHER 1999, 94).
Schleiermachers Ethik ist keine biblische Ethik, sie setzt christologisch ein. Vermittelt durch den Heiligen Geist sammeln sich Menschen in der Kirche, womit es zu einem ekklesiologischen Bezug des Denkens kommt. Durch das Verhältnis von Einzelnem und Allgemeinen werden universale und individuelle Ausprägungen durchgeführt. Dies zeigt sich in verschieden Kirchentümern und differenter Sozialisation.

Der theologische Ansatz setzt bei der Subjektivität an (vgl. die Bedingungen der jeweiligen Zeit und Personalität). Kulturelle Bezüge werden berücksichtigt. Durch die Religiosität aller Menschen kommt es zur angemessenen Berücksichtigung philosophischer Ethik mit Priorität religiöser Ethik im jeweiligen Kulturraum in räumlich-zeitlicher Gestalt einer christlichen Sitte (vgl. MÜLLER 2001, 42).

11.3.4 Sittlichkeit - Herrmann    

Wilhelm HERRMANN(1909) erkennt im Zusammenhang von Sittlichkeit und Religion keine besondere theologische Ethik, "[...]da dann die Sittlichkeit nur religiösen Menschen einleuchten könnte"(MÜLLER 2001, 42; vgl. HERRMANN 1909, 3).

  • So würde das Christentum exklusiv behaupten, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können und den allgemeinen Begriff von Gut in Frage stellen.
  • Der Mensch kann nur auf dem Weg der sittlichen Erkenntnis zur Religion kommen, die mehr als Wunsch ist. Damit ist Sittlichkeit Basis der Religion.
  • Mit der Zurückweisung einer eigenen evangelischen Ethik verneint Herrmann keineswegs die Bedeutung der Religion im Kontext mit der Ethik, vielmehr richtet er sich gegen die Trennung von philosophischer und theologischer Ethik im Sinne Schleiermachers und lehnt den Vollzug sittlicher Ideen allein in christlichen Gemeinden ab.
Es wird deutlich, dass Herrmann diese Trennung aufheben und gleichzeitig die Bedeutung der Religion aus dem ethischen Zusammenhang erheben will. Dieser Gedankengang bringt Herrmann mit der Erkenntnis der Reformation als persönliche Befreiung des sittlichen Willens zusammen. Damit besteht das sittliche Verhalten nicht mehr in der Praxis menschlicher Natur oder im Gehorsam überlieferter Gesetze(vgl. HERRMANN 1909, 6).

  • Reformatorische Bedeutung für die Ethik besteht vielmehr im Grundsatz, dass Glaube als Erneuerung Impuls und Kraft zu einer neuen Tätigkeit wird(vgl. HERRMANN 1909, 3).
  • Christlicher Glaube wird nicht als etwas Endgültiges angesehen, vielmehr als eine ständige Überwindung von Unselbständigkeit und Schwäche verstanden(vgl. HERRMANN 1909, 8). Damit weist Herrmann darauf hin, christliche Ethik nicht auf den Glauben zu beschränken, sondern die Lebensgestaltung zu beachten.
  • Eigentliches Anliegen sei eine Verbindung von philosophischer Ethik und Sittlichkeit, womit eine Realisierung sittlichen Wollens das eigentliche Anliegen der Religion sei(vgl. HERRMANN 1909, 9-10). Sittlichkeit ist der Weg zur Religion.
  • Religion als Erfahrung wird als innere Kraft angesehen, die es ermöglicht, sich mit sittliche Gedanken auseinanderzusetzen. Der Mensch bezieht zum sittlichen Gesetz eine religiöse Stellung. Auf diese Weise erreicht der Mensch eine innere Selbständigkeit(vgl. HERRMANN 1909, 90-91).
  • Im Glauben empfangen die Menschen Vergebung.
  • Nach Herrmann war es nicht die Intention Jesu, ein neues Gesetz zu schaffen, vielmehr den Menschen durch den Bezug zu Gott zu einer besseren Gerechtigkeit zu verhelfen. Diese besteht in der Umsetzung der sittlichen Gesinnung im Handeln (vgl. das Doppelgebot von Gottes- und Nächstenliebe bzw. die Goldene Regel, womit der Gemeinschaftsbezug[verstanden als Familie, Kulturgesellschaft und Staat] dieses ethischen Ansatzes deutlich wird; vgl. HERRMANN 1909, 157-162, 172-214).
Die Ethik Herrmanns ist keine biblische Ethik. Sie beschreibt das Sittliche als kulturelle Differenz von der Natur. Alle Menschen können sie erlangen. Der religiöse Bezug ist wesentlich, weil er die Allmächtigkeit Gottes vermittelt. Wie das Doppelgebot zu realisieren ist, bleibt den Menschen selbst überlassen. Die Aufgabe der Ethik ist eine Verbesserung der Lebensumstände (vgl. HERRMANN 1909, 174). Die Gesinnung aus dem Glauben soll in ein Handeln überführt werden. Soziale Bezüge dieser Ethik zeigen sich in der Familie bzw. der Berufstätigkeit der Frau, der Kulturgemeinschaft und im Staat (vgl. HERRMANN 1909, 193-196).

11.3.5 Gottes Gebot-autonome Ethik - Barth    

Karl BARTH vertritt eine exklusiv und dogmatisch ausgerichtete Ethik (vgl. BARTH 1973, 1978; BARTH 1991; MÜLLER 2001, 46-50).

Zurückgewiesen wird die Möglichkeit einer allgemeinen Ethik, da die ethische Frage durch die Gnade Gottes beantwortet wird. Eine allgemeine Ethik wäre der Versuch, sich der Gnade eigenmächtig zu entziehen und wäre damit Sünde.

  • Voraussetzung ist die Prädestinationslehre als Lehre von der Gnadenwahl, zu der als weiteres Element die Lehre von Gottes Gebot kommt. Gott ist nur in Jesus Christus erkennbar.
  • Die Erwählung bedeutet für den Menschen, dass Gott über ihn herrschen will und seine Bestimmung von hier zu verstehen ist (vgl. BARTH 1991, 567; Mt 5,48 als Hinweis der Gnadenwahl als Gebot).
  • Für Barth sind Gnadenwahl und Ethik aufeinander bezogen. Die ethische Frage nach dem Guten im Handeln wird mit der durch das Gesetz als Evangelium besonderen Aufgabe der Dogmatik beantwortet (vgl. BARTH 1991, 568). Dogmatik und Ethik sind integriert.
  • In diesem Ansatz bestimmt Barth das Gute nicht autonom, vielmehr sieht er die ethische Frage in der Bezeugung der Offenbarung und des Werkes der Gnade Gottes ausgedrückt. "Kurz: Die Gnade Gottes ist die Beantwortung des ethischen Problems, indem sie die Menschen unter Gottes Gebot stellt, ihrer Selbstbestimmung die Vorherbestimmung gibt, den Geboten Gottes gehorsam zu werden. Damit ist jegliche autonome Ethik zurückgewiesen" (MÜLLER 2001, 47).
  • In Jesus geschieht das Gute. Der Mensch wird nicht durch die eigene Wahl des Guten gut, sondern durch Gehorsam und die Aufgabe der Autonomie. Ethik kann demnach nur durch die Gnade Gottes entwickelt werden. "Autonome Ethik bedeutet, sich dieser göttlichen Gnade entziehen zu wollen" (MÜLLER 2001, 48).
  • Barth weist daher das Nebeneinander von philosophischer und theologischer Ethik, etwa bei Schleiermacher, zurück.
  • Eine theologische Ethik nach Barth achtet darauf, inwieweit menschliches Handeln der Gnade Jesu Christi entspricht und sie verherrlicht, jedoch nicht nach Gut und Böse fragt. Damit gibt es keine Selbsterkenntnis und keinen anderen Bezug außerhalb dieser Konzeption(vgl. BARTH 1991, 603).
  • Im Kontext des Hören des Wortes Gottes und als Hörer dem entsprechenden Handeln ergibt sich die Summe christlicher Ethik.
  • Göttliches Handeln geht menschlichem Handeln voran (vgl. BARTH 1991, 609). Der Mensch ist nicht Subjekt, vielmehr als Prädikat zu verstehen.
  • Ethik ist kein abstraktes System, vielmehr als Erkenntnisweg zu verstehen (vgl. BARTH 1984, 49-82). Im Bild von Christengemeinde und Bürgergemeinde sieht Barth die Christengemeinde als inneren Kreis, der auf den äußeren Kreis der Bürgergemeinde wirkt, womit die weltliche Gerechtigkeit analog zum kirchlich verkündeten Reich Gottes gesehen wird (vgl. BARTH 1984, 65-66).
Die Ethik Barths führt zur Exklusion aller autonomen und philosophischen Ethik, auch christlicher Versuche von christlichem Selbstbewusstsein und eines Idealbildes christlichen Lebens. Ethik ist keine eigene Entscheidung des Menschen über Gut und Böse, vielmehr die Antwort Gottes in der Person Jesus Christus. Die Verschränkung von Dogmatik und Ethik zielt auf eine christologische Begründung menschlichen Handelns und damit bekenntnishaften Charakters. Aus der Sicht Politsicher Bildung sieht man, dass hier weitere politische und/oder sozialwissenschaftliche Analysen nicht gestellt werden.

11.3.6 Mandatenlehre - Bonhoeffer    

Neben dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus zeichnet Dietrich BONHOEFFER eine auf Luther stützende Ethik mit anderer Gestalt als einer Ordnungstheologie aus (vgl. BONHOEFFER 1998a, 1998b; MÜLLER 2001, 51-55). Hier geht es um die Bedeutung seiner Mandatenlehre, deren Merkmale dargestellt werden.

Der christologische Ansatz der Konzeption geht vom Willen Gottes aus, wenn es um den Bezug von Ich und Welt gehen soll (vgl. BONHOEFFER 1998a, 32-33).

  • Die Frage nach dem Guten findet nur in Christus ihre Antwort.
  • Daher ist christliche Ethik nicht von der Wirklichkeit eines Ichs, der Welt oder von Normen und Werten her beschreibbar, vielmehr von der Wirklichkeit Gottes in der Offenbarung Jesu Christi.
  • Das Problem der Realisierung ist das eigentliche Problem einer christlichen Ethik.
  • Das Gute vom Menschen ist weder sozial-, gesinnungs- noch verantwortungsethisch lösbar, vielmehr christologisch in der menschlichen Teilhabe an der Wirklichkeit Gottes zu verstehen (vgl. BONHOEFFER 1998a, 33).
  • Mit Jesus Christus ist der Ort die Wirklichkeit der Welt gegeben. Damit widerspricht Bonhoeffer der Zwei-Reiche-Lehre, die von zwei nebeneinander stehenden Räumen ausgeht (vgl. BONHOEFFER 1998a, 40-41).
Die Beziehung der Welt auf Christus geschieht in den vier biblisch begründeten Mandaten der Arbeit, Ehe, Obrigkeit und Kirche, durch die Gott die Menschen beauftragt. Durch die Auftragsbestimmtheit bevorzugt Bonhoeffer den Begriff der Mandate gegenüber dem der Ordnungen (vgl. BONHOEFFER 1998a, 54-55).

  • Arbeit, Ehe und Obrigkeit betreffen die Gestaltung menschlichen Lebens in der Welt.
  • Kirche betrifft die Wirklichkeit Jesu Christi in Form der Verkündigung, kirchlicher Ordnung und christlichem Leben(vgl. BONHOEFFER 1998a, 59). Betont wird hier der ausschließliche Teilhabe am Willen Gottes, was allein im Glauben an Jesus Christus geschieht (vgl. BONHOEFFER 1998a, 61).
  • Der Glaube wird als Rechtfertigung des Sünders aus der Gnade bestimmt. Die Rechtfertigung ist die letzte Wirklichkeit, durch die zugleich die vorletzten Dinge der Welt gerichtet werden.
Daraus ergibt sich, dass Bonhoeffer seine Ethik nicht in der Autonomie ansetzt, vielmehr in einer "Ermächtigung" (Gebot/Erlaubnis Gottes) sieht (vgl. BONHOEFFER 1998a, 374). Aus der göttlichen Erlaubnis ergibt sich die Bejahung der Freiheit in Form eines umfassenden Mitlebens in der Welt mit den vier Mandaten (vgl. BONHOEFFER 1998a, 392-393).

Die Ethik Bonhoeffers ist christozentriert und versteht sich vom Gebot Gottes, das durch das Versöhnungshandeln Gottes dem Menschen das Gebot des Tuns eröffnet. Der Mensch nimmt die Funktion des Evangeliums wahr.

Das Handeln beruht auf der Ermächtigung durch Gott. Die Kirche überträgt diese Auffassung in der Verkündigung und im Prediger (vgl. BONHOEFFER 1998a, 400). Umgesetzt werden die Gebote/Erlaubnis in den vier Mandaten, die autonome Ethik negieren.

11.3.7 Interimsethik - Thielecke    

Helmut THIELECKE hat als Grundlage seiner Ethik den lutherischen Rechtfertigungsglauben. Modifiziert wird die Konzeption durch die Auffassung von der Notverordnungen, wobei dies als Beispiel gilt, dass eine an der Zwei-Reich-Lehre orientierte Ethik keineswegs eine Bejahung der Eigengesetzlichkeit des Staates bedeuten muss. Vielmehr kann dies zu einer kritischen Reflexion führen (vgl. THIELECKE 1981/1986/1987).

Mit der Taufe und Vergebung der Sünden stellt sich die Frage, wie man vom Glauben zum Handeln kommt.

  • Christen bleiben im alten Äon (Zeitraum), stehen also in der Kontinuität bzw. Diskontinuität der Welt.
  • Das "simul iustus et peccator" Luthers transportiert Thielecke in ein '"peccator in re iustus in spe", so dass die Ethik eine eschatologische Perspektive erhält.
  • Mit dem "gleichzeitig/simul" wird das ethische Problem bezeichnet, denn in der christlichen Existenz der Sünder ändert sich vieles.
  • Für die Ethik ist der Spannungsbogen zwischen altem und neuen Äon wesentlich. Thielecke geht es um ein Verändern durch die Zeit in Form von Vergehen und Anbruch.
  • Ziel der Ethik ist das Aufzeigen der Spannung und ein Benennen, wie man im neuen Äon handeln könnte.
  • Mit und durch der Rechtfertigung (Gabe), auf die der Mensch angewiesen bleibt, drückt sich in der Folge das Handeln aus. Es bedarf einer Versöhnung mit dem Glauben. "Hier ist von einem neuen Gehorsam die Rede, da das alte Ethos durch das Christusereignis verändert ist und sich auf die zum Ereignis gewordene Gegebenheit der Rechtfertigungstatsache bezieht" (MÜLLER 2001, 56).
  • Thielecke löst die Frage so, dass die guten Werke, die dem Glauben folgen, nicht Produkte der Subjektivität sind, vielmehr Wirkungsweisen des Heiligen Geistes und damit einen Beginn im Glauben und nicht in einer Norm/einem Gesetz haben (vgl. THIELECKE 1981/1986/1987, 113-114).
  • Allerdings muss das Gesetz die Sünde offenbar machen, den Sündenfall offenbar machen und den Menschen aus der Anfechtung herausrufen(vgl. Gen 9).
  • Genau umgekehrt bedeutet theologische Ethik eine Kritik am Satz Kants "du kannst, denn du sollst". In der Bergpredigt zeigt sich die entgegengesetzte Erfahrung des "ich soll, aber ich kann nicht" (vgl. THIELECKE 1981/1986/1987, 290).
  • Die Menschlichkeit der Ordnungen ist gegensätzlich zum naturrechtlichen Denken. Mit dem ersten Gebot im Dekalog, indem Gott vorangestellt wird, wird gegen falsche Vorstellungen des Menschen protestiert. Der Dekalog setzt den Sündenfall voraus und steht im Dialog von Gott und dem Menschen. Es wird von einem positiven Menschenbild ausgegangen.
  • Die Schöpfungsordnung wird als "Notverordnung" in Form einer Schutzordnung angesprochen (vgl. THIELECKE 1981/1986/1987, 715). Sie erhebt keine ethische Neuordnung des Menschen, vielmehr ein Veto gegen bestimmte gesellschaftliche Strukturen siehe das Beispiel der Ökonomie, die rücksichtlose Expansion in alle Lebensgebiete im Kapitalismus, im Kommunismus die Kollektivierung des Menschen und die daraus entstehende Entpersönlichung und Verdinglichung (vgl. MÜLLER 2001, 59).
Die Ethik Thieleckes geht theologisch von der Rechtfertigung aus und bestimmt die Menschen als Sünder.

  • Der Interimscharakter dieser Ethik bildet einen Gegenpol zur philosophischen Ethik, die vom Ich ausgeht und eine aus dem Naturrecht gültige Ordnung formuliert.
  • Thielecke kritisiert diesen Ordo-Gedanken und findet in dem Begriffen Notordnung bzw. Schutzordnung seinen Ausdruck. Mit der Geltung des noachitischen Bundes gibt es Ordnungen, die nur im glaubenden Gegenüber der Christen zu Gott formuliert werden können.
  • Im Spannungsfeld der Äonen geht es um die Glaubenstatsache, dass alles menschliche Handeln Vergebung benötigt.
  • Am Beispiel der Ökonomie wird das Gegenüber von Mensch und Gott aufgezeigt, wobei Unrechtsformen formuliert werden. Dieser Versuch einer theologisch-ethischen Konzeption wird in einen eschatologischen Rahmen gesetzt.
11.3.8 Sozialethik - Rich    

Arthur RICH entwirft am Beispiel der Wirtschaftsethik eine Sozialethik, die die Situation der säkularen Welt betrifft. Der theologischen Ethik kommt hierbei keine Letztbegründung des Handelns zu. Sie hat in der allgemeinen sozialethischen Diskussion ihre Anliegen zu vermitteln (vgl. RICH 1991; MÜLLER 2001, 60-65).

Mit der Zweidimensionalität der ethischen Grundfrage, die sich einerseits mit der Gewohnheit zur Norm nach dem Soll und andererseits fraglicher Konventionen mit dem Relativen auseinandersetzt, ordnet RICH das Ethos der Gewohnheiten dem Relativen und das des Sollens dem Absoluten zu (vgl. RICH 1991, 15). Beides soll nicht gegenseitig ausgespielt werden. Der gesellschaftliche Wandel unterbricht jede Letztbegründung der Ethik.

RICH grenzt die Normfrage vom Naturrecht, der Kritischen Theorie und dem Kritischen Rationalismus streng ab.

  • Normen können naturrechtlich nicht abgeleitet werden (Kritik an der Ableitung der Norm aus dem Sein), vielmehr müssen sie begründet werden können, daher können keine allgemein verbindlichen Werte postuliert werden.
  • Sehr wohl gibt es aber subjektive Grundanliegen, dies sich im Überzeugungserleben der Menschen gründen und deshalb keiner allgemeinen Begründung bedürfen (vgl. RICH 1991, 97). Dadurch wird jeder Dogmatismus bei einer Urteilsbegründung abgewehrt, aber auch jeder ethische Relativismus (vgl. RICH 1991, 97).
Ethisches hat eine sachliche und alles Sachliche eine ethische Komponente, daher kann nicht menschengerecht sein, was nicht sachgemäß ist und umgekehrt (vgl. RICH 1991, 81-82). Eine Normbildung setzt ein subjektives Grundanliegen voraus, daher kann das Menschengerechte nur auf der Ebene personenbestimmter Erfahrungen jenseits wissenschaftlicher Beurteilung bezeichnet werden (vgl. RICH 1991, 102-103). Kriterien des Menschengerechten lassen sich niemals endgültig festlegen.

Werturteile können nur aus einer Erfahrungsgewissheit formuliert werden. Für RICH sind dies Glaube, Liebe und Hoffnung, die zugleich allgemein verständlich sind. Glaube als Vertrauensakt hängt mit Hoffnung eng zusammen. Liebe ist Vertrauen und Hoffnung in einem (vgl. RICH 1991, 106).

Die Kriterien des Menschengerechten werden von RICH theologisch im Folgenden erklärt.

  • Kriterium der Geschöpflichkeit (RICH 1991, 173-179) - Mensch ist nicht Herr der Schöpfung
  • Kriterium der kritischen Distanz (RICH 1991, 179-181) - kritische Distanz zur Welt
  • Kriterium der relativen Rezeption (RICH 1991, 181-184) - Bezugnahme zu Röm 13,1-7, relative Sicht der Welt
  • Kriterium der Relationalität (RICH 1991, 184-192)- zeitliche Gebundenheit der Wertvorstellungen
  • Kriterium der Mitmenschlichkeit (RICH 1991, 192-193) - Verankerung in der Geschöpflichkeit und Partizipation an der Natur (RICH 1991, 196-200).
RICH weist auf den Zusammenhang mit der Gerechtigkeitslehre von John RAWLS hin, die er für übereinstimmend mit seinem Ansatz hält (vgl. RICH 1991, 207-221).

  • Er unterstellt, dass Rawls nicht nur eine formale, sondern auch eine materiale Bestimmung sozialer Gerechtigkeit in Gerechtigkeitsgrundsätzen beabsichtigt.
  • Übereinstimmung gibt es in der Anerkennung anderer Menschen als freie und gleiche Personen sowie im Differenzprinzip mit ökonomischen Unterschieden.
  • Kritik gibt es an der Vorrangregel der Freiheit, der Solidarität entgegengesetzt wird (vgl. RICH 1991, 214-217).
In der Folge kommt es bei RICH zu Überlegungen mit anschließenden Maximen, die die Normen der Kriterien mit einem rationalen Anspruch des Sachgemäßen in fünf Schritten verbinden: Problemstellung-Sichtung von Gestaltungskonzepten-normenkritische Klärung-Bestimmung der Richtpunkte-kritische Prüfung (vgl. RICH 1991, 214-217).

Im Kontext mit Zwinglis Dialektik von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit ist diese Ethik auf das Werk des Handelns und der Gnade Gottes bezogen. Diese Dialektik macht ein Spezifikum christlicher Ethik aus (vgl. MÜLLER 2001, 63).

RICH ortet Wertvorstellungen in subjektiven Grundanliegen für Andere. Die Normen werden durch den Kontext von Menschengerechtem und Sachgemäßen konkret gemacht. Durch das subjektive Grundanliegen der Normbildung kann das Menschengerechte durch personenbestimmte und sinngebende Erfahrung bezeichnet werden. Bezeichnet werden sie mit den Stichworten Glaube, Liebe und Hoffnung.

Den rationalen Anspruch des Sachgemäßen reflektiert Rich in Maximen. Damit zeigt sich eine Realitätsbezogenheit dieses Ethikkonzepts.

Die spezifische Aufgabe des ethischen Konzeption von Rich ist das zur Geltung bringen, was Gott im Kommen seines Reiches will. Es geht um Problemlösungskompetenz einer theologischen Ethik. Gefragt wird nach der strukturellen Ordnung des institutionell vermittelten Daseins in allen sozialen Gruppierungen(vgl. RICH 1991, 66).

11.3.9 Ethik und Anthropologie - Trillhaas    

Wolfgang TRILLHAAS (1970)stellt sich in seiner Ethikkonzeption den Herausforderungen eines säkularen Denkens (vgl. MÜLLER 2001, 65-70).

Sein Ansatz soll über christliches Handeln Gewissheit und einen Zugang zur Wahrheit geben. Ebenso soll sie auch außerchristlichen Erwartungen entsprechen, wobei sie christliche Praxis einem säkularen Denken einleuchtend vermittelt (vgl. TRILLHAAS 1970, 1).

11.3.9.1 Thematik der Ethik    

Die Konzeption hat Anteil an der Gesamtthematik der Ethik mit menschlichem Handeln und Verhalten, dem menschlichen Dasein und der Bewältigung von Problemen. Insofern ist der Ansatz auf die Welt bezogen (vgl. TRILLHAAS 1970, 2).

  • Der Ansatz ist ohne theologische Voraussetzungen verstehbar.
    • Grundaussage ist das Doppelgebot der Liebe nach Mt 22,34-40 in Verbindung mit Mt 7,12, Gal 5.14 oder 1 Kor 13.
    • Im Heidelberger Katechismus hat die Dankbarkeit gegenüber Christi satisfaktorischem Handeln den Grund zum Handeln der Menschen in der Liebe.
    • Die Augsburger Confession (CA) bezeichnet die guten Werke als Früchte des Glaubens (CA 6), der sich in der Tat bezeugt (Mt 5,13-16).
  • Aus diesem Konzept kann eine Ethik aus dem Evangelium entwickelt werden. Eine Ethik nur für Christen und ohne philosophische Ethik gäbe Sorge um eine Allgemeingültigkeit und deren Einsichten (vgl. TRILLHAAS 1970, 5).
  • Zwei Grundmuster kennzeichnen den Zugang zur theologischen Einsicht (vgl. TRILLHAAS 1970, 4-10).
    • Die bewahrende Ethik - durch Luther und das frühe Luthertum vertreten - hat eine pessimistische Anthropologie und Weltsicht aufgrund der Verderbtheit durch die Erbsünde. Das Gesetz garantiert die Schöpfung und ihre Erhaltung sowie eine allgemeine Sittlichkeit. Folglich gibt es eine Individualethik und eine unter dem Gesetz stehende soziale Wirklichkeit (vgl. die mangelhaften Vorgaben an gutem Willen und damit die mangelhaften Vorgaben für eine Demokratie).
    • Die eschatologische Ethik bezeichnet die Veränderung der Welt zum wesentlichen Aspekt. Aus der Christologie wird eine Ethik der Hoffnung formuliert (vgl. TRILLHAAS 1970, 7). Das Interesse der Ethik an der Welt wird formuliert, gleichzeitig auch jede philosophische Ethik zurückgewiesen.
    • Beide Konzepte stehen für einen universalen Anspruch evangelischer Ethik (vgl. MÜLLER 2001, 66). Trillhaas betont die Frage nach dem Verhalten und Handeln des Menschen unabhängig von Glaube oder Nichtglaube bzw. christlichem und profanem Denken und (vgl. TRILLHAAS 1970, 13-14). Damit tritt er für eine selbständige Ethik im Gegensatz zur Dogmatik ein.
    • Die Anthropologie stellt eine Verbindung zwischen beiden theologischen Disziplinen her, wobei die Ethik die menschliche Entwicklung/ Humanum ("Menschwerdung") betrifft (vgl. TRILLHAAS 1970, 14).
Christliche Ethik begründet die ihre Universalität schöpfungstheologisch, ohne andere Auffassungen zu dominieren.

Die Allgemeingültigkeit der Ethik schließt nicht Eigentümlichkeiten aus, etwa die Feindesliebe. Allerdings bedarf es hier der Einsicht und einer "Kommunikabilität" des Ethischen (vgl. TRILLHAAS 1970, 18).

Christliche Ethik mit wissenschaftlichem Anspruch hat eigene Verfahren zu begründen und Revisionsbereitschaft zu praktizieren.

Ethik kommt nicht ohne die Freiheit des Willens aus. Für sein Tun und die Folgen eigener Handlungen ist der Mensch verantwortlich.

Die Besonderheit des christlichen Freiheitsbegriffes besteht im Freiraum, den Gott schafft und in den Zielen, die zum freien Handeln bestimmt sind (vgl. TRILLHAAS 1970, 74).

11.3.9.2 Anthropologie und Ethik    

Der anthropologische Sinn der Ethik orientiert sich am biblischen Bild des Menschen.

  • Der Mensch steht im Auftrag, sich die Erde untertan zu machen (Gen 1,28) und zugleich vor einem göttlich gesetzten Verbot(Gen 2,17). Die gesetzte Probe besteht er nicht.
  • In der Folge kommt es zu einer pessimistischen Anthropologie. Die Verdammung der Schlange nach dem Sündenfall (Gen 3.15) wird als Vorhaben interpretiert, dass Gott noch etwas Anderes und Besseres vorhat und der Mensch leben soll (vgl. TRILLHAAS 1970, 20).
  • Es gibt keinen Maßstab, in welche Richtung sich das Leben entwickeln soll. Wesentlich ist, ob der Mensch das Leben bewältigt und sein Menschsein gelingt (vgl. TRILLHAAS 1970, 20). Die Ethik gilt als Halt und ist auf ein selbstverantwortliches Leben ausgerichtet (vgl. TRILLHASS 1970, 21).
  • Ihre Aufgaben sind
    • Handlungsmotive (Pflichten, Ideale und Vorbilder) und kritische Einstellung gegenüber vor-ethischen Motiven (Selbstdistanzierung),
    • eine Kontrolldistanz gegenüber der Lebensführung und
    • menschlicher Wille als Instanz des Ich des Menschen.
    • In der Folge geht es um ein sittliches Verhalten des Menschen im Verhältnis zu Gott und der Umwelt sowie einem gleichzeitigen Verständigen über den Bereich der Ethik (vgl. TRILLHAAS 1970. 22-24).
    • Menschliches Leben in seiner Ausgangslage, den Zielen, des Bedarfs, der Möglichkeiten und des Erfolgs kann nicht durch ethische Grundsätze ersetzt werden. Vielmehr beurteilt die Ethik Handlungen, also was man tun kann bzw. unterlassen muss (vgl. TRILLHAAS 1970, 25).
Die Konzeption von TRILLHAAS beginnt mit der Darlegung anthropologischer Grundbegriffe im theologischen Kontext (vgl. TRILLHAAS 1970, 32-74).

  • Präzisiert wird die Bestimmung des Menschen als Geschöpf Gottes, entzweit in der Sünde, mit Hilfe der Gnade Gottes zu einem neuen Leben ermöglicht.
  • Der Mensch steht in relativer Freiheit, das Böse abzulehnen und von Gott eröffnete Chancen des Lebens zu nützen, so dass die Gnade Gottes das letzte Wort hat (vgl. TRILLHAAS 1970, 37).
  • Der Dekalog und die Goldene Regel bewahren das Leben (vgl. TRILLHAAS 1970, 39).
11.3.10 Ethik und menschliche Lebensführung - Rendtorff    

Trutz RENDTORFF (1990/1991) geht einen Schritt über Trillhaas im Versuch weiter, theologische Ethik in ein Verhältnis zur allgemeinen Ethik zu bringen (vgl. MÜLLER 2001, 70-73).

  • Der Begriff einer ethischen Theologie zeigt dies an. Gemeint ist damit ethische Lebenswirklichkeit im Kontext mit Grundfragen der Theologie ohne dogmatische Ethik (vgl. RENDTORFF 1990, 44).
  • Damit ist eine Verselbständigung der Ethik gegenüber der Dogmatik erreicht, womit nicht bei der Gotteslehre, vielmehr bei der theologischen Anthropologie als Theorie der menschlichen Lebensführung angesetzt wird (vgl. RENDTORFF 1990, 48 bzw. 9).
Die ethische Konzeption erfasst den Gegenstand in drei Elementen mit

  • dem Gegebensein des Lebens mit Handeln, individuell du in sozialen Gruppen, Gemeinschaften und Systemen,
  • Leben zu geben als Wirkung des eigenen Lebensvollzuges auf andere/"Grundsinn des Tuns des Guten" im Kontext mit dem theologischen Begriff der Liebe und der damit gebrachten Freiheit (vgl. RENDTORFF 1990, 76 bzw. 79) und folgerichtig
  • der Reflexivität des Lebens, die ein ethisches Bewusstsein bestimmt und bewegt (vgl. RENDTORFF 1990, 62-63). Hier wird die vermittelte Zueignung der Freiheit mit der Wirklichkeit in Beziehung gebracht. Illustriert wird dies am Gleichnis von barmherzigen Samariter mit dem Tun aus Liebe mit einer Reflexion der Handlungsfolgen für andere ("Verantwortungsethik") (Lk 10, 25-37). Reflexiv wird
    • die Fülle des Lebens mit verschiedensten Handlungsweisen und religiösen Dimensionen bedacht,
    • die Orientierungsbedürftigkeit mit der Suche nach Vergewisserung angesprochen,
    • die kommunikative Transzendenz mit den Perspektiven anderer gemeint,
    • der Glaube als Antizipation des Gelingens des Lebens mit Gott als Letztverantwortung relevant und
    • die Zukunft des Guten reflektiert, theologisch die Güte Gottes im Wissen um das Gute verankert.
RENDTORFF reflektiert die Vorgangsweise der Ethik als vorgegebene Autorität in der Gebotsethik, in der eigenen Lebensführung als Verantwortungsethik und in der Rechtfertigung als Metaethik (vgl. RENDTORFF 1990, 99-155). Handeln bedeutet, die Folgen des Tuns abzuschätzen (vgl. Handeln soll der Situation gerecht und in den Folgen noch korrigierbar sein).

Bedeutungsvoll ist die Sozialität. Wesentlich ist der Lebensplan in Form einer Selbstverantwortung des Lebens, womit eine Autonomie des ethischen Subjekts angesprochen ist. Im Gewissen ist man für das eigene Leben in Verantwortung für andere verantwortlich (vgl. RENDTORFF 1990, 148).

Das Ethikkonzept ist der Versuch, die Beschreibung des Lebens in den Relationen von Gegebensein, Geben und Reflexivität ohne Absolutheitsanspruch zu benennen.

Theologisch wird die Humanität begründet. In der ethischen Theologie wird von der ethischen Lebenswirklichkeit ausgegangen, ohne eine dogmatische Grundlegung zu behaupten.

11.3.11 Ethik und Dogmatik    

Ethik auch als theologisches Fach lässt erkennen, dass ein spezieller evangelischer Ansatz nicht erfordert wird (vgl. MÜLLER 2001, 77-79).

  • Grund ist, dass jede Ethik das Menschsein versucht zu erklären und eine Konzeption des guten Lebens vorlegt.
  • Daher müssen die Vorgehensweisen austauschbar sein. wenn eine universalistische Ethik angestrebt wird.
  • Zu fragen ist nach der speziellen Konzeption und dem Verhältnis von Ethik und Dogmatik.
    • Historisch entwickelte sich weder in der Theologie der Reformationszeit noch in der altprotestantischen Orthodoxie eine eigenständige Ethik. Allerdings wurden Inhalte christlicher Lehre jeweils auf den praktischen Gehalt bedacht.
    • Ein Ansatz einer Verselbständigung zeigte sich in der "Theologia moralis" (1634) von Georg CALIXT.
    • Verstärkt wurde diese Tendenz im neuzeitlichen Naturrecht und der subjektbezogenen Theologie des Pietismus und handlungsorientierten Aufklärung in ihrer Dogmenkritik.
    • Bis in die Gegenwart reicht diese Entwicklung, so bei TRILLHAAS in seiner Formulierung, dass Ethik als den für viele Menschen einzigen Zugang zu christlicher Wahrheit bezeichnet (vgl. TRILLHAAS 1970, VIII).
    • Ethik thematisiert Lebensfragen, daher wird sie schwerlich dogmatische Lehrsätze formulieren, vielmehr zu Motivation durch Glauben zum Handeln aus einem persönlichen Selbstverständnis anregen. So lässt sich Menschliches/ "Humanum" und Christliches in einer modernen Ethik vereinen. Damit gibt es auch keinen Zugang zur Vorstellung eines normativen Zugangs zu einer Ethik.
  • Die Dogmatik hat die Aufgabe, über die historische Vertretbarkeit des Glaubens Auskunft zu geben. Damit ist die Ethik nicht als Anwendung der Dogmatik zu verstehen (vgl. MÜLLER 2001, 78).
  • Ethik folgt nach dem reformatorischen Verständnis aus dem Glauben, daher kommt sie nicht ohne dogmatische Bezüge aus.
  • In einer pluralen Gesellschaft - im Kontext der Gegenwart und ihrer religionspädagogischen Bezugswissenschaften - hat evangelische Ethik sprach- und vermittlungsfähig zu sein. In diesem Rahmen kann Stellung zu Sachverhalten des Lebens im kulturellen und interkulturellen Kontext bezogen werden. Damit wird Identität praktiziert und sich einer eigenen Identität vergewissert.
  • Religion im Kontext mit christlicher Ethik ist damit ein Bestandteil der Kultur.
11.3.12 Bereichsethik - Beispiel Wirtschaftsethik    

Evangelische Ethik versteht sich

  • als Motivation zum Handeln, die sich auf jeweilige Kontexte bezogen wird.
  • Dies bedeutet einen Weltbezug, vertieft durch sozialwissenschaftliche Reflexionen.
  • Erforderlich ist entsprechend dem jeweiligen Handlungsfeld eine Bezugswissenschaft zur fachlichen und ethischen Urteilsbildung.
In diesem Zusammenhang spricht man gerne von einer angewandten Ethik. Der Begriff soll Ethik als anzuwendende Sozialtechnologie im gutem Handeln beschreiben. In der Realität sind Bereiche wie die Medizin, Technik, Umwelt und Wirtschaft Orte, die die Frage aktualisieren. Es geht vorrangig um normative Reflexionen in Fragen von Entscheidungen und Wertungen.

Wenn Ethik auf Bereiche menschlicher Lebenswelt reflektiert, sollte man von Bereichsethik sprechen. Gesellschaftliche Änderungen können keine bestimmten Standards festlegen, ansonsten würde man einen politischen, sozioökonomischen und kulturellen Wandel ablehnen.

Durch die zunehmenden Ökonomisierung der Lebenswelt ist der Bereich Wirtschaft/ Ökonomie schul- und erwachsenenpädagogisch von besonderem Interesse und soll daher in der Folge als ein Ansatz evangelischer Ethik am Beispiel der Wirtschaftsethik dargestellt werden (vgl. die IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Wirtschaftserziehung und Ökonomische Grundlagen in der Erwachsenenbildung).

Eine theologisch begründete Gesamtdeutung des Lebens aus ökonomischer Sicht erscheint daher als Bereich gegenwartsbezogener evangelischer Ethik bedeutungsvoll zu sein.

11.3.12.1 Integrative Wirtschaftsethik    

Integrative Wirtschaftsethik sucht das Normative in der ökonomischen Sachlogik aufzudecken und zu reflektieren. Arbeitsteilige Ökonomie dient der Gesellschaft zur Befriedigung der Bedürfnisse bei der Lebenshaltung und Lebensqualität (vgl. ULRICH 1998, 11).

  • Sie dient der Lebensdienlichkeit.
  • Mit der Sachzwanglogik entsteht ein Widerspruch zur Leitidee des guten Lebens bzw. gerechten Zusammenlebens (vgl. Arbeitslosigkeit neben erhöhtem Leistungsdruck oder hohem Wirtschaftswachstum mit Konsumwohlstand für einen Teil der Menschen).
  • An dieser Stelle, an der Ökonomie ohne eine ethische Dimension auszukommen scheint, fordert Peter ULRICH das Verhältnis von Ökonomie und Ethik auf der Basis der Autonomie kritisch zu klären (vgl. ULRICH 1998, 24).
  • ULRICH setzt auf die Notwendigkeit eines post-konventionellen Standpunktes der Moral, der die Ethos-Erfahrung der großen Weltkulturen bzw. Weltreligionen auf einen kulturinvarianten Standpunkt hin überschreitet. Diese Moral kann sich nur auf die selbstkritische Vernunft des Menschen als Vernunftethik stützen (vgl. ULRICH 1998, 42).
  • Für eine solche Universalethik benennt ULRICH zwischenmenschliche Verbindlichkeiten (vgl. ULRICH 1998, 44). Diese gelten als unbestreitbare Grundstimmungen(gleiche Verletzbarkeit aller Menschen, Fähigkeit des Hineinversetzens in andere, Reziprozität moralischer Ansprüche und das Universalisierungsprinzip; vgl. WEISS 1997, 217-243).
Von einem vernunftethischen Standpunkt aus soll die Sachlogik der (behaupteten) Regelungsfunktion des Marktes auf ihre Stichhaltigkeit untersucht und die Dichotomie von ethischer Vernunft und ökonomischer Rationalität in eine gemeinsame Perspektive lebensdienlicher Ökonomie integriert werden.

ULRICH strebt eine Wirtschaftsethik ohne jeweilige Bedingungen der Marktwirtschaft an. Entsprechend wird die ökonomische Vernunft einer kritischen Sicht unterzogen (vgl. MÜLLER 2001, 133-134).

11.3.12.2 Ökonomismuskritik    

Der Ökonomismus wird als Glaube der ökonomischen Rationalität an nichts als an sich selbst bezeichnet (vgl. ULRICH 1998, 127).

  • Er beruht auf der These einer Verselbständigung der Ökonomie, der Verabsolutierung des Kosten-Nutzen-Denkens und einer normativen Überhöhung des Marktes (vgl. die ökonomische Logik des wechselseitigen Vorteilstausches).
  • Die Effizienzidee (Nutzenmaximierung) wird zu einer Grundnorm (vgl. totale Marktwirtschaft).
  • Behauptet wird die Notwendigkeit eines ökonomischen Sachzwanges mit einem Dienst am Gemeinwohl.
ULRICH macht für den Sachzwang des Wettbewerbs das durch die Prädestinationslehre bestimmte calvinistische Ethos und in der Folge den Wirtschaftsliberalismus des 19. Jahrhunderts aus, das die Sinnhaftigkeit des Marktes behauptet und heute durch den rationalen Ökonomismus gesteigert wird

Die Sachzwangsituation kann man entweder durch Änderungen in persönlichen Präferenzen ändern (personale Selbstbegrenzung) oder institutionenethisch durch eine Wettbewerbsbegrenzung mit individualethischen Konsequenzen. Es bedarf autonomer ethischer Entscheidungen und Intentionen der Marktteilnehmer.

11.3.12.3 Ethische Aspekte einer Sozialen Marktwirtschaft    

ULRICHs Ansatz begegnet der Ökonomisierungsproblematik gegenwärtiger Lebensverhältnisse. Der Protestantismus hat sich seit langer Zeit in den Prozess und die Herausbildung der Sozialen Marktwirtschaft eingebracht (vgl. BRAKELMANN-JÄHNICHEN 1994).

Die Ablehnung des Ökonomismus ist ordnungspolitisch schon im Dritten Reich erarbeitet worden und nach 1945 in das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft eingeflossen (vgl. MÜLLER 2001, 142).

  • Im Freiburger Kreis hat mit den Schriften "Kirche und Welt" (1938) und "Politische Gemeinschaftsordnung" (1943) Grundlagen für eine Ordnung eines Staates nach einer Diktatur geschaffen. Impulse aus Luthers Schriften "Von der Freiheit eines Christenmenschen" und "Von weltlicher Obrigkeit" flossen ein, nicht um eine theologische Ordnungslehre, vielmehr um die Gründung eines Staates in einem Rahmen der Ordnung als gerecht verteilender Staat zu schaffen (vgl. MÜLLER 2001, 179-180) .
  • Als Ordnungsmacht aller Wirtschaftsgruppen hat der Staat für eine gerechte Lohnpolitik, Schutz vor unverschuldeter Arbeitslosigkeit, Sicherung privaten Eigentums und Sozialpflichtigkeit zu sorgen.
  • Die Ethik schließt an das Gewissen der Menschen an, denn sie werden als verantwortlich vor Gott angesehen.
  • Ziel ist eine Gemeinschaft mit der Autorität des Staates gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht.
  • Die Ethik ist nicht exklusiv christlich gedacht, sondern inklusiv als alle Menschen vor Gott stehend betrifft.
  • Man orientiert sich an Sachgerechtigkeit, der christliche Bezug motiviert zu einer Haltung der Liebe und ist Ausdruck einer Handlung in Freiheit. Dies zeigt sich in einer Ordnung als positives Regelgefüge, das kein Heil vermittelt.
Es ist daher den weltlichen Vertretern der Kirche und dem Einzelnen überlassen, ihr Handeln in eine christliche Handlung zu überführen, in der die eigene Verantwortung betont wird.

In der Denkschrift 1985 "Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie" gab die EKD ihre Zustimmung zur demokratischen Ordnung mit der Aufforderung einer Antwort auf die neue Herausforderung.

Die bedeutendste Arbeit zur evangelischen Wirtschaftsethik ist das gleichnamige zweibändige Werk von Arthur RICH (1991/1992) (vgl. ASSLÄNDER 2011, 96).

  • Rich kommt aus individualethischer Perspektive und gelangt von dort zu Systemfragen.
    • Ausgangspunkt ist die Frage der drei Grundbeziehungen Ich-Selbst (Individualaspekt), Ich-Du/Ihr (personaler Aspekt) und Ich-Wir-Es (ökologischer Aspekt).
    • Die Gestaltung der Beziehungen unterwirft Rich zwei Kriterien.
      • Das Sachgemäße entspricht den Anforderungen des Systems.
      • Das Menschengerechte weist auf die Humanverträglichkeit einer Handlung hin.
  • Normen zur Regelung des konkreten Verhaltens führt Rich bekenntnishaft ein und begründet sie auf biblische Erfahrungen.
    • Abgeleitet vom NT werden die Grundordnungen des Lebens nach der Trias Glaube-Liebe-Hoffnung bewertet.
    • Wirtschaftliches Handeln muss sich danach messen lassen. Der Mensch hat zugleich damit ein Beurteilungswerkzeug.
    • Rich bestimmt aus der Bibel weitere Kriterien, etwa die Geschöpflichkeit, kritische Distanz, relative Rezeption, Mitmenschlichkeit und wohlverstandene modern-sozialistisch orientierte Marktwirtschaft in Übereinstimmung mit der Sozialen Marktwirtschaft.
  • Rich billigt dem Staat größere und weitreichende, auch nicht-marktkonforme Maßnahmen zur Kontrolle zu.
  • Der Idealzustand einer Wirtschaft ist bei Rich eine nachfrageorientierte Wirtschaftsordnung.
Literaturverzeichnis I, II und III    

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IV Ökumenische Theologie    

12 Ökumene    

Vorbemerkung    

"Bedenkt die gegenwärtige Zeit" (Röm 13.11) als Aufruf in der Schriftlesung weist eine Ökumenische Theologie auf einen Zeitbezug hin. Geschichtliche und kirchenpolitische Ereignisse ordnen einen zeitlichen Rahmen.

Es bedarf einer begrifflichen Orientierung des Verständnisses von Ökumene. Entstehung, Entwicklung, Themen und Ziele sind von Interesse.

Die Studie entstand aus der Thematik

  • im persönlichen Religionsunterricht (SI Emil Sturm, Salzburg) und
  • der Absolvierung des 1. Lehrganges Ökumene der Kardinal König-Akademie Wien (2006).
  • Kulturell-religiöse Bildung wurde von Interesse in der Absolvierung des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt (2008) und des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg (2012).
  • Die Auseinandersetzung mit einer einführenden Fachliteratur für Nichttheologen vermittelt zusätzlich eine Basis für ökumenisches Denken im Bereich kulturell-religiöser Kompetenz (vgl. UHL 2003, KÖRTNER 2005, LIES 2005, FRIELING 2006, NÜSSEL-SATTLER 2008, POLLAK-ROSTA 2016)).
Theologische Zusatzausbildung und Politische Bildung in Verbindung mit Interkultureller Kompetenz bereichern ein ökumenisches Nachdenken.

12.1 Einleitung    

Die Ökumene kann als ein Weg beschrieben werden. Der Weg ist das Ziel. Wenn Menschen gleicher Überzeugung sich vereinen, kommt es zu einer reflektierten Weggemeinschaft (vgl. in der Folge NÜSSEL-SATTLER 2008, 7-9).

  • Zum Tragen kommen hier nicht-theologische Faktoren, oft Zufälle und in beruflichen Zusammenhängen.
  • Das Miteinander und die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft ergeben Gemeinsamkeit.
  • Ohne eigene konfessionelle Wurzeln und Reflexion ist ökumenisches Denken und Handeln mit einer Akzeptanz des anderskonfessionellen Standorts nicht möglich.
Ökumenisches Handeln fordert

  • die Bereitschaft des Bekenntnisses eigenen Glaubens, einer Empathie für den anderskonfessionellen Standort und der Akzeptanz für Differenzen (vgl. Kirchenverständnis, religiöse Sozialisation und religiöses Wissen).
  • Wer in diesem Sinne handelt, erkennt systembezogene bzw. kirchliche Vorgaben.
  • Weil es immer wieder Menschen gibt, die jenseits konfessioneller Grenzen sich glaubwürdig begegnen, man denke an konfessionsverbindende Ehepaare ("Mischehen"), im Berufsleben Mitarbeiter und ganz banal an die Begegnungen im Alltag oder ein sich erweiternder Bekannten- oder Freundeskreis, geben Impulse einer Ökumenischer Bewegung.
Die Bemühungen einer Konferenzökumene, mitunter abfällig beurteilt, leben von Begegnungen.

  • 1964 das Treffen Paul VI. mit Athenagoras in Jerusalem
  • 1967 Paul VI. in Konstantinopel Treffen mit Athenagoras und Gegenbesuch im gleichen Jahr in Rom
  • 1981 sprach Johannes Paul II. bei gemeinsamer ökumenischer Feier den Text des dort formulierten Glaubensbekenntnisses von Nizäa-Konstantinopel ohne das "Filioque"
  • 1999 Unterzeichnung der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" in Augsburg
  • 2003 1. Ökumenischer Kirchentag in Berlin mit Unterzeichnung der "Charta Oecumenica" (wechselseitige Anerkennung der Taufe)
In jüngerer Zeit gibt es eine Wiederentdeckung ökumenischer Leitfiguren mit geistlicher Tradition des Christentums (vgl. beispielhaft Elisabeth von Thüringen, Nikolaus von Smyrna, Franz von Assisi und Dietrich Bonhoeffer).

Geistliche Gemeinschaften erfahren insbesondere unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges und heute Aufmerksamkeit (vgl. Kommunität von Taize, Öffnungen von Klostergemeinschaften).

12.2 Neutestamentliche biblische Texte    

Bezugspunkte neutestamentlicher biblischer Texte sind

  • Joh 17, 20-21 Suche nach der Einheit der Menschen in der Nachfolge Jesu war von frühester Zeit bedeutsam für die Gemeinden
  • Eph 4,4-6 Gründung der Ökumene in der Einheit des trinitarischen Wesens Gottes, Taufe erlangt an Bedeutung und Bewahrung der Gemeinden in der Einheit des Glaubens
  • Joh 17, 21 Ökumene im Sinne des sterbenden Jesus in der Abschiedsrede
Der Teil aus dem Epheserbrief hat bereits in der Reformationszeit zentrale Bedeutung erlangt, als auf dem Augsburger Reichstag 1530 vor Karl V. man für die Anerkennung der Reformation eintrat.

Philipp Melanchthon entwarf als gemeinsames Bekenntnis der evangelischen Stände die "Confession Augustana"/ CA (vgl. Artikel VII der CA). Melanchthon belegt mit dem Verweis auf Eph 4,4-6 die Notwendigkeit in der Übereinstimmung im Evangelium und in der Sakramentsverwaltung (vgl. ein Glaube und eine Taufe; Eph 2, 11-22 Einheit der Kirche als Einheit des Leibes und des Geistes in der Einheit Gottes).

Gerechtigkeit und Güte Gottes gilt im Neuen Testament unterschiedslos allen Menschen. Das bedeutet nicht, dass in der Kirche alle Glieder unterschiedslos eins sind. Paulus macht in 1 Kor 12, 8-11 deutlich, die Kirche lebt vielmehr von den Unterschieden der Gaben, die der Geist den einzelnen zum Nutzen schenkt. Gesprochen wird von der Weisheitsrede, Erkenntnisrede, (Wunder)Glauben, Heilungsgaben, Machttaten bzw. Wunderwirkungen, Prophetie und Deutung der Zungenreden. Für Paulus ist wichtig, dass die Gemeindeglieder diese Vielfalt in ihrer Unterschiedlichkeit und Zugehörigkeit anerkennen. Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit, wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit (1 Kor 12, 24-25).

  • In der neueren ökumenischen Diskussion ist dieser Text Ausgangspunkt, die Unterschiede und Vielfalt der Gnadengaben als eine Bereicherung zu sehen.
  • Im Nachdenken über 1 Kor 12 wird deutlich. dass Einheit nicht mit Uniformität verwechselt werden darf. Die Studie "The Nature and Mission of the Church" der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen (2005) hält fest, dass Einheit nur durch eine angemessene Koordination der Gaben Gottes möglich ist (vgl. NÜSSEL-SATTLER 2008, 16). Eine Anerkennung der Vielfalt von Aufgaben, Diensten in der Kirche und der Gestaltung der Lebenspraxis, lässt sich auch mit einem gemeinsamen Umgang der Vielfalt konfessioneller Traditionen gewinnen (vgl. Bereicherung durch Traditionen, Unterschiede stehen auch entgegen).
12.3 Konfessionelle Geschichte der Ökumene    

Konfessionell geprägte Kirchen haben ihre eigene Geschichte der Ökumene. Diese Erkenntnis wird unter 12.3.1 verdeutlicht. Ende des 19. Jahrhunderts beginnt eine neue Epoche, die im 20. Jahrhundert organisierte Gestalt annimmt. Konfessionelle Eigenheiten formen sich. Aktuell richtet sich der Blick auf weltweite Verhältnisse in der christlichen Ökumene, aktuelle Herausforderungen ergeben sich.

12.3.1 Geschichte der Ökumene    

12.3.1.1 Begrifflichkeit    

Der Begriff Ökumene wird in den gängigen Kontexten das Streben nach Überwindung der Trennung zwischen den christlichen Kirchen und Konfessionen verstanden. In der Christentumsgeschichte kam es zu Bedeutungsverschiebungen.

  • Zur Entstehungszeit des Christentums gehört das griechische Wort "oikumene" ( oikeo - wohnen bzw. oikia - Haus) zum gängigen Sprachgebrauch und bezeichnet die bewohnte Erde oder ganze Welt (vgl. Mt 24,14).
  • Die Ausbreitung des Römischen Reiches führt dazu, dass der Begriff mit dem römischen Imperium gleichgesetzt wird ( vgl. Lk 2.1).
  • Neben einer negativen Bedeutung (Lk 4,5 und Apk 12,9) kennt der Hebräer Brief eine positive Deutung mit der Vorstellung einer zukünftigen Welt mit christlicher Hoffnung (Hebr. 2,5).
12.3.1.2 Ausbreitung des Christentums    

  • In der Folge entwickelt sich die Erfahrung der Ausbreitung des Christentums.
  • In der Differenzierung zwischen Kirche und Ökumene kommt es zum Sprachgebrauch im 3. und 4. Jahrhundert zur Bedeutung der Verbreitung der Kirche über den ganzen Erdkreis.
  • Die Anerkennung des Christentums als Staatsreligion unter Konstatin ("konstantinische Wende") bezeichnet der Begriff das christliche Imperium. Die Einheit der Kirche wird zum zentralen Anliegen im Römischen Reiches.
  • Zur Beilegung von Lehrstreitigkeiten werden ökumenische Konzilien einberufen.
  • In diesem Sinne einer Verbindlichkeit von Theologen als Lehrer der Ökumene wird im 6. Jahrhundert dem Patriarchen von Konstantinopel der Titel "ökumenischer Patriarch" zuerkennt. Nach dem Tod von Gregor dem Großen werden die Päpste als ökumenische Bischöfe bezeichnet (vgl. NÜSSEL-SATTLER 2008, 18).
  • Die ersten ökumenischen Konzilien in Nizäa 325 und in Konstantinopel 381 treffen trinitätstheologische Aussagen und im Glaubensbekenntnis. Es gilt bis heute den meisten Kirchen als das ökumenische Bekenntnis.
  • In der Folge kommt es jedoch zu neuen Auseinandersetzungen zwischen alexandrinischer und antiochenischer Tradition über die Frage, wie angesichts der vollen Gottheit des Sohnes das wahre Menschsein Jesu auszusagen sei.
  • Das dritte ökumenische Konzil in Ephesus 431 lehrt auf der Linie alexandrinischer Christologie, dass Maria als Gottesgebärerin (theotokos) zu gelten habe. Das vierte ökumenische Konzil von Chalcedon 451 schlichtet weitere Streitigkeiten. Es betont die wahre Menschheit Jesu Christi, damit die Einheit der Person Jesu Christi.
12.3.1.3 Kirchenspaltung im Osten    

Die ersten beiden Konzilien wurden von der gesamten Christenheit anerkannt, dagegen stoßen die dogmatischen Entscheidungen von Ephesus und besonders von Chalcedon auf Widerstand in einer Reihe von Kirchen im Osten des Byzantinischen Reiche bzw. auch außerhalb.

  • Es kommt zur ersten großen Kirchenspaltung in der Geschichte des Christentums.
  • In der Folge bilden sich die "orientalisch-orthodoxen Kirchen" ostsyrischer und westsyrischer Liturgietradition.
    • Zu den Kirchen der ostsyrischen Tradition gehören die Heilige Apostolische und Katholische Assyrisch Kirche des Ostens und einige indische Kirchen.
    • Zur Familie mit westsyrischer Liturgie gehören die Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien ("Jakobiten"), die Malankarische Orthodoxe Syrische Kirche, die Koptische Orthodoxe Kirche, die Äthiopische Orthodoxe Tewahedo Kirche und die Armenische Apostolische Kirche.
  • Auch innerhalb der Reichskirche kommt es zu Auseinandersetzungen über das Verständnis der beiden Naturen Christ, die auf dem fünften und sechsten Konzil in Konstantinopel 553 und 680 ausgetragen wurden. Beim weiteren Konzil in Nizäa 787 wendet man sich der Frage der Bilderverehrung zu und erlaubt diese.
Im Laufe der Jahrhunderte wird die Diskrepanz zwischen Rom und Konstantinopel durch die die kulturellen Unterschiede mit dem Ausbau des römischen Primatanspruchs und durch einzelne Schismen vertieft wie Acacianisches Schisma 484-519 und Photianisches Schisma 867-879 (vgl. NÜSSEL-SATTLER 2008, 19).

Theologisch bietet sich allem die im Westen vollzogene Einfügung des "filioque" in den Text des Glaubensbekenntnisses von Nizäa-Konstantinopel massiven theologischen Konfliktstoff.

Die aufgestauten Spannungen bilden die Grundlage für die wechselseitige Exkommunikation 1054 im Schisma zwischen Ost- und Westkirche und die Ereignisse im vierten Kreuzzug.

Vor allem von Rom aus wurden Unionsbemühungen besonders auf dem Konzil von Lyon 1274 und Konzil von Florenz 1439 unternommen.

Mit der Kirchenspaltung zwischen Ost und West und dem Zusammenbruch des Byzantinischen Reiches verliert der Begriff "Ökumene" seine reichskirchliche Dimension.

Die Orthodoxen Kirchen anerkennen nur die ersten sieben Konzilien als ökumenisch, die Römisch-Katholische Kirche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil 21 ökumenische Konzilien.

12.3.1.4 Kirchenspaltung im Westen    

Die größte ökumenische Herausforderung entsteht in der lateinischer Christenheit mit der reformatorischen Kritik Martin Luthers am Buß- und Ablasswesen, aber auch an einer großen Anzahl römischer Lehren.

Die Grundansicht ergibt sich aus der Sicht, dass im Evangelium die Rechtfertigung allein aus dem Glauben ohne alle Werke verheißen ist.

  • Die öffentliche Auseinandersetzung mit der römischen Kirche begann mit der Eröffnung des Inquisitionsverfahrens 1518.
  • In der Folge nach der Bannandrohungsbulle 1520 kam es mit der Bannbulle 1521 zur Exkommunikation Luthers.
  • Am Wormser Reichstag 1521 wurde die Reichsacht verhängt, angewiesen war nunmehr Luther auf den Schutz seines Landesherren Kurfürst Friedrich des Weisen.
  • Die Maßnahmen konnten nicht verhindern, dass in vielen Territorien des Reiches Anhänger der Reformation sich sammelten.
Zentrum der lutherischen Reformation war Wittenberg, in der Schweiz um Hudreych Zwingli Zürich und um Johanne Calvin Genf.

  • Der Versuch am Augsburger Reichstag 1530 mit der "Confessio Augustana"/ CA Anerkennung und Duldung der Reform zu erwirken und eine Kirchenspaltung zu verhindern scheiterte.
  • 1529 führten bereits Differenzen in der Abendmahlsfrage zu eigenen Entwicklungen der lutherischen Reformation, die weite Teile Skandinaviens und des Baltikums erreichten.
    • Die von Zwingli und Calvin reformierte Gestalt der Reformation bildete sich mit Gemeinden in der Schweiz, Frankreich, Schottland und in einigen Gebieten Deutschlands.
    • In England bildete sich die "Anglikanische Nationalkirche".
    • Weitere Abspaltungen kamen durch die Gründung von Freikirchen.
  • 1555 wurde durch das Prinzip "cuius regio eius religio" die Spaltung reichsrechtlich umgesetzt.
  • Im lutherischen Konkordienbuch von 1580 wurden das apostolische, nizänische und athanasianische Glaubensbekenntnis als die "tria symbola catholica oeconomica" bezeichnet.
Bestimmend war in dieser Epoche die Wahrung der Konfessionsgrenzen.

Am Ende des 17. Jahrhunderts entwickelte sich ein neues Verständnis von Ökumene im Pietismus. Das Interesse lag in der Verbreitung lebendiger Frömmigkeit über die nationalen und konfessionellen Grenzen hinweg.

  • In der Herrenhuter Brüdergemeinde, von Graf Zinzendorf begründet, gibt es das Verständnis in den verschiedenen Konfessionen eine Erziehungsform Gottes zu sehen.
  • Überkonfessionelle Ausrichtung in einer Gemeinschaft bekehrter Christen gewinnt die Erweckungsbewegung und die Missionsbewegung im 19. Jahrhundert.
  • 1846 wird in London die "Evangelische Allianz" gegründet, die sich als ökumenischer Zusammenschluss über die konfessionellen und nationalen Grenzen versteht.
  • 1855 mit überkonfessionellem Verständnis gründen sich der "Christliche Verein Junger Männer"/ CVJM und 1895 der "Christliche Studentenweltbund".
12.3.2 Ökumenischer Aufbruch im 19./ 20. Jahrhundert    

Aus der Missionsbewegung heraus und der Erkenntnis einer Behinderung durch die konfessionelle Spaltung entsteht das Bestreben ein gemeinschaftliches Miteinander im überkonfessionellen Einsatz anzustreben.

Nathan Söderblom verwendet erstmals den Begriff "Ökumene", mit dem er das Werk der Versöhnung und Einigung der getrennten Kirchen bezeichnet.

  • Als Beginn der modernen ökumenischen Bewegung wird die Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910 angesehen (vgl. die Bemühungen zu Frieden, sozialer Gerechtigkeit und Einheit der Kirchen).
  • Die erste Weltkonferenz des "Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit" 1925 in Stockholm befasst sich mit sozialen und friedensethischen Fragen.
  • Die kirchentrennenden Lehrdifferenzen sind Gegenstand der Weltkonferenz der "Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung" 1927 in Edinburgh (Teilnahme vieler protestantischer Kirchen, der Anglikanischen Kirche und Orthodoxen Kirchen, die Römisch Katholische Kirche lehnt ab).
  • 1948 wird der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Amsterdam gegründet. 1971 wird der Weltrat für christliche Erziehung als Zweig des ÖRK gegründet.
  • Alle sechs Jahre wird eine Vollversammlung gehalten (vgl. ausführlich NÜSSEL-SATTLER 2008, 22).
  • Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1962-1965 öffnet sich die Römische Katholische Kirche der ökumenischen Bewegung, sie entsendet Beobachter zu den Vollversammlungen des ÖRK. Ab 1968 wird sie Vollmitglied der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des ÖRK. Damit erhält die Ökumene erheblich an Bedeutung (vgl. Ökumenismusdekret des Konzils "Unitatis redintegratio").
  • Mit der Ökumene-Enzyklika von Johannes Paul II. "Ut unum sint"(1995) beteiligt sich die Römisch-Katholische Kirche an offiziellen Dialogen international und national.
  • Im kirchlichen Leben kommt es in der Folge zu vielen Formen eines Miteinander, ökumenischen Gottesdiensten, Begegnungen auf Katholikentagen und Evangelischen Kirchentagen (vgl. die Bemühungen um einen gemeinsamen Religionsunterricht, beispielhaft Hamburg; KEMNITZER-ROSER 2021, EZW-Texte 271/2021) .
  • Neben allen Bemühungen spielt der 1983 nach der ÖRK-Vollversammlung in Vancouver angestoßene konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung eine wichtige Rolle in der ökumenischen Bewegung. Damit findet auch die Stimme der Kirchen in der Politik ein Gehör.
  • Auf europäischer Ebene spielt die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) eine Rolle.
    • Wichtig sind nationale Organisationen geworden, die in Arbeitsgemeinschaften in Ortsgemeinden Träger des ökumenischen Gedankens sind.
    • Ziel ist im Kennenlernen und Austausch der Kirchen, theologische Erkundungen und kulturelle Prägungen in Verbindung mit Glaubensüberzeugungen als wichtige Faktoren zu reflektieren.
12.3.3 Konfessionelle Eigenarten    

Die Konfessionsgemeinschaften bilden in ihrer Geschichte konfessionelle Identitäten und sind unterschiedlich organisiert. Im ökumenischen Gespräch ist dieser Umstand besonders von Bedeutung.

Die weltweiten Konfessionen haben bereits im 19.Jahrhundert die Notwendigkeit erkannt, sich weltweit zu organisieren.

  • Im reformatorischen Bereich entstanden Weltbünde.
  • Die Orthodoxen Kirchen bereitet sich in der Folge auf der Grundlage ihrer Autokephalie auf ein panorthodoxes Konzil vor.
  • Die Römisch-Katholische Kirche hat beim Zweiten Vaticanum die Grundlage ihrer Teilnahme neu bestimmt.
12.3.3.1 Reformatorische Kirchen    

Die reformatorischen Kirchen haben keine überregionalen Verfassungsstrukturen. Das hat mit der politischen Entstehungsgeschichte zu tun (vgl. landeskirchliche Struktur). Erst mit den internationalen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert erschien es sinnvoll, einen internationalen Verbund einzurichten.

1863 entstand der Weltbund der Adventisten.

1867 wurde die erste Lamberth-Konferenz der Anglikanischen Gemeinschaft einberufen.

1875 gründeten 21 presbyterianische Kirchen in Europa und Nordamerika in London den Bund der Reformierten Kirchen.

1881 wurden der Methodistische Weltrat, 1905 der Baptistische Weltbund, 1937 das Weltkomitee der Quäker und 1947 der Lutherische Weltbund gegründet.

Die Entscheidung, ob die Ergebnisse ökumenischer Dialoge angenommen werden können, liegt aber bei den Regionalkirchen. Darum müssen internationale Dokumente wie die Konvergenzerklärung von 1982 "Taufe, Eucharistie und Amt" des ÖRK oder die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" von 1999 erst einen Rezeptionsprozess in den regionalen Kirchen durchlaufen.

12.3.3.2 Orthodoxie    

Die Orthodoxie ist in ihrer Verfassungsstruktur der Autokephalie bzw. Autonomie der einzelnen Orthodoxen Kirchen und der großen Bedeutung des panorthodoxen Konzils begründet. Fortschritte in der Ökumene sind ohne ein panorthodoxes Konzil nicht erreichbar (vgl. ausführlich NÜSSEL-SATTLER 2008, 25).

12.3.3.3 Römisch-Katholische Kirche    

Die Römisch - Katholische Kirche ist seit dem Zweiten Vaticanum 1962-1965 an ökumenischen Gesprächen beteiligt und arbeitet in Untergruppen des ÖRK mit.

Selbstverständlich wurden im Laufe der Zeit Initiativen der Caritas und Diakonie, in Österreich die Zusammenarbeit im nationalen ÖRK (vgl. http://www.oekumene.at [7.10.2022]).

IT-Hinweis

https://religion.orf.at/stories/3215382/ (11.10.2022)

12.3.4 Aktuelle Herausforderungen    

Die weltweiten und regionalen ökumenischen Bemühungen erfordern Anstrengungen zur Koordination (vgl. NÜSSL-SATTLER 2008, 26-28).

Man kann davon ausgehen, dass etwa

  • schwindendes religiöses Wissen und religiöse Persistenz,
  • geringe Möglichkeiten freiwilliger Mitarbeit mit attraktiven Angeboten von qualifizierter Fortbildung und
  • schwindende Finanzkraft der Kirchen in Europa
zu Reformen ermutigen müsste.

Die heutigen Kommunikationsmittel

erleichtern positive Entwicklungen zu ermöglichen.

  • Ökumenische Erwachsenenbildung (Fernlehre),
  • Netzwerkarbeit zur Bildung ökumenischer Gemeindepartnerschaften, ökumenischer Kooperation im Religionsunterricht, diakonischer Ökumene und
  • Kommunikation mit handlungsorientierten Aktivitäten (Projektarbeit)
wären mit relativ geringem Aufwand zu organisieren.

Es gibt nach der bestehenden Fachliteratur weder in Deutschland noch in Österreich keine Institution, welche Bereiche erweiterter Formen der Ökumene koordiniert (Stand 2022).

12.4 Reflexion    

Der Kontext zur Politischen Bildung und Interkulturellen Kompetenz, aktuell in "Globalem Lernen" und einem "Friedenslernen", verstärkt Bemühungen um eine christliche Ökumene, wie sie beispielhaft schon seit Jahrzehnten im sozial-diakonischen Bereich umgesetzt werden.

  • Für eine Religionspädagogik ergeben sich in der Querschnittsmaterie (Unterrichtsprinzip) einer Politischen Bildung vielfältige Möglichkeiten, die Themenbereiche Globalisierung und Multireligiosität einer Gesellschaft, aus der religiösen Basis der Lehrinhalte eines Religionsunterrichts in der Folge aufzuarbeiten.
  • Eine so verstandene kulturell-religiöse Bildung bereichert einen zukunftsfähigen Bildungsprozess.
  • Aus Autorensicht wäre ein Universitätslehrgang "Religion", ökumenisch konzipiert, eine Bereicherung einer Weiterbildung im akademischen Bereich.
Literaturverzeichnis IV    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.

Frieling R. (2006): Im Glauben eins - in Kirchen getrennt? Visionen einer realistischen Ökumene, Göttingen

Kemnitzer K. - Roser M. ( Hrsg.) ( 2021): "All together now !?". Ein Schreibgespräch zum Religionsunterricht in Hamburg (RUfa 2.0), EZW-Texte 271/2021, Berlin

Körtner U. H.J. (2005): Wohin steuert die Ökumene? Vom Konsens- zum Differenzmodell, Göttingen

Lies L. (2005): Grundkurs Ökumenische Theologie. Von der Spaltung zur Versöhnung. Modelle kirchlicher Einheit, Innsbruck-Wien

Nüssel Fr.- Sattler D. (2008): Einführung in die ökumenische Theologie, Darmstadt

Pollak D.- Rosta G. (2016): Religion in der Moderne. Ein internationaler Vergleich, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 1751, Bonn

Uhl H. (Hrsg. (2003): Taschenlexikon Ökumene,. Frankfurt-Paderborn

V Religionspädagogik    

13 Diakonisches Lernen und Lehren    

13.1 Vorbemerkung    

Diakonisches Lernen, performative Religionsdidaktik und Politische Bildung haben formal gesehen Strukturanalogien.

Diese zu verbinden ist das Ziel der Studie, der aus dem Interesse für einen Verbund von Allgemeiner Erwachsenen- bzw. Weiterbildung, Lehre in der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung und der Fachdidaktik der Politischen Bildung sich begründet.

Die Diskurse um diakonisches Lernen bzw. Lehren, performative Religionsdidaktik, der aktuelle Diskussionsstand und die Fachdidaktik der Politisches Bildung (in Österreich) haben ihren Ursprung vor etwa 20-30 Jahren und verlaufen auf verschiedenen Ebenen (vgl. KRAMER 2015, 11; DICHATSCHEK 2017a; IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Religionspädagogik, Politische Bildung, Ethik, Personalentwicklung).

Die Auswahl und Anordnung der Themen beruhen

Einrichtungen und Organisation der Diakonie müssen in einer ständig ändernden Gesellschaft bestehen können, um das Handlungsfeld durchführen zu können und bedürfen neben Rahmenbedingungen einer Aus-, Fort- und Weiterbildung (vgl. das Aufgabenfeld der Diakonie-Akademien). Dies unterstreicht - aus der Sicht der Politischen Bildung - ihre nationale und internationale Bedeutung.

Der Autor bezieht sich in seinen Ausführungen auf

  • die Absolvierung des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt (2008),
  • die Absolvierung des 7. Universitätslehrgang Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg (2012),
  • seine Qualifizierung in der "Weiterbildungsakademie Österreich/wba" (2010), in Verbindung mit Bildungsmaßnahmen in der Personalentwicklung der Universitäten Wien in Bildungsmanagement (2010) sowie Salzburg mit der Absolvierung des 4. Internen Lehrganges für Hochschuldidaktik (2016),
  • die Absolvierung des Fernstudiums Erwachsenenbildung der Arbeitsstelle Fernstudium/ EKD-Comenius Institut Münster (2018),
  • jahrelanger Tätigkeit und Erfahrung im Bildungsmanagement als Mitglied der Bildungskommission der Generalsynode der Evangelischen Kirche in Österreich A. und H.B.(2000-2012) und als stv. Leiter des "Evangelischen Bildungswerks in Tirol" (2004-2009, 2017-2019),
  • Lehraufträge an den Universitäten Wien/Berufspädagogik/Aus- und Weiterbildung/Vorberufliche Bildung (1990-2011) und Salzburg/ Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung/ Didaktik der Politischen Bildung (2016-2018) und
  • Kursleitertätigkeit an Volkshochschulen im Bundesland Salzburg in Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg ( 2012-2019).
13.2 Einleitung    

Die Thematik hat aus der Sicht der Politischen Bildung sozioökonomische und kulturell-religiöse Gründe.

Die einzelnen Bereiche geben unterschiedliche Antworten, die ihre Begründung in der jeweiligen Sichtweise sich finden.

13.2.1 Gegenstand Diakonie    

Diakonisches Lernen ist durch den Gegenstand "Diakonie" definiert und ihrer Breite nicht einer bestimmten Didaktik bzw. Methodik verpflichtet.

  • Lernen bezieht sich auf einen Handlungsvollzug, den Kontext von Handlung und Motivation und eine biblisch-historische Grundlage, begründet im christlichen Glauben und kirchlicher Praxis des Beistandes.
  • Didaktische Voraussetzung ist gelebte Religion, bezogen auf auf eine kulturelle Praxis. Diakonisches Handeln ist auch performativ, wie im Folgenden darauf hingewiesen wird (vgl. KRAMER 2015, 22, 33-34).
  • Bildungswissenschaftliche Beobachtungen ergeben mitunter kulturkritische Aspekte, etwa eine "Krise des Helfens", Wertediskussionen oder "Traditionsbrüche" (vgl. den Ausdruck "Traditionsabbrüche").
  • Wird das Christentum als etwas Anderes angesehen, ist dies für die Didaktik eine Herausforderung, eine Lernchance.
  • Allerdings kann mangelhafte religiöse Sozialisation kaum durch religiöse Bildung kompensiert werden (vgl. Religion ausschließlich als "Bildungsreligion" und damit die Auswirkungen auf die christliche Religion selbst).
13.2.2 Performative Religionsdidaktik    

Performative Religionsdidaktik beinhaltet eine formale Konzeption der Religionspädagogik.

Im Folgenden geht es verkürzt um die Trias des sog. "Traditionsbruchs", die Zeichendidaktik und den Diskussionsstand (vgl. ausführlich KRAMER 2015, 13-33).

  • Im Traditionsbruch geht man davon aus, dass die theologische Lehre sekundär ist in Bezug auf eine Glaubenspraxis. Damit wird sie zum Gegenstand religiöser Bildung. Die fehlende gesellschaftliche Legitimierung der christlichen Religion ergibt sich aus dem Verlust des Monopols von Religion bei der Beantwortung lebensbedeutender Fragen. Für einen Unterricht bedeutet dies vermehrt biografisches Lernen, Lesen der Bibel als Orientierung, Praxisorientierung des Unterrichts und der Forderung Fremdes als Fremdes stehen zu lassen. Der Traditionsbruch geht von einer vermehrten Subjektivierung und Medienorientierung aus. Religionsdidaktik ist so gesehen auf eine Teilnahme der vorhandenen religiös-kulturellen Praxis angewiesen.
  • Aspekte einer Zeichendidaktik bzw. Symboldidaktik zeigen sich in der Verschiedenheit im Symbolbegriff (vgl. die Unterschiede der Lebenserfahrung der Lernenden, das Umfeld für Symbolverständnis und die historisch geprägte Geisteshaltung). Didaktisch bedarf es der Aufdeckung von Codes, damit deren Gebrauch von Zeichen studiert, probiert und kritisiert werden kann. Weil Zeichen Funktionen darstellen, sind sie prozesshaft zu betrachten. Es geht um Kommunikation/kommunikatives Handeln, Zeichenkompetenz und Rollenverständnis mit Interpretation(vgl. Rollenspiel). Didaktische Folgerungen ergeben sich aus dem Gebrauch von Zeichen bzw. Symbolen.
  • Zu unterscheiden ist
    • Religion als Glaube in einem individuellen Gottvertrauen,
    • Religion als kommunizierte kulturelle Praxis des Glaubens und
    • Religionspraxis als wissenschaftliche Reflexion der Theologie.
Der Religionsunterricht wird zumeist eine Religion der kulturellen Praxis darstellen. Diakonisches Handeln wird eine bestimmte Praxis des Evangeliums hier bilden (vgl. die didaktische Bedeutung als eine Form religiöser Praxis).

13.2.3 Aktueller Diskussionsstand    

Der aktuelle Diskussionsstand bezieht sich auf konkret erfahrende und gelebte Religion.

  • Dies ist der didaktische Ort der performativen Religionspädagogik.
  • Aspekte sind gelebte Religion und kulturelle Praxis, wie sie sich etwa auf Lk 10, 25-37 bezieht.
  • Diakonisches Handeln ist als religiöse Ausdrucksform eine Performanz von Religion.
Politische Bildung als Bereich einer schulischen und außerschulischen Didaktik versteht sich in einer demokratischen Gesellschaft als Fachbereich, der mit diakonischer Didaktik in Kontext steht.

  • Der Teilbereich Migration in Politischer Bildung bzw. Interkultureller Kompetenz setzt sich mit Formen der Religiosität auseinander (vgl. MATZNER 2012, 35; ROHE-ENGIN-KHORCHIDE-ÖSZOY-SCHMID 2015).
  • "Traditionsbrüche" sind im Selbstverständnis einer Politischer Bildung als gesellschaftlicher Paradigmenwechsel zu verstehen und haben als Ursache auch sozioökonomische und kulturell-religiöse Gründe.
  • Handlungsorientierung gehört zur Politischen Bildung, beispielhaft sind Mündigkeit-Autonomie-Innovationen-Durchsetzungsorientierung-Engagement-Empathie-Konsens-Konfliktlösung-Toleranz als Aspekte politischen Handelns.
Von Interesse ist daher der Verbund von

  • diakonischem Selbstverständnis,
  • performativer Didaktik und
  • Politischer Bildung.
Lernen und Lehren gehören zusammen, sie vervollständigen ein Konzept diakonischen Lernens und der Lehre.

13.3 Diakonisches Lernen    

Diakonisches Lernen wird zumeist als Durchführung und Begleitung

  • diakonisch-sozialer Praktika,
  • der Auseinandersetzung mit biblisch-theologischen Grundlagen,
  • der Tradition diakonischen Handelns und
  • der Auseinandersetzung mit Helfenden und Hilfsbedürftigen gesehen (vgl. KRAMER 2015, 51-53).
Zugeordnet wird es sozialem Lernen im Kontext mit einem christlichen Menschenbild (vgl. Nächstenliebe und soziale Verantwortlichkeit).

  • Praktika verstehen sich als Lernweg religiöser Bildung und religiöser Praxis.
  • Inwieweit dies in Rahmenlehrplänen verankert ist, erweist sich zumeist in konfessionellen Schulen.
13.3.1 Impulse diakonischer Lernprozesse    

Strukturanalogien ergeben sich für schulische und außerschulische Lernprozesse in verschiedenen pädagogischen Kategorien (vgl. KRAMER 2015, 71-101).

  • "Künstlichkeit" (Laborsituation/Modell-Lernen) bedeutet die Wirklichkeit in der jeweiligen Institution nachzeichnen.
  • Lehrer_innenrolle bedeutet Lehrende, Animateure, Akteure und Zuhörer bzw. Zuseher in Unterricht bzw. Lehre.
  • Kommunikation im Rollenverständnis Lehrender bedeutet verbale und gestische Ausdrucksformen, hier gemeint in religiösen Sinne, einsetzen.
  • Setting bedeutet räumliche, zeitliche und sachbezogene Rahmenbedingungen von Lernprozessen gestalten.
  • Nicht zu übersehen sind Erkundungen, Exkursionen, Rollenspiele, Diskussionen, Vorträge/Expertengespräche, Plakate, Karikaturen, Lesetexte und der Einsatz von Medien als impulsfördernde Lernprozesse.
In diesem Kontext werden Lernimpulse hergestellt.

13.3.2 Inhalte    

In der Ethik geht es nicht nur um eine Reflexion von Moral des Einzelnen, vielmehr auch um den Bezug auf ein Zusammenleben mit anderen (vgl. KRAMER 2015, 127-129).

  • Damit verbindet sich in der Ethik ein subjektiver und objektiver Aspekt. Mitunter wird auch weniger von Moral und mehr von "Lebensführung" gesprochen.
  • Es geht um einen Prozess der sozialen Kommunikation.
Didaktisch bezieht sich der ethische Diskurs auf die

  • partnerschaftliche Ebene/Ehe-Familie,
  • zwischenmenschliche Ebene/persönliche Achtung, Gestaltung sozialer Beziehungen,
  • berufliche Ebene/berufliche Eigenschaften, berufliches Rollenverständnis,
  • gesellschaftliche Ebene/Wohl des Gemeinwesens,
  • Umweltebene/Schutz der Umwelt, Verantwortung gegenüber künftigen Generationen und
  • Wissenschaftsebene/Machbarkeit-ethische Verantwortung (vgl. etwa Gentechnik, Fragen der Biomedizin).
13.3.3 Ziele diakonischen Lernens    

Ziele diakonischen Lernens sind

  • Persönlichkeitsentwicklung,
  • Sensibilisierung religiös-ethischer Fragen,
  • Erfahrungen christlichen Glaubens im Alltag,
  • soziale Verantwortung und
  • Erkundung diakonischer Handlungsfelder in Unterricht und Praxis (vgl. KRAMER 2015, 148-151).
Im außerschulischen Bereich sind Evangelische Bildungswerke mit diakonischem Lernen und Lehren angesprochen. Hilfreich kann der Verbund mit einer Diakonie-Akademie sein.

In diesem Kontext sieht sich die Performativität diakonischen Handelns. Basis ist die Didaktisierung von Handlungsvollzügen und reflexiver Kritik.

13.3.4 Diakonisches und ethisches Lernen    

Zwei Aspekte ergeben sich aus der Begriffsbestimmung (vgl. KRAMER 2015, 123-132).

  • Einmal ist es die theoretische Reflexion von Ethik der Lernenden und in der Folge ergibt sich die Praxisrelevanz (vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Ethik).
  • Ethische Erziehung befähigt zur Frage nach dem Wesen des Guten und guten und sinnvollen Hilfen in der Lebenspraxis. Lernende beschäftigen sich mit Werten und Normen, damit kommt es zu praktischen Wertdiskursen und einer Entwicklung zu einem Urteilsvermögen.
  • Dass neben dem Religionsunterricht als Gegenstand einer bestimmten Religion auch die Sozialkunde und Politische Bildung Reflexion, Urteilsbildung, Empathie und Solidarität fördert, weist auf den Kontext hin.
Spricht man von ethischem Lernen, hat man zwischen Moral und Ethik zu unterscheiden.

  • Moral beinhaltet zugrunde liegende Einstellungen,
  • Ethik die Reflexion moralischer Praxis mit dem Ziel einer theoretischen Begründung.
  • Ziele ethischer Bildung sind Inhalte (materiale Ethik), Begründungen (formale Ethik) und der Konsens bzw. Dissens (Umsetzung). Der performative Ansatz ergänzt die Begründungszusammenhänge (vgl. NIPKOW 1996, 40-42; KRAMER 2015, 127).
13.4 Didaktischer Ansatz - Performative Religionsdidaktik    

Als Zweig der Religionspädagogik so in diesem didaktischen Ansatz

  • Religion erlebbar und erfahrbar machen,
  • zum religiösen Handeln ermutigen,
  • keinesfalls missionarisch wirken.
Der Begriff wird von Rudolf ENGLERT (2008) in der Religionspädagogik formuliert.

In der Folge wird das Performative von den evangelischen Religionspädagogen Bernhard DRESSLER (2012) und Thomas KLIE/Silke LEONHARD (2008) theoretisch fundiert.

13.5 Diakonie lehren    

Im Folgenden wird eingegangen auf

  • Bezugswissenschaften mit IT-Autorenbeiträgen,
  • Praxisprojekte,
  • Diakonie als Unterrichtsfach,
  • diakonisches Lernen im Religionsunterricht,
  • Erwachsenen- bzw. Aus- und Fortbildung eingegangen und
  • eine Reflexion vorgenommen.
13.5.1 Bezugswissenschaften    

Diakonie lehren (und lernen) bedarf einer bezugswissenschaftlichen Grundlage, umfasst der Themenbereich doch schulische und außerschulische allgemeinpädagogische und theologisch-religionspädagogische Intentionen und Bereiche der Organisationsentwicklung (vgl. KRAMER 2015, 148-152; ADAM 2008, 371-375; GRAMZOW 2010).

Religionspädagogik > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Religionspädagogik

Ethik > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Ethik

Protestantismus > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Protestantismus

Erziehungswissenschaft > http://www.netzwerkgegengewalt.org < Index: Erziehungswissenschaft

Schule > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Schule

Lehrerbildung > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Lehrerbildung

Lehre an der Hochschule > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Lehre an der Hochschule

Erwachsenenbildung > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Erwachsenenbildung

Theorie und Praxis evangelischer Erwachsenenbildung > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Theorie und Praxis evangelischer Erwachsenenbildung

Allgemeine Didaktik > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Allgemeine Didaktik

Politische Bildung > http.//www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Politische Bildung

Friedenslernen > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Friedenslernen

Interkulturelle Kompetenz > http://www.netzwerkgegengewalt > Index: Interkulturelle Kompetenz

Globales Lernen > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Globales Lernen

Klimawandel und Klimaschutz > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Klimawandel und Klimaschutz

Migration > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Migration in Österreich

Wirtschaftserziehung > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Wirtschaftserziehung

Vorberufliche Bildung > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich

Familienwissenschaft > http://www.netzwerkgegengewalt,org > Index: Familienwissenschaft

Personalentwicklung > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Personalentwicklung

13.5.2 Praxisprojekte - Lernen in tätiger Gemeinschaft    

Im diakonischen Lernen und Lehren haben Praxisprojekte und "situated learning" eine wesentliche Bedeutung (vgl. HANISCH 2008, 384-385).

  • Neben den praktischen Einsichten in der Praxis geht es auch um theologische Erkenntnisse und Fragestellungen (vgl. HANISCH 2008, 385-388).
  • Das Praxisfeld und Motive christlichen Handelns sind Lernenden didaktisch zu erschließen (vgl. soziales Lernen im Kontext mit geistlichen Komponenten).
  • Praxisprojekte umfassen Exkursionen, Erkundungen/ Aspekterkundungen, Expertengespräche, biografische Tätigkeit und mehrwöchige bzw. wöchentliche Praktika, die die methodische Unterschiedlichkeit aufzeigen.
  • Sinnvoll ist die Einbindung in schulische Curricula (vgl. die Bedeutung von Schulentwicklung).
13.5.3 Diakonie als Unterrichtsfach    

Auf Grund der Fächeraufteilung bietet sich die Thematik "Diakonie" als Teilbereich des Kernfachs Religion an. Damit sind religionspädagogische Intentionen angesprochen (vgl. HANISCH 2008, 376-388; IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Religionspädagogik).

Im Rahmen eines Projektunterrichts kann ein Sozialprojekt mit Aspekten diakonischen Lernens ebenfalls angeboten werden.

Lehrinhalte bzw. Bildungsziele sind gesellschaftliche und theologisch-biblische Fragen.

13.5.4 Diakonisches Lernen im Religionsunterricht    

Die Thematik und der damit verbundene Lernprozess ist aus organisatorischen Gründen in erster Linie im Religionsunterricht angesiedelt (vgl. SCHRÖDER 2012, 637-638). Im evangelischen Bildungsverständnis geht es um den Zusammenhang von Lernen, Wissen, Können, Haltungen/Einstellungen, Werten, Handlungsfähigkeit und Deutung des Lebens (vgl. KRAMER 2015, 150).

Diakonisches Lernen erhebt den Anspruch, über Praxisprojekte hinaus nachhaltig Lernenden Einsichten und Haltungen zu vermitteln.

Angesprochen sind

  • Persönlichkeitsbildung,
  • soziales Lernen/ Sozialkompetenz,
  • sozialpolitische Sensibilität/ Politische Bildung,
  • Kenntnis und Diskurs über biblisch-theologische und ethisch-moralische Grundlagen und
  • Handlungsorientierung in diakonischen Handlungsfeldern mit Perspektivenbildung.
13.5.5 Erwachsenen- bzw. Aus- und Fortbildung    

Evangelische Erwachsenenbildung bzw. Evangelische Bildungswerke sind herausgefordert, diakonisches Lernen und Handeln in erwachsenenpädagogischen Lernprozessen - Erkundungen, Exkursionen, Expertengesprächen, Praktika, Diskursen und Perspektiven - anzubieten bzw. zu bearbeiten. Ein möglicher Verbund mit Diakonie-Akademien bietet sich an.

Am Beispiel der "Diakonie Eine Welt-Akademie Wien" kann interne Aus- und Fortbildung gezeigt werden.

  • Als gemeinnützige Erwachsenenbildungseinrichtung ist die Akademie aus den Bereichen Bildung und Flüchtlingsarbeit entstanden (vgl. IT-Hinweis http://einewelt.diakonie.at/akademie [12.10.2017]).
  • Die Akademie möchte eine Brücke zwischen Theorie und Praxis und langjähriger Expertise und Erfahrung schlagen sowie ein Netzwerk an Lehrenden einem breiten Publikum zugänglich machen.
  • Ziel sind qualitätsvolle Bildungsangebote in den Arbeitsbereichen der Diakonie anzubieten. Mit Stand 2017 werden Aus- und Fortbildungsangebote in den folgenden Schwerpunkten angeboten:
    • Flucht-Asyl-Migration-Integration,
    • Interkulturelle Kommunikation bzw. Kompetenz,
    • Internationale Entwicklung-Entwicklungszusammenarbeit,
    • Fortbildungsangebote für Lehrende,
    • Elternakademie/pädagogische Themen und
    • spezielle Angebote für freiwillige Mitarbeiter_innen.
13.5.6 Zusammenfassung    

Diakonische Lehre (und Lernen) ist nicht auf sozial verantwortliches Handeln beschränkt.

Neben der politisch-sozialen Dimension im Kontext mit Politischer Bildung gibt es eine theologisch-religionspädagogische Grundlage, die schulisch und außerschulisch anzusehen ist (vgl. HANISCH 2008, 276-388; SCHRÖDER 2012; KRAMER 2015).

Lerndimensionen sind demnach

  • theologisch-religionspädagogisch: Verantwortung, Verheißung und Deutung,
  • pädagogisch: soziales Lernen, politische Sensibilisierung/Bildung und interkulturelles Lernen,
  • ethisch-moralisch: ethisches Lernen und
  • reflexives Verhalten.
Diakonisches Lernen ist als Lernprozess religiöser Bildung zu verstehen. Ein zunächst probeweises diakonisches Handeln soll in der Folge diakonisch begründetes Handeln und kritische Reflexion begründen. Anzustreben ist Interdisziplinarität im schulpädagogischen und ein Verbund in außerschulisch-erwachsenenpädagogischen Bemühungen.

13.6 Kontext zu Politischer Bildung    

Neben der religions- und allgemeinpädagogischen, ethischen und theologisch-biblischen gibt es eine soziale und politische Dimension bzw. Konsequenz (vgl. METZ 2004, 6-8; ADAM 2006, 80-93; SCHRÖDER 2012, 637-638; KRAMER 2015, 136-140).

13.6.1 Themenfeld - Praxisfelder    

Auszugehen ist von dem Themenfeld der Politischen Bildung,

  • die Gestaltung sozialer Beziehungen,
  • eine demokratische Ordnung und politische Willensbildung,
  • internationale Politik und Friedenssicherung,
  • Recht und Rechtsordnung,
  • Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik,
  • Medien,
  • Umweltbildung,
  • Interkulturelle Kompetenz und Globales Lernen,
  • geschlechterspezifische Aspekte,
  • Prävention von Rechtsextremismus-Fremdenfeindlichkeit-Antisemitismus und
  • Vorberufliche Bildung/ Berufswahlorientierung umfasst (vgl. HÄNDLE-OESTERREICH-TROMMER 1999, 105-114; SANDER 2007; DICHATSCHEK 2017a).
Praxisfelder sind die Familie, die vier Bildungsbereiche, Politische Bildung als fächerübergreifende Aufgabe, spezifische außerschulische Jugendbildung und Erwachsenen- bzw. Weiterbildung.

13.6.2 Didaktische Prinzipien    

Didaktische Prinzipien sind die

  • Adressatenorientierung,
  • exemplarisches Lernen,
  • Problemorientierung,
  • Kontroversität,
  • Handlungsorientierung und
  • Wissenschaftsorientierung.
13.6.3 Beidseitige Intentionen    

Vergleicht man ADAM's didaktische Kriterien und Formate diakonisch-sozialen Lernens mit den Intentionen Politischer Bildung, finden sich zahlreiche Übereinstimmungen (vgl. ADAM 2006, 80-93; DICHATSCHEK 2017a).

Die Lernprozesse beider Fachbereiche können einander ergänzen und pädagogische Impulse vermitteln. Beispielhaft ergeben sich dies durch

  • ungewöhnliche Erfahrungen,
  • soziales Wissen aus erster Hand,
  • Verständnis und Toleranz,
  • Interesse für soziale Probleme,
  • Verhaltenssicherheit und soziale Kompetenz,
  • Kenntnis eigener Stärken und Schwächen,
  • Reflexion über das eigene Leben,
  • Akzeptanz als Person,
  • Zufriedenheit bei Teilnehmenden und
  • Kontaktfreudigkeit.
Erkundungen/ Aspekterkundungen, Expertengespräche und Praktika bedürfen einer Planung, Begleitung und kritischen Reflexion. Nachhaltige Eindrücke bei Lernenden werden in didaktischen Impulsen an Ort und Stelle gewonnen.

Dimensionen sozialen Lernens und Politischer Bildung/schulisch auch Sozialkunde ergeben wesentliche Erkenntnisse.

  • Wahrnehmung,
  • Kommunikation,
  • Akzeptanz,
  • soziales Handeln,
  • Umgang mit Schwierigkeiten und
  • Entwicklung von Werthaltungen.
Von Interesse ist diakonisch-soziales Lernen für die Erwachsenenbildung in der Evangelischen Erwachsenenpädagogik.

Im Folgenden sollen Anregungen gegeben werden.

  • Kurs "Soziale Ungleichheit",
  • Grundkurs Diakonie,
  • soziales Netzwerk,
  • Lernprojekt Blockpraktikum und
  • Öffentlichkeitsarbeit/Dokumentation/Ausstellung-Leserbrief-Diskussionsrunde.
13.7 Diakonisches Unternehmensprofil    

Zu den Kernaufgaben der Unternehmensführung in der Diakonie gehört

  • die Schärfung und Pflege eine spezifischen christlichen Profils, etwa Fragen der Seelsorge, spirituellen Bildung und christlicher Unternehmensführung (vgl. REBER 2018, 7; MOOS 2018, 93-99; HAAS-STARNITZKE 2018).
  • Verknüpft sind die Entscheidungen mit vielfältigen Personal- und Organisationsentwicklungsprozessen (vgl. IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Personalentwicklung, Organisationsentwicklung).
  • Es geht demnach um die Gestaltung eines christlichen Profils, also einer Grundüberzeugung und um Visionen. Diese Gestaltung und Pflege ist etwas Prozesshaftes. Bildungs- und Wachstumsprozesse in bestimmten Herausforderungen und Möglichkeiten erbringen eine bestimmte Profilgestaltung. Von Interesse sind die Förderung der Profilbildungsprozesse.
  • Diakonisches Lernen und Lehren geht von der Wahrnehmung und Wertschätzung (Innenbereich) sowie Kontrolle und Bevormundung (Außenbereich) aus. Diese Spannung wird mit den Schlagwörtern "Wahrnehmung, Wertschätzung und kritisches Gegenüber" bezeichnet.
IT-Hinweis

http://www.diakonie.at (9.10.2022)

13.7.1 Entwicklungen in der Diakonie    

Die Bedeutung diakonischer Einrichtungen bzw. Entwicklungen erhielt in den letzten Jahren eine besondere Bedeutung (vgl. REBER 2018, 19-24).

Diskussionswürdig in Lern- und Lehrprozessen sind die Entwicklungen im

Im Qualitätsmanagement geht es die Qualitätsanforderungen und das Zertifizierungsverfahren (vgl. REBER 2018, 24-31).

Aspekte einer christlichen Unternehmenskultur bilden

  • Führung und Leitung
    • Leitbild
    • Unternehmensstrategie
    • Konzeption-Leistungsbeschreibung
    • Managementbewertung
    • Vernetzung-Kooperation
    • Öffentlichkeitsarbeit
    • Führungsgrundsätze
    • Dienstgemeinschaft
    • Umgang mit Gütern und Ressourcen
  • Dienstleistungserbringung
    • Grundsätze
    • Erstkontakt-Information der Klientel
    • religiöse Angebote
    • Befragung der Klientel
    • Interkulturelle Öffnung-Orientierung
  • Mitarbeitende
    • Stellen-, Aufgaben- und Funktionsbeschreibung,
    • Personalbeschaffung-Personaleinarbeitung/-begleitung
    • Besprechungswesen
    • Fort- und Weiterbildung
    • religiöse Angebote
  • Mitarbeit freiwilliger/ehrenamtlicher Engagierter
    • Stellenbeschreibung
    • Fort- und Weiterbildung - spirituelles Bildungsprogramm
    • Begleitung-Unterstützung
    • Beratung im Förderprogramm.
13.7.2 Christliches Profil    

Die folgenden Ebenen und Dimensionen weisen auf ein christliches Profil (vgl. REBER 2018, 35-47; HAAS-STARNITZKE 2018).

  • Hilfe- und Dienstleistungen der Diakonie - Beratung, Pflege, medizinische Behandlung und pädagogische Arbeit
  • Seelsorge für Klienten, Patienten, Bewohner, Mitarbeitende und Führungskräfte
  • Vernetzung-Kooperation - Zusammenarbeit im Sozialraum, Mitgestaltungsmöglichkeiten, Öffentlichkeitsarbeit
  • Unternehmenskultur - Leitbilder, Kundenflyer, Internetauftritt, Bildungsprozesse
    • Reflexionskultur-Kommunikation
    • gestaltete Unterbrechungskultur und
    • Gebetskultur
13.7.3 Fördermaßnahmen    

Hier geht es um Fördermittel bei

  • Referentenkosten (Honorar, Reisekosten und Unterkunft)
  • Personalkosten (Fort- und Weiterbildung, Vertretungen) und
  • Kosten für Öffentlichkeitsarbeit (Presse-Rundfunk-Neue Medien).
13.7.4 Konfessionelles Profil    

Unterschiedliche Vorstellungen in der Vielfalt der Begrifflichkeit von Diakonie sind Gegenstand von Lern- und Lehrprozessen im diakonischen Unternehmensprofil. Daraus ergeben sich die Fragen nach

  • den Einzelunternehmen der Diakonie
  • dem christlichen Menschenbild
  • einem christlichem Engagement und
  • der Kirchlichkeit/evangelisches Profil.
13.8 Bildungswochen 2018 im diakonischen Umfeld    

4.9. - 31.10.2018, Ort: Superintendentur Innsbruck, Rennweg 13

Das Evangelische Bildungswerk in Tirol bietet im September und Oktober 2018 eine Reihe von Seminarvorträgen aus dem diakonischen Bereich'' an.

Schwerpunkte bilden

  • diakonisch-soziolpolitisches Lernen (Politische Bildung),
  • diakonisch-gesundheitspädagogisches Lernen (moderne Altenbetreuung) und
  • diakonisch-soziokulturelles Lernen. Dazu gibt es zunächst eine Ausstellung unter dem Titel "Heimat und Fremde".
Die Vorträge sollen einen Einblick in interessante Themen geben,

  • die einerseits mit Mündigkeit, Demokratieverständnis und allgemeiner Politischen Bildung zu tun haben,
  • andererseits dem weiten Bereich der Versorgung älterer Mitbürger_innen Rechnung tragen.
Die Termine sind als Seminarvorträge geplant, d.h. einerseits Vortrag, andererseits als Seminar mit Diskussion, Rundgespräch und Fallbeispielen. Eine rege Beteiligung des Publikums an der Erarbeitung eines Themas ist erwünscht.

Die Seminarvorträge beginnen jeweils um 17 Uhr.

Dienstag, 4.9.2018: Flucht und Vertreibung in den letzten Jahrzehnten

Dienstag, 18.9.2018: Macht der Medien

Dienstag, 2.10.2018: Moderne Altenbetreuung: Demenz und Diabetes

Dienstag, 16.10.2018: Demokratie und Verantwortung

Dienstag, 30.10.2018: Moderne Altenbetreuung: Wann geht es in das Heim?

Die Vernissage zur Ausstellung "Heimat und Fremde" findet am Donnerstag, 18.10.2018, um 19 Uhr in der Evangelischen Auferstehungskirche, Innsbruck, Gutshofweg 8, statt.

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei, Kostenbeiträge (Spenden) sind erbeten.

13.9 Reflexion    

Diakonisch-soziales Lernen und Lehren ist

Freiwillige Hilfe, Besuchsdienst, Kranken- und Altenpflege sowie die theoretische und praktische Auseinandersetzung mit diakonisch-sozioökonomischen/soziopolitischen und '''diakonisch-kulturellen Themenbereichen sind erwünscht, bedürfen aber einer zielgerichteten (religions-)pädagogischen Auseinandersetzung in Bildungsinstitutionen.

Persönlichkeitsbildung und gesellschaftliche Sicherheit sind vorrangige pädagogische Zielsetzungen.

Ein Freiwilligen-Engagement ist zwar gesellschaftlich wenig anerkannt, aber durchaus wünschenswert.

  • Es bringt wertvolle Erkenntnisse und bei professioneller Unterstützung auch Fortbildungsmöglichkeiten.
  • Damit steigt die gesellschaftliche Akzeptanz und möglicherweise sogar berufliche Verwertung.
Ein spezifisches Unternehmensprofil und eine christliche Unternehmenskultur sind Merkmale diakonischen Engagements in Verbindung mit einem evangelischen Profil.

Literaturverzeichnis V    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.

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Adam G.-Hanisch H.-Schmidt H.-Zitt R. (Hrsg.) (2006): Unterwegs zu einer Kultur des Helfens. Handbuch des diakonisch-sozialen Lernens, Stuttgart

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IT-Hinweis    

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https://de.lutheranworld.org/de/content/neues-oekumenisches-studiendokument-will-diakonie-staerken-21 > Lutherischer Weltbund-actalliance-Weltkirchenrat > Neues ökumenisches Studiendokument will Diakonie stärken (1.6.2018)

Zum Autor    

APS-Lehramt (VS-HS-PL/ 1970-1975-1976): zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater (1975, 1999); Lehrerbildner/Pädagogisches Institut des Landes Tirol (1994-2003); Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1994-2003)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehung- bzw. Bildungswissenschaften der Universität Wien/Berufspädagogik/Aus- und Weiterbildung/Vorberufliche Bildung (1990/1991-2010/2011), am Sprachförderzentrum des Stadtschulrates für Wien/Interkulturelle Kommunikation (2012), am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg/Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung/ Didaktik der Politischen Bildung (2016, 2018), am Kirchlichen Lehrgang der Superintendenz Salzburg und Tirol/ Basisausbildung für Religionslehrer_innen für die APS - Pädagogische Impulse für den Unterricht, Interkulturalität(2018-2020)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck/Doktorat? (1985), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt/Master (2008), des 1. Lehrganges für Ökumene/Kardinal König-Akademie Wien/ Zertifizierung (2010), der Weiterbildungsakademie Österreich/ Diplome (2010), des 7. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/Diplom (2012), der Personalentwicklung der Universitäten Wien/ Bildungsmanagement / Zertifizierung (2010) und Salzburg/ 4. Interner Lehrgang für Hochschuldidaktik/ Zertifizierung (2016), des Online-Kurses "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner_innen"/ TU-Graz-CONEDU-Werde Digital.at-Bundesministerium für Bildung/ Zertifizierung (2017), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium-Comenius Institut Münster/ Zertifizierung (2018)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche in Österreich (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017-2019), Kursleiter an den VHSn des Landes Salzburg Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg (2012-2019)

Aufnahme in die Liste der sachverständigen Personen für den Nationalen Qualifikationsrahmen/NQR, Koordinierungsstelle für den NQR/Wien (2016)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 13. Oktober 2022