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Gesundheitsbildung

Gesundheitsbildung    

Aspekte der Gesundheitswissenschaft und Gesundheitspädagogik im Kontext einer Politischen Bildung in Erwachsenenpädagogik    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Gesundheitsbildung   
Aspekte der Gesundheitswissenschaft und Gesundheitspädagogik im Kontext einer Politischen Bildung in Erwachsenenpädagogik   
VORBEMERKUNG   
I GESUNDHEITSWISSENSCHAFT   
1 Disziplin   
2 Konzepte   
2.1 Medizinischer Aspekt   
2.2 Psychologischer Aspekt   
2.3 Soziologischer Aspekt   
2.4 Juristischer Aspekt   
3 Sozialpolitik   
3.1 Ungleiche Gesundheitschancen   
3.2 Gesundheitsverhalten   
3.3 Sozioökonomische Bedingungen   
3.4 Soziale Netzwerke   
4 Gesundheitspolitik   
4.1 Aspekte Politischer Bildung   
4.2 Prinzipien - Akteure   
5 Gesundheitsökonomie   
II GESUNDHEITSPÄDAGOGIK   
Einführung   
6 Historischer Rückblick   
6.1 Schulgeschichte - Gesundheit als Bildungsprozess   
6.2 Ottawa-Charta? 1986   
7 Gesundheitspädagogik   
7.1 Gesundheit und Gesundheitsbildung   
7.2 Gesundheitspädagogik in der Schule   
7.3 Gesundheitsbildung in der Erwachsenenpädagogik   
7.4 Zuständigkeit und Kompetenz Lehrender   
8 Reflexion   
8.1 Handlungskompetenz   
8.2 Didaktische Prinzipien   
9 Literaturverzeichnis   
IT-Autorenbeiträge?   
Zum Autor   

VORBEMERKUNG    

Als Überblicksthematik im Rahmen der Gesundheitsbildung vermittelt der Beitrag Grundsätzliches der Gesundheitswissenschaft und der Gesundheitspädagogik im Rahmen Politischer Bildung.

Angesprochen als Zielgruppe sind Lehrende, Studierende des Lehramts Politische Bildung und Interessierte in Fortbildung bzw. Weiterbildung.

Ausgangspunkt der Überlegungen sind

  • die Absolvierung des Universitätslehrganges Politische Bildung und des Fernstudiums Erwachsenenbildung und Nachhaltige Entwicklung sowie
  • die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur.
I GESUNDHEITSWISSENSCHAFT    

1 Disziplin    

Gesundheitswissenschaften (Public Health) stellt eine junge Disziplin dar(vgl. BORMANN 2012, 20-25).

  • Zwar wurden schon im 18. Jahrhundert Möglichkeiten der Förderung und Erhaltung von Gesundheit angesprochen (vgl. FAUST 1794).
  • Es entwickelt sich in der Folge ein Konzept der "Öffentlichen Gesundheitspflege" zur Verbesserung der Hygiene und Wohnbedingungen in Städten und zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten(vgl. HURRELMANN-LAASER? 1993).
  • Public Health zielt im Gegensatz zur Medizin als einer Krankheitswissenschaft auf die gesundheitliche Lage und deren Verbesserung der Bevölkerung ab.
  • Zusammengefasst werden die Disziplinen, die sich mit Gesundheit befassen.
  • Es geht um Gesundheitsförderung und psychosoziale und medizinische Versorgung.
Teildiszipline sind die Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik, Prävention, Rehabilitation, Pflege, Arzneimittelversorgung und Zielgruppen.

2 Konzepte    

Eine allgemeingültige Definition von Gesundheit gibt es nicht, weil Gesundheit ein komplexes Konstrukt darstellt und die folgenden vier Aspekte bzw. Sichtweisen eine wesentliche Rolle spielen(vgl. SIEGRIST 1995, FRANKE 2006, ORTMANN 2004, BORMANN 2012).

  • die medizinische Sichtweise auf Gesundheit und Krankheit(Krankheitsmodelle),
  • die psychologische Sichtweise auf Stress, salutogenetische und subjektive Modelle,
  • die soziologische Sichtweise und
  • die juristische Sichtweise im Kontext zu Krankheit.
2.1 Medizinischer Aspekt    

In allen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung der westlichen Welt ist er vorherrschend(vgl. ORTMANN 2004, 104-105). Annahmen sind eine Ursache, Schädigung, Symptome und Verläufe; Behandlung und Heilung - Risikofaktoren.

2.2 Psychologischer Aspekt    

Psychische Störungen und körperliche Symptome sind Ausdruck von intrapsychischen Konflikten und Schädigungen(psychodynamisches Modell).

Die Verhaltenstheorie geht davon aus, dass psychische Störungen und körperliche Symptome erlerntes Verhalten darstellen und sich daher im Laufe des Lebens herausbilden(kognitiv-behaviorales Modell).

Stress und Belastung ergeben Reaktionen des Körpers in drei Schritten im Alarmstadium, Abwehrreaktionen und Erschöpfungsstadium.

In der Salutogenese werden Schutzfaktoren und Ressourcen der Person vermehrt beachtet, damit biologische und psychosoziale Faktoren im gleichen Stellenwert im Kontext der Lebenssituationen und Lebenserfahrungen gesehen(vgl. ANTONOVSKY 1997).

2.3 Soziologischer Aspekt    

Die Beziehung zwischen Gesundheit und gesellschaftlichem System betrifft den Zusammenhang zwischen Leistungsfähigkeit und Erfüllung der sozialen Rolle(vgl. die Wichtigkeit der Krankenrolle).

Zu beachten ist die medizinische Betreuung von sozialen Gruppierungen (etwa Schulen, Internaten, Heimen, Betrieben, Militär und Sportvereinen - Schulärztlicher Dienst, Arbeitsmedizin, Militärärztlicher Dienst, Sportmedizin).

2.4 Juristischer Aspekt    

Angesprochen sind sozialrechtliche Fragen, Gutachtertätigkeiten und Kenntnisse der Sozialgesetzgebung.

3 Sozialpolitik    

Der Schwerpunkt der Gesundheitswissenschaften liegt auf der Betrachtung der Gesellschaft bzw. einzelner Gruppierungen.

Nach GEYER(2002, 53) ergeben sich folgende Aspekte

  • ungleiche Verteilung von Gesundheit und Krankheit,
  • soziale Faktoren bei Ausbruch und Verlauf von Krankheiten,
  • Verbindung von sozialer Unterstützung und Krankheit sowie
  • strukturelle und individuelle Aspekte des Krankheits- und Gesundheitsverlaufes.
3.1 Ungleiche Gesundheitschancen    

Es geht um den Kontext zwischen sozialen Lebenssituationen und dem Gesundheitsstatus. Gemeint sind auch die Inanspruchnahme von gesundheitlichen Leistungen und die Ressourcen zur Bewältigung von Risiken und Krankheiten.

Unterschiede treten in Bezug auf den Grad sozialer und ökonomischer Benachteiligung auf.

Es geht auch um die Frage, ob eine schlechte Gesundheit die Ursache oder Folge einer ungünstigen sozialen Lage ist.

3.2 Gesundheitsverhalten    

Schichtenspezifische Unterschiede im Gesundheitszustand gehen auf empirische Studien zurück, etwa im Alkoholkonsum, präventiven Maßnahmen, Ernährungsverhalten und sportlichen Aktivitäten(vgl. BORMANN 2012, 65).

3.3 Sozioökonomische Bedingungen    

Faktoren einer gesellschaftlichen Benachteiligung wie Arbeitsbedingungen, Wohnbedingungen und Freizeitgewohnheiten spielen eine Rolle.

Entwickelt wurde in diesem Kontext das "Lebenslagenkonzept". Lebensereignisse und der Lebensstil sind zu beachten.

3.4 Soziale Netzwerke    

Umfang und Qualität sozialer Beziehungen sind für die Gesundheit relevant. Angenommen wird der positive Einfluss unterstützend im Sinne sozialer Ressourcen(vgl. die Coronakrise 2020).

Vier Stufen-Modell? kennzeichnet soziale Beziehungen

  • Besprechung persönlicher Probleme,
  • Häufigkeit der Interaktionen und Intensität,
  • Oberflächlichkeit und
  • Gefahr sozialer Isolierung.
4 Gesundheitspolitik    

4.1 Aspekte Politischer Bildung    

Aus der Sicht Politischer Bildung geht es um folgende Aspekte( vgl. REINERS 2009, 9).

  • Langfristige Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems,
  • Kostendämpfung in der Gesetzlichen Krankenkasse,
  • Sicherung der Qualität der Versorgung.
Es geht um das Zusammenwirken von Staat und Interessensverbänden. Inhalte und Wirkungen sind weniger von Interesse, vielmehr institutionelle Strukturen und Akteursbeziehungen für die Formulierungen politischer Entscheidungen(vgl. ROSENBROCK-GERLINGER? 2004, 11).

Gesundheitspolitik geht um politisches Handeln zur Optimierung des gesundheitlichen Zustandes der Bevölkerung und Lebensqualität.

Politisches Handeln ist dem verfassungsgesetzlichen Grundsatz von Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität verpflichtet.

4.2 Prinzipien - Akteure    

Drei Gestaltungsprinzipien im System der Sozialen Sicherung gelten.

  • Das Versicherungsprinzip beinhaltet die Beitragspflicht von allen Mitgliedern der Gemeinschaft.
  • Das Versorgungsprinzip regelt den Anspruch auf Leistungen durch eine Tätigkeit.
  • Das Fürsorgeprinzip sieht die Absicherung im Notfall je nach Bedarf vor.
Es gibt noch drei Wirkungsprinzipien.

  • Das Äquivalenzprinzip bestimmt die private Sicherung mit der Höhe der Beiträge vom Risiko.
  • Das Solidaritätsprinzip bestimmt die Beiträge nach dem persönlichen Vermögen.
  • Das Subsidiaritätsprinzip bestimmt die soziale Sicherheit, dass diese zunächst von jeder Einheit selbst zu tragen ist, wie etwa von der Familie, der Gemeinde, dem Bundesland, der Bundesregierung, bevor die Ressourcen der übergeordneten Einheit in Anspruch genommen werden können.
Akteure der Gesundheitspolitik agieren auf drei Ebenen(vgl. ROSENBROCK-GERLINGER? 2004, 13).

  • Makroebene - nationalstaatlicher und supranationaler Bereich,
  • Mesoebene - regionale bzw. verbändebezogene Akteure und
  • Mikroebene - individuelle Akteure.
5 Gesundheitsökonomie    

Ökonomische Fragestellungen haben eine stärkere Bedeutung in den letzten Jahren erfahren(vgl. BORMANN 2012, 102-111; LAUTERBACH-STOCK-BRUNNER? 2006).

Die Gesundheitsökonomie widmet sich den wirtschaftlichen Auswirkungen der medizinischen Dienstleistungen und den finanziellen Ressourcen des Gesundheitssystems. Sie zeigt Nutzen und Kosten des medizinischen Bereichs auf. Ziel ist eine ökonomisch günstigere oder bessere Versorgungsalternative anzubieten(vgl. BRUNNER 2006, 20).

Themenfelder zeigen den interdisziplinären Ansatz auf(vgl. KOLIP 2002, 125-147).

  • Beschreibung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gesundheitssystems,
  • Analyse der Finanzströme,
  • Analyse der Steuerungsmechanismen,
  • Organisationsformen der sozialen Absicherung und Krankenversicherung,
  • Management von Gesundheitseinrichtungen,
  • Einflussfaktoren auf Gesundheitsmärkte,
  • Folgen ökonomisch-gesundheitspolitischer Entscheidungen,
  • Analyse der Krankenversicherungs- und Gesundheitsversorgungsleistungen.
II GESUNDHEITSPÄDAGOGIK    

Einführung    

Ausbildung ohne Bildung führt zu Wissen ohne Gewissen.

(Daniel Goeudevert 2001)


Der historische Abriss von Gesundheitsbildung, ausgehend von Schule bis zur Erwachsenbildung, weist auf einen Paradigmenwechsel vom normorientierten Gesundheitsimperativ zur emanzipatorischen Gesundheitsbildung hin(vgl. MARCHWACKA 2016, 239).

  • Aktuell wird Förderung und Stärkung von Entwicklungspotenzialen bewusst forciert(vgl. Schulentwicklungsprozesse wie "Gesunde Schule" und "Gesunde Ernährung"). Dazu gehören eine Optimierung der Schul- und Unterrichtsqualität.
  • Gesundheit ist Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung.
  • Gesundheit ist Bestandteil der Erwachsenenpädagogik(vgl. Gymnastik, Ernährung, sportliche Betätigung/Bewegung)mit Bezug auf schulisches Vorwissen, Freizeitverhalten und Prävention.

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sind

  • die schulische und erwachsenenpädagogische Erfahrung des Autors,
  • die akademische Laufbahn(Studium, Lehre) und
  • die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur(vgl. HÖRMANN 2009, HURRELMANN 2009/2013, STROSS 2009, WULTHORST 2002/2009, PAULUS 2010, DÜR/FELDER-PUIG? 2011, MARCHWACKA 2016).
  • Von besonderem Interesse sind interdisziplinäre Aspekte der Thematik(vgl. DICHATSCHEK 1996, 653-660).
6 Historischer Rückblick    

6.1 Schulgeschichte - Gesundheit als Bildungsprozess    

Die Schulgeschichte lässt erkennen, dass Gesundheit im Bildungsprozess wesentlich war(vgl. KURZ 1973).

  • Mit dem Beginn der staatlichen Schulaufsicht richten sich die Maßnahmen zur Gesundheitserziehung auf Formen der Wissensvermittlung(normierte Maßnahmen). Beispielhaft soll auf den "Gesundheits-Katechismus? zum Gebrauch in den Schulen beym häuslichen Unterrichte"" von FAUST 1794 hingewiesen werden(vgl. MARCHWACKA 2016, 240). Gesundheit ist als Wert und Pflicht zu erhalten, die Jugend müsse von klein auf darin unterrichtet werden.
  • Um die Jahrhundertwende kommt es zur Verbesserung der "Hygiene"(auch Schulhygiene), öffentliche Gesundheit wird in die Sozialgesetzgebung eingeführt. Rudolf VIRCHOW etwa fordert den Ausbau eines schulärztlichen Dienstes in Deutschland, Gesundheitserziehung soll zuständigen Ärzten übertragen werden.
  • Für die Volkshygiene galt die Institution Schule ab den zwanziger Jahren als Ort der Aufklärung für die körperliche Gesundheit.
  • Für die Reformpädagogik rückten ganzheitliche Konzepte in den Vordergrund. Beobachtung, Achtsamkeit und Empathie kamen als Elemente einer pädagogischen Diagnostik zur Geltung(vgl. LANGHANKY 1994, 87). Heilpädagogische(Maria MONTESSORI) und anthroposophische Ansätze(Rudolf STEINER)stellen Lernelemente in den Mittelpunkt.
  • In der NS-Zeit? kamen solche Förderungen zum Erliegen. Der Gesundheitsimperativ lag auf Volksbelehrung, Arbeit am gesunden Volkskörper und am Gemeinschaftsziel der Pflichterfüllung im Sinne der NS-Ideologie?. Wesentlich an Themen waren Ernährung, Körper-und Nervenpflege, Leibeserziehung, Abhärtung und Sorge für eine gesunde Nachkommenschaft. Eine Stützung von "Kranken" war in diesen Elementen nicht vorgesehen(vgl. HAUG 1991). Ziel war die Wehrtüchtigkeit der jungen Männer und die Gebärfähigkeit der jungen Frauen(vgl. KLÖCKER 1986, 77).
  • Die Nachkriegszeit beschränkte sich auf körperliche Aspekte und Belehrung(Ernährung, Impfungen, Zahnhygiene und Körperhygiene im medizinischen Sinne). Gefordert wurde eine Kooperation von Ärzten und Schulleitung(vgl. DÖPP-VORWALD? 1966, 15). Der Schulärztliche Dienst wird ausgebaut.
6.2 Ottawa-Charta? 1986    

Die Ottawa-Charta? der ersten internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung der WHO 1986 kann als Paradigmenwechsel von der Gesundheitserziehung zur Gesundheitsbildung angesehen werden(vgl. MARCHWACKA 2016, 242).

  • Menschen schaffen und leben Gesundheit im Alltag; dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben.
  • Der Kernpunkt beinhaltet ein Gesundheitskonzept, das die Einbeziehung gesellschaftspolitischer Maßnahmen im Sinne von Chancengleichheit, Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Verantwortung fördert und den Bildungsprozess nahelegt(vgl. den Bildungsauftrag damit der Politischen Bildung im Rahmen der Erziehungswissenschaft).
  • Damit kommt es zu einer konzeptionellen Veränderung in der Schule, von der "gesundheitsfördernden" zur "guten gesunden Schule"(vgl. DADACZYNSKI-PAULUS-NIESKEN-HUNDELOH? 2015, 197-218).
    • Ziel ist die Schaffung und Erhaltung von Gesundheitsressourcen, interdisziplinär schulisch angelegt mit den Elementen Unterrichtsqualität, Schulklima, Gesundheitsmanagement und Kooperationspartner(vgl. PAULUS 2010).
    • Im Sinne des "Drei-Wege-Modells?" - Organisationsentwicklung-Personalentwicklung-Unterrichtsentwicklung? - kann dieser Ansatz in den Schulentwicklungsprozess integriert werden(vgl. ROLFF 1998/2012, 12-39).
    • Eigener Lebensstil und Empowerment(Übertragung von Verantwortung) im Sinne von Gesundheitskompetenzwerden thematisiert, kritisch wird normorientierte Gesundheitserziehung gesehen.
    • Kenntnisse und Fertigkeiten als Form eines kultivierten Lebensstils sind nunmehr das Ziel(vgl. HÖRMANN 2009b, 21).
    • Es bedarf eines reflexiven Lernprozesses mit einer kritischen Auseinandersetzung des eigenen Lebensstils und der jeweiligen gesellschaftlichen Gesundheitsvorstellungen. Damit werden auch soziale Faktoren hervorgehoben.
  • Gesundheit im Kontext von Erziehung und Bildung erfährt einen Paradigmenwechsel,
    • von der erzieherischen Maßnahme der Schule zur Schulentwicklung, die autonome Bildungsprozesse fördert;
    • in der Erwachsenenpädagogik zur Förderung im Sinne von autonomer Bildung von Gesundheit als Voraussetzung für ein erfolgreiches Leben in den verschiedensten Facetten.
    • Damit wird in beiden Zielgruppen erfolgreiche Persönlichkeitsbildung angestrebt.
7 Gesundheitspädagogik    

Die Forderung nach einem Recht auf Gesundheitspädagogik bzw. Gesundheitserziehung geht auf eine Resolution der ersten Konferenz des Europäischen Netzwerkes Gesundheitsfördernde Schulen in Thessaloniki 1997 zurück(vgl. MARCHWACKA 2016, 243).

  • Für den Kompetenzerwerb ist die Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenswelten und die Möglichkeiten gesellschaftlicher Partizipation an gesundheitsförderlichen Lebenswelten notwendig.
  • Ressourcenstärkung und die Integration übergreifender gesundheitsförderlicher Themen werden als lehrplanmäßige und didaktische Prinzipien betont. Damit erhält die Schule in "Gesundheitsbildung" die Aufgabe eines Unterrichtsprinzips/Querschnittsaufgabe, die in Schulgesetzen als Bildungs- und Erziehungsauftrag verankert wird.
7.1 Gesundheit und Gesundheitsbildung    

Wesentlich ist die Frage, wie Gesundheit entsteht und welche Faktoren ausschlaggebend sind.

  • HURRELMANN fasst Gesundheit - ausgehend von der Sozialisationstheorie - als Gleichgewichtsstadium von Risiko- und Schutzfaktoren auf, das zu jedem Zeitpunkt erneut in Frage gestellt ist(vgl. HURRELMANN 2013, 147).
    • Risikofaktoren begünstigen das Auftreten von Krankheiten und Beschwerden, Schutzfaktoren bzw. Ressourcen vermindern die Risiken.
    • Gesundheit ist ein dynamischer Prozess, bedingt von persönlichen Dispositionen und Möglichkeiten, durch soziale Determinanten beeinflusst und im Kontext mit altersspezifischen Lebensumständen versehen. Gesundheit ist eine Verfasstheit, ein Weg, der sich bildet.
  • Gesundheitsbildung als Lernprozess beinhaltet individuelle Prädispositionen, vorhandene Ressourcen, biografische Besonderheiten und hängt von gesellschaftlichen Strukturen ab, die in Lehr-und Lernkonzepten zu berücksichtigen sind.
    • Integrativ geht es um Partizipation des Individuums an gesundheitsfördernden Lebenswelten.
    • Reflektiv problematisiert der Ansatz Lebensstile im Hinblick auf Risiko- und Schutzfaktoren im jeweiligen Lebenskontext.
  • Gesundheitsbildung setzt gesellschaftliche Reize und partizipative Lebenswelten voraus. So können inhaltliche Kenntnisse vermittelt und erworbenes Wissen reflektiert werden(vgl. STROSS 2009, HÖRMANN 2009a).

Gesundheit als Bildungsprozess nach MARCHWACKA 2016, 246

  • Ressourcen - körperliche, personale und psychische Prädispositionen; kulturelle, soziale und ökonomische Ressourcen
  • Erziehung und Sozialisation - Wertesystem, Wissen und Motivation(Themenbildung)
  • Lebenswelten - biografische Zugänge, Risiko- und Schutzfaktoren
  • Bildungsprozess - Gesundheitskompetenz: Gesundheitsbewusstsein, Copingstrategien, kritische Reflexion
7.2 Gesundheitspädagogik in der Schule    

Schule in ihrem Selbstverständnis unterrichtet(Wissensvermittlung) und erzieht(Erziehung, Sozialisation). Damit ist Pädagogik gefordert( vgl. RAITHEL-DOLLINGER-HÖRMANN? 2005, 228-245).

Bildung als Wissen und Haltung ist eine wichtige Determinante für Gesundheit. Bildungsungleichheit kann gesundheitliche Ungleichheit zur Folge haben(vgl. MOOR/RICHTER/RAVENS-SIEBERER/OTTOVA-JORDAN/ELGAR/PFÖRTNER 2015, 57-60).

Migrationsbedingte Aspekte in Form von Gesundheits- und Freizeitverhalten Lernender sind zu thematisieren.

  • Hier geht es es um Lebenszufriedenheit, Einschätzung der eigenen Gesundheit im Kontext mit mangelnder gesellschaftlicher Partizipation an gesundheitsfördernden Lebenswelten.
  • Bildung und Gesundheit beeinflussen sich in besonderem Maß. Wohlbefinden, Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten der Lernenden wirken sich aus. Zudem prägen Lern- und Lehrprozesse ihr Gesundheitsverhalten(vgl. WINKLER 1998; DADACZYNSKI-PAULUS-NIESKENS-HUNDELOH? 2015, 197-218). Bildung ist eine wichtige Voraussetzung für Gesundheit, sie beeinflusst das Lernen und die Leistungsbereitschaft, also die Bildungsqualität.
    • Bildungsstand und die Art der Berufstätigkeit haben eine prägenden Einfluss auf das Gesundheitsverhalten. Das Gesundheitsministerium hatte die STATISTIK AUSTRIA beauftragt, Daten 2014 in einer Gesundheitsbefragung zu erheben und zu analysieren. Zu sehen ist, in welchem Ausmaß sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen einen schlechten Gesundheitszustand aufweisen.
    • Betroffen sind Personen mit andauernden Belastungen und sozialen Nachteilen wie geringem Einkommen, Langzeitarbeitslosigkeit, schlechter Schulbildung oder einer Migrationsbiographie.
    • Unabhängig vom Alter zeigten sich etwa Rauchverhalten bei beiden Geschlechtern deutliche Bildungseffekte. Männer mit Pflichtschulabschluss rauchten mit 38 Prozent mehr als doppelt so häufig wie Männer mit Reifeprüfung oder Hochschulabschluss(hier waren es 17 Prozent). Bei Frauen waren die Unterschiede deutlicher(38 Prozent Pflichtschulabschluss, 12 Prozent Reifeprüfung oder Studium). Arbeitslosigkeit erhöhte die Häufigkeit des täglichen Rauchens stark.
    • Ähnlich zeigt sich das Bild bei Übergewicht(vgl. APA/STATSITIK AUSTRIA: Gesundheitsbefragung 2014, SN vom 21.9.2016, 20).
  • In diesem Kontext übernimmt die Schule als Sozialisationsinstitution eine kompensatorische Funktion, unabhängig vom sozioökonomischen Status jedes Lernenden(vgl. KIPER 2009, 80-87).
Schule als Lernort mit

  • eigener Lebenswelt, sozialen Erfahrungen und vielfältigen Interaktionen erfordert
  • partizipative Lernarrangements mit Machbarkeit der Anforderungen durch Empowerment und
  • Partizipations-und Kooperationsmöglichkeiten.
  • Sie kann als gesundheitsfördernder Lebensraum gelten(vgl. die Bezeichnung "Schule als Biotop" von MARCHWACKA 2016, 246-247).
    • Die Einbindung in die Lebenswelten der Lernenden muss nachhaltig gelingen.
    • Eine Entwicklungsbegleitung der individuellen Lernprozesse - mit Wertschätzung und Unterstützung - ist eine Voraussetzung.
7.3 Gesundheitsbildung in der Erwachsenenpädagogik    

Erwachsenenpädagogik baut auf Schulpädagogik auf(vgl. die Notwendigkeit von Vorwissen). Unterschiedlich sind die Herausforderungen.

  • Die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden ist eine Beziehung zwischen Mündigen. Die Klientel sind Teilnehmende.
  • Es geht um Bildung, Qualifikationen und um den Erwerb von Kompetenzen.
  • Die Organisation von Erwachsenenbildung ist pluralistisch, es geht um das Bestehen am Bildungsmarkt.
  • Gesundheitsbildung ergibt eine besondere Aufgabenstellung. Bezugswissenschaften sind die Gesundheitswissenschaft, Gesundheitserziehung, Medizin und Erwachsenenpädagogik.
Im interdisziplinären Fachbereich geht es um die Herausforderung

  • der jeweiligen Situation(Situationsanalyse),
  • die Darstellung veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen(Gesellschaftsanalyse),
  • den sich verändernden Gesundheitsrahmen(Gesundheitsanalyse) sowie
  • um die Kooperation der angesprochenen Fachbereiche(Lernzielanalyse).
Themen sind

  • ein gesundheitsförderndes Verhalten im Alltag, der Berufswelt und in der Freizeit,
  • gesundheitsfördernde Ernährung,
  • gesundheitsfördernde Bewegung, gesundheitsfördernder Sport(zunächst mit Anleitung) und
  • sachbezogenem Verhalten in der Krankheitsprävention und im Krankheitsfall.
  • Spezialthemen ergeben sich aus der Vielfalt der Bedürfnisse der Klientel, etwa der Notwendigkeit einer Psychohygiene, der Sozialmedizin, Pflegekompetenz und spezifischer individueller Bedürfnisse.
Lehrende der Erwachsenenpädagogik bedürfen spezifischer Kompetenzen, die sich aus den Bezugswissenschaften ergeben. Angebote der Fort- und Weiterbildung bestehen, ebenso Netzwerke im Gesundheitsbereich. Damit ist Professionalität gefordert.

7.4 Zuständigkeit und Kompetenz Lehrender    

Schulische Lehrkräfte sind in der Gesundheitsbildung abhängig von Unterrichtsfächern und Schulformen. Darüber hinaus sind Lehrerfort- und Lehrerweiterbildungsmöglichkeiten zu beachten.

  • Vorrangig ergeben sich Möglichkeiten für Lehrende in Sport und Bewegung, Biologie und Umweltkunde sowie Hauswirtschaft. In der Politischen Bildung ist durch deren geringen Stellenwert im Fächerkanon die Thematik sehr gering vorhanden.
  • Grundschullehrkräfte sind Hauptakteure in der Gesundheitsbildung(vgl. die Bedeutung des Sachunterrichts und von Sport und Bewegung).
  • Nicht zu unterschätzen sind Projekte, die gesundheitsfördernden Charakter haben. Hier können auch externe Experten/innen herangezogen werden(vgl. der Schulärztlicher Dienst, Lehrkrankenschwestern).
  • Im Rahmen der Schulautonomie kann projektorientiert auch das Fach "Gesundheitslehre" themenspezifisch in den Unterricht mit einbezogen werden.
  • Fort- und Weiterbildung als SCHILF und externe Lehrgänge im PH-Bereich? und universitär ergeben Möglichkeiten für Fortbildung und eine Tätigkeit in der Lehrerbildung.
Kontrovers wird das Unterrichtsprinzip/Querschnittsaufgabe "Gesundheitsbildung" diskutiert.

  • Es gibt eine fehlende Vorbereitung im Lehramtsstudium(vgl. die Ausnahme Lehramt Gesundheitslehre in der PTS).
  • Der Stellenwert in der Praxis ist gering.
    • Es gibt in der Regel nur eine punktuelle Umsetzung im Rahmen von Projekten. Eine systematische Gesamtplanung fehlt eher.
    • Beklagt wird die fehlende Kontinuität gesundheitsfördernder Themen, eine unzureichende Elternarbeit und mangelhafte Vernetzung mit außerschulischen Institutionen.
    • Auf der Organisationsebene werden Defizite benannt(vgl. das Ernährungsangebot, fehlende Räume für Entspannungs- und Ruhemöglichkeiten).
  • Maßnahmen zur Psychohygiene Lehrender sind zu fordern.
8 Reflexion    

Reflexiv wird auf die Handlungskompetenz und didaktische Prinzipien in den Bildungsinstitutionen Schule und Erwachsenenbildung eingegangen.

8.1 Handlungskompetenz    

Entwicklungsperspektiven in der Gesundheitsbildung lassen sich in den Handlungskompetenzen erkennen.

  • Statt einer einseitigen Wissensvermittlung sind die Lebenswelten der Lernenden und ihre biografischen Zugänge einzubeziehen.
  • Themen ergeben sich aus handlungsorientierten Ansätzen(etwa erlebnis- und teilnehmerorientiert: Fallbeispiele, Projekte).
    • Partizipative Konzepte und Selbstwirksamkeit sind hilfreich.
    • In diesen Kontext passt reflexive Medienarbeit in einer Projektarbeit(vgl. MARCHWACKA 2014, 115-127).
    • Themen einer Projektarbeit können die Auseinandersetzung mit Risiko- und Schutzfaktoren, Lebensstilen und Stärkung von Lebenskompetenzen sein.
8.2 Didaktische Prinzipien    

Didaktische Prinzipien müssen die Lebensnähe, also der Lebensbezug mit Gegenwart und Zukunft sein(vgl. antizipierendes Lernen).

  • Für die Lebensnähe ist zunehmend Diversität in der Lerngruppe/Klasse/im Lehrgang zu berücksichtigen(vgl. Migrationserfahrung, Förderbedarf, Inklusion).
  • Die Lebenswelt der Teilnehmenden ist einzubeziehen.
Von den Lehrenden in Schule und Erwachsenenpädagogik sind fachliche und didaktische Kompetenz im Umgang mit Diversität zu erwarten.

Auf der Ebene der Organisationsentwicklung sind Maßnahmen erforderlich, die Organisation-Unterricht/Lehre-Personalentwicklung-Vernetzung? beinhalten.

  • Versteht man die jeweilige Bildungsinstitution als "lernende Organisation", so ist Gesundheitsbildung in der Lehrerausbildung bzw. Ausbildung von Erwachsenenbildnern jeweils als Themenbereich so zu etablieren, dass Nachhaltigkeit erreicht werden kann.
  • Es bedarf ausreichender interdisziplinärer Kooperationsmöglichkeiten, damit ein Bildungsauftrag erfüllt werden kann.
9 Literaturverzeichnis    

Angeführt sind diejenigen Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.


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IT-Autorenbeiträge?    

Die IT-Beiträge? dienen der Ergänzung der Thematik.


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Politische Bildung

Schule

Erziehung

Erwachsenenbildung

Personalentwicklung

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Lehre an der Hochschule

Lehrerbildung


Zum Autor    

APS-Lehramt? (VS-HS-PL?); zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt?/ MSc(2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/Wien/ Diplome (2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/Universität Salzburg/ Diplom (2012), des 4. Internen Lehrganges für Hochschuldidaktik/Universität? Salzburg/ Zertifizierung (2016), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium - Comenius Institut Münster/ Zertifizierung (2018)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaften der Universität Wien/ Berufspädagogik/ Aus- und Weiterbildung/ Vorberufliche Bildung (1990/1991-2011/2012), im Fachbereich für Geschichte der Universität Salzburg/Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische? Bildung/ Didaktik der Politischen Bildung (2015/2016-2017)

Kursleiter an den Salzburger VHSn Zell/See, Saalfelden, Mittersill und Stadt Salzburg (2012-2019)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche A. und H.B.(2000-2012), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol(2004-2009, 2017-2019)


MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 3. April 2024