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Sammelband-6

Sammelband 6 Antisemitismus    

Aktualität, Historie, Prävention - Nahost - Konflikt    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Sammelband 6 Antisemitismus   
Aktualität, Historie, Prävention - Nahost - Konflikt   
Vorbemerkung   
Einleitung   
1 Die Aktualität des Antisemitismus   
2 Zur Geschichte der Judenfeindlichkeit   
2.1 Antike   
2.2 Rom   
2.3 Christlicher Antijudaismus   
2.4 Paulinische Briefe   
2.5 Synoptische Evangelien   
2.6 Hochmittelalter   
2.7 Kreuzzüge   
2.8 Reformation   
2.9 Aufklärung und Revolution   
2.10 Rassistischer Antisemitismus   
2.11 Herausforderungen in Historischer Politischer Bildung   
3 Antisemitismusprävention   
3.1 Einleitung   
3.2 Lehramtsausbildung   
3.3 Theoretische Beschreibungen   
3.4 Prävention in schulischer Politischer Bildung   
3.5 Erscheinungsformen des Antisemitismus   
3.6 Prävention in erwachsenenpädagogischer Politischer Bildung   
3.7 Zusammenfassung   
4 Aspekte eines Antisemitismus in Europa und Österreich   
4.1 Studien zum Antisemitismus 2003 in Europa   
4.2 Profil von Antisemiten   
4.3 Dokumentation   
4.4 Juden in Österreich unter NS - Herrschaft   
4.5 Flucht in die Schweiz   
4.6 Die Rolle der Evangelischen Kirche in Österreich 1938 - 1945   
4.7 Literaturhinweise Aspekte Antisemitismus   
5 Nahost - Konflikt   
5.1 Einleitung   
5.2 Begrifflichkeit "Naher Osten"   
5.3 Kulturen und Religionen   
5.4 Kulturgeschichte des Vorderen Orients   
5.4.1 Hochkulturen   
5.4.2 Ägypten   
5.4.3 Libanon   
5.4.4 Iran   
5.4.5 Byzanz - Konstantinopel - Istanbul   
5.4.6 Kultur - Wissenschaft   
5.4.7 Religiöse Vielfalt   
5.4.8 Arabisch - islamische Kultur   
5.4.9 Politischer Islam   
5.4.10 Krisenstimmung   
6 Erdöl als Ende eines Abhängigkeitsverhältnisses   
7 Gesellschaftliche Herausforderungen im Nahen Osten   
8 Phasen der regionalen Ordnung   
8.1 Palästina - Konflikt - Gründe und Entwicklung   
8.2 1945 bis 1967   
8.3 1990/1991 und der Nahost - Friedensprozess   
8.4 Nahöstliche Kriege   
8.5 Literaturverzeichnis   
Zum Autor   

Vorbemerkung    

Die Studie findet ihre Begründung am Interesse der Politischen Bildung, eine Förderung von Denk-, Handlungs- und Urteilsmöglichkeiten in der Fachdidaktik zu betrachten.

Am Beispiel der Antisemitismusproblematik und ihrer Aktualität in den Bemühungen der Bildungsbereiche der Schul- und Erwachsenenpädagogik wird eine Reflexivität besonders bevorzugt (vgl. MÜLLER 2021, 233-260).

Zu erwähnen ist der Schwerpunkt einer Antisemitismusprävention ab 2017 in Österreich.

IT - Hinweis

https://www.bmbwf.gv.at/Themen/euint/ep/antisemitismus.html (12.02.21)

https://religion.orf.at/stories/3209213/ (13.10.21)

Einleitung    

Antisemitismus entwickelt sich neu derzeit in Europa wie im arabischen Raum. Ideologien, Parteien und Bewegungen nähern sich an. Im heutigen Antisemitismus treffen sich Muslime und Christen, Araber und Europäer der unterschiedlichsten politischen Ausrichtungen.

1 Die Aktualität des Antisemitismus    

Als Kernaussage gilt der Import des islamischen Antisemitismus aus Europa. Neben den antisemitischen Ausfällen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad (2005) und des früheren malaysischen Ministerpräsidenten Mahathir (2003) gibt es eine massive antisemitische Welle der Propaganda in den arabischen und iranischen Medien, die in Europa lebenden muslimischen Migranten über Internet und Satellitenfernsehen erreicht.

Antisemitische Straftaten in Großbritannien, Belgien und Frankreich werden von der Polizei häufig Jugendlichen aus arabischen Ländern zugerechnet, während Rechtsradikale in Deutschland die Haupttätergruppe ausmachen. "Aktuelle empirische Untersuchungen über antisemitische Straftäter, die wissenschaftlichen Standards genügen, gibt es noch nicht"(vgl. HOLZ 2005, 8), zur Zeit erscheinen vielmehr "publizistische Schnellschüsse" mit undifferenzierten Antisemitismusvorwürfen gegen Migranten, die Rassismus und eine Islamophobie fördern.

Nach HOLZ (2005, 12 -14) lässt sich die Geschichte des Antisemitismus in der islamischen Welt in drei Entwicklungsphasen unterteilen,

  • eine frühe, am deutschen Nationalismus und Nationalsozialismus orientierte,
  • eine am sowjetischen Sozialismus und Antizionismus ausgerichtete und
  • eine islamische Phase.
Ausführlich wird in der Studie auf die Struktur- und Merkmalanalyse des islamischen Antisemitismus eingegangen. In den vier Kapiteln "Gemeinschaft und Gesellschaft", "Macht und Verschwörung", "Die Figur des Dritten" und Nation und Religion" analysiert Klaus Holz mit Akribie den Antisemitismus und kommt zum Schluss, dass "der islamistische Antisemitismus bis in seine extreme Zuspitzung hinein strukturell identisch mit dem europäischen Antisemitismus ist"(Seite 37).

Analytisch besonders herausgearbeitet ist das Kapitel "Die Figur des Dritten". " 'Der Jude', als Dritter transzendiert, bedroht und zersetzt die binäre Unterscheidung zwischen uns und den anderen, dank deren die partikuläre Gruppenidentität konstruiert wird" (Seite 33). Aktualisiert wird das Kapitel mit Beispielen aus der Charta der Hamas (vgl. Art. 22 und 32 der Charta der Hamas).

Irritierend mag der Titel des Kapitels "Demokratischer Antisemitismus" sein (Seite 54-78). Darunter versteht der Autor die Judenfeindschaft, die in der demokratischen Öffentlichkeit geäußert wird. "So werden in aller Regel antisemitische Äußerungen von Demokraten in der rechtsradikalen Presse breit erörtert und als Belege für die Richtigkeit der eigenen Weltanschauung gefeiert. Rücktritte gelten dementsprechend in der rechtsradikalen Presse als Beweis für die (internationale Medien - Macht) der 'jüdischen Lobby'. Tatsächlich wird der Rücktritt eines Politikers in der Regel nicht mit der Begründung erzwungen, er habe sich antisemitisch geäußert, sondern er habe Missverständnisse von sich ergeben, dem internationalen Ansehen Deutschlands und seiner Partei geschadet" (Seite 56-57).

Gerne wird im demokratischen Antisemitismus auch die Judenvernichtung mit "angemessenen Bezeichnungen" vermieden. So spricht man von "Vergangenheit", "dunklen Seiten der deutschen Geschichte" oder "jenen unheilvollen zwölf Jahren" (vgl. u.a. dazu die Schuldvorwürfe in der Geschichte der BRD und nach 1989 wie der Frankfurter Auschwitz - Prozess 1963/64, die Debatten über die Verjährung für NS - Verbrechen 1965 und 1969, die Ausstrahlung des Filmes "Holocaust" 1979, die Rede Jenningers zum 50. Jahrestag der Reichsprogromnacht und der Historikerstreit 1988; in Österreich die Waldheim - Affäre 1986).

Literaturhinweise (Auswahl):

Benz W.(2004): Was ist Antisemitismus?, München

Bergmann W.(2004): Auschwitz zum Trotz. Formen und Funktionen des Antisemitismus in Europa nach 1945, in: von Braun Chr. - Ziege E. - M.(Hrsg.)(2004): Das bewegliche Vorurteil. Aspekte des internationalen Antisemitismus, Würzburg, 117-141

Bergmann W. - Erb R.(1991): Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse der empirischen Forschung von 1946-1989, Opladen

Bertelsmann Stiftung, Bertelsmann Forschungsgruppe Politik (Hrsg.) (2005): Strategien gegen Rechtsextremismus, Bd. 1,

Holz Kl. (2005): Die Gegenwart des Antisemitismus. Islamistische, demokratische und antizionistische Judenfeindschaft, Hamburg

2 Zur Geschichte der Judenfeindlichkeit    

Es wird einführend im Kontext einer Historischen Politischen Bildung auf die Geschichte der Judenfeindlichkeit und die Entwicklung zum "Antisemitismus"'' in Epochen verkürzt skizzenhaft eingegangen (vgl. ausführlich BRUMLIK 2020, 9-100).

2.1 Antike    

In den vorchristlichen Kulturen Griechenlands und Roms lebten Juden. Tacitus (58-120) etwa hielt die Juden für illoyal und abergläubisch, weil sie als Monotheisten den römischen Kaiserkult ablehnten, sich an Reinheitsgebote und Speiseregeln hielten.

Apion als griechisch schreibender Autor aus Ägypten hielt die Juden als Abkömmlinge einer aus aus Ägypten geflüchteten Gruppe leprakranker Sklaven.

Eine Ausnahme antijüdischer Schriften sind die Berichte über den erfolgreichen Aufstand der Makkabäer gegen das judenfeindliche Herrscherhaus der Seleukiden (vgl. nichtkanonische Makkabäerbücher der Bibel). Es entstand in der Folge ein unabhängiger jüdischer Staat für kurze Zeit (175 v.Chr.).

Die Römer eroberten unter Pompejus (63 v. Chr.) das östliche Gebiet des Mittelmeeres und benannten die Provinz "Judäa", regiert von einem römischen Kurator und teilweise von einem idumäischen Herrscherhaus der Herodianer.

Nach zwei blutigen Aufständen 66-70 und nochmals 135 endete ein jüdisches Staatsgebilde bis 1948. 135 nannten die Römer in der Folge die Provinz "Palästina". Die Zerstörung des des Tempels 70 durch Vespasian und Titus war eher eine Niederschlagung eines Aufstandes in einer gefährdeten Provinz als eine religionsfeindliche Maßnahme.

Juden waren im Römischen Reich in ihrem religiösen Leben nicht eingeschränkt (religio licita). Sie wurden auch nicht gezwungen, dem Kaiser zu opfern. Allerdings hatten sie eine Abschlagszahlung zu leisten. Es ist nicht davon auszugehen, dass es bereits in der Antike eine verbreitete Judenfeindschaft gab.

2.2 Rom    

Römische Kaiser suchten Juden zu schützen, aber auch einzuschränken, etwa durch das Verbot Angehörige ihres Haushalts zum Judentum zu bekehren oder durch das Verbot, nichtjüdische Sklaven zu besitzen.

Rom war eine der ältesten jüdischen Gemeinden. Nach ersten Ansiedelungen waren es in der Makkabäerzeit nach Rom freigelassene verschleppte kriegsgefangene jüdäische HSklaven, die in Trastevere oder auch an der Via Appia und dem Stadtteil Subura wohnten. Zur Zeit von Herodes im 1. Jh. lebten ungefähr 8000 Juden in Rom, Synagogen aus der agustäischen Zeit sind archäologisch belegt.

Die Prominenz römischer Juden belegt Cicero mit dem Klagen einer Behinderung öffentlicher Rechtsprechung durch viele Juden und der Geschichte der zum Judentum übergetretenen Patrizierin Fulvia. Sie verursachte unter Tiberius (14-37) die Ausweisung von Juden aus Rom. Berichtet wird auch von der Gemahlin Neros (54-68), dass sie Jüdin wurde.

2.3 Christlicher Antijudaismus    

Dias änderte sich mit Konstantin im frühen 4. Jahrhundert, als er als erster römischer Kaiser, erst auf dem Totenbett zum Christentum übertrat. Vorher hatte er das Christentum zur Staatsreligion erhoben.

Unter dem Verfolgungsdruck des 1. Jh. konkurrierte es zunächst mit dem Judentum, um es dann zu beerben. In der Folge wurde die historische Berechtigung abgesprochen. Mit der Verbreitung der christlichen Religion begann die Judenfeindschaft. Jüdisch stand hier für eine Glaubenshaltung, die bestimmt war durch ihre Gesetzlichkeit und Ablehnung des Messias Jesu.

Ausgehend vom Neuen Testament, verfasst zunächst von Juden für andere Juden, dann für Nichtjuden verfasst, wurden die Juden von der Kirche als die für die Kreuzigung Jesu Verantwortlichen und als ob ihres Unglaubens die Erlösung der Welt verhindernde Gruppe dargestellt. "Die Kirchenväter des 2. und 3. Jh. vermengten diese Charakterisierungen in ihren Schriften und Predigten dann noch mit tradierten Vorwürfen aus der heidnischen Antike, die den Juden Gottlosigkeit, sexuelle Ausschweifungen sowie andere ausschließende Speisegesetze vorwarfen" (BRUMLIK 2020, 13).

2.4 Paulinische Briefe    

Der Brief an die Römer als zentrale Schrift im NT belegt, dass es in Rom im frühen 1.Jh. eine große jüdische Gemeinde gab. Der Römerbrief richtete sich nicht an Christen im heutigen Sinne, die es damals noch nicht gab, vielmehr an Römer und Griechen jüdischen Glaubens, ethnische Herkunft gering schätzen zu können.

In einem anderen Schreiben an die in Vorderasien lebenden Galater und Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Frauen und Männer benennt, im Glauben an Jesus besteht kein Unterschied (vgl. Gal 3, 26). Gemeinsam sollten alle beten.

In der Hochschätzung der Erwählung Israels (Gal 11, 17 - 24), erwies sich Paulus in hellenistischer Universalität als Vorläufer rabbinischer Theologie. Er selbst als Apostel jüdischer Herkunft wurde zum Kronzeugen des christlichen Antijudaismus, auf dem in der Folge der neuzeitliche Antisemitismus aufbauen konnte. Auf die positive Kritik am Glaubensinhalt der Tora mit der Befolgung göttlicher Weisungen berief sich Jahrhunderte später vor allem der lutherische Protestantismus (vgl. BRUMLIK 2020, 15).

Paulus schätzte die Tora (Röm 7,12). Vor allem respektierte er die Juden als Ursprung und Wurzel des christlichen Glaubens an Jesus von Nazareth als Messias und Erlöser (Röm 11, 18). Verfasst wurden die Schriften 30-40.

2.5 Synoptische Evangelien    

Im NT von Markus, Matthäus und Lukas wird der Begriff "Jude" bzw. "jüdisch" neutral verwendet (Luk 2,4).

Anders das Evangelium von Johannes (Joh 8,44). "Dort gelten Juden als Kinder des Teufels - eine Formulierung, die die hochmittelalterliche Dämonisierung der Juden bestärkte und deren Einfluss bis auf die Seiten von Julius Streichers (1885-1945) antisemitischen Hetzblattes 'Der Stürmer' reichte" (BRUMLIK 2020, 16). Allerdings postuliert ebenfalls Johannes, dass das Heil von den Juden komme (Joh 4.22).

Es war die Passionsgeschichte der synoptischen Evangelien, die die Juden zu Gottesmördern erklärte. Der seit den Kreuzzügen erhobene Vorwurf setzte die Feindschaft der jüdischen Tempelobrigkeit gegen Jesus voraus. Zudem folgt die Jahrhunderte später entstandene Trinitätslehre der Konzile von Nicäa (325) und Chalcedon (450). "Nur wenn der Mensch Jesus von Nazareth als Sohn Gottes göttlicher und menschlicher Natur zugleich war, kann die Kreuzigung als Gottesmord verstanden werden" (BRUMLIK 2020, 16).

Die Evangelien berichten von einer Tempelpriesterschaft, die die römische Obrigkeit drängt Jesu zu richten. Die Rede ist auch von vor dem Tempel anwesenden Judäern, die Pilatus vor die Wahl stellte, Barabas oder Jesus freizulassen. "Das Matthäus-Evangelium? enthält das später als Eingeständnis des Mordes gewertete Selbstverfluchung der Menge vor dem Tempel [...] (Mt 27, 25)" (BRUMLIK 2020, 17). Die zu entstehende Judenfeindschaft zeigt sich bis zu Zeit der Völkerwanderung, um dann zu verstummen.

Vor der Abfassung der Evangelien hatte der Apostel Paulus pauschal alle Juden für den Tod Jesu bezichtigt (1.Thess. 2, 15).

In der religionshistorischen Forschung heißt es, der erste biblische Kanon sei von einem Melito von Sardes zusammengestellt worden. Dieser bereiste Palästina und beschuldigte nach dem Kirchenvater Eusebius von Caesarea (263-339) die Juden des Gottesmordes (vgl. BRUMLIK 2020, 17).

2.6 Hochmittelalter    

Die Umwandlung vieler Städte in "Freie Reichsstädte" als eigene christliche Körperschaften auf Basis von Zünften ergab für Juden den Status Bürger zweiter Klasse, geteilt mit Frauen, Leibeigenen, Knechten und Durchreisenden.

Folgen für die Existenz der Juden hatte um 1100 eine tiefe 300 Jahre lange Krise mit dem Verarmen des Adels durch Erbteilung, dem Aufstieg der Städte, ersten Manufakturen, zentralistischer Rechtsform der Kirche und einer langsamen Entwicklung zentralstaatlicher Herrschaft. Bedrohungen von außen etwa waren das Vordringen muslimischer Berber und Araber nach Spanien und später in den Süden Frankreichs, die Angriffe asiatischer Reiterbvölker nicht nur in Ungarn, auch in Polen.

Mit dem Geldbedarf für Repräsentation und Bewaffnung feudaler Höfe stieg das Kreditgeschäft, das den Juden geradezu aufgezwungen wurde. Der Ärger über Schulden und Zinsen wurde auf die Juden bezogen.

Zudem änderte sich das Bild Jesu im Glauben und der Kunst, der hängende Schmerzensmann am Kreuz und nicht triumphierende Weltenherrscher, mit der Frage nach den Urhebern des Leiden. Die Antwort war schnell mit den Juden gefunden. Das Kruzifix wurde zunehmend zum Symbol. Historisch das erste bekannte Kruzifix hängt heute noch im Kölner Dom.

2.7 Kreuzzüge    

100 Jahre später rief Urban II. 1095 auf der Synode in Clermont - Ferrand den Ersten Kreuzzug aus und forderte bewaffnet in das sarazenische Jerusalem zu wallfahren, um das "Heilige Grab" zu befreien.

Für viele nicht erbberechtigte Adelssöhne eröffnete sich jetzt, im Zeichen des Kreuzes, einen ritterlichen Lebensstil ohne Hof und Burg zu pflegen. Um die verarmte Land- und Stadtbevölkerung scharten sich apokalyptische Prediger, die sogar Kinder anstifteten, in das Heilige Land zu ziehen. In dieser Zeit wurden Juden zu klassischen Sündenböcken.

Die verarmten Massen bezogen sich auf die scheinbaren Nachfahren der "Christusmörder", die man nicht bis Jerusalem verfolgen musste, in den großen jüdischen Gemeinden der wohlhabende Städte etwa am Rhein. Als Gottfried von Bouillon verkündete, das Blut Christi an den Juden zu rächen, wandten sich diese an den Kaiser Heinrich IV. Sein Aufruf die Juden zu schützen, brachte Gottfried von Bouillon zum Einlenken. Gegen das Zahlen von Schutzgeldern verschonte man die Juden.

Im Frühjahr 1096 kam es zu blutigen Ausschreitungen im Rheingebiet zunächst in Speyer mit elf Toten, in Worms beschuldigte man die Juden der Brunnenvergiftung. Die Woche der Brandschatzungen, Plünderungen und Mordens überlebten nur jene, die sich taufen ließen. In Köln ließ der Bischof die Juden im Umfeld der Stadt evakuieren, wo sie, wenn sie sich nicht taufen ließen, von der Landbevölkerung umgebracht wurden. Bischöfe und der Kaiser verhielten sich zu den Zwangstaufen meist großzügig, die Betroffenen durften zum Judentum zurückkehren. 50 Jahre später waren die jüdischen Gemeinden am Rhein wieder aufgebaut.

Mit dem Beginn des Zweiten Kreuzzuges 1147 wiederholten sich die Ausschreitungen und Pogrome. Der Schutz des Kaisers bot ein Minimum vor Verfolgung. Personen, die Juden verfolgten, wurden sogar bestraft.

Der 40 Jahre später beginnende Dritte Kreuzzug wurde von Gräueltaten gegen Juden begleitet. "In Speyer wurde die Leiche der kürzlich verstorbenen Tochter eines Rabbiners aus dem Grab gerissen und nackt zur Schau gestellt - der Versuch ihres Vaters, sie wieder zu bestatten, führte zu einem erneuten Pogrom gegen die ganze Gemeinde" (BRUMLIK 2020, 30).

In Frankreich und England verbreiteten die Kreuzfahrer und ihre Prediger die sogenannte "Blutbeschuldigung", Juden hätten christliche Knaben rituell ermordet. Das Vierte Laterankonzil 1215 beschloss Kleidervorschriften für Juden, die einige weltliche Herrscher übernahmen, um Juden in mehr Abhängigkeit zu bringen. Überall wurden Juden jetzt als Wucherer und Ausbeuter verfolgt, in der Nachfolge jenes Judas, der in den Schriften des NT Jesus gegen dreißig Silberlinge den Römern preisgegeben haben soll. Von der Landwirtschaft und dem Handwerk wurden Juden auch ferngehalten.

Aus wirtschaftlichem Interesse, sich Schulden zu entledigen, kam es immer wieder im ganzen Mittelalter zu Pogromen und Vertreibungen, die Juden in Westeuropa und in Deutschland bis nach Polen und Russland führte. Mit dem Übertritt zum Christentum konnte man sich allerdings vor Verfolgung schützen.

2.8 Reformation    

Einen antisemitischen Höhepunkt erreichte die christliche Judenfeindschaft in der deutschen Reformation. Martin Luther hatte gehofft, dass er die Juden durch das 1523 publizierte Eingeständnis, dass Jesus ein geborener Jude gewesen sei, zum Christentum bekehren könne. 20 Jahre später wandte sich Luther wegen Erfolglosigkeit gegen die Juden und das Judentum, vor allem aus politischen und ökonomischen Motiven. Anders als die Wiedertäufer und Bauern galten ihm die Juden nicht als "Aufrührer", aber durchaus als eine Gruppe, gegen die man Maßnahmen ergreifen durfte (vgl. in der Folge PANGRITZ 2017).

Luther war für eine scharfe Trennung des Reiches christlicher Barmherzigkeit von der weltlichen Obrigkeit. 1525 kam es zur Konfrontation mit den aufständischen Bauern. Etwa zwanzig Jahre später bezog er dies auf die Juden. 1543 werden sie in der Schrift "Von den Juden und ihren Lügen" schon dämonisiert (vgl. BRUMLIK 2020, 33-34). Aus diesem Hintergrund plädierte er für eine "scharfe Barmherzigkeit" (Synagogen und Schulen anzünden, Häuser zerstören, Verbannung und Gefangenschaft, Lehrverbot von Rabbinen, Verbot von Wucher, Reiseverbot, Zwangsarbeit, Vertreibung).

Luther war nicht der einzige, der solche Vorschläge machte, auch sein Gegner Johannes Eck und der Reformator Straßburgs Martin Bucer. Luther begründete seine Vorschläge theologisch im Hinblick auf den Spott und die Lügen der Juden über den christlichen Glauben und auch politisch und ökonomisch.

Die folgende Renaissance und die Reformation hatten gegensätzliche Tendenzen. Ein Teil der Humanisten begann sich auf die Würde eines jeden Menschen zu besinnen. "Das reformatorische Denken Luthers verschärfte die theologische Judenfeindlichkeit, indem er sich auf den Kirchenvater Augustinus berief, ordnete Luther dem Gott der hebräischen Bibel und damit dem Glauben des Judentums Gerechtigkeit und Gesetz, dem Christentum und damit Jesus Liebe und Gnade zu. So rückte er das Judentum an die Stelle all jener Kräfte, die seiner Meinung nach eine Hinwendung zu Gott verhinderten" (BRUMLIK 2020, 38).

2.9 Aufklärung und Revolution    

Ab dem 18. Jahrhundert kommt es zu Religionskritik und entstehenden Naturwissenschaften. Bevor Charles Darwin (1808-1881) die Evolutionstheorie erarbeitete, wird der Mensch in unterschiedlicher Güte wie bei anderen Gattungen gesehen.

In der Französischen Revolution 1789 und im Napoleonischen Kaiserreich (1804-1815) waren die Juden durch die Bürgerrechte emanzipiert worden. Die folgende antinapoleonische Nationalbewegung war entsprechend judenfeindlich. Bald kam es zu Bildern, die Juden als Ungeziefer darstellten. In Deutschland wurden Karl Marx (1818-1883) oder Richard Wagner (1813-1883) vom französischen antijüdischen Frühsozialismus beeinflusst (BRUMLIK 2020, 39-40).

Die Aufklärung war auch vom Gedanken der Toleranz bestimmt. Das klassische Beispiel von Toleranz und Akzeptanz war Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) in seiner Haltung zum Judentum und als Religion, hier in seinem Drama "Nathan der Weise" (1783 kam es erstmals auf die Bühne). Geschichtsphilosophisch befasste sich Lessing in der Schrift "Erziehung des Menschengeschlechts". Bedeutend ist die Beziehung und Freundschaft zu Moses Mendelssohn (1729-1789). Weitgehend deckten sich die Ansichten mit der Betrachtung des preußischen Reformers Christian Konrad Wilhelm von Dohm (1751-1820).

Immanuel Kant (1724-1804) kritisierte in seiner Schrift "Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" (1794) das Judentum als Inbegriff einer "statutarischen Religion" (Gesetzlichkeit des jüdischen Glaubens; vgl. Werkgerechtigkeit).

Der politische Judenhass (Frühantisemitismus) entstand im Widerstand gegen die napoleonische Besatzung, so bei Ernst Moritz Arndt (1769-1860), Friedrich Ludwig Jahn ("Turnvater Jahn") (1778-1852) und vor allem bei Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), so in einer intellektuellen Stimmung.

In der allgemeinen politischen Stimmung kam es 1819 im Rheinland zu den "Hep - Hep - Hep - Krawallen" (Abkürzung steht für Hierosolyma est perdita - deutsch Jerusalem ist verloren). Die Pogrome begannen in Würzburg, breiten sich aus, bis nach Österreich, Dänemark und Frankreich.

2.10 Rassistischer Antisemitismus    

Judenfeinde wie Wilhelm Marr (1819-1904) und Otto Glagau (1834-1892), vereinsmäßig organisiert und selbst bezeichnet "Anti-Semiten?", beanspruchten eine wissenschaftliche Grundhaltung. Juden wurden als Angehörige einer "Rasse" bestimmt. Seine Abneigung richtete man auf scheinbare biologische Fakten, die nur durch Entfernung behoben werden können. Dieser völkische Rassenbegriff, scheinbarer naturwissenschaftlicher und ideologischer Debatte, führte letztlich 1935 zu den "Nürnberger Gesetzen" (vgl. ZUMBINI 2003; BRUMLIK 2020, 46-47).

Die Erbgenetik führte zu Verteilungsmodellen wie "Halb - Viertel - Achteljude". Kontagionisten (contagio - anstecken) vertraten die Überzeugung einer Ansteckung über den Blutkreislauf. Arthur Dinter hatte die Vorstellung in seinem Roman "Die Sünde wider das Blut" dargestellt. Beide Formen des Rassismus wollten sich naturwissenschaftlich orientieren, während Ideologen wie H.F.K. Günther (1891-1968) die Bestimmung einer "arischen Rasse" im Sinne des Aufbaues einer Kultur ansahen.

Der vom Nationalsozialismus/ NS übernommene Antisemitismus als Staatsideologie war Ansporn zu Stigmatisierung, Gewalt, Willkürmaßnahmen und der "Shoa" in den Jahren von 1939-1945.

Auch zeigte sich Antisemitismus dort, wo man es nicht vermuten würde. Prominenter Ausdruck war das Werk von Karl Marx, selbst aus einer jüdischen Familie stammend, in seiner Schrift "Zur Judenfrage". Hier stand er im Bann der Religionskritik von Ludwig Feuerbach. Auch die Kritik am bürgerlichen Begriff des Eigentums bzw. der Entgrenzung in und durch das Geld sind Kennzeichen der Schrift. Seine antisemitisch wirkende Theorie entzündende sich an den Thesen des Zeitgenossen und Bekannten Bruno Bauer (1809-1882). In seiner akademischen Position in Bonn, früher Habilitationsbetreuer von Karl Marx, wandte er sich gegen die Gleichberechtigung der Juden im christlichen Staat und folgt dem Kirchenvater Augustinus (vgl. BRUMLIK 2020, 60-61).

Bruno Bauer wird nach der Revolution 1848 in der preußischen Kreuzzeitung antisemitischer Leitartikler. Marx entgegnet sinngemäß, unter Judentum versehe er als Religion eine Weltanschauung des "praktischen Bedürfnisses". Judentum wird mit "Eigennutz" gleichgesetzt und daher abgelehnt, das Christentum ist einem transzendierten Denken dagegen fähig (vgl. BRUMLIK 2020, 63-64). Marx war zunächst ein Feind des Judentum als Religion, nicht aber emanzipierter Juden. In seinem Denken war er antisemitisch beeinflusst, nicht in der Tat.

Ähnlich war der Komponist Richard Wagner in dieser Hinsicht beeinflusst. Argumentiert wird etwa, mit dem Bühnenfestspiel "Parsifal" hat Wagner eine neue arische Erlöserfigur geschaffen, die die deutlich als Jüdin gekennzeichnete Kundry in den Tod erlöst, womit dem Antisemitismus im NS Vorschub geleistet wurde (vgl. BRUMLIK 2020, 64; https://operalounge.de/buch/sachbucher/mythos-kundry [4.3.2023).

1850 erschien Wagners Schrift "Das Judentum in der Musik" als Abschluss einer Vorbereitungszeit des frühen Antisemitismus. 1893 kommt es dann zum Einzug der ersten antisemitischen Parteien in den Deutschen Reichstag. Damit wurde der Antisemitismus ein Bestandteil einer ganzen Kultur mit einer Selbstverständlichkeit im Widerstand gegen eine Emanzipation einer stigmatisierten Minderheit.

Der moderne Antisemitismus reagiert auf die krisenhaften Entwicklungen des modernen Kapitalismus, der zunehmenden Industrialisierung, folgender digitaler Modernisierung, dem Verlust verbindlicher Weltbilder und einer Versachlichung menschlicher Beziehungen. In einer verschwörungstheoretischen Sicht fällt er mit einer Ideologie des Nationalismus im 20. Jahrhundert zusammen.

Mit der Niederlage des NS und damit der Ideologie des staatstragenden Antisemitismus haben sich in der Folge neue Formen der Judenfeindschaft bzw. des Antisemitismus gebildet (vgl. HEILBRONN - RABINOVICI - SZNAIDER 2019). Für die Politische Bildung ergeben sich pädagogische Herausforderungen und neue Aufgabenstellungen.

2.11 Herausforderungen in Historischer Politischer Bildung    

Der ökonomische und technische Prozess der Globalisierung, politisch noch gering gestaltet, versucht bzw. beginnt in Teilbereichen Wirklichkeit zu werden. Für die Politische Bildung stellt sich in dieser angestrebten Weltgesellschaft die Frage, ob sich universalistische Werte pädagogisch umsetzen lassen. Angesichts verbesserter Telekommunikation und in der Folge digitaler Vernetzung, entstanden neue politische, ökonomische und kulturell - religiöse Großräume wie etwa die UNO, EU, der Europarat, die GUS, OSZE, NATO, WTO, die Gruppe der Staaten in Afrika, der Karibik und im Pazifik sowie der Weltkirchenrat. Eine demokratische Öffentlichkeit setzt sich für die Menschenrechte ein, die unterschiedlich aufgenommen und kulturell verbreitet werden.

Die Lehren aus den Weltkriegen und deren Folgen zu ziehen, bedürfen einer Historisierung und Pädagogisierung, zu der sich die einzelnen Staaten verpflichten. Ein Beispiel mit 99 Seiten bildet die Publikation der "Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO)" und dem "Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDMIR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)": Mit Bildungsarbeit gegen Antisemitismus. Ein Leitfaden für politische Entscheidungsträger/-innen > http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/igo/ (5.3.2023).

Im Folgenden sollen noch spezifische didaktische Fragen angesprochen werden.

- Zuwanderer, zumal aus islamischen Ländern und spezifischen Kulturen, bringen eigene Erfahrungen mit. Zu beachten ist der "Nahost-Konflikt" (vgl. Gaza - Krieg 2014).

- Man beachte besonders die Frage der politischen Verantwortung für die Verbrechen an den europäischen Juden im Bezug auf die nationale Politik und die Bemühungen der EU einer Aufarbeitung mit den Eckpunkten soziokulturelle Zugehörigkeit, körperliche - personale Integrität und Identität sowie Demütigungsverbot.

- Vermittlung von jüdischer Religion und Kultur in Geschichte und Gegenwart bedürfen eines Lernpakets/ Geschichte -Kulturgeographie - Kunsterziehung - Religion in Unterricht und Lehre.

3 Antisemitismusprävention    

3.1 Einleitung    

Gesucht und vermisst wird ein Lösungsweg der Antisemitismusprävention von jahrtausendealten Ressentiments (Vorurteile und ein Gefühl der Unterlegenheit).

Weder Wissen noch Bildung schützen vor Ressentiments.

Ein Lösungsansatz weist auf die Bedeutung von (Selbst-) Reflexion. Auch geplante Lernumgebungen und interdisziplinäre Materialien garantieren nicht einen Schutz vor antisemitischen Ressentiments, jedenfalls ist der Kontext von Wissen und (Selbst-)Reflexion für eine Prävention unverzichtbar (vgl. MÜLLER 2021, 243).

Zu diskutieren sind im Folgenden Voraussetzungen und Herausforderungen für Bildungserfahrungen, Rahmenbedingungen institutioneller Bildung, fremdbestimmte Bedingungen mit der Möglichkeit eigenständiger Bildungserfahrung.

3.2 Lehramtsausbildung    

Eine zentrale Frage in der Lehramtsausbildung ergibt sich, warum sollen Lehrende mit Prävention sich beschäftigen, wenn theoretische Beschreibungen ergeben, dass manifest antisemitische Einstellung kaum oder gar nicht aufklärungsfähig sei (vgl. MÜLLER 2021, 228). Die Frage geht auf eine Analyse zurück, dass Ressentiments gegen Aufklärung resistent sein können.

Nach Wolfgang BENZ (2008, 10) gründet sich die Ablehnung nicht auf Fakten, vielmehr auf Traditionen und Emotionen, die als Fakten verstanden werden. Judenfeindschaft entzieht sich in allen Ausprägungen jeder rationalen Diskussion. Antisemitismus wird als kollektive Erfahrung begriffen und behandelt. Diese Resistenz bedeutet keine Resignation, vielmehr Prävention und Prophylaxe. Hier gilt es in der Lehrerbildung anzusetzen.

Zwei theoretische Beschreibungen, die in bestimmten Hinsichten gegensätzlich zueinander stehen, bilden die Grundlage der Gleichzeitigkeit von Aufklärbarkeit und Nicht - Aufklärbarkeit. Damit kann man einer Überschätzung und Unterschätzung von Bildungsangeboten begegnen.

3.3 Theoretische Beschreibungen    

  • Antisemitismus basiert auf der Unterscheidung von Eigen- und Fremdgruppe und betrifft damit Interkulturelle Kompetenz und Medienkompetenz (vgl. die Differenzkonstruktion "Wir und Sie", "Gut und Böse"; DICHATSCHEK 2018, 2019).
    • Die Markierung wird als Abwertung vorgenommen. Sprachlich enthalten Gruppenkonstruktionen eine wertende Zuschreibung.
    • Antisemitismus in seiner modernen Form hat nichts mit dem tatsächlichen Verhalten des Judentums zu tun (vgl. RADVAN 2017, 45-46). Für die Politische Bildung bedeutet dies Zuschreibungen, vor allem Projektionen, die identitätsstiftend und diskriminierend wirken.
    • Prävention wird wirken können, je eigenständiger Lernende die Funktionen von Ressentiments erkennen und benennen können. Die Meta - Ebene wird unterstützend für eine Verständigung wirken. Wer abwertend redet, wertet sich selbst auf und ordnet sich einer vermeintlich überlegenen Gruppe zu (vgl. RADVAN 2017, 46). Ausstiegsmöglichkeiten aus den Differenzmöglichkeiten können die Beobachtung von tatsächlichem Verhalten bzw. Begegnungen bilden.
  • Ein von Negativgefühlen bestimmtes Weltdeutungssystem bildet ein kulturhistorisches Phänomen, dass sich gegen ein Judentum richtet (vgl. SCHWARZ - FRIESEL 2019, 388).
    • Diese strukturelle Besonderheit lässt sich nicht allein als Vorurteil beschreiben. In einem geschlossenen Weltdeutungssystem werden zur eigenen Deutung bestimmte Wissemsformen wie nationale oder Verschwörungstheorien verankert.
    • Ein solches Weltbild kann bis zur Verfolgungs- und Vernichtungsabsicht führen. Zentrum sind sozio - emotionale und affektive Besetzungen von Ressentiments.
Fallstricke bilden die Überschätzung von Bildungsangeboten in der Politischen Bildung, deren Unterschätzung mit den Möglichkeiten (vgl. GRIMM - MÜLLER 2021).

Es bedarf eines Wissens über unmittelbare Erfahrungen und ein reflexives Wissen über gesellschaftlich folgenreiche Ressentiments.

3.4 Prävention in schulischer Politischer Bildung    

Angesichts der wiederkehrenden antisemitischen Stereotypen bekommt die Prävention und Intervention in der Schule eine zunehmende Bedeutung im Fachbereich Politische Bildung (vgl. bereits MESSERSCHMIDT 2014, 38-44).

In Österreich zeigt sich dies mit den bildungspolitischen Bemühungen 2017 (vgl. den Kontext mit der UNESCO/ OSZE 2018, 51-53; für die Migrationsgesellschaft MENDEL - MESSERSCHMIDT 2017).

Drei Herausforderungen sollen an dieser Stelle angesprochen werden (vgl. MÜLLER 2021, 233).

  • Prävention in der Schule findet unter den Bedingungen von Schulpflicht und Leistungsbeurteilung statt.
  • In den fachwissenschaftlichen Analysen werden die Erscheinungsformen des Antisemitismus sichtbar.
  • Die Bedeutung der Bildungserfahrung zeigt sich in Effekten von Lernaufgaben,
    • wobei in der Schule institutionelle Bedingungen vorherrschen und
    • fachdidaktisch wird Fremd- zur Selbstbestimmung gefordert.
In Politischer Bildung im Bindestrichfach (in Österreich) "Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung" ist das Ergebnis im Vorfeld gesetzt und normativ festgelegt ( vgl. den Bildungsanspruch mit dem geringen Pluralitätsspielraum, moralischer Erziehung mit Bewertungszwang als Gefahr von Gesinnungskontrolle werden kann) und Multiperspektivität kann für alle Beteiligten in ihren Annahmen und Folgen problembehaftet sein (vgl. LIEPACH - GEIGER 2014, 125-126).

3.5 Erscheinungsformen des Antisemitismus    

Eine weitere Herausforderung in der Prävention in Politischer Bildung ergibt sich in den verschiedenen Erscheinungsformen des Antisemitismus.

Es zeigt sich, dass jede Definition einen besonderen Bereich und andere Aspekte betrifft (vgl. MÜLLER 2021, 236-237).

Die jeweilige Beschreibung betrifft spezifische Erscheinungsformen und entsprechende Handlungsnotwendigkeiten (vgl. GRIMM- MÜLLER 2021, 7-20).

  • Religiöser, sozialer, politischer, nationalistischer und rassistischer Antisemitismus sowie
  • neue Formen Post - Holocaust und antizionistischer bzw. israelbezogener Antisemitismus (vgl. KRAUS 2004, 102-103),
  • religiöser Antijudaismus, Rassenantisemitismus und Antizionismus (vgl. BENZ 2008, 20) und
  • Antijudaismus, rassistischer, nationalsozialistischer, islamischer und israelbezogener Antisemitismus (vgl. KRAUS 2004, 103; BERNSTEIN 2018, 23-41; BRUMLIK 2020, 71-87).
Annahmen und Effekte der Beschreibung führen zur spezifischen Kennzeichnung, auch aber zur Fokussierung und Ausblendung anderer Erscheinungsformen wie etwa beim islamischen Antisemitismus und damit sogar zur Relativierung und Verharmlosung.

Eine Auseinandersetzung mit bestimmten Erscheinungsformen muss nicht mit dem Wissen um andere einhergehen (vgl. MÜLLER 2021, 236).

Antisemitismus und historische Kenntnisse über den Holocaust müssen sich nicht gegenseitig ausschließen.

3.6 Prävention in erwachsenenpädagogischer Politischer Bildung    

In Österreich bestimmt das "Kooperative System" mit der Trennung von Allgemeiner und Beruflicher Erwachsenenbildung den quartären Bildungsbereich.

Beispielhaft ist die Zusammenarbeit in der Grundausbildung der Weiterbildungsakademie Österreich/ wba mit der Erfassung von vorhandenen Kompetenzen und Weiterqualifikation im Bildungsmanagement, der Lehre, Bildungsberatung und Bibliotheksarbeit.

Eine akademische Qualifikation ist mit dem "Universitätslehrgang Erwachsenenbildung" und Masterabschluss war möglich (Stand 2023).

Eine grundsätzliche Diskussion über Politische Bildung in der Allgemeinen Erwachsenenbildung fehlt an sich und beginnt langsam 2023.

In der Diskussion um eine Reflexivität in der Politischen Bildung bieten sich in Übereinstimmung mit der Erwachsenenpädagogik als fachdidaktische Prinzipien an

  • Adressatenorientierung,
  • exemplarisches Lernen,
  • Problemorientierung,
  • Kontroversität,
  • Handlungsorientierung und
  • Wissenschaftsorientierung.
3.7 Zusammenfassung    

Die Notwendigkeit und der Bedarf einer Antisemitismusprävention im Bildungsbereich ist unbestritten (vgl. MÜLLER 2021, 257-258).

Die pädagogischen Herausforderungen ergeben sich aus den vorgegebenen und autonomieorientierten Modellen mit den Annahmen von Subjektivität, Wissen, Bildung und (Selbst) Reflexion.

Es gibt Rahmenbedingungen, die eine eigenständige Auseinandersetzung unterstützen mit der Bildungserfahrung aus den Aspekten einer Autonomie der Lernenden und gesellschaftlichen Annahmen.

Wissen und (Selbst) Reflexion garantieren keine Antisemitismusprävention.

Von Interesse sind Folgerungen mit der Reproduktion von Konsequenzen.

Darauf muss mit Bildungserfahrung reagiert werden (vgl. die Vorschläge und Konsequenzen bei BRUMLIK 2020 88-100: stichwortartig globales Lernen mit weltgesellschaftlicher Erinnerung, Rassismus, Nahost - Konflikt, Demütigungsverbot, Interkulturalität, Rechtspopulismus).

Folgenreich sind didaktische Überlegungen und Konzepte, weil Bildungserfahrungen an die Eigenständigkeit Lernender und Lehrender gekoppelt sind.

Wissensbestände und Motive können so erkannt, benannt und problematisiert werden.

Zuletzt sind für den Autor die komplexen Dimensionen in Theorie und Praxis eine Herausforderung für die Schulpädagogik und Lehramtsausbildung (vgl. DICHATSCHEK 2020) sowie Allgemeinen Erwachsenenbildung (vgl. DICHATSCHEK 2018).

4 Aspekte eines Antisemitismus in Europa und Österreich    

4.1 Studien zum Antisemitismus 2003 in Europa    

Die "Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" (EUMC) hat eine Studie über Antisemitismus in Europa verfasst, deren Ergebnisse so beunruhigend sind, dass sich die Institution zunächst entschloss, die Studie noch nicht zu veröffentlichen.

Seit dem 4. Dezember 2003 ist der Inhalt der Untersuchung im Internet verfügbar. Neben dem dänischen Sender TV2, der Kopenhagener Zeitung "Politiken", dem Grün - Europa - Abgeordneten Daniel Cohn - Bendit ist die Studie nunmehr auch von der EUMC in das Internet gestellt worden (vgl. http://www.eumc.eu.int/eumc/FT.htm > mit Stand 2013 nicht mehr verfügbar).

Auffallend ist demnach, dass heute in vielen Fällen bei antisemitische Ausschreitungen die Täter um Anonymität bemüht sind. Auf Grund der Erfolge in der Strafverfolgung weiß man von der Verbreitung der Täter in der rechtsradikalen Szene bzw. bei radikalen Islamisten.

Auffallend sind antisemitische Äußerungen - vor allem in Frankreich und Belgien - von Einwanderern aus Nordafrika. Anfällig sind offensichtlich Politiker, die diese Grundstimmung in Wählerzustimmung umsetzen wollen, wie jüngste Beispiele 2003 in Deutschland zeigten.

Ausdruck dieser Bewegung sind Schändungen von Friedhöfen und Gräbern, Hakenkreuzschmierereien, Briefe und e-Mails mit Bedrohungen und Beleidigungen sowie die Leugnung des Holocaust.

Physische Attacken gegen Juden ereignen sich heute häufig im Umfeld von pro-palästinensischen Demonstrationen moslemischer Europäer.

Es gibt auch Fälle, in denen unpolitische und nicht-antisemitische Jugendliche judenfeindliche Parolen aus Spaß rufen, ohne den Inhalt dieser Parolen und ihren historischen Hintergrund zu verstehen (vgl. Salzburger Nachrichten v. 4. Dezember 2003, "Europas Antisemitismus", 10).

Die Anzahl judenfeindlicher Angriffe hat in Europa seit dem Ausbruch der zweiten Intifada im September 2000 zugenommen. Allein in Deutschland wurden im Halbjahr 2003 1 400 Vorfälle registriert.

Nach einer US - Studie der "Anti Defamation League/ ADL" halten noch 30 Prozent der Europäer an klassischen antisemitischen Stereotypen fest. So glaubten etwa 30 Prozent der 2 500 Befragten, dass Juden zu viel Macht in der Geschäftswelt hätten. 19 Prozent denken, dass Juden sich nur um Juden kümmern. 16 Prozent stimmen dem Vorurteil zu, dass Juden eher als andere dunkle Praktiken anwenden, um zu ihrem Ziel zu kommen. 45 Prozent glauben immerhin, dass Juden mehr Loyalität zu Israel empfinden als zu dem Land, das ihre Heimat ist. So werden die Juden der Diaspora als geschlossene Clique gesehen und zu Vertretern Israels umfunktioniert, womit sie die Verantwortung für die Politik Israels tragen.

Eine bislang unveröffentlichte Studie des "Zentrums für Antisemitismusforschung" der Technischen Universität Berlin (ZfA), die im Auftrag des EUMC ausgeführt wurde, stellt ebenso fest, dass in Europa eine steigende Tendenz zum Antisemitismus und militanten Anti - Israelismus besteht (vgl. http://www.eumc.eu.int/eumc./FT.htm - mit Stand 2023 nicht mehr abrufbar).

Die ZfA - Studie versucht, vier Kriterien aufzustellen, die legitime Israel - Kritik von verhülltem Antisemitismus unterscheiden:

  • Vergleiche zwischen Israel und dem Dritten Reich,
  • Verallgemeinerungen über "die Juden",
  • die Verwendung von Stereotypen und
  • die Erwartungen an Israel, die nicht an andere Staaten gestellt werden.
4.2 Profil von Antisemiten    

Das Profil der Antisemiten ist so verschiedenartig wie ihre Vorurteile.

  • Einerseits spielt das Weltjudentum mit Globalisierung und Kapitalismus eine Rolle, andererseits beschuldigt man das Judentum als Urheber des Kommunismus und Bolschewismus.
  • BERGMANN weist in der ZfA - Studie nach, dass die Zahl der Überfälle durch militante Islamisten anwachse. In jenen EU - Ländern, die eine starke Minderheit an Moslems durch Einwanderung aus Nordafrika haben, mache sich dies deutlich bemerkbar: Frankreich und Belgien.
  • Während die übrige antisemitische Szene sich eher mit verbalen und symbolischen Taten begnüge - wie Grabschändungen und Schmierereien - greifen junge Moslems immer öfter zu Gewalt. Zertrümmerte Fensterscheiben und Brandstiftungen sind als Folgen zu beobachten.
4.3 Dokumentation    

TELETEXT ORF1/2: 4.1.2004, P123 Fördert EU - Kommission Antisemitismus?

Die Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses (WJC) Bronfman und des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC) Benatoff werfen der EU -Kommission vor, Antisemitismus zu fördern.

Zur Begründung verweisen die beiden Autoren auf die Veröffentlichung einer Umfrage durch die EU - Kommission, in der 59 Prozent der Befragten Israel als größte Gefahr für den Weltfrieden genannt hatten, und auf einen Rückzug einer EU - Studie zur Beteiligung von Moslems an antisemitischen Vorfällen.

www.orf.at - NEWS ORF.at, 6. 1. 2004 EU - Kommission weist Antisemitismus - Vorwurf zurück

Die EU - Kommission hat die Antisemitismus - Vorwürfe jüdischer Verbände zurückgewiesen und Konsequenzen angedroht. "Wir sind schockiert über die Vorwürfe", sagte der Sprecher von Kommissionspräsident Romano Prodi, Reijo Kempinnen der "Financial Times Deutschland". Der Vorwurf des Antisemitismus sei "völlig ungerechtfertigt". Aus Unmut erwäge die Kommission, ein für Februar geplantes Antisemitismus - Seminar abzusagen. "Wir müssen prüfen, wir wir auf die Vorwürfe reagieren", sagte Kempinnen. "Es ist noch nicht sicher, dass die Konferenz stattfinden wird."

Die Präsidenten des World Jewish Congress (WJC), Edgar Bronfman und Cobi Benatoff, hatten der EU in einem Beitrag für die "Financial Times" und die "Financial Times Deutschland" vorgeworfen, durch Untätigkeit sowie "durch direkte Schritte gegen Juden" den Antisemitismus in Europa gefördert zu haben. "Die Kritik ist nicht nachvollziehbar", sagte Kempinnen. Die Kommission habe niemals die Veröffentlichung einer europäischen Antisemitismus - Studie verboten. Sie versuche auch nicht, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Es sei fraglich, "ob Antisemitismus in Europa wachse", so Kempinnen.

"Financial Times Deutschland": http://www.ftd.de/pw/eu/107323075667.html?nv=Inen

www.orf.at - NEWS ORF.at, 8.1.2004 > EU und Jüdischer Weltkongress legen Streit bei

Die EU - Kommission und der Jüdische Weltkongress (WJC) haben den Streit um Antisemitismus - Vorwürfe gegen die Brüsseler Behörde beigelegt. Kommissionspräsident Romano Prodi sagte nach einem Treffen mit WJC - Generalsekretär Israel Singer heute in Brüssel, die Kommission nehme die Vorbereitungen für ein einstweilig abgesagtes Seminar mit jüdischen Organisationen zur Bekämpfung des Antisemitismus wieder auf.

In den nächsten zwei Wochen soll Prodi mit den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses (WJC) und des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC), Edgar Bronfman und Cobi Benatoff, zusammentreffen, sagte Kommissionssprecher Reijo Kempinnen. Bronfman und Benatoff hatten der EU-Kommission? in einem Beitrag für die "Financial Times" Antisemitismus vorgeworfen.

Nach den Vorwürfen hatte die EU - Kommission die Vorbereitungen für das Seminar auf Eis gelegt.

taz Nr. 7272 vom 31. Jänner 2004, 4 "Antisemitische Gewalt in Europa"

Ob der Antisemitismus in den Ländern Europas steigt oder sinkt - diese scheinbar leichte Frage hat erstmals eine EU - Institution, die EUMC in Wien, untersucht. Sie kam zu Ergebnissen, die offenbar so brisant waren, dass die Expertise zunächst in der Schublade verschwand. Erst nach vehementen Protesten , unter anderem von jüdischen Organisationen, wurde sie öffentlich. "Der Report und unsere eigenen Untersuchungen", so fasst die Studie zusammen, "zeigen, dass viele EU-Mitgliedsstaaten? im Frühling 2002 eine Welle antisemitischer Vorfälle erfahren haben."

Für die auf der Berliner Antisemitismus - Konferenz vorgestellten Staaten gab es folgende Ergebnisse: In Frankreich sei zwischen September 2000 und Ende Januar 2002 ein Drittel aller weltweit registrierten antisemitischen Attacken registriert worden. In Großbritannien wurden für das Jahr 2002 insgesamt 70 Überfälle gezählt, von denen einige damit endeten, dass attackierte Personen mit schweren Verletzungen im Krankenhaus behandelt wurden. Es wurden "20 Vorfälle extremer Gewalt" erfasst - Gewalt, die lebensgefährlich hätte werden können, so der Report. Für Deutschland kommt die Studie auf 4 gewalttätige Angriffe im Frühjahr 2002. Davon waren 3 Anschläge auf Gebäude. Ein Fall betraf am 14. April 2002 in Berlin zwei Jüdinnen, die Kettchen mit Davidstern um den Hals trugen.

https://orf.at/stories/3101542/ > Konferenz Antisemitismus und Antizionismus/Wien - Österreichischer Vorsitz im Rat der EU (21.11.2018)

4.4 Juden in Österreich unter NS - Herrschaft    

"Der 'Anschluss' überraschte alle, am meisten jedoch die Juden Österreichs, die trotz vieler und schwerer antisemitischer Anfeindungen bis zuletzt immer an Österreich glaubten, für Österreich eintraten, mit Österreich ihr persönliches Schicksal verbunden hatten. Der Antisemitismus war für die Juden Österreichs ein eigenartiges, ein österreichisches Phänomen, mit dem man lebte, gegen das man ankämpfte und das, wenn man hier leben wollte, hinzunehmen hatte. Seit jeher bestand in Wien und in Österreich eine gewisse Aversion gegen Juden. Seit Generationen gab es Antisemitismus, dessen Wurzeln in religiöser Diffamierung, wirtschaftlicher Intoleranz und Konkurrenzneid, in eingebildeter rassischer Überheblichkeit zu suchen sind" (TALOS - HANISCH - NEUGEBAUER 1988, 185).

Aus den damaligen politischen Lagern der Christlichsozialen, Katholisch - Konservativen und Deutschnationalen entstand 1919 der "Antisemitenbund", der die Juden auf allen Gebieten als Ziel bekämpfen und aus allen Positionen und Stellungen verdrängen wollte. Als Hort vieler rechtsextremer Vereine ging er letztlich 1938 ganz in das Lager der NSDAP über (vgl. Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstandes/ DÖW, Dokument 6895). Die Judenhetze fiel in breiten Bevölkerungskreisen auf fruchtbaren Boden: Antisemitismus wurde in Versammlungen, in der Presse und aus Deutschland importierte Antisemitica betrieben. Von den Nationalsozialisten wurde dieser Judenhass durch Übergriffe, Anschläge und Attentate auf jüdische Personen und Eigentum umgesetzt (vgl. Das Braunbuch, Hakenkreuz gegen Österreich, Wien 1933).

Beispiele für antisemitische Äußerungen waren etwa der Hirtenbrief von Bischof Johannes Gföllner ("Brechung des schädlichen Einflusses des Judentums" als "strenge Gewissenspflicht"; vgl. Linzer Diözesanblatt, Jänner 1933), die Publikation des österreichischen Unterrichtsministers Emmerich Czermak (1932) zur Ordnung in der Judenfrage (vgl. E. CZERMAK - O.KARBACH, Ordnung in der Judenfrage, Wien 1934), der stille Boykott Wiener Handelskreise unter Führung von Vizebürgermeister Josef Kresse gegen jüdische Kaufleute (vgl. Jüdische Front v. 1.12.1936 und 20.12. 1937) und Leopold Kunschaks Aussage: "Entweder löst man 'die Judenfrage' rechtzeitig nach den Eingebungen der Vernunft und Menschlichkeit oder sie wird gelöst werden in der Form des vernunftlosen Tieres, in der es seinen Feind angeht, in Formen wildgewordenen und ungebändigten Instinktes" (Mitteilungen des Freiheitsbundes, Sonderausgabe, März 1936). Dieser jahrzehntelange Judenhass kam nach dem "Anschluss" 1938 und während der "Reichskristallnacht" in erschreckender Form zum Ausdruck, wobei viele antisemitisch gesinnte Österreicher während dieser progromartigen Ausschreitungen gemeinsam mit SA und HJ die Judenhatz mitmachten (vgl. MOSER 1988, 186).

Von der überraschenden Bekanntgabe des einsamen Entschlusses einer Volksabstimmung durch Bundeskanzler Dr. Kurt Schuschnigg am 9. März 1938 wurden auch die Juden überrascht. Der Urnengang am 13. März sollte dann auch ein wahres Bild von einem Volk geben, dass den Nazismus ablehne (MOSER 1988, 187). "Wir bejahen Österreich! Alles an die Urnen!" druckten jüdische Zeitungen am 11. März (vgl. Die Stimme, 11.3.1938, 1).

In der Folge begannen die oft beschriebenen Privatraubzüge österreichischer Nationalsozialisten, Plünderungen von jüdischen Geschäften, illegale Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen. Persönliche Bereicherungen erschreckten selbst den damaligen Gauleiter Joseph Bürckel, der in öffentlichen Aufrufen vor solchen ungesetzlichen Requirierungen warnen ließ (vgl. Wiener Neueste Nachrichten, 15.3.1938, 7 und 18.3.1938, 11). Durch die Straßen Wiens wurden Gruppen von Juden getrieben, ausgestattet mit einem Farbtopf und Pinsel, um jüdische Betriebe und Geschäftslokale mit einem Judenstern oder der Aufschrift "Jude" zu beschmieren.

Heinrich Himmlers Ankunft in Wien am 12. März 1938 löste eine beispiellose Verhaftungswelle unter den Repräsentanten jüdischen Lebens aus, die mit dem ersten Transport am 1. April 1938 nach Dachau verschickt wurden (unter 151 Personen waren 63 Juden; vgl. DÖW, Dokument 1792).

Die späterer Karriere Adolf Eichmanns wurde bei der Durchsuchung der Räume der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens am 18. März 1938 eingeleitet, wobei Spendenbelege für die Volksbefragung unter Kurt Schuschnigg gefunden wurden. Dies wurde von ihm auf Grund des herrschenden Chaos in der Kultusgemeinde ausgenützt, um von den Juden nochmals dieselbe Summe abzuverlangen, nun jedoch für die Volksabstimmung am 10. April 1938(vgl. MOSER 1988, 188; Das schwarze Korps, 30.3.1938, 10). Eichmann hatte damit seinen Vorgesetzten demonstriert, wie man das Judenreferat des SD-Hauptamtes? mit dem Geld der Juden finanzieren kann.

1938 wurde eine "Lösung der Judenfrage" durch die Gestapo und das SD-Hauptamtes? durch Vertreibung und Auswanderung betrieben. Insbesondere sollten Schikanen, Drohungen und Verhaftungsaktionen gegen "unliebsame, insbesondere kriminell vorbestrafte Juden" eine Auswanderungswilligkeit anregen(Verhaftung von 1 898 Juden mit Abtransport nach Dachau; vgl. MOSER 1966,6). Die Auswanderung in den ersten Wochen nach dem "Anschluss" glich eher einer Flucht, zumal Ausreisen in die benachbarte Tschechoslowakei und Ungarn den Grenzübertritt mit österreichischem Reisepass verwehrten. Bis Ende März 1938 konnte man legal die Schweiz einreisen. Ab April führte auch die Schweiz die Visumspflicht ein. Im Laufe des Sommers 1938 kam es zu einer Vereinbarung zwischen den Schweizer Polizeibehörden und dem Chef der Sicherheitspolizei des Sicherheitsdienstes, Heinrich Himmler, wonach eine Kennzeichnung der Reisepässe von Juden mit einem "J" vorgenommen wurde. Dies war eine logische Folgerung der Bestimmungen der Ende Mai 1938 auch in Österreich geltenden "Nürnberger Rassengesetze", die ab Jahresbeginn 1939 für Juden den Zusatznamen "Sara" bzw. "Israel" vorsahen. Bei jeder Vorsprache bei Behörden hatten nun Juden unaufgefordert eine mit "J" versehene Kennkarte vorzuweisen. Damit verschob sich auch der Trend der Auswanderungsströme in die USA, nach China (Shanghai) und Palästina - hier unter Umgehung der Bestimmungen des englischen Weißbuches von 1937(vgl. Reichsgesetzblatt/RGBL I, S. 1579).

Tausende Juden versuchten, die Grenzen westeuropäischer Staaten illegal zu überschreiten (vgl. Kap. 6.2). Erschütternd waren in diesen Tagen Selbstmorde, deren Anstieg auf Ängste möglicher Verhaftung, die Verzweiflung über den Verlust des Arbeitsplatzes, das beschlagnahmte Geschäftslokal und das Berufsverbot zurückzuführen war. Die Zahl der jüdischen Selbstmorde entsprach jedoch keinesfalls der veröffentlichten Meldungen in der westlichen Presse: März 1937: 9, März 1938: 78; November 1937: 7, November 1938: 41 (vgl. MOSER 1988, 189).

Der Anschlag von Herschel Grynspan auf den Dritten Sekretär an der Deutschen Botschaft in Paris war der Vorwand für ein Progrom am 10. November 1938. Durch die auf den Straßen liegenden Glasscherben, in denen sich das Licht der Straßenlampen widerspiegelte, erhielt dieses Progrom die Bezeichnung "Reichskristallnacht". In Wien wurden allein 4 038 Geschäfte geschlossen; im I., VI., VII. und IX. Wiener Gemeindebezirk wurden rund 1 950 jüdische Wohnungen beschlagnahmt. In Innsbruck wurden bei diesem Progrom drei Personen getötet (vgl. FRIEDMANN 1972, Dok. 16).

Endgültig ausgeschaltet wurden Juden aus dem Wirtschaftsleben durch die "Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens" vom 3. Dezember 1938 (vgl. Reichsgesetzblatt/RGBL I. S. 1709). Damit konnten jüdische Unternehmen und Betriebe liquidiert bzw. veräußert werden. Die damit entstehenden Gewinne wurden auf Sperrkonten deponiert. Bankanleihen und Wertpapiere mussten in ein Bankdepot gelegt werden.

Die wirtschaftliche Diskriminierung ging weiter mit Streichungen von steuerlichen Vergünstigungen, Ausschluss von Universitäten und Berufsverboten, in der "Dritten Verordnung zur Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden" vom 21. Februar 1939 mussten Juwelen, Gold, Silber und Platin bei den öffentlichen Anlaufstellen binnen zwei Wochen abgeliefert werden. Eheringe durften jedoch behalten werden (vgl. RGBL I. S. 282).

Durch den Verlust von Mietwohnungen und damit des Mieterschutzes begann eine Konzentration der Juden in bestimmten Stadtteilen und die Trennung von der nichtjüdischen Bevölkerung. Mit der Übertragung, "die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechenden möglichen günstigen Lösung zuzuführen", übertrug Hitler Reinhard Heydrich die "Lösung der Judenfrage" im Dritten Reich, der diese Aufgabe auch konsequent - bis zur physischen Vernichtung - durchführte.

Mit Kriegsbeginn 1939 wurde die "Sühneabgabe" um weitere 25 Prozent erhöht, weil man Mittel für den Ausbau der Rüstungsindustrie benötigte (vgl. RGBL I., S. 2059).

Anfang 1939 wurde in Wien Eichmanns Plan bekannt, in Polen ein jüdisches Reservat einzurichten. Allerdings zwang Hitlers Disposition, die Rückkehr Volks- und Reichsdeutscher aus dem Baltikum sofort einzuleiten, diese Planung zu verwerfen. Die Umsiedlung jüdischer Männer aus Wien nach Polen wurde aus Prestigegründen aufrechterhalten. Als diese Männer in Polen eintrafen, wurden die Transportleitung und einige Baufachleute zurückbehalten, die restlichen wurden von der SS über die sowjetische Demarkationslinie gejagt. Diese Vertriebenen fielen 1941 zum Teil den SS-Einsatzgruppen? zum Opfer oder wurden von den Russen nach Sibirien verschickt.

Auf Drängen der Wiener Gemeindeverwaltung kam es im Frühjahr 1941 zu neuerlichen Deportationen von Wiener Juden nach Polen, weil die Stadt Wien deren Wohnungen dringend benötigte. Einen Wohnungsbau - wie in der Ersten Republik - gab es zur NS-Zeit? nicht in Wien.

Im harten Winter 1942 wurden die Deportationen unterbrochen, weil man die Eisenbahnwaggons für den Nachschub an die Front benötigte. Die antijüdische Verordnungswelle ging jedoch weiter: Verbot der Straßenbahnbenützung und öffentlicher Büchereien; Ablieferung von Pelzsachen und Wintersportgeräten, Fotoapparaten, Schallplatten, Fahrrädern, Schreib- und Rechenmaschinen. Zudem durften keine vom Staat verliehenen Titel mehr getragen werden, akademische Titel dagegen wurden gestattet (vgl. TALOS - PELINKA - NEUGEBAUER 1988, 196).

Ab Dezember 1941 waren Juden auch der "Polenstrafrechtsverordnung" unterworfen (vgl. RGBL I. S 759). Damit waren bei geringsten Vergehen und Übertretungen Sondergerichte - mit drakonischen Urteilen - zuständig.

Ende 1942 war Wien praktisch "judenfrei".

4.5 Flucht in die Schweiz    

Zwölf Zöllner hatte das NS - Regime ab dem Jahr 1938 in das Jamtal und auf die grenznahen Berge der Silvretta mit der Aufgabe geschickt, eine Flucht in die Schweiz zu verhindern. Galtür war für Dutzende Juden das Tor zur Freiheit. Galtürer Bergführer brachten Juden in das benachbarte Engadin, die Flucht über das Joch war riskant und abenteuerlich.

Franz Lorenz ist Zeitzeuge. Mit dem Einmarsch Hitlers in Österreich 1938 wollten jüdische Frauen nicht länger in Galtür bleiben. Sie hatten ihre Flucht in die USA vorbereitet. Der Fußmarsch führte durch das Jamtal über den Futschölpass (2 768 m)und dann hinab in das Tal nach Ardez im Engadin. Im Laufe des Krieges trafen immer mehr Fluchtwillige in Galtür ein. Eingeweihte Bergführer waren auch Fluchthelfer, mitunter schickt man sogar einen Sohn mit einer Ziegenherde in Richtung Futschölpass, unauffällig ging dann ein Jude mit. Das Risiko ließ man sich mit 1 000 Reichsmark abgelten. Die Summe entsprach dem Wert von drei Kühen.

Die Zöllner verlangten, dass jede geplante Tour mit allen beteiligten Personen in ein Buch eingetragen werden müsse. Führte eine Tour in die Nähe der Grenze, begleitete ein Zöllner die Gruppe, um sicherzustellen, dass niemand in das Engadin flüchtete. Der Hüttenwirt kann sich nicht erinnern, dass eine Flucht misslungen wäre.

Die Jamtalhütte ist heute mit 206 Schlafplätzen eine der größten und wichtigsten Schutzhütten des deutschen Alpenvereins. Während des Zweiten Weltkrieges waren Gebirgsjäger der Deutschen Wehrmacht (großdeutsche Zöllner) in der Hütte stationiert. Hüttenwirt Albert Lorenz, der Vater von Franz Lorenz, hielt sie bei guter Laune - auch mit dem Ziel, von der Fluchthilfe für die Juden abzulenken.

Quelle: Tiroler Tageszeitung, 30. Dezember 2003, 13

4.6 Die Rolle der Evangelischen Kirche in Österreich 1938 - 1945    

In den zwanziger Jahren knüpften bereits evangelische Geistliche nachweisbare Verbindungen zur NSDAP, so vollzieht der Gosauer Pfarrer (und spätere Bischof) Hans Eder seinen Parteieintritt (vgl. MECENSEFFY 1970, 33).

Ähnlich verlaufen die Entwicklungen in Gemeinden des Salzgammerguts, in Linz, in Salzburg und Innsbruck. Die illegale NSDAP propagiert den Kircheneintritt aus politischen Gründen, Teile deutscher staatlicher und kirchlicher Institutionen unterstützen den Prozess einer kirchlichen Unterwanderung. Am NS- Putschversuch 1934 sind zahlreiche evangelische Glaubensgenossen beteiligt (vgl. TALOS - PELINKA - NEUGEBAUER 1988, 519). Nach SCHWARZ stellt die Gegnerschaft zum Ständestaat eine nicht unerhebliche Motivation in diesem vielschichtigen Phänomen einer Übertrittsbewegung dar. Zwischen 1932 und 1937 steigt die Mitgliederzahl von 280 049 auf 331 871(vgl. SCHWARZ 1982, 264-285).

Ganze Sektoren der Evangelischen Kirche in Österreich (EKiÖ) fungieren vor 1938 als Tarnorganisation der Nationalsozialisten. Zwei Drittel aller evangelischen Geistlichen rühmten sich einer illegalen Parteimitgliedschaft. Viele von ihnen und ein hoher Prozentsatz evangelischer Lehrer treten nach dem "Anschluss" aus der Kirche sofort aus und zum Teil direkt in die Dienste der NSDAP ein (vgl. UNTERKÖFLER 1985, 8; 1986, 34).

In der EKiÖ wurde die ausgeprägte Katholizität des Ständestaates als Bedrohung der verfassungsgemäß garantierten Glaubensfreiheit angesehen (vgl. UNTERKÖFLER 1985, 5-9; 1986, 29-34). "1936 veröffentlicht der wegen Hochverrats amtsenthobene österreichische Staatsanwalt und NSDAP - Parteirichter Robert Kauer in Zürich seine Kampfschrift 'Die Gegenreformation in Neu - Österreich', die Österreich als ein Regime der Glaubensverfolgung zeichnet und die Hoffnung auf eine 'Befreiung' durch das deutsche Reich ausdrückt" (TALOS - PELINKA - NEUGEBAUER 1988, 519).

Unmittelbare Folge des Umbruchs 1938 ist dann auch ein politischer Umsturz innerhalb der EKiÖ. Am 12. März fordern die Superintendenten die Kirchenleitung zum Rücktritt auf. Von der Regierung Seyß - Inquart wird ein neuer Oberkirchenrat ernannt, der mit Ausnahme des Wiener Pfarrers Erich Stöckl aus lauter illegalen Parteigenossen besteht. Analoge Auswechselungen folgen in den Gemeinden (vgl. UNTERKÖFLER 1985, 8 und 1986, 34).

In offensichtlicher Übereinstimmung mit seiner Kirche sendet der neue Präsident des Oberkirchenrates Robert Kauer am 13. März 1938 Hitler erste Glückwünsche:".....Gott segne ihren Weg durch dieses deutsche Land, Ihre Heimat!" (vgl. UNTERKÖFLER 1986, 31; LEEB - LIEBMANN - SCHEIBELREITER - TROPPER 2003, 435). Ähnlich wird Hitler in einer wenige Tage später veröffentlichten Erklärung des Oberkirchenrates und in Predigten und Kirchenblättern als Erlöser gefeiert. Die EKiÖ feiert enthusiastisch die Anerkennung des neuen Regimes, die Idee der "Befreiung" und den nun folgenden "religiösen Frühling". Präsident Robert Kauer ordnete die Vereidigung der Pfarrer auf den Führer und das Absingen des Horst - Wessel - Liedes in Festgottesdiensten zur Volksabstimmung am 10. April 1938 an (vgl. SCHWARZ 1994/1995, 235).

Der begrüßte Nationalsozialismus fühlte sich in der Folge zum Verzicht auf ein Bündnis mit der Kirche stark genug und betreibt eine "Politik der Entkonfessionalisierung" (vgl. REHMANN 1986, 70). Mit dem Begriff einer Entkonfessionalisierung wird ein Instrument zum Erhalt der Machtbasis verstanden. Der NS appelliert nicht an die religiöse Loyalität der Bevölkerung, sondern macht sich einen traditionell verwurzelten Antiklerikalismus zunutze, der in verschiedenen Varianten zum Ausdruck kommt. Als Vollstrecker eines Liberalismus beginnt man mit einer Neuordnung des Eherechtes - von der EKiÖ sehr begrüßt - und des Schulwesens (vgl. TALOS - PELINKA - NEUGEBAUER 1988, 217-242).

Von Anfang an wird die Kirchenfrage vom NS auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen. Die Maßnahmen gegen eine wirtschaftliche Basis der Kirchen in Österreich sind auch als Mittel der weltanschaulichen Auseinandersetzung gedacht, im Falle der EKiÖ angesichts der akuten Finanzkrise kommen sie teilweise zum Tragen (vgl. die Änderung der Einhebung des Kirchenbeitrages durch die Kirchen am 1. Mai 1939 und die Aufhebung evangelischer Vereine und Beschlagnahme des Vermögens in der Höhe von ca. zehn Millionen Reichsmark). "Der radikale Abbau kirchlicher Positionen in der Gesellschaft hat Kritik, jedoch nicht Entzug der Loyalität der Kirchen (zumindest ihrer führenden Kreise) zur Folge" (TALOS - PELINKA - NEUGEBAUER 1988, 529).

Angesichts dessen wird es verständlich, warum christliche Aktivisten im politischen Widerstand der Kirche wenig Widerhall finden konnten, weshalb im evangelischen Bereich die Theologen Zsigmund Varga oder Erwin Kock auch nur Einzelfälle bleiben (vgl. STEIN 1981, 124-132; GRÖSSING 1986, 17-28).

"1945 schweigen die Kirchen auf kritische Fragen nach ihrem Anteil an der Zerschlagung der Selbständigkeit Österreichs, ihrem institutionellem Vorbeisehen an faschistischem Terror und Völkermord, ihrer bis zuletzt aufrechterhaltenen Rechtfertigung des Krieges gegen den bolschewistischen Erzfeind"(TALOS - PELINKA - NEUGEBAUER 1988, 517).

Immerhin spricht Bischof Gerhard May in seinem Hirtenbrief vom 26. November 1945 davon, dass auch die Kirche nicht schuldlos durch die große Versuchung gegangen sei, Menschenworten mehr als Gottes Worten zu glauben (vgl. DANTINE 1985, 10-15).


Dokumentation

Ökumenische Erklärung gegen Antisemitismus

Der Eisenstädter Diözesanbischof Paul Ilby und der evangelische Superintendent Manfred Koch wenden sich in ihrem ersten gemeinsamen Brief gegen jede Form von Antisemitismus und sprechen sich gemäß der "Charta Oecumenica" dafür aus, "den Dialog mit unseren jüdischen Geschwistern zu suchen und zu intensivieren". Den Anlass für das erste ökumenische Pastoralschreiben bietet der "Tag des Judentums", der am 17. Jänner auf Anregung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich begangen wird. Die beiden kirchlichen Würdenträger rufen darin die große Bedeutung und den geistlichen Reichtum der jüdischen Gemeinden des burgenländisch - westungarischen Raumes in Erinnerung, die von den Nationalsozialisten "mit einem Schlag" ausgelöscht wurden.

Quelle: Salzburger Nachrichten, 8. Jänner 2004, 4

4.7 Literaturhinweise Aspekte Antisemitismus    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.

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5 Nahost - Konflikt    

5.1 Einleitung    

Der Nahost - Konflikt ist in Palästina eine nationale Auseinandersetzung zwischen der arabischen und jüdischer Bevölkerung.

Der UNO - Teilungsbeschluss vom 29. November 1947 setzte diese Auseinandersetzung in Kraft, obwohl es keine Strategie gab, die Teilung friedlich umzusetzen.

Wesentlich ist eine Demokratisierung von politischen Systemen, wobei der "Arabische Frühling" Hoffnungen weckte.

  • Machtkämpfe und inner - gesellschaftliche Konflikte sowie das Fehlen zivilgesellschaftlicher und demokratischer Strukturen verhinderten Reformen.
  • Alte Machtverhältnisse, Unterdrückung, Bürgerkriege und ein Staatsverfall - Syrien, Irak, Libyen und der Jemen - mit internationaler Beteiligung ergaben Terror und Fluchtwellen mit neuen Machtgefügen.
Folgen dieser Entwicklungen spüren die westlichen Gesellschaften. Das wirft Fragen nach der politischen Rolle, nach Verantwortlichkeiten, Herausforderungen und Möglichkeiten auf.

Die Konfliktlage betrifft Überlegungen in der Politischen Bildung, die ein Grundverständnis für die Besonderheit der Region bewirken will. Einblick soll in die Bedingungen, Hintergründe und Auseinandersetzungen gegeben werden.

Ein zweimaliger Besuch Israels spielte eine Rolle, sich mit der Thematik an Ort und Stelle auseinander zu setzen.

5.2 Begrifflichkeit "Naher Osten"    

Allein die Begrifflichkeit fällt schwer. Orient, Morgenland, Naher Osten, Vorderer Orient und Mittlerer Osten weisen auf unterschiedliche Benennungen.

Aus der römischen Antike kommt der Begriff "Orient" für die Weltgegend Osten, in dem die Sonne aufgeht (lat. sol oriens). Als Gegenstück gibt es den "Okzident" (Westen), wo die Sonne untergeht (lat. sol occidens).

Die arabische Sprache übernahm mit dem Mittelmeer als Zentrum die Zuordnung (vgl. "Maschrek" als Osten und "Maghreb" den Westen).

Im 17. Jahrhundert übersetzten deutsche Quellen Orient und Okzident erstmals als Morgen- und Abendland.

Der europäische Kolonialismus im 19. Jahrhundert sah den Orient als "nah", während Ostasien als "fern" bezeichnet wurde. So kam es in der Alltagssprache zu den Begriffen "Naher" und "Ferner Osten".

Letztlich verstand man unter "Naher Osten" oder "Vorderer Orient" nicht nur das östliche Mittelmeer, vielmehr auch die außereuropäischen Besitzungen des Osmanischen Reiches.

In Großbritannien mit seinen Kolonien setzte sich "Mittlerer Osten" als Begriff durch.

In der Folge wurde "Orient" in Europa eher als religiös-kulturelle Thematik verwendet.

Sozial, politisch und ökonomisch wurde dagegen eher "Naher", "Mittlerer" und "Ferner Osten" verwendet.

Heute bezeichnet man den Raum, der sich von Marokko im Westen bin zum Iran im Osten erstreckt und die Türkei einschließt, als den "Nahen Osten".

Damit ist der Raum Nachbar Europas.

5.3 Kulturen und Religionen    

Im Folgenden geht es um einen Einblick in die Kulturgeschichte des Vorderen Orients und die religiöse Vielfalt der Region.

Anzusprechen ist die arabisch - islamische Kultur und der politische Islam (vgl. ROSINY 2016, 8-19).

Der Nahe Osten ist geprägt von kultureller und religiöser Vielfalt.

Der Islam als Mehrheitsreligion bestimmt den Alltag, gesellschaftlich und politisch. Von Interesse ist heute der politische Islam mit seinen politischen Akteuren.

Zum Nahen Osten gehören auch nicht - arabische Staaten wie der Iran, Israel und die Türkei.

Kurden, Berber und Tscherkessen sind Ethnien des Nahen Ostens.

Neben Muslimen gibt es christliche und jüdische Gemeinden sowie Anhänger kleinerer Religionsgemeinschaften (vgl. Zoroastrier, Jesiden und Bahai).

Die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam entstanden in dieser Region. Sie beziehen sich auf Abraham als gemeinsamen Stammvater. Sie bilden bis heute vielfältige Konfessionen, Rechtsschulen und Kirchengemeinschaften.

5.4 Kulturgeschichte des Vorderen Orients    

5.4.1 Hochkulturen    

Die Region gehört mit Mittelamerika, Indien und China zu den Hochkulturen und der Wiege menschlicher Zivilisation.

Spuren reichen in der Südtürkei und in Mesopotamien bis in die Jungsteinzeit.

Die Reiche der Sumerer, Ägypter, Babylonier, Assyrer, Hethiter und Perser formten einen Kulturraum, dessen Handel mit dem Mittelmeer und der Seidenstraße verbunden war.

Wechselbeziehungen in Religion, Philosophie, Kunst und Architektur prägten die Region (vgl. die S als Gemeinsamkeit: Straßen, Siedlungen/ Städte, Staat und Schriften).

Erste Siedlungen entstanden im 7. Jahrtausend v.Chr. am Euphrat und Tigris. Erfindungen wie Keramik, Werkzeuge und Waffen sowie eine funktionierende staatliche Verwaltung (etwa Schule) kennzeichnen diese Hochkulturen (vgl. Hammurabi mit der ersten Gesetzessammlung).

Syriens Geschichtsschreibung bezieht sich auf die Assyrer im heutigen Nordirak und Nordsyrien.

5.4.2 Ägypten    

Ägypten ist nicht nur wegen der Pyramiden und Pharaonen von Interesse, auch wegen der Liturgie des koptischen Christentums.

  • Diese altorientalische Kirche führt sich auf den Evangelisten Markus zurück.
  • Ägypten (und der Irak) leiten ihren Anspruch auf eine arabische Führungsrolle u.a. aus dem Glanz ihrer antiken Kulturen ab.
5.4.3 Libanon    

Die Libanesen sind stolz auf ihre Frühgeschichte mit den Küstenstädten Tyros, Sidon und Byblos der einstigen Phönizier, die als Erste Afrika umsegelten. Sie gründeten Kolonien, etwa Karthago in der Nähe des heutigen Tunis.

Als Handelsmacht und über Verträge und nur nachrangig durch Kriege und Besatzung dehnten sie ihren Einflussbereich aus.

Als Kulturleistung erfanden sie eine aus 22 Konsonanten bestehende Buchstabenschrift als Grundlage für das hebräische, griechische, lateinische und arabische Alphabet.

5.4.4 Iran    

Der Iran sieht sich in der Nachfolge der Perser. Eine straff organisierte Bürokratie wurde von den islamischen Kalifaten übernommen.

5.4.5 Byzanz - Konstantinopel - Istanbul    

Mit der Teilung des Römischen Reiches 395 kontrollierte das Byzantinische Reich die östliche Region des Mittelmeers. Hier wurde das orthodoxe Christentum Staatsreligion, mit den verschiedenen Orthodoxen Kirchen der Region.

  • Nach der türkisch - islamischen Eroberung Konstantinopels 1453 wurde die umbenannte Stadt Istanbul Hauptstadt des Osmanischen Reiches (1300 - 1923).
  • Der osmanische Sultan übernahm 1517 zusätzlich den islamischen Titel Kalif und beanspruchte als Oberhaupt aller Muslime geistliche Macht.
  • Das Osmanische Reich verkleinerte sich im 19. und als Folge des Ersten Weltkrieges im 20. Jahrhundert, als Griechen und die Völker des Balkans staatliche Unabhängigkeit erreichten. Zudem brachten die europäischen Kolonialmächte fast alle arabischen Staaten als Kolonien oder Mandatsgebiete unter ihre Kontrolle.
Über die 1923 errichtete Türkei als Rumpfstaat übten in der Folge bis heute Frankreich, Großbritannien, die USA und die Sowjetunion bzw. Russland Einfluss auf die Region.

5.4.6 Kultur - Wissenschaft    

Kulturell - wissenschaftlich übernahm Europa

  • medizinische Erkenntnisse wie die Entdeckung des Blutkreislaufes,
  • Navigationsinstrumente der Seefahrt,
  • arabische Lehnwörter wie Algebra, Alkohol, Matratze, Ziffer und Zucker.
Der Islam war zu dieser Zeit offener und fortschrittlicher als das Christentum (vgl. die Kommentare des Avicenna und Averroes zu Aristoteles).

Ab dem 15. Jahrhundert wechselte Europa zum Exporteur von Fertigprodukten wie Papier, Nägeln, Textilien und Glas.

Der Kolonialismus und die Vernetzung der Welt durch Handel und Kommunikation, Wirtschaft und Kultur ergab letztlich eine Dominanz des Westens.

  • Einfluss entstand im Städtebau, der Architektur, Infrastruktur, Medien, Bildungswesen, Gesundheitsversorgung, Staatsverwaltung und Konsumgewohnheiten.
  • Westliche Dominanz ergab sich in politischen Ideologien wie dem Nationalismus, Sozialismus, Liberalismus und Kommunismus.
  • Westlicher Einfluss ergab sich durch Menschen, die im Westen studierten, arbeiteten, vor Krieg flüchteten und westliches Verhalten und Werte kennenlernten.
Umgekehrt ergab sich eine Austauschgemeinschaft in Europa in Migrantengemeinden und Konsumverhalten/ Restaurants und kulturellen Einflüssen.

  • Im Städtebau erhält die Skyline New Yorks Konkurrenz von den Hochhäusern in Dubai, Riad und Doha.
  • Eine Modernisierung im Bereich der Säkularisierung verhindert die Religion und die Politik der Region.
5.4.7 Religiöse Vielfalt    

Betrachtet man die demografische Verteilung der Konfessionen, ist der Islam dominierend. Allerdings bildet die Region ein religiöses Mosaik (vgl. MEIER 2016, 28).

  • Rund zwei Dutzend christliche Religionsgemeinschaften haben sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet.
  • Zudem leben Juden, Jesiden, Drusen, Bahai, Zoroastrier und islamischen Gruppierungen wie arabische Alawiten, türkischen Aleviten und kurdischen Schabak.
Interreligiöse Beziehungen, so sie nicht von Regeln geprägt sind (etwa im Libanon) sind verpönt. Es gibt religiöse Diskriminierung (Politik, Verwaltung).

  • Im Osmanischen Reich konnten größere Religionsgemeinschaften ihre Familienstandsangelegenheiten selbst regeln.
  • Obwohl politische, wirtschaftliche oder religiöse Umwälzungen Minderheiten bedrohen, hatte der "Arabische Frühling" zunächst Erfolg. 2011 kam es zur verstärkten Auswanderung wegen Verfolgung.
Manche glauben, der Exodus der Nichtmuslime aus einer Region dreier Weltreligionen sei unabwendbar.

5.4.8 Arabisch - islamische Kultur    

Nur rund ein Fünftel aller Muslime leben in arabischen Ländern, dennoch ist der Islam eine arabisch geprägte Religion (vgl. ROSINY 2016, 14-15).

  • Das Schlüsselereignis der Religionsstiftung von Mohammed fand auf der Arabischen Halbinsel statt.
  • Der Koran wurde in arabischer Sprache offenbart und geschrieben.
  • Die Pflichtgebete werden in arabischer Sprache in Richtung Mekka gesprochen.
  • Jährliche Pilgerfahrten finden nach Mekka statt, die jeder Muslim einmal im Leben vollziehen soll.
Religion und Kultur üben im Nahen Osten einen großen Einfluss auf das tägliche Leben aus.

  • Während im westlichen Europa durch die Aufklärung, Liberalisierung und Individualisierung Freiräume ohne Einfluss von religiösen und kulturellen Vorschriften entstanden, dominiert im Nahen Osten noch eine patriarchalische Familienordnung.
  • Dies ist an sich keine islamische Besonderheit, ursprünglich hatten Christentum und Judentum ein solches Umfeld.
  • Nunmehr verändert sich das Verhältnis zwischen Frauen und Männern, auch im Nahen Osten. Gründe sind ein Bildungszuwachs, der Zugang zu den Neuen Medien, Reisen in das Ausland und der Wunsch nach selbstbestimmtem Leben.
In Glaubens-, politischen und sozialen Fragen dominiert bei vielen Muslimen die Vorbildfunktion des islamischen Geschichte und Tradition. Diese Vorbilder sollen Halt in Zeiten eines überstandenen Kolonialismus und angesichts der Globalisierung bilden.

Es versteht sich von selbst, dass der Islam als normative Ordnung unterschiedlich ausgelegt wird, verschiedene Gelehrtenschulen bestehen.

"Kulturen und Religionen sind von Menschen geprägte und gelebte sinnstiftende Vorstellungen und Lebensentwürfe" (ROSINY 2016, 15). Menschen ändern ihre gesellschaftlichen und kulturell - religiösen Formen, passen sich an geänderte Gegebenheiten an.

Das Gleichgewicht zwischen Bewahrung von Besonderheiten, der Wunsch nach Reformen und der Anschluss an die globalisierte Welt steht zur Disposition.

Die Auseinandersetzung findet im politischen Islam statt. Im "Arabischen Frühling" und seinen Folgen erlebt man die Konfliktlinien mit einer erneuten Dynamik.

5.4.9 Politischer Islam    

Eine Wiederbelebung des Islam im 18. und 19. Jahrhundert durch islamische Religionsgelehrte und Denker als Reaktion auf europäische koloniale Bestrebungen im Nahen Osten wurde als Lösung politischer und gesellschaftlicher Probleme gesehen.

In der Folge entstanden unterschiedlichste Ideologien und politische Bewegungen im 20. Jahrhundert, die als "Islamismus" zusammenfassend bezeichnet werden (vgl. ROSINY 2016, 15-19).

Gemeint sind der Salafismus, Dshihadismus, die Muslimbruderschaft, der reformerische politische Islam, arabisch -nationalistische und islamistische Bewegungen sowie säkulare Regime angesprochen.

  • Muhammad Ibn Abd al-Wahab belebte im 18. Jahrhundert die fundamentalistische theologische Schule des Salafismus auf der Arabischen Halbinsel, die als Ziel eine exakte Imitation der frühislamischen Gemeinde, die buchstabengetreue Befolgung islamischer Vorschriften und die Ablehnung un - islamischer Neuerungen (auch einige technologische Neuerungen) beinhaltet. Dieser wahabitische Salafismus ist Staatsreligion in Saudi - Arabien geworden.
  • Der bewaffnete Widerstand gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans (1979-1989) ließ eine salafistische Gruppe radikalisieren und propagierte den Dschihadismus (al-Quaida/1988). Die Gruppe verengt den Dschihad (arab. Anstrengung) auf Gewalt. Sie prägen heute das negative Bild des Islam. Im Islamverständnis dieser Gruppe gelten andere Richtungen - etwa die Schiiten - als Abtrünnige.
  • Die 1928 gegründete ägyptische Muslimbruderschaft will eine eigene Gesellschaft durch Bildung, Sozialeinrichtungen und Wirtschaftsförderung reformieren. Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Institutionen zur Förderung der Wirtschaft (Genossenschaften, Kleinkredit - Programme) werden unterhalten. Sie verstehen dies als Dschihad, ihre Anstrengung. Die westliche Moderne wird in Verbindung mit der Scharia als vereinbar gesehen.
  • Der reformerische politische Islam mit seinen Vertretern Jamal ad-Din al-Afghani (1838-1897) und Mohammed Abduh (1849-1905) interpretierten die religiösen Quellen neu. Ziel war die Stärkung der Region gegen die Kolonialmächte. Durch die Besetzung der ostarabischen Staaten und der jüdischen Besiedelung Palästinas sowie Gründung des Staates Israel (1948) kam es zur Gegenwehr arabisch - nationalistischer und islamistischer Bewegungen.
  • Mit der Unabhängigkeit vieler arabischer Staaten bis Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden zunächst säkulare nationalistische und sozialistische Regime. Durch die fehlende Entwicklung der Gesellschaften und ihren autoritären Regierungsstil verloren sie an Ansehen. Mit der arabischen Niederlage 1967 im Nahost - Krieg gegen Israel gewann der politische Islam an Bedeutung. Kritisiert werden korrupte Regime, der Verfall moralischer Werte und der Einfluss auf ihre Gesellschaften (vgl. den Iran mit den Parolen der Iranischen Revolution 1979). Erstmals wird in der Folge in der Neuzeit ein islamisches politisches System errichtet (vgl. "Islamische Republik Iran"). Die Revolution im Iran und der Widerstand der Hisbollah im Libanon (gegen die israelische Besatzung im Südlibanon 1978-2000) ließ das revolutionäre Element von Imam al-Husain (Enkel des Propheten) wieder aufflammen.
  • Bis zum Arabischen Frühling 2011 waren sunnitisch - islamische Bewegungen und Parteien in den meisten arabischen Staaten verboten bzw. unter Kontrolle der autoritären Regime (vgl. die Reform - Islamisten wie die ägyptische Muslimbruderschaft erhielten Zuspruch im Arabischen Frühling und wurden bei freien Wahlen in Tunesien, Ägypten und Marokko 2011 stärkste Partei; vgl. EL GAWHARY 2011, ARMBRUSTER 2011). Bewegungen des Salafismus nutzten die neuen politischen Freiräume des Arabischen Frühlings und drängten offen für einen politischen Islam in ihrem ultra - konservativen Religionsverständnis.
5.4.10 Krisenstimmung    

Alle Richtungen des Islam konkurrieren um den Wahrheitsanspruch und Anhänger.

Inzwischen ist der politische Islam in einer tiefen Krise (vgl. die Entzweiung in konfessionelle Identitäten).

Mitunter wurden die hohen Ansprüche nicht erfüllt (vgl. der Putsch der Armee gegen die Muslimbruderschaft in Ägypten 2013 mit der hohen Zustimmung der Bevölkerung).

6 Erdöl als Ende eines Abhängigkeitsverhältnisses    

Zu Beginn der siebziger Jahre endete ein Abhängigkeitsverhältnis, das die Region wesentlich geprägt hatte: die Unterdrückung und Ausbeutung der Förderländer durch ausländische Erdölkonzerne (vgl. FÜRTIG 2016c, 28-29).

1908 wurden in Südwestpersien erste Erdölvorkommen im Nahen Osten gefunden.

Der Erste Weltkrieg unterbrach den Wettlauf um das Erdöl, Ende der zwanziger Jahre begann er wieder.

Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden große Erdölfelder auf der Arabischen Halbinsel gefunden.

  • In der Nachkriegszeit teilten sich die großen internationalen Erdölunternehmen die Fördergebiete (USA, UK - Rivalität mit F, NL und I).
  • Einigkeit bestand in der Verhinderung der Verfügungsgewalt der Herkunftsländer.
1960 gründeten die Förderländer die "Organisation erdölexportierender Staaten" (OPEC), der fast alle Nahostländer angehören.

  • Erst nach einem guten Jahrzehnt gelang es, uneingeschränkt über die Erdöl- und Erdgasmengen zu verfügen.
  • Damit hatten die Länder Mitte der siebziger Jahre ihre politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit erreicht.
7 Gesellschaftliche Herausforderungen im Nahen Osten    

Im Folgenden wird auf den Zustand des Bildungssystems, die Wasserversorgung und Umweltpolitik sowie die Rolle der Frau eingegangen (vgl. LUKAS 2016, ausführlich 46-53).

Dies sind Themen der Politischen Bildung bzw. Interkulturellen Kompetenz, die wesentlich sind.

  • Mit der Unabhängigkeit der Staaten in der Region wird die Gewährleistung von Bildung als wichtig angesehen.
    • Viele Staaten erbringen finanzielle Anstrengungen, um den Zugang zu Primär-, Sekundär- und tertiärer Bildung zu ermöglichen und die Analphabetenrate zu senken.
    • Mehr Buben als Mädchen werden eingeschult.
    • Im Jemen, in Mauretanien und Marokko ist in den gebirgigen Gegenden eine Einschulung nicht gewährleistet.
    • Eine hohe Abbrecherrate gibt es in im Sekundär- und Hochschulbereich (vgl. "Human Development in the Middle East and North Africa - Bericht" der UN - Entwicklungsorganisation UNDP 2010).
    • Ein Mangel an Anreizen zu Weiterbildung und beruflichen Perspektiven ist vorhanden.
UNESCO und Weltbank kritisieren die Ausrichtung der Lehrpläne auf abfragbares Wissen anstatt analytischem Denken und Kreativität. Die Qualität der Lehrerbildung leidet unter schlechten Strukturen (wenig konkrete Lerninhalte, geringe Anforderungen, schlechte Entlohnung, Konzentration auf Geistes- und Sozialwissenschaften, Mangel an Naturwissenschaften). Ein Ausbildungssystem für Handwerks- und Lehrberufe gibt es nur in wenigen Staaten. 2016 gibt es nur in Ägypten und Tunesien Reformbestrebungen mit einer Einführung von Berufsschulen für eine duale Ausbildung. Eine Ausrichtung der beruflichen Integration von Frauen ist etwa als Projekt 2010 bis 2016 in Jordanien, Marokko, Tunesien und Ägypten angelegt (vgl. LUKAS 2016, 48).

  • Im Nahen Osten genießt besondere Priorität der Wassermangel und die Umweltproblematik (vgl. ipb 3-4/2016, 50-52).
Nach der UN - Definition von Wasserarmut liegen 15 der 22 Nahost - Staaten unterhalb der Wasserarmutsgrenze von 1000 Kubikmeter erneuerbarem Trinkwasser pro Kopf und Jahr.

Trockenes Klima, geringe Frischwasservorkommen, Bevölkerungswachstum und der gesteigerte Wasserbedarf durch wirtschaftliche Entwicklung (etwa in der Landwirtschaft und Industrie) ergeben Wasserprobleme.

Die Golfstaaten erzeugen Trinkwasser durch Entsalzung von Meerwasser mit hohem technischem Aufwand und Kosten. Durch den Bevölkerungsanstieg benötigt man mehr Anbauflächen, die zu bewässern sind.

Politische Konflikte ergeben sich zwischen den Fluss - Anrainerstaaten um die Entnahme von Flusswasser. Nil, Jordan, Euphrat und Tigris fließen durch mehrere Staaten.

Die Euphrat - Anrainer Irak und Syrien befürchten die zu hohe Wasserentnahme der Türkei am Oberlauf, weswegen Absprachen notwendig sind.

Ein Streitobjekt mit politischer Dimension ist das Wasser des Jordans. Betroffen sind Jordanien, Israel und das Westjordanland. Drei Quellen entspringen im Libanon, in Nordisrael und in den nördlichen Golanhöhen.

Kritik kommt von der EU an der Wasserpolitik Israels mit dem Vorwurf, dass Israel ein Vielfaches an Wasser in den Siedlungen zur Verfügung stellt und die palästinischen Gebiete benachteiligt (Genehmigung von Brunnenanlagen, Quotenregelung).

Umweltprobleme ergeben sich durch die Wasserknappheit im Nahen Osten durch eine Ausbreitung der Wüstengebiete, eine Abnahme der fruchtbaren Böden und eine Abnahme der Artenvielfalt.

Bevölkerungswachstum, intensive Nutzung der Böden mit höherem Wasserverbrauch pro Kopf ergeben Folgen, die ein erschwertes Leben der Landbevölkerung ergeben. Landflucht in die Städte ist eine Folge.

Sauberes Trinkwasser, Luftverschmutzung, öffentlicher Nahverkehr und Abfallentsorgung in den urbanen Zentren ergeben große Umweltprobleme.

Wenig Verwendung ergeben erneuerbare Energie wie Wind- und Solarenergie. Die Stromerzeugung wird von vielen Saaten aus den umfangreichen Öl- bzw. Gasressourcen vorgenommen. Beispielhaft ist das Städtebauprojekt von Masdar City in den VAE mit dem Ziel einer emissionsfreien Stadt von 50 000 Einwohnern.

  • Die Rolle der Frau in der arabischen Gesellschaften hängt von der sozioökonomischen Entwicklung ab (Bildung, Arbeit, politische Partizipation, individuelle Rechte; vgl. izpb 3-4/2016, 52-53).
Für das Bildungsniveau gilt die Einschulungsrate, die je nach Geschlecht eine unterschiedliche Verteilung in der Region aufzeigt.

Die Erwerbsquote der Frauen ist in den letzten Jahrzehnten in der Region angestiegen, dennoch zeigen die Weltbankangaben von 2014 gravierende geschlechtsspezifische Ungleichheiten. Die Mehrzahl ist im öffentlichen Sektor vorwiegend im sozialen Bereich beschäftigt.

In den Golfstaaten hat nur eine kleine Gruppe Hochqualifizierter meist im Privatsektor Anstellung gefunden.

Im politischen Raum sind Frauen wenig vertreten. Mit 31 Prozent hat Tunesien neben Algerien die höchste Anzahl weiblicher Parlamentarier.

Frauenrechte innerhalb der Familie bilden einen Streitpunkt im Nahen Osten. Traditionell herrscht das Prinzip des Patriarchats. Junge Frauen übersiedeln nach der Heirat in die Familie des Mannes, die ihr Schwiegervater führt. Älteren weiblichen Mitgliedern ist auch Folge zu leisten. Es versteht sich von selbst, dass ein solches Familienmodell zunehmend von jungen Frauen in Frage gestellt wird. Im Allgemeinen bedarf es bei Entscheidungen von Frauen der Zustimmung des Mannes bzw. eines männlichen Verwandten.

Insbesondere das Familienrecht leitet sich von der Scharia (islamisches Recht) ab.

Soziale Normen, politische, kulturell und wirtschaftliche Bedingungen bestimmen hier die Gesetze des jeweiligen Landes (vgl. die Türkei mit der Aufhebung des Kopftuchverbots; der Iran mit der Schleierpflicht; Tunesien mit gleichen Rechten für Frauen und Männer bei Bildung, Wahlrecht und am Arbeitsmarkt; Saudi - Arabien mit der Geschlechtertrennung im öffentlichen Leben und der Vormundschaft des Ehemannes).

8 Phasen der regionalen Ordnung    

Das regionalpolitische System des Nahen Ostens hat seit dem Ende des Ersten Weltkriegs Veränderungen erfahren.

Bis zum Arabischen Frühling 2011 lassen sich fünf Phasen unterscheiden (vgl. BANK 2016, 54-61; http://orf.at/stories/2438471/2436668/ [14.5.2018]).

8.1 Palästina - Konflikt - Gründe und Entwicklung    

Mitte des 19. und im frühen 20. Jahrhundert bildeten sich jüdische und arabische Nationalbewegungen.

Mit der Gründung erster jüdischer Siedlungen durch Zionisten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu kleinen lokalen Konflikten, ausgelöst durch unklare Grundbesitzregelungen im Osmanischen Reich. Verschärft hat sich die Situation in der Zwischenkriegszeit (vgl. KRÄMER 2015).

Wesentlich war die unklare Haltung der Briten als Mandatsmacht des Völkerbundes nach dem Ersten Weltkrieg. Das Lavrieren zwischen eigenen, jüdischen und arabischen Interessen führte dazu, dass keine Seite der anderen mehr vertraute.

Aus dem Massaker von Hebron 1929 mit Angriffen arabischer Bevölkerung auf jüdische Gemeinden wurde eine Konsequenz gezogen. Die Haganah wurde deutlich verstärkt (vgl. ihre Umwandlung 1948 zur Israelischen Armee).

Die arabisch - palästinensische Seite organisierte sich ab 1936 in einem eigenen Hohen arabischen Komitee und rief zu einem Generalstreik auf. Gefordert wurden ein Steuerstreik gegen die Briten und keine jüdische Einwanderung.

Von beiden Seiten wurden den Briten Wortbrüchigkeit vorgeworfen.

  • Juden wurde 1917 in der "Balfour - Deklaration" eine "nationale Heimstätte" versprochen (vgl. FÜRTIG 2016d, 21).
  • 1915 wurde vom Hohen Kommissar des Britischen Reiches Henry Mc Mahon dem Großsherif von Mekka Hussein Ibn Ali für die Zeit nach einem Sieg im Ersten Weltkrieg ein arabisches Königtum vom Persischen Golf bis Palästina versprochen (vgl. FÜRTIG 2016d, 21).
  • Beides diente der Unterstützung der britischen Kriegsbemühungen im Ersten Weltkrieg.
  • Tatsächlich hatten das UK und F im geheimen "Sykes - Picot - Abkommen" 1916 bereits den gesamten Nahen Osten unter sich aufgeteilt. Das Abkommen ist bis heute mitverantwortlich für die vielen Krisenszenarien und prägt die gesamte Region als Konfliktregion (vgl. FÜRTIG 2016d, 21-22).
Im Zweiten Weltkrieg sah die jüdische Seite die Weigerung des UK, Juden nach Palästina flüchten zu lassen, als Verrat. Sinnbild dafür war die Katastrophe der "Struma", ein Schiff mit rund 800 jüdischen Flüchtlingen, das 1942 von einem sowjetischen U-Boot? im Schwarzen Meer versenkt wurde.

Die Flüchtlingskrise dauerte bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine Entscheidung über die Zukunft Palästinas drängte sich durch die Flüchtlingslager von Hunderttausenden jüdischen "displaced persons" auf.

  • Das UK brachte 1947 das Palästina-Problem? vor die UNO, die einen Sonderausschuss (UNSCOP) einsetzte.
  • Zugespitzt wurde die Situation durch das Drama der "Exodus" 1947, die am Landen in Haifa gehindert wurde, zu sinken drohte, in der Folge die 500 jüdischen Flüchtlinge nach Deutschland in die britische Besatzungszone gebracht wurde, wo sie interniert wurden.
  • Die UNSCOP - Mitglieder haben zwei Empfehlungen ab. Ein Mehrheitsplan besagte die Zwei - Staaten - Verwaltung von Jerusalem, ein Minderheitsplan sah einen binationalen Föderalstaat vor.
  • Mit dem Ende des britischen Mandats und Stunden nach der Unabhängigkeitserklärung Israels 1948 brach der Krieg aus. In der Folge wurden rund 750 000 Palästinenser Flüchtlinge.
8.2 1945 bis 1967    

Nach 1945 wandelte sich die Weltpolitik, mit den beiden Supermächten USA und Sowjetunion kam es zur Bipolarität.

Großbritannien und Frankreich verloren an Einfluss. Damit kam es zum Ende der bisherigen nahöstlichen Regionalpolitik durch die Kolonialmächte (vgl. BANK 2016, 54-55; FÜRTIG 2016d, 22-28; DACHS 2016).

  • In dieser Phase veränderte der israelisch - arabische Krieg 1948/1949 - als Reaktion auf die Staatsgründung Israels - das regionale System des Nahen Ostens.
  • Die arabische Niederlage stärkte Israel und begrub für die palästinensische Bevölkerung die Hoffnung auf einem eigenen Staat. Aus Transjordanien entstand das Haschemitische Königreich Jordanien.
  • Die Niederlage der ägyptischen Armee 1948 schwächte die Monarchie und ebnete den Weg der Machtübernahme 1952 der "Freien Offiziere". 1954 wurde Gamal Abdel Nasser Präsident Ägyptens mit der neuen Regionalpolitik eines Antikolonialismus und Panarabismus unter ägyptischer Führung.
  • Die Suezkrise 1956 brachte die Nationalisierung des Suezkanals, Ägypten wurde die führende arabische Macht der Region.
  • Die konservativen Regierungen in Saudi - Arabien, Jordanien, im Libanon und Irak lehnten den Machtanspruch Ägyptens ab. Es kam zum "Arabischen Kalten Krieg".
Panarabische Vorstellungen und die Führungspersönlichkeit Nassers ließen massive innenpolitische Kontroversen entstehen.

  • Als Folge kam es zum Ende der Monarchie im Irak und Ausrufung der Republik 1958.
  • Umsturzversuche in Jordanien 1957 und im Libanon 1958 wurden durch die USA verhindert ("Eisenhower-Doktrin?").
  • Trotz aller Konflikte kam es nur im Jemen zu einem innerarabischen Krieg zwischen ägyptischen und saudi-arabischen Truppen als externe Bündnispartner lokaler Gruppierungen.
Im Sechstagekrieg 1967 erreichte Nassers Panarabismus seinen Wendepunkt. Israel reagierte auf die Drohungen mit einem Überraschungsangriff und eroberte die Sinai - Halbinsel (von Ägypten), den Gazastreifen (von Ägypten), das Westjordanland und Ost - Jerusalem (von Jordanien) und die Golanhöhen (von Syrien).

8.3 1990/1991 und der Nahost - Friedensprozess    

Die USA waren mit dem Ende des Kalten Krieges 1989/1990 die einzige Supermacht in der Weltpolitik. Dies wirkte sich auf das Gleichgewicht der Mächte im Nahen Osten aus (vgl. BANK 2016, 58-60).

Der Irak besetzte 1990 Kuwait und bedrohte das regionale Gleichgewicht und die globale Energieversorgung. Eine breite US - geführte Koalition intervenierte mit regionaler Unterstützung von Ägypten, Saudi - Arabien und Syrien (Zweiter Golfkrieg).

Mit dem Rückzug des Iraks verstärkte sich die Abhängigkeit der arabischen Golfmonarchien von den USA.

Als stärkste nahöstliche Macht positionierten sich der Irak, Iran und Libyen gegen die USA.

Zudem entstand mit der ersten Intifada 1987 ein palästinensischer Aufstand gegen die israelische Besetzung von Ostjerusalem (Gründung der Hamas).

Die Gründung der Hamas bildete eine Opposition zur PLO, die 1990/1991 vor dem finanziellen Bankrott stand.

Mit der Irak - freundlichen Haltung im Zweiten Golfkrieg blieben Geldzuwendungen der Ölmonarchien aus und hunderttausende palästinensische Arbeitsmigranten mussten die Golfstaaten verlassen.

1991 fand in Madrid die Nahost - Konferenz mit den Konfliktparteien, Russland, der EU und dem UN - Generalsekretär Javier Perez de Cuellar statt. "Madrid" scheiterte, weil Israel kein Interesse an einer Lösung hatte und die arabischen Staaten zurückhaltend blieben.

  • Ein Durchbruch gelang in längeren Geheimverhandlungen in Oslo, in denen in der Folge 1993 die PLO - Führung Israels Recht auf Existenz in Frieden und Sicherheit anerkannte und Israel die PLO als legitime Vertretung des palästinensischen Volkes akzeptierte.
  • Es folgte am 13. September 1993 die israelisch - palästinensische Prinzipienerklärung als "Rahmenwerk" für zukünftige Verhandlungen. Als Übergangsregelung wurde eine begrenzte palästinensische Selbstverwaltung und 1994 die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) geschaffen.
  • 1994 wurde in der Folge ein israelisch - jordanischer Friedensvertrag unterzeichnet. Verhandlungen zwischen Israel und Syrien scheiterten (Rückgabe der Golanhöhen).
  • Der Oslo - Prozess enttäuschte. Besondere Kritik ergab sich nicht wegen der besetzten Gebiete, vielmehr auch der vorangetrieben Siedlungsbau förderte gewaltbereite palästinensische Gruppierungen.
  • Nach dem Scheitern des Friedensprozesses provozierte der israelische Politiker Ariel Sharon mit einem medienwirksamen Besuch des Tempelbergs die Palästinenser. Die Folge war die Zweite Intifada mit einer Rückkehr der Gewalt und einer Verhärtung der beidseitigen Beziehungen.
8.4 Nahöstliche Kriege    

  • Mit den Terroranschlägen auf das Pentagon in Washington D.C. und das World Trade Center in New York am 11. September 2001 (in der Folge "9/11") ist die letzte Phase der nahöstlichen Regionalpolitik seit 1945 anzusprechen (vgl. BANK 2016, 60-61). Präsident George Bush (2001-2009) rief in der Folge den "globalen Kampf gegen den Terrorismus" aus und machte den Nahen Osten zum zentralen Raum der US -Außenpolitik. Diese Politik führte zu einer intensiven Kooperation zwischen den USA, der EU und arabischen Regierungen in Ägypten, Jordanien, Marokko und Syrien. Oppositionelle und islamische Bewegungen wurden als "Terroristen" eingestuft und verfolgt.
  • Ebenso wurde der US - Krieg gegen den Irak 2003 als Verbindung zu al-Qaida geführt. In der Folge unterstellt man dem Irak eine Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen als Kriegsgrund. Der Sturz Saddam Husseins sollte als Folge eine Demokratisierung des Iraks zur Folge haben und ein positives Beispiel für den Nahen Osten bilden. In der EU gab es Befürworter bzw. Beteiligte (UK, Polen) und Skeptiker (D, F). Es gelang der US - Besatzung nicht, Sicherheit im Irak zu garantieren und einen umfassenden Wiederaufbau einzuleiten. Ein Bürgerkrieg in der Folge spaltete das Land in eine innerislamische Trennlinie von Sunniten und Schiiten. Letztlich führte der Legitimitätsverlust der USA zu einem Aufstieg der Islamischen Republik Iran.
  • 2006 führte der Libanon - Krieg zur Verschiebung der regionalen Macht im Nahen Osten. Der Widerstand der Hisbollah gegen Israel führte zu deren Ansehen in der arabischen Öffentlichkeit und einem politischen Sieg (vgl. die Hoffnung als neue Führungsfigur der Araber in der Nachfolge von Nasser).
  • 2008 folgte nach dem Golfkrieg 2003 und Libanonkrieg 2006 der Gaza - Krieg, der drei Wochen später endete. Zerstört wurde die zivile Infrastruktur, gestärkt wurde die Hamas. Die Kriege und der US - Einflussverlust mit Rückzug aus der Regionalpolitik führten zu starken regionalen Akteuren. Neben dem Iran betraten die Türkei und Katar die politische Bühne. Die Türkei weitete ihren diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss aus und vermittelte 2008 in letztlich gescheiterten Geheimverhandlungen zwischen Israel und Syrien.
  • Eine explosive Lage zwischen Kritik an Israel für den Umgang mit Palästinensern und einem Hass auf Israel und seiner Zivilbevölkerung kennzeichnet die Kriegslage. Die Zivilbevölkerung von Israel und Gaza ist nicht nur Zielscheibe der Angriffe, sie ist auch die Ebene für Hass > https://www.sn.at/politik/weltpolitik/israels-armee-stellungen-gazastreifen-146666593 (11.10.2023) Der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 war für Israel eine Zäsur. Israel reagierte mit einem Angriff auf den Gazastreifen und einer Bodenoffensive.
    • Innenansicht eines zerstörten Hauses im Kibbuz Beeri in Israel, wo Hamas - Terroristen am 7. Oktober 2023 Bewohner ermordet, gefoltert und verschleppt haben. Ein zerstörtes Haus im Kibbuz Be'eri, Israel. Hamas - Terroristen hatten u.a. hier am 7. Oktober 2023 Bewohner ermordet, gefoltert und in den Gazastreifen verschleppt.
    • Die Gräueltaten der Hamas und anderer bewaffneter Gruppierungen am 7. Oktober 2023, bei denen rund 1.200 Menschen brutal ermordet und etwa 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden, erschütterten die israelische Bevölkerung zutiefst. Sie werden von jüdischen Israelis ganz überwiegend als Pogrom wahrgenommen.
Damit rühren sie an das kollektive Trauma der Judenverfolgung und -vernichtung während des Holocausts. In der Folge war für die israelische Regierung und Bevölkerung klar, dass es ein „Weiter so“ nicht geben kann. Vom Gazastreifen sollte nie wieder eine Bedrohung für Israel ausgehen. Deshalb sollen die militärischen Kapazitäten der Hamas und anderer bewaffneter Gruppierungen zerstört und die Geiseln befreit werden. Die Hamas soll das Küstengebiet nicht länger regieren.

Infolge des Krieges kam es bislang es auf palästinensischer Seite zu einer großen Zahl an Toten (Ende Mai 2024 rund 36.000) und Verwundeten (über 80.000), mit einem vermutlich sehr hohen Anteil an Zivilistinnen und Zivilisten.

Im Mai 2024 waren zudem rund 1,7 Mio. Menschen – und damit rund drei Viertel der Einwohnerinnen und Einwohner des Gazastreifens – Binnenflüchtlinge; viele von ihnen waren bereits mehrfach vor den Bombardierungen geflüchtet. Die humanitäre Lage spitzte sich extrem zu. Die Bombardierungen führten zudem zu großflächigen Zerstörungen und machten weite Teile des Gazastreifens auf absehbare Zeit unbewohnbar.

Auch in der palästinensischen Gesellschaft rührt der Krieg an das kollektive Trauma – das der „Nakba“. Das arabische Wort für Katastrophe steht für die Flucht und Vertreibung von Hunderttausenden von Palästinenserinnen und Palästinensern im Zusammenhang mit der israelischen Staatsgründung und dem ersten arabisch - israelischen Krieg im Jahr 1948. Zudem wird die Furcht, dass es sich nicht um eine temporäre Evakuierung aus Kampfgebieten handelt, sondern um eine permanente Vertreibung, durch entsprechende martialische Drohungen und Forderungen aus der israelischen Regierung und Öffentlichkeit verstärkt.

Israel konnte seine Ziele in den ersten Monaten des Krieges nur eingeschränkt erreichen. Zwar gelang es der israelischen Armee bis Mai 2024 nach eigenen Angaben das Gros der Hamas - Bataillone zu zerschlagen und rund 14.000 Hamas - Kämpfer zu töten. Doch nach wie vor wurden israelische Soldaten in Gebieten angegriffen, die die Armee bereits unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Aus diesen Gebieten wurden auch weiterhin Raketen auf Israel abgefeuert. Im Frühsommer 2024 befanden sich noch 120 Geiseln in der Gewalt der Hamas und anderer bewaffneter Gruppierungen, wobei israelische Medien vermuteten, dass viele von ihnen nicht mehr leben.Von den rund 60.000 Israelis, die aus den an den Gazastreifen angrenzenden Ortschaften und Kibbuzim evakuiert worden waren, konnten bis Mitte März 2024 nur ca. 30.000 ins Grenzland von Gaza zurückkehren. Auch aus dem nördlichen Grenzgebiet wurden infolge von Angriffen durch die Hisbollah vom Libanon aus über 60.000 Israelis evakuiert, die noch nicht in ihre Häuser zurückkehren konnten.

Der 7. Oktober 2023 und der Gaza - Krieg haben gravierende Auswirkungen auf die regionale und internationale Sicherheit. Die von Iran angeführte „Achse des Widerstands“ hat mit koordinierten Operationen das israelische Territorium angegriffen. Die Hamas wurde dabei nicht nur (wie schon 2006) von der libanesischen Hisbollah, sondern unter anderem auch von den jemenitischen Huthi unterstützt. Die Huthi weiteten im November 2023 ihre Angriffe auf die zivile Schifffahrt in der Meerenge Bab al - Mandab und später auch im Roten Meer aus – mit direkten negativen Auswirkungen auf die internationale Sicherheit und den Welthandel.

Im April 2024 brachten direkte militärische Auseinandersetzungen zwischen Israel und Iran die Region an den Rand eines regionalen Krieges. Der Iran griff Israel erstmals direkt mit Hunderten von Kampfdrohnen und Raketen an. Damit verquickten sich der Palästinakonflikt, der Regionalkonflikt zwischen dem Iran und Israel und die Auswirkungen der internationalisierten Bürgerkriege im Jemen, im Irak und in Syrien zu einer „Krisenlandschaft“.

8.5 Literaturverzeichnis    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und /oder direkt zitiert werden.

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Gerlach D. (2019): Der Nahe Osten geht nicht unter, Hamburg

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Informationen zur politischen Bildung/ izpb 336 1/2018 "Israel", Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Krämer G. (2015): Geschichte Palästinas. Von der osmanischen Eroberung bis zur Gründung des Staates Israel, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 1633, Bonn

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Rosiny St. (2016): Kulturen und Religionen, in: Informationen zur politischen Bildung 331 3-4/2016, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 8-19

Steinbach U. (2016): Die arabische Welt im 20. Jahrhundert, Stuttgart

Zum Autor    

APS - Lehramt (VS - HS - PL 1970, 1975, 1976), zertifizierter Schülerberater (1975) und Schulentwicklungsberater (1999), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)

Absolvent Höhere Bundeslehranstalt für alpenländische Landwirtschaft Ursprung - Klessheim/ Reifeprüfung, Maturantenlehrgang der Lehrerbildungsanstalt Innsbruck/ Reifeprüfung - Studium Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), 1. Lehrgang Ökumene - Kardinal König Akademie/ Wien/ Zertifizierung (2006); 10. Universitätslehrgang Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ MSc (2008), Weiterbildungsakademie Österreich/ Wien/ Diplome (2010), 6. Universitätslehrgang Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), 4. Interner Lehrgang Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016) - Fernstudium Grundkurs Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium, Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung (2018), Fernstudium Nachhaltige Entwicklung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium, Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung (2020)

Lehrbeauftragter Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien/ Berufspädagogik - Vorberufliche Bildung VO - SE (1990-2011), Fachbereich Geschichte/ Universität Salzburg/ Lehramt Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung - SE Didaktik der Politischen Bildung (2026-2017)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche Österreich (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks Tirol (2004 - 2009, 2017 - 2019) - Kursleiter der VHSn Salzburg Zell/ See, Saalfelden und Stadt Salzburg/ "Freude an Bildung" - Politische Bildung (2012 - 2019) und VHS Tirol/ Grundkurs Politische Bildung (2024)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 19. August 2024