Gesellschaftstheorien-4
Günther Dichatschek
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Vorbemerkung |  |
Der rasche Wandel der Gesellschaft, fortlaufende Veränderungen und eine stärkere Dynamik und Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und die Notwendigkeit einer soziokulturellen Kompetenz machen die Kenntnis von Aspekten eines sozialen Wandels notwendig.
Eine Verbesserung des Verhaltens des Einzelnen, von Gruppierungen und Organisationen sowie der Lösungsmöglichkeiten bedarf einer ausführlichen Analyse in Theorie und Praxis (vgl. SCHRADER 2024).
Ausgangspunkt der Studie ist die
Absolvierung der Universitätslehrgänge Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz sowie
Auseinandersetzung mit der Fachliteratur/ Auswahl.
Ein Impuls für die Thematik entstand in der Kolumne " DEN RISS HEILEN" der "Salzburger Nachrichten" 18. 11. 2021, 1.
Donnerstag
18. November 2021
19:45 Uhr
DEN RISS HEILEN
GÜNTER DICHATSCHEK
Respekt vor dem Anderen
Österreich als Land vielfältiger Kulturen erlebt Veränderungen in den Gesellschaftsschichten. Die Chancen, einander im Gespräch zu verstehen, zu respektieren und wertzuschätzen, gehören erlernt. Trotz der Unterschiede im Verständnis von Erkenntnissen, freiem Diskurs und aller Sprachprobleme bleibt es gemeinsame Verantwortung, Anknüpfungspunkte zu benennen und Anstrengungen in sozialen Beziehungen oder im Kulturellen zu unternehmen.
Zu beachten ist die Gleichwertigkeit von Menschen, die Identität in ihrer Veränderung, die eigenen Standpunkte zu hinterfragen und sich auf Neues einzulassen. Beim Konflikt kommt es auf Inhalt, Beziehung und Kommunikationsstil an. Wer ist mein Gegenüber, wie sind Stimmung und Verhalten, was sind Inhalte, Auffassungen und Gründe? Geht es um Interessensunterschiede, Zusammenhänge einer Gruppe und Abhängigkeiten oder Überzeugungen? Konflikte sollen als Chance betrachtet werden.
Die Studie beruht auf dem persönlichen Interesse des Autors.
Die Studie gliedert sich in die Begrifflichkeit "Aspekte einer Soziokulturellen Theoriediskussion" Abbau der Demokratie, Minderheiten und Jugendgewalt.
Vorbemerkung |  |
Selten sterben heute Demokratien durch Staatsstreiche bzw. Putsche, vielmehr in einem politischen Prozess, der bei Wahlen beginnt.
- Demokratisch legitimierte Autokraten bauen Institutionen eines Staates um, indem demokratische Rechte außer Kraft gesetzt, persönliche und politische Freiheiten eingeschränkt werden und die parlamentarische Opposition kriminalisiert wird.
- Aktuelle Beispiele gibt es in Europa in der Türkei, Polen und Ungarn. Folgenreiche Koalitionen sind in zahlreichen Staaten der EU zu beobachten.
- In Amerika sind es Venezuela, Brasilien und Entwicklungen in den USA.
Die Studie behandelt Grundlagen der Demokratie, negative Tendenzen und den Niedergang von demokratischen Institutionen. Es wird auf Entwicklungen in Italien und Deutschland im 20. Jahrhundert eingegangen, beleuchtet werden Merkmale autoritären Verhaltens und erfolgreiche europäische Demokratiesysteme. Wesentlich sind Merkmale der US - Demokratie und als lateinamerikanisches Beispiel der Demokratiezusammenbruch in Chile. Letztlich wird beispielhaft die angewandte politische Ethik als Basis demokratischen Verhaltens angesprochen.
1 Einleitung |  |
1.1 Einführung |  |
Die folgende Studie in "Gesellschaftstheorien" beruht auf aktuellen Entwicklungen in Europa, Amerika und auf der US - Ausgabe 2018 des Buches von Steven Levitsky und Daniel Ziblatt/ Universität Harvard "How Democracies Die", einem Imprint der Crown Publishing Group bei Penguin Random House LLC, New York.
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat 2018 eine Sonderausgabe der deutschsprachigen Ausgabe 2018 in der Deutschen Verlags - Anstalt München herausgegeben.
Politische Bildung interessiert das Versagen von Demokratien, ausgehend von anderen Orten und Zeiten in den dreißiger Jahren in Europa, den siebziger Jahren in Lateinamerika und aktuell in Europa und in Tendenzen in den USA.
1.2 Grundlagen |  |
Demokratien sind zerbrechlich - konfliktbeladen und auf Konsens beruhend - basierend auf einer Verfassung, parlamentarisch abgesichert durch qualifizierte Mehrheit.
- Diese beinhaltet Freiheit und Gleichheit in einer Gewaltenteilung als Grundsätze, in der Regel völkerrechtlich abgesichert (vgl. UNO - Europarat, EU).
- Zudem kennzeichnet Demokratien allgemein eine robuste Mittelschicht, wirtschaftlichen Wohlstand, soziale Sicherheit, einen hohen Bildungsstand und eine weitgefächerte Wirtschaft.
1.3 Tendenzen |  |
Dem stehen Tendenzen entgegen, die politischer Konkurrenten als Feinde sehen, die freie Presse einschränken, Wahlergebnisse relativieren bzw. nicht anerkennen und Institutionen der Demokratie wie Gerichte und Kontrollinstanzen schwächen.
- Europäische Staaten gehen aktuell gegen demokratische Institutionen vor (vgl. Ungarn, Polen und Türkei als Mitgliedsländer des Europarates und der UNO bzw. teilweise der EU).
- Zugewinne in Wahlen verzeichnen Kräfte etwa in Österreich, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden.
- In den USA wurde erstmals ein Präsident gewählt, der keine Erfahrungen im Staatsdienst besitzt, kaum ein Bekenntnis zu Verfassungsrechten abgibt und autoritäre Neigungen zeigt.
Im sog. "Kalten Krieg" gab es hauptsächlich Staatsstreiche, die für Zusammenbrüche von Demokratien verantwortlich waren, etwa in Argentinien, Brasilien, der Dominikanischen Republik, Ghana, Griechenland, Guatemala, Nigeria, Pakistan, Peru, Thailand, der Türkei und Uruguay.
Militärputsche stürzten 2013 in Ägypten Mohamed Mursi und 2014 in Thailand Yingluck Shinawatra.
1.4 Führerpersönlichkeiten |  |
Eine andere Art des Zusammenbruchs gibt es in Form gewählter Führerpersönlichkeiten.
- 1933 erreichte Adolf Hitler in Reichstagswahlen die Mehrheit (vgl. PAXTON 2006, 134).
- Hugo Chavez in Venezuela versprach 1999 Reichtum und soziale Verbesserung. Durch freie Wahlen mit großer Mehrheit gewählt löste er 2000 durch Populismus erheblichen Widerstand aus und wurde 2002 vorübergehend vom Militär entmachtet. 2003 folgte ein Schritt in den Autoritarismus. Ab 2006 griff er zu repressiven Mitteln. Nach seinem Tod 2013 kam es zu Verhaftungen von Oppositionspolitikern unter seinem Nachfolger Nicolas Maduro, 2017 war Venezuela eine Autokratie mit der Aushebelung des Parlaments (vgl. MARCANO - TYSZAKA 2004, 304).
1.5 Niedergang demokratischer Institutionen |  |
Aushöhlungen und in der Folge ein Niedergang demokratischer Institutionen beginnt aktuell durch gewählte Regierungen, so in Georgien, Nicaragua, Peru, den Philippinen, Polen, Russland, Sri Lanka, der Türkei, Ukraine und in Ungarn
Der demokratische Rückschritt beginnt heute an der Wahlurne (vgl. LEVITSKY - ZIBLATT 2018, 13).
2 Entwicklungen im 20. Jahrhundert |  |
Im Folgenden werden Bündnisse in Italien und Deutschland sowie Indikatoren bzw. Merkmale autoritären Verhaltens und erfolgreiche demokratische Systeme in Europa am Beispiel Belgiens und Finnlands besprochen.
2.1 Italien |  |
Am Beispiel von Benito Mussolini wird gezeigt, wie der legendäre "Marsch auf Rom" national beschworen und als Mythos verbreitet wurde sowie in der Folge Italien veränderte und Autokratien entstanden (vgl. LEVITSKY - ZIBLATT 2018, 21-22).
- Das Bild von den Schwarzhemden mit dem Marsch ging in den faschistischen Kanon über und wurde in den zwanziger und dreißiger Jahren mit nationalen Feiertagen und in Schulen beschworen. Um die Legende und den Mythos eines Machtantritts zu festigen, wurde der Gedanke einer "Revolution" und eines "Aufstandes" gepflegt (vgl. PAXTON 2006).
- Die Wahrheit war weniger aufregend. Die Masse der Schwarzhemden war schlecht versorgt und unbewaffnet. Erst nach der Ernennung Mussolinis durch den König traf man in Rom ein.
- Mussolini nutzte mit seinen 35 Abgeordneten die Zwistigkeiten der etablierten Politiker im Parlament und die Furcht vor dem Sozialismus sowie die Gewaltdrohung der rund 30 000 Schwarzhemden aus. Der König sah darin einen Weg, Unruhen zu bekämpfen.
- Staatsmänner des liberalen Establishments begrüßten die Entwicklung. Mussolini wurde als nützlicher Verbündeten gesehen.
Mussolinis Vorgehen hat sich an verschiedenen Orten in der Welt in verschiedenen Formen abgespielt. Auf die gleiche oder ähnliche Weise sind politische Außenseiter an die Macht angekommen, beginnend mit Adolf Hitler in Deutschland, Getulio Vargas in Brasilien, Alberto Fujimori in Peru und Hugo Chavez in Venezuela. Man nützte Wahlen oder Bündnisse mit mächtigen politischen Akteuren. Bestimmend waren Furcht, politische Fehleinschätzung und falscher Ehrgeiz für einen Machtantritt von Autokraten.
2.2 Deutschland |  |
Hitlers Aufstieg 1933 weist auf das Phänomen eines Niederganges demokratisch - politischer Kultur beispielhaft hin (vgl. PIPER 2018).
- 1923 griff er mit dem abendlichen Putschversuch des "Marsches auf die Feldherrnhalle" UND der Besetzung von Behördengebäuden und des Bürgerbräukellers zur Gewalt.
- Der Putschversuch wurde niedergeschlagen, es folgten neun Monate Festungshaft in Landsberg mit der Verfassung seiner politischen Ideen in "Mein Kampf".
- In der Folge wollte er die Macht durch Wahlen erreichen.
Die Weimarer Republik war 1919 mit einer prodemokratischen Koalition aus Katholiken, Liberalen und Sozialdemokraten geschaffen.
- Ab 1930 kam es zu inneren Streitigkeiten, Kommunisten und Nationalsozialisten gewannen an Bedeutung und Popularität.
- Mit der Weltwirtschaftskrise zerbrach die Koalition.
- Paul von Hindenburg als Reichspräsident nutzte sein Recht im Ausnahmefall keiner Parlamentsmehrheit den Reichskanzler zu ernennen.
- Ziel war den Radikalismus der Linken und Rechten mit der Ernennung von Heinrich Brüning zu verhindern.
- Nach kurzer Amtszeit folgte Franz von Papen und Kurt von Schleicher.
- In dieser Krisensituation sollte ein populärer Außenseiter die Regierungsverantwortung übernehmen. Am 30. Jänner 1933 wurde Adolf Hitler als Führer der NSDAP zum Reichskanzler ernannt(vgl. die politische Fehleinschätzung einen Autokraten demokratisch in ein Mehrheitssystem einzubinden).
Die Ereignisse in Italien und Deutschland zeigen die Schwäche und Art der Koalitionen bzw. Bündnisse und ihrer Akteure, Autokraten an die Macht zu bringen in der Hoffnung, sie in ein demokratisches Parlamentssystem einbinden zu können (vgl. ZIBLATT 2017; LEVITSKY - ZIBLATT 2018, 24-25).
Politische und Wirtschaftskrisen, mitunter Verfassungskrisen, öffentliche Unzufriedenheit und sinkende Wahlergebnisse etablierter Parteien stellen das politische Urteilsvermögen''' auch von erfahrenen Politikern auf die Probe (vgl. für die Zwischenkriegszeit HACKE 2018; man beachte die heutige Situation in europäischen Ländern mit der Geringschätzung von politischen Expertisen und einer zögernden Haltung etwa der EU).
2.3 Merkmale autoritären Verhaltens |  |
Autokratische Politiker enthüllen mitunter vor ihrem Machtantritt nicht ihr System einer Autokratie. Auch halten sie sich in einer ersten Phase ihrer politischen Aktivität an demokratische Normen und verlassen sie erst später. Als Beispiel gilt in Ungarn Viktor Orban, der mit seiner Partei "Ungarischer Bürgerbund"/ FIDESZ Ende der achtziger Jahre eine liberaler Demokratie aufbaute und von 1998 bis 2002 demokratisch regierte. Ab 2010 führte er nach seiner Rückkehr an die Macht eine Autokratie ein (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Ungarn > http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/43064/ungarn?p=0 (15.8.2019)
Für die Politische Bildung ist daher von Interesse, wie man autokratisches Verhalten' erkennen kann. In der Beantwortung dieser Fragen gilt in der angelsächsischen Literatur der Politologe Juan J. LINZ an der Yale-University? mit seinen Forschungsergebnissen als Experte - in der Weimarer Republik geboren, im Spanischen Bürgerkrieg aufgewachsen, Professor in Yale, 1978 mit seiner bahnbrechenden Studie "The Breakdown of Democratic Regimes" bekannt geworden (vgl. LINZ 1978, 27-38).
Vier Verhaltensmerkmale nach Juan LINZ (1978)
Ablehnung demokratischer Spielregeln bzw. schwache Zustimmung
- Ablehnung oder Missachtung der Verfassung
- Notwendigkeit antidemokratischer Maßnahmen
- Veränderung der Regierung mit non - verfassungskonformen Mitteln
- Untergrabung der Legitimität von Wahlen
- Leugnung der Legitimität politischer Gegner
- Diskreditierung politischer Gegner als Staatsfeinde
- Darstellung politischer Gegner als Bedrohung der nationalen Sicherheit
- Darstellung politischer Gegner als Kriminelle
- Darstellung politischer Gegner als ausländische Agenten/ Zusammenarbeit bzw. im Auftrag feindlicher Regierungen
- Tolerierung oder Ermutigung zu Gewalt
- Verbindung zu bewaffneten Gruppierungen, Milizen oder Organisationen
- Anregung bzw. Aufruf zu massenhaften Angriffen
- Billigung von Gewaltanwendung ohne Verurteilung und Bestrafung
- Zustimmung zu Gewalt in der Vergangenheit oder aktuell auf der Welt
Beschneidung bürgerlicher Freiheiten von Opponenten
- Unterstützung entsprechender Gesetze oder politischer Vorhaben
- Androhung rechtlicher Schritte oder Strafmaßnahmen
- Zustimmung von repressive Maßnahmen in der Vergangenheit oder aktuell in der Welt
2.4 Erfolgreiche europäische Systeme |  |
Beispiele aus der Zwischenkriegszeit für ein erfolgreiches demokratisches System gibt es in Belgien und Finnland. Politische Eliten schützten die demokratischen Institutionen (vgl. LEVITSKY - ZIBLATT 2018, 37-41).
- In Belgien gab es 1936 bei der Parlamentswahl einen Zuwachs von fast 20 Prozent bei zwei autoritären Parteien, den Rexisten und dem flämisch-nationalistischen Vlaams Nationaal Verbond (VNV). Damit kam es zu einem Konflikt mit der Katholischen Partei, den Sozialisten und der Liberalen Partei. Der VNV wurde finanziell von Hitler und Mussolini unterstützt. Entscheidend Anteil an einem Zusammenhalt in einer Regierung einer großen Koalition hatte König Leopold III. und die Sozialistische Partei.
- In Finnland bedrohte 1929 die rechtsextreme Lapua - Bewegung die finnische Demokratie. Ziel war die Vernichtung des Kommunismus. Mit der Ausschaltung kommunistischer Politiker kam es zu Schlägereien mit Sozialdemokraten. Die Lapua - Bewegung organisierte einen "Marsch auf Helsinki" und 1932 einen Putschversuch. Mit der Bildung einer großen Koalition bildete man eine Front der Demokraten und isolierte die Lapua - Bewegung und die faschistische Ideologie.
US- Bürger_innen haben ein großes Vertrauen in ihre Verfassung/ Constitution of the USA (1787).
Die Machtfülle des Präsidenten, der Kongress als parlamentarische Institution und die Gerichtsbarkeit sollen ein System der Gewaltenteilung und gegenseitigen Kontrolle in eine Balance bringen, die autoritäre Tendenzen verhindert (vgl. MEHNERT 2018).
3.1 Problembereiche der US - Verfassung |  |
Allerdings garantieren Verfassungen nicht den Fortbestand von Demokratien.
- Es geht um unterschiedliche Auslegungen bzw. Interpretationen von Verfassungsvorschriften.
- In den USA sind daher Ernennungen von Mitgliedern des Obersten Gerichtshofs von besonderer Bedeutung.
- Die ursprüngliche US - Verfassung enthält nur vier Seiten, es fehlen etwa Bestimmungen über unabhängige Behörden.
- Über Präsidialverordnungen und über Grenzen einer Exekutivvollmacht im Krisenfall gibt es keine Verfassungsbestimmungen.
- Man stützt sich in der US - Demokratie auf informelle Regeln, die bekannt und beachtet werden (vgl. HELMKE - LEVITSKY 2006).
Geht es in der US-Demokratie? neben Normen auch um persönliche Einstellungen, spielen Verhaltenskodizes eine Rolle.
Ungeschriebenen Regeln finden sich im politischen Alltag überall, von der Arbeitsweise im Kongress über das Verhalten bei Wahlen bis zum Format der Pressekonferenzen und Empfängen des Präsidenten.
Zwei Normen sind für die US - Demokratie von besonderer Bedeutung.
- Gegenseitige Achtung bedeutet die Akzeptanz des Daseinsrechts und institutionelle Zurückhaltung in seiner Bedeutung geduldig, nachsichtig und tolerant zu sein.
- Der politische Gegner soll konsensfähig bleiben, weshalb es im europäischen Sinn kein Parteiensystem gibt.
Eine institutionelle Zurückhaltung zeigt sich in der Amtszeitbegrenzung für den US - Präsidenten.
- Lange Zeit gab es dazu kein Gesetz, nur ein Gebot.
- Erst 1951 wurde mit dem 22. Zusatzartikel der Verfassung eine Bestimmung eingeführt.
4 Demokratiezusammenbruch am Beispiel Chile |  |
Das Beispiel Chile weist auf die vorausgehende Entwertung grundlegender Normen hin, die zu einem Zusammenbruch einer Demokratie führt (vgl. VALENZUELA 1978, 13-20).
Vor dem Staatsstreich 1973 war das Land die älteste und eine stabile Demokratie Lateinamerikas.
- Im 20. Jahrhundert galt der Grundsatz lange Zeit von einer "Kultur des Kompromisses", trotz einer marxistischen Linken und reaktionären Rechten.
- Durch den Kalten Krieg und die kubanische Revolution angeregt, die Revolution geriet in den sechziger Jahren und die Kompromisskultur zunehmend unter Druck. Die Angst vor einem zweiten Kuba war vorhanden.
- Mit dem von der "Unidad Popular" aufgestellten Präsidentschaftskandidaten Salvador Allende schürte man die Ängste (vgl. VALENZUELA 1978, 45).
- Da bei der Wahl kein Kandidat die absolute Mehrheit erlangte und eine entsprechende Verfassungsklausel für eine Parlamentswahl eines Präsidenten fehlte, kam es zu einem Deal über freie Wahlen und bürgerliche Freiheiten, der letztlich durch Misstrauen zu einem Zusammenbruch des gegenseitigen Vertrauens führte.
- In der Folge zerfielen unter der Präsidentschaft Allendes die demokratischen Normen.
- Auf Grund der fehlenden Parlamentsmehrheit griff Allende zu den präsidialen Vollmachten zur Umsetzung seines sozialistischen Programmes.
- Die Polarisierung zerstörte die demokratischen Normen. "Wenn sozioökonomische, ethnische oder religiöse Differenzen extrem parteilich werden, sodass sich die Gesellschaft in politische Lager spaltet, deren Weltanschauungen nicht nur unterschiedlich sind, sondern sich gegenseitig ausschließen, sind Toleranz und Achtung kaum noch aufrechtzuerhalten" (LEVITSKY - ZIBLATT 2018, 136; in der Folge 137-138).
Die Politik der fehlenden Normen und eine Konsensunfähigkeit beendeten die chilenische Demokratie.
- Regierung und Opposition sahen 1973 in der Mitte der Amtszeit Allendes ihre Chance, die jeweiligen politischen Ziele zu erreichen.
- Keiner der beiden Seiten erreichte bei den Wahlen die erwünschte Mehrheit.
- Durch fehlende Kompromissfähigkeit stürzte die Demokratie in eine Spirale der Gewalt.
- Als die Justiz eine Enteignung von 40 Fabriken blockierte, die streikende Arbeiter besetzt hielten, setzte Allende ein zweifelhaftes "Dringlichkeitsdekret" durch.
- Die Abgeordnetenkammer billigte eine Entschließung, in der die Regierung für verfassungswidrig erklärt wurde.
Nicht ganz einen Monat später ergriff 1973 das Militär die Macht und es kam zu einer Militärdiktatur. 17 Jahre lang wurde das Land von Generälen regiert.
5 Politische Ethik |  |
Für einen Lehrenden der Politischen Bildung im tertiären und quartären Bildungsbereich erscheint eine Auseinandersetzung mit ethischen Fragen im Zeitalter antidemokratischer Tendenzen und einer Globalisierung ein wesentlicher Teilbereich zu sein (vgl. DICHATSCHEK 2017a,b; http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Ethik). Daher soll diese Thematik als letztes Kapitel angeführt werden (vgl. zur Geschichte SCHWEIDLER 2018, 148-149).
Politische Ethik argumentiert mit Begriffen wie Interessen, Macht, Institutionen und Verfassungen. Ergänzt wird eine Theorie der Subjekte, Bürger und Bürgergesellschaft.
- Antidemokratische Tendenzen werden als Resultat von Merkmalen autokratischen Verhaltens erkannt (vgl. LINZ 1978).
- Globalisierung wird als Entgrenzung mit entsprechenden Strategien und wachsender Globalität als Kooperationsgemeinschaft gesehen. Dies manifestiert sich in politisch - ökonomischen Zusammenschlüssen, Umwelt- und Klimaproblemen, Wanderungsbewegungen, internationalen Konfliktherden und unterschiedlichsten Unrechtsformen (vgl. HÖFFLE 2004).
Im Folgenden werden überblicksmäßig die Elemente einer politischen Ethik vorgestellt (vgl. HÖFFLE 2004).
Ausgangspunkt der Themenbereiche sind die drei Dimensionen
- des Staatsbürgers mit dem Bürgersinn, einer Ausweitung der Bürgerbeteiligung, der Toleranz und Werten eines demokratischen Bildungswesens;
- des Weltbürgers mit dem Zusammenleben der Weltkulturen, westlicher und universaler Werte, einer Entwicklungspolitik und der Ökologie sowie
- des Wirtschaftsbürgers mit der Selbstverantwortung bzw. Selbstverwirklichung, dem Ethos des Unternehmers und sozialer Gerechtigkeit.
Auf Grund der Fülle der Dimensionen zur Thematik wird skizzenhaft auf einzelne wesentliche Aspekte im Kontext mit Politischer Bildung und Interkultureller Kompetenz aus der Sicht des Autors eingegangen.
Ein ausführlicher Diskurs ergibt sich aus der Auseinandersetzung mit der Fachliteratur der politischen Ethik, der verwendeten Titel und den angegebenen IT - Autorenbeiträgen.
5.1 Staatsbürgertum |  |
Vorrangig geht es bei ethischen Überlegungen um die Frage, wie politische Institutionen geschaffen, mit Leben erfüllt und letztlich in ihrer Arbeit umgesetzt werden.
Eine liberale Demokratie mit öffentlichem Engagement ihrer Staatsbürger
- besitzt mit personaler Moral und individuellen bzw. öffentlichen Interessenslagen zwei Grundlagen.
- Als Prinzipien gelten Regeln bzw. Normierungen, öffentlichen Gewalten vom Volk ausgehend (Ämter/ Verwaltung - Rechtsprechung -Gesetzgebung) und rechtsmoralische Grundsätze wie Menschenrechte.
- Notwendig ist ein politisches Engagement ("Antriebskraft") in Form eines Bürgersinns mit Bürgertugenden in Form der Zivilgesellschaft und Elementen direkter Demokratie.
- Zu Bürgertugenden und Bürgersinn gehört ein demokratisches Bildungswesen mit der Möglichkeit der Vermittlung zeitgemäßer Bildungsinhalte (vgl. im IT - Autorenbeitrag
http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Politische Bildung Pkt. 4 zur Didaktik).
Elemente einer Ethik der Staatsbürger sind
- Rechtssinn und Zivilcourage/"Bürgermut",
- Gerechtigkeitssinn/ Erinnerung an Ungerechtigkeit und Urteilskraft,
- Gemeinsinn und
- demokratische Integrität.
- Zur Bürgerbeteiligung gehören eine Bürger- bzw. Zivilgesellschaft und direkte Demokratie.
- Toleranz umfasst personale, soziale und politische Toleranz im Kontext mit Solidarität.
- Pluralität beinhaltet Andersartigkeit. Dies zeigt sich in einer Interkulturalität mit allen Facetten der Verschiedenheit/ "Diversity"(vgl. den IT-Autorenbeitrag?
http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz; Migration in Österreich).
- Konfliktsituationen sind kaum verhinderbar, Konfliktlösungsmodelle können zu einer gegenseitigen Akzeptanz verhelfen.
Zu den Werten eines demokratischen Bildungswesens gehören
- Grundwerte bzw. Verfassungsgrundsätze, Tugenden, Konventionen und Gesellschaftsverhältnissen, globale Rechts- und Friedensordnungen sowie ein Staatsbürgerwert.
- Demokratische Bildungseinrichtungen sind rechtlichen Normen wie etwa der Schulgesetzgebung, dem Hochschulrecht und der Erwachsenenbildungsgesetzgebung verpflichtet.
- Unabhängig davon gibt es die jeweiligen Bezugswissenschaften mit ihren Erkenntnissen. In Diskussion stehen Fächer wie Politische Bildung und Ethik.
- Eine Bildungsreform unterliegt politischer Ethik mit Aspekten einer global - interkulturellen Gesellschaft (vgl. die aktuellen EU-Bildungsrichtlinien?).
5.2 Weltbürgertum |  |
Weltbürger werden in diesem Kapitel unter ethischen Aspekten vorgestellt, als Einzelperson, als Weltstaatsbürger, als Welt - Bürgerschaft und juristische Weltbürger in Weltmärkten.
In der Folge geht es um das Zusammenleben in einem Gemeinwesen und verschiedenen Kulturen (interkulturelle Rechtsdiskurse). Westliche und universale Werte stehen zur Diskussion. Die Frage einer Pflicht zur globalen Nothilfe stellt sich ebenso wie die Rechtfertigung von Entwicklungshilfe. Äußerst facettenreich ist die global zu schützende Verantwortung für die "Natur" bzw. Lebensräume (Ökologie).
Im Zusammenleben der Weltkulturen ergeben sich
- verschiedene Formen von Weltbürgern, gekennzeichnet als exklusiver Weltbürger mit moralischer Überlegenheit (Kosmopolit), aufgeklärter Weltbürger (etwa Europäer, Amerikaner oder Afrikaner), als globale Bürgerschaft (zwischenstaatliches und überstaatliches Engagement) und als Repräsentant einer juristischen Person (etwa Weltkonzern);
- interkulturelle/ transkulturelle Rechtsdiskurse in Form kulturspezifischer Elemente in der Rechtstheorie, Rechtsgeschichte (historisches Bewusstsein, Sozialgeschichte) und Rechtspraxis;
- globale Kooperationsformen nicht nur in Wirtschafts- und Finanzmärkten, ebenso in der Wissenschaft, im Bildungswesen, in der Kultur (Musik, Theater, Literatur), in Religionen (Weltreligionen), der Politik (Flüchtlinge, Wanderbewegungen, Bekämpfung von Armut - Hunger -Epidemien - Konflikten)mit internationalen Organisationen;
- westliche und universale Werte (globaler gemeinsamer Zivilisationsrahmen - ggf. Verwestlichung bzw. antiwestlicher Zwang) mit nicht vorhandenen Kulturgrenzen, Bruchlinien und außerwestlichen Wurzeln der Wissenschaft und Kultur;
- interkulturelle Bürgertugenden wie der Anerkennung von Persönlichkeitsrechten (etwa der Menschenrechte) und pluraler bzw. interkultureller Gesellschaftsformen (vgl. den IT-Autorenbeitrag?
http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz);
- spezielle Elemente globaler Problembereiche wie der Schutz der Privatheit und der Identität sowie im IT-Bereich? insbesondere der Datenschutz;
- Formen der Nothilfe bzw. Notwehr, gekennzeichnet durch Formen der Wirtschafts- und Militärhilfe, gegenseitiger Unterstützung in Not- und Konfliktfällen und regionalen Zusammenschlüssen sozioökonomischer und politischer Art;
- Formen der Entwicklungshilfe, entstanden aus dem Gerechtigkeitssinn und ökonomischer Verkürzungen der Globalisierung, wobei der Entwicklungsbedarf sich im sozialen, politischen, teilweise kulturellen und auch rechtlichen Bereich zeigt (vgl. die Phänomene Unterdrückung, Ausbeutung und Diskriminierung). Wesentlich ist die ethische Frage einer Verantwortlichkeit (vgl. beispielhaft der "Sozialfall Afrika" mit den drei K: Kriege - Katastrophen -Krankheiten);
- Fragen der Ökologie, etwa des globalen Umweltschutzes bzw. Naturschutzes (beispielhaft der Forstwirtschaft), des Klimaschutzes, des Schutzes von Lebensräumen (urbane Zentren - Landschaftsschutz) und der Gesundheit bzw. Prävention (Humanisierung von Wohnraum - Arbeit -Freizeit).
5.3 Wirtschaftsbürgertum |  |
Wirtschaft spielt in allen Kulturen und Geschichtsepochen eine wesentliche Rolle, jedoch kaum in der Philosophie (vgl. den IT -Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Wirtschaftserziehung, Ökonomische Grundbildung in der Erwachsenenbildung).
Für die politische Ethik und Sozialethik erhebt sich die Fragestellung nach
- der Tätigkeit des Wirtschaftsbürgers in Form der Arbeit mit Belastung oder Selbstverwirklichung mit Wertschätzung, so dass Notwendigkeit und Freiheit vorhanden sind;
- Arbeit und Beruf mit Elementen der Lebenssicherung, verschiedensten Berufswahltheorien, Ausbildungswegen und Berufsformen,
- ethischer Bewertung zwischen Arbeit (Tätigkeitsfeld) und Beruf (Berufsrolle),
- Umwälzungen in der Arbeits- und Berufswelt, Bewertung von Qualifikationen im Kontext mit Fort- und Weiterbildung
- Neubewertung und Einschätzung von Arbeit und Beruf (Leistungsethik),
- Unternehmertum,
- Entlohnungsformen, Sozialabgaben und Unterstützungen,
- Freiwilligenarbeit - ziviles Engagement/ Selbstachtung - Wertschätzung - Dankbarkeit - Hilfestellung,
- Recht auf Arbeit - Teilzeitarbeit/ Arbeitslosigkeit,
- demographische Veränderungen mit Arbeitsmarktveränderungen (Verlängerung der Ausbildungszeiten, Zuwanderung, Altern),
- dem Wirtschaftsbürger mit ökonomischem Aspekt und/ oder auch soziokulturellen und wissenschaftlichen Elementen;
- Gewinn in unterschiedlichen Formen (Entgelt/ Lohn, Anerkennung, gesellschaftlicher Status),
- Standesregeln/ berufliche Selbstverpflichtung - Standesbewusstsein - Universitätspolitik/ Lehre - Forschung/ Auftragsforschung -wissenschaftlicher Nachwuchs - Gremienarbeit - Personalentwicklung,
- Profitinteressen - Berufsethos als Motivation,
- soziale Gerechtigkeit/ soziale Absicherung, Arbeitsplatzgarantie - Beschäftigungsgarantie, Gender - Vergütungsgerechtigkeit/ Entlohnungsformen, Vergütungsneid, Grundsicherung.
Bundeszentrale für politische Bildung (2019): Polen > http://www.bpb.de/internationales/europa/polen/ (15.8.2019)
Bundeszentrale für politische Bildung (2019): Ungarn > http://www.bpb.de/internationales/europa/europaeische-union/43064/ungarn?p=o (15.8.2019)
Bühl A. (2016): Rassismus. Anatomie eines Machtverhältnisses, Wiesbaden
Dichatschek G. (2017a): Didaktik der Politischen Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder der Fachdidaktik der Politischen Bildung, Saarbrücken
Dichatschek G. (2017b): Erwachsenen - Weiterbildung. Ein Beitrag zu Theorie und Praxis von Fort- bzw. Weiterbildung, Saarbrücken
Frech S.- Grabendorff (Hrsg.) (2013): Das politische Brasilien. Gesellschaft, Wirtschaft, Politik & Kultur, Schwalbach/ Ts.
Gottschlich J. (2016): Türkei. Erdogans Griff nach der Alleinherrschaft, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 10009, Bonn
Hacke J. (2018): Existenzkrise der Demokratie. Zur politischen Theorie des Liberalismus in der Zwischenkriegszeit, Berlin
Helmke G. - Levitsky St. (Hrsg.) (2006): Informal Institutions and Democracy. Lessons from Latin America, Baltimore
Höffle O. (2004): Wirtschaftsbürger, Staatsbürger, Weltbürger: politische Ethik im Zeitalter der Globalisierung, München
Levitsky St. - Ziblatt D. (2018): Wie Demokratien sterben. Und was wir dagegen tun können, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 10326, Bonn
Linz J.J. (1978): The Breakdown of Democratic Regimes, Crisis, Breakdown, and Reequilibration, Baltimore
Marcano C. - Typzka A.B.(2004): Hugo Chavez, New York
Mehnert U. (2018): USA - Ein Länderporträt, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe 10268, Bonn
ORF(2019): US - Polizei führt schwarzen Verdächtigen am Strick ab > https://www.orf.at/stories/3132870/ (6.8.2019)
Paxton R.O (2006): Anatomie des Faschismus, München
Piper E. (2018): Geschichte des Nationalsozialismus. Von den Anfängen bis heute, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 10291, Bonn
Schweidler W. (2018): Kleine Einführung in die Angewandte Ethik, Wiesbaden
Stiftung Entwicklung und Frieden - Institut für Entwicklung und Frieden (2013): Globale Trends - Frieden- Entwicklung - Umwelt, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 1366, Bonn
Valenzuela A. (1978): The Breakdown of Democratic Regimes: Chile, Baltimore
Ziblatt D. (2017): Conservatice Parties and the Birth of Democracy, Cambridge
TEIL 2 Minderheiten |  |
7.1 Vorbemerkung |  |
Rassismus ist kein geschlossenes Konzept und bestimmt Menschen und Gruppen an bestimmten Merkmalen wie Aussehen oder Herkunft in willkürliche Kategorien. Erkennbar ist dies in Denkmustern und Handlungen.
Von Interesse für eine Politische Bildung sind die Begriffe Rasse und Rassismus in ihrer historischen und aktuellen Entwicklung.
Die Studie beruht auf dem Kenntnisstand der Politischen Bildung und Interkulturalität, ausgehend von Überlegungen zum menschlichen Bedürfnis einer Selbstverortung und Abgrenzung.
Der Lehrauftrag Didaktik der Politischen Bildung/ Universität Salzburg (2016, 2017) und besonders die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur bestimmen das Interesse (vgl. MILES 1991, MECHERIL-TEO? 1997, TERKESSIDIS 1998, FREDRICKSON 2004, HUND 2007, GEULEN 2008, GOMOLLA 2009, NEUMANN - SCHNEIDER 2011, BÜHL 2016, KENDI 2017, WERNSING - GEULEN - VOGEL 2021).
7.2 Begriff |  |
Rassismus als Begriff bezeichnet eine bestimmte Form der Handlung (Praxis) und eine bestimmte Form des Denkens (Theorie). Beides ist nicht zu trennen, weil bestimmte Praktiken eine bestimmte Motivation, etwa ein Hass auf den "Anderen", beinhaltet.
Damit ist nicht mehr das Handeln, vielmehr die Motivation im Denken entscheidend.
7.3 Fremdbestimmmte Identitäten |  |
In den letzten Jahrzehnten gab es für die Gruppe einer fremdbestimmten Identität verschiedenste Bezeichnungen, die zu einer Exklusion führten, so Gastarbeiter, Ausländer, Einwanderer, Asylanten, Migranten und Personen mit Migrationshintergrund.
Die Menschen lehnten ihre Zugehörigkeit ab. Mitglieder einer größeren Gruppenanzahl gehören zu einer Staatsangehörigkeit, einem Wohnort, Geschlecht, geographischen Herkunft und einer Berufsgruppe. Jedes Kriterium verleiht eine bestimmte Identität, die als eine einzige Zugehörigkeit verstanden wird.
Dennoch spielen Aussehen, sprachliche Ebene, sozialer - kulturell - religiöser Status und Bildungshintergrund eine Rolle und ergeben persönliche Erfahrungen mit Diskriminierung, Übergriffen, Benachteiligungen und Alltagsrassismus.
7.4 Unterwerfung und Herrschaftspraxis |  |
Kolonialismus als koloniale Herrschaft beruht auf Unterwerfung der Kolonialisierten durch Europäer. Das Recht auf Selbstbestimmung wurde abgesprochen, "Zivilisierung" war eine gewaltsame Herrschaftspraxis. Dazu gehörten die Prügelstrafe, Zwangsarbeit und die Beschlagnahme von Besitz (vgl. WERNSING -GEULEN - VOGEL 2021, 106, 110).
Betrachtet haben sich die Europäer als überlegene weiße Rasse (vgl. die angeführten IT - Buchhinweise).
Ein Widerstand der Einheimischen wurde brutal niedergeschlagen. Koloniale Gewalt äußerte sich mit dem Ziel einer Abschreckung.
IT - Buchhinweise
Rassismus in der Geschichte
https://www.wochenschau-verlag.de/Rassismus-in-der-Geschichte-Das-koloniale-Erbe/41622 (21.3.2024)
Rassismus in Biographiearbeit
https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/alice-hasters-was-weisse-menschen-nicht-ueber-rassismus-hoeren-wollen-aber-wissen-sollten-9783446270619-t-3465 (22.3.2024)
7.5 Kolonialverbrechen |  |
Beispielhaft ist das Verhalten deutscher Kolonialsoldaten im ehemaligen "Deutsch-Südwestafrika?" (Namibia). Die Kolonialverbrechen europäischer Staaten wurden bisher kaum aufgearbeitet. Besonders gewaltsam ging das Kolonialmilitär, bezeichnet als "Schutztruppe", gegen die ansässigen Nama, Herero, Damara und Sana vor. 1907 erfolgte die Niederschlagung des Widerstandes, historisch der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. Im ersten deutschen, offiziell so bezeichnet, Konzentrationslager auf der Halbinsel in der Lüderitzbucht fanden Tausende an Unterernährung und dem rauen Klima den Tod.
Später im Nationalsozialismus gibt es einige Generäle in hoher Position. Das Uniformhemd des Kolonialmilitärs ("Lettow-Hemd?") wurde das Vorbild für das "Braunhemd" der Sturmabteilung (SA).
7.6 Migration und Globalisierung |  |
Die heutige Gesellschaft lebt in kultureller, sozialer und religiöser Vielfalt . Zahlreiche Menschen haben eine Migrationsgeschichte und kennen die Phänomene von Migration und Globalisierung (vgl. Flucht, Asyl - EU-Binnenwanderung? - ERASMUS - Aufenthalte, internationaler Tourismus - Globalisierung in Wirtschaft, Bildung, Kultur und Medien).
Dennoch gibt das Phänomen des Rassismus im Alltag, in der Politik und in Bildungseinrichtungen. Rassismus ist bequem, eine globalisierte Welt lässt sich in eine scheinbar einfache Ordnung einteilen. Vorurteile, mangelhaftes und kritikloses Wissen sind tief verankert (vgl. EU 2000)
7.7 Interkulturelle Kompetenz |  |
Die Frage und der Auftrag lautet daher, wie man derartige Strukturen abbauen kann. Neue Denkräume müssen zukunftsträchtige Debatten eröffnen, unterschiedliche Aspekte ermöglichen und neue Verbindungen mit Möglichkeiten aufzeigen.
Gefordert ist eine Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz in einer postmigrantischen Gesellschaft.
IT - Hinweis
Transkulturelles Management
https://integrationsfonds.eyepinnews.com/lw7ZKKjIyz1nkXt7D (21.3.2024)
Die jeweiligen Rassismusberichte am Beispiel Österreich weisen auf die Vielfalt und Notwendigkeit soziokultureller und allgemeiner politischer Maßnahmen hin.
https://www.derstandard.at/story/3000000212503/wie-sich-rassismus-durch-alle-lebensbereiche-zieht?ref=article (21.3.2024)
7.9 Buchbesprechungen - Onlinekurs "Rassismus verlernen" |  |
Althoff Nina (2006): Die Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse und der ethnischen Herkunft in der Europäischen Gemeinschaft ausgehen von Art 13 EG, Frankfurt/M.-Bern, Peter Lang Verlag der Wissenschaften, ISBN 3631 5468 23'
Diskriminierungen aus Gründen der "Rasse" und der ethnischen Herkunft sind keine rückläufigen Phänomene, sondern nehmen in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft zu. Durch die Einführung der Nichtdiskriminierungsklausel des Art 13 EG möchte die Gemeinschaft ein einheitliches Vorgehen und eine potentielle Einwirkungsmöglichkeit entwickeln. So eröffnet Art 13 EG neue Perspektiven für die Nichtdiskriminierungspolitik Europas.
Die Publikation widmet sich insbesondere der Untersuchung des vorhandenen Instrumentariums. Festzustellen ist, inwieweit Art 13 EG und seine bisherige Umsetzung dem dringenden europaweiten Bedarf nach einer bisherigen Umsetzung einer Nichtdiskriminierungspolitik gerecht werden, inwiefern die Gemeinschaft diesbezüglich verbesserungsbedürftig ist und in welcher Weise sie verbessert werden kann.
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Benz Wolfgang (1995): Der Holocaust, München, C.H. Beck, ISBN 3 40639822 7
Als Holocaust - Forscher zeichnet der Autor die Geschichte des Völkermordes an den Juden von der Ausgrenzung und Entrechtung bis zum industrialisierten Massenmord in den Vernichtungslagern nach.
Sein Augenmerk gilt dabei nicht nur den Tätern, sondern vor allem auch den Opfern selbst. Neben die Geschichte der Verfolger tritt die Geschichte der Verfolgten. Ein eigenes Kapitel ist dem oft vernachlässigten anderen Völkermord an den Sinti und Roma gewidmet.
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Delacampagne Christian (2005): Die Geschichte des Rassismus, Düsseldorf, Artemis - Winkler, ISBN 3-538-07206-X
Die wichtigsten historischen Etappen des Rassismus seit der Antike werden behandelt, von der Judenfeindschaft im Mittelalter als Vorstufe des modernen Rassismus bis in die Zeit der kolonialen Eroberungen. Opfer sind nun die Indianer und die Schwarzen in Amerika.
Es entsteht die Idee einer weißen oder germanischen "Herrenrasse", die dem Nationalsozialismus die ideologische Rechtfertigung für den millionenfachen Mord an Juden, Sinti und Roma lieferte. Vehement wird der Rassismus der Gegenwart in Europa, auch in den vielen Weltregionen verübte Völkermord aus rassistischen Motiven verurteilt.
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Hund Wulf D. (2007): Rassismus, Bielefeld, Transcript, ISBN 978-3-89942-310-5
Rassismusanalyse beschäftigt sich nicht mit dem Rassismus, vielmehr mit unterschiedlichen "Rassismen". Rassismus wird in seinen sozialhistorischen Ausprägungen und Verbindungen mit anderen Formen sozialer Diskriminierung untersucht.
Der Band diskutiert die Ansätze und die damit verbundenen Probleme in drei Kontexten: kategorial im Hinblick auf zentrale Begriffe der Forschung, historisch im Zusammenhang mit den Formen rassistisch bestimmter Inklusion und Exklusion und politisch auf Methoden und Funktionen rassistischer Vergesellschaftung.
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Geulen Christian (2008): Geschichte des Rassismus, Bonn, C.H. Beck, ISBN 978-3-406-53624-3
Rassismus begleitet in schriftlicher und bildlicher Überlieferung seit der Antike die Ausgrenzung bestimmter Gruppen. Mit der Entstehung des Begriffs Rasse und der Anwendung auf menschliche Gruppen gegen Ende des 15. Jahrhunderts beginnt die Geschichte des Rassismus.
Die Publikation spannt einen weiten Bogen von der Sklavenhaltung in der Antike über den Umgang mit Juden und Häretikern im Mittelalter. den frühneuzeitlichen Kolonialreichen und den Evolutionismus des 19. Jahrhunderts bis zum 20. Jahrhundert mit der Eskalation rassistisch motivierter Gewalt. Rassismus beginnt, so die zentrale Aussage, wo die Menschen meinen, die Bekämpfung des "Fremden" mache die Welt besser.
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Sow Noah (2008): Deutschland Schwarz Weiss. Der alltägliche Rassismus, München, Bertelsmann Verlag, ISBN 3570010082
Wir wachsen mit vielfältigen Rassismen auf. Kinder spielen "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann" und singen "Zehn kleine Negerlein" im Kindergarten und finden es normal. Wer gefragt wird, ist natürlich gegen Rassismus. Dazu bedarf es eines Verständnisses.
Vorstellungen und Gewissheiten müssen hinterfragt werden. Vor dem Hintergrund langjähriger Erfahrung mit Antirassismusarbeit legt Noha Sow den Finger in die Wunde des unbewussten Rassismus und sorgt für eine Menge erkenntnisreicher Stolpersteine. Die Publikation ist ein Angebot für mehr Fairness und Normalität.
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Günther Dichatschek (2020): Migration in Österreich, Saarbrücken, Akademiker Verlag, ISBN 978-620-0-67096-0
Sieht man Migration ohne moralische Vorurteile, kommt man bei Beachtung ökonomischer und sozialer Aspekte zu tragfähigen Schlussfolgerungen. Eine mäßige Einwanderung hat ökonomisch günstige und sozial zweideutige Folgen für die einheimische Bevölkerung. Kulturelle Vielfalt steht gegenseitiger Rücksichtnahme und Schwächung des Sozialsystems durch Auslandsgemeinden gegenüber.
Die Publikation weist ausführlich auf ein traditionelles Migrantentum, Interkulturalität und Interkulturelle Kompetenz, Bildungs- und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen, Integrationsbemühungen, Problembereiche der Migration und die Migration im 20. und 21. Jahrhundert hin. Ein eigenes Kapitel ist der "Globalen Migration" gewidmet.
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Evangelische Akademie zu Berlin - Onlinekurs Rassismus verlernen
https://www.eaberlin.de/aktuelles/2023/rassismus-verlernen/ (30.3.2024)
https://www.eaberlin.de/aktuelles/2023/rassismus-verlernen/kurzinformationen.pdf (30.3.2024)
Bolten J. (2007): Interkulturelle Kompetenz. Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt
Bühl A. (2016): Rassismus. Anatomie eines Machtverhältnisses, Wiesbaden
Claussen D. (1994): Was heißt Rassismus?, Darmstadt
Deardorff D.K. (2009): The SAGE Handbook of Intercultural Competence, Los Angeles-London-New? Dehli-Singapore-Washington? DC
Delacmpagne Chr. (2005): Die Geschichte des Rassismus, Düsseldorf
Dichatschek G. (2017): Didaktik der Politischen Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder der Fachdidaktik der Politischen Bildung, Saarbrücken
Dichatschek G. (2022a): Grundwissen Bildungsmanagement. Theorie und Praxis im Bildungssystem, Saarbrücken
Dichatschek G. (2022b): Grundwissen Politische Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder in der Erwachsenenpädagogik, Saarbrücken
Dichatschek G. (2022c): Antisemitismus - Prävention. Theorie, Praxis und Handlungsfelder im Kontext Politischer Bildung, Saarbrücken
Dichatschek G. (2023): Grundwissen Interkulturelle Kompetenz. Theorie und Handlungsfelder im Kontext politischer und kulturell-religiöser Kompetenz, Saarbrücken
Europäische Union (EU) (2000): Richtlinie 2000/43/EG DES RATES vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft L 180/22, DE 29.7.2000
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8.1 Vorbemerkung |  |
Die Studie findet ihre Begründung am Interesse der Politischen Bildung, eine Förderung von Denk-, Handlungs- und Urteilsmöglichkeiten in der Fachdidaktik zu betrachten.
Am Beispiel der Antisemitismusproblematik und ihrer Aktualität in den Bemühungen der Bildungsbereiche der Schul- und Erwachsenenpädagogik wird eine Reflexivität besonders bevorzugt (vgl. MÜLLER 2021, 233-260).
Zu erwähnen ist der Schwerpunkt einer Antisemitismusprävention ab 2017 in Österreich.
IT - Hinweis
https://www.bmbwf.gv.at/Themen/euint/ep/antisemitismus.html (12.02.21)
https://religion.orf.at/stories/3209213/ (13.10.21)
8.2 Einleitung |  |
Gesucht und vermisst wird ein Lösungsweg der Antisemitismusprävention von jahrtausendealten Ressentiments (Vorurteile und ein Gefühl der Unterlegenheit).
Weder Wissen noch Bildung schützen vor Ressentiments.
Ein Lösungsansatz weist auf die Bedeutung von (Selbst-) Reflexion. Auch geplante Lernumgebungen und interdisziplinäre Materialien garantieren nicht einen Schutz vor antisemitischen Ressentiments, jedenfalls ist der Kontext von Wissen und (Selbst-) Reflexion für eine Prävention unverzichtbar (vgl. MÜLLER 2021, 243).
Zu diskutieren sind im Folgenden Voraussetzungen und Herausforderungen für Bildungserfahrungen, Rahmenbedingungen institutioneller Bildung, fremdbestimmte Bedingungen mit der Möglichkeit eigenständiger Bildungserfahrung.
8.3 Theoretische Beschreibungen |  |
Antisemitismus basiert auf der Unterscheidung von Eigen- und Fremdgruppe und betrifft damit Interkulturelle Kompetenz und Medienkompetenz (vgl. die Differenzkonstruktion "Wir und Sie", "Gut und Böse"; DICHATSCHEK 2018, 2019).
- Die Markierung wird als Abwertung vorgenommen. Sprachlich enthalten Gruppenkonstruktionen eine wertende Zuschreibung.
- Antisemitismus in seiner modernen Form hat nichts mit dem tatsächlichen Verhalten des Judentums zu tun (vgl. RADVAN 2017, 45-46). Für die Politische Bildung bedeutet dies Zuschreibungen, vor allem Projektionen, die identitätsstiftend und diskriminierend wirken.
- Prävention wird wirken können, je eigenständiger Lernende die Funktionen von Ressentiments erkennen und benennen können. Die Meta - Ebene wird unterstützend für eine Verständigung wirken. Wer abwertend redet, wertet sich selbst auf und ordnet sich einer vermeintlich überlegenen Gruppe zu (vgl. RADVAN 2017, 46). Ausstiegsmöglichkeiten aus den Differenzmöglichkeiten können die Beobachtung von tatsächlichem Verhalten bzw. Begegnungen bilden.
Ein von Negativgefühlen bestimmtes Weltdeutungssystem bildet ein kulturhistorisches Phänomen, dass sich gegen ein Judentum richtet ( vgl. SCHWARZ - FRIESEL 2019, 388).
- Diese strukturelle Besonderheit lässt sich nicht allein als Vorurteil beschreiben. In einem geschlossenen Weltdeutungssystem werden zur eigenen Deutung bestimmte Wissemsformen wie nationale oder Verschwörungstheorien verankert.
- Ein solches Weltbild kann bis zur Verfolgungs- und Vernichtungsabsicht führen. Zentrum sind sozio - emotionale und affektive Besetzungen von Ressentiments.
Fallstricke bilden die Überschätzung von Bildungsangeboten in der Politischen Bildung, deren Unterschätzung mit den Möglichkeiten (vgl. GRIMM - MÜLLER 2021).
Es bedarf eines Wissens über unmittelbare Erfahrungen und ein reflexives Wissen über gesellschaftlich folgenreiche Ressentiments.
8.4 Präventionsmaßnahmen |  |
Die Notwendigkeit und der Bedarf einer Antisemitismusprävention im Bildungsbereich ist unbestritten ( vgl. MÜLLER 2021, 257-258).
Die pädagogischen Herausforderungen ergeben sich aus den vorgegebenen und autonomieorientierten Modellen mit den Annahmen von Subjektivität, Wissen, Bildung und (Selbst) Reflexion.
Es gibt Rahmenbedingungen, die eine eigenständige Auseinandersetzung unterstützen mit der Bildungserfahrung aus den Aspekten einer Autonomie der Lernenden und gesellschaftlichen Annahmen.
Wissen und (Selbst) Reflexion garantieren keine Antisemitismusprävention.
Von Interesse sind Folgerungen mit der Reproduktion von Konsequenzen.
Darauf muss mit Bildungserfahrung reagiert werden (vgl. die Vorschläge und Konsequenzen bei BRUMLIK 2020 88-100: stichwortartig globales Lernen mit weltgesellschaftlicher Erinnerung, Rassismus, Nahost-Konflikt, Demütigungsverbot, Interkulturalität, Rechtspopulismus).
Folgenreich sind didaktische Überlegungen und Konzepte, weil Bildungserfahrungen an die Eigenständigkeit Lernender und Lehrender gekoppelt sind.
Die "Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" (EUMC) hat eine Studie über Antisemitismus in Europa verfasst, deren Ergebnisse so beunruhigend sind, dass sich die Institution zunächst entschloss, die Studie noch nicht zu veröffentlichen.
Seit dem 4. Dezember 2003 ist der Inhalt der Untersuchung im Internet verfügbar. Neben dem dänischen Sender TV2, der Kopenhagener Zeitung "Politiken", dem Grün - Europa - Abgeordneten Daniel Cohn - Bendit ist die Studie nunmehr auch von der EUMC in das Internet gestellt worden (vgl. http://www.eumc.eu.int/eumc/FT.htm > mit Stand 2013 nicht mehr verfügbar).
Auffallend ist demnach, dass heute in vielen Fällen bei antisemitische Ausschreitungen die Täter um Anonymität bemüht sind. Auf Grund der Erfolge in der Strafverfolgung weiß man von der Verbreitung der Täter in der rechtsradikalen Szene bzw. bei radikalen Islamisten.
Auffallend sind antisemitische Äußerungen - vor allem in Frankreich und Belgien - von Einwanderern aus Nordafrika. Anfällig sind offensichtlich Politiker, die diese Grundstimmung in Wählerzustimmung umsetzen wollen, wie jüngste Beispiele 2003 in Deutschland zeigten.
Ausdruck dieser Bewegung sind Schändungen von Friedhöfen und Gräbern, Hakenkreuzschmierereien, Briefe und e - Mails mit Bedrohungen und Beleidigungen sowie die Leugnung des Holocaust.
Physische Attacken gegen Juden ereignen sich heute häufig im Umfeld von pro - palästinensischen Demonstrationen moslemischer Europäer.
Es gibt auch Fälle, in denen unpolitische und nicht - antisemitische Jugendliche judenfeindliche Parolen aus Spaß rufen, ohne den Inhalt dieser Parolen und ihren historischen Hintergrund zu verstehen (vgl. Salzburger Nachrichten v. 4. Dezember 2003, "Europas Antisemitismus", 10).
Die Anzahl judenfeindlicher Angriffe hat in Europa seit dem Ausbruch der zweiten Intifada im September 2000 zugenommen. Allein in Deutschland wurden im Halbjahr 2003 1 400 Vorfälle registriert.
Nach einer US - Studie der "Anti Defamation League/ADL" halten noch 30 Prozent der Europäer an klassischen antisemitischen Stereotypen fest. So glaubten etwa 30 Prozent der 2 500 Befragten, dass Juden zu viel Macht in der Geschäftswelt hätten. 19 Prozent denken, dass Juden sich nur um Juden kümmern. 16 Prozent stimmen dem Vorurteil zu, dass Juden eher als andere dunkle Praktiken anwenden, um zu ihrem Ziel zu kommen. 45 Prozent glauben immerhin, dass Juden mehr Loyalität zu Israel empfinden als zu dem Land, das ihre Heimat ist. So werden die Juden der Diaspora als geschlossene Clique gesehen und zu Vertretern Israels umfunktioniert, womit sie die Verantwortung für die Politik Israels tragen.
Eine bislang unveröffentlichte Studie des "Zentrums für Antisemitismusforschung" der Technischen Universität Berlin (ZfA), die im Auftrag des EUMC ausgeführt wurde, stellt ebenso fest, dass in Europa eine steigende Tendenz zum Antisemitismus und militanten Anti-Israelismus? besteht (vgl. http://www.eumc.eu.int/eumc./FT.htm - mit Stand 2023 nicht mehr abrufbar).
Die ZfA-Studie? versucht, vier Kriterien aufzustellen, die legitime Israel-Kritik? von verhülltem Antisemitismus unterscheiden:
- Vergleiche zwischen Israel und dem Dritten Reich,
- Verallgemeinerungen über "die Juden",
- die Verwendung von Stereotypen und
- die Erwartungen an Israel, die nicht an andere Staaten gestellt werden.
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TEIL 3 Jugendgewalt |  |
9.1 Einführung |  |
Seit dem Jahre 2002 - mit dem Mord im Gymnasium Erfurt - ist im deutschem Sprachraum die Öffentlichkeit, zunächst in der Schule, in der Folge durch Prozesse in Österreich, mit der Thematik von Gewalt in der Erziehung sensibilisiert worden. Bisheriger Höhepunkt dieser thematischen Auseinandersetzung waren im Jahre 2006 die Ereignisse an der Rütli - Hauptschule Berlin - Neukölln und ein Mord an einem Kleinkind, die ganz offensichtlich auf Gewaltphänomene rund um die Erziehung schließen lassen.
In der Folge treten Gewaltphänomene auf, die weit über Bildungsinstitutionen hinaus gehen und gesellschaftliche, politische, ökonomische, ökologische und kulturelle Defizite aufzeigen. Diese betreffen den Themenbereich der Politischen Bildung.
Pädagogisch aktualisiert wurde 2011 die Diskussion um Sanktionen bei schulischen Konfliktfällen in Österreich.
"1998 widmete Der Spiegel ein Heft dem Thema Warum immer mehr Kinder kriminell werden - Die Kleinem Monster (Nr. 51, 16.4.1998). Focus 10/1998 trug den Titel Schule brutal - Erpressung, Prügel, Terror - An deutschen Schulen ist die Hölle los. Die Zeit erklärte am 17.9.1998 Jugendgewalt wird zur größten Herausforderung für Polizei, Justiz - und Politik" (MARTIN - MARTIN 2003, 7).
Im Folgenden geht es auch um die Frage der Faszination von Gewalt. Pädagoginnen und Pädagogen betrifft die alltägliche Form von Gewalt, nicht Phänomene wie Sadismus oder Masochismus. Dies zu verstehen, zu behandeln und und zu ahnden ist Aufgabe von Psychiatern und Juristen. Konkret geht es also um Macht und Gewalt - etwa das staatliche Machtmonopol, den Missbrauch von Macht, der Lust an Gewalt (Fantum/Sport), der Faszination des Extremismus, Gewalt im Krieg und die Gewalt über die Natur (vgl. MÜLLER - FAHRENHOLZ 2006, 66-85). Dies sind zutiefst Fragen einer zeitgemäßen Erziehung.
Neben den erziehungswissenschaftlichen Aspekten sind auch die Bemühungen um eine kulturell - religiöse Erziehung zu beachten. So engagierte sich die Evangelische Superintendentur Kärnten A.B. mit einem Projekt - anlässlich der Gemeindevertretungswahlen 2005 - zur Prävention von Gewalt. Am 25. November 2006 fand ein Studientag im Kardinal - König - Bildungshaus/ Wien zur "Dekade zur Überwindung von Gewalt" statt.
Der Autor versuchte in einer Reihe von Beiträgen zur Menschenrechts- und Politischen Bildung/ Erziehung sowie zur "Dekade zur Verhinderung von Gewalt/2001-2010" (Ökumenischer Rat der Kirchen/ Genf) verschiedenste Aspekte zu beleuchten.
Mit diesem Kapitel soll auf die Dimension von Erziehung hingewiesen werden.
9.2 Begriff Gewalt |  |
Wegen der Vieldeutigkeit des Begriffes bedarf es einer Definierung der verwendeten Begriffe.
In der Wissenschaft wird neuerdings Gewalt als Überbegriff verwendet und in Teilbegriffe unterteilt: beispielsweise physische, psychische, verbale, sexuelle, rassistische, soziale und frauenfeindliche Gewalt.
So definieren FUCHS - LAMNEK - LUEDTKE (1996, 14) Gewalt in der Schule: "Gewalt ist demnach eine zielgerichtete, direkte, physische, psychische oder soziale Schädigung., deren Illegalität in der gesellschaftlichen Beurteilung Merkmalen des Täters, des Opfers und der sozialen Kontrollinstanzen unterliegt."
Unterteilt wird in personale Gewalt, strukturelle Gewalt, expressive Gewalt und instrumentale Gewalt. Gewaltmischungen sind selbstverständlich.
Hinzuweisen ist auch auf den Begriff Mobbing, wobei man darunter zu verstehen hat, wenn jemand wiederholt und über längere Zeit negativen Handlungen durch eine oder mehrere Personen ausgesetzt ist (vgl. OLWEUS 1996, 60; KASPER 1998).
9.3 Gewalt im Bildungsbereich |  |
Die Breite der Thematik widerspiegelt sich auch in der deutschsprachigen Fachliteratur (vgl. beispielhaft HURRELMANN - PALENTIEN - WILKEN 1995, LAMNEK 1995, HURRELMANN - RIXIUS - SCHIRP 1996, TILLMANN 1999, MARTIN - MARTIN 2003, SCHUBARTH 2013, WEDEMANN 2014, SCHREIBER 2015, MELZER 2015, NIPROSCHKE 2016).
Kinder erfahren Gewalt in der Familie (Ohrfeigen, Schlagen; Einsperren). Unverarbeitete Erfahrungen der Eltern, Konflikte in der Familie/ im Berufsleben, rigide Erziehungsziele und Bedingungen in der Sozial-, Umwelt- und Gesellschaftsschicht gelten als Bedingungen. Gewalt in der Familie wird als eine Schlüsselrolle für die Verbreitung aggressiven Verhaltens und als Wirkung struktureller Gewalt in der Gesellschaft angesehen (vgl. SCHREIBER 2015; TILLMANN 1999; HURRELMANN - PALENTIEN - WILKEN 1995).
- Sexueller Missbrauch von Kindern in der Familie und Verwandtschaft wird offener und damit transparenter berichtet. Verstärkte Anstrengungen zur Prävention mit unterschiedlicher Ausrichtung der Präventionsarbeit sind erkennbar (vgl. NEUBAUER 1995, 94; DAMROW 2006).
- Gewalt im und durch Sport in Verbindung mit Konkurrenz- und Leistungsdenken behindert und verhindert mitunter Fairness, gegenseitige Hilfestellung und soziales Lernens (vgl. PILZ 1982/1995).
- Das Freizeitleben Jugendlicher in Verbindung mit Desintegrationserscheinungen in Großstädten, sozialen Problemen in den Familien und der Arbeitslosigkeit erklärt die Verbreitung von Jugendgewalt.
- Religiös - kulturelle Entwurzelung verstärkt das Phänomen .
- Im Bereich der jugendlichen Ausländer/ innen ist die mangelhafte Mitbestimmung und das Fehlen von vollständigen Bürgerrechten - damit die Identifikation mit dem Staat - zu bedenken. Das Verteilen von Bildungs- und in der Folge von Berufs- und Lebenschancen durch ein vertikal geteiltes Schulsystem gilt in der Fachliteratur und in einschlägigen Untersuchungen als wichtige Ursache für Zusammenrottungen und - im EU - Raum - für gewalttätige Proteste, wobei eine politische Polarisierung zusätzlich eine Rolle spielen kann (vgl. HURRELMANN -PALENTIEN - WILKEN 1995; BERTELSMANNSTIFTUNG - FORSCHUNGSGRUPPE POLITIK 2005). Zu bedenken sind ausreichende Maßnahmen in der Bildungsberatung und schulischen vorberuflichen Bildung/ Berufsorientierung (vgl. DICHATSCHEK - MEIER - MEISTER 2005, 83-90).
Gewalt in der Schule ist pädagogisch deswegen so negativ zu bewerten, weil dies mitten in Bildungszentren - unter den Augen der Lehrerschaft mit der Verantwortung für soziales Lernen/ Erziehung und politischer Bildung/ Menschenrechtserziehung - geschieht (vgl. MELZER 2015). Die Literatur darüber ist so zahlreich, dass hier nicht im Detail darauf eingegangen werden muss (vgl. HOLTAPPELS u.a. 1997). Beklagt wird körperliche Gewalt, verbale Gewalt (auch gegen Lehrende), Vandalismus, sexistische Gewalt und allgemeine Gewaltphänomene - hin bis zu Mobbing in allen Variationen (vgl. WIMMER 2016).
- Alle Schulformen und Altersstufen bis zum Kindergarten sind betroffen.
- Schule spiegelt die Gesellschaft wider, verschiedenste Sozialschichte und Ethnien stoßen aufeinander.
- Zudem spielen Schulbauweisen, Lehrerverhalten, Leistungs- und Sozialdruck, Entmutigung, Erniedrigung, schlechte Ausbildungs- und Berufschancen, Demotivation, anonymes Schulklima, mangelhaftes Lehrer - Schüler - Verhältnis, mangelhafte bis fehlende zeitgemäße Schulentwicklungsprozesse und Ungerechtigkeiten eine wesentliche Rolle.
- Viele Präventionsproramme bieten Schulen und Lehrenden Ansatzpunkte zur Förderung von sozialen Kompetenzen (vgl. Verhaltenstrainings für Lernende und Lehrende, themenzentrierte Lehrerfortbildung, Einzelmaßnahmen wie Erarbeitung von Regeln und demokratischen Lerngelegenheiten; WEDEMANN 2014, 77; SCHUBARTH 2013, 102-105).
- Prävention umfasst mehr als nur der Einsatz solcher Programme. Es geht vorrangig um Aspekte des Schulklimas und die Qualität der Wirksamkeit von pädagogischen Maßnahmen (vgl. EDER 2002, 213-214). Gemeint sind der Leitungsstil, die Öffnung nach außen, Werte und Einstellungen der Lehrenden, die Qualität sozialer Beziehungen der Lernenden und Lehrenden (vgl. FREITAG 1998, 33). Schulklimatische Ansätze finden allerdings wenig Beachtung (vgl. MELZER - SCHUBARTH 2016). Es geht also um die Förderung sozialer Kompetenzen (vgl. NIPROSCHKE 2016, 257).
- Gewalt über die Natur ist ein Phänomen, das sich in Umwelterziehung als pädagogischen Auftrag ergibt. Unbestreitbar sind Entdeckungen, Erfindungen und verschiedenste Produktionsformen für die Menschheit hilfreich geworden. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass sie zu atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen, zu sozioökonomischen Verzerrungen in der Weltbevölkerung und zu ökologischen Verwüstungen geführt haben, die ein Überleben der Menschheit in Frage stellt. "Die Erfahrung des Ungenügens angesichts einer übermächtigen Natur hat Menschen immer wieder zur Gewaltfaszination im Umgang mit ihr verleitet. Und es scheint nicht zuletzt diese Faszination zu sein, die eine entschlossene Abkehr von dem Paradigma der Beherrschung und Ausbeutung der Natur verhindert" (MÜLLER -FAHRENHOLZ 2006, 84).
9.4 Theorieansätze |  |
Lern- und Lehrprozesse spielen bei der persönlichen Entwicklung mit ihren kognitiven, psychomotorischen und affektiven Fähigkeiten eine wesentliche Rolle. Dies gilt ebenso für den Bereich des Umgangs mit Sozial- und Verhaltensstrukturen, also auch für Gewalt.
9.4.1 Lerntheoretische Ansätze |  |
Zum erziehungswissenschaftlichen Basiswissen gehört die Auseinandersetzung mit den klassischen Lerntheorien (vgl. WEISS 1978, 13-57).
- Die klassische Konditionierung I.P. Pawlows ist für das Verständnis menschlicher Lern- und Verhaltensänderungen aufschlussreich. Noch 1973 haben Hilgard und Bower den kondionierten Reflex als "die am besten handbare Grundeinheit für alle Lernprozesse" genannt (vgl. die Werbung mit der mit Bildern und Szenen illustrierten Aufforderung zum Kauf).
- Signallernen hat Bedeutung im Training von aggressivem Verhalten (Militär - freies Kampfverhalten; Karikaturen, Schimpfwörter, intolerante Ideologien - Aussetzen von humanen Wertvorstellungen).
- Die operante Konditionierung B.F. Skinners setzt auf die Tradition E.L. Thorndikes mit dem "Gesetz der Auswirkung (law of effect)", wobei er meinte, menschliche Verhaltensänderungen in jedem Bereich - etwa Politik und Religion - erklären zu können. Weiterhin wichtig sind Skinners Erkenntnis in der Verhaltenstherapie und praktischen Erziehung- und Unterrichtsarbeit ("Lernen durch Erfolg"). "Es leuchtet ein, dass eine mit so umfassendem Geltungsanspruch auftretende Theorie der Verhaltenserklärung und Verhaltensänderung auch beim Problem (jugendlicher) Gewalt bedacht werden muss"(MARTIN - MARTIN 2003, 59).
- A. Banduras Modelllernen ist besonders wirkungsvoll, wenn die Modelle prestigeträchtig und Erfolg mit ihren - auch aggressiven - Handlungen aufweisen. Folgerungen für eine Prävention und Erklärung von Gewalt ergeben sich aus Modellen der Wirklichkeit - etwa Familie, Schule, Freizeit und Filme - und den Bedingungen und Verarbeitungsweisen des jeweiligen Verhaltens. Aus der Wechselwirkung von Beurteilungskriterien und Wertvorstellungen der Lernenden mit Merkmalen beobachteter Modelle aus der sozialen Umwelt entwickelte sich aus dem Paradigma des des Beobachtungslernens die sozial-kognitive Lerntheorie. Hier spielen kognitive Details eine Rolle. Prinzipien, denen bestimmte Aktivitäten zugrunde liegen, können übernommen werden (man denke an Rücksichtslosigkeit, Fremdenfeindlichkeit und Brutalität). Aus dieser "abstrakten Modellierung" entsteht in der Folge eine "kreative Modellierung" (BANDURA 1979, 57). Die Darbietung von Modellen, die Aggressionen ausüben, ohne selbst Schaden zu nehmen, schwächt innere Hemmungen und verstärkt aggressive Tendenzen(S. 58). Hier finden sich Erklärungen dafür, dass scheinbar friedliche Schüler, die bloß blutrünstige Computerspiele spielen, plötzlich ein Blutbad in ihrer Schule anrichten" (MARTIN - MARTIN 2003, 62). Bandura sieht in der Darbietung von Stimuli zur Gewaltausübung, Appellen, stellvertretender Bekräftigung und Erfolgen der Aggressoren - etwa durch Aufmerksamkeit und Statusgewinn - die prozessartige Verbreitung solcher Einstellungen und Verhaltensweisen (S. 59). Antizipatorische Prozesse werden durch Erwartungen, Symbole und Gedanken weitgehend selbstaktiv gesteuert (S. 70 und 78). Durch Bestrafungen lassen sich mögliche Täter kaum abschrecken (Märtyrerrolle), stellvertretende Bestrafungen wirken mitunter nur informativ. Bei Gruppenphänomenen - man denke an Cliquen, Fangruppen und Streetgangs - kann es zur Wechselwirkung von Selbst- und Fremdbekräftigung durch Gruppenkonformität kommen. Strategien der moralischen Rechtfertigung, Beschönigung, Verharmlosung, Schuldzuweisung und Verdrängung sind zu beobachten (vgl. die Theorie der kognitiven Dissonanz nach Festinger; BANDURA 1979, 157). Verstärkt werden die Tendenzen durch Urbanisierung, Migration und Anonymität. Eine aggressive Verhaltenstendenz ist auch bei Kindern im Prozess der reziproken Determination in Familien zu beachten (BANDURA 1979, 195, vgl. MARTIN-MARTIN? 2003, 64).
Aus der Sicht der sozial - kognitiven Lerntheorie kommt es auf die Standards der Motive der Handelnden an. Relevant sind auch die Überzeugungen, Vorstellungen und Fehlurteile, die unter den angegebenen Bedingungen sich entwickeln (vgl. Realitätsverzerrung/ Realitätsverlust). Somit kommt es zu Eigentümlichkeiten personalen Handelns. Falsche Selbsteinschätzung, Verführungen, Vorurteile, falsche Informationen, Missverständnisse, Ohnmachtsgefühle und Irrtümer beeinträchtigen/ verhindern prosoziales Verhalten.
In der Interaktion entwickeln sich - ähnlich wie bei der Lernmotivation - Persönlichkeitsmerkmale und Dispositionen, Selbsteinschätzungen, Ich-Orientierung?, Interessen und Autonomievorstellungen des Einzelnen und der Gruppe. "Konkret gesprochen: die moderne, multikulturelle, pluralistische Gesellschaft mit ihren großen sozialen Unterschieden, dem Konkurrenzprinzip und allgegenwärtigen Gewaltmodellen erscheint als günstiger Nährboden für die Entstehung von Gewaltmotiven in einzelnen und Gruppen. Aggressionen gegen Schwächere und gegen Fremde oder auch nur gegen Sachen können sich lohnen. Sie können das Gefühl der Stärke, der Überlegenheit und des Selbstwertes vermitteln. Aggressive Selbstwirksamkeit erzeugt Autonomiegefühle. Und in Banden und Cliquen können solche Wert- und Zielvorstellungen, Motive, Verhaltensregeln, Prestige- und Aufstiegschancen gedeihen, denen gegenüber Eltern und Lehrer/innen mehr oder weniger machtlos sind - solange prosoziale Gegenmodelle, Handlungsmöglichkeiten und Identitätschancen fehlen" (MARTIN - MARTIN 2003, 65-66).
Vorzüge des lerntheoretischen Modells bestehen in der Kenntnis der komplexen Prozesse unsozialen Denkens und Handelns sowie der Prozesse eines Neuaufbaues prosozialer Verhaltensweisen.
9.4.2 Soziologische Ansätze |  |
Sozialisationstheoretische Ansätze und Konzepte richten bei der Gewalterklärung den Blick auf die gesellschaftliche Realität Jugendlicher, so etwa auf die Loslösung vom Elternhaus, die "peer-groups" sowie die Vorbereitung auf und den Übergang in den Beruf/ vorberufliche Bildung/ Erziehung und berufliche Grundbildung (vgl. DICHATSCHEK 1995, 67-76; HEITMEYER u.a. 1996, 31, PRAGER - WIELAND 2005, 15-29 und 75-98).
- Theorien des differentiellen Lernens enthalten soziologisch - sozialstrukturelle Elemente einer Erklärung abweichenden Verhaltens und Einstellungen. "[...]dass eine Person dann deliquent wird, wenn Gesetzesverletzungen begünstigende Einstellungen gegenüber den Einstellungen, die Gesetzesverletzungen negativ bewerten, überwiegen" (LAMNEK 1990, 216).
- Für das Auftreten von abweichendem Verhalten sind sowohl die Lebensgeschichte, die vermittels entsprechender Kontakte die bestimmenden Neigungen und Widerstände produziert, wie auch die aktuellen, situativen Umstände verantwortlich, die für den den einzelnen in einer bestimmten Situation als relevant empfunden werden" (LAMNEK 1990, 188-189). Wesentlich ist eine Gesellschaft, in der unterschiedliche Situationen und Wertvorstellungen vorhanden sind. "Besonders die Interaktion in 'intimen persönlichen Gruppen' mit abweichenden Verhaltensmustern wird als Erklärung für das Erlernen kriminellen Verhaltens benutzt. Gelernt werden so nicht nur die Techniken z.B. der Gewaltausübung, sondern auch die zugehörigen Einstellungen, Motive und Bewertungen"(MARTIN - MARTIN 2003, 70; vgl. die Erkenntnisse des operanten Konditionierens). Hinweise auf das Erlernen gewalttätigen Verhaltens in Familien sind Züchtigungen, Missbrauch in der Familie, private und berufliche Beziehungsprobleme, die in Schule und soziale Gruppierungen der Kinder und Jugendliche hineingetragen werden (vgl. HURRELMANN - PALENTIEN - WILKEN 1995, 58; TILLMANN 1999, 274).
- Im differentiellen Identifikationslernen verhält sich eine Person dann kriminell, wie sie sich mit tatsächlich lebenden oder vorgestellten Personen identifiziert, aus deren Sichtweise kriminelles Verhalten annehmbar erscheint(vgl. LAMNEK 1990, 210). Übernommen werden Perspektiven, Wertvorstellungen und Handlungsweisen. Erweitert wird hier das lerntheoretische Modell durch die gesellschaftlichen Bedingungen. Spannungen und Konflikte im Elternhaus, wirtschaftliche Krisensituationen/Arbeitslosigkeit, soziale Isolation der Familie, Persönlichkeitsstörungen und Auffälligkeiten des Kindes werden als Indikatoren angegeben (HURRELMANN - PALENTIEN - WILKEN 1995, 21-22).
- In einer faktisch multikulturellen Gesellschaft mit hochdifferentierten Sozialsystemen gibt es sozial, ethnisch und kulturell - religiös begründete Subsysteme, die einen subkulturellen Theorieansatz mit Unterschieden in Norm- und Wertvorstellungen begründen. Jugendliche Gruppierungen verschiedener Sozialschichten können Subkulturen bilden (vgl. HEITMEYER u.a. 1996, 37).
- Die "Chicagoer Schule" hat in den USA mit ihren zahlreichen ethnischen Herkunftsgruppen diese Phänomene ausführlich untersucht. Eine umfassende "Subkulturtheorie" hat A.K Cohen entwickelt (1961, 1968), wobei er als Grundbedingungen in demokratischen Gesellschaften Diskrepanzen zwischen verlautbarten Ideologien und praktizierter Herrschaft bestimmter Schichten sieht. Der unterschiedliche Zugang zu Bildung, Ausbildung, Gesellschaftspositionen, Eigentum, Recht, Mitbestimmung und letztlich Macht lässt Widersprüche erleben.
- Folgen sind Konfliktsituationen, Frustrationen und Unzufriedenheiten, wobei bei guten Kommunikationsmöglichkeiten und ähnlichen Anpassungsmöglichkeiten es zu Zusammenschlüssen kommt. Aus diesen bilden sich gemeinsame Verhaltensweissen, Rollenverteilungen, Werte und Normen in Subkulturen. So bilden sich bei sozial Unterprivilegierten Praktiken einer Selbstverteidigung, beginnend vom Aushalten eines Leidensdruckes über Vandalismus bis hin zu einer Kultur der Gewalt(vgl. MARTIN - MARTIN 2003, 72-73).
- In den "Anomietheorien" geht man ebenfalls von einem schichtenspezifischen Gesellschaftsmodell aus. R.K. MERTON als Vertreter des Theorieansatzes geht davon aus, dass Gesellschaften eine durch Normen geprägte "kulturelle Struktur" besitzen und demnach abweichendes Verhalten dadurch hervorgerufen wird, dass Gruppen/ Gruppierungen und Personen - strukturell bedingt - unterschiedliche Mittel und Möglichkeiten offen stehen, um gesellschaftlich verlangte Ziele zu erreichen. Dabei kommt es zu gesellschaftlich bedingten Konfliktsituationen, die Gefühle der Desorientierung, Hilflosigkeit, Demütigung, Ablehnung des politischen Systems und eines konformen Lebens erzeugen. Unterschichtgruppen sind diesem Druck besonders ausgesetzt. In Schulen und Jugendorganisationen erleben offensichtlich Heranwachsende anomische Strukturen (vgl. SCHUBARTH 2000, 45).
- Beim "Labeling Approach" geht man - wie die Anomietheorie - davon aus, ob abweichendes Verhalten nur dem Abweichler (und seiner Sozialisation) anzulasten sei. Auch hier zeigt es sich, dass ein solches Verhalten durch Gruppen- und Regeldruck Gruppen und Einzelpersonen zu Außenseitern etikettiert. Solche Stigmatisierungen führen neben sozialer Etikettierung (z.B. als Außenseiter) zu Desintegration und Bindung an Cliquen und können bis zur Gewaltneigung betroffener Heranwachsender gehen (vgl. TILLMANN 1999, 253).
- In vielen Studien werden Identitätstheorien in Verbindung zu Gewaltproblemen gebracht. Hypothesen sind mangelhafte Entwicklung der jugendlichen Persönlichkeit, diffuse Werthaltungen, unklare Ziele und geringe Möglichkeiten im weiteren Bildungssystem sowie die soziale Zugehörigkeit(vgl. HURRELMANN-PALENTIEN-WILKEN? 1995, 188). Bei Heranwachsenden mit "diffuser Identität" treten etwa niedriges Selbstwertgefühl, externe Kontrolle, steroetype Beziehungen, Unverständnis der Eltern, in Verbindung mit Abhängigkeiten von Peers und Autoritäten gehäuft auf(vgl. FEND 1990/ 1991).
- Die Bedeutung des Bildungsprozesses für eine Identitätsentwicklung in der Adoleszenz hat H. FEND - aufbauend auf Ericson, Bronfenbrenner, Marcia u.a. - empirisch nachgewiesen. "Bei dieser Gruppe fällt die allgemeine Distanzwahrnehmung zur sozialen Umwelt ins Auge. Es sind hier eher schlechte Schüler vertreten, die wenig Aufmerksamkeit durch Mitschüler erfahren. Gleichzeitig nehmen sie aber geringe Zuwendung und Akzeptanz durch Eltern, Lehrer und Mitschüler wahr" (FEND 1991, 194). Vorberufliche, weltanschauliche, politische und geschlechtliche Rollenidentität sowie Freizeitkonsum spielen hier eine Rolle.
- Für eine Aufgabenstellung einer Politischer Bildung/ Erziehung sieht Helmut FEND als Hürden die problematische Entwicklung des Demokratieverständnisses und die starke Verbreitung eines Ausschließlichkeits- und Ausmerzungsdenkens im Sinne rechtsradikalen Potentials (FEND 1991, 78).
- Ein besonderes Defizit des österreichischen (und deutschen) Erziehungs- und Bildungswesens, das inländischen Experten sehr wohl, allerdings mehr ausländischen Fachleuten auffällt, betrifft die vorberufliche Identitätsbildung Heranwachsender im allgemein bildenden Schulwesen und im Elternhaus. Die im traditionellen Bildungskonzept von Allgemeinbildung begründete Missachtung der Arbeits-, Berufs- und Wirtschaftswelt und generell des Praxisbezugs im schulischen Lernen schockieren internationale Erziehungswissenschaftler (vgl. PISA 2000; RAT DER EUROPÄISCHEN UNION 6872/05: Berufsberatung: Ein Handbuch für politisch Verantwortliche, Brüssel 1. März 2005). Das einhellige Verlangen nach effizienter schulischer vorberufliche Bildung - schulisch als Fachbereich "Berufsorientierung" bezeichnet - und Bildungsberatung verhallt ungehört(vgl. DICHATSCHEK 1995, 67-76; MARTIN - MARTIN 2003, 81; PRAGER - WIELAND 2005; SCHUDY 2002). Entsprechend harsch ist die Kritik, wenn es um das Fehlen bzw. die mangelhafte Nutzung des Prinzips "career education" als Fach und Projektfolge in Verbindung mit Bildungsberatung geht (vgl. "Jugend und Beruf - Repräsentativumfrage zur Selbstwahrnehmung der Jugend in Deutschland", BERTELSMANN STIFTUNG 2005). Desorientierung, Perspektivenlosigkeit, Verunsicherung und Entscheidungsunfähigkeit - gepaart ohne persönliche Beratung - ergeben fehlende "career identity" und erhöhen damit die Gefahr einer Orientierungslosigkeit und mangelhaften Sozialisierung. Heute benötigen Heranwachsende und Eltern Hilfestellungen gerade jener Institutionen, die Jugendliche unterrichten, erziehen, beraten und ausbilden (vgl. die gesetzlichen Aufgaben von Schule, Arbeitsmarktservice und Sozialpartnern sowie deren Umsetzung).
- In den klassischen Rollentheorie wird menschliches Verhalten durch den Einfluss von Bezugsgruppen erklärt. Die spezifischen Erwartungen an Personen mit einer bestimmten Rolle ergeben Druck auf die Rollenträger. So ergibt sich gruppenkonformes Verhalten - beispielsweise die Berufs-, Alters-, Künstler- und Geschlechtsrolle.
- G.H. MEADs interaktionistischer Ansatz betrachtet die Personen nicht als Rollenträger, vielmehr als handelnde Subjekte mit unterschiedlichsten Situationen und Entwicklungen. Identität kommt durch Wünsche, Zumutungen und Vorschriften in Verbindung mit Sprache und Gestik zustande. Die Person muss diese Zeichen deuten, verstehen, bewerten und Stellung nehmen. In der Didaktik der Literatur und Geschichte sind diese Ansätze grundlegend. So entwickelt sich Sensibilität und Maßstab von Personen in Verbindung mit verantwortlichem Handeln. In der deutschen Fachdiskussion sind verschiedene Teilprozesse einer erfolgreichen Identitätsbildung analysiert worden. Dazu gehört der Vorgang der Empathie nicht nur als kognitiver Prozess, sondern als affektiv - motivationale Komponente. Mit Hilfe einer gewissen Rollen - Distanz kann erst eine Ich - Identität entstehen und behauptet werden, wobei eine Ausbalancierung von Fremderwartungen und persönlichen Bedürfnissen notwendig erscheint(vgl. MARTIN - MARTIN 2003, 76-77).
- Dieser Ansatz liefert Erklärungen für aggressives Verhalten, bei Identitätsstörungen, - Fehlen bzw. begrenztem Vorhandensein von intenditätsfördernden Interaktionsprozessen im Sozialisationsfeld und in der Biographie.
- Man denke etwa an Schulen mit dem reinen "Frage - Antwort - Betrieb" und fehlendem pädagogischem Schulklima, unvollständigen Familien mit sozialen Drucksituationen und Jugendcliquen mit vorgegebenen Zielen und Handlungsmustern.
- Auf die politische Identitätsentwicklung mit einem bildungsmäßig entsprechendem Demokratieverständnis und Handeln ist ebenso hinzuweisen. Benachteiligte Gruppen unserer Gesellschaft haben begrenzte Identitätsentwicklungsmöglichkeiten und damit Benachteiligungen (z.B. Jugendliche ohne Ausbildung, Migrantenfamilien, Behinderte; vgl. PISA 2000).
9.5 Konsequenzen für eine Prävention |  |
Gesellschaftliche und institutionelle Maßnahmen benötigen den theoretischen Hintergrund des Wissens über Gruppen, Subkulturen und sozialen Milieus, wobei schulische und/ oder sozialpädagogische Gewaltprävention deutlich wird. Bedingungen der Gewaltentstehung und Gruppenmotivation sind zu beachten. Einflussmöglichkeiten sind zu nutzen. Eine Anomie ist abzubauen, prosoziales Lernen zu ermöglichen.
Der pädagogische Bezug zwischen Lehrenden und Heranwachsenden ist erforderlich. Unterricht und Schulleben erzieht in einem solchen Verständnis zu Rücksichtnahme und Empathie und führt zu moralischen Urteilen höherer Art. Solidarischer Umgang, Hilfe für Schwächere und Benachteiligte minimiert konkurrenzorientiertes Lernen.
Bildung und Ausbildung - begründet durch die Praxis von grundlegenden Unterrichtsprinzipien - in Verbindung mit Mitbestimmung und Mitverantwortung kultiviert den gegenseitigen Umgang und baut Zukunftsängste ab, schafft damit Selbstvertrauen und vermittelt positive Einstellungen.
Konflikte müssen in einer demokratischen Jugendkultur produktiv bearbeitet werden können. Dazu gehören Gesprächsbereitschaft und Angebote für Lösungsmöglichkeiten.
Projekte müssen Gelegenheit zu selbstgewählter und selbstmotivierter Arbeit geben können (vgl. RIHM 2006, 301-330).
Schulqualität und Schulentwicklung sind ein fortlaufendes Aufgabenfeld für eine Schulgemeinschaft, insbesondere unter Beachtung von Schülerinteressen (vgl. FEND 1998, RIHM 2006).
Schulische und außerschulische Beratungssysteme bedürfen der Anerkennung und Unterstützung. Die Förderung von Entscheidungsfähigkeit, schulischer vorberuflicher Erziehung/ Bildung und pädagogischer Schul-, Berufs- und Studienberatung ist einzufordern (vgl. "career education").
"Und ohne derartige Anstrengungen wird das eher wachsende Problem der Jugendgewalt in unserer Gesellschaft auch nicht zu lösen sein" (MARTIN - MARTIN 2003, 83).
9.6 Problemstellungen |  |
Bildungsinstitutionen als Teil der Gesellschaft haben auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren und müssen Entwicklungswahrscheinlichkeiten antizipieren (vgl. den Aufgabenbereich Politischer Bildung). Unbestritten sind Gewaltphänomene Entwicklungen, vor der sich eine Lehrer/ innenbildung nicht verschließen kann.
Neben der Wissensvermittlung und einer Persönlichkeitserziehung ist es Aufgabe der Schule und Erwachsenenbildung,
- demokratische Grundhaltungen zu festigen und
- für die Aufgaben in der Arbeits- und Berufswelt sowie
- den Alltag zu erziehen (vgl. § 2 Schulorganisationsgesetz 1962; die Unterrichtsprinzipien wie Politische Bildung, Wirtschaftserziehung, Umwelterziehung und interkulturelle Bildung).
- Erwachsenenbildung hat den Auftrag einer Politischen Bildung im Sinne einer demokratischen Erziehung (vgl. die Bemühungen 2016 um eine Vernetzung und vermehrte Lehre/ Unterrichtung von Zielgruppen und Interessierten; unabhängig davon bedarf es einer Aus- und Fortbildung von Erwachsenenbildnern in Politischer Bildung).
Eine Therapie ist keine schulpädagogische Aufgabe (vgl. die Behandlung von Gewalttätern mit psychotherapeutischen, polizeilichen oder strafrechtlichen Maßnahmen).
Pädagogische Maßnahmen sind immer präventiv. Im Rahmen von Wissensvermittlung erwerben die Lernenden Kenntnisse über Gewaltphänomene in den verschiedenen Fächern bzw. Bereichen, wobei die Fachbereiche Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, Geographie und Wirtschaftskunde, Deutsch, Religion und Ethik gefordert sind. Die Schüler- bzw. Bildungsberatung und der Schulpsychologische Dienst unterstützen diese Bemühungen im individuellen Bereich.
Wissen ist kein Garant für die Abweisung von Gewalt, daher gibt es einen Erziehungsauftrag für alle Bildungsinstitutionen (nicht nur Schulen), der fachdidaktische Maßnahmen (Prinzipien) beinhaltet, die der Entwicklung von Gesinnung, Moral und Haltungen dienen sollen.
Damit ist die Lehrerinnenbildung - umfassend für Lehrende an Schulen und der Erwachsenenbildung - angesprochen, die ganz bestimmte Qualifikationsmerkmale im Rahmen demokratischer Einstellungen für eine Lehrbefähigung Lehrender erforderlich macht. Fragestellungen für eine zeitgemäße Aus- und Fortbildung Lehrender ergeben sich daraus.
- Welche Verhaltensmerkmale sind für eine demokratische Einstellung notwendig?
- Wie erwerben Lernende demokratische Einstellungen?
- Wie muss eine Bildungsinstitution organisiert sein, damit solche Einstellungen erworben erden können?
- Wie sind Tendenzen antidemokratischer Einstellungen bei Lernenden erkennbar?
- Welche Qualifikationen benötigen Lehrende?
- Welches Handlungsrepertoire benötigen Lehrende, damit Lernende demokratische Einstellungen erwerben?
- Wie sind Lehrenden diese Fähigkeiten in einer Aus-, Fort- und Weiterbildung Lehrender - zu vermitteln (vgl. Fachdidaktik einer Lehrerbildung bzw. Hochschuldidaktik)?
9.7 Literaturhinweise Jugendgewalt |  |
Adorno Th. (1975): Studies in the Authoritarian Personality, Ges. Schriften 9.2, Soziologische Schriften II, Frankfurt/ M. 143-509
Autorengruppe Fachdidaktik (2016): Was ist gute politische Bildung? Leitfaden für den sozialwissenschaftlichen Unterricht, Schwalbach/ Ts.
Baberowski J. (2016): Räume der Gewalt, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 1570, Bonn
Bachmair S. u.a. (1999): Beraten will gelernt sein, Weinheim - Basel
Bandura A. (1979): Sozial - kognitive Lerntheorie, Stuttgart
Bertelsmann Stiftung, Bertelsmann Forschungsgruppe Politik (Hrsg.) (2005): Strategien gegen Rechtsextremismus, Bd. 1: Ergebnis der Recherche, Gütersloh
Blum H.-Beck D. (2015): Mobbing: Hinschauen, Handeln, Köln
Bohnsack F. (2013): Wir Schüler die Schule erleben, Opladen - Berlin -Toronto
Bohlen G. (1998): Politische Bildung - Erziehung zur Demokratie, in: Neumann F. (Hrsg.): Handbuch Politische Theorien und Ideologien, Bd.1, Opladen, 555-596
Bowlby J. (1997): Bindung: Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz, in: Spangler G. - Zimmermann P. (Hrsg.): Die Bindungstheorie. Grundlagen - Anwendung - Forschung, Stuttgart, 17-26
Bueb B. (2009): Von der Pflicht zu führen, Berlin
Canetti E. (1994): Masse und Macht, München
Cohen A.K. (1961): Kriminelle Jugend, Hamburg
Cohen A.K. (1968): Abweichung und Kontrolle, München
Damrow M.K. (2006): Sexueller Kindermissbrauch, Weinheim
Dichatschek G. (1995): Berufswahl heute - Soziale Handlungsfelder vorberuflicher Bildung, in: GW UNTERRICHT Nr. 58/1995, 67-76
Dichatschek G. (2005): Maßnahmen in der Lehrerbildung zur Verhinderung von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit, in: Erziehung und Unterricht 3-4/2005, 357-367
Dichatschek G. (2016): Hakikat Nr. 10/April 2016: Gewalt in der Gesellschaft/Kolumne, 29 > http://www.hakikat.at (3.6.16)
Dichatschek G.- Meier Chr. - Meister V. (2005): Junge MigrantenInnen in Österreich - Probleme bei der Lehrstellenwahl, in: GW UNTERRICHT Nr. 97/2005, 83-90
Duerr H.-P. (1996): Obszönität und Gewalt. Der Mythos vom Zivilisationsprozess, Bd. 3, Frankfurt/ M.
Durkheim E. (1995): Erziehung, Moral und Gesellschaft, Frankfurt/ M.
Eder F. (2002): Unterrichtsklima und Unterrichtsqualität, in: Unterrichtswissenschaft 30, Heft 3/2002, 213-229
Eisermann J. (2001): Mediengewalt - Die gesellschaftliche Kontrolle von Gewaltdarstellungen im Fernsehen, Wiesbaden
Erziehung und Unterricht/Schwerpunktnummer: 9-10/2011, 161. Jg.
Fachstelle für Gewaltprävention Niederösterreich (2015): Wer hilft bei Gewalt bei Kindern und Jugendlichen? Präventionsleitfaden, St. Pölten
Fellsches J. (1977): Moralische Erziehung als politische Bildung, Heidelberg
Fend H. (1990/1991): Entwicklungspsychologie in der Adoleszenz in der Moderne: I. Vom Kind zum Jugendlichen, II. Identitätsentwicklung in der Adoleszenz, Bern - Stuttgart
Fend H. (1998): Qualität im Bildungswesen, Weinheim - München
Frech S./ Kuhn H.-W. / Massing P. (Hrsg.) (2004): Methodentraining für den Politikunterricht, Schwalbach/ Ts.
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Zum Autor |  |
APS - Lehramt (VS - HS - PL/ 1970 - 1975 - 1976), zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater (1975 bzw. 1999), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)
Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 10. Universitätslehrganges für Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ Master (2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/ Wien/ Diplome (2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), des 4. Internen Lehrganges für Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016), des Fernstudiums Grundkurs Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Erwachsenenbildung/ Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung(2018)
Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien/ Berufspädagogik - Vorberufliche Bildung (1990/1991 - 2010/2011), am Fachbereich Geschichte/Lehramt/ Universität Salzburg -Didaktik der Politischen Bildung, am Kirchlichen Lehrgang der Superintendenz Salzburg und Tirol/ Basisausbildung zur Religionslehrkraft an der APS/ Pädagogische Impulse in Unterricht und Lehre, Interkulturalität (2018-2020)
Kursleiter/ Lehrender an den VHSn des Landes Salzburg Zell/ See, Saalfelden, Bischofshofen und Stadt Salzburg/ "Freude an Bildung" -Politische Bildung ( 2012 - 2019); stv. Leiter am Evangelischen Bildungswerk in Tirol (2004-2009, 2017-2019); Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche in Österreich (2000 - 2011)
Aufnahme in die Liste der sachverständigen Personen für den Nationen Qualifikationsrahmen/ NQR, Koordinierungsstelle für den NQR/ Wien (2016)
MAIL dichatschek (AT) kitz.net
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