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Grossbritannien

Grundwissen Großbritannien    

Aspekte einer Landeskunde im Kontext Politischer Bildung    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Grundwissen Großbritannien   
Aspekte einer Landeskunde im Kontext Politischer Bildung   
Einleitung   
1 Allgemeine Länderinformation   
2 Geschichte   
2.1 Römisches-Keltisches Britannien   
2.2 Angelsächsische Zeit   
2.3 Mittelalter   
2.4 Reformation   
2.5 Englische Revolutionen   
2.6 Aufstieg zur Macht   
2.6.1 Stellung der Monarchie   
2.6.2 Hegemonialmacht   
6.2.3 Industriemacht   
6.2.4 Zäsur in der Weltkriegs-und Nachkriegszeit   
2.7 Empire - Commonwealth - Dekolonisation   
3 Westminster - Demokratie   
4 Autonomie von Wales und Schottland   
4.1 Wales   
4.2 Schottland   
5 Nordirlandkonflikt   
5.1 Vorgeschichte des Karfreitagsabkommen   
5.2 Karfreitagsabkommen   
6 Steuerparadiese   
7 Schulpolitik   
7.1 Allgemeines   
7.2 Schulgeschichte   
7.3 Schularten   
8 UK und Europa   
9 UK in der Weltpolitik   
9.1 Machtressourcen   
9.2 Sonderbeziehungen UK - USA   
9.3 Commonwealth   
10 Gesellschaft im UK   
10.1 Gleichberechtigung   
10.2 Familie, Ehe und Privatleben   
10.3 Frauen im öffentlichen Leben   
10.4 Minderheiten   
10.4.1 LGBT   
10.4.2 Multiethnische Bevölkerung   
11 Krönung Charles III.   
Literaturverzeichnis   
Zum Autor   

Einleitung    

Großbritannien/ Vereinigtes Königreich (UK) gilt als Mutterland des Parlamentarismus, ein weltumspannendes Empire im 19. Jahrhundert und letztlich als Siegermacht im Zweiten Weltkrieg und Weltmacht in der Nachkriegszeit.

Daneben gibt es den Glanz und Glamour der Monarchie, das Vorbild des Gentleman, den britischen Humor und einen Pragmatismus. Allerdings gibt es auch den Schatten des Brexits, den Austritt aus der Europäischen Union. Der Ärmelkanal trennt das Land von Kontinent, die Insel nahm immer schon eine Sonderrolle in Europa ein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kommt es zu massiven Veränderungsprozessen.

  • Das Land verlor an Einfluss in der Weltpolitik, das Empire zerfiel.
  • Die Gesellschaft veränderte sich durch die Einwanderung aus den ehemaligen Kolonien.
  • Die soziale Ungleichheit nahm durch den Niedergang der Industrien zu.
  • Bedroht scheint der innere Zusammenhalt der Engländer, Schotten, Waliser und Nordiren.
Im Folgenden gliedert sich die Studie in die Kapitel Geschichte, Westminster-Demokratie, Autonomie von Wales und Schottland, Nordirland-Konflikt, Steuerparadies, Schulsystem, UK und Europa und UK in der Weltpolitik sowie Gesellschaft im UK.

Zunächst ist eine allgemeine Länderinformation zum Verständnis des Landes von Interesse.

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sind

  • die Absolvierung der Universitätslehrgänge Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg bzw. Klagenfurt (2008 bzw. 2012),
  • der Lehrauftrag im Fachbereich Geschichte/Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung - Didaktik der Politischen Bildung (2016, 2018) und
  • Kursleitungen in Allgemeiner Erwachsenenbildung an den VHSn Salzburg in Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg sowie
  • die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur.
Die Studie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und beruht auf persönlichem Interesse des Autors.

1 Allgemeine Länderinformation    

Für die Politische Bildung ist einleitend eine allgemeine Länderinformation über Großbritannien von Interesse, statistische Daten sind hilfreich (Quelle: Fischer Weltalmanach, Frankfurt/M., 2010).

Fläche 242.910 km2 (Weltrang 77)
Einwohner61 001 000
HauptstadtLondon
AmtssprachenEnglisch
Bruttosozialprodukt
(BSP pro Einwohner und Jahr)
45 442 US-$
Währung1 Pfund Sterling - 100 Pence
Nationalfeiertag 2. Samstag im Juni (Queen's Birthday)
Verwaltungsgliederung34 Grafschaften (Counties)
46 Unitary Authorities
6 Metropolitan Counties und Greater London in England
22 Unitary Autorizies in Wales
26 Districts in Norirland
32 Unitary Authorities in Schottland
Staats- und Regierungsformkeine geschriebene Verfassung, Gesetze mit Verfassungscharakter
Parlamentarische Monarchie
(im Commonwealth)
Parlament:
Unterhaus 646 Mitglieder (17 aus Nordirland), Wahlen spätestens alle 5 Jahre
Oberhaus mit 732 Mitgliedern, 26 Bischöfe, 615 Lords auf Lebenszeit, inklusive Law Lords (Mitglieder des obersten Appelationsgerichts), 91 Erblords (Stand Mai 2008)

Peers(Adelige) haben kein passives Wahlrecht
Wahlrecht ab 18 Jahren
BevölkerungBriten
80 Prozent Engländer, 10 Prozent Schotten, 4 Prozent Nordiren, 2 Prozent Waliser
Religionen 71,8 Prozent Christen: Anglikaner (Anglikanische Kirche in England ist Staatskirche), sonstige Protestanten: Presbyterianer (Presbyterianische Kirche in Schottland ist Staatskirche), Methodisten, Freikirchen, Baptisten, Katholiken
2,8 Prozent Muslime
1 Prozent Hindus
0,6 Prozent Sikhs
0,5 Prozent Juden
0,3 Buddhisten
O,3 Prozent Sonstige
15,7 Prozent religionslos
7,8 Prozent keine Angaben
SprachenEnglisch
regional: Irisch-Gälisch und Scots in Nordirland, Schottisch-Gälisch (Highlands), Scotts (Lowland) in Schottland, Walisisch oder Welsh in Wales
Erwerbstätige nach WirtschaftssektorLandwirtschaft 1,5 Prozent
Industrie 17,7 Prozent
Dienstleistungen 80,7 Prozent
Inflationsrate3,6 Prozent
Wichtigste Importgüter11 Prozent Erdöl, 10 Prozent Kfz und -Teile, 5 Prozent Telekommunikation, 5 Prozent Büromaschinen, 4 Prozent elektrische Maschinen, 4 Prozent Bekleidung
Exportgüter13 Prozent Erdöl, 9 Prozent Kfz, 7 Prozent, Arzneimittel, 6 Prozent Bearbeitete Waren, 4 Prozent Maschinen, 4 Prozent elektrische Maschinen

2 Geschichte    

im Folgenden wird überblicksmäßig auf die Geschichte des Landes in sieben zeitlichen Epochen im Kontext Historischer Politischer Bildung eingegangen (vgl. SANDER 2007, 347-262; MAUER 2014; STURM 2019, 22-69).

2.1 Römisches-Keltisches Britannien    

Im Fall britischer Geschichte beginnt die Geschichte mit einem "Volk" (vgl. STURM 2019, 22-25) .

  • Auf den Britischen Inseln beginnt die Geschichte in der Antike mit der keltischen Kultur.
  • Kultstätten wie Stonehenge sind neben Fürstengräbern Belege dafür.
  • Die kurzlebige Invasion durch Julius Cäsar (55-54 v.Chr.), in der Folge die Eroberung durch Claudius (ab 43 n. Chr.)schafften eine römische Provinz in den heutigen Gebieten von England, Wales und Schottland Hadrianswall (122) und Antoniuswall (142). Nördlich der Walle gibt es Hinweise auf die lateinische Sprache und Schrift, römische Münzen, römische Kulte, später besonders in Irland das Christentum.
  • Römischer Einfluss zeigt sich in der Gründung von Städten, Londinium (London) und Eboracom (York), auch Gründungen ländlicher Gutshöfe (villae).
  • In kleinen Siedlungen überlebten traditionelle Herrschaftsstrukturen, von denen Rebellionen gegen die römische Herrschaft ausgingen (vgl. im Süden britannische Königin Boudicca[6o/61]).
2.2 Angelsächsische Zeit    

Im 4. und 5. Jahrhundert brach die römische Herrschaftsstruktur zusammen, es kam zu Verhältnissen jenseits der Provinzgrenzen mit lokalen Herrschaftsstrukturen, die man als Stammeshäuptlinge, Clanchefs oder Warlords bezeichnen kann. Ein Wandel fand in dieser Zeitstatt, der als Einwanderung von "Angelsachsen" gedeutet wird (vermutlich begründet mit verstärkten Kontakten im Nordseeraum). Die keltische Bevölkerung weicht nach Norden aus (vgl. STURM 2019, 24).

Bis in das 8. Jahrhundert erfolgte von Irland aus eine Christianisierung Englands und Schottlands mit einem Aufbau von Bistümern.

Ab dem 10. Jahrhundert gliedert sich das Land in "shires" (später "counties"), die im Prinzip bis heute bestehen blieben.

In vielen "county towns" sieht man aus dieser Zeit auf die angelsächsische Zeit zurückgehend heute noch Burghügel.

Beutezüge aus Skandinavien ab dem 8. Jahrhundert hatten als Ziel eine territoriale Herrschaft zu errichten, die unter Edgar dem Friedfertigen erstmals von einem König der Engländer beherrscht wurde.

  • 1017 erreichten die Versuche unter dem dänischen König Knut ihren Höhepunkt.
  • Danach wurde England von Knuts Stiefsohn Eduard der Bekenner beherrscht.
  • 1066 folgte sein Vetter Wilhelm der Eroberer, Herzog der Normandie. Seinem Wunsch entsprechend kam es 1086 zum "Domesday Boole", einem genauen Katalog aller Orte mit Angaben von Herrschaftsverhältnissen, Haushalten, Steuerleistungen, Pachtzahlungen und Viehbeständen, für die Zeit der Eroberung und der Gegenwart. Ein solches Unterfangen weist auf eine bereits sehr effektiver angelsächsische Verwaltung hin.
2.3 Mittelalter    

Die normannische Eroberung macht England zu einem Herrschaftsgebiet, deren Zentrum jenseits des Kanals lag und stärkte in der regionalen Konkurrenz gegenüber dem seit dem 10. Jahrhundert Königreich Schottland und der Föderation von Herrschaftsgebieten unter einem Großkönig von Irland (vgl. STURM 2019, 27-29).

Ab dem 12. Jahrhundert wurde von den englischen Königen systematisch die Eroberung Irlands betrieben und ab 1155 der Titel "Herr von Irland" geführt. Wichtig war aber die Konkurrenz zur französischen Königsdynastie und Französisch als Gerichtssprache in England im 13. Jahrhundert bis zur Rückkehr von Englisch 1362.

Durch Eheschließungen und Kriege verschoben sich die kontinentalen Besitzungen Englands von der Normandie im Norden nach Aquitanien im Südwesten Frankreichs. Als Friedenangebot gedachte Eheschließung 1308 legte ausgerechnet den Grundstein für den "Hundertjährigen Krieg" (1337-1453).

Nach dem Tod Karls IV. der keine direkten Nachkommen hatte, ging Frankreich davon aus, dass nur Männer den Thron Frankreichs erben konnten. Die englische Seite argumentierte, dass Frauen wohl nicht erben konnten, aber ein Erbrecht weitergeben können. Damit betrachtete Eduard III., dessen Mutter in direkter Linie der französischen Linie entstammte und besagte Ehe 1308 geschlossen hatte, sich als legitimer Thronfolger.

Gegen Ende des Krieges mobilisierten die Franzosen ihre Ressourcen, auch dank der "Jungfrau von Orleans" Jeanne D'Arc, die mit Überzeugungskraft die französischen Truppen motivierte.

Die Besitzungen der englischen Könige am Kontinent bestanden nur mehr aus der Stadt Calais. Mit der Niederlage im Hundertjährigen Krieg folgte zwischen 1455-1485 folgte mit den "Rosenkriegen" der Häuser Lancaster (rote Rose) und York (weiße Rose) ein Konflikt um den Besitz der englischen Krone.

Die englische Königherrschaft des Mittelalters beruhte auf Kooperation mit der lokalen Aristokratie bei der Steuererhebung und von Soldaten, mit dem Klerus in der Armenpflege und im Bildungswesen mit den im 11. bzw. 13. Jh. nachgewiesen Universitäten Oxford und Cambridge und den in den Städten höheren Kathedralenschulen.

Aristokratie, Klerus und Städte beanspruchten im Gegenzug ein Mitspracherecht bei den politischen und rechtlichen Entscheidungen, in der Folge vergrößerte sich die Autonomie und stärkte die Position der Barone und Bischöfe sowie der Vertreter der "shines" und Städte, die in der Folge sich zum englischen Parlament entwickelte.

1215 kam es zu Zugeständnissen in der "Magna Carta Libertatum" mit einem neuralen Gerichtswesen, einer Standardisierung von Maßen und Gewichten, Reiserfreiheiten der Kaufleute und Privilegien der englischen Kirche und der Stadt London. Allerdings beschränkte die Carta auch die Rechte von Juden, die 1290 unter Eduard I. des Landes verwiesen wurden. Unter Eduard III. setzte das Parlament den Anspruch durch, allen Gesetzen und Steuern zustimmen zu müssen. Im frühen 15. Jh. wurde für die Grafschaften ein einheitliches Wahlrecht eingeführt, das bis in das 19. Jahrhundert galt und ebenso das "Common Law" des angelsächsischen Rechtsystems mit der Beteiligung von Geschworenen.

Im Gegensatz zum kontinentalen Feudalsystem wurden in England früh Arbeits- und Abhängigkeitsverhältnisse vertraglich geregelt. Adel und Klerus genossen weniger Vorrechte vor Gericht.

Der Umgang mit Landbesitz ging beim Kauf, Verkauf und der Nutzung vermehrt auf den kommerziellen Wert ein. Es entstehen in der Folge große Landgüter in der Folge. Produktiv wird besonders die Woll- und Tuchproduktion. Darauf verweist immer noch der Wollsack, auf dem der "speaker" des Oberhauses sitzt. Ein Hanse-Kontor im Londoner Stahlhof ("steelyard") im 14. Jahrhundert weist auf die wirtschaftliche Bedeutung Englands im Nordseeraum hin.

2.4 Reformation    

Die neue Herrscherfamilie der Tudors will die Stärkung der Krone und eine Vertiefung der dynastischen Beziehungen (vgl. STURM 2019, 30-33).

Heinrich VII. verheiratete den ältesten Sohn Arthur 1501 mit der spanischen Königstochter Katharina. Nach dem Tod Arthurs verblieb Katharina in der Familie. Eine Ehe mit dem Bruder Arthurs Heinrich VIII. wurde vom Papst erlaubt. Da eine Tochter aus der Ehe hervorging, war die Erbfolge unklar. Die erste Ehe mit Katharina wurde vom Papst nicht annulliert, heiratete Heinrich VIII. ohne Zustimmung des Papstes die Hofdame Anne Boleyn, die zweite von sechs Ehen, aus denen nur drei überlebende Kinder hervorgingen.

1534 führte dies zum Bruch mit Rom und zu Exkommunikation des Königs. Im entstandenen religiösen Freiraum wurde für eine Konversion des Landes zum Protestantismus oder eine ganz individuelle Prägung sich ausgesprochen. Um 1538 versuchte die Krone die Enteignung des Klosterbesitzes zu rechtfertigen.

Wichtiger als theologische Fragen war aber die Anerkennung der Autorität des Monarchen über die Kirche. Der Bruch mit Rom isolierte bis 1560 England gegenüber dem katholischen Schottland. Rückschläge gab es auch gegenüber dem irischen Parlament eine zentralistische Herrschaft durchzusetzen.

Die Erbfolge war durch die Geburt Eduard VI. gesichert, der als Neunjähriger den Thron bestieg. Nach dem frühe Tod wurde die älteste Tochter Maria I. mit Anerkennung des Parlaments erste Königin des Landes. Damit war eine weibliche Nachfolge offiziell geregelt. Marais Versuch zur Rückkehr zu katholischen Religion trug zur Verhärtung religiöser Konflikte bei. In der Folge kam mit der Tochter Anne Boleyns Elisabeth I. auf den Thron, die einen moderaten Protestantismus mit katholischen Elementen zur Staatsreligion machte.

Große soziale Probleme sollten durch steuerfinanzierte kommunale Armenfürsorge gelindert werden. Die Invasion der "Armada" 1588 konnte abgewehrt werden, womit sich die Dominanz Englands über die Britischen Inseln festigte und England Seemacht wurde.

In Irland setzte mit englischen Pächtern eine planmäßige Besiedelung ein. Der Konflikt mit Schottland spitzte sich mit der schottischen Königin Maria Stuart zu, die Ansprüche auf den englischen Thron erhob. 1567 erfolgte ihre Abdankung und ihre Gefangenschaft in England. 1587 ließ Elisabeth I. sie hinrichten. Jakob I. folgte der kinderlosen Elisabeth auf dem Thron.

2.5 Englische Revolutionen    

In der Personalunion zwischen England, Schottland und Irland, das 1542 unter Heinrich VIII. zum Königtum erhoben wurde, gab es über die religiöse Toleranz und Kirchenorganisation in der Folge Auseinandersetzungen. Jakob I. versuchte durch eine autorisierte Bibelübersetzung (King James Version, 1604-1611) individuelle Interpretationen einzuengen (vgl. STURM 2019, 33-37).

Karl I. in der Nachfolge förderte einen quasikatholischen Gottesdienst und rief damit den Widerstand von Puritanern hervor. Zudem versuchte er ohne das Parlament zu regieren. 1642 kam es zur Konfrontation von Krone und Parlament, zum offenen Bürgerkrieg zwischen Anhängern der Staatskirche und Puritanern sowie von englischen, schottischen und irischen Interessen.

1649 endete der Konflikt mit dem militärischen Sieg der Parlamentspartei unter Oliver Cromwell (1599-1658), der Verurteilung von Karl I. und seiner Hinrichtung. Widerstand in Irland wurde von Cromwell brutal unterdrückt. Karl II. versuchte seinem Vater in Schottland auf dem Thron zu folgen und scheiterte.

England, Schottland und Irland wurden eine Republik (Commonwealth of England), in der die Armee eine zentrale Bedeutung erhielt. Entgegen einer demokratischen Ordnung war der Anspruch Cromwells auf eine Stellung als "Lord Protector"ab 1653 des "Commonwealth of England, Scotland und Ireland". Sein Sohn Richard Cromwell wurde sein Nachfolger.

1651 leitete Thomas Hobbes im "Leviathan" eine Monarchie aus einem Vertrag zwischen Herrschern und Beherrschten ab. Das Bekenntnis zum Commonwealth waren religiöse Toleranz, Wiederzulassung von Juden in England und englische Handelsinteressen, in der Folge kam es zu Kriegen gegen Spanien und die Niederlande.

Mit dem Tod Cromwells wurden die Schwächen des Regierungssystems sichtbar. 1660 wurde Karl II. auf Einladung des Parlaments legitimer Monarch. Man bemühte sich um eine moderate Religionspolitik und Kooperation mit dem Parlament. Als Hindernis zeigte sich das Bekenntnis des Thronfolgers Jakob II. zum Katholizismus. Die religiöse Toleranz in der Folge stieß auf Widerstand der Anglikanischen Staatskirche. Als mt der Geburt eines Sohnes eine katholische Thronfolge drohte, ergriff Jakobs Schwiegersohn Wilhelm von Oranien, Generalsatthalter der Niederlande, die Gelegenheit zu einer Invasion, vor der Jakob II. nach Irland floh.

Die Konsequenz war das Entstehen von zwei politischen Netzwerken. Die "Whigs" betonten die Autorität des Parlaments, die "Tories" die Notwendigkeit einer Erbmonarchie zur politischen Stabilität. Als Kompromiss übertrug das "Convention Parliament", das sich aus eigenem Antrieb versammelte, 1688/89 die Krone auf Maria II. als Tochter Jakobs II. und ihren Mann Wilhelm III von Oranien. Zugleich wurde die Anerkennung einer "Bill of Rights" 1689 durchgesetzt. Damit war die Beteiligung des Parlaments an der Gesetzgebung und Steuererhebung festgeschrieben. Den Abgeordneten wurde Immunität gewährt, ebenso die Unabhängigkeit der Justiz und die parlamentarische Kontrolle des Militärs gesichert. 1694 wurde die Wahlperiode auf drei Jahre und 1712 auf sieben Jahre begrenzt.

Die "Glorious Revolution" schrieb die Souveränität des Königs im Parlament fest und dokumentierte die Regeln der Erbfolge durch das Parlament. 1701 schloss das Parlament katholische Erben von der Thronfolge aus. 1707 kam es zur Vereinigung der Königreiche Schottland und England zu "Großbritannien", einem Land mit einem Parlament, aber unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen, Rechtssystemen und Kirchenordnungen. Schottland kannte kein Monopol einer Staatskirche.

2.6 Aufstieg zur Macht    

Im Folgenden wird auf den Aufstieg als Machtfaktor des Landes eingegangen (vgl. STURM 2019, 37-46).

2.6.1 Stellung der Monarchie    

Die Stellung der Monarchen aus dem Hause Hannover war schwach, strukturell und durch persönliche Eigenheiten. Georg I. hatte seine Frau inhaftiert und reiste mit seiner Mätresse, Georg II. bevorzugte Hannover, Georg III. war ab 1788 geisteskrank, Georg IV. hatte amouröse Beziehungen, verursachte enorme Schulden und eine prunkvolle Krönung mit öffentlichem Disput mit seiner Frau. Wilhelm IV. war für rüde Manieren bekannt. Die ersten Jahre der Herrschaft Viktorias waren von Hofskandalen gekennzeichnet.

Unter Georg I. entstand das Amt eines "Premiermisters", das die Regierungspolitik gestaltete. Das Amt benötigte das Vertrauen der Krone, der Mehrheit des Parlaments und wurde von der Krone ernannt.

Die politischen Parteien Whigs und Tories im 18. Jahrhundert zerfielen in viele Fraktionen durch regionale und persönliche Bindungen. Als parlamentarische Opposition erwiesen sich die Jakobiner, ihr Ausmaß zeigte sich in Aufstandsversuchen 1715 und 1745 in Schottland.

2.6.2 Hegemonialmacht    

Die Abschaffung der Vorzensur 1695 erleichterte Debatten. In der Folge durfte die Presse auch über Debatten ab 1770 im Parlament berichten. Religiöse Kontroversen wurden entschärft. Es galt die Mitgliedschaft in der anglikanischen Staatskirche in England und Irland zwar zur Zulassung zum Studium und für öffentliche Ämter. Protestantische Nonkonformisten wie die Quäker im 17. Jahrhundert wurden kaum behelligt, im 18. Jahrhundert wurden die aus der anglikanischen Kirche hervorgegangenen Methodisten eine Massenbewegung.

Im 18. Jahrhundert erlebte das Land einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Mit der Gründung von Bank of England als Aktiengesellschaft und dem Recht einer Ausgabe von Banknoten 1694, der Bank of Scotland 1695, Handelsbanken und auch ländlichen Hypothekenbanken wurde der Handel erleichtert, ließ in der Folge London zum Finanzplatz werden. 1801 kam mit der Stock Exchange (Börse) ein Markt für Staatsanleihen und Aktien dazu.

In der Landwirtschaft kam mit der Verbesserung von Anbautechniken und verbesserten Eigentums-, Besitz- und Verfügungsrechten im Kontext wachsender Städte zu einer besseren Versorgung.

Ein dynamisches Wirtschaftswachstum erfolgte, Produktion und Konsum veränderten sich. Gründe waren die geographische Lage, lange Küstenlinien, Flüsse und der Bau von Kanälen in der Folge mit einer Reduktion der Transportkosten. Der Ausbau des Kohlebergbaues, höhere Löhne und geringe Energiekosten ergaben Investitionen in arbeitssparende Maschinen. Die Textilproduktion am Ende des 18. Jahrhunderts war weitgehend mechanisiert.

Ach die Kultur erfuhr eine Kommerzialisierung in großen Städten mit Konzerten, Vergnügungen (Londoner Vergnügungspark Vauxhall Gardens) und Kunstwerken (etwa William Hogarth).

Mit Wilhelm III. beginnt ein Konflikt mit Frankreich, der bis 1815 die europäischen Mächtebeziehungen betrifft. Durch seine Dauer verstärkt sich die Ausbildung eines antifranzösischen Bewusstseins. Mit dem Sieg 1815 über das napoleonische Frankreich, letztlich mit der Stärke der Marine, wurden die ertragsreichen Handelsbeziehungen und die Stabilität des britischen Regierungssystems unter Beweis gestellt.

In Irland verlief die Entwicklung anders. Die Krone war stärker seit dem 16. Jahrhundert durch Repression als durch Konsens vorhanden. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch den Ausschluss der katholischen Mehrheitsbevölkerung am parlamentarischen Partizipationsprozess. In der Landwirtschaft kam der Aufschwung im 18. Jahrhundert vor allem dem Großgrundbesitz, der oft in England wohnte, zugute. Irland profitierte kaum von der beginnenden Industrialisierung. Der Zusammenschluss Großbritanniens und Irlands zum "Vereinigten Königreich" 1801 verminderte zum Teil die Spannungen, wurde doch das Versprechen einer Diskriminierung von Katholiken gebrochen.

6.2.3 Industriemacht    

Mitte des 19. Jahrhunderts lebte mehr als die Hälfte der englischen Bevölkerung in Städten, während man am Kontinent überwiegend ländlich war. Erheblich waren die sozialen und hygienischen Probleme der Industriestädte. Der Ausbau der Kanalisation, die Verbesserung der Wasserversorgung und Ansätze eines sozialen Wohnbaues waren vorhanden.

Wesentlich waren der frühe Aufbau eines Eisenbahnnetzes ab 1825, der die Transportkosten senkte und die Reisetätigkeit förderte. Die Telegrafie ab 1838 und ein günstiges Postwesen ab 1840 förderten die Kommunikation. Der wachsende Wohlstand beschleunigte den Ausbau des Bildungssystems mit einem Elementarschulwesen ab 1870, ein Netz privater, kirchlicher und karitativer Bildungsangebote wurde immer dichter. Universitäten für alle wurden in den großen Städten gegründet. Oxford und Cambridge hatten zuvor Nonkonformisten und Katholiken von Studium ausgeschlossen.

Politisch wurden Spannungen durch Reformen gelöst. Beschränkungen für Angehörige christlicher Konfessionen wurden 1828/1829 aufgehoben, bis 1858 blieb es bei Einschränkungen für Juden. 1832, 1867 und 1884 wurde das Wahlrecht immer größeren Gruppen von Männern verliehen und die Größe der Wahlkreise vereinheitlicht. Bevorzugt wurden damit die größeren Industriestädte, statistisch benachteiligt war London.

In der Folge kamen Reformen in der Lokalverwaltung, des Armenrechts, der Zoll- und Handelsgesetzgebung, des öffentlichen Dienstes, des Miiltärs, des Gerichtswesens und der alten Universitäten.

Infolge der Reformen verschoben sich die institutionellen Gewichte, die Bedeutung des Monarchen nahm fortlaufend ab, zunehmende Bedeutung erhielt der Premierminister, Im Parlament verschoben sich die Gewichte vom Oberhaus zum Unterhaus mit dem Primat im Finanzbereich 1911. Im Parteiensystem spaltete sich von Tories in der Auseinandersetzung über den Freihandel ein Flügel ab und bildete die "Liberale Partei".

in England und Schottland kommt es in der Viktorianischen Ära somit zu graduellen Ausweitungen politischer Partizipationsrechte und wachsendem Wohlstand. in Irland dagegen kommt es um 1840 zu einer großen Hungersnot mit der Folge massenhafter Auswanderung. In der Folge kam es bis in die sechziger Jahr zu einer in Europa einzigartigen Bevölkerungsabnahme.

Gegen Ende des Jahrhunderts verminderte sich der Abstand zwischen den Britischen Inseln und den großen Industriemächten wie dem Deutschen Reich und den USA. In Großbritannien führten soziale Missstände, die Diskussion über das Frauenwahlrecht und ungleiche Vermögensverteilung zu großen Demonstrationen. Mit der "Labour Party" kam es zu einer neuen politischen Bewegung. In der Folge wurden neue Systeme sozialer Sicherung wie die Altersrenten 1908, die Krankenversicherung und Versicherung gegen Arbeitslosigkeit ("National Insurance" 1911) eingeführt.

6.2.4 Zäsur in der Weltkriegs-und Nachkriegszeit    

Als einer der Siegermächte des Ersten Weltkrieges mit enormen Opferzahlen kam es zu breiten politischen Diskussionen. 1918 erhielten Männer über 21 und Frauen über 30 das Wahlrecht. Ab 1928 durften auch Frauen mit 21 wählen. Höhere Steuern verminderten Vermögensunterschiede (vgl. STURM 2019, 46-49).

1921 schied der größere Teil Irlands nach gewaltsamen Protesten durch den "Anglo-Irischen Vertrag" als Freistaat Irland aus dem Vereinigten Königreich, Nordirland verblieb weiterhin.

Der Süden Englands entwickelte sich durch eine Konsum- und Freizeitindustrie, Infrastrukturprojekte, Wohnungsbau und einen Finanzsektor dynamischer als der Rest des Landes.

Die Weltwirtschaftskrise und die Herausforderungen durch das "Dritte Reich" führten zwischen 1931 und 1935 zu einer Bildung nationaler Regierungen mit breiten Koalitionen. Die Bemühungen einen Interessensausgleich zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern und damit Stabilität am Kontinent ("appeasment") herzustellen, waren 1939 gescheitert. Das Vereinigte Königreich mit seinen Kolonien und im Bündnis mit den Dominions erklärte nach dem deutschen Angriff auf Polen dem Dritten Reich den Krieg. Mit Winston Churchill war ein Premierminister mit großer Überzeugung an der Regierung.

Nach den Blitzkriegen stand das Vereinigte Königreich vom Sommer 1940 bis zum deutschen Angriff auf die Sowjetunion allein einem von Gegnern kontrollierten Kontinent gegenüber. Für die Belastbarkeit und die Mobilisierung von Ressourcen für einen Sieg 1945 im Zweiten Weltkrieg war die Unterstützung der USA und die Partnerschaft der Sowjetunion notwendig.

Das Land erlebte unter der Labour Party einen sozialpolitischen Aufschwung mit einer umfassenden Grundsicherung gegen Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit und einem umfangreichen Wohnbauprogramm. Die Nationalisierung vom Kohlebergbau (1946), der Eisen- und Stahlproduktion (1951 und 1967) sowie der Eisenbahn (1948) entsprachen der Konzeption einer staatlich gesteuerten Wirtschaft.

Das starke Wachstum und die höheren Einkommen führten in der Folge zur Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem "Commonwealth of Nations" (eine 1921 eingeführte Bezeichnung für das Britische Weltreich bzw. seine Nachfolgestaaten). Dies führte zu einem religiösen Pluralismus (Islam, Hinduismus).

In der Nachkriegszeit blieb das Land eine bedeutende Militärmacht, eine der größten Volkswirtschaften und ein wichtiger außenpolitischer Akteur.

Mit dem Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1973 fiel die wirtschaftliche Produktivität hinter die westdeutsche und US-Konkurrenz. Die Inflation mit bis zu 25 Prozent erreichte ein besorgniserregendes Niveau. Der Zweifel an den Folgen der Wirtschaftspolitik trug 1979 zur Wahl Margaret Thatchers zur Premierminis bei. Ihr Programm war wirtschaftliche Deregulierung, Entmachtung der Gewerkschaften, Einengung des Sozialstaates, Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Stärkung von Polizei und Militär. Bis 1997 blieb die Konservative Partei an der Macht.

Abgelöst wurde sie durch die "New Labour" unter Tony Blair, dessen Programm sich deutlich von den bisherigen Tendenzen der Partei unterschied. Profitiert wurde von einem Aufschwung im Finanzsektor, in den Dienstleistungen und der Kulturindustrie ("Cool Britannia"). Mit der Finanzkrise 2008 erlebte das Land einen harten konjunkturellen Einbruch. Außenpolitisch orientierte man sich stark an den USA. Die Kriitk an den Folgen einer europäischen Integration schwoll über die Parteigrenzen stark an.

Innenpolitisch wurden die Beziehungen der Landesteile neu geordnet. 1998 gelang eine provisorische Lösung des Konflikts zwischen den Anhängern und Gegnern eines Anschlusses Nordirlands an die Irische Republik, der seit den siebziger Jahren in den "Troubles" eskaliert war. 1998/1999 erhielten Nordirland, Schottland, Wales und London regionale Parlamente.

2.7 Empire - Commonwealth - Dekolonisation    

Mit dem Referendum vom 23. Juni 2016 über einen Austritt aus der Europäischen Union schien ein Signal gegeben zu werden, man wolle zur bindungslosen Größe vor dem Zweiten Weltkrieg zurückkehren.

London hatte ein Imperium regiert, das Kolonien auf allen Kontinenten umfasste. Das "British Empire" war das bevölkerungsreichste und flächenmäßig größte Weltreich der Geschichte. Man träumte erneut von einem "Greater Britain" englischsprachiger Länder eventuell unter englischer Dominanz und auf Augenhöhe als Partner der USA ("special relationship").

Von Interesse ist die welthistorische Bedeutung des Empire mit den Regionen Nordamerikas, der Karibik, Asiens, Afrikas und pazifischen Raumes (vgl. JACKSON 2015; STURM 2019, 52-64).

Nach der Jahrhundertwende war das Empire territorial nicht mehr gewachsen (vgl. WENDE 2009).

Nach dem Ersten Weltkrieg kamen früher deutsche Kolonien (Deutsch-Ostafrika) und arabische Provinzen des Osmanischen Reiches (Irak, Jordanien, Palästina) unter britische Kontrolle als Mandate des Völkerbundes. 1932 wurde der Irak souverän mit dem britischen Zugriff auf die Erdölquellen. In Palästina standen die Briten hilflos vor den Konflikten zwischen Arabern und einwandernden Juden. 1948 verließen sie die Region, nachdem sie jeden Einfluss verloren hatten.

Die Kolonien wurden in der Zwischenkriegszeit immer wichtiger. Eine wirtschaftliche Weltmacht war das Land nicht mehr, allerdings ein weltpolitischer Akteur. Das Empire wurde auch mental bedeutender für die Briten als vor 1914. Die BBC, Schulbücher und Kolonialausstellungen widmet sich dem Empire. Das diamantene Thronjubiläum von Queen Victoria 1897 ließ nochmals das Empire populär werden.

Den Zweiten Weltkrieg überstand das Empire äußerlich scheinbar schadenlos. Wichtige Kriegsbeiträge der Dominions leisteten Kanada, Australien und Neuseeland. Indien durch aktive nationalistische Bewegung und Ceylon konnten sich Hoffnung auf baldige Unabhängigkeit und den Dominion-Status machen. 1947/1948 wurden sie mit Burma unabhängig. Indien wurde gegen britische Pläne in die Indische Republik und den Muslim-Staat Pakistan geteilt. In Malaysia kämpften die Briten bis 1960 gegen Rebellen, in der Folge kam es zum 1963 zum Stadtstaat Singapur. Hongkong blieb von asiatischen Imperium übrig, 1997 wurde es an China übergeben.

Die Dekolonisation in der Folge Afrikas, im Indischen Ozean (Mauritius) und im Mittelmeer (Zypern, Malta), am Persischen Golf (Emirate), In der Karibik, in Mittelamerika (Honduras/heute Belize) und Südamerika (Guyana) war ein politischer Prozess (vgl. JANSON-OSTERHAMMEL 2013).

  • 1956 begann der Prozess mit der Unabhängigkeit des Sudan und der "Suezkrise". Die "heiße Phase" kann bis 1964 datiert werden.
  • Malaysia und Kenia waren gewaltvolle Auseinandersetzungen, gewaltlos die Teilung Südasiens.
  • Ein großes Problem bildeten die weißen Siedler im südlichen Afrika. Südrhodesien ging durch eine Siedlerrevolte und einen lange Guerillakrieg. 1980 wurde durch britische Vermittlung "Simbabwe".
Das Kolonialwesen und seine Herrschaftsformen hatte sich historisch überlebt.

Kolonialer Nationalismus bildete sich, Verschiebungen im weltpolitischen Kräfteverhältnis ("Kalter Krieg") waren zu beachten, eine Weltwirtschaft mit transnationalen Konzernen entwickelte sich zunehmend und normativ-politisch gab es eine Delegitimierung von Kolonialismus und Rassismus in internationalen Foren wie in den Vereinten Nationen.

3 Westminster - Demokratie    

Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ( "United Kingdom"/UK) ist eine liberale Demokratie mit Besonderheiten. Es gibt kein Verfassungsdokument. Historisch gesehen hat sich das Land wie die Monarchie und das Parlament neuen Herausforderungen bruchlos angepasst. Damit ergibt sich politische Kontinuität und Stabilität (vgl. STURM 2019, 76-90).

Eckpunkte der "Westminster-Demokratie " bilden

  • eine flexible Verfassung mit direkter Linie von der "Magna Charta" 1215 über die "Petition of Rights" 1628 bis hin zur "Habeas-Corpus-Gesetzgebung" 1678. Zahlreiche im politischen Alltag verankerte Konventionen beruhen aus pragmatischen Problemlösungen mit allgemeiner Anerkennung.
  • Der lange Prozess zur heutigen Demokratie ist jedoch teilweise ein Mythos der parlamentsfreundlichen Geschichtsschreibung (vgl. MAUER 2014; STURM 2019, 78-79). 1688/1689 veränderte sich das britische Gemeinwesen grundlegend und nicht gewaltfrei (vgl. Kap. 2.5). In der "Glorious Revolution" setzte sich das Parlament gegen die Monarchie der Stuart-Könige durch. Die Souveränität des Monarchen wurde durch die Unabhängigkeit des Parlaments ersetzt. Das Parlament bestimmte die Bedingungen des neuen Monarchen die Krone übertragen werden sollte, wobei die Krone die Parlamentsgesetze zu beachten habe. Die Anglikanische Kirche wurde als Staatskirche bestätigt mit einer Regelung der Thronfolge.
  • Mit der "Bill of Rights" 1689 wurden die Privilegien des Parlaments als Autonomierechte des Parlaments wie die Steuerhoheit, Redefreiheit im Parlament, freie Wahlen und die Zustimmung zum Aufstellen einer Armee in Friedenszeiten festgelegt. Kompetenzen des Monarchen (königliche Vorrechte) bis heute de jure sind der Eid der Streitkräfte auf den den Monarchen, die Entscheidungen über Kriegserklärungen (als Konvention die Zustimmung des Unterhauses), die Außen- und Vertragspolitik des UK, Begnadigungen und Ernennungen wie die des Premierministers ohne Wahl im Parlament.
  • In der politischen Realität stößt die Doktrin der Parlamentssouveränität an Grenzen und erzeugt Widersprüche (vgl. die EU-Gesetzgebung und die Brexit-Volkabstimmung). Man beachte auch, dass alle internationalen Verträge des Landes auch das Parlament binden.
  • Die Doktrin der Parlamentssouveränität beinhaltet immer, dass die politische Entscheidung im Parlament Vorrang vor der Rechtssprechung hat. Das gilt auch für Grund- und Menschenrechte, deren Schutz seit dem Jahr 2000 im "Human Rights Act" verankert ist.
Das britische Parlament arbeitet mit zwei Kammern, dem Oberhaus ("House of Lords") und dem Unterhaus ("House of Commons").

Das Unterhaus hat sich in der Parlamentsgeschichte zur entscheidenden Kammer entwickelt.

  • Seit dem "Parliament Act" von 1949 kann das Oberhaus Gesetzesbeschlüsse des Unterhauses nur noch ein Jahr lang aufhalten. Gesetze des Haushalts können nicht blockiert werden.
  • Regierungsmitglied kann nur jemand werden, wenn er in einem der beiden Häuser des Parlaments einen Sitz hat.
  • Verliert ein Minister bei einer Wahl seinen Wahlkreis und damit sein Mandat im Parlament, bedeutet dies das Ende seiner politischen Laufbahn.
Das Oberhaus hat mit der Reform 1999 den Charakter einer Adelskammer verloren. Die Mitglieder werden von einer unabhängigen Kommission ("Appointments Commission") und vor allem vom Premierminister ausgewählt. Ernannte Lords und Erblords sind weltliche Peers (Lords Temporal) im Unterschied von den kirchlichen Würdenträgern (Lords Spiritual).

Das Unterhaus "Redeparlament" ist gekennzeichnet durch hitzige Debatten. Der "Speaker" erteilt das Rederecht. Die Ausschüsse zur Gesetzgebung werden für jedes Gesetzgebungsvorhaben neu zusammengesetzt. Die Opposition hat traditionell die offizielle Rolle als Gegenspieler der Regierung und als Regierung im Wartestand. Der Oppositionsführer besitzt das staatliche Amt als "alternativer Premierminister" mit einem "Schattenkabinett".

Die Parlamentseröffnung mit dem jährlichen Gesetzgebungsprogramm findet im Oberhaus statt, die Debatte über die Thronrede, verfasst vom Premierminister, dagegen im Unterhaus.

4 Autonomie von Wales und Schottland    

Das UK wurde über Jahrhunderte als Zentralstaat regiert. London war die Machtzentrale und das Westminster-Parlament der Hort der nationalen Souveränität (vgl. STURM 2019, 99-117).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkämpfte sich der Süden Irlands (heute Republik Irland) die Unabhängigkeit. Der Anglo-Irische Vertrag 1921 spaltete die Irische Insel. Nordirland blieb ein Teil des UK, erhielt 1921 bereits ein eigenes Parlament in Belfast ("Stormont").

Auch in Wales und Schottland waren bereits Ende des 19. Jahrhunderts Forderungen nach "Home Rule", also nationaler Selbstregierung laut geworden. Für Schottland entstand eine Verwaltung in Edinburgh ("Scottish Office"), geleitet von einem Regierungsmitglied in London (Schottlandminister) (vgl. in der Folge STURM 1981).

In der Zwischenkriegszeit bildeten sich nationalistische Parteien in beiden Landesteilen, die nationale Unabhängigkeit forderten. Das Bewusstsein nationaler Identität äußerte sich in der Idee einer Angrenzung dieser Landesteile zu England.

4.1 Wales    

Im 16. Jahrhundert wurde Wales in den Londoner Herrschaftsbereich eingenommen (Act of Union 1536 und 1543).

1689 wurde die Regionalverwaltung für Wales ("Council of Wales and the Marches") aufgelöst.

1850 endete schließlich das eigenständige walisische Reichswesen ("Courts of Great Session").

Das walisische Nationalbewusstsein überlebte

  • durch die Nationalsprache ("Waliser Gälisch") und
  • durch die Reformation eingeleitete Abkehr von der Anglikanischen Staatskirche und Gründung der Kirchengemeinschaften der Methodisten und Baptisten (1588 Bibelübersetzung in Waliser-Gälisch, Etablierung in der Folge als Kirchensprache). 1914 wurde der Status der Anglikanischen Kirche als Staatskirche beendet.
  • 1893 wurde die "University of Wales" mit den Colleges Aberystwyth, Bangor und Cardiff gegründet.
  • Die walisische Sprache war durch den "Industrielle Revolution" bedroht, zeitweise im 19. Jahrhundert von der britischen Regierung bekämpft worden. Die walisische Nationalhymne war Ausdruck kultureller Autonomie.
4.2 Schottland    

Hier spielte die Sprachenfrage für die Autonomieforderungen keine Rolle. Englisch mit Vokabeln der gälischen Sprache verdrängte zwischen 1157 und 1400 das Gälische in Zentralschottland ("Lowlands"). Seit etwa 1520 wird das hiergesprochene Englisch als "Scots" bezeichnet.

Nach der Niederschlagung der Aufstände von 1719 und besonders 1745, die der Unterstützung der katholischen Monarchie der Stuarts ("Bonnie Prince Charlie") galten, wurden die Highlands völlig der Kontrolle des englischsprachigen Schottlands unterworfen.

  • Den Bewohnern wurden ihre traditionellen Clan-Anführer und Waffen genommen. Kilt, Dudelsack und die gälische Sprache wurden verboten.
  • Ein Teil der Highländer wurde zu Pächtern englischsprachiger Grundbesitzer ("lainds").
  • Missernten und Hungersnöte und als Folge eine Auswanderung verringertem die Zahl der Gälischsprechenden. Vertrieben wurde die verbleibenden Kleinlandwirte ("crofters") bis in das 19. Jahrhundert ("highland clearances"), um Platz für eine Schafzucht und Jagd auf Rotwild zu schaffen.
  • Die Vertreibung der Kerngruppe der Gälischsprechenden bedeutete in der Folge die Verbreitung auf den NW-Küstenstreifen und die Inselgruppe der Hebriden.
  • Im Schulwesen wurde das Gälische mit allen Mitteln bekämpft. Es gibt Berichte, dass auf der Insel Lewis noch bis in die Dreißigerjahre eine Kennzeichnung der Kinder, die Gälisch als Muttersprache verwendeten, praktiziert wurde.
  • Nach dem Zensus 2001 sprechen noch 1,2 Prozent Gälisch. 19 Prozent der Gälischsprechenden leben in Glasgow.
Offensichtlich kommt die Forderung nach schottischer Autonomie nicht aus der sprachlichen Differenz zu England. Wichtiger war die Tradition eigener Staatlichkeit.

  • Bis 1603 war Schottland ein unabhängiges Königreich.
  • Durch den dynastischen Zufall des Aussterbens der Tudors wurde der schottische König James (Jakob) VI. britischer König James I., eine "Union of Crowns" vereinte Schottland mit England und Wales.
  • Erst 1707 entstand ein Staatsvertrag des englisch/ walisischen mit dem schottischen Parlament ("Union of Parliaments"). Schottland, England/Wales wurden zum Staat Großbritannien vereinigt.
    • Die Einheit gewährte Schottland institutionelle Sonderrechte, die eine nationale Identität bewahrten (Unabhängigkeit der schottischen presbyterianischen Staatskirche /"Kirk", Autonomie des schottischen Rechtswesens in Anlehnung an das Römische Recht in Kontinental-Europa).
    • Eigen blieb das schottische Erziehungswesen, das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Denker der Aufklärung hervorbrachte wie David HUME, Adam SMITH und James WATT.
    • Eine symbolische Unterstützung schottischer Identität geben die Distel als nationale Pflanze, der Kult um den Nationaldichter Robert BURNS (" Burns Night" " am 25. Jänner) und der St. Andrews-Tag am 30. November.
5 Nordirlandkonflikt    

Oberflächlich herrscht Frieden in Nordirland. Mit dem Karfreitagsabkommen 1998 begann eine politische Stabilität. Dies bedeutet allerdings nicht Gewaltlosigkeit eines oder des anderen politischen Lagers. 2014 bis 2015 wird von 94 Opfern politischer Gewalttaten und 30 Schießereien berichtet (vgl. MARTIN-MURPHY 2016, 3; STURM 2019, 118-127).

Es sollte nicht das Missverständnis entstehen, dass es Protestanten und Katholiken sind, die gegenüber stehen.

Vielmehr ist der Konflikt das Ergebnis der irischen Teilung 1920, der im Süden einen irischen Freistaat aus 26 Grafschaften gründete (heute die Republik Irland). Den sechs Grafschaften im Norden wurde im Anglo-Irischen Vertrag von 1921 eine fortdauernde Zugehörigkeit zum UK garantiert (vgl. KANDEL 2005).

  • Fortan lebten fast 50 Prozent Nordiren, deren Loyalität der Republik Irland galt, in den Grenzen Nordirlands (katholische Nationalisten).
  • Die knappe Mehrheit hielt dagegen loyal zum UK (protestantische Unionisten).
  • Die Teilung des Landes schuf eine doppelte Minderheitenposition für die Bevölkerung.
    • Die Nationalisten wurden in Nordirland eine Minderheit.
    • Sie gehörten immer noch zur gesamtirischen Mehrheit, die aus der Sicht der Unionisten, ihrerseits Minderheit in Gesamtirland, deren Identität als Briten bedroht.
    • Die Unionisten folgerten daraus, dass sie ihre Vorherrschaft bestmöglich absichern müssen. Aus der Diskriminierung der Nationalisten und der Abwehrhaltung der Unionisten entstand ein Misstrauenspotenzial. Bestärkt wurde dies durch den dreißigjährigen nordirischen Bürgerkrieg 1968-1998.
5.1 Vorgeschichte des Karfreitagsabkommen    

Das von Unionisten dominierte Nordirland (1921-1968) war dominiert durch die Unionisten in der Polizei, die politischen Mehrheitsverhältnisse im regionalen Parlament und den Kommunen durch die Unionisten, manipulierten Wahlkreisgrenzen mit der Verwehrung einer Wahlmöglichkeit weniger wohlhabender Nationalisten.

Politik und Verwaltung waren unter unionistischer Kontrolle. Genützt wurde die Vormachtstellung bei der Vergabe von Sozialwohnungen, öffentlichen Aufträgen an Firmen und Handwerker und Beschäftigung ihrer Anhänger.

Aus Protest der Diskriminierung der Nationalisten gründete sich 1967 eine überkonfessionelle nordirdische Bürgerrechtsbewegung, die auf der unionistischen Seite eine militante Gegenreaktion erzeugte. An der Spitze stand der Leiter der "Free Presbyterian Church" und Gründer der "Democratic Unionist Party" Ian Paisley.

Die steigende Gewalt auf der Straße führte 1969 zu Einsätzen der britischen Armee und einer nordirischen Regierungskrise.

  • Ein Jahr später entschloss sich ein paramilitärischer Flügel der Irish Republic Army (IRA) den bewaffneten Kampf für ein vereintes Irland auf der Seite der Nationalisten aufzunehmen. Ihr politischer Arm, die Sinn-Fein-Partei, und die IRA haben ihre Wurzeln im irischen Unabhängigkeitskrieg zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
  • Auf unionistischer Seite entstanden auch paramilitärische Organisationen wie die Ulster Defence Association oder Ulster Volunteer Force.
Da die britische Regierung nicht willens war, die Armee für die Aufrechterhaltung der bestehenden 0rdnung einzusetzen, forderte sie eine Machtteilung zwischen Unionisten und Nationalisten in Nordirland ("power sharing"). Man war auch bereit, zum Schutz der Nationalisten der Republik Irland eine politische Rolle einzuräumen. 1972 löste London das reformunwillige Stormont-Parlament auf und Nordirland von einem Londoner Nordirland-Minister regiert.

Ebenso scheiterten die Versuche der britischen Regierung, den Terrorismus mit militärischer Gewalt, Internierung von Häftlingen ohne Gerichtsprozess in Lagern und dem Einsatz des Geheimdienstes zu besiegen.

Am 30. Jänner 1972 ("Bloody Sunday") schossen britische Fallschirmjäger auf unbewaffnete Demonstranten in der Stadt Derry (Unionisten nennen sie "Londonderry") und töteten 13 Personen. Erst zwölf Jahr nach dem Karfreitagsabkommen am 15.Juni 2010 bat der britische Premierminister David Cameron um Verzeihung für die Taten der Soldaten.

5.2 Karfreitagsabkommen    

Das Abkommen von 1998 konnte Nationalisten und Unionisten nicht plötzlich versöhnen. Ein Erfolg war schon die Beteiligung aller Konfliktpartner am Gesprächsprozess. Es benötigte ein komplexes Gesprächsmanagement und einen von US-Präsident Bill Clinton nominierten Vermittler Senator George J. Mitchell, um die Konfliktparteien einzubinden.

Voraussetzung für die Verhandlungen war ein Waffenstillstand der IRA, dem sich die Unionisten anschlossen. Nur so konnte die britische Regierung einem Abzug des Militärs und der Freilassung der politischen Gefangenen (Status Terroristen) zustimmen. Zwei Jahre waren für die Zerstörung der Waffen vorgesehen.

Inhalte des Karfreitagsabkommen waren vier Teile.

  • Teil 1 - Auskunft über die Details der Autonomie ("devolution")
  • Teil 2 - Republik Irland erhält ein Mitspracherecht/ Nord-Süd-Ministerrat, seit 2012 interparlamentarische Versammlung des nordirischen und irischen Parlaments
  • Teil 3 - Wunsch der Unionisten auch Einbezug der britischen Seite/ British-Irischer Rat mit UK-Schottland-Wales-Isle of Man und Kanalinseln
  • Teil 4 - Regelung der Garantien für Unionisten und Nationalisten
Das Karfreitagsabkommen ist ein grundlegendes Abkommen, aber auch nicht die letzte Vereinbarung der Konfliktparteien.

6 Steuerparadiese    

Mit den "Panama-Papieren" 2016 wurden die Steueroasen in den Überseegebieten und Kronbesitzungen als "Offshore-Finanzzentren" bekannt (vgl. 2019, 132-134) .

Neben den Jungferninseln zählen Gibraltar, die Kaimaninseln, die Bermudas, Jersey und Guernsey sowie die Isle of Man zu den Steueroasen ("Schatzinseln"). Kein anderes Land verfügt über ein so großes Netz an Steueroasen wie Großbritannien und ist damit am Finanzmarkt bis heute eine Weltmacht.

Diese halbautonomen Staatsgebilde sind die letzten Außenposten des einstigen British Empire.

Unter "Offshore" bezeichnet man Finanzzentren mit vorwiegender ausländischer Kundschaft. Steuerfreiheit und Diskretion sind Grundsätze der Bankgeschäfte.

7 Schulpolitik    

Das Schulsystem im UK besteht seit der Devolution aus vier verschiedenen Untersystemen. So findet man in Schottland, Wales, Nordirland und England jeweils eigenständige Schulsysteme, die ähnlich sind. deren Inhalte und Strukturen durch regionale Behörden bestimmt werden (vgl. STURM 2019, 250-264).

Mit dem "Education Act" von 1944 schuf man die Rahmenbedingungen für ein modernes System der Grundschul- und höheren Bildung in England und Wales. Ähnliche Gesetze folgten in Schottland (1945) und Nordirland (1947).

7.1 Allgemeines    

Im UK besuchen die meisten Lernenden, welche die Primary School (Grundschule) abgeschlossen haben, die Comprehensive School (vergleichbar mit Gesamtschule). Entscheiden kann man noch zwischen Grammar School (vergleichbar mit Hauptschule/MS, in D mit Realschule) und den Independent Schools (vergleichbar staatliche Schulen) bzw. Public Schools (vergleichbar Privatschule). Homeschooling (Hausunterricht) ist mehr als bei uns verbreitet.

Das Schuljahr gliedert sich in drei Teile ("terms"). Die Ferien werden in der Regel von den Schulen nicht selbst festgelegt. Public Schools verfügen über längere Ferienzeiten als die staatlichen Schulen. Im Herbst gibt es den Autumn Term, in der Folge um Weihnachten und Neujahr die Christmas Holidays. Im Februar ist der Spring Term, um Ostern die Easter Holidays, im Mai der Summer Term.

Das Wiederholen einer Klassenstufe ist im UK nicht möglich. Die belegten Kurse werden mit "bestanden" oder "nicht bestanden" zertifiziert und im Zeugnis dokumentiert. Konsequenzen können sein, dass im nächsten Schuljahr ein nicht bestandener Kurs nicht mehr belegt werden kann.

Kritisiert wird, eine Gleichstellung der allgemeinen und beruflichen Bildung sei lange Zeit nicht verfolgt worden.

Erst seit 2015 ist eine Unterrichtspflicht für 16- und 17-Jährige eingeführt worden. Dieser Pflicht können in England Lernende durch den Besuch eines Further Education College nachkommen. Auch im Alter von 18 bis 20 Jahren können diese Colleges zu einer höheren Berufsbildung führten.

7.2 Schulgeschichte    

Für das UK ist im 19. Jahrhundert der Dualismus von gering geschätzten staatlichen und elitären "Public Schools" bestimmend geworden.

  • Seit 1870 im "Forster Act" wurden die Gemeinden gezwungen, über Gemeindeschulräte ("local school boards") Elementarschulen für Kinder zwischen 5 und 10 Jahren anstelle von kirchlichen Schule zu errichten.
  • Seit 1899 überwachte diese ein "Board of Education" in London als zentrales Gegengewicht.
  • 1944 wurde wurde dies zum "Ministery of Education" aufgewertet.
  • 1944 wurde unter den Konservativen (unter Churchill) der "Butler Act" verabschiedet, der das dreistufige Bildungssystem einführte, aber noch an Aufnahmeprüfungen ("eleven plus") für höhere Schulen festhielt.
  • 1964 änderte dies die Labour-Regierung durch die fast vollständige Einführung der Gesamtschule.
  • 1988 führten die Konservativen (unter Thatcher) im "Education Reform Act" gegen die lokale Willkür eine zentralistische Steuerung und einheitliches "National Curriculum" ein.
  • 1992 wurde das "Office for Standards in Education" gegründet, dass die Kontrolle der Examina und Standardtests zu bestimmten Alterszeiten hatte.
  • 1993 wurden die für England typischen "Specialist Schools" eingeführt, die keine Allgemeinbildung in der Sekundarstufe anstrebten, zu speziellen Hochschulen hinführten.
7.3 Schularten    

Primary School (Infant School) - Altersgruppe 3-5

Primary School (Junior School) - Altersgruppe 5-11

Secondary School oder High School bzw. Comprehensive School - Altersgruppe 11-16

Im Laufe der Schullaufbahn werden auf bestimmten Altersstufen offizielle Prüfungen abgelegt ("Key Stage National Curriculum Tests"). Benotet wird von A (bete Note) bis G bzw. U (unbewertbar).

Jeder Lernende entscheidet am Ende der neunten Klasse, welche Prüfungen ("General Certificate of Secondary Education") am Ende der 11. Klasse abgelegt werden. Pflichtfächer sind Englisch, Mathematik und Naturwissenschaft. Die Prüfungen werden in acht bis elf Fächern abgelegt.

Der Abschluss entspricht etwa der "Mittleren Reife" (Deutschland). Danach kann entschieden werden, ob man freiwillig eine weiterführende Schule besucht, eine Ausbildung beginnt oder an der Comprehensive School weiter zwei Jahre bleibt und die sog. A-Levels (allgemeine Hochschulreife/ vergleichbar mit Reifeprüfung) absolviert.

Seit 1998 bestehen Haupttypen staatsfinanzierter Schulen in England.

  • Academy schools - errichtet anstelle der community schools
  • Community schools - lokale Schulen der Gemeinden
  • Free schools - Schulen errichtet von Wohlfahrtsorganisationen oder Wirtschaft bzw. bestimmten Personen/ Gruppen
  • Foundation schools - Schulen von Stiftungen errichtet
  • Voluntary Aided schools - Schulen mit (keinem) konfessionellem Charakter
  • University technical colleges - Schulen einer Sponsorenuniversität oder lokaler Wirtschaft
8 UK und Europa    

Winston CHURCHILL hatte bereits 1930 das Verhältnis des UK zu einer Vision einer Europäischen Gemeinschaft beschrieben. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wiederholte er diese Auffassung in seiner berühmten Rede in der Züricher Universität 1946 und beim Gründungskongress des Europarates in Den Haag 1948.

"Wir haben unseren eigenen Traum und unsere eigene Aufgabe. Wir stehen an der Seite Europas, sind ihm aber nicht zugehörig. Wir sind mit Europa verknüpft. aber nicht in ihm enthalten. Wir sind an Europa interessiert und ihm verbunden, gehen aber nicht in ihm auf" (vgl. STURM 2019, 457).

Die britische Zurückhaltung gegenüber dem Schuman-Plan 1950 zur Vergemeinschaftung der Kohle- und Stahlproduktion und den Ergebnissen der vorbereitenden Konferenz in Messina 1955 für die "Römischen Verträge" (1957) kann kaum überraschen. Deshalb lehnte das UK trotz expliziter Einladung seine Beteilung an den europäischen Gemeinschaften EGKS (1951) und EWG/ EURATOM (1957) ab.

Zwar revidierte das UK unter dem Eindruck seiner dramatisch veränderten weltwirtschaftlichen Position wenig später seine Ablehnung. Aber zwei Versuche 1961 und 1967 scheiterten am Widerstand Frankreichs Präsidenten de GAULLE und so gelang erst 1973 der Beitritt des UK.

Als Ausdruck des komplizierten Verhältnisses zu Europa und seinen Gemeinschaften, kann man das Brexit-Referendum vom 21. Juni 2016 sehen (vgl. ADAM 2019).

Zur Diskussion ergeben sich in der Folge die Fragen

  • der geographischen und historischen Situation des UK als europäischer Staat und seine unbequeme Partnerschaft,
  • der Gründe für das Brexit-Referendum und seine zukünftigen Folgen sowie
  • die Vorbehalte und Zukunftsängste des UK und seiner Bevölkerung.
Im folgenden Kapitel wird versucht, in Teilbereichen Antworten zu finden.

9 UK in der Weltpolitik    

Die diffizile Position des UK in der Weltpolitik kann nicht besser, als in der berühmten Rede des damaligen US-Außenmisters Dean Acheson 1962, dargestellt werden (vgl. STURM 2019, 488).

Er befand,

  • das UK habe sein Weltreich verloren,
  • seine Rolle in der internationalen Politik noch nicht gefunden,
  • das UK werde nicht länger in der Lage sein, unabhängig von Europa eine eigenständige weltpolitische Rolle spielen.
Die Aktualität der Rede ist mehr als 50 Jahre später bemerkenswert.

Das UK suchte mit einem ersten Antrag auf Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften 1961 mindestens seine Position in der Weltpolitik nach dem Beitritt zur EG 1973 ausfüllen zu wollen.

Mit dem Austritt des Landes aus der EU 2016 verlor man die europäische Orientierung.

Damit steht das UK 2021 erneut vor ähnlichen Herausforderungen, seine weltpolitisch Rolle zu definieren.

Die These könnte lauten, dass der Austritt des UK zur Folge hat, dass das Land seine weltpolitische Rolle verstärkt global einnimmt, aber durch den Brexit eine solche Rolle in Frage gestellt ist. Der Widerspruch steht in einer außenpolitischen Krise.

Es geht demnach um wichtige Machtressourcen, die Sonderbeziehungen zu den USA und dem Commonwealth. Mehr als 40 Jahre war das UK Mitglied in der EU, hatte eine einzigartige Position an der Schnittstelle zu den USA und dem Commonwealth > Europa - USA - Commonwealth.

Tony Blair hatte in den neunziger Jahren die Absicht, das UK als "Brücke" zwischen der EU und den USA zu positionieren, ist für diese These ein Beispiel.

Es ist keine Übertreibung, den Brexit als eine der folgenreichste Zäsuren seit dem Zweiten Weltkrieg zu bezeichnen, vergleichbar nur mit dem Ende des Weltkrieges und des Empires.

9.1 Machtressourcen    

  • Militärische Stärke - Kernbereich des eigenen Selbstverständnisses und Akzeptanz der Rolle auf internationaler Ebene/ Irakkrieg, Afghanistan, NATO-Mitglied und Nuklearmacht
  • Wirtschaftliche Stärke - internationale Handelsabkommen, Währungspolitik, Entwicklungshilfe, London als Finanzzentrum ( vgl. Brexit mit wirtschaftlichen Risiken/ Konkurrent Frankfurt/M. [EU] )
  • Institutionelle Stärke - ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates/ Vetorecht, NATO, Währungsfonds/ fünfgrößtes Stimmengewicht, Mitglied der G7 und G20
  • "Weiche" Stärke - Englisch als Weltsprache, Verbreitung der BBC, British Council/ Förderung interkulturellen Austausches, Film- und Unterhaltungsbranche/ James Bond, Harry Potter, Beatles, Rolling Stones und Popkultur - Stellung des Königshauses
9.2 Sonderbeziehungen UK - USA    

  • Politisch-militärische Maxime - diplomatische Position mit USA und Allianzpartnerschaft und Militärbündnis/ NATO
  • Kulturelle Maxime - Englisch als Weltsprache, USA als Einwanderungsland und tw. Teilhabe an "weichen" US - Machtressourcen
9.3 Commonwealth    

Das "Commonwealth of Nations" ist eine Stütze des Selbstverständnisses des UK (vgl. WENDE 2009).

Es handelt sich um eine Staatengruppe des ehemaligen Britischen Empire und umfasst heute weltweit 52 Staaten.

  • Zentrale Grundwerte bilden die Demokratie, Menschenrechte, Bekämpfung der Rassendiskriminierung, Achtung der Souveränität und Unabhängigkeit der Staaten. Als Oberhaupt gilt die britische Königin allerdings nur mit symbolischer Funktion.
  • Fast ein Drittel der Weltbevölkerung lebt in den Mitgliedsstaaten der Gruppe.
  • In vielen Staaten gilt die britische Rechts- und Verfassungstradition, tief verwurzelt ist die englische Sprache und Kultur.
10 Gesellschaft im UK    

London ist eine der buntesten Städte der Welt. Diversity/ Vielfalt und Interkulturalität in nicht so großer Breite gibt es auch in den großen Städten des UK. Vor allem in ethnischer Hinsicht ist in den Dörfern und Kleinstädten das Bild homogener (im Folgenden STURM 2019, 200-226).

Stuart HAll (1989/1996) als einer der Begründer der Kulturwissenschaft geht von der Lage der schwarzen und asiatischen Briten aus. Kulturelle Identität wird von Geburt an in einem ständigen Prozess immer neu konstruiert, jeweils in Reaktion auf die historische Situation, etwa postkolonialen Verhältnissen im UK im Vergleich zu Kolonialzeiten. Er verwendet den Begriff "Race" für die gemeinsamen Erfahrungen aller Menschen mit dunkler Hautfarbe in der Interaktion mit Weißen (etwa Benachteiligung oder Ausgrenzung). Der Begriff "ethnicity"/ Ethnizität betont die kulturell entstandenen Unterschiede, etwa zwischen Afrikanern und Kariben.

Kategorienkomplexe sind Gleichberechtigung, Familie-Ehe, Privatleben, Frauen im öffentlichen Leben und Minderheiten.

10.1 Gleichberechtigung    

Ausgehend vom Genderkonzept wird auf die Bemühungen um Gleichberechtigung im UK eingegangen.

Der Begriff Gender wurde vom US-Psychiater Robert J. STOLLER (Sex and Gender 1968) eingeführt, der von Männern und Frauen zugeordnete Eigenschaften und Funktionen als soziales Geschlecht (gender) vom biologischen Geschlechtsunterschied (sex) zu unterscheiden. Die Unterscheid verbreitete sich rasch in den Sozialwissenschaften, weil Ungleichheiten in der sozialen Stellung mit physischen Unterschieden begründet wurden, hinterfragt werden konnten.

Das Genderkonzept der siebziger Jahre ging von zwei Möglichkeiten männlich und weiblich aus. Inzwischen hat sich die Theorie weiterentwickelt, seit der Kritik der achtziger Jahre. Die US-Philosophin Judith BUTLER (1990/1993) argumentiert, dass die gesellschaftliche Diskussion erst Männlichkeit und Fraulichkeit zudem macht, was es scheint (vgl. zur Einführung Hannelore BUBLITZ 2012/2018). Trotz Kritik erweitert sich die Theorie zu einer Perspektivenverbreitung mit der ganzen Vielfalt geschlechtlicher Zwischenformen wie Intersexualität, Transgender und Transsexualität.

Im UK, wie im anderen Europa, herrschte das Patriarchat, auch wenn es auch im UK Ausnahmen gab (vgl. Elisabeth I.). Kennzeichen für die Mehrzahl der Frauen war ihre untergeordnete Stellung, bescheidene Bildungsmöglichkeiten (vgl. "accomplishment" im 18. Jahrhundert mit musizieren, malen, stricken und ein wenig Französisch plaudern).

Diese Erziehung/ Bildung erzeugte Widerstand, bereits um 1800 wurden bessere Bildung und Berufschancen gefordert, Mary WOLLSTONECRAFT mit ihrem Buch "A Vindication of the Rights of Women" - Rechtfertigung von Frauenrechten (1792).

Eine erste Frauenbewegung bemühte sich um bessere Bildungsmöglichkeiten durch Gründung und Leistung weiterführender Schulen und Colleges wie die North London Collegiate School (1850), das Cheltenham Ladies College (1858). Universitäten begannen zögerlich mit der Verleihung akademischer Grade an Absolventinnen wie die London University ab 1878, Oxford 1919 und Cambridge erst 1949.

Weitere Protestbewegungen gab es Ende des 19. Jahrhunderts, wie die "Neuen Frauen" (new women) demonstrierten mit Symbolhandlungen (Reformkleidung, Radfahren, Rauchen, Alkohol trinken und literarischen Tabubrüchen). Die Suffragetten kämpften für das Frauenwahlrecht, auch mit Hungerstreiks (vgl. Emmeline Pankhurst und Töchter Sylvia und Christabel; National Union of Women's Suffrage Societies/ NUWSS). Erreicht wurde das Frauenwahlrecht erst 1918, zunächst für Frauen über 30 Jahre, als Lohn für den Einsatz im Erste Weltkrieg. Zehn Jahre später erhielten sie das aktive und passive Wahlrecht mit 21 Jahren.

Eine zweite Frauenbewegung in den sechziger Jahren mit Impulsen aus den USA mit umfangreichen Gruppen in England, etwa der Anti-Atombewegung, Gruppen gegen die Gewalt gegen Frauen und einer theoretisch-philosophisch feministischen Debatte. Ab den neunziger Jahren verlor der Feminismus an Breitenwirkung.

Umstritten ist eine dritte Frauenbewegung mit Natasha Walters Buch "The New Feminism" (1998) mit der Kampagne gegen "Pornifizierung" der Kultur und "Striptease-Kultur" benannt. Populär geworden ist der Blog von Laurie Penny und in der Folge ihre Bücher Meat Market, Female Flesh under Capitalism (2010).

Eine weitere Bewegung folgte, international die "#MeToo - Debatte" seit 2017 auch im UK, die viele Frauen motivierte, sexuelle Übergriffe durch prominente Männer publik zu machen, darunter 190 Schauspielerinnen mit der Gründung eines Fonds für Beratungsstellen. Erzwungen wurde der Rücktritt von Politikern (u.a. Verteidigungsminister Michael Fallon, Kabinettschef Damian Green).

10.2 Familie, Ehe und Privatleben    

Mit Ende des 19. Jahrhunderts lockerte sich die strenge Moral des Viktorianismus, die vor allem Frauen betroffen hat. Mit der Popularisierung und den Erkenntnissen der Frauenheilkunde, Sexualkunde (vgl. Pioniere wie Marie Stopes und Havelock Ellis in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts) und der Norm der jung geschlossenen heterosexuellen Ehe mit Kindern kam es etwa im Jahr 1972 zu zu einem Höhepunkt von Eheschließungen von über 400 000 (vgl. im Folgenden STURM 2019, 205-207).

Im Folgenden hat sich einiges geändert, 2015 waren es 239 020 Eheschließungen. In den späten neunziger Jahren nahmen andere Lebensformen wie das Alleinleben, die Ein-Eltern-Familie und eheähnliche Lebensgemeinschaften zu. Seit 2004 gibt es legalisierte Formen des Zusammenlebens homosexueller Paare. 2017 waren es etwa 3,3 Mill. Menschen, die in informellen Lebensgemeinschaften lebten (allein 2,8 Mill. alleinerziehende Eltern).

Unter den Ethnien gibt es kulturell bedingt große Unterschiede. Ähnlich ist die Situation bei Schwarzen und Weißen. Traditionelle Ehen gibt es vorrangig bei Pakistanis, Bangladeschis und anderen muslimischen Gemeinden.

Ab 2014 wurde im UK homosexuellen Paaren eine Eheschließung ermöglicht. 2015 hatten 15 000 und 2016 7 019 homosexuelle Paare geheiratet.

10.3 Frauen im öffentlichen Leben    

Im Folgenden wird auf die Ausbildung, Berufstätigkeit, den Kulturbetrieb und die Politik eingegangen (vgl. STURM 2019, 207-209).

Nach dem Grundsatz einer Gleichberechtigung gibt es im UK längst dieselbe Schulbildung. Mädchen erzielen die besseren Resultate im GCSE-Examen (General Certificate of Secundary Education/ vergleichbar mit Mittlerer Reife/ BRD). Bei den A-Levels (vergleichbar mit Reifeprüfung) ist das Bild ausgeglichener.

Inzwischen streben mehr junge Frauen als Männer an die Universitäten. 2018 studierten 66 840 mehr Frauen als Männer auch an früheren männerdominierten Studienrichtungen wie Medizin und Biologie.

Bezugnehmend auf den Bericht des nationalen Statistikamtes ONS zur "Frauenarbeit 2018" waren Frauen 47 Prozent aller Beschäftigten im UK. 73,7 Prozent der Frauen sind Mütter. 79,8 Prozent der Männer arbeiten. 1971 waren es noch 92 Prozent. Trotz Gesetzen für gleiche Bezahlung verdienen Frauen im Durchschnitt noch 21 Prozent weniger. Das hängt mit dem hohen Anteil an Teilzeitarbeit von 41 Prozent und auch der Berufswahl zusammen. Männer arbeiten häufig in den besser dotierten Berufsfeldern wie IT, Management und den freien Berufen, Frauen dagegen in den Berufsfeldern Gesundheit, Soziales, Erziehung, Einzelhandel und einfacher Bürotätigkeit.

Die Unterrepräsentanz von Frauen in technischen Berufen mit 20 Prozent und auch in der akademischen Lehre in technischen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen mit nur fünf Prozent veranlassen verstärkte Bemühungen (vgl. die Impulse von Women's Engineering Society und dem Scientific Women's Academic Network).

Im Kulturbetrieb wie in der Literatur sind Frauen schon lang stärker vertreten. Zu nennen sind Jane Austen und später Sarah Grand. Im 20. Jahrhundert sind es Virginia Woolf und Dorothy Richardson mit einem erweiterten Themenspektrum. Ab den neunziger Jahren erreichen höchste Ehren Carol Ann Duffy und Jackie Kay. In Theater und Film schaffen es nur wenige Frauen, obwohl sie die Hälfte der Studierenden an Filmhochschulen stellen. Finanzielle Förderungen im British Film Institute ergeben bessere Chancen. Am Kunstmarkt haben Frauen schon lange schlechtere Chancen (vgl. die Vergabe des Turner-Preises).

In der Politik kümmerte sich die Labour Party mehr um Frauenförderung. Der Wahlsieg Tony Blairs 1997 ergab 101 weibliche Abgeordnete im Unterhaus und 5 bzw. 6 Ministerinnen von 22 Posten (Spitzname "Blair Babe"). Einen Gegensatz bildete Margaret Thatcher ohne Frauen in der Regierung. Theresa May berief acht Frauen gegenüber 14 Männern in ihr erstes Kabinett, im zweiten waren es sechs gegenüber 17 Ministern.

Die Zahl weiblicher Abgeordnete im Parlament nahm in der Folge zu. Höhepunkt war das Jahr 2017 im Unterhaus mit 208 (32 Prozent), Labour Party 45 Prozent und Tories 21 Prozent. Im Oberhaus wurden erst 1958 Frauen zugelassen. 176 von 771 Mitglieder sind weiblich. Leitende Positionen hatten etwa Baroness Valerie Amos (schwarze Britin) von 2003 bis 2007 als Vorsitzende des Oberhauses, Baroness Frances d' Soza war es von 2011 bis 2016.

10.4 Minderheiten    

Im Folgenden wird auf die Gruppen von Menschen abweichend von heterosexueller Orientierung/ LGBT und die multiethnische Bevölkerung/ BAME eingegangen (vgl. im Folgenden STURM 2019, 210-216).

10.4.1 LGBT    

Nach offiziellen Angaben bezeichnen sich im UK zwischen sechs und zehn Prozent als homosexuell (vgl. die Bezeichnungen Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender/ LGBT). Männliche Homosexualität stand bis in die sechziger Jahre unter Strafe, bis 1861 unter Todesstrafe. Berühmt ist der Fall von Oscar Wilde, der 1895 zu zwei Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde und daran scheiterte. Weibliche Homosexualität wurde nie verfolgt, weil sie offiziell als nicht vorhanden galt.

Impulse der Psychologie und Sexualkunde führten letztlich zu neuen Einsichten und Gesetzen. Gleichgeschlechtliche Neigungen sind kein widernatürliches und soziales Fehlverhalten oder Krankheit, vielmehr ein Teil der Persönlichkeit. 1954v empfahl eine Regierungskommission die Entkriminalisierung. 1967 wurde unter der Labour-Regierung der "Sexual Offenes Act" verabschiedet. 2002 kam es zum Adaptionsrecht "Adaption and Children Act" in England und Wales, 2009 in Schottland. 2014 folgte das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe in England, Wales und Schottland, nicht in Nordirland (vgl. STURM 2019, 210-211), Deutschland erlaubte gesetzlich die Ehe 2017.

Die Zivilgesellschaft ebnete den Weg zu rechtlichen Gleichstellung(vgl. 1958 Homosexual Law Reform Society). Vorurteile kamen durch den Ausbruch der AIDS in den achtziger Jahren auf. In der Folge kommt es zu breiterer Akzeptanz, man beachte heute die sommerliche "Gay Pride Pares", in Deutschland "Christopher Street Day".

10.4.2 Multiethnische Bevölkerung    

Im Folgenden wird auf die regionale Verteilung und Religionen eingegangen. Für die Politische und interkulturelle Bildung ist die ethnische Vielfalt von besonderem Interesse, weil es sich um kulturell unterschiedlichste Gruppen handelt und die bürokratische Bezeichnung BAME ("Black, Asian and Minority Ethnic") wegen ihrer Abstraktheit in Kritik kam (vgl. STURM 2ß019, 214-216).

Bei der Volkszählung 2011 gezählten 63.182 Mill. Briten (2017 66.03 Mill.) 55 Mill. Menschen (87,1 Prozent) zur weißen Bevölkerung gehören. Der größte Anteil anderer Gruppen sind die Einwanderer aus ehemaligen Kolonien in Asien, Afrika und der Karibik bzw. die Nachkommen mit rund neun Prozent. Rund 6,5 Mill. sind asiatischer, 1, 9 Mill. afrikanischer oder karibischer Herkunft. Ungefähr die Hälfte ist schon im UK geboren. 1,2 Mill. gehören zur gemischten Herkunft. Eine neue größere Gruppe von Zuwandern sind die Osteuropäer (67 Prozent sind Polen). Mit dem Brexit-Referendum 2016 haben viele EU-Bürger das UK verlassen, die Zuwanderung sank massiv.

Die regionale Verteilung weist auf ethnische Minderheiten vor allem in großen Städten hin. Asiatische Minderheiten leben in den Industriestädten der Midlands, allein zwölf Prozent in London. Vorrangig lebt in London die schwarze Bevölkerung (13 Prozent der Bevölkerung). London mit 8,6 Mill. Einwohnern ist die einzige Stadt im UK, in der die weißen Briten in der Minderheit sind.

Ethnische Herkunft und Religion haben Einfluss auf die Identität und Wahrnehmung der verschiedenen Gruppen. Weiße und schwarze Briten verstehen sich zumeist als Christen, zunehmend Konfessionslose. 2017 bezeichnen sich 53 Prozent als nicht religiös, während christliche Kirchen Mitglieder stark verlieren (vgl. National Centre for Social Research 2017). Den größten Verlust verzeichnet die Church of England. 2000 bis 2017 fiel der Anteil von 30 Prozent auf 15 Prozent. Die Anteile der Katholiken mit zehn Prozent und aller anderen Konfessionen mit rund 17 Prozent blieben stabil. Wachsend sind dagegen die Muslime mit rund 6 Prozent. Gründe sind die hohe Geburtenrate und Einwanderung aus den asiatischen und afrikanischen Krisengebieten. In den Midlands gibt es sechs Gemeinden mit über 20 Prozent Muslimen. Kleine Gruppen bilden die Hindus mit zwei, Sikhs 0,8, Buddhisten eins und Juden 0,5 Prozent.

11 Krönung Charles III.    

Das Königshaus kosten dem britischen Volk aktuell jedes Jahr mehr als 100 Mill. Euro. Es gilt als größter Trumpf Großbritanniens auf internationaler und diplomatischer Ebene. Die Krönung des Staatsoberhauptes am 6. Mai 2023 hat weitere Millionen gekostet.

Zur Diskussion stehen mit Blick auf die Vergangenheit und der heutigen Situation die Stellung Großbritanniens mit der Staatsform als Monarchie. Für den Fortbestand spricht die historisch enge Verbindung mit der britischen Demokratie/ Westminster-Demokratie.

Das Parlament erhält einen Teil seiner Würde und Legitimität aus der Monarchie mit der jährlichen feierlichen Eröffnung. Das wöchentliche Treffen der Premierminister mit dem/der Monarchen*in gilt in ihrer Vertraulichkeit als unschätzbare Quelle für ein Regierungshandeln. Die Monarchie stabilisiert mit ihrer Rolle die Gesellschaft in unruhigen Zeiten in uneingeschränkter Form.

Eine aktuelle Orientierung des Staatsoberhauptes nach 70 Jahre Regentschaft von Queen Elisabeth II. wird sich zeigen und in der Folge ergeben.

IT-Hinweise

https://www.focus.de/kultur/royals/zeitplan-kutsche-co-alle-details-zur-jahrhundert-kroenung-von-charles-iii_id_190715035.html (3.5.23)

https://orf.at/live/5370-Koenig-Charles-III-ist-gekroent/ (6.5.23)

https://orf.at/#/stories/3315646/ (9.5.23)

Literaturverzeichnis    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.

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Zum Autor    

APS-Lehramt VS-HS-PL (1970, 1975,1976), Schüler- und Schulentwicklungsberater (1975, 1999), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 10. Universitätslehrganges für Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt/ MSc (2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/ Wien/ Diplome (2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), des 4. Internen Lehrganges Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016), des Fernstudiums Erwachsenenbildung und Nachhaltige Entwicklung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium am Comenius Institut Münster/ Zertifizierung (2018, 2020)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaften/ Universität Wien - Vorberufliche Bildung (1990-2011) und am Fachbereich Geschichte/ Universität Salzburg - Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung - Didaktik der Politischen Bildung (2016, 2018)

Kursleiter an den VHSn Salzburg, Zell/See, Saalfelden, Stadt Salzburg (2012-2019) und der VHS Tirol (2023-2024), Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche Österreich (2000-2011) und stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017-2019)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 17. Mai 2023