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Gesellschaftstheorien-6

Gesellschaftstheorien 6    

Aspekte einer Soziokulturellen Theoriediskussion von Familienwissenschaft, Freizeitwissenschaft und Anthropologie    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Gesellschaftstheorien 6   
Aspekte einer Soziokulturellen Theoriediskussion von Familienwissenschaft, Freizeitwissenschaft und Anthropologie   
Vorbemerkung   
TEIL 1 Familienwissenschaft   
1.1 Einführung   
1.2 Historische Merkmale von Familienformen und Familienbeziehungen   
1.3 Familienkonzepte des Bürgertums   
1.4 Erscheinungsformen gegenwärtiger Familien   
1.5 Gerechtigkeitsregeln - Nachteilsausgleich   
1.6 Familienpolitik im europäischen Kontext   
1.7 Europäische Aspekte   
1.8 Literaturverzeichnis Familienwissenschaft   
TEIL 2 Freizeitwissenschaft   
2.1 Einführung   
2.2 Begriffsbestimmung   
2.3 Freizeitumfang - Funktionen   
2.4 Zeitautonomie   
2.5 Zeitflexibilisierung   
2.6 Lernen und Bildung   
2.7 Freizeitkompetenz   
2.8 Bildungsmöglichkeiten   
2.9 Kultur   
2.9.1 Kulturbereiche   
2.9.2 Kulturverständnis   
2.10 Sport und Gesundheit   
2.10.1 Sport   
2.10.2 Gesundheit   
2.10.3 Sportethik   
2.11 Shopping und Gastronomie   
2.11.1 Shopping   
2.11.2 Gastronomie   
2.12 Ökologie und Nachhaltigkeit   
2.12.1 Nachhaltigkeit als Prinzip   
2.12.2 Problemfelder und Dimensionen   
2.12.3 Auswirkungen und Konflikte   
2.12.4 Handlungsmöglichkeiten   
2.13 Literaturverzeichnis Freizeitwissenschaft   
TEIL 3 Anthropologie   
3.1 Einführung   
3.2 Kultur- und Sozialanthropologie   
3.2.1 Vormärz vs. vorindustrieller Entwurf   
3.2.2 Industrielle Revolution - Systemarchitektur   
3.3 Pädagogische Anthropologie   
3.3.1 Theorie der Bildsamkeit   
3.3.2 Bildungstheorie als Gesellschafts- und Ideologiekritik   
3.3.3 Reflexion   
3.4.4 Literaturhinweise Anthropologie   
Zum Autor   

Vorbemerkung    

Der rasche Wandel der Gesellschaft, fortlaufende Veränderungen und eine stärkere Dynamik und Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und die Notwendigkeit einer soziokulturellen Kompetenz machen die Kenntnis von Aspekten eines sozialen Wandels notwendig.

Eine Verbesserung des Verhaltens des Einzelnen, von Gruppierungen und Organisationen sowie der Lösungsmöglichkeiten bedarf einer ausführlichen Analyse in Theorie und Praxis.

Ausgangspunkt der Studie ist die

Absolvierung der Universitätslehrgänge Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz sowie

Auseinandersetzung mit der Fachliteratur/ Auswahl.

Ein Impuls für die Thematik entstand in der Kolumne " DEN RISS HEILEN" der "Salzburger Nachrichten" 18. 11. 2021, 1.

Donnerstag 18. November 2021 19:45 Uhr

DEN RISS HEILEN

GÜNTER DICHATSCHEK

Respekt vor dem Anderen

Österreich als Land vielfältiger Kulturen erlebt Veränderungen in den Gesellschaftsschichten. Die Chancen, einander im Gespräch zu verstehen, zu respektieren und wertzuschätzen, gehören erlernt. Trotz der Unterschiede im Verständnis von Erkenntnissen, freiem Diskurs und aller Sprachprobleme bleibt es gemeinsame Verantwortung, Anknüpfungspunkte zu benennen und Anstrengungen in sozialen Beziehungen oder im Kulturellen zu unternehmen.

Zu beachten ist die Gleichwertigkeit von Menschen, die Identität in ihrer Veränderung, die eigenen Standpunkte zu hinterfragen und sich auf Neues einzulassen. Beim Konflikt kommt es auf Inhalt, Beziehung und Kommunikationsstil an. Wer ist mein Gegenüber, wie sind Stimmung und Verhalten, was sind Inhalte, Auffassungen und Gründe? Geht es um Interessensunterschiede, Zusammenhänge einer Gruppe und Abhängigkeiten oder Überzeugungen? Konflikte sollen als Chance betrachtet werden.


Die Studie beruht auf dem persönlichen Interesse des Autors.

Die Studie gliedert sich in die Begrifflichkeit "Aspekte einer Soziokulturellen Theoriediskussion" Familienwissenschaft, Freizeitwissenschaft und Anthropologie.

TEIL 1 Familienwissenschaft    

1.1 Einführung    

Innerwissenschaftliche sozialwissenschaftliche Themenfelder als eigene Studiengänge sind eher selten. Ein neuer Themenbereich als angewandter Wissenschaftszweig ist mit Familienwissenschaft als Studiengang an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft in Hamburg seit dem Sommersemester 2013 eingerichtet (vgl. WEIDTMANN 2013).

Aus der Perspektive der Politischen Bildung bietet sich an, mit dem Phänomen Familie zu beschäftigen. Interdisziplinarität ist hier gefragt.

Interdisziplinarität wird seit der Bologna - Reform in der Hochschullandschaft vermehrt praktiziert. Beispielhafte Studienformate entstanden etwa im Managementbereich, in European Studies, Ökonomie, Ökologie, Kulturwissenschaften und im Bildungsbereich (vgl. die vom Autor absolvierten Universitätslehrgänge in Salzburg und Klagenfurt; vgl. NEUE STUDIENGÄNGE AN DEUTSCHEN UNIS).

Vor- und Nachteile werden diskutiert, so etwa als "Studium light" und geringere Fundierung als ein Einzelstudiengang bzw. als Wissen mit gesteigerter Effizienz (Expertenwissen), übergreifenden Fachkenntnissen und Methodenkompetenz.

In den USA wächst die Zahl der interdisziplinären Studiengänge seit den neunziger Jahren deutlich (vgl. NATIONAL CENTER FOR EDUCATION STATISTICS 2013). Familienwissenschaft ist hier und im übrigen angelsächsischen Raum als "Family Science" oder "Family Studies" etabliert.

Sieht man sich die Entwicklung von Familienwissenschaften an, so erkennt man die sozialen und ökonomischen Veränderungen bereits mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Stadt - Land - Migration, urbane Vorortentwicklungen, Kinderarmut, Gewalt, die Emanzipation der Frauen, veränderte Berufstätigkeiten, die Technisierung des Haushalts und erhöhte Anforderungen an die Bildung kennzeichnen Faktoren einer Entwicklung der Familienwissenschaft.

Als einer der Meilensteine der Entwicklung der Family Studies wird heute die Studie "The Family: A Dynamic Interpretation" (1938) von Willard WALLERS angesehen. Ernest GROVES hat den Prozess, Familienwissenschaften als interdisziplinäre Disziplin besonders vorangetrieben (vgl. GROVES 1946, 25-26).

Heute gibt es in den USA zahlreiche Studiengänge, besonders an den "State Universities". Mit dem Beitrag von Wesley BURR und Geoffrey LEIGH (1983) etablierte sich die Familienwissenschaft endgültig als eigenständige Disziplin mit einem interdisziplinären Forschungsfeld und eigenen Paradigmen, Methodologien und Aspekten.

Im deutschsprachigen Raum gibt es wenige Versuche einer Etablierung dieses Wissenschaftsbereichs. Man neigt eher zu Projekten und persönlichen Initiativen von Wissenschaftlern, so etwa die Interdisziplinäre Forschungsstelle Familienwissenschaft (IFF) an der Universität Oldenburg, das Interdisziplinäre Zentrum für Familienforschung an der Ruhr-Universität? Bochum und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ohne Lehre wie das Deutsche Jugendinstitut München (DJI) oder das Staatsinstitut für Familienforschung Bamberg (IFB). Gestrichen wurde der 2002 als Hertie -Stiftung eingerichtete Stiftungslehrstuhl für Familienwissenschaft an der Universität Erfurt 2007.

Trotz des Bedarfs für eine Bearbeitung der Bedeutung von Familie, Familienprogrammen und Familieninstitutionen im nationalen und internationalen Bereich existiert kein eigenständiger Studiengang in Österreich (vgl. das Plädoyer von WINGEN 2004, 48). Bemerkenswert auch das Plädoyer von SCHWENZER und AESCHLIMANN (2006, 509-510).

Im deutschsprachigen Raum ergibt sich unter Beachtung der Politischen Bildung ein Forschungsstand,

  • der mit Göran THERNBORN (2004) mit einem ausgezeichneten Überblick über die Familie im 20. Jahrhundert in Form einer Weltgeschichte angesetzt werden kann. Sinnvoll ist die Beschränkung auf die Aspekte des Patriarchalismus, der Heiraten und Fertilität.
  • Andre BURGUIEREs Weltgeschichte der Familie (1996) und Philippe ARIES und Georges DUBYs "Geschichte des privaten Lebens" (1993) enthalten einzelne Kapitel europäischer Länder, umfassen aber nicht den letzten Teil des 20. Jahrhunderts.
  • Der Überblick über die europäische Familie von Andreas GESTRICH, Michael MITTERAUER und Jens - Uwe KRAUSE (2003) legt Schwerpunkte auch auf andere Epochen. Ein europäisches Gesamtbild erhält man auch nicht aus nationalen Überblicksdarstellungen (vgl. KAELBLE 2007, 28).
  • Zu erwähnen sind die ausgezeichnete Geschichte der Frauen von Giesela BOCK (2000), die Geschichte der Kindheit von Egle BECCHI und Dominique JULIA (1998), die Geschichte der Mütter von Yvonne KNIEBIEHLER (2000) und die Geschichte der Unverheirateten von Jean Claude BOLOGNE (2004).
1.2 Historische Merkmale von Familienformen und Familienbeziehungen    

Im Diskurs über heutige Familien mit ihren Leistungen spielen Vorstellungen über vergangene Familienverhältnisse eine Rolle. ROSENBAUM (1977) erkennt dies als wenig erstaunlich, weil die Besonderheit einer Situation erst dann erfasst wird, wenn man sie von einer davon abweichenden absetzt. Bestimmend ist die Perspektive der Gegenwart.

Die Eltern - Kind - Gruppe in Mittel- und Westeuropa war nicht in große Verwandtschaftsverhältnisse eingebunden.

  • Die Kleinfamilie war nicht das Ergebnis des Übergangs von einer vormodernen in die moderne Familie. Zudem spielten religiöse Gründe eine Rolle wie etwa das kirchliche Heiratsverbot mit Ehen zwischen Verwandten.
  • Bestimmend ist ein Verwandtschaftssystem, dass keine der beiden Seiten der Ehepartner bevorzugt. Verwandt ist man mit allen Personen der mütterlichen und väterlichen Seite und bestimmt selbst die Präferenzen. Damit erhält die Kernfamilie eine zentrale Bedeutung.
  • Bestimmend ist die Organisation von Arbeit seit dem 11. und 12. Jahrhundert in Form einer Familiarisierung, ergänzt ab dem Hochmittelalter mit Gesinde in Form von Inhabern von Höfen und Handwerksbetrieben. Schon durch die Betriebsgrößen, die zumeist nur eine Familie ernähren konnten, kam es eher selten zu größeren Familien mit mehreren Generationen. Typisch war dagegen die Beschäftigung von Personal, das in den Haushalt integriert war.
  • Erst im 19. Jahrhundert stieg die Lebenserwartung und damit kam es häufiger zu einer Drei - Generationen - Familie, wobei diese bei Bauern eher verbreitet war. Im mobilen Bürgertum lebten die Generationen weiter entfernt voneinander (vgl. ROSENBAUM 2014, 20-21).
Wer wen heiraten durfte, war sozial und obrigkeitlich kontrolliert. Heirat und Familiengründung waren abhängig vom Eigentum und Vermögen. Nicht - Besitzende mussten ihre Befähigung nachweisen.

Von einer Heiratsbeschränkung besonders betroffen waren Angehörige einer unter-bäuerlichen Gruppe. Hier spielte auch der Charakter und der Lebenswandel eine Rolle. Bis in das 19. Jahrhundert war die Heiratsbeschränkung ein Mittel zum Erhalt von Unterschichten. Eine Heirat blieb ein Privileg und Statussymbol von Besitzenden (vgl. LIPP 1982, 228-598). Mit der zunehmenden ökonomischen Entwicklung mit Manufakturen und Hausindustrie bzw. hausindustrieller Arbeit kam es zu verschiedensten Erwerbsmöglichkeiten und einer leichteren Familiengründung.

Für Angehörige der Unterschicht blieb mitunter die Alternative einer "wilden Ehe" (vgl. ROSENBAUM 2014, 30-32). Zudem galt sie als Alternative zur legitimen, kirchlich und weltlich anerkannten Ehe. Als Ledig - Sein war der Staus vorgegeben, der für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen sowie für alle hausrechtlich Abhängige wie Gesinde, Lehrlinge und Gesellen galt.

Bis in das 19. Jahrhundert unterlagen auch Soldaten und Studenten einem Heiratsverbot (vgl. MÖHLE 1999, 193). Bis in das 19. Jahrhundert war Heirat ein Privileg, das von der Obrigkeit gewährt wurde. Die Genehmigung galt an den Nachweis des Bürgerrechts (Städte), die Erlaubnis der Heimatgemeinde und an den Nachweis von regelmäßigen Einnahmen oder Vermögen sowie den Lebenswandel und Charakter. Kirchliche Vorschriften je nach Konfession waren ebenso gültig (vgl. MÖHLE 1999, 188). Viele "wilde Ehe" waren Zweitbeziehungen. Mitunter entstanden komplexe Familienstrukturen.

In Krisenzeiten kam als letzte Möglichkeit eine Auswanderung in Betracht. Aus heutiger Sicht spielten materialistische Überlegungen eine Rolle.

Hinweise bestätigen, dass die Partnerwahl ohne Druck von außen stattfand. Die Akteure lebten in einem Umfeld, in dem sich gewisse soziale Muster entwickelten. Pierre BOURDIEU (1993, 285) hat bäuerliche Heiratsstrategien in einem Kontext an die Wahrnehmung der Lebenserfahrung gesehen. Früheste Erziehung wird durch soziale Erfahrungen mit Wahrnehmung und Beurteilung verstärkt ("Vorlieben"), die auch für potentielle Partner gelten. Solche Wahrnehmungsmuster sind Ähnlichkeitswahlen, die auch heute unter anderen Bedingungen gelten (vgl. GESTRICH 2003, 503-504).

Das Heiratsalter hing von lokalen und regionalen Arbeitsmöglichkeiten und Einkommensverhältnissen ab. Auch bestimmten Qualifikationsschritte eine Heirat, man denke nur an Handwerker mit der Bedingung der Meisterprüfung für eine Betriebsführung. Altersungleiche Ehen ergaben sich aus der Verbindung zwischen Meisterwitwen und Gesellen (vgl. ROSENBAUM 1982, 151).

Das Verhältnis der Ehepartner wurde durch gemeinsame Arbeit und Verantwortung für den Betrieb geprägt. Feste Vorstellungen für die Arbeitsbereiche von Frauen und Männern regelten den Alltag. Es galt gesellschaftlich normiert, dass der Mann die Arbeiten außerhalb des Hauses, die Frau die Arbeiten im und um das Haus mit der Sorge um die Kinder zu leisten hatten.

Im kleinbäuerlichen Betrieb hatte die Frau am Feld mitzuarbeiten. Jedenfalls konnte man von einem Statusvorsprung des Mannes mit einer patriarchalischen Ordnung, auch in ökonomischer und öffentlicher Funktion, sprechen (vgl. ROSENBAUM 2014, 25-26). Im Handwerk überwachte die Zunft die Einhaltung der Arbeitsteilung. Mitunter waren die Ehebeziehungen konfliktreich, weil bei den beengten Arbeits- und Lebensverhältnissen Rückzugsräume kaum vorhanden waren (vgl. ROSENBAUM 1982, 153-155). Dies betraf damit auch die ehelichen sexuellen Beziehungen, die wenig Intimität zuließen. ILIEN und JEGGLE (1978, 80) verweisen auf den Zusammenhang mit der Existenzsicherung (Härte der Arbeit, Hunger, mangelhafte Räumlichkeiten). Vor- und außereheliche Beziehungen bestanden heimlich und im Verborgenen und hatten den Makel der Sünde (vgl. ROSENBAUM 2014, 26).

In der Regel gab es mehr Schwangerschaften als überlebende Kinder (hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit). Durch Fehl- und Totgeburten bzw. frühe Kindersterblichkeit - bedingt durch hygienische Verhältnisse, bestimmte Traditionen der Säuglingsernährung und Arbeitsbelastung der Mütter - kam es zu großen Altersabständen in der Geschwisterreihe. Die Notwendigkeit einer Wiederverheiratung beim Tod eines Ehepartners führte zu Halb- und Stiefgeschwistern (vgl. ROSENBAUM 1982, 212-214; GESTRICH 2003, 567-569).

Kinder standen wenig im Interesse und der Aufmerksamkeit der Erwachsenen. Entsprechend ihrem Alter wurden sie in den Alltag integriert. Mit zunehmendem Alter trat die Arbeit in den Vordergrund (Nachahmung - Rollenübernahme - Anerkennung). Bezugspersonen waren die Eltern, Großeltern und die Arbeitskräfte im Betrieb. Unter Umständen waren es auch Nachbarn.

Befehl und Gehorsam sowie körperliche Strafen waren selbstverständlich. Die Schule spielte kaum eine Rolle.

Mit der Schulpflicht kam es zur Übernahme der Arbeitspflicht. Die Jungen verließen bald das Elternhaus. Mädchen blieben allgemein länger - zur Hausarbeit - an das Haus gebunden.

1.3 Familienkonzepte des Bürgertums    

Mit der Trennung von Familie und Berufstätigkeit bzw. Familie und Erwerb entstanden neue Vorstellungen über Ehe und Familie (vgl. ROSENBAUM 1982, 251-253, 271-273). Wesentliche Aspekte waren nunmehr

  • mehr Zuneigung und Liebe und weniger sachliche Erwägungen als Ideal als Austausch von Gedanken und Gefühlen,
  • eine veränderte Einstellung zu Kindern mit Zuneigung und
  • einer Abgrenzung der Familie als Einheit nach außen, damit ein Entstehen von Privatsphäre.
Diese Aspekte ergaben sich aus dem entstandenen Bürgertum, das sie auch erst versuchte zu realisieren. In der Monarchie gehörten zum Bürgertum Unternehmer, Freiberufler, höhere Beamte und materiell abgesicherte sonstige Berufe.

Erziehung und Bildung waren im Bürgertum wesentlich, bei Frauen ein wesentlicher Aspekt für eine Ehe. Ein Leben als Unverheiratete war nicht erstrebenswert. Für Männer gehörte die Ehe und Familie zu einer bürgerlichen Existenz. Eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ergab für die Frau den Haushalt und die Kindererziehung, für den Mann das Berufsleben und die Öffentlichkeit mit einer rechtlichen innerfamiliären Autorität und Entscheidungsbefugnis (vgl. ROSENBAUM 1982, 343).

Im Bürgertum hatten Kinder als Arbeitskräfte keine Bedeutung. Unterricht und Erziehung vollzogen sich in Schule bzw. häuslicher Umgebung. Die Bedeutung ergab sich aus der familiären Situation (Partnerwahl) und der Wertschätzung von Bildung. Dies war eine gemeinsame Aufgabe der Eltern und wurde finanziell unterstützt (vgl. ROSENBAUM 1982, 364-365).

Hilfreich war in dieser Entwicklung auch der Rückgang der Kinderzahlen, resultierend aus der zunehmend wertschätzenden Haltung der Gesundheit von Frauen und hohen Ausbildungskosten für Kinder (vgl. GESTRICH 2003, 513-515). Kennzeichnend war die Arbeitsteilung, die Frau als Mutter und Leiterin des Personals, der Mann als Vater und Betriebsinhaber, als Randfigur bei der Erziehung der Kinder. Söhne wurde in der Regel mehr gefördert, wollte man doch den sozialen Staus der Familie zumindest halten. Töchter erhielten keine Ausbildung zur selbständigen Lebensführung, vielmehr stand eine Haushaltsführung und gesellschaftliche Konventionen für eine spätere Ehe im Mittelpunkt.

Bedingungen für eine Bildung der bürgerlichen Familie waren demnach die Trennung zwischen Familie und Arbeit sowie eine gesicherte materielle Situation. Hier lag der Unterschied zum Familienmodell der Arbeiterschaft und des Kleinbürgertums. Erst mit den Bemühungen um eine Verbesserung der ökonomischen Situation und der Bildung von Qualifikationen in der Arbeiterschaft und bei Angestellten realisierte sich das bürgerliche Familienmodell.

1.4 Erscheinungsformen gegenwärtiger Familien    

Ausgehend von der Definition, dass mit "Familie" die in einem Haushalt lebende Gruppe aus einem oder mehreren Erwachsenen mit Kind bzw. Kindern bezeichnet wird, zeigt es sich, dass Familien im Vergleich zur angeführten historischen Entwicklung vermehrt als Kleinfamilien leben (vgl. ROSENBAUM 2014, 36).

Realisiert wird dies durch

  • getrennte Haushalte,
  • eine veränderte Position der Frauen,
  • Bildungsgleichheit von Söhnen und Töchtern,
  • Erwerbstätigkeit von Frauen, auch bei kleinen Kindern und
  • gleichbleibender Arbeit im Haushalt (vgl. PFAU - EFFINGER 2000; ROSENBAUM 2014, 36).
Klassen- und Schichtzugehörigkeit spielen nach wie vor eine Rolle, wie es sich bei der Partnerwahl zeigt("Kulturkapital" als Merkmal, vgl. dazu GESTRICH 2003, 498, 503-504).

Zur Diskussion stehen

  • die hohe Quote der Wiederverheiratungen bzw. neue Partnerschaften,
  • die komplexen Familien- und Verwandtschaftsstrukturen (vgl. STEINBACH 2008, 153-180),
  • nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit oder ohne Kinder (vgl. diese als Nachfolge von "wilden Ehen") und
  • damit andere Perspektiven als etwa Folgen einer frühen Verwitwung.
  • Trennung und Scheidung besitzen andere Emotionalität und Belastungen als schlechte soziale Umstände und Armut.
  • Ehe und Familie ist kein Privileg mehr, mitunter sehen Menschen in ihr nur mehr eine unnötige Formalität.
  • Privilegiert ist die Ehe (nur) durch die staatliche Verfassung und das Steuerrecht. Kirchenrechtliche Vorschriften werden unterschiedlich gesehen und ergeben einen privaten Charakter.
1.5 Gerechtigkeitsregeln - Nachteilsausgleich    

Mit der Änderung der Familienverhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg kommt es zu einer Diskussion um die Stellung der Familie in einer demokratischen Gesellschaft.

  • Es geht grundsätzlich um die Stärkung der Familien, der Elternrechte, die Erziehung der nachwachsenden Generation, die innerfamiliären Beziehungen und aktuell um integrative Maßnahmen von zugezogener Familien. Es geht auch um einen Abbau der patriarchalen Stellung autoritärer Väter als Ursache autoritärer Charakterstrukturen (vgl. ADORNO/ FRENKEL - BRUNSWICK / LEVINSON/ SANFORD 1950; HENTSCHKE 2001; BERTRAM - DEUFLHARD 2014, 327-328).
  • Es geht um den verfassungsgemäßen Schutz von Ehe und Familie.
  • Es geht um die Erziehung und Pflege der Kinder als Recht und Pflicht der Eltern.
  • Erziehungsberechtigung bedeutet nur dann einen Eingriff des Staates, wenn diese versagt oder Verwahrlosung droht.
  • Mütter haben den Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft.
  • Die Gesetzgebung verschafft unehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre Entwicklung und gesellschaftliche Stellung wie den ehelichen.
  • Der Staat wacht über die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten und besitzt das Recht einzugreifen.
  • Unabhängig von der Lebensform gibt es die Fürsorge- und Erziehungspflicht der Eltern bzw. des/der Erziehungsberechtigten.
  • Familienpolitik steht in enger Verbindung mit Sozial-, Frauen-, Bildung-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik.
  • Nicht nur die Regierung und das Parlament sind in der Pflicht, auch die Rechtsprechung und völkerrechtliche Grundrechte schützen die "Familie", d.h. das Familienleben, das Recht auf Gründung einer Familie, das Erziehungsrecht, das Umgangsrecht der Kinder mit den Eltern bzw. der Eltern mit den Kindern und der rechtliche und wirtschaftliche Schutz von Familien einschließlich des Anspruchs auf Mutterschafts- und Elternurlaub steht unter einem besonderen Schutz.
  • Dies zeigt sich etwa in der Grundrechtscharta der EU 2010 in den Kapiteln 7,9,14,24 und 33.
Angesichts des umfassenden parlamentarischen und rechtlichen Rahmens versteht es sich von selbst, dass es ein eigenes Familienministerium gibt.

Familienpolitik, Sozialpolitik und Frauenpolitik ist hier gekennzeichnet durch Gerechtigkeitsregeln und einen Nachteilsausgleich.

In diesem Konzept spielt der Interessensausgleich der Eltern und Kinder eine wesentliche Rolle.

Damit ist die Gleichberechtigung der Ehepartner angesprochen.

1.6 Familienpolitik im europäischen Kontext    

Die knappen Prinzipien einer nachhaltigen Familienpolitik zeigen an, dass Neudefinitionen bzw. neue Überlegungen notwendig werden.

  • Horizontale Gerechtigkeit sollte das klassische Modell eines sozialen Ausgleichs sicherstellen. Eltern sollen finanziell gegenüber Nicht-Eltern? benachteiligt werden. Eine Gesellschaft kann erwarten, dass Mütter und Väter gleichberechtigt ihre Existenz sichern, sie kann aber auch erwarten, fass noch zusätzlich die Existenz des Kindes gesichert ist(vgl. das Leistungsprinzip und Sozialprinzip).
  • Gleichberechtigung von Frauen und Männern - kodifiziert in der Bundesverfassung und EU - Charta 2010 - ist nur dann realisierbar, wenn eine Familienpolitik sicherstellen kann, dass Fürsorge- und Erziehungsleistung für Kinder und den Lebensvorstellungen der Eltern mit ihrem Können und vermögen am Arbeitsmarkt in den einzelnen Altersphasen des Kindes eine Balance hergestellt wird. Diese "Work - Life - Balance" beinhaltet eine Sicherstellung von Kinderkrippen bis zu infrastrukturellen Angeboten für Kinder und Heranwachsende.
  • Nachhaltige Familienpolitik wäre in einem Irrtum zu glauben, dass ein solcher Ausbau ausreichend wäre, um die Entwicklung von Kindern und Heranwachsenden sicher zustellen. Ein solcher Prozess benötigt nicht nur institutionelle Orte und die Familie, vielmehr wird er auch positiv durch kommunale und soziale Einrichtungen und dem Elternhaus so gestaltet, dass zu Erziehende im unmittelbaren Nahbereich positive Erfahrungen sammeln können.
  • Gefordert ist eine konsequente Ablehnung von familialer Gewalt und damit einer Förderung familialer Erziehung und konsequenter Unterstützung familialer Bindung (vgl. SCHREIBER 2015, 162-171).
  • Gefordert sind Impulse bzw. Initiativen der Bildungs-, Gesundheits-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.
    • Für Randgruppen und Zuwanderer spezifische Angebote sind vermehrt einzufordern.
    • Fürsorge für andere kostet Zeit. Diskriminierungen ergeben sich, wenn man sich ausschließlich am Muster beruflicher Karrieren orientiert (vgl. die Bemühungen um eine vermehrte Bedeutung und Unterstützung von Freiwilligentätigkeiten/"Ehrenamtlichkeit" und deren Notwendigkeit einer Koordination > DICHATSCHEK 2012/2013, 688-692).
  • Die größte Herausforderung von Familienpolitik für die Zukunft dürfte wohl bei der Fürsorge für Kinder und Ältere darin bestehen, die die Lebensverläufe und ihre Fürsorgeleistungen zu keinen Benachteiligungen kommen zu lassen. Erst bei einer vielgestaltigen Organisation der Lebensverläufe ist eine soziale Gerechtigkeit nach dem Verständnis von Nachhaltigkeit erreicht.
  • Für die Bildungseinrichtungen gelten in jedem Fall, dass Voraussetzungen und Standards, entsprechende Elemente, Methoden und Unterrichtsplanungen sowie Qualitäten einer Inklusion dringend einzufordern sind (vgl. REICH 2014). Damit ist auch der gesamtgesellschaftliche Rahmen abzustecken.
1.7 Europäische Aspekte    

WALL, LASLETT und MITTERAUER haben die die These einer "europäischen Familie" entwickelt (vgl. MITTERAUER 2004, 140-160; KAELBLE 2007, 52-53). Kernaussagen sind

  • die Gründung eigener Haushalte jung verheirateter Ehepaare,
  • ein höheres Heiratsalter,
  • niedrigere Geburtsraten und
  • berufliche Selbständigkeit sowie
  • eine höhere Zahl lebenslang Unverheirateter.
Bestimmte Lebensweisen ergeben sich in der Intimität der Familie, dem Ideal der Liebesheirat, der emotionalen Bindung in der Eltern - Kinder - Beziehung, der Verantwortung für die Erziehung durch die Eltern, der starken Orientierung der Kinder an die Eltern und der Vorbereitung einer Trennung von der Herkunftsfamilie in der Jugend etwa durch eine starke Pubertätskrise, den Eintritt in ein Internat, die berufliche Stellung als Lehrling bzw. Bedienstete und den Militärdienst (vgl. MITTERAUER 1986).

Bis zum 19. Jahrhundert gab es diese Entwicklung im nördlichen und westlichen Europa, erst ab dem 19. Jahrhundert entwickelt sich diese Familienkonstellation in ganz Europa allmählich aus.

Eine europäische Besonderheit entstand in der Vielfalt der Ehe- und Familienmodelle.

  • Die Scheidungsraten stiegen, blieben aber unter der US - Rate und waren höher als in Asien (einschließlich der modernen Gesellschaften in Japan, Singapur, Korea und Honkong; vgl. KAELBLE 2007, 54).
  • Ebenso war bzw. blieb eine Besonderheit die Ein - Eltern - Familie (vgl. das Extrembeispiel Dänemark).
  • Außereheliche Geburten blieben in Europa niedriger als in den USA, höher aber als in Asien (vgl. COLEMAN 2002, 319-344).
Zusammenfassend kann man feststellen, dass es zwar unübersehbare Unterschiede und Verschiedenheiten in Europa gibt, daneben aber auch spürbare Annäherungen und bestimmte Eigenarten der europäischen Familie, die sie deutlich von außereuropäischen Familienkonzepten unterscheiden (vgl. KAELBLE 2007, 54).

1.8 Literaturverzeichnis Familienwissenschaft    

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Angell R.C. (1936): The Family Encounters the Depression, New York

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Schwenzer I. - Aeschlimann S. (2006): Zur Notwendigkeit einer Disziplin "Familienwissenschaft", in: Dubs R. - Fritsch B. - Schambeck H. - Seidl E.-Tschirky H. (Hrsg.): Bildungswesen im Umbruch. Festschrift zum 75. Geburtstag von Hans Giger, Zürich, 501-511

Steinbach A. (2008): Stieffamilien in Deutschland. Ergebnisse des "Generations and Gender Survey" 2005, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft 33/2008, 153-180

Steinbach A. - Henning M. - Becker O.A. (Hrsg.) (2014): Familie im Fokus der Wissenschaft, Wiesbaden

Thernborn G. (2004): Between sex and power. Family in the world, 1900-2000, London

Wallers W. (1938): The Family: A Dynamic Interpretation, New York

Weidtmann K. (2013): Angewandte Familienwissenschaft. Der neue Weiterbildungs - Master an der Fakultät W&S ist zum Sommersemester 2013 gestartet, in: standpunkt: sozial 2/2013, 81-86

Wingen M. (2004): Auf dem Weg zur Familienwissenschaft. Vorüberlegungen zur Grundlegung eines interdisziplinären Fachs, Berlin

TEIL 2 Freizeitwissenschaft    

2.1 Einführung    

Als junge Disziplin findet sie in der Freizeitpädagogik als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft ihre Grundlage (vgl. FREERICKS -HARTMANN - STECKER 2010, 1).

Freizeitdidaktische Herausforderungen in den vielfältigen und offenen Angebotsstrukturen und dem Prinzip der Freiwilligkeit in der Freizeit bilden das besondere Interesse. Aus der Bedeutung hat sich ein beachtlicher Marktanteil entwickelt.

Der Wirtschaftsfaktor bietet in seiner Vielfalt Zukunftschancen (vgl. OPASCHOWSKI - PRIES - REINHARDT 2006). Angesichts der Menge von Freizeiterfahrungen und vielfältigen Lebensstile entstehen ständig höhere Anforderungen an die Anbieter.

Die Gliederung ergibt sich aus der Vorbemerkung und Kapiteln der Begriffsbestimmung, dem Lernen und Bildung, der Kultur, dem Sport und Gesundheit, dem Shopping und Gastronomie, der Ökologie und Nachhaltigkeit im Kontext Politischer Bildung.

2.2 Begriffsbestimmung    

Die folgenden Themenfelder stehen im Zentrum der Studie.

Bezugswissenschaften für die Problemfelder sind die Erziehungswissenschaft, Soziologie, Psychologie, Wirtschaftswissenschaft, Ökologie und Politologie mit einem handlungsorientierten Anteil, es ergibt sich ein interdisziplinärer Ansatz.

Ziel ist die Förderung von Lebensqualität (vgl. OPASCHOWSKI 2008, 323).

Freizeit ergibt sich aus ihrer Entstehung.

Als modernes Phänomen ist sie das Produkt einer neuen Organisation des Alltages.

Der Begriff verweist auf die spezifische Form arbeitsfreier Zeit, die es in der Vormoderne nicht gab und beruht auf der Trennung von Arbeit und Alltagsleben, damit der Begrenzung der Erwerbsarbeit (vgl. FROMME 2001, 610; FREERICKS - HARTMANN - STECKER 2010, 19-20). Damit verbunden ergibt sich ein Wandel des Arbeitsbegriffs und eines Zeitbewusstseins. Freizeit wird hier negativ als Nicht - Erwerbsarbeit bestimmt.

Nach FREERICKS - HARTMANN - STECKER (2010, 20-21) gibt es erste Ansätze einer Freizeit bereits in der Reformation als Folge einer religiös - kirchlichen Revolution. Der Anspruch einer Gegenreaktion nach einer nicht reglementierten Gegenwelt ergibt private Neigungen, Selbstbestimmung und Freiheit auf eine Zeit.

Mit der protestantischen Berufsethik und in der Folge dem modernen Kapitalismus ändert sich die Qualität von Arbeit. Das Mußemonopol des Adels wird abgelöst von einer neuen bürgerlichen Freiheit der Arbeit. Die feudale Abhängigkeit wird nun von der Abhängigkeit von (Arbeits-) Markt ersetzt.

Erweitert wird der Gegensatz von Arbeitszeit und Freizeit um die "Halbfreizeit", die als Zeit für physiologische Notwendigkeiten wie den Schlaf, das Essen und eine Erholung erweitert wird.

Weitere Ansätze einer Unterscheidung von Arbeit und Freizeit ergeben sich aus dem Kontrast zur Arbeit (Kontrasttheorie), der Freizeit als arbeitsähnlichen Lebensbereich (Kongruenztheorie) und aus unabhängigen Lebensbereichen wie der Erholung oder Kompensationszeit (Erholungstheorie).

Mit dem Konzept der Aufklärung und "europäischen Freiheitsidee" kommt die Freiheit über die Zeit (vgl. NAHNRSTEDT 1990, 83). Die Fähigkeit zur selbstbestimmten Gestaltung wird als erziehungswissenschaftliche Perspektive ein zentrales Lernziel.

Die Entstehung der Freizeit wird mit den sozialpolitischen Errungenschaften der Gewerkschaften in der Auseinandersetzung um eine Arbeitszeitverkürzung und in der Folge der Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich angesetzt (vgl. LANGE 2004 zur Historischen Politischen Bildung).

2.3 Freizeitumfang - Funktionen    

Mit Beginn der Industrialisierung gab es den 16 Stunden-Tag? mit der Konzentrierung auf die Arbeit auf das ganze Leben. Nur der Sonntag war arbeitsfrei.

Mit der Kürzung der Arbeitszeit wurde die Freizeit relevant im sozialen Alltag. In der Zwischenkriegszeit wurden der 8-Stundentag und die 48-Stundenwoche gesetzlich geregelt. Um 1950 erfolgte schrittweise die 5 - Tagewoche, 1965 die 40 - Stundenwoche und um 1990 die 38 -Stundenwoche je nach Branche eingeführt.

Die Freizeit entwickelte sich zu einem individuellen und gesellschaftlichen Lebensbereich. Krisenhafte Entwicklungen wie Arbeitslosigkeit, die Finanzkrise und aktuell die Coronakrise weisen auf neue Formen der Verbindung von Arbeit und Freizeit hin.

Als Leitziel wird die Selbstbestimmung und Emanzipation bestimmt.

Funktionen bilden nunmehr die Freizeit als

Eigenzeit für persönliche Zeiten,

Sozialzeit für gesellige Aktivitäten und Engagement in und für die Gemeinschaft sowie als

Bildungszeit für weiterbildende und kulturelle Aktivitäten.

Eine Erweiterung erfährt die Freizeit als Konsumzeit, Aktivzeit, Medienzeit und Eigenzeit (vgl. OPASCHOWSKI 1995, 52-54).

2.4 Zeitautonomie    

Nach der Verfügbarkeit über Zeit und Entscheidungs- und Handlungsfreiheit lässt sich die Lebenszeit als Einheit von drei Zeitabschnitten einteilen (vgl. OPASCHOWSKI 1990, 86; MÜLLER 2002).

  • Dispositionszeit als freie Zeit mit Selbstbestimmung > hohe Zeitautonomie (Lesen, TV, Veranstaltungen und Treffen)
  • Obligationszeit als gebundene Zeit mit Zweckbestimmung > mittlere Zeitautonomie (Schlafen, Erwerbsarbeit, Vereinsarbeit) und
  • Determinationszeit als festgelegte und abhängige Zeit und Fremdbestimmung > geringe Zeitautonomie (Schule, Militär, abhängige Beschäftigung)
Die Begriffsbestimmung wird einem demokratischen Anspruch für alle Bevölkerungsgruppen und einer Zeitflexibilisierung gerecht (vgl. FREERICKS - HARTMANN - STECKER 2010, 25).

Das Konzept bietet einen zeittheoretischen Ansatz für freizeitpädagogische Analysen.

2.5 Zeitflexibilisierung    

Bereits in den neunziger Jahren waren ein hoher Anteil der Beschäftigten in flexiblen Arbeitszeitstrukturen beschäftigt. Zudem arbeiten immer weniger Menschen in festen und langfristigen Anstellungen.

Flexibilität und Mobilität werden als Schlüsselkompetenzen am Arbeitsmarkt gefordert. Die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verwischen, man denke nur an die mitunter schwer definierbare Wochenendfreizeit. Die Freizeit im Wochenlauf kann auch an einem beliebigen Wochentag liegen, je nach Situation der wöchentlichen Arbeitszeit.

Damit entwickelt sich eine neue Zeitkultur wie Gleitzeit, Teilzeit, Schichtarbeit und etwa im "Sabatical Year".

Veränderte Bedürfnislagen ergeben sich zwangsläufig, Öffnungszeiten von Geschäften und Schulen wie Halbtagsschulen, Ganztagsschulen und Einrichtungen mit erweiterten Angebotszeiten ebenso in Kultur-, Weiterbildungs-, Freizeit- und Sporteinrichtungen.

Medien senden Tag und Nacht. Man denke an die "Lange Nacht der Museen" und ähnliche Veranstaltungsmuster.

Daraus ergeben sich neue Bedürfnisse für die Freizeit, in der Kultur und im sozialen Bereich (vgl. DOLLASE - HAMMERICH -TOKARSKI 2000).

2.6 Lernen und Bildung    

Lernen und Bildung findet in der Freizeit in pädagogischen Einrichtungen wie der Schule, Jugendheimen, Institutionen der Erwachsenenbildung und in freizeitpädagogischen Einrichtungen wie Jugendfreizeitstätten, Museen, Kurbetrieben oder Vereinen und Einrichtungen von Freiwilligenorganisationen statt.

Zumeist ergänzen sie sich bei Ansätze gegenseitig.

2.7 Freizeitkompetenz    

Eine sinnvolle Freizeitkompetenz in Verbindung mit dem Ziel, Zeit erfüllt zu erleben, umfasst Lernangebote, das Gelernte für den Alltag und ggf. Berufstätigkeit oder für ihre Freizeit verwenden zu können (vgl. GIESECKE 1983, 129).

Pädagogen als "Lernhelfer" sollen für jede Altersgruppe Lernen ermöglichen (vgl. GIESECKE 1997, 15). Unterschieden werden in der Folge fünf pädagogische Handlungsformen je nach Situation und beruflichem Kontext wie Unterrichten, Informieren, Beraten, Arrangieren und Animieren.

Es versteht sich, dass damit dem tertiären und quartären Bildungsbereich heute zunehmend Bedeutung zukommt.

Zu beachten sind zunehmend die nachhaltige Vermittlung von Wissen und Kompetenzen und eine Veränderung von Handeln im Kontext der Organisation von Vorkenntnissen (vgl. WAHL 2020).

Handlungsleitend für ein pädagogisches Handeln in der Freizeit müssen die didaktischen Strukturmerkmale von Freizeit und Fachpädagogik sein.

Zu gewährleisten sind eine Erreichbarkeit, Offenheit und der Aufforderungscharakter des Angebots.

Nach OPASCHOWSKI (1990, 99) bedeutet dies eine einplanbare Teilnehmerzahl, Freiwilligkeit der Teilnahme, Verweildauer und Teilnahmeintensität, der Erwartungen, Interessen, Altersgruppen und sozialen Herkunft der Teilnehmenden sowie eine Veränderung der spontanen Bedürfnisse (vgl. HUFER 2016, 83-95)

2.8 Bildungsmöglichkeiten    

Die Freizeit verändert Bildungsmöglichkeiten und schafft neue Lernräume (vgl. POPP 2005, 255-266).

Hintergrund ist das verstärkte pädagogische und politische Interesse am informellen Lernen außerhalb formaler Bildungsräume und Abschlüsse.

Aktuell läuft die Diskussion um eine Einrechenbarkeit in Zertifizierungen in der quartären Erwachsenenpädagogik ( vgl. Validierung von Kompetenzen).

Dieses weite Lernverständnis wird mit Begriffen wie "Entgrenzung des Lernens", "Neue Lernkultur" und "Selbstgesteuertes Lernen" umschrieben.

Grundlage ist ein konstruktivistischer Lernbegriff (vgl. KIRCHHÖFER 2004; ARNOLD - NUISSL - ROHS 2017, 101-104). Lernen ist demnach ein aktiver, konstruktiver Prozess, der dem Lernenden die eigene Lebenswelt erschließt.

Interessen, Emotionen und Kontexte spielen eine Rolle und führen zu individuellen Lernwegen und Lernergebnissen.

Für die Freizeitbildung ergibt sich ein Rahmen als

  • Bildung in der Freizeit mit Angeboten in Bildungswegen,
  • Bildung für die Freizeit mit differenzierten Programmen wie etwa Nordic Walking, Segeln, Tauchen oder Fliegen und
  • freizeitgemäße Bildung mit Wecken von Interessen, Animation und Lernen mit allen Sinnen.
Chancen einer Freizeitbildung ergeben sich in einer Vielzahl von Lernorten, Flexibilisierung von Lernzeiten, Vielzahl von Sinnen in den Lernformen, Alltäglichkeit von Lerninhalten und Demokratisierung von Lernzielen wie Offenheit und Selbststeuerung sowie Motivstrukturen wie Erholung, Unterhaltung, Kommunikation und Konsum.

2.9 Kultur    

Der Kulturbereich macht einen wesentlichen Teil der Freizeitwirtschaft aus. Nach HANSEN (2003, 11-13) unterscheidet man vier Varianten des Kulturbegriffs.

  • Kreativität und Kunst - Kulturbetrieb
  • Form der Lebensart - Kultiviertheit vs. Zivilisation
  • Gewohnheiten bestimmter Gruppen und Bereiche - Jugendkultur, Freizeitkultur
  • Ergebnis von Tätigkeiten - Monokultur, Kulturlandschaft, Bakterienkultur
Kultur bezieht sich auf ein umfassendes Ganzes.

Der erweiterte Kulturbegriff umfasst menschliches Leben und Arbeit, Wohnen, körperliche und geistige Fähigkeiten, Verbringen seiner Freizeit und Beziehungen zu anderen Menschen (vgl. GAU 1990).

Bedeutung hat die Alltagskultur und institutionelle Kultur wie Theater, Oper, Konzerte und Museen.

2.9.1 Kulturbereiche    

Für eine Vergleichbarkeit hat die UNESCO 1986/2007 Rahmenrichtlinien in Form des "Framework for Cultural Statstics" geschaffen.

Es ergibt sich eine Abgrenzung von Kulturbereichen länderspezifisch mit fünf Kernbereichen und einem Randbereich (vgl. UNESCO 2007 > The 2009 UNESCO Framework for Cultural Stastics [Entwurf]).

  • Kultur- und Naturerbe,
  • Aufführungen und Feste,
  • Bildliche Kunst,
  • Kunsthandwerk und Design,
  • Bücher und Presse sowie
  • Audiovisuelle und digitale Medien.
  • Randbereich: Tourismus, Sport und Freizeit
2.9.2 Kulturverständnis    

Das Kulturverständnis hat sich ab den siebziger Jahren in der Hoch- und Populärkultur verändert, Folge ist eine "Integrationskultur" aus der Elite- und Unterhaltungskultur (vgl. FREERICKS - HARTMANN - STECKER 2010, 198-199).

Von Interesse ist die Förderung durch öffentliche Haushalte für Theater und Musik, kulturnahe Bereiche, Museen und Ausstellungen, Bibliotheken, Kulturverwaltung, Kunsthochschulen, Denkmalschutz, kulturelle Angelegenheiten im Ausland und Filmförderung.

2.10 Sport und Gesundheit    

Im Folgenden wird auf die Überschneidung''' von Sport und Gesundheit in der Freizeit und Fragen der Sportethik eingegangen.

2.10.1 Sport    

"Sport" wurde in den zwanziger Jahren wie viele Sportausdrücke aus dem Englischen in den deutschen Wortschatz übernommen. Bezeichnet wird eine planmäßige Körperschulung und Betätigung. Die englische Bezeichnung von "sport" bedeutet Zerstreuung, Vergnügen, Zeitvertreib und Spiel.

Grundlage des Sports sind ursprünglich körperliche Aktivität, spielerisches handeln, Leistungsprinzip, soziale und ethische Werte (vgl. FRTEERICK - HARTMANN - STECKER 2010, 217).

Sport ist ein heterogenes Gebilde. Es gibt einen aktiven und passiven Konsum. Der Sport hat am Freizeitmarkt einen hohen Konkurrenzdruck mit dem Medienkonsum und der Eventkultur zu bestehen.

KRÜGER - DREYER (2004, 5-22) untersuchten die Struktur des Sports und kamen zur 40 - 20 -40 Formel, 40 Prozent betreiben Sport, 20 Prozent interessieren sich für den Sport, 40 Prozent haben kein Interesse. Bemerkenswert in der Untersuchung ist der konstante Anteil der Gelegenheitssportler.

Von Interesse sind die einzelnen Sportarten mit der aktiven Betätigung wie etwa Fußball, Wintersport, Tennis, Turnen, Leichtathletik, Handball, Wandern/ Walken, Schwimmen und Radfahren.

Geschlechtsspezifisch bleibt das Radfahren bei beiden Geschlechtern bevorzugt. Bevorzugte "Frauensportarten" sind Reiten und Turnen, dagegen "Männersportarten" Boxsport und Ringen. Zunehmend gibt es und bilden sich "neutrale" Sportarten.

Motive für den Sport sind die deutliche Überschneidung mit einem Gesundheitsbezug mit zunehmendem Alter. Geselligkeitsaspekte spielen eher eine geringere Rolle.

Trends gehen weg vom normierten Spiel wie Streetball und Beachvolleyball. Risikoreichere Trendsportarten sind Mountainbiking, Inline - Skating, Snowboard, Gleitschirmfliegen und Riverrafting. Sie grenzen sich vom mittelfristigen Verbreitungspotential ab (vgl. STUMM 2004, 427-444).

TV - Sportarten bilden Fußball, Motorsport, Leichtathletik, Skisport und Boxen.

Veranstaltungsorte haben sich an die Anforderungen des modernen Mediensports angepasst. Die neuen Arenen für einen "Zuschauersport" werden privatwirtschaftlich betrieben, haben keine Kampfbahn und Stehplätze mehr.

2.10.2 Gesundheit    

Die Thematik durchdringt fast alle Lebensbereiche wie die Ernährung, Bekleidung bis zum Urlaub und natürlich Sportaktivitäten.

Einstellungen zur Gesundheit unterscheidet sich in

  • kritische Interessierte,
  • aktive Sportler,
  • sorglose Sportler,
  • Minimalisten und
  • passive Zauderer.
Der Bewegungsmangel und die Forderung nach sportlichen Aktivitäten weisen auf eine Nutzung der Chancen der Erkenntnisse aus der Sport- und Gesundheitswissenschaft bzw. Sportmedizin.

2.10.3 Sportethik    

Als angewandte Ethik befasst sie sich mit den moralischen Aspekten des Sports.

  • Themen sind etwa Fairness, Regeln und Normen (vgl. PAWLENKA 2004, 10).
  • Die Beantwortung der moralischen Frage hängt vom persönlichen Selbstverständnis ab.
  • Der Wettkampfsport kennzeichnet sich anders durch eindeutige Regeln und kaum eine Rollenfestlegung.
  • Im Gesundheitssport und Freizeitsport spielt jeweils der Wertkanon des jeweiligen gesellschaftlichen Umfeldes eine Rolle.
  • Zu unterscheiden ist das moralisch richtige Handeln auf der Akteursebene (Sportler, Trainer, Betreuer) und Institutionsebene (Sportstruktur).
Die Rolle des Sports in der Gesamtgesellschaft betrifft etwa Umweltfragen, Körperkultur und die Legitimation des Sports in der Öffentlichkeit und in den Medien.

2.11 Shopping und Gastronomie    

Shopping und der Gastronomiebesuch stehen ganz oben auf der Beliebtheitsskala der Freizeitaktivitäten.

2.11.1 Shopping    

Zu unterscheiden ist zwischen Versorgungs- und Erlebniseinkauf. Einmal geht es um den Einkauf von lebensnotwendigen Gütern, zum Anderen steht der Vergnügungsaspekt als Erlebniseinkauf im Vordergrund (vgl. WIDMANN 2006, 16).

  • Zu beachten sind die fließenden Übergänge und Überlappungen verschiedenen Motive.
  • Es geht um Spontaneität, Ziellosigkeit, sich treiben lassen, eine attraktive Umgebung, große Produktpalette, Vielfalt in der Gastronomie und Auswahl der Destination.
  • Klassische Orte des Erlebniseinkaufs sind die die Innenstädte mit ihren historischen Stadtkernen.
  • Daneben sind die kleinen Städte mit Handwerkstradition, landwirtschaftlichen Produkten und auch Shopping - Center mit großflächigen Versorgungseinrichtungen, Fachgeschäften, Dienstleistungsbetrieben und einem räumlichen Angebot von Gastronomie (vgl. WIDMANN 2006, 27-29).
  • Neue Orte sind die "Urban Entertainment Center" als großflächige Einkaufszentren mit Freizeit- und Vergnügungsparks. "Brand Lands" gelten als Orte der Image-Kommunikation? von Betrieben, etwa die BMW-Welt? in München oder das Legoland Günzberg (vgl. WIDMANN 2006, 37-39).
  • "Cross - Border - Shopping" als Sonderform für den grenzüberschreitenden Einkauf mit landesspezifischen Angeboten, wobei die EU - Binnengrenzen zur Nivellierung der Preise und Angebote beitragen.
Zentrale Merkmale der vielen Formen bilden eine Multifunktionalität, ausgeprägte Freizeitorientierung und Convenience als einheitliche Steuerung und Vernetzung der Angebote (vgl. QUACK 2001, 30)

2.11.2 Gastronomie    

Das Gastgewerbe umfasst alle Angebotsformen einer zahlenden Bewirtung und Beherbung von Gästen. Die Gastronomie befasst sich als Teilbereich der Verköstigung zahlender Gäste in Gastwirtschaften bzw. Gasthäusern oder Restaurants.

Fünf Gruppen unterscheiden sich für den Bereich der Freizeit

  • Beherbungsbetriebe mit und ohne Speisenangeboten wie Hotels, Gasthöfe, Hotel garnis und Pensionen,
  • sonstige Beherbungsbetriebe Parahotellerie ohne Relevanz,
  • speisengeprägte Gastronomie wie Restaurants, Cafe, Eisdielen, Imbisshallen,
  • getränkegeprägte Gastronomie wie Gastwirtschaften bzw. Schankwirtschaften und Gastgärten, Bars und Vergnügungslokale, Discotheken und Tanzlokale, Trinkhallen und
  • Kantinen und Caterer abgesehen von betriebsinternen Kantinen für den Freizeitbereich.
Nach WITTERSHEIM (2004, 52) gib es die Individualgastronomie wie Einzelbetriebe oder mehrere Betriebstätten mit uneinheitlichen Leistungen, Systemgastronomie wie Handelsgastronomie, Verkehrsgastronomie an Verkehrsknotenpunkten und Convenience - Gastronomie wie Fast - Food und Take - away - Speisen.

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen beeinflussen die Gastronomie und Essensverhalten wie die Individualisierung, Feminisierung, Multitasking, Lebensphasen und Singelisierung (vgl. RÜTZLER 2003).

2.12 Ökologie und Nachhaltigkeit    

Es geht um neue Balancen für eine tragfähige Gestaltung der Freizeit, ihrer Strukturen und Angebot. Relevante Auswirkungen der Handlungsfelder Freizeitverkehr, Erlebniswelten, Großveranstaltungen und großflächigen Freizeitaktivitäten und Freizeitkonsum sind wesentliche Themenfelder.

Sie ergeben sich aus den Fachbereichen Politische Bildung und Nachhaltige Entwicklungen.

Dieser Teil der Studie bezieht sich zum Nachlesen auf die Ausführlichkeit in FREERICKS - HARTMANN - STECKER (2010, 241-352) und den IT - Autorenbeitrag "Nachhaltigkeit" als ein zusammenfassender Teilbereich aus dem Fernstudium "Nachhaltige Entwicklung"/ Comenius Institut Münster (2020) und ist daher nur als Überblick zur Thematik zu verstehen.

2.12.1 Nachhaltigkeit als Prinzip    

  • Ursprung in der Forstwirtschaft - Krise im Mittelalter durch den Raubbau der Wälder
  • Club of Rome 1972 - Grenzen des Wachstums
  • Global 2000 - Bericht an den Präsidenten der USA Jimmy Carter 1980
  • Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1983 - Brundlandt - Bericht 1987
  • UN-Konferenz? über Umwelt und Entwicklung 1992 Rio Konferenz Deklaration - Handlungsbedarf in
    • Ökologie - Umweltpolitik
    • Ökonomie - Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen
    • Gesellschaft - gerechte Verteilung der Lebenschancen
  • Weltgipfel für Nahhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002
Nachhaltige Freizeitgestaltung

  • schonende Nutzung der Naturressourcen - Übernutzung
  • wirtschaftliche Nutzung - Arbeitskräfte, Arbeitsmarkt und Einkommensverteilung
  • Stabilisierung sozialer Strukturen - Kulturerbe, Identität, Mitbestimmung
2.12.2 Problemfelder und Dimensionen    

  • Umweltprobleme - globale Erwärmung, Klimawandel - Bodennutzung - Wasserverbrauch - Abfall - Lärm
  • Wirtschaftsprobleme - Grundversorgung der Menschen, Güterproduktion, Dienstleistungen, Erhaltung des Lebensstandards, Wirtschaftsstruktur - Güterverteilung
  • Soziale Probleme - Wohnung, Kleidung, Bildung, politische Rechte - Solidarität, Integrationsfähigkeit, Gemeinwohlorientierung und Gerechtigkeitssinn
2.12.3 Auswirkungen und Konflikte    

  • Freizeitverkehr - Mobilität
  • Erlebniswelten - Freizeitzentren
  • Großveranstaltungen - Mega - Events
  • naturgebundene Freizeitaktivitäten - Naturschutz, Nationalparks, Landschaftsschutz, Biosphärenreservate
  • Freizeitkonsum - Konsumzwang
2.12.4 Handlungsmöglichkeiten    

  • Politik und Gesetzgebung - Verkehrspolitik - Gesetzgebung - Umweltverträglichkeitsgesetz, Artenschutzgesetz, Wassergesetz, Waldgesetz, Lärmschutzgesetz, Abfallgesetz
  • Planungsrahmen - Raumordnung, Landesplanung, Regionalplanung, Bauplanung
  • Umwelttechnologien - regenerative Energien, Biogas, Solarwärme, wassersparende Geräte - Verkehr
  • Besucherlenkung - Besucherzentren - Wegeführung, Beobachtungsstände, Informationstafeln
  • Labels - Gütesiegel
  • Regionale Wirtschaftsförderung - ökonomische Netzwerke, Produktionsketten, Mitbestimmung in der Gestaltung der Lebensumwelt - Naherholungsgebiete
  • Bildung und Kommunikation - Gestaltungskompetenz - aktive Teilnahme am Wandel der Gesellschaft, "Dekade der Bildung für nachhaltige Entwicklung" 2005-2014 - formale und informelle Bildung/ Validierung - Förderung der Erwachsenenpädagogik - Nutzung von Netzwerken im Bildungsbereich
2.13 Literaturverzeichnis Freizeitwissenschaft    

Arnold R.- Nuissl E. - Rohs M. (2017): Erwachsenenbildung. Eine Einführung in Grundlagen, Probleme und Perspektiven, Hohengehren

Dollase R.- Hammerich K. - Tokarski W. (2000): Temporale Muster. Die ideale Reihenfolge der Tätigkeiten, Opladen

Freericks R. - Hartmann R.- Stecker B. (2010): Freizeitwissenschaft. Handbuch für Pädagogik, Management und nachhaltige Entwicklung, München

Fromme J. (2001): Freizeitpädagogik, in: Otto H.W. - Thiersch W. (Hrsg.): Handbuch Sozialarbeit/ Sozialpädagogik, Neuwied, 610-629

Gau D. (1990): Kultur als Politik. Eine Analyse der Entscheidungsprämissen und des Entscheidungsverhaltens in der kommunalen Kulturpolitik. Beiträge zur Kommunalwissenschaft, Bd. 32, München

Giesecke H. (1983): Leben nach der Arbeit, München

Hansen K.P. (2003): Kultur und Kulturwissenschaft - Eine Einführung, Tübingen

Hufer Kl.-P. (2016): Politische Erwachsenenbildung. Plädoyer für eine vernachlässigte Disziplin, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 1787, Bonn

Kirchhöfer D. (2004): Lernkultur Kompetenzentwicklung. Begriffliche Grundlagen, Berlin

Krüger A.- Dreyer A. (Hrsg.) (2004): Sportmanagement. Eine themenbezogene Einführung, München

Lange D. (2004): Historisch - politische Didaktik. Zur Begründung historisch - politischen Lernens, Schwalbach/ Ts.

Müller H. (2002): Freizeit und Tourismus. Eine Einführung in Theorie und Politik, Heft 41/2002, Berner Studien zu Freizeit und Tourismus, Bern

Nahrstedt W. (1990): Leben in Freier Zeit, Darmstadt

Opaschowski H.W. (1990): Pädagogik und Didaktik der Freizeit, Opladen

Opaschowski H.W. (1995): Freizeitökonomie. Marketing von Erlebniswelten, Opladen

Opaschowski H.W. - Pries M.- Reinhardt U. (Hrsg.) (2006): Freizeitwirtschaft. Die Leitökonomie der Zukunft, Hamburg

Opaschowski H.W. (2008): Einführung in die Freizeitwissenschaft, Wiesbaden

Pawelka Cl. (Hrsg.) (2004): Sportethik. Regeln - Fairness - Doping, Paderborn

Popp R. (2005): Zukunft: Freizeit: Wissenschaft, Forschung, Bd. 6, Wien

Quack H.- D. (2001): Freizeit und Konsum im inszenierten Raum. Eine Untersuchung räumlicher Implikationen neuer Orte des Konsums. Paderborner Geographische Studien 14/2001, Paderborn

Rützler H. (2003): Future Food. Die 18 wichtigsten Trends für die Esskultur der Zukunft, Kelkheim

Stumm P. (2004): Trendsportarten, in: Krüger A. - Dreyer A. (Hrsg.): Sportmanagement. Eine themenbezogene Einführung, München, 427-444

Wahl D. (2020): Wirkungsvoll unterrichten in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung, Bad Heilbrunn

Widmann T. (2006): Shoppingtourismus. Wachstumsimpulse für Tourismus und Einzelhandel in Deutschland. Materialien zur Fremdenverkehrsgeographie, Heft 64/2006 der Geographischen Gesellschaft Trier

Wittersheim N. (2004): Erlebnisgastronomie in Deutschland. Materialien zur Fremdenverkehrsgeographie Heft 61/2004 der Geographische Gesellschaft Trier

TEIL 3 Anthropologie    

3.1 Einführung    

Anthropologie als Wissenschaft vom Menschen versteht sich als Bemühen, als philosophische Teildisziplin Erkenntnisse vom Menschen zwischen Ethik - Pädagogik zurückzugewinnen.

Anzusprechen sind die einzelnen Bereiche der Anthropologie wie die

  • Theologische Anthropologie,
  • Kultur- und Sozialanthropologie,
  • Pädagogische Anthropologie.
  • Das Interesse des Autors bezieht sich auf Teildiszipline der Thematik. In der Fachliteratur wird ausführlich auf die philosophische Disziplin verwiesen (vgl. REITEMEYER 2019, 38-90).
Ziel ist es, die Grund- und Freiheitsrechte des Menschen methodisch zu begründen und in Verbindung mit einer Politischen Bildung die anthropologische Wissenschaft in ihrem Erkenntnisstand auf einen Anerkennung der Würde des Menschen zu verpflichten. Dies soll zunächst historisch - systematisch begründet werden.

Der Kontext zur Politischen Bildung ist damit gegeben.

3.2 Kultur- und Sozialanthropologie    

3.2.1 Vormärz vs. vorindustrieller Entwurf    

Im Vormärz wird der Mensch als selbstbewusstes Gattungswesen gesehen, indem das Selbstbewusstsein zum Merkmal wird (vgl. als Vormärztheoretiker Ludwig Feuerbach und Karl Marx).

  • Es entsteht damit die Vorstellung, dass die Menschen in diesem Bewusstsein miteinander kooperieren.
  • Der Mensch ist ein "Gemeinmensch" und nach dieser Theorie von Natur aus ein Kommunist (vgl. REITEMEYER 2019, 115).
  • Er ist angewiesen auf Intersubjektivität und Interaktion sowie sein Ich entfaltet sich nur in Einheit mit einem Du (vgl. ein Mensch ist zugleich ein Mitmensch).
  • Der Mensch ist nicht nur eine normative Kategorie aus vernünftigen Überlegungen, sondern beinhaltet ein Wesensmerkmal der unmittelbaren Natur.
  • Dies führt zur Überlegung, dass eine Gesellschaft mit Kooperation und Gemeinschaft zur menschlichen Natur am besten passt, wobei ein Staat, der diese Säulen tragfähig macht, notwendig ist. Anthropologie wird zu einem Politikum (vgl. ROUSSEAU mit dem Menschenbild im Naturzustand [friedlich, genügsam und mitleidend]).
Rousseau ging es um die Zukunft der bürgerlichen Gesellschaft und des bürgerlichen Rechtsstaates, also um die Gleichstellung aller Menschen naturrechtlich begründet als Rechtssubjekte (vgl. Rousseaus Argumentation, Privateigentum sei der Sündenfall in der Menschheitsgeschichte. Recht ist daher ein Instrument der Macht und weniger eines Interessensausgleichs).

  • Mit der Wiederherstellung der natürlichen Gleichheit oder der natürlichen Rechte müsste konsequenterweise die Abschaffung des Privateigentums verbunden sein.
  • Damit war eine Gesellschaft ohne Privateigentum als vorindustrieller Entwurf und nicht als sozialromantische Utopie geboten.
3.2.2 Industrielle Revolution - Systemarchitektur    

Erst mit der industriellen Revolution, großer Kapitalanhäufungen und Verteilungsungerechtigkeiten ging es ökonomisch und politisch um soziale Ungleichheiten und Mangelerscheinungen in der sozioökonomischen Entwicklung (vgl. MARX 1867, 486).

Arbeit sei dem Menschen so natürlich wie Schlaf und Stoffwechsel. Durch Arbeit wird der Mensch ein Kulturprodukt.

  • Industrielle Produktion verändert die gesellschaftlichen Strukturen und technische Entwicklungen. Erstmals erscheint es möglich, dass der Mensch die Natur beherrscht (vgl. die Möglichkeiten einer Verhinderung von Seuchen, Hunger und Verwahrlosung).
  • Es bedarf der Konstruktion einer vernünftigen gesellschaftlichen Systemarchitektur (Kooperation, natürlicher Interessenausgleich; vgl. der Übergang von der bürgerlichen Klassengesellschaft zur kommunistischen Parteien- bzw. Kadergesellschaft, in der Folge auch umgekehrt).
3.3 Pädagogische Anthropologie    

Im Folgenden wird die Stellung der Anthropologie zwischen spekulativer und empirischer Forschung als Vertiefung eines bildungswissenschaftlichen Studiums im Kontext Politischer Bildung angesprochen.

Anzusprechen ist eine bildungswissenschaftliche Perspektive, die eine eigene Disziplin sieht.

Seit der Aufklärung sind anthropologische Fragestellungen ein Herzstück erziehungstheoretischer Entwürfe.

Pädagogische Anthropologie gibt es erst als Namen im Übergang von der geisteswissenschaftlichen zur empirischen Pädagogik. Erst in der sog. realistischen Wende im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts kommt es zu einer Aktualisierung.

Von Interesse ist die Selbstbeschreibung der "Deutschen Gesellschaft für Erziehung", die sich mit pädagogischen Implikationen von Menschenbildern auseinandersetzt(vgl. REITEMEYER 2019, 158).

3.3.1 Theorie der Bildsamkeit    

Eine Anthropologie jenseits einer Theorie der Bildsamkeit ist keine Anthropologie. So verwundert es auch nicht, dass die pädagogische Anthropologie aus der geisteswissenschaftlichen Pädagogik und nicht aus der philosophischen Anthropologie sich entwickelte (vgl. REITEMEYER 2019, 162-163).

Es sind in der Folge die empirischen Wissenschaften, die der Anthropologie die Themen und Perspektiven vorgeben.

Es war die Pädagogik, die in der geisteswissenschaftlichen Ausrichtung die Bildsamkeit und geistige Tätigkeit beleuchtete.

  • Menschliche Fähigkeiten entstehen nur in Interaktivität und Intersubjektivität, also auf der subjektiven Seite in Erziehung und in der objektiven Seite in Sozialisation.
  • In der Folge entstanden Erziehungs- und Bildungspläne.
  • Mit der Definition von Moral, in der Folge mit der Auseinandersetzung ethischer Maßstäbe unter Beachtung von Vernunft und Freiheit, gewinnen Teildiszipline wie Politische Bildung, interkulturelle Bildung, Ethik und Persönlichkeitsbildung an Bedeutung.
3.3.2 Bildungstheorie als Gesellschafts- und Ideologiekritik    

Bildungstheorie als Gesellschafts- und Ideologiekritik in Form einer Forschungsdisziplin ergänzen den Blick auf eine relevante pädagogische Praxis, wobei Resultate der empirischen Sozialwissenschaften aufgenommen wurden.

  • Die Auseinandersetzung mit Menschenbildern steht im Kontext einer Ideengeschichte der Politischen Bildung, also sozialwissenschaftlicher Lehr- und Lerninhalte.
  • Es zeigt sich, dass in den Nachbardisziplinen der Erziehungswissenschaft - etwa Psychologie, Soziologie und Fachdidaktiken - ein Spezialwissen ansammelt.
  • Streng genommen gibt es keine erkennbare Rolle einer pädagogischen Anthropologie im gegenwärtigen pädagogischen Diskurs. Damit zeigt sich auch hier einer der weißen Flecken im gegenwärtigen Bildungsgeschehen (vgl. als Ausnahme WULF 2004, 33-57).
3.3.3 Reflexion    

Anthropologie ist Teildisziplin erziehungswissenschaftlicher Hochschulbildung und gewinnt im Kontext von Ethik mit Politischer Bildung angesichts aktueller Entwicklungen zunehmend an Bedeutung.

  • Für den Autor sind in der Folge Menschenbilder und Persönlichkeitsbildung Bereiche von besonderem Interesse geworden. Ausgespart auf Grund mangelnder Kompetenz bleibt eine Betrachtung der Philosophischen Anthropologie.
  • Politische Bildung als sozialwissenschaftliche Disziplin benötigt sozialwissenschaftliche Elemente, die sich in der Anordnung des Beitrages ergeben.
  • Im Hinblick auf Lehrelemente in der Religionslehrerausbildung ergibt sich folgerichtig eine Behandlung der Theologischen Anthropologie.
3.4.4 Literaturhinweise Anthropologie    

Aristoteles(1958): Politik, Hamburg

Dichatschek G. (2017a): Erwachsenen - Weiterbildung. Ein Beitrag zu Theorie und Praxis von Fort- bzw. Weiterbildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2017b): Interkulturalität. Ein Beitrag zur Theorie, Bildung und Handlungsfeldern im Kontext Interkultureller Öffnung und Politischer Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G. (2018): Didaktik der Politischen Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder der Fachdidaktik der Politischen Bildung, Saarbrücken

Jörke D. (2005): Politische Anthropologie: eine Einführung, Wiesbaden

Horkheimer M. (1937): Nachtrag - Traditionelle und kritische Theorie, Gesammelte Schriften, Bd. 4

Jörke D. - Ladwik B. (Hrsg.) (2009): Politische Anthropologie, Geschichte - Gegenwart - Möglichkeiten, Baden - Baden

Kant I. (1968): Kritik der reinen Vernunft/1781-1787, in: Weischedel W. (Hrsg.): Frankfurt, Bd.IV, 677, B 833

Marquardt O. (1971): Anthropologie, in: v. Ritter J.(Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, 365

Marx K. (1867): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, MEW Bd. 23

Reitemeyer U. (2019): Praktische Anthropologie oder die Wissenschaft vom Menschen zwischen Metaphysik, Ethik und Pädagogik, Münster - New York

Wulf Ch. (2004): Anthropologie, pädagogische, in: Benner D. - Oelkers J. (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Pädagogik, Weinheim - Basel, 33-57

Zum Autor    

APS - Lehramt (VS - HS - PL/ 1970 - 1975 - 1976), zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater (1975 bzw. 1999), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 10. Universitätslehrganges für Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ Master (2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/ Wien/ Diplome (2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), des 4. Internen Lehrganges für Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016), des Fernstudiums Grundkurs Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Erwachsenenbildung/ Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung(2018)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien/ Berufspädagogik - Vorberufliche Bildung (1990/1991 - 2010/2011), am Fachbereich Geschichte/Lehramt/ Universität Salzburg - Didaktik der Politischen Bildung, am Kirchlichen Lehrgang der Superintendenz Salzburg und Tirol/ Basisausbildung zur Religionslehrkraft an der APS/ Pädagogische Impulse in Unterricht und Lehre, Interkulturalität (2018-2020)

Kursleiter/ Lehrender an den VHSn des Landes Salzburg Zell/ See, Saalfelden, Bischofshofen und Stadt Salzburg/ "Freude an Bildung" - Politische Bildung ( 2012 - 2019); stv. Leiter am Evangelischen Bildungswerk in Tirol (2004-2009, 2017-2019); Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche in Österreich (2000 - 2011)

Aufnahme in die Liste der sachverständigen Personen für den Nationen Qualifikationsrahmen/ NQR, Koordinierungsstelle für den NQR/ Wien (2016)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
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