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Stephan Rudas

Dr. Stephan Rudas. Leiter des Instututes für Psychosoziale Forschung. Chefarzt der Psychosozialen Dienste in Wien. Psychotherapeut und Arzt.

Exzerpt aus "Gewaltfreies Zusammenleben ist erlernbar" in Gewalt im TV

Ausgeübte Gewalt ist die einseitige Durchsetzung von Willen gegenüber anderen Menschen, wobei eine (tatsächliche oder vermeintliche) Stärke als Mittel eingesetzt wird.

Gewalttätiges Handeln ist ein häufiges Muster zur Abwicklung ("Lösung") von Konflikten. Aggression sollte als ein allen Menschen innewohnender Trieb zur Durchsetzung eigener Interessen - von der Gewalt getrennt - gesehen werden. Wenn aggressive Impulse zur Grundausstattung eines Menschen gehören, dann ist die Vermittlung geeigneter "Umgangsvarianten" mit diesen Impulsen eine wichtige Aufgabe der Sozialisation.

Die unerlässliche gesellschaftliche Ablehnung der Gewalt sollte nicht im gleichen Zug auch jene aggessiven Persönlichkeitsanteile, die uns allen eigen sind, einbeziehen. Die Mit-Tabuisierung der Begriffe Konflikt und Aggressivität ist kein geeigneter Weg zur besseren Bewältigung des negativen Phänomens Gewalt.

Aggression als Kraft ist den Menschen angeboren. Mit 6 Monaten zeigen sich bei Kindern die ersten "dramatischen" Konflikte mit Wut und Zorn. Mit 24 Monaten sind das "Ich" und "Du" und auch das "Mein" und "Dein" wichtig mit allen damit verbundenen Konflikten. Mit 36 Monaten kennen Kinder "Freunde" und "Feinde" und haben in kleinen Gruppen meist schon viel Streit gehabt ... Es geht nicht um das Vermeiden von Konflikten, sondern um die Erfahrungen, dass und wie Konflikte gewaltarm bewältigt werden können. Damit geht die Kontrolle der eigenen aggressiven Impulse einher. Gewaltarmes Zusammenleben ist erlernbar.

Zum Einsatz von Gewalt als Lösungsstrategie kommt es meist, wenn andere "Methoden" fehlen und das Miteinander Reden(-können) aufhört. Gewalt wird dann zum untauglichen Mittel der Kommunikation. Die Bereitschaft, auf Gewalt zu verzichten steigt, wenn Alternativen zur Konfliktbewältigung erprobt und geübt werden können.

Gewalttätigkeiten überwinden die Gegenwehr des Betroffenen und löst Erlebnisse von Ohnmacht aus. Diese erhöhen die Toleranz für Gewalthandlungen bei den Opfern wie bei den Tätern. Andererseits wächst die wünschenswert kritische Haltung zur Gewalt, wenn es im Kinder- und Jugendalter möglich war, über Gewaltphänomene zu sprechen.

Gewalt steht oft mit Angst in Zusammenhang, die als Signal helfen soll, Gefahren ernstzunehmen. Angst motiviert zuFlucht oder Gefahrenabwehr. Angst - des Täters - ist eine häufige Quelle von Gewalt.

In der Gruppe kann Angst einerseits gemindert, unter bestimmten Bedingungen aber auch gesteigert werden. Gruppen können gewalttätiger werden als Einzelpersonen und Gewalt auch legitimieren. Gewalt in der Gruppe und durch die Gruppe stellt daher eine besondere Gefahr dar.

Ein Merkmal der Gewalt ist das Bestreben sie als Handlungsmuster zu legitimieren. Die Gewalt gilt dann als "üblich" und wird zur "normalen" Form der Problemlösung. Häufig personifizieren "Helden" die Gewalt als Norm, als einfaches und zuverlässiges Problemlösungsmuster, und laden zur Nachahmung ein. Nur solange dies in "Geschichten" (Mythen, Sagen) stattfindet, bleibt das ohne negative Auswirkungen. In die Realität umgesetzt entstehen blutige, tragische Belastungen.

In einem tragischen "Kreislauf der Gewalt" sind jene Personen, die in ihrer Kindheit und Jugend häufig Gewaltakten ausgesetzt waren, eine besondere "Risikogruppe", die nun selbst zur Gewalttätigkeit neigt. Sie ist gegenüber gewaltstimulierenden "Reizen" besonders anfällig.

Diese Fähigkeit, gewaltstimulierenden Reizen widerstehen zu können, ist bei der Vermeidung von Gewalt von besonderer Bedeutung. "Ritualisierte" Regelungen des Umgangs mit Gewaltphänomenen tragen viel zur Vermeidung konkreter gewalttätiger Handlungen bei. Solche geignete und gesellschaftlich akzeptierte Regelungen sind für alle Bereiche des menschlichen Lebens und Zusammenlebens besonders wichtig.


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© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am August 1, 2003