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Erfahrungen Beim Sperrwerk Von Gandersum

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Vorbemerkung   
Das Undenkbare wird geplant   
Der Widerstand formiert sich   
Aus einem Plan wird ein Verfahren   
Es wird gebaut!   
Es herrscht Baustop   
Die weitere Entwicklung   

Vorbemerkung    

Liebe Brüder und Schwestern! Sehr geehrte Damen und Herren!

Nicht als captatio benevolentiae, auch nicht zur Befriedigung meiner eigenen Eitelkeit sei mir zu Beginn gestattet, Sie darauf vorzubereiten, daß Sie in den nächsten etwa zwanzig Minuten mit groben Grundlagen sowohl des Küstenschutzes, der Geologie, Hydrologie, Flora und Fauna des typischen Nordseeästuars "Ems" als auch einigen Aspekten der Betriebswirtschaft im Schiffbau, sowie wesentlichen Punkten des deutschen und europäischen Verwaltungsrechtes konfrontiert werden. Seien Sie versichert, daß niemand mehr als ich das Ganze lieber sehr viel einfacher hätte - aber, um den großen Dichter Brecht zu zitieren: Die Verhältnisse, die sind nicht so. Und in diesem Falle des Sperrwerkes sind sie vor allem noch komplizierter.

Sodann möchte ich mich vorstellen und damit zugleich in die uns heute beschäftigende Problematik einführen:

Ich bin 1955 in Köln geboren, dort - am Ufer des Rheins - aufgewachsen und zur Schule gegangen; habe dann etwas weiter rheinaufwärts in Bonn von 1973 bis 1979 evangelische Theologie studiert und bin schließlich - was in diesen Zeiten noch recht einfach und unkompliziert möglich war - nach dem ersten theologischen Examen als Vikar nach Ostfriesland gekommen. Nach einer kurzen Episode als Hilfsprediger hier in der Grafschaft Bentheim wurde ich im Mai 1983 zum Pastor der Gemeinde Tergast gewählt mit der Auflage, die dauervakante Gemeinde Gandersum mit zu versorgen.

Gandersum - als Gondrikesheim 989 in den Analen der Abtei Werden an der Ruhr erstmals urkundlich erwähnt - ist ein kleines Emsdorf mit 90 Einwohnern, auf dem rechten Ufer der Ems etwa auf halber Strecke zwischen Leer und Emden gelegen. Bedenkt man, daß die Gründung des Dorfes vor der Zeit des historisch gesicherten Deichbaues in unserer Region liegt, dann ist die durchgehende Besiedlung dieses Ortes an unveränderter Stelle über mindestens 1.200 Jahre - vermutlich aber deutlich mehr - allein schon ein siedlungsgeschichtliches Kuriosum.

Abgesehen von einigen idyllischen Momenten in meiner seelsorgerlichen Arbeit - etwa, als ich mit einer älteren Bauernwitwe in der milden Sommerluft auf einer Bank auf dem Deich saß, und sie mir aus ihrem bewegten Leben als Bauersfrau auf einem stattlichen Anwesen in Gandersum erzählte, habe ich in den ersten Jahren meiner Tätigkeit in Gandersum kaum zur Kenntnis genommen, daß hinter dem Deich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Gandersumer Kirche und Gemeinde die Ems fließt und wenige Kilometer flußabwärts der Dollart und die Nordsee beginnt.

Die theologische Relevanz dieses Umstandes ist mir in diesen Jahren folglich überhaupt nicht bewußt gewesen.

Wie viele Bewohner Ostfrieslands auch hatte ich Ende der achtziger und zu Beginn der neunziger Jahre mit einem gewissen technik-begeisterten Interesse zur Kenntnis genommen, daß es da in Papenburg eine Traditionswerft in Familienbesitz gibt, die es durch kluge Geschäftspolitik des derzeitigen Inhabers Bernhard Meyer schafft, sich gleich in mehreren Nischen des sonst notleidenden Schiffbaus zu behaupten: Viehtransporter, Gastanker, Inselfähren für Indonesien - und eben auch Kreuzfahrtschiffe wurden diesem Unternehmen förmlich aus der Hand gerissen wie die sprichwörtlichen frischen Semmeln. Ich hatte ebenfalls zur Kenntnis genommen, daß insbesondere für Schiffe der letzten Kategorie in Papenburg eine große Schiffbauhalle gebaut und die Ems gelegentlich vertieft werden soll - aber auch dabei schlug mir weder das umweltbewußte, noch theologische Gewissen. Denn die Ems war ja vor dem Deich, und Gandersum lag dahinter.

So bemerkte ich es nur als Kuriosität am Rande, daß ein schwerbehindertes Gemeindeglied aus Gandersum mit Verve gegen jede Emsvertiefung mit allen möglichen und gelegentlich auch unmöglichen Mitteln zu Felde zog. Ähnlich ging es dem Kirchenrat Gandersum, und ähnlich verhielten sich die übrigen Gandersumer Gemeindeglieder.

Das Undenkbare wird geplant    

Dies stellte sich im Herbst 1996 als fatale Fehleinschätzung, fahrlässige Unterlassung und - theologisch gesprochen: als unerkannte Sünde heraus. Denn von verschiedenen Seiten tauchten plötzlich Pläne auf, an einer zunächst noch nicht näher bezeichneten Stelle in einem Bereich irgendwo zwischen Leer und Emden ein Sperrwerk in der Ems zu errichten.

In dieser frühen Phase war die Veranlassung des Sperrwerkes noch ganz klar: das Sperrwerk sollte ein Stauwerk sein, das die Ems zur Überführung tiefgehender Schiffe der Meyer Werft aufstaut, denn diese wurden immer größer. So hatten etwa verschiedene Umweltverbände im Rahmen einer der vielen Genehmigungsverfahren für eine Vertiefung der Ems Anfang der neunziger Jahre einmal den Vorschlag gemacht, doch statt der ständigen Baggerungen in der Ems ein Sperrwerk zu errichten, das die Überführung der Meyer-Schiffe erleichtern sollte.

Wer nicht gerade selbst zur Klientel der Kreuzfahrtreedereien gehört oder regelmäßig seinen Urlaub an der pazifischen Küste der USA oder in der Karibik verbringt, wird kaum gemerkt haben, daß der Trend in den achtziger Jahren hin zu luxuriösen Kreuzfahrern der Klasse 80.000 bis 100.000 BRT ging; die jüngsten Aufträge, die vergeben wurden, liegen sogar deutlich darüber. Diese Schiffe haben vor der Endausrüstung einen Tiefgang zwischen 5,60 und 7,30 oder gar 8,50 Meter - Werte, die uns seit den Vertiefungen der Ems durchaus geläufig sind; verstanden haben wir sie - auch dies sei der Redlichkeit willen hier zugestanden - erst sehr viel später.

Zum Jahresende 1996 und zum Jahreswechsel 1996/97 passierte zweierlei, was den Gang der Ereignisse bis heute nachhaltig beeinflußt hat:

- einmal kursierte eine eher schematische Zeichnung, die das Nordende des Sperrwerkes in das Dorf Gandersum verlegte. Außerdem gab es einen wenig beachteten kurzen Betrag im Regionalfernsehen N3, in dem einer der Deichrichter in Gandersum vor dem Zollhaus - also mitten im Dorf - stand, mit weitausholender Geste über die Ems zeigte und sagte: "Hier kommt das Sperrwerk hin, wenn es denn überhaupt jemals gebaut werden soll."

In einem späteren Stadium des Verfahrens wurde uns sowohl die Authentizität der Zeichnung als auch die Richtigkeit der Äußerung des Deichrichters bestätigt, damals aber vehement bestritten. Doch in Gandersum war die Hölle los: von der Verlegung des Dorfes war die Rede, vom Abriß der Kirche, Aufgabe des Kirchhofes u.ä. Argwöhnisch wurden Änderungen der diversen Bebauungspläne um Gandersum verfolgt, die mögliche Anhaltspunkte dafür zu bieten schienen, wohin das Dorf umgesiedelt werden sollte.

- Und zum anderen zog die Bezirksregierung den gerade erst erschienenen "Generalplan Küste" in einem wesentlichen Punkt zurück.

Der Generalplan Küste wird in regelmäßigen Abständen von den Landesämtern für Insel- und Küstenschutz erstellt, um die mittel- und langfristigen Planungen für den Insel- und Küstenschutz festzulegen. Grundlage sind zum einen die Ergebnisse der jährlich im Herbst stattfindenden Deichschauen und zum anderen die Prognosen des Institutes für Hydrographie und Seeschiffahrt über die zu erwartenden Höchststände der verschiedenen Fluten (mittleres Tidehochwasser, mittleres Springtidenhochwasser, mittleres Sturmfluthochwasser, mittleres Sturmflutspringtidenhochwasser).

In Gandersum begann nun eine Phase reger Aktivität, die zunächst ausschließlich darauf gerichtet war, so viele und so zuverlässige Informationen über die Planung wie irgend möglich zu erhalten. Dies war von Beginn an vom tiefsten Mißtrauen gegen alle möglichen kommunalen, politischen und staatlichen Stellen geprägt. Denn der ursprüngliche "Generalplan Küste" ging von der fundamentalen Aussage aus, daß "die Deiche in der Emsmündung - von einigen kleinen Ausnahmen abgesehen - bis in Jahr 2065 sicher und ausreichend" seien. Dies sollte nun nach Aussage der Bezirksregierung Weser-Ems nicht mehr gelten, vielmehr lasse der Sturmflutverlauf des Winters 1994 befürchten, daß weite Landstriche Ostfrieslands und des Emslandes bei einem Sturmflutereignis überflutet würden; einziger Schutz sei ein schnell zu errichtendes Sperrwerk bei Gandersum.

Im vertraulichen Gespräch - ich selbst bin mehrfach Zeuge eines solchen gewesen - wurde von maßgeblichen Stellen eingeräumt, daß diese Begründung vorgeschoben sei und die Vermutung also durchaus zutreffend, daß hier ein Bauwerk ausschließlich für die Bedürfnisse der Meyer Werft geschaffen werden solle; aber mit dem Küstenschutzargument seien sowohl Genehmigung als auch Förderung der Maßnahme durch die Europäische Union zu erwarten.

Von Anfang an spielte darum in der Diskussion und in der nachfolgenden Auseinandersetzung die Frage der Glaubwürdigkeit, der Wahrheit eine sehr große Rolle. Kann der Bürger den Aussagen der Politiker und der in einem Loyalitäts- und Abhängigkeitsverhältnis stehenden Beamten trauen? Schon der Umstand, daß von der Planungsgruppe nur das bestätigt wurde, was sich schließlich beim besten Willen nicht mehr dementieren ließ, säte hier großes Mißtrauen. Gänzlich erschüttert wurde das Vertrauen von vielen durch folgende Episode: Es galt im Frühjahr 1997, ein Kreuzfahrtschiff spektakulär von Papenburg nach Emden zu überführen. Der damalige "Noch"-Ministerpräsident Schröder wurde mit seiner neuen Freundin Doris Köpf von Werftchef Meyer nach Papenburg eingeladen. Eine illustre Gesellschaft ging an Bord des Neubaus - und mußte warten: die Ems war nicht tief genug, es mußten erst noch umfangreiche Baggerarbeiten durchgeführt werden. In der spannungsgeladenen Atmosphäre - der Zeitplan des Ministerpräsidenten geriet durch die Verzögerung völlig durcheinander - sagte er dem Werftchef den Bau eines Emssperrwerkes und die Unterstützung des Landes Niedersachsen zu ("Wir machen das!"). Dies sei von nun an Chefsache - und der Kreuzfahrtriese glitt mit einem heiteren Werftchef an Bord der Nordsee entgegen.

Allein mit der moralischen Entrüstung - "Wir werden von denen da oben nach Strich und Faden belogen!" - war es aber nicht getan. Viele Gandersumer, die Bewohner der näheren und weiteren Umgebung und auch ich sahen nun zum ersten Mal bewußt den Fluß vor dem Deich. Die Veränderungen, die in den letzten Jahren eingetreten waren, wurden registriert. Verbindungen hergestellt zwischen Vertiefung und Sturmflutverläufen. Man beschäftigte sich mit Tidedynamik und Salzgehalten, mit Auskolkungen und Uferabbrüchen. Gespräche mit Ems-Fischern wurden geführt über Fangergebnisse und Artenvorkommen. Gespräche mit den Deichverbänden und Entwässerungsverbänden wurden gesucht - und viel zu selten gefunden. Seekarten wurden gelesen, Kontakte zu Lotsen und Kapitänen hergestellt. Binnenschiffer befragt.

Ergebnis war, daß durch die verschiedenen Vertiefungen der Ems der Fluß sich vollkommen verändert hatte. Die Strömungsgeschwindigkeit hatte zugenommen, die Ufer waren an verschiedenen Stellen abgebrochen, Steinschüttungen wurden verbracht, der Sauerstoffgehalt im Wasser hatte rapide abgenommen - und durch die Änderung des Flußbodenprofils liefen Sturmfluten höher und weiter auf, als bisher. Das heißt, die angebliche küstenschützerische "Veranlassung" des Sperrwerkes zum Sturmflutschutz war durch die Vertiefungen herbeigeführt worden.

Und langsam, ja sogar etwas zögerlich setzte sich die Erkenntnis in den Köpfen fest, daß auch in Gandersum und Umgebung, daß auch vor dem Deich und in der Ems ein Teil der Schöpfung Gottes ist.

Zugleich - und das hängt sicherlich mit der einseitigen Berichterstattung in den örtlichen Medien, besonders der Ostfriesen Zeitung, zusammen - beschäftigten sich viele mit den betriebswirtschaftlichen Aspekten der Meyer Werft. Was bedeutet es, Kreuzfahrtschiffe zu bauen? Was bedeutet es, Kreuzfahrtschiffe in Papenburg zu bauen? Wie sieht der Weltmarkt für diese Schiffstypen aus? Welche staatlichen Zuschüsse sind in der Vergangenheit geflossen? In welchem wirtschaftlichen Umfeld produziert die Papenburger Werft?

Jeder Arbeitsplatz auf der Meyer Werft ist in den vergangenen zehn Jahren mit ca. einer Million DM subventioniert worden - diese Zahl stammt von der Industrie- und Handelskammer Emsland, einer Einrichtung, die nicht unbedingt zu den Gegnern der Meyer Werft und des Sperrwerkes gehört. Der Kreuzfahrtschiffbau - und wesentliche Teile der Subventionen sind in diesen Geschäftsbereich geflossen - entwickelt sich hin zu größeren und besser ausgestatteten Schiffen. Allerdings begann in den späten achtziger Jahren ein Trend, der sich bis heute fortsetzt: des größeren Komforts wegen werden die Schiffe breiter; die durchschnittliche Breite der letzten Neubauten aus Papenburg lag mit 34,5 Meter deutlich darunter. Bei mehr als 36 Meter Breite müßten die Emsbrücken zwischen Papenburg und Leer durch neue ersetzt werden. Das bedeutet, die Meyer Werft wird nur noch für kurze Zeit auf dem Weltmarkt für Kreuzfahrtschiffe konkurrenzfähig sein. Zumal sich außerdem immer mehr Werften durch Joint-venture-Unternehmen in der Karibik niederlassen, und damit sowohl den Reparaturbetrieb als auch auf lange Sicht den Neubau dorthin verlegen, wo die Schiffe gebraucht, bzw. eingesetzt werden.

Und ebenfalls langsam, dafür aber um so gründlicher setzte sich die Erkenntnis in den Köpfen fest, daß es in der Frage des Sperrwerkes nicht unbedingt in der ganzen Schärfe um die Alternative "Arbeitsplätze kontra Umweltschutz" geht, sondern daß dieses Problem sehr viel diffiziler ist und sich nicht für plakative Gegensatzpaare eignet.

Der Widerstand formiert sich    

Sehr schnell wurde erkannt, daß der Einzelne - und sei sie oder er vorgebildet, vom Fach und / oder mit Reputation versehen - wenig erreichen kann. So wurde eine Bürgerinitiative Gandersum gegründet, die die verschiedenen Kräfte und Aktivitäten bündelte und an sich zog. Als Gruppe, die als einzige die verunsicherten Gandersumer mit zuverlässigen Informationen versorgte, war sie vom Zeitpunkt ihrer Gründung an als seriös anerkannt.

So war es zum Beispiel die Bürgerinitiative, die durch ihre inoffiziellen Kontakte sehr schnell darüber informieren konnte, daß die Planungsgruppe nach heftigen Protesten der Bevölkerung als Standort nicht mehr den Stromkilometer 35,5 sondern 36,2 als Standort des Sperrwerkes vorgesehen hatte. Diese 700 Meter machten eben den Unterschied aus, ob das Dorf dem Bauwerk weichen muß oder nicht.

Auch wenn einige Mitglieder des Kirchenrates Gandersum Mitglieder der Bürgerinitiative waren, der Kirchenrat ihr für verschiedene Veranstaltungen und vor allem für die Medienarbeit die Kirche zur Verfügung stellte - die ev.-ref. Gemeinde versuchte weiterhin ein Ort für alle Gandersumer zu sein.

Im Frühjahr 1997 wurden außerdem Kontakte aufgenommen zu verschiedenen Verbänden (BUND, LBU, NABU). Dies zunächst, um von dort Beratung und Unterstützung zu erhalten. Daraus entwickelte sich eine nicht immer unproblematische Zusammenarbeit, von der wir selbst bis heute noch profitieren. Über die Verbände wurden auch erste Gespräche mit Rechtsanwälten geführt, denn gegen Ende des Frühjahrs zeichnete sich ab, daß es wohl zu einem geordneten Verwaltungsverfahren kommen würde, die Planungen also konkretere Gestalt annehmen würden.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, daß die Planungen durch die Aktivitäten der Bürgerinitiative und unserer Kirchengemeinde publik wurden. Ort des Bauwerkes, seine Abmessungen, erste technische Details, Bauvolumen und finanzieller Aufwand - all dies wurde durch die gemeinsame Pressearbeit von Bürgerinitiative und Kirchengemeinde veröffentlicht, der vertraulich tagenden Planungsgruppe "Emssperrwerk" fiel häufig nur die undankbare Aufgabe zu, einen Tag später die Richtigkeit unserer Informationen zu bestätigen - und durfte dann mit Hochglanzphotos nachziehen.

Ich will an dieser Stelle nicht verhehlen, daß diese konspirative Arbeit der Informationsbeschaffung aus zuverlässigen offiziellen und offiziösen Quellen eine der wichtigsten Säulen unserer Arbeit war - die dazu auch noch höllischen Spaß gemacht hat. Und mit Informationen steht und fällt jedwedes Engagement.

So konnten wir bereits beim Skoping-Termin, bei dem die Planer das Projekt einer breiteren Öffentlichkeit ausführlich erläuterten, auf eine ganze Reihe von Mängeln und Fehlern hinweisen.

Gleichzeitig kristallisierte sich folgende Konstellation heraus, die im Grunde bis heute Bestand hat, auch wenn im Laufe der Zeit Erosionen eingetreten sind:

  • Da ist der Inhaber der Meyer Werft, der auf dem Werftstandort Papenburg besteht und den Kreuzfahrtschiffbau an keinem anderen Standort für wirtschaftlich möglich hält.
  • Da sind die Arbeiter der Meyer Werft, angeführt vom dortigen Betriebsrat, die in immer größeren Schiffen die einzige Garantie für ihre persönliche Zukunft sehen.
  • Da sind die Politiker - vom Dorfbürgermeister bis hinauf zum Bundeskanzler -, die aus manchmal ganz offenkundigem (Wahlkampf-)Interesse, manchmal aus nicht ganz nachzuvollziehenden Beweggründen großen Wert auf den Schulterschluß zwischen Wirtschaft und Politik legen.
  • Da sind die Beamten und Angestellten der verschiedenen Behörden, die politische Vorgaben in gutachterliche und planerische Arbeit umzusetzen haben.
  • Da sind die Verbände, Initiativen, Bürger und Gemeindeglieder, die aus ganz unterschiedlichem Interesse in verschiedenen Abstufungen das Sperrwerk verhindern wollen.
Die jetzt zur Verfügung stehende würde ausreichen, um die Bandbreite des Widerstandes auch nur annähernd darzustellen. Denn dieser reicht vom alteingesessenen ostfriesischen Bauern in Gandersum, der seine Heimat erhalten will, wie er sie von Jugend auf kennt und darum grundsätzlich jede Veränderung ablehnt; über den überzeugten Umweltschützer, der vor Tag und Grau mit Feldstecher und Klassifizierungsbuch ins Deichvorland zieht, um Gänse zu zählen; über den liberalen Bürgerrechtler, der an vielen Fronten gegen Behördenwillkür und Verschwendung von Steuergeldern kämpft; über den Kapitän im Ruhestand, der die Ems wie seine Westentasche kennt, und von den Veränderungen in den letzten Jahren schockiert ist; über die engagierte Biologin in Diensten des BUND, die die Nordseeästuare zu ihrem Forschungsgebiet erklärt hat und die sich über die fachlichen Fehler der Planer ärgert; bis hin zum verbitterten ehemaligen Bundestagsabgeordneten, der immer noch an der Diskrepanz von Verfassungstheorie und Verfassungswirklichkeit leidet.

In dieser überaus inhomogenen Zusammenstellung traten wir dann im Sommer 1997 in das Verwaltungsverfahren ein.

Aus einem Plan wird ein Verfahren    

Am 15. August 1997 wurden dann die Planungs- und Antragsunterlagen in den Rathäusern und Gemeindeverwaltungen der Region ausgelegt. Nach einigen verfahrensrechtlichen Scharmützeln wurde unsere Kirchengemeinde als Trägerin öffentlicher Belange auch in diesem Verfahren anerkannt und erhielt ebenfalls sämtliche Unterlagen zugestellt.

Bereits zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ab, daß wir kaum auf die Unterstützung der Landeskirche zählen konnten und bis heute nicht können. Der Kirchenrat Gandersum hatten sich an den leitenden Juristen unserer Kirche gewandt mit der Bitte, unser Anliegen (Anerkennung als Träger öffentlicher Belange) in geeigneter Weise bei der Bezirksregierung vorzubringen. Dies lehnte er ab mit dem Hinweis, die Landeskirche wolle keine einseitige Stellung beziehen. In wie weit das Einfordern legitimer Rechte bereits eine einseitige Stellungnahme bedeutet, habe ich - das gestehe ich offen - bis heute nicht verstanden und läßt mich an der juristischen Qualität dieses Herrn, der übrigens aus der westfälischen Kirche stammt, zusätzlich zweifeln. Außerdem ist mir in den vergangenen Jahren deutlich geworden, daß sich die Kirche - ich benutze hier sehr bewußt diesen etwas pauschalen Begriff - sehr gerne für den Erhalt der Regenwälder in Brasilien oder gegen die Erdölförderung im westlichen Nigeria einsetzt; bei Umweltproblemen quasi vor der Haustür wird sie aber sehr zögerlich, ja manchmal sogar sehr staatstragend.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wer von Ihnen selber bereits einmal in einem Verwaltungsverfahren solcher Art beteiligt gewesen ist - Sie wissen dann, wovon ich rede; allen anderen dürfte es schwer fallen zu ermessen, was das bedeutet. Nicht allein, daß wir uns durch insgesamt sieben Aktenordner mit ca. 6.000 Seiten Text, Zeichnungen, Tabellen wühlen mußten. Vor allem der Inhalt machte uns zu schaffen. Denn der reichte von der Beschreibung des geologischen, hydrologischen, makro- und mikrobiologischen Istzustandes des Gebietes um die geplante Baustelle über grundsätzliche Erwägungen zur infrastrukturellen Entwicklung der Region Emsland-Ostfriesland hin zu rechtstheoretischen Erwägungen über das Verhältnis von Deichrecht als Landesrecht und Wasserstraßenrecht als Bundesrecht und schließlich übergeordnetes europäisches Wettbewerbs- und Umweltrecht.

Daß unter dem Kleiboden seines Hofes Daag liegt, weiß der ostfriesische Bauer; er kann aber mit der geologisch korrekten Beschreibung "Linsen mit Geschieben permeiszeitlicher Moore" nichts anfangen - um eines der harmloseren Beispiele zu nehmen.

Am Ende jedenfalls unserer Arbeit standen insgesamt zwanzig Punkte, die auf Beschluß des Kirchenrates als gravierende Einwendungen gegen den Antrag auf einen Planfeststellungsbeschluß von der ev.-ref. Gemeinde Gandersum vorgebracht werden sollten. Diese Punkte waren zusätzlich von der Gemeindeversammlung genehmigt worden. Sie betrafen hauptsächlich Mängel zum Schutz des Gottesdienstes und der gemeindlichen Arbeit, Fragen der Verkehrslenkung und der Gebäudesicherheit während der Bauphase; hinzu kamen Fragen des Landschafts- und Denkmalsschutzes.

Vielleicht wird jetzt der eine oder andere fragen: Und die Theologie? Bewahrung der Schöpfung? Es war ein langer Diskussionsprozeß einmal im Kirchenrat und der Gemeinde, aber auch mit der Bürgerinitiative und anderen, vor allem aber mit den Juristen der Verbände. Am Ende stand unsere Entscheidung, in diesem juristischen Verfahren eben auch juristisch zu argumentieren - auch wenn uns dies mangels Praxis sehr schwer fällt. Also eben nicht mit der passenden Bibelstelle oder "dem lieben Herrn Jesus" unseren grundsätzlichen Widerstand auszudrücken, sondern auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens-, des Landschaftsschutz-, des Deich- und Wasserstraßenrechtes und auch auf der Ebene des Grundgesetzes und europäischen Wettbewerbs- und Naturschutzrechtes. Wir sahen gerade darin auch das Wahrnehmen und Ernstnehmen der Kirchengemeinde als Teil der Bürgergemeinde im Sinne der Barmer Theologischen Erklärung, Thesen 3 und 5. Eben wenn die Gemeinde Jesus Christi in der Welt lebt, dann muß sie sich mit den Gegebenheiten der Welt auseinandersetzen und sich auch auf diese zu einem gewissen Teil einlassen.

Es erübrigt sich eigentlich - und ich erwähne es hier nur der Vollständigkeit halber: auch in dieser Phase baten wir den kirchenleitenden Juristen um Unterstützung bei der rechtlichen Auseinandersetzung - ohne Erfolg, er wolle nicht einseitig Stellung nehmen - ein merkwürdiges Rechtsverständnis.

Nach der Abgabe der Einwände und einer etwas ruhigeren, der Vorbereitung auf das Kommende gewidmeten Zwischenzeit kam es im Dezember 1997 zu der spektakulären Erörterung zum Planfeststellungsverfahren in der Emder Nordseehalle, die sich bis in den Februar des folgenden Jahres mit mehreren Unterbrechungen hinzog.

Ich kann und will hier nicht auf alle Einzelheiten eingehen; da gäbe es viel zu sagen zu dem unsensiblen Umgang des Erörterungskommissars mit niederländischen Umweltschützern, zu den hanebüchenen Entschuldigungen der Sachverständigen für fehlende Unterlagen und Gutachten, zum schon damals merkwürdig unterentwickelten Demokratieverständnis der Kreispolitiker aus dem Emsland, zur Verneigung des Erörterungskommissars vor dem Werftchef Bernhard Meyer, zu seinem Eiertanz, als Mitglied der Bezirksregierung bei sich selbst einen Antrag zu stellen, diesen zu prüfen und zu genehmigen...

Vielleicht wird am ehesten deutlich, was dort geschah, wenn ich Ihnen vom Wunsch meiner Kinder berichte, mich zu dem Erörterungstermin zu begleiten - vordergründig natürlich, um einen Tag schulfrei herauszuschlagen, dann aber auch, um vielleicht etwas für die Schulfächer "Politik", "Staatsbürgerkunde" o.ä. etwas zu lernen. Ich habe dies stets abgelehnt, denn sie wären nach diesen Erfahrung für diesen Unterricht, vielleicht sogar für die Demokratie verdorben gewesen.

An vielen Stellen des Erörterungsverfahrens zeigten sich fachliche Mängel und Versäumnisse; ich erspare mir und Ihnen deren Aufzählung. Mit der Zusicherung jedenfalls, alle vorgebrachten Einwände zu erwägen und zu prüfen und alle noch fehlenden Unterlagen so schnell wie möglich nach zu reichen, ging die Erörterung Mitte Februar zu Ende.

Es wird gebaut!    

Das Frühjahr und der Sommer waren hauptsächlich geprägt von Ankündigungen, daß in den nächsten Tagen mit dem Planfeststellungsbeschluß zu rechnen sei - der dann aber doch wieder auf sich warten ließ. Die Wogen der publizistischen Auseinandersetzung schlugen hoch. Gandersum erhielt eine bundesweite, ja europäische Aufmerksamkeit.

Im August 1998 erging dann schließlich doch noch der Planfeststellungsbeschluß. Nach einer Vorbereitungsphase - Einrichtung der Baustelle, Anfahren von Material, etc. - sollte Ende September unter großer Beteiligung politischer und sonstiger Prominenz der erste symbolische Rammschlag geführt werden.

Für unsere Gemeinde erhob sich nun die Frage, wie wir unseren weiteren Protest und Widerstand gestalten sollten. Vor allem, sollen wir selbst gegen den Planfeststellungsbeschluß klagen? Wir hätten uns dazu einen im Verwaltungsrecht kundigen Anwalt nehmen und ein erhebliches Kostenrisiko tragen müssen. Der Kirchenrat hat sich daher dagegen entschieden und beschlossen, daß wir alle Kläger und Gruppen von Sperrwerksgegnern weiter unterstützen und unseren Protest auf Öffentlichkeitsarbeit beschränken.

Talkshows aus der Gandersumer Kirche, Presseveröffentlichungen zu den Vorgängen auf der Baustelle, Leserbriefe, Interviews etc. sorgten dafür, daß das Engagement der Gemeinde noch bekannter wurde. Zum ersten Rammschlag hielt ich auf Bitten der Mehrheit des Kirchenrates eine Andacht am Deich.

Es herrscht Baustop    

Unter dieser kritischen Begleitung begannen die Arbeiten an der Baustelle, während insgesamt achtzehn Verbände, Gruppen und einzelne Einwender ihre Klagen beim Verwaltungsgericht Oldenburg einreichten und Eilanträge auf sofortigen Baustop stellten.

Auch hier war die Front der Gegner nicht einheitlich:

  • Da sind Firmen und Betriebe, die eigentlich nichts gegen das Sperrwerk haben, aber auf dem Einbau einer Schleuse bestehen;
  • Da sind Landwirte und Fischer, die durch verschiedene Begleitumstände des Baues und Betriebes des Sperrwerkes wirtschaftliche Nachteile befürchten;
  • Da sind Umweltschützer, die Naturschutzgebiete in Gefahr sehen und negative Auswirkungen auf den Naturraum Ems befürchten,
  • Da sind die Anwohner, die sich gegen Beeinträchtigungen wehren vom freien Blick auf den Deich bis hin zur Grundwasserabsenkung.
Und entgegen unseren Erwartungen entschied das Oldenburger Verwaltungsgericht in insgesamt zwölf Fällen zugunsten der Kläger und Eilantragsteller und verhängte einen sofortigen Baustop.

Aus den Reaktionen wurde uns schnell klar, daß dies auch für die Bezirksregierung ein schwerer Schock gewesen sein muß. Gewiß war dort klar, daß der Planfeststellungsbeschluß problematisch war.

Während der Erörterung sagte mir ein Mitarbeiter der Bezirksregierung im vertraulichen Gespräch: "Bisher haben Sie noch alle Schwachpunkte des Verfahrens gefunden."

Aber man hatte doch nicht mit solch einem vernichtenden Urteil der Richter gerechnet. Und wohl auch nichts daraus gelernt. Denn die Beschwerde gegen den sofortigen Baustop, die die Bezirksregierung beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einlegte, war an Arroganz und Oberflächlichkeit kaum noch zu überbieten. Entsprechend bestätigte das OVG die Entscheidungen der Vorinstanz in allen Fällen.

Zu Beginn des Jahres 1999 formierte sich unter Führung namhafter Politiker die Front der Sperrwerksbefürworter. Wesentlicher Ausdruck war zunächst eine unsägliche Richterschelte, die in dem Ausspruch des niedersächsischen Ministerpräsidenten - inzwischen Herr Glogowski - gipfelte, wenn die Richter nicht für die Meyer Werft entschieden, dann müßten die Arbeiter eben das Recht selbst in die Hand nehmen.

Eine Großdemonstration in Papenburg wurde organisiert, in deren Vorfeld es zu häßlichen Entgleisungen kam: "Grüne kriegen hier kein Bier" hing in einer Papenburger Kneipe. Und der Betriebsratsvorsitzende der Meyer Werft verstieg sich zu der Ankündigung, die Geschäfte und deren Inhaber namentlich zu nennen, die den Demonstrationsaufruf nicht in ihren Geschäften aufhängen wollten. Bei der Demonstration selbst herrschte dann große Einigkeit darüber, daß die Richter in Oldenburg und Lüneburg kein Recht hätten, gegen die Werft zu entscheiden, das Sperrwerk - legal, illegal, scheißegal - gebaut werden müsse und von Bundeskanzler Schröder über Ministerpräsident Glogowsky bis hin zum Weeneraner Ortsbürgermeister Fresemann gefördert und unterstützt würde.

Bitte halten Sie es nicht für die Übertreibung eines empfindlichen weltfernen Dorfpastors, wenn ich Ihnen sage, daß gewisse Formen und Äußerungen der Sperrwerksbefürworter überaus undemokratische Züge trugen. Eine klare Distanzierung aller Demokraten von solchen Formen des Protestes blieb aus - übrigens auch von den Amtsbrüdern in und um Papenburg. Daß ich heute nach Papenburg gekommen bin, hat in meiner Familie noch immer für erhebliche Unruhe und Unverständnis gesorgt.

Drohanrufe und Schmähfaxe gegen Sperrwerksgegner waren die Folge, selbstverständlich ist von den bekannten Sperrwerksgegnern kaum jemand bei öffentlichen Auftritten in Papenburg gewesen.

Die weitere Entwicklung    

Am 7. Mai 1999 wurde dann ein nachgeschobener Antrag der Sperrwerksplanungsgruppe vorgelegt, der versuchte, die wesentlichen Mängel zu heilen. Am 15. August 1999 wurde dieser Antrag von der zuständigen Bezirksregierung in Oldenburg genehmigt. Einsprüche beim Oldenburger Verwaltungsgericht und beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg blieben erfolglos, seit September 1999 wird nun weiter gebaut. Das Ergebnis sehen Sie.

Ich will aber an dieser Stelle nicht verhehlen, daß es für die Sperrwerksbauer in der Ems ungeahnte Schwierigkeiten gibt: zum einen haben sie die Fließgeschwindigkeit des Flusses erheblich unterschätzt. Die Sohlsicherung des gesamten Bauwerkes hat zu größeren Mehrausgaben geführt. Und schließlich kämpfen sie bei der Gründung des vierten Pfeilers mit dem hier anstehenden Lauenburger Ton, einer seifeartigen Lehmschicht, in der es offenbar kaum Halt für die vorgesehenen Träger gibt.

Die juristischen Eilverfahren mit dem Ziel eines sofortigen Baustops sind allesamt abgelehnt worden; Anfang Mai 2000 reichten die Umweltverbände einen weiteren Eilantrag ein, der die unklare Lage bei der Ausweisung von Ausgleichsflächen zum Inhalt hatte; im Juli 2000 wurde auch dieser Antrag vom Verwaltungsgericht Oldenburg abgelehnt. Eigentlich war schon für Ende 2000 die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht in Oldenburg vorgesehen; dazu ist es aber erst im Mai 2001 gekommen. Die Klage der Umweltverbände wurde vom Verwaltungsgericht abgelehnt. Die schriftliche Urteilsbegründung hat eine Reihe von Anhaltspunkte für ein möglicherweise aussichtsreiches Revisionsverfahren ergeben, die Verbände haben daher Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt.

Unbefriedigend aus meiner Sicht ist die Zurückziehung von zwei Privatklagen gegen eine Zahlung von jeweils 10.000 DM. So billig sollten wir den Widerstand gegen das Bauwerk nicht machen.

Derzeit ist immer noch eine Privatklage vor dem Oldenburger Verwaltungsgericht anhängig. Deren Ausgang ist weiterhin unklar. Ich persönlich sehe noch nicht, daß das Sperrwerk "in trockenen Tüchern" ist. Zumal ich der Meinung bin, daß in dieser Klage erhebliche juristische Argumente gegen das Sperrwerk und sein Zustandekommen vorgebracht werden. So ist bisher nicht geklärt, ob das Land Niedersachsen überhaupt in der Bundeswasserstraße Ems bauen darf - womit dann eigentlich das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zuständig wäre; auch das Oldenburger Verwaltungsgericht hat sich bisher nicht eindeutig entscheiden können, ob die bisher anhängigen Verfahren nun nach Deichrecht oder nach Wasserrecht zu entscheiden sind; und schließlich sind verschiedene, grundsätzliche naturschutzrechtliche Fragen weiterhin ungeklärt. Auch das europäische Gerichtsverfahren ist noch längst nicht abgeschlossen, der Ausgang ist weiterhin ungewiß.

Von meiner Seite steht aber fest, daß ich weiter gegen das Sperrwerk argumentieren werde, denn es ist das falsche Bauwerk mit der falschen Begründung an der falschen Stelle. Gegen die Erhebung einer Gebühr für den Staufall sind einige von uns erneut bei der EU-Kommission in Brüssel vorstellig geworden, ebenso zu verschiedenen Umwelt- und Wettbewerbsaspekten. Weiter liegen verschiedene Beschwerden gegen die Ausbaggerungen der Ems, insbesondere gegen das sogenannte LUKE-Konzept (Langfristiges Unterhaltungskonzept Ems) bei den entsprechenden Generaldirektionen der Europäischen Union in Brüssel vor.

Die Entscheidung ist also im Prinzip noch weiter offen. Es könnte im Extremfall so sein, daß der Bau nach der letzten Entscheidung der Europarichter zwar rechtlich unzulässig war - das Sperrwerk aber trotzdem dort in der Ems bei Gandersum steht. Ein anderes Szenario sieht so aus, daß der Bau aus Küstenschutzgründen zulässig war, nicht aber der Staufall. Und die Auswirkungen des 11. September 2001 auf den Kreuzfahrtmarkt wagt derzeit auch noch niemand mit Sicherheit vorzusagen. Es könnte sein, daß so große Schiffe gar nicht mehr nachgefragt werden.

Ich persönlich wage keine Prognose, sondern halte mich an den alten Grundsatz, nach dem man auf hoher See und vor Gericht und wohl auch sonst im Leben ganz in Gottes Hand ist -

und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. In diesem Sinne einen schönen Nachmittag und herzliche Grüße

GünterFaßbender


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© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 28. Januar 2003