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2001 September 11 / Gottesdienst Neermoorpolder

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Ökumenischer Friedensgottesdienst

am 14. September 2001 in Neermoorpolder

Pastor GünterFaßbender

Fürbitten:

Eine / Einer: "Ich bin verstummt und still und schweige fern der Freude und
muß mein Leid in mich fressen. Mein Herz ist entbrannt in meinem Leibe; wenn
ich daran denke brennt es wie Feuer."
Psalm 39, 3.4

Am Dienstagnachmittag verschlug es uns die Sprache. Am Dienstagnachmittag
war es aus mit unserer oberflächlichen Geschwätzigkeit. Am
Dienstagnachmittag griff das Entsetzen nach uns. Sahen wir in die verzerrte
Fratze des Bösen. Uns fehlten die Worte. Zu groß war der Schrecken; zu
unglaublich das, was wir sahen; zu maßlos der Terror; zu zahlreich das Leid,
zu überwältigend die Trauer, zu tief die Hilflosigkeit und Ratlosigkeit.

In uns eine Fülle von widerstreitenden Gefühlen:

Da ist das Entsetzen über den Haß und die Bosheit, zu der Menschen - unsere
Menschengeschwister - fähig waren. Da ist der Schrecken über die
Kaltblütigkeit und Menschenverachtung der Täter. Da ist der hilflose Zorn
auf den offenbar religiös begründeten Fanatismus. Da ist das Grauen über die
kaum vorstellbaren Szenen, die sich in den Flugzeugen und den Häusern
abgespielt haben müssen. Gar nicht zu denken an das, was sich jetzt, in
diesem Moment in den Trümmern, in irgendwelchen kleinen Hohlräumen, in die
sich Überlebende zurückgeflüchtet haben mögen, abspielen könnte.

In uns ist darum auch Trauer um die vielen Opfer. Gleichermaßen um die, die
an Bord der Flugzeuge offenen Auges - mit welchen Gedanken? - in den Tod
stürzten, wie um die, die bei der Arbeit, auf der Straße, bei dem Versuch zu
helfen ums Leben kamen. Ihre Zahl soll in die Tausende gehen. Aber was sind
schon Zahlen? Dahinter stehen Menschen, Gesichter, Schicksale, Leben,
Pläne - und Angehörige. Was könnte die, die mit dem sinnlosen Tod ihrer
Lieben leben müssen, trösten?

Anderes macht sich breit, und das wollen wir vor dir, Gott, nicht
verschweigen: in uns breitet sich Haß aus und der Wunsch nach Vergeltung.
Und das brennt in uns wie Feuer. Ist der noch Mensch, der solche Taten
plant, finanziert, ausführt? Hat der nicht jedes Recht auf Menschlichkeit
verspielt? Hat der sich nicht selbst zum tollen Hund gemacht, den man
schlagen, erschlagen muß, wo man ihn trifft? Und mit ihm all die, die ihn
gewähren ließen, die ihm halfen, die ihn - in welcher Weise auch immer -
unterstützen?


Viele Fragen. Ungeordnete, sich manchmal widersprechende Gedanken, Gefühle.
Haben wir schon alle Antworten? Können wir schon wieder reden? Wollen wir
schon wieder drauflosreden?

Eine / Einer: "Ich bin verstummt und still und schweige fern der Freude und
muß mein Leid in mich fressen. Mein Herz ist entbrannt in meinem Leibe; wenn
ich daran denke brennt es wie Feuer."
Psalm 39, 3.4


Stille


Eine / Einer: "Mein Geist ist in Ängsten, mein Herz ist erstarrt in meinem
Leibe."
Psalm 143, 4

Und während wir noch längst nicht fertig sind mit dem einen Schrecken, wird
schon ein anderes Menetekel an die Wand gemalt: Krieg. Das Wort ist in aller
Munde. So selbstverständlich, so beiläufig, als gäbe es nur diese eine
Antwort auf das Geschehen von New York und Washington: Krieg. Als wäre es
die logische Konsequenz. Als wäre der Krieg einfach nur die Fortführung der
Politik mit anderen Mitteln. Als müsse man Krieg führen, um endlich Ruhe und
Frieden auf dieser Welt zu haben.

Und schon flimmern Bilder in unseren Wohnzimmern über den Fernsehschirm von
schneidigen Soldaten, die von "Auftrag" und "Pflichterfüllung" reden, wir
sehen waffenstarrende Kampfflugzeugen, die sich mit bewundernswerter
Leichtigkeit in den Himmel schrauben, und Flugzeugträger in voller Fahrt auf
einem Ozean.

Ganz abgesehen davon, daß niemand heute wirklich sagen kann, gegen wen denn
Krieg geführt werden soll, wo dieser Krieg stattfinden soll, was damit
erreicht werden soll und was nach diesem Krieg kommen soll - hat denn
niemand begriffen, daß aus Gegnern Opfer werden und aus Opfern Märtyrer? Hat
niemand die Lehren aus der Vergangenheit gezogen, daß das Blut der Märtyrer
der Nährboden für Fanatismus ist? Daß Kriege nur ein weiterer Dreh an der
Spirale von Gewalt und Gegengewalt sind?

Als Kind hat man uns den Satz eingeschärft, daß wir nicht Angst haben sollen
vor denen, die sich fürchten, sondern vor denen, die keine Angst haben. Hat
denn keiner Angst vor dem möglichen, sich vielleicht schon abzeichnenden,
jetzt in diesem Moment in irgend einem Befehlsbunker vorbereiteten Krieg?

Vor dir, Gott, wollen wir diese Angst aussprechen. Und dich bitten, daß du
den verantwortlichen Politikern und Militärs die Einsicht schenkst, daß
Unrecht nicht durch Gewalt beseitigt werden kann, daß durch Krieg immer nur
neues Unrecht und neuer Durst nach Vergeltung entsteht.

Eine / Einer: "Mein Geist ist in Ängsten, mein Herz ist erstarrt in meinem
Leibe."
Psalm 143, 4



Stille



Eine / Einer: "Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen
neuen, beständigen Geist. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm
deinen heiligen Geist nicht von mir. "
Psalm 51, 12.13

Herr, so groß ist das Erschrecken, so tief das Entsetzen - vielleicht auch,
weil wir lange Zeit zuvor fernes Leid hingenommen haben. Diese gebrochene,
leidende Welt als gegeben betrachtet haben. Denn das alles betraf uns ja
irgend wie überhaupt nicht:

Der Völkermord an den Yanomani-Indianern? in Brasilien, der Bürgerkrieg im
Sudan, die Kindersoldaten in Somalia, der mörderische Kampf der Hutus gegen
die Tutzis in Ruanda und Burundi, die HIV-Epidemie? im südlichen Afrika, der
Staatsterrorismus im Nahen Osten, das Leid der Kurden, der Bürgerkrieg im
Kaschmir oder auf Sri Lanka, der Kampf der Ost-Timoresen? ... Hunderttausende
von Toten, die kaum der Erwähnung wert waren. Zu weit weg für einen
Fürbittgottesdienst. Zu kompliziert für eine gemeinsame Erklärung der
zivilisierten Welt. Zu unbedeutend für eine gemeinsame Anstrengung.

Und nun, wo es eine Stadt und ein Land getroffen hat, die uns vertraut sind,
ist der Schrecken um so größer. Können wir die Augen nicht mehr
verschließen, verdrängen, abschalten. Rufen die Politiker, die eben noch den
Buß- und Bettag abgeschafft haben nach Einkehr, nach Besinnung, nach
religiöser Orientierung.

Vater, laß uns diese Welt als eine Welt sehen lernen, als deine, unsere
unteilbare Welt. Gib in unser Herz den unstillbaren Wunsch nach Frieden und
Gerechtigkeit überall, wo Menschen leben. Schenk uns Phantasie, immer wieder
neue Wege zu entdecken und zu gehen, die zu Gerechtigkeit und Frieden für
jedermann und jede Frau führen. Gib uns nicht preis der Bosheit, der
Menschenverachtung, der Spirale von Gewalt und Gegengewalt. Schenke den
Verantwortlichen Einsicht und Besonnenheit.

Eine / Einer: "Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen
neuen, beständigen Geist. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm
deinen heiligen Geist nicht von mir. "
Psalm 51, 12.13


Stille


Herr, erbarme dich. Sieh uns an in unserer Ohnmacht und unserer Angst, in
unserer Hilflosigkeit und unserer Ratlosigkeit. Wende dich zu uns, guter
Gott, und gib, daß wir aufstehen ohne Angst. Daß wir mutig gehen in deine
Welt und zu unseren Menschengeschwistern. Gib, daß wir das Angemessene tun,
Tag für Tag, Stunde um Stunde, in der Hoffnung, daß du mächtiger bist als
Mächtigen und größer als unser ängstliches Herz.

Du Gott des Friedens, du Liebhaber des Lebens, befreie uns vom Geist der
Furcht und schenke uns jeden Tag neu deinen Geist der Kraft und der Liebe
und der Besonnenheit.

Wir beten gemeinsam:

Unser Vater im Himmel ...



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Ökumenischer Friedensgottesdienst
am 14. September 2001 in Neermoorpolder
Pastor GünterFaßbender

Fürbitten:

Eine / Einer: "Ich bin verstummt und still und schweige fern der Freude und muß mein Leid in mich fressen. Mein Herz ist entbrannt in meinem Leibe; wenn ich daran denke brennt es wie Feuer." Psalm 39, 3.4

Am Dienstagnachmittag verschlug es uns die Sprache. Am Dienstagnachmittag war es aus mit unserer oberflächlichen Geschwätzigkeit. Am Dienstagnachmittag griff das Entsetzen nach uns. Sahen wir in die verzerrte Fratze des Bösen. Uns fehlten die Worte. Zu groß war der Schrecken; zu unglaublich das, was wir sahen; zu maßlos der Terror; zu zahlreich das Leid, zu überwältigend die Trauer, zu tief die Hilflosigkeit und Ratlosigkeit.

In uns eine Fülle von widerstreitenden Gefühlen:

Da ist das Entsetzen über den Haß und die Bosheit, zu der Menschen - unsere Menschengeschwister - fähig waren. Da ist der Schrecken über die Kaltblütigkeit und Menschenverachtung der Täter. Da ist der hilflose Zorn auf den offenbar religiös begründeten Fanatismus. Da ist das Grauen über die kaum vorstellbaren Szenen, die sich in den Flugzeugen und den Häusern abgespielt haben müssen. Gar nicht zu denken an das, was sich jetzt, in diesem Moment in den Trümmern, in irgendwelchen kleinen Hohlräumen, in die sich Überlebende zurückgeflüchtet haben mögen, abspielen könnte.

In uns ist darum auch Trauer um die vielen Opfer. Gleichermaßen um die, die an Bord der Flugzeuge offenen Auges - mit welchen Gedanken? - in den Tod stürzten, wie um die, die bei der Arbeit, auf der Straße, bei dem Versuch zu helfen ums Leben kamen. Ihre Zahl soll in die Tausende gehen. Aber was sind schon Zahlen? Dahinter stehen Menschen, Gesichter, Schicksale, Leben, Pläne - und Angehörige. Was könnte die, die mit dem sinnlosen Tod ihrer Lieben leben müssen, trösten?

Anderes macht sich breit, und das wollen wir vor dir, Gott, nicht verschweigen: in uns breitet sich Haß aus und der Wunsch nach Vergeltung. Und das brennt in uns wie Feuer. Ist der noch Mensch, der solche Taten plant, finanziert, ausführt? Hat der nicht jedes Recht auf Menschlichkeit verspielt? Hat der sich nicht selbst zum tollen Hund gemacht, den man schlagen, erschlagen muß, wo man ihn trifft? Und mit ihm all die, die ihn gewähren ließen, die ihm halfen, die ihn - in welcher Weise auch immer - unterstützen?

Viele Fragen. Ungeordnete, sich manchmal widersprechende Gedanken, Gefühle. Haben wir schon alle Antworten? Können wir schon wieder reden? Wollen wir schon wieder drauflosreden?

Eine / Einer: "Ich bin verstummt und still und schweige fern der Freude und muß mein Leid in mich fressen. Mein Herz ist entbrannt in meinem Leibe; wenn ich daran denke brennt es wie Feuer." Psalm 39, 3.4

Stille

Eine / Einer: "Mein Geist ist in Ängsten, mein Herz ist erstarrt in meinem Leibe." Psalm 143, 4

Und während wir noch längst nicht fertig sind mit dem einen Schrecken, wird schon ein anderes Menetekel an die Wand gemalt: Krieg. Das Wort ist in aller Munde. So selbstverständlich, so beiläufig, als gäbe es nur diese eine Antwort auf das Geschehen von New York und Washington: Krieg. Als wäre es die logische Konsequenz. Als wäre der Krieg einfach nur die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln. Als müsse man Krieg führen, um endlich Ruhe und Frieden auf dieser Welt zu haben.

Und schon flimmern Bilder in unseren Wohnzimmern über den Fernsehschirm von schneidigen Soldaten, die von "Auftrag" und "Pflichterfüllung" reden, wir sehen waffenstarrende Kampfflugzeugen, die sich mit bewundernswerter Leichtigkeit in den Himmel schrauben, und Flugzeugträger in voller Fahrt auf einem Ozean.

Ganz abgesehen davon, daß niemand heute wirklich sagen kann, gegen wen denn Krieg geführt werden soll, wo dieser Krieg stattfinden soll, was damit erreicht werden soll und was nach diesem Krieg kommen soll - hat denn niemand begriffen, daß aus Gegnern Opfer werden und aus Opfern Märtyrer? Hat niemand die Lehren aus der Vergangenheit gezogen, daß das Blut der Märtyrer der Nährboden für Fanatismus ist? Daß Kriege nur ein weiterer Dreh an der Spirale von Gewalt und Gegengewalt sind?

Als Kind hat man uns den Satz eingeschärft, daß wir nicht Angst haben sollen vor denen, die sich fürchten, sondern vor denen, die keine Angst haben. Hat denn keiner Angst vor dem möglichen, sich vielleicht schon abzeichnenden, jetzt in diesem Moment in irgend einem Befehlsbunker vorbereiteten Krieg?

Vor dir, Gott, wollen wir diese Angst aussprechen. Und dich bitten, daß du den verantwortlichen Politikern und Militärs die Einsicht schenkst, daß Unrecht nicht durch Gewalt beseitigt werden kann, daß durch Krieg immer nur neues Unrecht und neuer Durst nach Vergeltung entsteht.

Eine / Einer: "Mein Geist ist in Ängsten, mein Herz ist erstarrt in meinem Leibe." Psalm 143, 4

Stille

Eine / Einer: "Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir. " Psalm 51, 12.13

Herr, so groß ist das Erschrecken, so tief das Entsetzen - vielleicht auch, weil wir lange Zeit zuvor fernes Leid hingenommen haben. Diese gebrochene, leidende Welt als gegeben betrachtet haben. Denn das alles betraf uns ja irgend wie überhaupt nicht:

Der Völkermord an den Yanomani-Indianern? in Brasilien, der Bürgerkrieg im Sudan, die Kindersoldaten in Somalia, der mörderische Kampf der Hutus gegen die Tutzis in Ruanda und Burundi, die HIV-Epidemie? im südlichen Afrika, der Staatsterrorismus im Nahen Osten, das Leid der Kurden, der Bürgerkrieg im Kaschmir oder auf Sri Lanka, der Kampf der Ost-Timoresen? ... Hunderttausende von Toten, die kaum der Erwähnung wert waren. Zu weit weg für einen Fürbittgottesdienst. Zu kompliziert für eine gemeinsame Erklärung der zivilisierten Welt. Zu unbedeutend für eine gemeinsame Anstrengung.

Und nun, wo es eine Stadt und ein Land getroffen hat, die uns vertraut sind, ist der Schrecken um so größer. Können wir die Augen nicht mehr verschließen, verdrängen, abschalten. Rufen die Politiker, die eben noch den Buß- und Bettag abgeschafft haben nach Einkehr, nach Besinnung, nach religiöser Orientierung.

Vater, laß uns diese Welt als eine Welt sehen lernen, als deine, unsere unteilbare Welt. Gib in unser Herz den unstillbaren Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit überall, wo Menschen leben. Schenk uns Phantasie, immer wieder neue Wege zu entdecken und zu gehen, die zu Gerechtigkeit und Frieden für jedermann und jede Frau führen. Gib uns nicht preis der Bosheit, der Menschenverachtung, der Spirale von Gewalt und Gegengewalt. Schenke den Verantwortlichen Einsicht und Besonnenheit.

Eine / Einer: "Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir. " Psalm 51, 12.13

Stille

Herr, erbarme dich. Sieh uns an in unserer Ohnmacht und unserer Angst, in unserer Hilflosigkeit und unserer Ratlosigkeit. Wende dich zu uns, guter Gott, und gib, daß wir aufstehen ohne Angst. Daß wir mutig gehen in deine Welt und zu unseren Menschengeschwistern. Gib, daß wir das Angemessene tun, Tag für Tag, Stunde um Stunde, in der Hoffnung, daß du mächtiger bist als Mächtigen und größer als unser ängstliches Herz.

Du Gott des Friedens, du Liebhaber des Lebens, befreie uns vom Geist der Furcht und schenke uns jeden Tag neu deinen Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

Wir beten gemeinsam:

Unser Vater im Himmel ...


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© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 19. Januar 2003