522/AE XX.GP
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat, Rosemarie Bauer,
Edeltraud Gatterer und Kollegen
betreffend Gewalt in den Medien
Am 5. Mai 1997 hat in der Hauptschule in Zöbern/Niederösterreich ein 15-
jähriger Schüler - ohne konkret ersichtlichen Grund - eine Lehrerin
erschossen und eine zweite schwer verletzt. Als Motiv gab er an, die
Lehrerin sei ihm im Weg gewesen, als er ein Mädchen haben? wollte.
1996 schockierte die Gewalttat eines 14-jährigen aus Passau, der mit einer
Axt seine Cousine und eine 69-jährige Nachbarin schwer verletzt hatte, die
deutsche Öffentlichkeit. Vorbild für seine Tat waren offensichtlich Szenen
aus dem Film "Freitag der 13.".
1993 sorgte die grausame Ermordung eines Zweijährigen durch zwei
zehnjährige Schüler in Liverpool für weltweites Entsetzen.
Solche Ereignisse sorgen in regelmäßigen Abständen für ein Aufflammen
der Diskussion über den Einfluß von Medien bzw. unkontrolliertem
Medienkonsum auf die Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen.
Die Frage nach dem Zusammenhang von Medienrezeption von
Minderjährigen und ihre Bereitschaft, Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung
einzusetzen, stellt sich v.a. im Lichte der Daten über das Ausmaß von
Fernsehkonsum dieser Zuschauergruppe und der Inhalte, mit denen sie
tagtäglich konfrontiert sind.
- Umfragen zufolge sitzen viele Kinder zwei bis sieben Stunden täglich vor dem Fernsehapparat.
- Eine andere Studie zeigt auf, daß ein Kind im deutschen Sprachraum bis zu seinem 14. Lebensjahr 15.000 Morde im Fernsehen gesehen hat und jedes weitere Lebensjahr kommen 4.000 dazu.
Ein weiterer Aspekt des Themenkomplexes "Schutz der Jugend vor
Medien" ist die Verbreitung von Gewaltdarstellungen und sonstigen
jugendgefährdenden Medieninhalten durch Computer- und Videospiele. In
Österreich gibt es im Gegensatz zu Bundesrepublik Deutschland
(Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften) weder eine Prüfstelle
noch einen Index für jugendgefährdende Medien, insbesondere
Videospiele.
Der Markt für Videospiele hat sich in den letzten Jahren extrem
ausgeweitet, wodurch es für viele Jugendliche und Eltern unmöglich
geworden ist, sich im immer größer werdenden Angebot zurecht zu finden.
Daher sollte die Bundesregierung Überlegungen anstellen, wie man eine
Kennzeichnung von jugendgefährdenden Video- und Computerspielen
vornehmen kann, und dem Nationalrat entsprechende Vorschläge
übermitteln.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Der Bundeskanzler wird als ressortzuständiger Medienminister ersucht,
1. im Zuge der anstehenden Reform des Österreichischen Rundfunks
einen Vorschlag für die legistische Präzisierung jener Inhalte in den
Hörfunk- und Fernsehprogrammen des ORF zu erstellen, die geeignet
sind, bei Kindern und Jugendlichen die Hemmschwelle zur Anwendung
körperlicher Gewalt herabzusetzen, indem sie Gewalt als geeignetes Mittel
der Problemlösung darstellen, bzw. Gewalt idealisieren. Insbesondere sind
Möglichkeiten zu prüfen, den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF in
diesem Sinne zu adaptieren;
2. geeignete Maßnahmen zu setzen, die oben benannten
Personengruppen im größtmöglichen Ausmaß zu schützen. Zu prüfende
Maßnahmen sind insbesondere Technologien wie der "V-Chip"1, Regulative
über die zeitliche Beschränkung der Ausstrahlung bestimmter Gewalt
darstellender Medieninhalte bzw. ein generelles Verbot der Ausstrahlung
besonders eindringlicher Gewaltszenen. Dabei hat der Grundsatz zu
gelten, daß die Verantwortung für die körperliche, geistige und sittliche
Entwicklung von Minderjährigen weder ausschließlich Rundfunkunternehmen auferlegt,
noch allein auf die Eltern abgeschoben wird;
3. die Möglichkeit zu prüfen, eine qualifizierte und unabhängige Einrichtung
(Kommission oder Institut) zu beauftragen, die Programminhalte in dem
beschriebenen Sinn zu überprüfen bzw. als Anlaufstelle für Beschwerden
über einzelne gewaltverherrlichende Programminhalte zu dienen. Diese
Einrichtung sollte ferner wissenschaftliche Untersuchungen über den
Zusammenhang von Medienrezeption und Gewaltbereitschaft bei Kindern
und Jugendlichen erstellen und jährlich der Hörer- und Sehervertretung des
ORF und dem Parlament einen Bericht vorlegen;
4. analoge Regelungen für in Österreich zugelassene Programme von
privaten Anbietern zu erstellen;
5. sich innerhalb des EU-Ministerrates und gegenüber der Europäischen
Kommission für eine Richtlinie im Sinne der Punkte 1 und 2 einzusetzen.
Darüberhinaus wird die Bundesregierung ersucht, Überlegungen
anzustellen und auf deren Basis bis längstens 1.2.1998 dem Nationalrat
Vorschläge zu unterbreiten, wie in Zusammenarbeit mit den Bundesländern
und den Händlern sowie in internationaler Kooperation eine
Harmonisierung jugendschutzrelevanter Gesetzesbestimmungen zum
Zwecke einer lückenlosen Kennzeichnung von jugendgefährdenden
Computer- und Videospielen vorgenommen werden kann.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuß
beantragt.