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Studie Früh 2001

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Die Studie beschäftigt sich nicht mit der Wirkung von Gewalt, sondern mit der Wahrnehmung von Gewalt. D. h. sie untersucht nicht, ob dargestellte Gewalt z. B. Aggressivität auslöst, sondern ob Menschen Gewalt als Gewalt wahrnehmen (ein sportbegeisterter Seher wird einen Boxkampf nicht als Gewalt wahrnehmen, eine Frau vielleicht schon) und wieviel Mitleid, Angst oder Faszination sie dabei empfinden.

Als Zielgruppen wurden unterschieden:
* Geschlecht: Männer; Frauen
* Altersgruppen: unter 16; 16-25; 26-50; über 50
* Bildung: kein Abitur; Abitur oder Hochschulstudium

Gewalt wird relativ weit als "bewußte Schädigung" definiert und schließt damit auch eine Schädigung von Sachen (Zerschlagen von Gegenständen) oder von sich selbst (Spritzen von Drogen) mit ein. Insgesamt wurden 1437 Darstellungen von Gewaltakten (Filmausschnitte) verwendet, wobei in diesen Szenen teilweise mehr als eine Art von Gewalt ("Gewaltvarianten") vorkommt.

In der Inhaltsanalyse wurden unterschieden (etwas gestrafft; im Original 13 Dimensionen):
* Täter: Einzelpersonen; Gruppen (z. B. Banden); Institutionen (z. B. Polizei)
* Opfer: Personen; Tiere; Pflanzen, Natur; Sachen; Systeme ("der Staat", "die Gemeinschaft")
* Gewalttyp: physische Gewalt; psychische Gewalt
* Realitätsbezug: reale Gewalt (Nachrichten; nachgespielt; Reality-TV?); fiktionale Gewalt (Zeichentrick); gemischt
* Stärke: gering (reversible Schäden); mittel (starke Schädigungen ohne Zerstörung/Tötung); groß (Tod bzw. völlige Zerstörung)
* Legitimation: niedere sujektive Motive (Rache, Geldgier); höherhertige subjektive Motive (Hilfeleistung, Schutz des Eigentums, Notwehr); institutionell (Polizei, Militär); ungeschriebene Gesetze (Mehrheitsmeinung);
* Modalität (Darstellungsart): direkt sichtbar; verbal berichtet; erschlossen (aus den Folgen abgeleitet); latent (z. B. Vorbereitung einer Gewalttat); Kontextgewalt (z. B. im Hintergrund eines Berichts über ein anderes Thema)
* Relativierung: humoristischer Kontext (Slapstick); sportlicher Kontext (Boxkampf)
* Intensität: verstärkt durch Effekte (Musik, Zeiltlupe)

Die 921 Interviewten wurden in Wahrnehmungurteilen befragt, wie
* gewalttätig
* angsterrregend
* schrecklich / schlimm (Mitgefühl)
* toll / faszinierend
* interessant
sie die Szenen empfanden. Ein Markierung auf einer 10 cm langen graphischen Skala (trifft sehr stark zu - trifft überhaupt nicht zu) wurde in eine Punktebewertung 0..100 überführt.

Einige subjektiv herausgegriffene, grob zusammenfassbare Ergebnisse:

* Die Bildung hat keine Auswirkung auf die Gewaltwahrnehmung
* Das Alter hat einen starken Einfluss. Die älteste Gruppe nimmt Gewalt um 11-14 Punkte stärker wahr als die jüngste.
* Das Geschlecht hat einen deutlichen, aber geringeren Einfluss. Frauen nehmen Gewalt ca. um 6-7 Punkte stärker wahr.
* Fiktionale Gewalt wird nur ein wenig geringer (ca. 8-10 Punkte) wahrgenommen als reale Gewalt ("Ein Mord bleibt ein Mord, egal ob stattgefunden oder inszeniert"). Das gleiche gilt für verbal berichtete Gewalt.
* Angst wird etwa 10-20 Punkte unterhalb der Gewaltwahrnehmung bewertet. Viele Faktoren spielen eine kleine, aber einleuchtende Rolle: reale Gewalt wirkt etwas stärker als fiktionale. Humoristischer Kontext reduziert die Angst praktisch auf Null.
* Es gibt ein besonders starkes Mitgefühl wenn Vertreter des Gesetzes Gewalt ausüben. Bei legalen Mitteln 44 Punkte, bei illegalen Mitteln 53 Punkte.
* Gewalt gegen Sachen wird nur um 7 Punkte geringer eingestuft als Gewalt gegen Personen (11 Punkte auf der Skala schrecklich/schlimm).
* Das Mitgefühl mit den Opfern ist kaum von der Legitimation der Tat abhängig.
* Die Faszination liegt bei geringen Werten (absolut 7-14 Punkten), Interessantheit bei 20-32 Punkten. Ohne starke Abhängigkeit vom Alter.

=== Exzerpt (zur Fernsehprogrammanalyse) =

Es wurden eine typische Fernsehwoche 1996 der Sender ARD, ZDF, SAT1, RTL und PRO7 analysiert.

ToDo.
* /ExzerptRezeption
* /ExzerptInhaltsanalyse


Gewaltpotentiale des Fernsehangebots: Programmangebot und zielgruppenspezifische Interpretation. WernerFrüh. WestdeutscherVerlag, Wiesbaden. 1. Auflage Oktober 2001. 218 Seiten.

Eine über mehrere Jahre (1994-1997) betriebene wissenschaftliche Studie zum Thema Gewaltrezeption.

Links:

Buchrückseite

Der Gewaltbegriff ist noch nicht hinreichend definiert. Außerdem wird bei Inhaltsanalysen des Fernsehprogrammes unterstellt, dass das gemessene Gewaltpotential auch für das Publikum den relevanten Stimulus darstellt. Tatsächlich interpretiert das Publikum das Medienangebot aber auf seine je unterschiedliche Weise:

  1. Es wird auf der Grundlage einer ausführlichen Diskussion eine Gewaltdefinition [siehe WasIstGewalt] vorgeschlagen, die sich zentral an der schädigenden Absicht des Täters orientiert.
  2. Es wird eine umfangreiche empirische Rezeptionsstudie durchgeführt (1437 Gewaltakte als Stimuli: 921 Interviews mit mehr als 30.000 Wahrnehmungsurteilen).
  3. Eine Medienstichprobe wird inhaltsanalytisch untersucht (7 Tage, 5 Sender, gesamtes Programm).
  4. Die inhaltsanalytischen Ergebnisse weden mit den zielgruppenspezifischen Wahrnehmungsparametern gewichtet, d. h. es wird berechnet, wieviel Gewalt jede Zielgruppe im selben Fernsehprogramm tatsächlich wahrgenommen hat.
Exzerpte


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© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 15. Juni 2003