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Methodik und Didaktik in Po Bi

Methodik und Didaktik in Politischer Bildung    

Ein Beitrag zur Unterrichtsgestaltung in Schule und Erwachsenenbildung    

Günther Dichatschek


Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Methodik und Didaktik in Politischer Bildung   
Ein Beitrag zur Unterrichtsgestaltung in Schule und Erwachsenenbildung   
Einleitung   
1 Aufgaben und Ziele einer Didaktik   
2 Themenbereiche   
2.1 Didaktische Prinzipien   
2.2 Politik und Staat   
2.3 Gesellschaft   
2.3 Weitere Themenbereiche   
3 Methoden des politischen Unterrichts   
3.1 Einzelarbeit   
3.2 Gruppenarbeit   
3.3 Rollenspiel   
3.4 Fallstudie   
3.5 Planspiel   
3.6 Projektmethode   
3.7 Realbegegnungen - Sozialstudien   
3.8 Mischformen   
3.9 Methodische Großformen   
3.10 Medien   
3.11 Karikatur   
3.12 Museumspädagogik   
4 Zum Ablauf des Unterrichts in Politischer Bildung   
4.1 Entwicklung eines Problem- und Zielbewusstseins   
4.2 Umsetzung von politischen Vorentscheidungen in Problemhandlungen   
4.3 Einüben demokratierelevanter Handlungsweisen   
5 Reflexive Phase - Zusammenfassung   
Literaturhinweise   
IT-Autorenbeiträge   

Einleitung    


"Politische Bildung dient dem einzelnen zur evaluativen Orientierung in seiner Umwelt und befähigt ihn zum demokratieadäquaten Verhalten"(GAGEL 2000, 24).''

"Politische Bildung hat die Aufgabe, die Menschen zu befähigen, dass sie ihren gesellschaftlichen Standort und ihre Interessen erkennen und über politische Probleme urteilen und dann handeln können. Dazu ist es erforderlich, die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Prozesse und Strukturen zu durchschauen, den Zusammenhang zwischen Interessen und Politik und die Ursachen und Funktion von Ideologien aufzudecken. Ziel Politischer Bildung ist: kritisches Bewusstsein, selbständiges Urteil und politisches Engagement. Voraussetzung für demokratisches Engagement ist, dass dem Bürger die Zusammenhänge zwischen individuellem Schicksal und gesellschaftlichen Prozessen und Strukturen bewusst werden.

Politisches Bewusstsein bildet sich im Erkennen der eigenen Interessen und im Erfahren der gesellschaftlichen Konflikte und der Herrschaftsverhältnisse. Der politisch bewusste und aufgeklärte Mensch soll nicht erleidendes Objekt der Politik sein, sondern als Subjekt in die Politik eingreifen"(DRECHSLER-HILLIGEN-NEUMANN 1995, VII).''


Die große Zunahme an Stoffinhalten der Politischer Bildung in den Fachlehrplänen der letzten Jahren und ihre gesamtgesellschaftliche Bedeutung wirft die Frage nach den Lehrinhalten und -zielen und die Art der Unterrichtung auf.

Zunächst kommt es auf die Auswahl der Inhalte und ein geordnetes und strukturiertes Wissen an.


Unterricht in einem gegenwartskundlichen Fachbereich unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht, weil für die Probleme von Gesellschaft, Politik, Recht und Wirtschaft politikwissenschaftliche, soziologische, ökonomische, rechts- und staatswissenschaftliche, historische, geographische, anthropologische und religionswissenschaftliche Aspekte im Kontext mit Erziehungswissenschaft/Schulpädagogik? in Betracht gezogen werden müssen.

Angesichts einer solchen Überfülle wird klar, dass zur didaktischen und methodischen Aufschließung andere als nur fachwissenschaftliche Kriterien herangezogen werden müssen. Erschwert wird dieser Umstand noch dadurch, dass die Lehrinhalte der Politischen Bildung auswechselbar sind, weil es hier keinen unveränderlichen und gesicherten Wissensbestand gibt und Politik sich immer auf Werdendes bezieht. Hier genügt nicht eine allgemeine Didaktik und Methodik, sondern es muss sich eine spezielle Disziplin entwickeln. Es zeigt sich, dass eine Kommunikationslücke zwischen Theorie und Praxis in der Politischen Bildung besteht, da die Diktion der Theorie nur fachlich Geschulten verständlich ist.

Infolge der Wissensexplosion stellt sich die Frage nach dem Wesentlichen ("didaktische Reduktion").

Um eine zu starke Subjektivierung und Einseitigkeit zu vermeiden, bedarf es im Auswahlvorgang der Reflexion der Unterrichtenden und der altersbezogenen Miteinbeziehung der Lernenden. Diese Auswahl ist sachlich zu begründen und zu analysieren.

Ebenso wichtig ist neben dem Wesentlichen die Frage nach dem Exemplarischen. Ein exemplarisches Vorgehen hat nur Sinn, wenn spezifische Fragestellungen und Denkmethoden, die auch auf andere Problembereiche anwendbar sind, geübt werden.

1 Aufgaben und Ziele einer Didaktik    

Infolge des ungeordneten Vorwissens der Lernenden ändert sich die Funktion der Lehrenden.

  • Es bedarf der Strukturierung und Begrenzung der Menge dieses fragmentarischen Wissens.
  • Politische Bildung stellt sowohl an Lehrende als auch an Lernende Anforderungen, die - aufbauend auf Grundkenntnisse - Problemstellungen aufwerfen und aktuell Fragen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kategorial aufschließen und zu Strukturwissen umformen.

Da Politische Bildung als Fach in andere Gebiete übergreift, hat dieser Fachbereich die Möglichkeit, die gegenseitigen Abhängigkeiten verschiedener Sachverhalte und Aspekte auzuzeigen und eine weitere Desintegration im Bildungswesen zu verhindern.

Infolge der Wechselwirkung von Politischer Bildung und Demokratie ergibt sich als Ziel des Unterrichts die Frage, was der Demokratie nützt und wie ein stärkeres Demokratiebewusstsein erreicht werden kann. Dies kann durch drei Teilziele erfolgen:

  • Erwerb von Kenntnissen über Faktoren, Zusammenhänge und Probleme in Politik, Wirtschaft, Recht und Gesellschaft sowie von Kriterien und Kategorien zum Verständnis dieser Zusammenhänge,
  • Schulung der kritischen Urteilsfähigkeit zum Erkennen der Phänomene einer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Welt sowie
  • einer Erziehung zu kritischer Haltung und Selbstkritik.
Grundkenntnisse sind erforderlich, damit die Lernenden Einsichten und Wissen in die politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse erhalten. Hier zeigt sich die Diskrepanz zwischen Theorie und der Wirklichkeit des Unterrichts, also zwischen Lehrplanforderungen und der Unterrichtsvorbereitung.

Zu den wichtigsten Aufgaben einer Didaktik der Politischer Bildung gehört die Überlegung, welche Inhalte sich unterrichtlich eignen und welche Themen politisch bilden können, um in der Folge einen Themen- und Stoffkatalog für eine Unterrichtsarbeit aufzustellen(vgl. GAGEL 2000, 22-25).

2 Themenbereiche    

Aus dem bezugswissenschaftlichen Element ergeben sich

  • aus didaktischen Prinzipien, die relevante Themen einer Politischen Bildung ergeben und
  • Inhalte der didaktischen Struktur, die durch den erziehungswissenschaftlich-normativen Anspruch gewichtet werden.
Im Folgenden werden beide Bereiche besprochen, beispielhaft drei wesentlich Themenfelder diskutiert, die bestimmte Methoden erfordern(vgl. Kap. 3).

2.1 Didaktische Prinzipien    

Nach HELLMUTH-KLEPP(2010, 141-152) dienen didaktische Prinzipien der Auswahl der Lerngegenstände und helfen, aus der politischen Wirklchkeit für einen Unterricht entsprechende Themen herauszufiltern.

Vorrang in der Themenwahl hat das Bleibende vor dem tagesaktuellen Geschehen, wobei das Arbeitswissen und die Reflexions- und Partizipationskompetenz der Lernenden zu beachten sind(vgl. DETJEN 2007, 3).

Im Folgenden wird auf das kategoriale Lernen, die Handlungsorientierung, Problemorientierung, die Schüler- und Lebensweltorientierung sowie das exemplarische Lernen und das Kontroversitätsprinzip als didaktische Prinzipien eingegangen.

  • Kategoriales Lernen reduziert die komplexe Realität mit Hilfe von Kategorien(Lerngegegenständen). Wolfgang KLAFKI (1959) hat die "kategoriale Bildung" entworfen, die in der Folge von Hermann GIESECKE(1997, 31-36) für die Politische Bildung übernommen und von Bernhard SUTOR(1992, 35) ergänzt wurde. Kategorien entstanden etwa als Problemdefinition, Konflikt, Macht, Durchsetzung, Recht, Interessen, Ideologie, Mitbestimmung, Solidarität, Demokratie, Kompromiss, Menschenwürde, Geschichtlichkeit, Verantwortlichkeit und Identität. Der Wandel der Gesellschaft bedingt neue Katergorien wie etwa Gender.
  • Handlungsorientierung fordert eine selbständige Beschäftigung der Lerndenden ein. Dem Erfahrungslernen kommt eine wesentliche Bedeutung zu. Visualisierung und Internalisierung korrelieren miteinander, sie erzeugen Betroffenheit und Erfahrung(Erfahrungslernen).
  • In der Folge kommt es zu einer Problemorientierung, wobei alltägliche und typische Schlüsselprobleme der Politik sich ergeben. Identitätsarbeit weist auf individuelle politische Bereiche hin, wie sich im interkulturellen Lernen zeigen.
  • Problemorientierung setzt Schüler-/Klienten- und Lebensweltorientierung voraus. Lerninhalte und soziale Wirklichkeit bzw. Bedingungen, Bedürfnisse und Erwartungen ergeben einen Zusammenhang(abstrakte Politik im Kontext mit dem eigenen Leben). Nach HELLMUTH-KLEPP(2010, 145) ist "Lebenswelt" der unreflektierte Lebensraum, Teil einer vertrauten Umwelt, die unbewusst bedeutend für das eigene Leben ist. Soziale Beziehungen und materielle Umwelt ergänzen die Lebenswelt. Daran kann eine Politsiche Bildung anknüpfen, etwa an Sprachformen und konsumgesellschaftliche Orientierungen. Als Parallisierungsfalle gilt die Gleichsetzung von sozialem und politischem Lernen(Sensibilisierung, Argumentation und Einsicht vs. Macht, Staat und Rechtsordnung).
  • Exemplarisches Lernen bedeutet vertieftes Lernen zu konkreten Fällen. Dieser Weg ermöglicht es, vom Konkreten zum Abstrakten zu gehen, gewonnene Erkenntnisse nachhaltig zu sichern.
  • Das Kontroversitätsprinzip als Teil des "Beutelsbacher Konsenses"(1976) soll unterschiedliche Perspektiven auch im Unterricht kontrovers darstellen. Dies beinhaltet ein Überwältigungsverbot und Kontroversitätsgebot für die Lehrenden mit argumentationsheterogenen, argumentationshomogenen und apathisch-indifferenten Lerngruppen. Problembereiche sind die Komplexität politischer Meinungen und spezifische Fachkenntnisse. Lehrende werden daher didaktisch eine Auswahl zu treffen haben("didaktische Reduktion"/vertikal-horizontal-quantitativ).
  • Letztlich bleibt es problematisch, ob extremistische Auffassungen ausgespart bleiben sollen(vgl. DETJEN 2007, 327). Jedenfalls bedarf es einer Auseinandersetzuung mit Gegenargumenten, um zu einer Grundeinstellung kommen zu können. Politische Bildung ist das Gegenmodell zu Indoktrination, geht sie doch von der Mündigkeit der Lernenden aus.

Ziel einer Didaktik der Politischen Bildung sind

  • Lernprozesse der Lernenden zu initiieren,
  • eine selbstreflexive Auseinandersetzung zu ermöglichen,
  • Wissen und Kompetenzen zu schaffen.
Für die Lehrenden bedeutet dies

  • Lehr- und Lernbedingungen zu schaffen,
  • fachdidaktische Verpflichtungen einzugehen und
  • sich einer selbstreflexiven Auseinandersetzung zu stellen/"reflexive Phase", siehe Pkt. 5(vgl. "Didaktische Pyramide" nach HELLMUTH-KLEPP 2010, 152).

2.2 Politik und Staat    

Hier hat man auf die politischen Grundphänomene und Prozesse einzugehen.

Notwendig ist die Erkenntnis, dass in einer Demokratie Parteien und Interessensvertretungen nötig sind und dass die Begriffe Herrschaft, Macht und Konflikt' geklärt werden und Lernende erkennen, dass Demokratie und Konflikt(-bewältigung) nicht zu trennen sind und man lernen muss, Konflikte auszutragen und Kompromisse zu schließen. Wo die Möglichkeiten und Grenzen für einen Konflikt liegen, kann an aktuellen Ereignissen und Themen - auch aus der Zeitgeschichte - geklärt werden. Herrschaft und Macht sind damit zu klärende Begriffe.

Da ihre Ausübung sittlichen Normen unterliegt, wird Politische Bildung hier zur Gewissensbildung.

Auch der Begriff des Gemeinwohls unterliegt moralischen Anforderungen, ebenso der der Toleranz' mit ihren Grenzen.

Zum Themenbereich Politik und Staat gehört

  • der Überblick über die großen politischen Systeme, besonders über Demokratie und Totalitarismus sowie
  • über wichtigste Fragen der Weltpolitik. Dazu gehören etwa die Probleme des Atomzeitalters, der Bevölkerungsexplosion, Rassen- und Religionsprobleme sowie Abrüstung und Weltfriede.
Einzugehen ist auf das politische System des eigenen Landes, so auch auf die latente Bewunderung autoritärer Systeme und den Antisemitismus. Die im Rahmen der Staatsbürgerkunde übliche Beschäftigung mit Verfassungsorganen genügt den heutigen Anforderungen einer Politischer Bildung nicht mehr. Gesellschaftliche Wandlungen mit der Forderung nach Demokratisierung sind verstärkt zu berücksichtigen.

Bei der Behandlung von Institutionen ist Lernenden ihre staatspolitische Funktion verständlich zu machen, ebenso die damit verbundenen politischen Bedürfnisse. Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung sind fächerübergreifende Inhalte mit dem Charakter von Basiswissen.

Die außenpolitische Stellung Österreichs, Inhalte des Staatsvertrages und der Neutralitätserklärung, die EU mit Hinweisen auf praktische EU-Bildungsprojekte und EU-Integrationsbestrebungen, die Stellung der Vereinten Nationen mit den wichtigsten Teilorganisationen und das Insgesamt außenpolitischer Aufgaben sind integraler Bestandteil einer Politischer Bildung österreichischer Schulen.

2.3 Gesellschaft    

Zu den wesentlichen Zielen einer Politischer Bildung gehört das Einführen der Lernenden in die soziale Umwelt(politische Sozialisation).

Für diesen Themenbereich bieten sich etwa Fragen der Umweltgestaltung, Raumplanung und Verkehrsfragen, aber auch der Arbeits- und Berufswelt, der Freizeitgestaltung, des Konsumverhaltens und der Relativität allen Sozialens an. Zunehmend kommt der Interkulturalität eine Bedeutung zu(vgl. SANDER 2007).

Das Thema der eigenen gesellschaftlichen Rolle und der Rollenerwartungen der Gesellschaft in den verschiedenen Bereichen gehört im Rahmen der Politischer Bildung zu einer Persönlichkeitsbildung/-erziehung.

2.3 Weitere Themenbereiche    

Hier bietet sich der Themenbereich der Wirtschaft an. Mit Hilfe von Grundkenntnissen der Wirtschaftskunde/-erziehung wird die Funktionsweise, das Ordnungssystem und die Zusammenhänge mit dem soziopolitischen Bereich zu behandeln sein. In volks- und betriebswirtschaftlicher Hinsicht sind der wirtschaftliche Kreislauf, das Produktions- und Verteilungssystem, Kooperationsmodelle und Herrschaftsverhältnisse im Betrieb/Unternehmen und in der Massenproduktion und ihren Folgewirkungen zu untersuchen. Aus dem Bereich der Finanzwirtschaft bietet sich die Bedeutung des Währungssystems an(vgl. die Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Wirtschaftserziehung und Ökonomische Grundlagen in der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung).

Im Rechtsgebiet steht die Funktionsfähigkeit des Rechts im Vordergrund wie Fragen des Rechtsstaates, des Rechtsbewusstseins und der Gerechtigkeit. Weitere Themen werden die rechtliche Stellung des Einzelnen im Gemeinwesen, Macht und Recht, Freiheit und Ordnung, Gleichheit und Gerechtigkeit sowie Aufgaben des Rechts sein.

Aus dem psychologischen Bereich wäre als wichtige Aufgabe die Funktion von Interkulturalität zu nennen, indem Politische Bildung Verständnis und Toleranz gegenüber Minderheiten oder fremden Menschengruppen erweckt(vgl. die Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz; Migration 1,2; Globales Lernen; Aspekte Antisemitismus in Europa; Verhinderung von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit; Menschenrechte in Europa). Ebenso ist gegen Pauschalurteile zu kämpfen, die sich nicht nur im täglichen Leben, auch in der Völkerverständigung erschwerend auswirken. In totalitären Herrschaftssystemen wird mit psychologischen Erkenntnissen durch demagogische Beeinflussungsmethoden Missbrauch betrieben. Ursachen der Aggressivität beschäftigen Politische Bildung und damit gleichzeitig auch Heranwachsende, damit ihr eigenes Verhalten besser und selbstkritisch kontrollierbar wird.

Die erwähnten Teilgebiete - zu erwähnen wären u.a. noch Sprachen, Philosophie und Literatur - dürfen nicht dazu verführen, eine Aufteilung des gesellschaftlichen Zusammenhanges in diese Teilbereiche vorzunehmen.

Vielmehr muss der Unterricht von der politisch-gesellschaftlichen Realität, politischen Ereignissen und realen gesellschaftlichen Gegebenheiten ausgehen und die vorhandenen Probleme in ihrer Gesamtheit behandeln, wie es das kasuistische Prinzip vorsieht. Dieses Prinzip unterscheidet sich von dem des "aktuellen Einstiegs" insofern, als die Fallbehandlung ein durchgehendes Prinzip des gesamten Unterrichts ist.

3 Methoden des politischen Unterrichts    

Eine Vorbereitung der Unterrichtsmethoden kann erst nach der didaktischen Analyse vorgenommen werden.

Hier ergibt sich die Schwierigkeit, dass herkömmliche Methoden nicht mehr ausreichen, da emanzipatorische Ziele einer Politischer Bildung Lernende nicht nur als hinnehmende Objekte, sondern auch als aktive Subjekte ansehen und heranziehen.

Themenwahl und abwechslungsreiche Unterrichtsverfahren motivieren SchülerInnen, wie in der folgenden Besprechung des Methodenrepertoires aufzuzeigen ist.

Der Bildungs- und Erziehungsprozess der Heranwachsenden kann pädagogisch dadurch gefördert werden, dass Wesen und Schritte einer Politischer Bildung bewusstgemacht werden. Die erforderlichen Kompetenzen zum analytischen Denken und der Informationsbeschaffung erfordern solche Unterrichtsverfahren, die das Planen, Handeln, Kooperieren, Kommunizieren und Umsetzen in den Vordergrund stellen.

Neben den traditionellen Unterrichtsmethoden gewinnen in besonderer Weise Erkundungsmethoden und Methoden der Entscheidungsfindung - Rollen- und Planspiel, Fallstudie und Projektmethode - sowie Mischformen - Team-Kleingruppenmodell und Team-Teaching - und Großformen - Lehrgang, Projekt, Lektion, Kurs, Unterrichtseinheit, Workshop, Praktikum, Exkursion, Diskurs/Erörterung und Gespräch - für den Unterricht eine besondere Bedeutung(vgl. DICHATSCHEK u.a. 1991, 127-138; GIESECKE 1976, 125-201; MEYER 1988, 144).

3.1 Einzelarbeit    

Die Einzelarbeit - auch Stillarbeit genannt - ist angesichts der in den letzten Jahren dominierenden Diskussion über die Grupppenarbeit und anderer Formen des sozialen und handlungsorientierenden Lernens zu Unrecht in Vergessenheit geraten und kann durchaus im politischen Unterricht wiederholt angewendet werden.

In ihr ist das Nachdenken und die Reflexion der eigenen Interessen, der individuellen Motive und Fähigkeiten der Lernenden möglich.

Als Beispiel ist etwa der Arbeitsbogen anzuführen. Durch ihn hat man Gelegenheit, eine Selbstexploration eigener Neigungs- und Interessensfelder zu geben.

3.2 Gruppenarbeit    

Für sie spricht vor allem die Tatsache, dass die Heranwachsenden während eines prozesshaften Lernens bei allen ihren Entscheidungen unsicher sind und das Bedürfnis haben, ihre im eigenen Bewusstsein noch nicht gesicherte Entscheidung durch Interaktion mit Klassenmitgliedern zu bestärken.

"Der Gruppenunterricht hat, wie jede andere Sozialform auch, eine äußere und innere Seite. Die äußere Seite besteht in der spezifischen Regelung der räumlich-sozial-kommunikativen Situation des Unterrichts"(MEYER 187, 243).

Unterrichtende treten als Leiter in den Hintergrund, bleiben aber für die Organisation der Lernsituation verantwortlich. Alle Beteiligten, die an der Aufgabe mitwirken, haben das Recht, an inhaltlichen Entscheidungen - Arbeitsablauf, Gestaltung der Ergebnisse und Präsentation - mitzuwirken.

Die innere Seite besteht in der Vermittlung und Aneignung von Methoden, die Schüler zu gemeinsamen, selbstbestimmten und kreativen Handlungen befähigen, wie etwa zur

  • Arbeit nach Anweisung: Lesen und Schreiben von Texten, Umgang mit Arbeitsblättern und Nutzung von Nachschlagewerken,
  • Niederschriften-Protokolle,
  • Zeichnen: Übertrag von Erzählungen und Berichten in Zeichnungen,
  • Entwicklung von Techniken der Information und Dokumentation: Befragung und Interview, Skizzen und Zeichnungen, Anfertigung von Tabellen,
  • Erledigung von selbstständigen Aufgaben: Anlegen von Arbeitsmappen, Übernahme und Ausführung von Rollen,
  • Besorgung und Aufarbeitung von Texten/Mitteilung von Ergebnissen,
  • Entwicklung von Verantwortuungsgefühl: Durchführung von Arbeiten für Gruppe oder Klasse, Vertretung von Ergebnissen nach außen und
  • Kontrolle eigener und fremder Arbeiten.
3.3 Rollenspiel    

Bei Rollenspielen wird die Rollenlage, das Rollenverhalten und das Rollenklischee eingeübt(vgl. MEYER 1988, 128).

Es geht weniger um die Vermittlung der Lerninhalte. Die Vorzüge dieser Lernstrategie liegen vor allem darin, dass der Lernprozess in Spielform gekleidet wird und somit Lernen zum spielerischen und Freude bereitenden Tun wird.

Rollenspiele können jeweils in Einstiegs-, Einarbeitungs- und Auswertungsphasen angesetzt werden. Die Entscheidung darüber setzt eine Klärung der Wechselwirkung von Zielen, Inhalten und Methoden voraus:

  • Entwicklung einer Fragehaltung,
  • Erprobung einer Konfliktlösung und
  • Anwendung von Kompetenzen.
Rollenspieltechniken dienen der Vertiefung, Variation und Verfremdung möglicher Schülererfahrungen: Doppelrolle, Beiseite-Reden, Selbstgespräch, Rollentausch, Rollenübernahme, Rollenwechsel und Einführung einer neuen Rolle.

Von allen Beteiligten wird Feingefühl erwartet. Nicht jeder Beteiligte ist bereit, sich vor anderen zu engagieren. Man denke an Scheu, Verweigerung, überzogene Rollenübernahme/Parodie und karikiertes Spiel. Begegnen kann man dieser Gefahr durch regelmäßiges Spiel, so dass das Sich-produzieren-Müssen zur Normalität werden kann und der Entwicklung bzw. Einführung sachbezogener Kriterien für die Durchführung und Auswertung der Spielrunden.

In der Politischen Bildung besteht die Gefahr der "verbalen Scheinlösung". Es wird geredet, jedoch nicht gehandelt und entschieden.

3.4 Fallstudie    

Hier geht es um die Analyse einer abgegrenzten und überschaubaren Entscheidungssituation und um die Lösung eines Falles bzw. Problemes.

Durch Arbeit am Fall gewinnt die Methode an Bedeutung, wie man

- Infomationen sammelt und bewertet,

- Fakten analysiert,

- alternative Lösungsvarianten entwickelt und letztlich

- Entscheidungen findet.

3.5 Planspiel    

Den Unterschied zwischen Rollen- und Planspiel theoretisch zu bestimmen ist schwierig, denn Planspiele müssen auch von den Spielern bestimmte Rollen übernehmen und aktiv in Auseinandersetzung mit den Mitspielern ausgefüllt werden. Meist sind sie jedoch komplexer - Planspiele können tage- oder auch wochenlang dauern - und sind zumeist stärker verregelt, auch ist der Umfang der in das Spiel eingeführten Medien und Materialien und künstlich eingeführten Entscheidungszwänge größer(vgl. MEYER 1987, 366).

Planspiele sind demnach komplex gemachte Rollenspiele mit klaren Interessensgegensätzen und entsprechendem Entscheidungsdruck.

Vorbereitung, Durchführung und Auswertung ist bei der methodischen Umsetzung der vorgegebene Grundrhythmus.

3.6 Projektmethode    

Ein Projekt definiert sich als objektives vorweisbares Arbeitsergebnis, das aus einer fächerübergreifenden und planmäßigen Durchdringung eines komplexen Lerngegenstandes hervorgegangen ist. Es realisiert sich in Form eines Werkstückes, einer formulierten Analyse oder einer Handlung(Veranstaltung, Aktion).

Die Projektmethode unterscheidet sich von der Fallstudie(Fallmethode) insofern, als das Projekt in der Regel

- einen komplexen Lerngegenstand fächerübergreifend angeht,

- einen größeren Planungsaufwand erfordert und damit eine bessere Mitwirkung der Schüler bei der Planung ermöglicht und

- handlungsintensiv ist und praktische Erfahrungen vermittelt.

Somit wird ein Projektunterricht in der Politischen Bildung zum Inbegriff einer unterrichtlichen Integration von theoretischer und praktischer Arbeit.

Bei der Realisierung eines Projekts sind jedenfalls umfangreiche Vorplanungen notwendig:

- Entscheidung(en) in einer Gesamtkonferenz über Termin, Dauer und Themenstellung,

- Planung durch eine Vorbereitungsgruppe: Sammeln von Vorschlägen, Zuordnung der Lernenden und Lehrenden zu den einzelnen Arbeitsgruppen,

- Vergabe von Teilaufgaben,

- Organisation der Räume, Öffentlichkeitsarbeit, Präsentation und Schlussfeier,

- Durchführung des Projekts: Arbeit der einzelnen Gruppen - Abstimmung mit der Gesamtleitung und

- Auswertung:

Präsentation/Vorführung, Ausstellung, Dokumentation, Besichtigung, Beiträge zu einem Schulfest

schulinterne Evaluierung/Befragung von Schülern-Eltern-Lehrern-Besuchern

Information an die Medien

Dokumentation und Kommentierung in der Schülerzeitung/Jahresbericht der Schule

Bericht der Projektleitung in der Gesamtkonferenz: Verlauf-Schwierigkeiten-Gesamtbewertung


Richtschnur einer Projektarbeit

Zielsetzung > Planung > Ausführung > Beurteilung


Bei großen Projektvorhaben kann es auch - bei nüchterner Erwartung und klarer Planung - zu Fehlentwicklungen kommen, die aufzuzeigen sind, etwa einer Beschneidung der Freiwilligkeit der Grupppenzuordnung und Freizügigkeit der Themenwahl, Projekte erhalten eine Lückenbüßerfunktion, Ausbeutung engagierter Lehrender, Durchboxen von Projekten und letztlich Erkennen der Stärken und Schwächen eines Mitarbeiterteams.

3.7 Realbegegnungen - Sozialstudien    

Im Rahmen eines zeitgemäßen Unterrichts in Politischer Bildung besteht die Forderung nach wirklichkeitsnaher Anschauung, um der Unwissenheit und dem mangelhaften Orientierungsvermögen bei Lernnden entgegenzuwirken. Dies erfordert eine wirksame Koordination der Unterrichtsgegegenstände, weil Politische Bildung - als Fach/Wahlfach nur in der Polytechnischen Schule, Berufsschule und AHS-Oberstufe - ein Unterrichtsprinzip darstellt und somit geeignete Querverbindungen, Einsätze zusätzlicher Unterrichtsmittel/Realbegegnungen - Besichtigungen, Erkundungen, Sozialstudien und ggf. Praktika - unter allenfalls gelegentlicher Heranziehung außerschulischer Fachleute damit notwendig macht.

  • Vom methodischen und fachdidaktischen Standpunkt aus kann eine Besichtigung mit Eigendarstellung des Sozialobjekts nicht befriedigen. Kritisch ist zu vermerken sind die Dauer des Rundganges, die Rolle der Lernenden als passive Informationsempfänger und die Fülle der angebotenen Daten.
  • Eine Erkundung soll die Kritikpunkte vermeiden. Auf eng begrenzte, vornehmlich pädagogisch-didaktische Gesichtspunkte soll sich diese Schulververanstaltung begrenzen. Zum Nutzen gehört der Aufbau festgelegter Lehr- und Lernziele, die im Unterricht planmäßig vorbereitet und auch ausgewertet werden. Die Lernenden sind nicht passive Informationsempfänger, vielmehr aktive Mitgestalter. Damit ist die Erkundung eine anspruchsvolle Veranstaltung mit Vor- und Nachbereitung.
  • Die Sozialstudie ist eine erweiterte Form der Erkundung( vgl. MASSING 1998).
Drei Möglichkeiten für den Einsatz gelten bei Erkundungen als praktikabel:

  • Die Gesamterkundung kommt der klassischen Besichtigung sehr nahe. Das Objekt wird durch die gesamte Klasse/Gruppe gemeinsam - in seiner Gesamtheit - erkundet.
  • Bei der Bereichserkundung wird die Klasse/Gruppe in Gruppen aufgeteilt, die jeweils einen bestimmten Bereich/Teil erkundet.
  • Die Aspekterkundung geht von der Überlegung aus, dass man nicht das gesamte Objekt oder Teilbereiche erkundet, vielmehr nur einen oder mehrere Aspekte(Gesichtspunkte) erkunden sollte. Die Lernenden werden in Arbeitsgruppen eingeteilt, die unabhängig voneinander das Sozialobjekt erkunden und somit aktiv werden. Diese Erkundungsform benötigt eine intensive Vor- und Nachbereitung aller Beteiligten.
Für die Form der Sozialstudie gibt es weniger Themenbereiche, die bearbeitet werden können. Geeignete Beispiele sind gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandlungsprozesse(Umbau der Wirtschaft; Umweltschäden; Fragen der Arbeits- und Berufswelt; Untersuchungen von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten einer Gemeinde sowie gesamtgesellschaftliche Fragen). Aktuelle (Schul- und EU-)Bildungsprojekte ermöglichen einen Einstieg und die Mitarbeit(vgl. ACKERMANN 1999, 457-470; BÖNSCH 2000).

3.8 Mischformen    

Es gibt im Schulalltag typische Kombinationen bestimmter Unterrichtsmethoden mit bestimmten Handlungsmustern - beispielsweise ein Lehrervortrag wird in der Regel im Frontalunterricht stattfinden - , "[...]aber es gibt keine zwingenden, unaufhebbaren Koppelungen(so kann ein Lehrervortrag bei bestimmten Zielsetzungen des Lehrers auch in Kleingruppen gehalten werden). Eine Ausnahme bildet einzig das Kreisgespräch"(MEYER 1988, 140-141). Dies ist eine Variante des Klassenunterrichts, in der alle Schüler und der Lehrer im Kreis sitzen, so dass eine äußerliche Gleichberechtigung der Partner gesichert ist(vgl. RITZ-FRÖHLICH 1982, 23 bzw. 64).

Auch das Teamteaching, also die gleichzeitige Unterrichtung eines Schülerverbandes durch mehrere Lehrende oder einen Lehrenden mit Fachleuten(expertenhomogenes - expertenheterogenes Teamteaching), stellt keine neue Unterrichtsmethode dar. Der von diesem Team durchgeführte Unterricht muss nach der einen oder anderen hier behandelten Methode differenziert werden.

3.9 Methodische Großformen    

Die letzte Ebene methodischen Handelns, die in Ermangelung eines besseren Wortes mit dem Begriff methodische Großform bezeichnet wird(vgl. SCHULZ 1980, 110-113; MEYER 1988, 143), umfasst den Lehrgang, eine Unterrichtseinheit, einen Workshop, eine Exkursion, ein Vorhaben, ein Projekt und den Diskurs.

Es handelt sich um typische Lehr-/Lernmethoden mit unterschiedlichen Zielsetzungen und methodischen Gestaltungselementen.

  • Ein Lehrgang dient der schrittweisen Vermittlung eines klar umrissenen Wissens- und Kompetenzbereiches.
  • Eine Unterrichtseinheit(Kurs, Lektion) bezeichnet eine thematisch abgeschlossene, methodisch eher lehrgangsmäßig als offen organisierte Großform.
  • In einem Workshop wird eine gemeinsam zu bearbeitende Fragestellung für eine bestimmte Zeit er- und bearbeitet.
  • Exkursionen haben die typischen Merkmale einer Besichtigung.
  • Als Erkundungen/Aspekterkundungen bezieht man sich thematisch auf ganz klar abgrenzte Bereiche, die jeweils von Gruppen beobachtet, erfragt und dokumentiert werden. Damit verhindert man die Unüberschaubarkeit von Besichtigungsobjekten.
  • Ein Vorhaben bezeichnet ein kleines Projekt(Kurzprojekt).
  • Ein Projekt umfasst den von Lehrenden, Lernenden, ggf. Eltern und Experten unternommenen Versuch, Leben, Lernen und Arbeiten zu verbinden, dass ein gesellschaftlich relevantes Thema/Problem inner- oder/und außerhalb der Klasse/Gruppe aufgearbeitet wird. Die Projektidee ist ebenso wichtig wie das Produkt, das am Ende dieser Methode stehen soll.
  • Dem Diskurs kommt eine Sonderstellung zu. Er wird als jene Diskussions- und Behandlungsphase bezeichnet, in denen Lehrende und Lernende sich über einen Unterrichtsprozess verständigen.
3.10 Medien    

Neben den traditionellen Unterrichtsmitteln - etwa Lehrbuch, Dokumente, Statistiken, Zeitungen und Schaubilder - bietet sich für den Unterricht in der Politischen Bildung reichlich Gelegenheit, die Neuen Medien wie Haft- und Glastafeln, Tonband, Radio, Fernsehen, Film und Internet mit Netzwerken einzusetzen. Nicht zu übersehen ist ebenfalls Netzbasiertes Lernen.

Eine moderne Bildungsinstitution ist bis zu einem gewissen Ausmaß so gut und so schlecht wie ihre Ausstattung mit Medien ist.

Die anfängliche Internet-Euphorie ist inzwischen einem nüchternen Realismus gewichen. Die Frage nach einer konstruktiven Nutzung im Politikunterricht steht mit der im Internet noch in den Kinderschuhen steckenden Politischen Bildung in Zusammenhang(vgl. RUPRECHT 2003, 5). Mitunter entsteht der Eindruck, dass Lehrende mit diesem neuen Medium die Hoffnung verbinden, das Interesse ihrer Lernenden für Politische Bildung zu erwecken. Die bloße Faszination und Motivation von Medien ist fachdidaktisch noch kein hinlängliches Kriterium für deren Verwendung(vgl. FRECH-KUHN-MASSING 2004, 65).

Zu hinterfragen ist der Einsatz vielmehr, ob und wie weit mit seiner Verwendung im Unterricht fachlich angemessene Ziele erreicht werden können. Die Anwendungsfelder Recherchieren, Präsentieren und Interaktion bieten sich in Verbindung mit Medien- und Methodenkompetenz der Lernenden und Lehrenden an, wobei dies nur durch einen planvollen Lern- und Zeitaufwand gelingt(vgl. die Bedeutung eines schulischen Pflichtfaches Informatik und der Medienerziehung in Deutsch sowie Medienkunde in der Erwachsenenpädagogik).


Fünf Kriterien sind an Medien für politische Bildung zu stellen:

- Medien benötigen Methodenanpassungsfähigkeit sein - variable Verwendung - methodisches Lernen darf nicht verhindert werden.

- Zeitaufwand und Lernnutzen müssen in einem vertretbaren Verhältnis stehen.

- Kosten und Lernnutzen haben in einem vertretbaren Verhältnis zu stehen.

- Leichte Bedienbarkeit setzt einen effizienten Einsatz voraus und lenkt nicht vom Lernprozess ab.

- Die Dienstfunktion der Medien muss erhalten bleiben.


3.11 Karikatur    

Eine Karikatur ist eine satirische Darstellung von Menschen oder gesellschaftlichen Zuständen, die anschaulich überzeichnet, übertrieben und deformiert die Wirklichkeit darstellt.

Karikaturen haben in der Regel einen sozialen oder politischen Hintergrund und verstehen sich als kritisches Medieum, das Probleme offen legt, ohne Lösungen anzubieten. Aus der Sicht des Karikaturisten ist die Zeichnung ein subjektiver politischer Kommentar mit Parteilichkeit.

Aus der Geschichte der Zensur weiß man, dass der Einfluss von Karikaturen in der Wechselbeziehung von Politik, Macht und künstlerischer Freiheit liegt(vgl. FRECH-KUHN-MASSING 2004, 25).

Im politischen Unterricht bzw. der Politischen Bildung folgt das Medium dem klassischen Stufenmodell der Hermeneutik, welche die drei Stufen Verstehen, Auslegen und Anwenden unterscheidet:

  • In der Stufe "Verstehen" wird das Thema festgestellt, der Anlass benannt, das Politikfeld eingegrenzt und die Problemstellung fixiert. Diese genaue Beschreibung hilft Missverständnisse und Fehler zu vermeiden.
  • In der der Stufe "Auslegen" bzw. Interpretieren erfolgt der Versuch, die Ideen des Zeichners zu benennen. In einem kumulativen Lernprozess mit einer Auseinandersetzung mit verschiedenen Karikaturen in der Tagespresse wird man bestimmte Karikaturelemente immer wiederfinden.
  • In einem dritten Schritt erfolgt das "Anwenden", verstanden hier im didaktischen Zusammenhang mit der Aussage. Der Impuls als Einstieg in eine systematische Analyse ist letztlich hier kennzeichnend. Gute Karikaturen haben viele Ansatzpunkte für kontroverse Analysen. So gilt der Grundsatz für politische Bildung auch hier: Was in der Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers behandelt werden.
3.12 Museumspädagogik    

Ein Museumsbesuch hat als Schwerpunkt museale Sammeltätigkeit im bildlichen und gegenständlichen Bereich. Daher ergibt sich die Schausammlung und ständige Ausstellung als Schwerpunkt der Funktion von Museen, die ihr Material öffentlich zu Bildungszwecken zugänglich machen.

Für die Politische Bildung sind Konzepte für selbstargumentierende, didaktische Ausstellungen von Interesse. "Solche Ausstellungen zeigen nicht lediglich die Objekte vor, sie kombinieren sie mit Reproduktionen, Fotos, Modellen und audiovisuellen Medien. Ziel ist es, dem nicht speziell vorgebildeten Besucher über die Objekte ein Verständnis historischer Zusammenhänge zu ermöglichen"(BERGMANN/KUHN/RÜSEN/SCHNEIDER 1985, 490).

Wesentlich sind die vier folgenden Aspekte einer Museumspädagogik, die es für die Politische Bildung zu nutzen gilt:

  • Gegenstandsbereich - Für den Unterricht ist weniger auf den Umgang mit Textquellen als vielmehr auf die Nutzung von Bildquellen und alten Gegenständen vorzubereiten. In Magazinen finden sich oftmals Gegenstände, die für ein bestimmtes Thema nützlicher sind als die öffentlich zugänglichen Gegenstände.
  • Formale Unterrichtsplanung - Der einmalige Museumsbesuch hat "Wandertagscharakter". Lernende lernen die Institution Museum zunächst kennen. Für den themenbezogenen Unterricht bedarf es den Kontakts mit einem/-r MuseumsspezialistenIn?(FachwissenschaftlerIn?, MuseumspädagogenIn? oder RestauratorIn?). Mit Hilfe des Museumskatalogs und in Gesprächen mit Museumsverantwortlichen wird das Erkenntnisinteresse der Lernenden abzuklären sein.
Für Museumsprojektarbeit bedarf es naturgemäß mehrerer Arbeitsgespräche mit den Fachleuten und mehrmaliger Museumsbesuche der Lernenden.

  • Inhaltliche Unterrichtsplanung - Vorgespräche ergeben die Erwartshaltung an den geplanten Museumsbesuch. Alltäglichkeiten der vergangenen Zeit interessieren Lernende besonders. Politische Bildung zieht daraus den Vergleich zwischen früheren und gegenwärtigen, mitunter auch zukünftig erwünschten Realitäten. Dem biographisch-exemplarischen Konzept kommt besondere Bedeutung zu. - Nützlich ist vor dem Museumsbesuch eine Erarbeitung des historischen Rahmenfaktors.
  • Museumsbesuch - Grundlage für eine effektive Museumsarbeit ist die Vertrautheit mit dem Objekt. Der erste Besuch wird ohne besonderes Programm stattfinden("Gesamterkundung"), also allein oder in Gruppe das Museum kennenlernen und anschließend ein gemeinsamer Rundgang, gegebenenfalls auch der Besuch des Magazins.
  • Spätere Besuche beziehen sich auf bestimmte Gegenstände("Aspekterkundung"). Fragebögen zur Anleitung von gezielten Beobachtungen erleichtern die Museumsarbeit.
4 Zum Ablauf des Unterrichts in Politischer Bildung    

Für den Ablauf im Unterricht von Politischer Bildung sind drei Elemente festzuhalten, die im Folgenden dargestellt werden.

4.1 Entwicklung eines Problem- und Zielbewusstseins    

Ein Zielbewusstsein wird sich an Problemen der Politischer Bildung schärfen. Daher sollte der Unterricht Fragen aufwerfen, die die Heranwachsenden zu einem Problembewusstsein führen und Lernmotivation entwickeln lassen können.

Die gesellschaftlichen Bedingungen und Einflüsse einerseits und die individuelle Interessenslage mit ihren Werthaltungen, Handlungs- und Entscheidungskompetenzen andererseits müssen in ihrer Aufeinanderbezogenheit und Funktion für die Politische Bildung thematisiert werden können.

4.2 Umsetzung von politischen Vorentscheidungen in Problemhandlungen    

Didaktisch wäre es wünschenswert, wenn die Heranwachsenden in der Schul- bzw. Kurszeit Gelegenheit hätten, politische Vorentscheidungen durch praktisches Handeln zu überprüfen. Die dazu notwendige Erfahrung - die neben einer kognitive auch eine sozial-emotionale und handlungsorientierte Dimension umfasst - kann durch mediale Vermittlung von Texten, Bildern, Filmen und Videos gemacht werden.


Konkret heißt dies, dass ohne Einbeziehung außerschulischer Lernorte und ohne Realbegegnungen mit zukünftigen Situationen(und deren Umwelt) eine Kompetenzvermittlung im politischen Unterricht bzw. Politischer Bildung abstrakt bleiben muss.

Methoden der Praxissimulierung(Fallstudien/Planspiele), Mischformen(Projekte) und Praxisbegegnungen(Erkundungen, Befragungen/"oral history", ggf. Praktika)können diese Funktion übernehmen.

4.3 Einüben demokratierelevanter Handlungsweisen    

Für die Realisierung von politischen Entscheidungen sind bestimmte demokratische Handlungsweisen notwendig. Entsprechendes Verhalten kann beispielsweise durch Rollenspiel eingeübt werden. Es trägt dazu bei, die Schwellenangst bei Jugendlichen vor dem Eintritt in das öffentliche Leben zu mindern.

Zur Verwirklichung des Ziels, die Lernenden für eine Wahrnehmung und Vertretung ihrer Interessen zu motivieren, ist

  • schulisch eine Schülerorientierung und Schülergemäßheit bei Unterrichtsmaterialien und Arbeitsaufgaben notwendig(vgl. BMUK 1978/1994 Erlass "Politische Bildung in den Schulen", Pkt. I/2).
  • In der Erwachsenenpädagogik sind das Abholen am Wissensstand und die Interessenslage wesentlich.
Anzustreben ist eine Integration der Lernenden in das demokratische System, jedoch zugleich eine Distanz zu den dort gestellten Rollenerwartungen. Um diese vorzubereiten, um den Verfassungs- und Menschenrechten zu entsprechen und eine fragwürdige Manipulation und Beeinflussung durch die Bildungsinstitution zu vermeiden, muss der Unterricht in Politischer Bildung zumindest stellenweise gemäß den Didaktiken des offenen/schülerzentrierten Unterrichts durchgeführt werden. Damit vergrößert sich der Handlungspielraum. Dies setzt wiederum verstärktes Verantwortungsbewusstsein voraus und fördert die Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft.

5 Reflexive Phase - Zusammenfassung    

Ziel und Aufgabe eines modernen Bildungswesens mit dem Auftrag zur Politischen Bildung ist es, einen aktiven Beitrag zur Gestaltung der Gesellschaft und zur Verwirklichung der Demokratie zu leisten sowie die Lernenden zu größerer Mündigkeit - Gebrauch und Pflichten staatsbürgerlicher Rechte unter emanzipatorischen Aspekten - zu erziehen(vgl. BMUK 1978/1994, Erlass "Politische Bildung in den Schulen", Punkt I).

Dies beinhaltet sie zu befähigen, die Freiheiten und Pflichten, Grenzen und Risiken sowie die Möglichkeiten demokratischer Einrichtungen zu nützen und zu beachten.

Politische Bildung soll daher neben den sozialpsychologischen Grundlagen für Verfassungs- und Menschenrechte auch Informationen über die Anforderungen an die mündigen BürgerInnen umfassen und die Möglichkeiten der Mitbestimmung und Mitverantwortung transparent machen.

Die Unterrichtssituation erfordert ein großes Methodenrepertoire der Lehrenden.

Zu klären wäre in diesem Zusammenhang, inwieweit pädagogische Fähigkeiten von außenstehenden Fachleuten gefordert werden müssen und welchen Stellenwert künftig die Ausbildung - und mit ihr die Fort- und Weiterbildung - für ein bisher fehlendes Lehramt für Politische Bildung zu haben hat.

Klärungsbedürftig ist ebenfalls in diesem Zusammenhang der Stellenwert einer Politischen Bildung in der Bildungslandschaft der Institute für Erziehungs- und Bildungswissenschaften an den Universitäten und Pädagogischer Hochschulen im Rahmen der Lehrerbildung(vgl. ECKERT 2004, 3-4). Ebenso bedarf es vermehrter Bemühungen, Politische Bildung in der Erwachsenenpädagogik mit entsprechenden Lehrgängen/Kursen umzusetzen(vgl. den Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Lehrgang Politische Bildung in der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung).

Die Themenvielfalt und Breite didaktischer Möglichkeiten der Politischen Bildung bedarf vermehrter Aufmerksamkeit und besserer Umsetzung.

Literaturhinweise    

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Schaeffer B.-Lambrou U.(1973): Theorie und Geschichte der Politischen Bildung - Politische Bildung als Unterrichtsprinzip, Frankfurt/M.

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IT-Autorenbeiträge    

Netzwerk gegen Gewalt > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index:

Theorieansätze der Politischen Bildung

Aspekte Antisemitismus in Europa

Verbindung von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit

Menschenrechte in Europa

Interkulturelle Kompetenz

Globales Lernen

Migration in Österreich 1, 2

Schule

Erziehung

Erwachsenenbildung

Ökonomische Grundlagen der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung

Vorberufliche Bildung in Österreich

Wirtschaftserziehung

Medienerziehung

Netzbasiertes Lernen in Theorie und Praxis

Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bildungswerke in Österreich > http://www.aebw.at > Rückblicke


Zum Autor

APS-Lehrer/APS-Lehramt Volksschule-Hauptschule(D-GS-GW)-Polytechnischer Lehrgang(D-SWZ-Bk); Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaften-Aus- und Weiterbildung/Vorberufliche Bildung/Universität? Wien(1990-2011); Lehrbeauftragter am Sprachförderzentrum des Stadtschulrates Wien/Interkulturelle Kommunikation für muttersprachliche Lehrerinnen und Lehrer(2012); Lehrender an der VHS Zell/See/"Freude an Bildung"-Lehrgang Politische Bildung(2011-2013); Gründungsteilnehmer der LehrerInnen-Plattform für Politische Bildung und Menschenrechtsbildung des bm:bwk(2005)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/Universität? Innsbruck/Doktorat?(1985; des 10. Universitätslehrgang "Politische Bildung"/Universität Salzburg bzw. Klagenfurt/Masterlehrgang(2008); des 7. Universitätslehrgang "Interkulturelle Kompetenz"/Universität Salzburg-Lehrgang Wien/Diplom(2012); der Weiterbildungsakademie Österreich/wba/Diplome(2010).


Der Beitrag wird laufend aktualisiert.

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© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 8. Mai 2014