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Inklusive Pädagogik

Inklusion    

Theorie, Praxis und Handlungsfelder im Kontext Politischer Bildung    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Inklusion   
Theorie, Praxis und Handlungsfelder im Kontext Politischer Bildung   
Danksagung   
Einleitung   
I PÄDAGOGIK   
1 Lehrer_innenbildung   
1.1 Aspekte einer pädagogischen Professionalisierung   
1.2 Dimensionen einer Inklusionspädagogik   
1.3 Dimension der Migration   
1.4 Möglichkeiten und Grenzen   
1.4.1 Professionalisierung   
1.4.2 Habitustransformation   
1.4.3 Reflexionskompetenz   
1.4.4 Didaktik in Fallvarianten   
1.5 Interkulturelle Kompetenz   
1.6 Reflexive Lehrerbildung   
1.7 Inklusive Pädagogik im finnischen Schulsystem   
1.8 Interkulturelle Öffnung   
1.8.1 Diversitätsdimension   
1.8.2 Schulkultur   
1.9 Sexuelle Orientierung/Vielfalt   
2 Schulentwicklung   
2.1 Aufgabe des Index   
2.2 Überblick über Dimensionen, Bereiche und Indikatoren   
2.3 Pädagogische Leitlinien   
2.4 Inklusive Grundhaltungen   
2.5 Konzentration von Aktivitäten   
2.6 Barrieren - Unterstützung   
2.7 Selbstevaluation   
3 Reflexion   
Literaturhinweise I   
II PERSÖNLICHKEITSBILDUNG   
4 Vorbemerkung   
5 Theoretische Perspektiven   
5.1 Historische Aspekte in der Persönlichkeitsbildung   
5.2 Bildungsaspekte in der Persönlichkeitsbildung   
5.3 Pädagogische Handlungsfelder   
5.4 Persönlichkeitsbildung als Handlungsplanung   
6 Schulpraktische Perspektiven   
6.1 Klassenrat-Klassenforum/Schulforum-Schulgemeinschaftsausschuss   
6.2 Projektwoche   
6.3 Bildungs- und Lebensplanung   
6.4 Reflexion   
Literaturhinweise II   
III GEWALTPRÄVENTION   
7 Einführung   
7.1 Bluttaten in Österreich 1993-2005   
7.2 Zeitungsdokumentation   
8 Begriff Gewalt   
9 Gewalt in der Erziehung   
10 Theorieansätze   
10.1 Lerntheoretische Ansätze   
10.2 Soziologische Ansätze   
11 Konsequenzen für eine Prävention   
12 Arten und Formen der Gewaltprävention   
12.1 Raum - Schulklima   
12.2 Kommunikation   
12.3 Interaktionsförderung   
12.4 Medienerziehung   
12.5 Moralische Erziehung - Wertebildung   
12.6 Projektarbeit   
12.7 Konfliktbewältigung   
12.8 Umgang mit gewaltbereiten Mitmenschen   
12.9 Kooperation - Vernetzung   
13 Die Rolle der Grundschule, (Neuen) Mittelschule/ MS und der Polytechnischen Schule im österreichischen Schulsystem   
13.1 Grundschule   
13.2 (Neue) Mittelschule/ MS   
13.2.1 Pädagogisches Konzept   
13.2.2 Peer-Mediation   
13.3 Polytechnische Schule/PTS   
14 Psychosoziale Entwicklung   
15 Familieneinfluss   
16 Bullying bzw. Mobbing   
16.1 Basis für Mobbing   
16.2 Struktur   
16.3 Programm gegen Mobbing   
17 Aspekte von Gewalt   
18 Veränderung von Gewalt   
18.1 Historische Perspektiven   
18.2 Zivilisation - Rückfall   
18.3 Moderne   
18.3.1 Quellen der Gewalt   
18.3.2 Staat als Gärtner   
18.3.3 Europäische Geschichte   
18.3.4 Außereuropäische Geschichte   
18.3.5 Rechtsstaatlichkeit in der Moderne   
18.4 Strukturelle Gewalt   
18.4.1 Galtung - Spivak - Foucault - Schroer   
18.4.2 Politische Bildung   
19 Anthropologie - Themenvielfalt   
19.1 Töten   
19.2 Ordnung und Gewalt   
19.3 Kriege   
19.4 Freiheit und Gewalt   
19.5 Kultur und Gewalt   
19.6 Reflexion zur Anthropologie der Gewalt   
20 Erklärung von politischen Ursachen von Gewalt   
21 Problemstellungen   
22 Ziel - Zielgruppen   
23 Theoretische Grundlagen   
23.1 Bindungstheorie   
23.2 Theorie der Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit   
23.3 Anomietheorie   
23.4 Demokratietheorie   
23.4.1 Direkte Demokratie   
23.4.2 Dialogische Demokratie   
23.5 Frauenpolitische Ziele in der Lehrer_innenbildung   
24 Reflexion   
Literaturhinweise III   
Zum Autor   

Danksagung    

Wer sich mit Inklusion in einigen Facetten beschäftigt, merkt die Komplexität der Thematik.

Zu danken habe ich allen im Freundeskreis für ihre Anregungen und Hinweise.

Dankbar bin ich Helmut Leitner für die technische Hilfe bei der Manuskripterstellung.

Dankbar bin ich für die jahrelange reibungslose Autorenbetreuung des Akademikerverlages.

Günther Dichatschek

Einleitung    

Inklusion stellt einen Prozess mit dem Ziel dar, gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen zu fördern bzw. zu unterstützen und alle Formen von Diskriminierung zu verhindern.

Mit dem Inkrafttreten der "UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung" ist Inklusion als gesellschaftlicher Auftrag anerkannt und erfordert Veränderungen im Bildungssystem.

Pädagogik mit Lehrerinnenbildung und Schulentwicklung im Kontext mit Diversität der Gesellschaft betreffen die Bildung (vgl. REICH 2014).

Von Interesse ist der "Index für Inklusion" als Wegweiser und Leitfaden in einer Anpassung an deutschsprachiger Bildungssysteme (vgl. BOOTH-AINSCOW 2017).

Damit verbunden sind pädagogische Herausforderungen, die neben Konzepten auch internationale Perspektiven und die Persönlichkeitserziehung ergeben. Die Studie weist auf die verschiedenen Aspekte in Forschung und Praxis hin.

Diversität wird breit gefasst; sprachliche Vielfalt, migrationsbedingte in Form kulturell-religiöser bzw. soziokultureller Vielfalt ergeben folglich vielfältige Herausforderungen in der Gewaltprävention und ergeben Bedingungen des Lehrens und Lernens.

Politische Bildung mit den Fachbereichen Bildungspolitik bzw. Bildungsreform und Interkulturelle Kompetenz sind ein zentraler pädagogischer Bedingungsfaktor im Umgang mit der komplexen Thematik.

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sind die Absolvierung des Studiums am Institut für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck (Doktorat), die Absolvierung der Universitätslehrgänge Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt (MSc) und Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg (Diplom), die Absolvierung des Internen Lehrgangs für Hochschuldidaktik/ Zertifizierung in Verbindung mit dem Lehrauftrag im Fachbereich Geschichte/ Lehramt - Didaktik der Politischen Bildung/ Universität Salzburg und die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur.

Die Studie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr beruht sie auf aktuellem Interesse und gliedert sich in die drei Kapitel Pädagogik, Persönlichkeitsbildung und Gewaltprävention.

I PÄDAGOGIK    

1 Lehrer_innenbildung    

In der Regel wird Inklusion im Kontext mit Diversity/ Vielfalt in Fachdidaktiken und in der Bildungswissenschaft im Kontext von sonderpädagogischer Förderung verstanden.

Allerdings befasst sich Inklusion bzw. Diversity mit weit mehr.

Es geht um die Vielfältigkeit menschlichen Zusammenlebens, um gesellschaftliche Normen bzw. Überzeugungen und um Realitäten (vgl. REICH 2014; BARSCH-GLUTSCH-MASSUMI 2017, 11-14).

Lehrer_innenbildung soll diesem Umstand Rechnung tragen und in der Folge das Zusammenleben und Ausgrenzungen von Gruppen, Gruppierungen und Einzelpersonen in kultureller, ökonomischer, körperlicher, sexueller, religiös-weltanschaulicher und weiterer Zuschreibung pädagogisch analysieren, aufzeigen und anwendungspraktisch bearbeiten.

Forschungsziel ist ein Abbau von institutioneller Diskriminierung und Chancen-Ungerechtigkeiten.

Exklusionen sollen aufgehoben werden, etwa im sozioökonomischen Bereich, von Frauen bzw. Männern je nach Kontexten und schichtenspezifischer Benachteiligungen.

Starre Ausgrenzungen in Systemen sollen aufgebrochen und Bildungsmöglichkeiten erweitert werden.

Ziel ist das Zusammenleben aller Menschen in einer demokratischen Gesellschaft mit ihren Widersprüchen und Ambivalenzen in den Blick zu nehmen und die Notwendigkeit eines Abbaues von Chancenungleichheiten aufzuzeigen.

Lehrer_innenbildung zeigt die Bezugspunkte für die schulische Praxis auf. Es zeigt sich ein starker Anwendungsbereich in gesellschaftlichen Auswirkungen und in der Unterrichtswirklichkeit.

Fachdidaktisch gibt es Themen wie

- die Mehrsprachigkeit,

- Deutsch als Zweitsprache und

- Interkulturalität mit den Unterthemen Globalisierung/Mobilität, Heterogenität und Individualisierung (vgl. KNIFFKA/SIEBERT-OTT 2012; GOGOLIN/KRÜGER-POTRATZ 2006).

Im Folgenden werden Aspekte der Professionalisierung, ihre Möglichkeiten und Grenzen, Dimensionen der Inklusion/Vielfalt und Aspekte der Migration angesprochen. Zukünftige Bereiche bedürfen ebenso einer Beachtung.

1.1 Aspekte einer pädagogischen Professionalisierung    

Im Lehrberuf geht es um

- Rollenerwartungen der Institution Schule (Schulentwicklung),

- der Eltern (Verwertbarkeit),

- der Gesellschaft (Bildungspolitik) und

- Begrenzungen und Zwänge aus rechtlichen Normen (Lehrplan, Dienstrecht) und gesellschaftlichen Werten (Demokratie).

Zudem gibt es das Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen bzw. fachlichen Herausforderungen und strukturbedingten Zwängen des Systems Schule bzw. Bildungsinstitutionen (vgl. ILIEN 2009).

- - -

Zu beachten sind subjektbezogene Erwartungen an den Beruf und eigenen Lebensentwürfe.

Zur Reflexion dieser Spannungsfelder gehört eine situationsbezogene Bearbeitung im Sinne eines professionellen Handelns im Lehrberuf.

Wesentlich ist in pädagogischen Berufen das Spannungsfeld von Nähe und Distanz.

Ebenso geht es um den institutionellen Rahmen, damit um (System-) Zwänge, etwa die Leistungsbeurteilung bzw. die gesellschaftliche Erwartung,

die Orientierung an den Lernenden und der Sach- bzw. Aufgabenorientierung und

einen Kulturrelativismus vs. Universalismus.

Wer diese Spannungsfelder beachtet, erkennt den Kern der Inklusionspädagogik.

Lehre ist von den Lernenden aus zu konzipieren, nach HATTIE-BEYWL-ZIERER (2013) kommt es auf den Lehrer an.

Lehrende sind das wirkungsvollste Medium im Lehr-Lern-Prozess, möglicherweise bedeutsamer als ausgeklügelte didaktisch-methodische Lernarrangements.

- - -

Entsprechend sind pädagogische Elemente zu beachten wie

Lernende mit ihrer Persönlichkeit, Lerngeschichte und altersspezifischen Entwicklungen/ Subjektorientierung,

familiärer Kontext - Aufwachsensbedingungen,

Gleichaltrigengruppe/ Peers - Identität, Geschlechtsrolle und

soziokulturelles Milieu/ Sozialisation - Umgangsformen, Zukunfts- und Wertvorstellungen/ Kultur.

1.2 Dimensionen einer Inklusionspädagogik    

Eine Inklusionspädagogik bzw. diversitätsbewusste Pädagogik stellt einen Paradigmenwechsel dar (vgl. HOLZBRECHER 2017, 18).

Lehre geht von Lernenden aus. Entsprechend geht es in der Lernarbeit um Stärken/Schwächen,. Aneignungsaktivitäten, Lernumgebung und Motivation.

Wertschätzung der Vielfalt, vielfältige Lernvoraussetzungen, Lernzugänge und -wege ergeben modellierte Lernaufgaben.

Eigener Unterricht besteht in der Verknüpfung von instruktionsorientierten, individualisierten und kooperativen Unterrichtsphasen.

Zudem bedarf es

- neuer Formen des Lehrens (Methodik-Didaktik/Wechsel der Sozialformen),

- der Lerndiagnose (Lernstand-Stärken/Schwächen-Lernzugänge-Lernblockaden),

- der Leistungsbeurteilung (Mitarbeit-Textgestaltung-Lehrgespräch-Präsentation) und

- des Feedbacks.

1.3 Dimension der Migration    

Differenzlinien ergeben sich in der Zuwanderungspädagogik/ Migrations- in der

- Leistungsfähigkeit - Lernpotenzial, Auffassungsgabe, Verarbeitungstiefe und Inselbegabungen,

- Motivation - Interesse - Lern- und Leistungsbereitschaft -externe und interne Faktoren, fachliches Interesse,

- Vorwissen - Sprachkenntnisse - Lernvoraussetzungen,

- Lernstil - induktiv und deduktiv,

- Lerntempo,

- soziokulturelle Herkunft - "kulturelles Kapital" und

- Zuwanderungsgeschichte - Sprachregister (vgl. HOLZBRECHER 2017, 24-25).

1.4 Möglichkeiten und Grenzen    

Professionalisierung ist ein Erfordernis im Lehramtsstudium, insbesondere unter den Aspekten einer Wissensgesellschaft und heterogenen Schülerschaft.

Zudem kommt der Fort- bzw. Weiterbildung der Lehrenden eine wesentliche Bedeutung zu (vgl. BUDDE 2017, 34-50).

Ihre Umsetzung bedeuten höhere Praxisanteile und kasuistische Orientierungen (vgl. die Thematisierung des Theorie-Praxis-Anteils).

Interdisziplinäre Module im Umgang mit einer Heterogenität bzw. Differenz und zunehmenden Inklusion.

Von Interesse ist die Frage, ob ein Lehramtsstudium sich am Handlungsfeld oder an der Wissenschaftsdisziplin ausrichten soll, in welchen Formaten Heterogenität an der Universität thematisiert und soziale Differenz akademisch organisiert werden soll (vgl. BUDDE-BLASSE 2014, 13-28; VOGEL 2010, 311-321).

Konkret geht es um Habitustransformation, die Umsetzung der Wissensbestände mit Heterogenität, Reflexion und Fallvarianten (vgl. IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org. > Index: Interkulturelle Kompetenz, Migration in Österreich).

1.4.1 Professionalisierung    

Schon Max WEBER skizziert Kriterien einer Professionalität, etwa die Autonomie der Berufsausübung, die Wissenschaftlichkeit des beruflichen Wissens und eine eigene Berufsethik.

Ewald TERHART (2007, 37-62) warnt vor einer Überstrapazierung des Begriffs, weil eine soziologische Definition auf den Lehrberuf nicht übertragbar sei.

Die "New Professionalism-Diskurse" verwenden daher heute eher den Begriff "Experten/Expertin".

GAGE und BERLINER (1998) verwenden die heute oftmals verwendete Begrifflichkeit mit den folgenden Merkmalen in Anlehnung an SHULMAN (1986, 4-14) als

- fachliches Wissen,

- fachdidaktisches Wissen,

- fachübergreifendes Wissen und

- pädagogisches Wissen sowie mitunter

- motivationale Aspekte.

Daraus entwickelt sich nach SHULMAN zunächst der "kompetente Novize", der aus Erfahrungen lernt.

Dieser Aspekt soll Theorie und Praxis verzahnen, die Theorie des Studiums auf die Praxis ausrichten und als Passungsverhältnis verstanden werden (vgl. BUDDE 2017, 35).

Problemorientiert ist das Modell einer Professionalisierung durch einen Kompetenzaufbau als Prozess (vgl. TERHART 2007, 37-62; kritisch aufgezeigt als Frage nach dem Wann, Wie und bis zu welchem Grad bei GRÖSCHNER 2008, 345).

Eng verbunden mit der Problematik sind die Rahmenbedingungen einer Fort- bzw. Weiterbildung.

1.4.2 Habitustransformation    

Diese ist eng verbunden mit der Habitustheorie von Pierre Bourdieu.

Als Habitus gilt ein gesellschaftlicher Orientierungssinn mit der Ermöglichung eines situationsangemessen Verhaltens ohne ständige Reflexion (vgl. BOURDIEU 1992, 728).

Der Habitus gilt als Verbindungsglied zwischen Individuum und Gesellschaft, damit gleichsam als Reflexion zwischen Theorie und Praxis.

Er ist Ausdruck einer Position eines spezifischen Feldes und gibt Auskunft über soziale Strukturen.

Hier ergibt sich ein Anschluss zum Umgang mit Heterogenität von Lehrenden in der Schule.

Orientierungs- und Verhaltensschemata liegen primär als implizite Wissensbestände zu sozialen Differenzen vor. Sie stützen sich auf stereotype Annahmen über "Andere" und tendieren damit zur Reproduktion sozialer Ungleichheiten.

Differenz und Heterogenität verstehen sich als kulturelle Konzepte, die in sozialen Praktiken hergestellt werden (vgl. BUDDE 2017, 36). So ergeben sich Schwierigkeiten, implizite Wissensbestände wissenschaftlich zu thematisieren und abzubauen (vgl. die Bemühungen des Themenbereichs Interkultureller Kompetenz).

Ein angemessener Weg im Umgang mit Heterogenität/ Diversität in der Lehrer-innenbildung ist die Steigerung der Reflexionskompetenz in Praxisphasen (vgl. BLÖMEKE 2004, 262-274: RAUIN-MEIER 2007, 102-131).

Studierende verfügen in ihren Erfahrungsbeständen über organisationales Wissen, kennen die Unterrichtsgegenstände und vorwissenschaftliche Formen pädagogischen Wissens.

Hier anzusetzen und zu erweitern in Anlehnung an SHULMAN in praxisbasiertem Wissen ist (berufs-) pädagogische Herausforderung (vgl. FELTEN-HERZOG 2001, 39).

1.4.3 Reflexionskompetenz    

Dazu bedarf es im Folgenden einer wissenschaftlichen Orientierung. Die Begründung liegt in der Distanz bzw. distanziertem Verhalten zur Praxis. Einzufordern ist dies auch im Umgang mit Heterogenität.

ROTERS (2012) versteht Reflexion als "Self-Knowledge" mit einer Verzahnung von Erfahrungs- und Fachwissen bzw. eine Verbindung von Theorie und Praxis.

REH (2007, 226-233) plädiert für ein Konzept von Reflexivität als organisatorische Struktur, als Verhältnis von Wissen und Können.

Als Brückenfunktion zwischen Theorie und Praxis sollen Praktika dienen (vgl. ARNOLD-HASCHER-MESSNER-NIGGLI-PATRY-RAHM 2011, 90).

TERHART (2000, 70) weist auf einen Aufbau von Praxiswissen hin, etwa durch Beobachtung.

1.4.4 Didaktik in Fallvarianten    

Fallvarianten/Fallbeispiele rekonstruieren Erfahrungen der Studierenden in Praxisphasen als Reflexion des Nachdenkens über begleitende Seminare (vgl. BUDDE 2017, 40).

In der Regel geht es um Texte

- über den didaktischen Stundenverlauf (Einstieg, Erarbeitung - Methodik),

- ein Beobachtungsprotokoll (kasustische Orientierung) und

- einen kommentierten Sitzplan (Lebensweltbezug der Lernenden mit leistungsbezogenen Atribuierungen).

Lerninhalte, Heterogenität und Differenz wären lohnende Themen (vgl. die Bedeutung von Portfolios).

1.5 Interkulturelle Kompetenz    

In diesem Teilbereich der Politischen Bildung lässt sich der Paradigmenwechsel der siebziger Jahre von einer Ausländerpädagogik zu einer Interkulturellen Pädagogik der neunziger Jahre nachweisen (vgl. FEREIDOONIE 2011).

Ab diesem Zeitpunkt hat sich bildungspolitisch und pädagogisch der Begriff Interkulturelle Kompetenz etabliert (vgl. MASSUMI-FEREIDOONIE 2017, 53; DICHATSCHEK 2017a; ausführlich im Folgenden der IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz).

Trotz einer ausgezeichneten Fachliteratur und Universitätslehrgängen wird relativ ungenau und oberflächlich von "interkulturellen Dimensionen" und "interkultureller Bildung" gesprochen.

Es wird lediglich der Erwerb von Kenntnissen dargestellt, die aber keine Veränderungen an Handlungen und Verhalten nach ziehen (vgl. MASSUMI-FEREIDO0NI? 2018, 53).

Die Anforderungen an die Schule fordern einen differenzierteren Blick an eine interkulturelle Handlungskompetenz.

Allerdings sind die Anforderungen an die Lehrerbildung weniger differenziert (vgl. die Lehramtsausbildung in Politischer Bildung im Fach Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung). Es entsteht damit eine Leerstelle zwischen der Ausbildung und den Erwartungen an das Professionsprofil.

Es bedarf einer Förderung "Interkultureller Kompetenz" im Umgang mit einer migrationsbedingten Diversität.

1.6 Reflexive Lehrerbildung    

Reflexion als Wahrnehmung von Vielfalt/ Diversität in der Lehrerbildung spielt eine zunehmende Rolle in den ersten Phasen des Studiums, damit eine Reflexionskompetenz entstehen kann (vgl. ROTERS 2012).

Reflexion soll in der Folge praxisrelevanten Fragestellungen mit einem theoretisch fundierten und empirisch abgesicherten Repertoire begegnen, um eigene Haltungen und eigene Methodik analysieren und bewerten zu können (vgl. BARSCH 2017, 77).

Theoriegeleitete Reflexion bildet eine Hilfe für angehende Lehrende, um der wechselnden Komplexität pädagogischer Handlungsfelder entsprechen zu können.

Es bedarf der Reflexivität bei Lehrenden, um ein gemeinsames Verständnis in einem gemeinsam verantworteten Arbeitsfeld zu erreichen, damit eine übereinstimmende Haltung gesichert ist.

Für die Lehrer_innenbildung bedarf es vorbereitender und begleitender Praktika, in denen Reflexionen ein fester Bestandteil sind.

Günstig ist das Anlegen eines Portfolios über den gesamten Studienverlauf, wobei Reflexionsanlässe die eigene Haltung zur Schule, zu Lernenden und Praxiserfahrungen - etwa Lehrauftritte, Stundenverläufe, didaktische Proben - bilden.

1.7 Inklusive Pädagogik im finnischen Schulsystem    

Im internationalen Diskurs besitzt Finnland mit seinem Bildungssystem eine besondere Stellung.

Kennzeichen sind die hohe Chancengerechtigkeit und ein mehrstufiges Förderprogramm (vgl. KRICKE 2017, 108-120).

Basis des finnischen Schulsystems ist eine neunjährige Gemeinschaftsschule für alle Lernenden (Perusopetus).

Die Fachliteratur diskutiert die inklusive Entwicklung ambivalent, einerseits gibt es die Beschreibung durchgehend inklusiv (vgl. KRICKE 2017, 108; KOIVULA-LAKKALA-MÄKINEN 2010), andererseits gibt es Kritik (vgl. SALOVIITA 2009).

Historisch gesehen lebten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Finnen in Armut und waren Analphabeten. Die Bemühungen der Politik um eine flächendeckende Volksschulbildung 1881 und die Einführung von Bibliotheken 1928 waren ein Zugang zu Wissen und politischer Teilhabe(vgl. DOMISCH-KLEIN 2012, 53).

Mit der Kritik in den sechziger Jahren, dass ein mehrgliedriges Schulsystem parallele Strukturen einer sozialen Ungleichheit produziert, sollten möglichst alle Lernenden gleiche Bildungschancen erhalten (vgl. DOMISCH-KLEIN 2012, 56).

In der Folge kam es zur Einführung von Gemeinschaftsschulen und der Auflösung des mehrgliedrigen Schulsystems.

Befürchtungen gab es in der Abwertung des Berufstandes der Gymnasiallehrkräfte.

Ebenso wurde eine Absenkung des Leistungsniveaus durch eine heterogene Schülerschaft angenommen.

1977 waren die Gemeinschaftsschulen flächendeckend eingeführt. Das Bildungsverständnis änderte sich in der Bevölkerung, ein Grundvertrauen in sich selbst und in ein soziales Miteinanders entwickelte sich.

Die kostenfreie Grundbildung beinhaltet Unterrichtsmaterialien, Bücher, Transport, ein tägliches Mittagessen und ein Fördersystem.

- - -

Finnisches Bildungssystem nach KRICKE 2017, 113-116

0-6 Jahre Frühpädagogische Erziehung in privaten Heimen und Kindertagesstätten

6 Jahre freiwilliger kostenfreier Vorschulunterricht - Prävention von Entwicklungsproblemen

7 Jahre Beginn der offiziellen Lernpflicht - sechsjährige Grundstufe mit Klassenlehrkraft, dreijährige Oberstufe mit Fachlehrkräften

Kein Auswahlverfahren - keine schulischen Qualitätsunterschiede - nach Abschluss der Besuch der allgemein bildenden Sekundarstufe II (sechswöchige Kursblöcke/Reifeprüfung) oder der berufsbildenden Sekundarstufe II - Doppelqualifikation beider Zweige möglich.

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Mehrstufiges Förderprogramm

Ziel ist die Förderung von Wachstum/ Gesundheit, Lernen/ Schulerfolg und Unterstützung/ Begleitung

"general support" - Förderung aller Lernenden-Diagnoseverfahren

"intensified support" - lang angelegter Planungsprozess mit individuellen Lernplänen

"special support"

Kooperation der Lehrkräfte mit Schulassistenten_innen, schulangehörigen Ärzt_innen, Schulpsychologen_innen, Krankenschwestern, Sozial-und Sonderpädagogen_innen

Förderung von Leistungen und Lernstrategien

Förderung eines positiven Klassen- und Schulklimas

1.8 Interkulturelle Öffnung    

Seit 50 Jahren beschäftigt die Thematik der Migration - Zu-, Binnen- und Abwanderung - das Bildungssystem (vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Migration in Österreich; KARAKASOGLU-MASSUMI-JAKOBSEN 2017, 216-236)

Migrationsbedingte Vielfalt gehört zum Schulalltag (vgl. den Grundsatzerlass zum Unterrichtsprinzip Politische Bildung in den Schulen 2015, Pkt. Demokratische Prinzipien; GZ: BMBF-33.466/0029-I/6/2015, Abtl. Politische Bildung, Wien).

1.8.1 Diversitätsdimension    

Schule besitzt eine besondere Verantwortung in einer Gesellschaft, die von Vielfalt/ Diversität gekennzeichnet ist.

Migration ist eine Diversitätsdimension, die im Rahmen Politischer Bildung und globaler Verantwortung wahrzunehmen ist.

Interkulturelle Öffnung einer Bildungsinstitution versteht sich als Element einer interkulturellen Schulentwicklung und anerkennt migrationsbedingte Vielfalt - kulturell, sprachlich und religiös.

Schule wird befragt werden, ob sie der Vielfalt in Leitideen, Regeln, Routinen, Räumen, Führungsstilen, Ressourcenverteilung und Kommunikation sowie der Einstellung der Akteure_innen gerecht wird (vgl. die Bemühungen um eine Schulkultur).

In der Folge geht es um inklusive Perspektiven einer Veränderung der Bildungsinstitution Schule und ihrer Verantwortlichen, um unterschiedliche Differenzmerkmale der Lernenden bzw. Eltern und ihrer Bedürfnisse sowie um Interkulturelle Kompetenz der Lehrenden.

Es geht um Wissen, Kenntnisse, Werte und Haltungen.

Parameter interkultureller Öffnung sind

- Bildungspläne und -ziele,

- Sprachbildungsarbeit,

- Equality-Management mit Anreizen, Unterstützungs- und Kontrollsystemen,

- Initiativen gegen Diskriminierung und Rassismus sowie

- eine aufbauende Kompetenzverteilung im Umgang mit Vielfalt/ Heterogenität in der Aus- und Fortbildung der Lehrenden bzw. des Leitungspersonals.

- Es bedarf demnach einer Organisationsentwicklung, die Schule als Ganzes verändert und fachliche Zusammenarbeit fördert.

Interkulturelle Öffnung versteht sich als diversitätssensible Orientierung von Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozessen im Kontext mit Diskriminierungs- und Rassismuskritik.

1.8.2 Schulkultur    

Die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs beziehen sich

- auf das Zusammenspiel von Aktivitäten in und um eine Schule im Kontext mit pädagogischer Qualität (vgl. den Begriff "gute Schule"; FUCHS 2009, 370-371).

- Ebenso geht es um die Organisation pädagogischer Ressourcen (vgl. HOLTAPPELS 1995, 11).

- Gesehen werden auch die Ideale einer Schule und ihre Vorstellungen bzw. Ideen, etwa in Schulprogrammen und bei Projekten (vgl. HELSPER 2008a, 63, 126).

Zu sehen sind auch die Strukturvorgaben bzw. Normen des Bildungssystems, etwa die Gliederung des Schulsystems.

Demgegenüber gibt es die Interaktions- und Kommunikationsebenen zwischen und unter den Akteuren_innen. Die Verflechtungen und Spannungsverhältnisse in Diskursen, Praktiken und Artefakte im sozialen und zeitlichen Kontext sind zu beachten (vgl. FEND 2008, 214-215).

Schulkultur lässt sich als eine kulturelle Form von Schulaktivitäten einordnen, findet ihren Ausdruck in Formen ihrer Darstellung und verweist auf pädagogische Darstellung.

Inwieweit die jeweilige Schulkultur einen Beitrag zur interkulturellen Öffnung leisten kann, damit zu einer migrationsgesellschaftlichen Transformation der Schulkultur, ist jeweils zu prüfen (vgl. HELSPER 2008b, 127).

Unbestritten ist es die Aufgabe von Schule und Lehrer_innenbildung, dem gesellschaftlichen Phänomen von Diversität/ Vielfalt Rechnung zu tragen und Professionalität zu bilden (vgl. beispielhaft BLÖMEKE 2004; PRENGEL 2006; FEND 2008; HELSPER 2008ab; FUCHS 2009; DOMISCH-KLEIN 2011; REICH 2014; WALGENBACH 2014; BARSCH-GLUTSCH-MASSUMI 2017; GÖBEL-BUCHWALD 2017).

1.9 Sexuelle Orientierung/Vielfalt    

In der Lehrer_innenbildung ist die Thematik ein Tabuthema, geht es doch in der Debatte um Kontroversen, öffentliche Widerstände und Ambivalenzen (vgl. YILDIZ-BAK 2017, 291).

Trotz Sexualkundeunterricht findet sich geschlechtliche Vielfalt mit sexueller Orientierung kaum in den Lehrplänen im deutschsprachigen Raum.

Regelmäßig geht es auch um die Frage, um nicht eine Gleichstellung erreicht sei und Diskriminierungen abgebaut seien, obwohl empirische Ergebnisse ein anderes Bild abgeben (vgl. KRELL-OLDEMEIER 2015).

Unstrittig sollte sein, dass Schule - noch dazu bei Formen der Ganztagsschule - ein wichtiger Faktor als Lebens-, Bildungs- und Sozialisationsort darstellt. Dazu bedarf es ein anerkennendes und lebensweltorientiertes Milieu, das Lernende unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion und sexueller Orientierung bzw. persönlichen Präferenzen und Besonderheiten fördert und auffangen kann.

Ebenso bedarf es einer Aus- und Fortbildung Lehrender zur Sicherung pädagogischer, rechtlicher und individueller Bedingungen.

Ausgehend von der Situation, dass der Erfahrungsraum von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Jugendlichen in unterschiedlichen Kontexten, unterschiedlichen Subkulturen und im Suchen, Finden und Verwerfen von Zielen und Wünschen stattfinden, sind die Lebensphasen alterstypisch unterschiedlich durch Vielfalt, Zugehörigkeiten, Identitäten und Orientierungen gekennzeichnet (vgl. KRELL-OLDEMEIER 2015, 5).

Schule ist neben der Familie, Peergroup und Freizeiteinrichtungen im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung entscheidend (vgl. HURRELMANN-QUENZEL 2012).

Im Wesentlichen geht es in der Lehrer_innenbildung um die Aufarbeitung der Themen (vgl. YILDIZ-BAK 2017, 292-298; IT-Hinweis: http://queerhistory.de/projekt [2.4.2018])

- Hetero-Normativität im Kontext der Schule und

- rechtlich und schulpolitische Rahmenbedingungen.

Dazu bedarf es der jeweiligen Experten_innen.

Grundlegende Bausteine einer Ausbildung Lehrender bilden

- die Entwicklung einer Sensibilität - persönlicher Zugang, Reflexion,

- Wissensvermittlung - Kennenlernen der Lebenswelten, Fachbegriffe, Diskriminierungskategorien, rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen

- eines Perspektivenwechsels - Diskriminierungsmechanismen und Sichtweisen, Ambiguitätstoleranz und

- Erlangung der Handlungskompetenz - persönlicher Aktionsplan (Reflexion der eigenen Rolle, zukünftiges Handeln/ Unterricht-schulische Implementierung).

2 Schulentwicklung    

Neben der Publikation von Kerstin REICH (2014) zur inklusiven Didaktik und damit Breitenwirkung der Thematik gilt als Klassiker eines Leitfadens für Schulentwicklung in Form eines Index für Inklusion das Werk von Tony BOOTH und Mel AINSCOW (2017).

Im Folgenden wird im Kontext mit Politischer Bildung darauf eingegangen.

2.1 Aufgabe des Index    

Der Index für Inklusion stellt eine Materialsammlung zur Reflexion, Selbstevaluation und Entwicklung der schulischen Aspekte dar.

Solche sind Personen, Räume, das Schulgelände und schulische Umfeld. Gefördert wird eine möglichst große Teilhabe an der Entwicklung und Umsetzung der Pläne zur inklusiven Veränderung (S. 15).

Inklusion erfordert die Verankerung inklusiver Werte, demnach Klugheit/ Weisheit, Mitgefühl, Vertrauen und Mut; ebenso entwickelt sich Gleichheit, Teilhabe, Gemeinschaft, Respekt vor Vielfalt/Diversität, Nachhaltigkeit und Gewaltfreiheit. In der Folge hat dies Konsequenzen für Rechte bzw. Pflichten, Ehrlichkeit, Freude, Zuneigung, Schönheit bzw. Ästhetik und Hoffnung bzw. Optimismus (S. 17).

Damit entsteht ein Dialog über eine gemeinsame Orientierung (S. 30-46). Dies beinhaltet alles, was in Schule und Umwelt vor sich geht.

2.2 Überblick über Dimensionen, Bereiche und Indikatoren    

Im Folgenden geht es um Dimensionen, Bereiche und Indikatoren eines Index (S. 18-19; ausführlich S. 99-199).

Schaffung von inklusiver Kultur - Kooperation der Schulpartner, Anerkennung, Schule als Modell eine demokratischen Zusammenlebens, Diversitätsformen, Einbeziehung von Lebenswelten

Verankerung inklusiver Werte - Verständigung der Schulgemeinschaft über gemeinsame Werte, Schutz der Menschenrechte und Umwelt, Entwicklung von Teilhabe, Erwartungshaltungen, gemeinsame Wertschätzung/ Anerkennung, Eintreten gegen Diskriminierung, friedliche Konfliktlösung, Förderung von positiven Entwicklungen, Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden

Entwicklung inklusiver Strukturen - Entwicklung einer Schule für alle (Partizipation, Transparenz, fachliche Kompetenz, Unterstützung neu angekommener Personen, Bildung von Lerngruppen, Begleitung von Übergängen, schultaugliche Raumgestaltung der Gebäude und des Schulgeländes, Umwelttauglichkeit, Koordination von Unterstützungsmöglichkeiten, Ressourcen zur Fort- und Weiterbildung/Sprachenlernen-Weiterqualifizierungsmöglichkeiten, Hilfestellungen bei Regelverstößen, Anti-Mobbingstrategien

Entwicklung von inklusiven Praktiken/ Auswahl - Erkundungen von Erzeugung und Verbrauch von Nahrung, Bedeutung von Wasser-Kleidung und Schmuck-Wohnen und Gebäude, Mobilität und Migration, Gesundheit ökologische Zusammenhänge, Literatur-Kunst-Musik, Arbeit-Beruf-Fortbildung, Ethik-Politik-Macht

Organisation von Lernaktivitäten - Planung von Lernaktivitäten im Kontext von Diversität, Ermutigung zur Teilhabe-kritischem Denken-Gestaltung eigenen Lernens und Lernkooperationen-Stärkung von Rückmeldungen-Teamarbeit-Gemeinsamkeiten von Ressourcen des Schulpersonals, Aktivitäten über das formale Lernen hinaus, Nutzung der Ressourcen im Umfeld der Schule

2.3 Pädagogische Leitlinien    

Werte haben Auswirkungen (S. 46-47),

- wie und was wir lernen sowie

- wie Lernprozesse gestaltet werden.

- - -

Grundlagen für pädagogische Leitlinien können sein

- Anleitungen für Lernen in Vielfalt > Diversität,

- Lernen auf persönlichen und gemeinsamen Erfahrungen aufbauen > Vorwissen,

- Lernen findet auch in außerschulischen Räumen statt > informelles Lernen,

- Vielfalt als Ressource nützen > Diversität,

- Entwicklung einer Fähigkeit zum Dialog > Gesprächsfähigkeit/Kommunikation,

- Zusammenhang verschiedener Fächer und Themenbereiche > Interdisziplinarität,

- Gleichwertigkeit von praktischen Fähigkeiten und akademischem Wissen > Theorie-Praxis-Verhältnis,

- gefestigte Persönlichkeit für Lern und Wohlbefinden > Persönlichkeitsbildung,

- Lernen ist mit Emotionen verbunden > emotionale Bildung

- Verbindung von Schule mit sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Aspekten außerhalb von Schule > Politische Bildung,

- Zusammenhänge mit dem Weltgeschehen/Globalisierung > Globales Lernen-Politische Bildung,

- Wichtigkeit von Wohlbefinden in der Gegenwart und Vorbereitung auf die Zukunft/ Gegenwarts- und Zukunftsbezug > antizipierendes Lernen,

- Förderung demokratischen Engagements auf lokaler und globaler Ebene > Demokratieerziehung/Politische Bildung und

- Abhängigkeit von Mensch-Tier-Pflanzen-Umwelt > Umwelterziehung/Politische Bildung.

2.4 Inklusive Grundhaltungen    

Mit der Stärkung von Verbindlichkeiten werden Verpflichtungen ausgedrückt und beschrieben (S. 47-48).

Angesprochen sind die Rolle der Erziehung (vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Erziehung).

Erziehung und Bildung sind voneinander abhängig (vgl. beispielhaft Politische Bildung und politische Erziehung).

Entsprechend ist etwa als inklusive Grundhaltung nachhaltige Entwicklung ein Querschnittsthema und unterstreicht die Bedeutung einer Politischen Bildung/Erziehung und antizipierenden Lernens.

2.5 Konzentration von Aktivitäten    

Mit einem Index lassen sich verschiedene Aktivitäten in der Umsetzung bündeln. Damit verhindert man ein Splitting von Einzelaktionen und Initiativen.

Die folgenden pädagogischen Ansätze verstehen sich als Impulse einer inklusiven Schulentwicklung (S. 53-55).

Bildungsentwicklung/Schulentwicklung

Demokratiebildung/Parlamentarismus-Partizipation-Konsens-Koalitionen

Global Citizenship

Rechtebasierte Bildung und Erziehung

Gewaltfreie Kommunikation

Friedenslernen

Gesundheitsbildung

Kinderfreundliche Schulen

Interkulturelle Bildung

Ethische Bildung

Nachhaltigkeitspädagogik - Umwelterziehung, Antizipation i.w.S.

Informelles Lernen

Kooperatives Lernen

Erfahrungsgestütztes Lernen

Dialogisches Lernen

Innovatives Denken

Offene Lernformen

Lernen ohne Leistungseinstufung

2.6 Barrieren - Unterstützung    

Zentrale Konzepte für einen Index von Inklusion bilden als Hilfestellung "Barrieren für Lernen und Teilhabe" und "Ressourcen für Unterstützung von Lernen und Teilhabe" (S. 56-62).

Sie helfen das Wissen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen effizient einzusetzen und zu nutzen.

Die folgenden Fragen bilden einen Kontext und können Impulse, Planung und Umsetzung ergeben.

- Welche Barrieren für Lernen und Teilhabe gibt es in der Schule und im Umfeld?

- Wer erfährt diese Barrieren?

- Wie kann man sie abbauen?

- Welche Ressourcen unterstützen Lernaktivitäten und Teilhabe?

- Wie können Ressourcen eingesetzt werden?

Wesentlich ist die Beachtung der beiden Prinzipien "Leistungsprinzip" und "Sozialprinzip". Dazu gehören

- der Abbau von institutioneller Diskriminierung (S. 59),

- die aktive Unterstützung von Lernen und Teilhabe im Curriculum (S. 61),

- der Sozialraum und das Gemeinwesen (S. 61-62) und

- die Unterstützung von Vielfalt/ Diversität durch die Schulgemeinschaft (S. 62, 137).

2.7 Selbstevaluation    

Eine Weiterentwicklung einer Schule durch definierte Werte, auffinden von Barrieren und Unterstützungsmöglichkeiten kann systematisch durch die Schulgemeinschaft - Lernende, Lehrende, Elternschaft und Schulerhalter - erfolgen (S. 62-68).

Hilfreich ist der Blick auf die Indikatoren, die anfallenden Fragestellungen und Dimensionen und Bereiche.

Die Trias von

- Schaffung inklusiver Kulturen,

- Etablierung inklusiver Strukturen und

- Entwicklung inklusiver Praktiken

verdeutlicht, dass jede Dimension einen wichtige Entwicklungsschwerpunkt bildet, es Überschneidungen gibt, es klarer Absichten bedarf und Umsetzungsstrategien notwendig sind (vgl. Punkt 2.2).

3 Reflexion    

Inklusion versteht sich als Prozess mit dem Ziel, die gesellschaftliche Teilhabe aller Personengruppen zu unterstützen und jede Form von Diskriminierung zu verhindern.

Politische Bildung versteht sich demnach als pädagogischer Teilbereich, dieses gesamtgesellschaftliche Anliegen pädagogisch aufzuarbeiten und systemische und curriculare Veränderungen im Bildungssystem umzusetzen, damit eine Hilfestellung für alle Beteiligten angeboten werden kann.

Umzusetzen sind in Schulen und den anderen Bildungseinrichtungen Kulturen, Strukturen und Praktiken einer Inklusion.

Der Umgang mit den theoretischen und praktischen Herausforderungen und der Notwendigkeit einer Professionskompetenz erweist sich in einer Lehrer_innenbildung.

Dimensionen der Politischen und Interkulturellen Bildung, Elemente der Schulentwicklung und Laufbahnberatung in der Vorberuflichen Bildung/ Berufsorientierung sowie Personalentwicklung unterstreichen die bildungspolitische Bedeutung.

Diversität/Vielfalt gilt als vorhandener Bedingungsfaktor schulischen (und außerschulischen) Lehrens und Lernens und bedarf positiver Konzepte zur Umsetzung in pädagogischen Situationen.

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II PERSÖNLICHKEITSBILDUNG    

4 Vorbemerkung    

Die Frage nach dem Zweck und dem Bildungsauftrag bzw. Erziehungsanspruch von Schule ist für die bildungspolitische und pädagogisch-praktische Diskussion bedeutsam.

Bei aller Vielfalt der Positionen ergibt sich die Kontroverse, ob Schule als Institution hochwertiger Bildung im Kontext der jeweiligen Fachdidaktiken oder als Institution einer Erziehung zu verstehen ist (vgl. "Bildungsinstitution" vs. "Erziehungsinstitution"; vgl. die IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Schule, Erziehung).

Es ergibt sich die Unterscheidung nach FEND (2006) zwischen gesellschaftlichen und individuellen Funktionen.

Es geht demnach um Enkulturation, Qualifikation, Selektion und Integration. In einer pädagogisch geplanten Sozialisation leistet Schule in den vier Bereichen - gesetzlich formuliert und pädagogisch angeleitet - in einer Weiterführung und Transformation der Gesellschaft eine gesellschaftliche Funktion.

In einer modernen Schule ergeben sich Aufgaben einer individuellen Förderung Lernender (vgl. Entwicklung von Subjektautonomie; VEITH 2018, 69). Anzubahnen sind soziale und politische Partizipation und Berufsfähigkeit, zur Bewältigung des Alltags und soziokultureller und sozioökonomischer Teilhabe (vgl. die Bedeutung von Politischer Bildung, Interkultureller Kompetenz und Vorberuflicher Bildung/ Berufsorientierung).

Diese individuelle Funktion bezieht sich auf Autonomie und Mündigkeit Lernender.

Beide Funktionen erheben den Anspruch einer Persönlichkeitsbildung, wobei es keineswegs feststeht, was genau Persönlichkeitsbildung bedeutet (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 2).

Die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur ist ein wesentlicher Bestandteil der Thematik (vgl. FUCHS 2001, WIATER 2005, FEND 2006, OLK-SPECK 2009, RICHTER 2008, OSTERWALDER 2011, GRUNERT 2012, KUNZE 2012, EDELSTEIN 2012, REICH 2014, DICHATSCHEK 2017 a/b, BUDDE-WEUSTER 2018, VEITH 2018).

Die Studie gliedert sich in theoretische Perspektiven - historische Aspekte, Bildungsaspekte, pädagogische Handlungsfelder und Handlungsplanung - schulpraktische Perspektiven - Klassenrat und Klassenforum, Schulforum und Schulgemeinschaftsausschuss - Projektwoche, Bildungs- und Lebensplanung sowie eine Reflexion.

Ausgangspunkt zu einer Spezialisierung im schulischen Bereich ist ein allgemeiner IT-Autorenbeitrag zur Persönlichkeitsbildung.

5 Theoretische Perspektiven    

Von Interesse sind die Forderungen nach Persönlichkeitsbildung in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen mit den jeweiligen Zielperspektiven.

In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Art 26 (2) wird gefordert, dass "Bildung[...] auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit" gerichtet sein soll.

In der Wirtschaft wird mangelhafte Ausbildungsreife und fehlende Persönlichkeitsbildung von Bewerbenden beklagt und Kurse bzw. Lehrgänge werden in zielgerichteter Persönlichkeitsentwicklung und Persönlichkeitsbildung von Institutionen beruflicher Erwachsenenbildung angeboten.

Institutionen eines soziales Engagements versprechen in den verschiedenen Formen einen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung.

Der lebenskundliche Unterricht für Wehrpflichtige hat einen Beitrag zum Bilden einer Persönlichkeit zum Ziel.

Zuletzt hat die jeweilige Heimerziehung in ihren Leitlinien in der Regel Persönlichkeitsbildung als Erziehungsziel.

Auffallend ist die mangelhafte Präzession der Begrifflichkeit in den jeweiligen Bildungsprozessen.

Schule bezieht sich im Allgemeinen auf spezifische Fächer wie Sprachunterricht, Sozialkunde, Berufsorientierung, Lebenskunde, Politische Bildung, Ethik, Religion und Sportunterricht.

Ungeklärt sind die Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen Elternhaus und Schule (vgl. den Bildungsauftrag von Schulentwicklung) und der Verbund der einzelnen Lehr- und Bildungsziele in den spezifischen Fächern.

Ebenso gilt eine Klärung der Bildungsziele in der Lehrerinnenbildung.

Im Folgenden sollen die Begrifflichkeiten Persönlichkeit, Bildung und Persönlichkeit sowie pädagogische Handlungsfelder behandelt werden.

5.1 Historische Aspekte in der Persönlichkeitsbildung    

Keineswegs neu ist der Anspruch schulischer Bildung, Persönlichkeitsbildung zu gestalten.

HUMBOLDTs Bildungskonzeption 1903 mit den Ideen der Aufklärung von Vernunft und Emanzipation versteht Bildung weniger als Selbstzweck oder Wissensvermittlung, vielmehr einer Vervollkommnung der Persönlichkeit und einer Bildung zur Individualität (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 9).

Der Kontext besteht mit der Entwicklung moderner Demokratien und einer Herausbildung einer modernen Schule (vgl. OSTERWALDER 2011).

Neben der gesellschaftlichen Funktion von Schule kommt die individuelle Funktion zur Geltung, die auf Mündigkeit zielt (vgl. KLAFKI 1963/1975). Noch deutlicher als bei Humboldt ist in der Reformpädagogik die Ausrichtung auf die Persönlichkeit Lernender (vgl. GAUDIG 1922).

Unterschiedlich ist die Begrifflichkeit, wobei zwei Aspekte zu beachten sind. Einmal geht es das Verhältnis von Selbst- und Weltverhältnissen und zum Anderen von Natur und Kultur.

Persönlichkeit wird verstanden als Teil des Subjekts, eines Selbst mit der Befähigung zum vernünftigen Denken. Unter "Welt" versteht man die physische, soziale und metaphysische Umgebung des Individuums.

In dieser Relation zeigt es sich, dass Persönlichkeit nicht nur das Subjekt als Vernunftwesen bildet, vielmehr auch einen Zugang zur Welt mit anderen Subjekten wahrnimmt.

Zudem bilden sich Aspekte sozial-moralischer Dimension aus, etwa ethische Normen, moralische Vorstellungen, religiöse Sinnhaftigkeit und übereinstimmende Weltbilder. Es entsteht eine Grundlage für eine gesellschaftliche Anerkennung und Aufnahme in moderne Gesellschaften.

Diese inklusiven Bildungsprozesse können durch Exklusionsprozesse gestört werden.

Der Wortursprung von Persönlichkeit und die Bedeutung mit den Erziehungszielen gehen bis in die Antike zurück (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 10-13).

Das lateinische Wort "persona" bezieht sich schon bei CICERO mit seinen vier "personae" auf den vernunftbegabten Menschen (Vernunftfähigkeit, physische und mentale Natur, gesellschaftspolitische Position, eigene Entscheidungsfähigkeit; vgl. BRUNKHORST 2000).

Im Christentum entsteht ein neues Verständnis vom einzelnen Menschen. Voraussetzung ist die Verknüpfung der Unsterblichkeit der Seele mit der Sterblichkeit des Individuums. Zudem spielt die neutestamentliche Vorstellung der Liebe Gottes zu jedem Einzelnen unabhängig vom sozialen Status eine große Rolle.

Im Übergang zum Mittelalter entsteht die Neubildung einer "personalitas", die sich auf die "Personhaftigkeit Gottes" bezieht. In der deutschen Mystik wird daraus die "Persönlichkeit".

Ab dem 18. Jahrhundert erweitert sich die Bedeutung des Begriffs durch Identität von Personen (vgl. THIEL 2001, 80).

Die Unsterblichkeit der Seele als Fortsetzung der Persönlichkeit wird bei LEIBNIZ vertreten, mit dem Unterschied zwischen Mensch und Tier wird die Person ein Kulturwesen.

KANT unterscheidet zwischen Person(("Sinnenwelt") und Persönlichkeit("freie sittliche Selbstbestimmung").

In der Klassik und im Neuhumanismus dominiert die Vorstellung von Persönlichkeit als Teil der menschlichen Natur. Liegt bei HUMBOLDT der Akzent auf einem Bildungsprozess, bezieht sich GOETHE auf die Entfaltung von Charaktereigenschaften.

Im 19. Jahrhundert bezieht sich der Diskurs auf die Auseinandersetzung des Einzelnen zur sozialen Umwelt. Die Überlegungen bilden in der Folge die Grundlage für eine pädagogische Auseinandersetzung im 20. Jahrhundert.

GAUDIG (1922, 237, 239)entwickelt für seine Idee den Begriff der Selbsttätigkeit durch eine planmäßige Erziehung mit dem Ziel eines "idealen Ich".

Durch die Erfahrungen mit totalitären Staatsformen im 20. Jahrhundert erfährt der Begriff der individuellen Persönlichkeit zunehmend an Bedeutung. Durch Erziehung zu Autonomie, Freiheit, Toleranz und Diskursfähigkeit im Kontext eines Sozialisationsprozesses mit den beteiligten Instanzen entsteht eine Persönlichkeit.

Unterschiedliche gesellschaftliche Persönlichkeitsideale lassen sich nachweisen (vgl. FUCHS 2001, 78-79). Mit dem Diskurs über Kompetenzen erhält die Persönlichkeitsbildung neue Aspekte (vgl. GRUNERT 2012, 19-78).

5.2 Bildungsaspekte in der Persönlichkeitsbildung    

Bildungsaspekte in der Persönlichkeitsbildung haben ihre Grundlage in der Antike (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 14-17).

GRUNERT (2012, 20) beschreibt den Bildungsprozess bei den Griechen in der Phase der Eroberung und teilweisen Kolonisierung des Mittelmeerraumes ab dem 8. Jahrhundert mit der "Lenkung der Haltung des Menschen zur Welt". Es gibt den Gegensatz zwischen Lebenspraxis (Allgemeinbildung)und Selbstreflexion (Persönlichkeitsbildung).

In der weiteren Geistesbildung kam es zu einer sophistischen Denkrichtung mit der Vermittlung und Bedeutung von Wissen in Form von Grammatik, Rhetorik, Geometrie, Astronomie und Musik.

In der sokratischen und platonischen Tradition beschäftigt man sich mit Fragen der Tugend, einem Verständnis von richtig und falsch, womit Bildung sich mit dem Einzelnen und der Persönlichkeit beschäftigte (vgl. GRUNERT 2012, 24).

Der Bildungsbegriff taucht in der mittelalterlichen Mystik in der deutschen Sprache auf. Bildung erhält eine theologische Bedeutung mit dem Verständnis des Bildungs- und Persönlichkeitsbegriffes als Gottesbezug.

Ab dem 18. Jahrhundert wird Bildung mit Theorieansätzen der Antike verknüpft (humanistische Bildung) und entwickelt sich zum Leitbild eines aufsteigenden Bürgertums (vgl. BOLLENBECK 1994, 114-115).

HUMBOLDT versteht Bildung als "allgemeine Persönlichkeitsbildung" mit Selbstbildung und Selbstvollendung (vgl. WIATER 2005, 306-308). Unterschieden wird zwischen Bildung und Ausbildung als zweckgerichteter Wissenserwerb. Persönlichkeitsbildung als kontinuierlicher Prozess sei Grundlage für eine Berufsausbildung (vgl. GRUNERT 2012, 31).

Im 20. Jahrhundert verändert sich der Bildungsbegriff auf eine Integration von Ausbildung und Berufsbildung sowie Bildung und Sinnerweiterung.

Damit wird die Vorstellung von Bildung als individueller Prozess und Anhäufung von zweckgerichtetem Wissen verstärkt.

Eine Ökonomisierung von Bildung vermerken Kritiker(vgl. KUNZE 2012, 27).

Das Recht wird eine freie Entfaltung der Persönlichkeit verbindet sich mit dem Recht auf Bildung in der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" der Vereinten Nationen im Artikel 26.

Bildung wird beschrieben als Prozess zu einem Selbstverständnis als aktives Mitglied menschlicher Gesellschaft. Sie befähigt zur Teilhabe an menschlicher Kultur.

Die Persönlichkeit wird durch Erfahrungen, Lebensbedingungen und Handlungen gebildet; die Prozesse sind nicht planbar (vgl. BEINER 2014, 21, 23).

- - -

Unterschiedliche Faktoren werden heute als relevant angesehen. Politische Bildung, Interkulturelle Kompetenz, Vorberufliche Bildung und eine ethische Grundlage ergeben die Basis zu einem erziehungswissenschaftlichen Konzept von Persönlichkeitsbildung, verstanden als Bildungsprozess zwischen Selbstkonzept und sozialorientiertem Umweltbezug.

Vier Dimensionen ergeben diese Konzeption: ein Selbstkonzept des Subjekts (Selbstbezug), der Umweltbezug (Sozialbezug), die Urteilsfähigkeit und spezifische Partizipationsmöglichkeiten (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 17).

5.3 Pädagogische Handlungsfelder    

Der Fachunterricht ist durch die Vermittlung von Gegenständen nach dem Prinzip der Universität bzw. Pädagogischen Fachhochschule und einer differenzierten Leistungserzeugung bzw. Leistungsbewertung gekennzeichnet.

Er erhebt durch den Unterricht persönlichkeitsbildende Elemente und ein eigenständiges pädagogisches Handlungsfeld (vgl. das schulische Selbstverständnis von Schule und Erziehung).

Als sozialpädagogische Prinzipien gelten etwa Einzelfall- und Subjektorientierung, Sozialraum- und Lebensweltbezug, Freiwilligkeit und Mitbestimmung.

- Damit ergibt sich in der Schule eine Schnittstelle von formaler und nonformaler Bildung (vgl. in Österreich wäre in der Vermittlung die Möglichkeit einer Unverbindlichen bzw. Verbindlichen Übung und/oder eines Projekts gegeben).

- Lehrende und externe Fachleute könnten Aufgabengebiete abdecken.

- Didaktisch ergibt sich eine Sozialpädagogisierung von Schule und pädagogische Maßnahmen zur Lebenshilfe in Form von Unterricht, Betreuung und Begleitung sowie Einzelfall- bzw. Gruppenberatung. Akteure sind Lehrende, Experten, Beratende und die Eltern.

Die Sozialpädagogisierung der Schule hat ihre Grundlagen in den unterschiedlichen Formen einer Ganztagsschulentwicklung (vgl. RICHTER 2008, 33-46), reformpädagogischen Bestrebungen (vgl. beispielhaft IDEL 2007) und einer Zunahme von Care-Tätigkeiten in Form einer Inklusion (vgl. REICH 2014; BUDDE-BLASSE 2017, 239-252) sowie der Schulsozialarbeit (vgl. OLK-SPECK 2009, 910-927).

In der Folge ergeben sich räumliche Notwendigkeiten. Nonformale Bildungsangebote etwa in Form von Arbeitsgemeinschaften (AGs) gewinnen an Bedeutung.

Ohne Zweifel gewinnen Diskussionen um zukünftige Transformationen und Funktionen der Schule an Bedeutung, wobei einer Erwachsenenbildung mit der Funktion von Eltern- bzw. Familienbildung Bedeutung zukommt (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 18-24).

5.4 Persönlichkeitsbildung als Handlungsplanung    

Die Vielschichtigkeit der Thematik ergibt die Fragestellung, warum die Persönlichkeitsbildung ein rein pädagogisches Phänomen sein soll.

Spricht man von einem Handlungsplan (Dispositiv), so ergibt sich ein sehr heterogenes Ensemble. Es geht um Diskurse, Institutionen, räumliche Einrichtungen, Gesetze, Verwaltungsmaßnahmen und Lehrsätze (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 25).

In der Funktionsweise sind Handlungspläne Wissensanordnungen, Vergegenständlichungen und Subjektivierungsweisen.

Die Komponenten ergeben ein Zusammenspiel und ein Angebot bzw. Maßnahmen.

Für die Persönlichkeitsbildung wären dies beispielsweise

- die Forderung nach einer solchen Bildung,

- die Praxis im individualisierten Unterricht und einem Angebot erzieherisch-sozialpädagogischer Maßnahmen.

Mit der Subjektivierung kommt es zu einer Handlungsfähigkeit eigener Möglichkeitsbedingungen im Diskurs um Macht (vgl. BUTLER 2001, 7).

Bei der Analyse des Geschlechterdiskurses bedarf es einer internen Positionierung. In der schulischen Praxis zeigt sich dies in der Adressierung, in Bildungstheorien und in der Leistungsbewertung.

Soziale Praktiken sind begründet in der und durch die soziale(n) Ordnung der Handlungspläne.

In all diesen Überlegungen zeigt sich nach BUDDE-WEUSTER (2018, 26) ein Erziehungsdefizit, welches durch die Subjektivierungsgehalte als individuelles Defizit der Lernenden ausgelegt und einer Selbstregulierung überantwortet wird.

Der erzieherische Missstand weist auf nicht ausreichende gesellschaftliche Erziehungselemente hin, um Persönlichkeit zu bilden.

Jenseits der Problemlage kann vermutet werden, dass Persönlichkeitsbildung auf Diagnosen gesellschaftlicher Mängel reagiert.

- Dies zeigt sich im Mangel eines demokratischen Bewusstseins.

- Hinzuweisen ist auf einen Mangel von Fachkräften und damit von Expertenwissen im Alltag.

Das Fehlen eines gesamtgesellschaftlichen Konsens etwa in Fragen der Bildung, sozialer Gerechtigkeit, einer globalen Verantwortung oder ökonomischer Verantwortlichkeiten drückt sich in Problemlagen aus, die auf einen Schwund eines sozialen Fundaments in aktuellen Sozialisationsprozessen hinweisen und als Antwort darauf die einzelnen Lernenden durch spezifische pädagogische Angebote zu Adressaten machen.

Dem vermeintlichen Mangel an Erziehungsleistung soll nicht durch Institutionen, vielmehr durch Selbstregulierung der Subjekte (Persönlichkeitsbildung) begegnet werden.

Die Schule reagiert durch Effekte wie Ganztagsschulentwicklung und/oder unverbindliche Fächer, Projekte und/oder Formen einer altersstufengemäßen Partizipation.

Die Diskussion um den traditionellen Unterricht in Politischer Bildung erhält die Facette von persönlichkeitsbildenden Angeboten anstelle von politischer Teilhabe in subjektiven Angeboten einer Partizipation.

- Elemente wie Einsicht, Selbststeuerung oder Selbstaktivierung, verbunden mit Vorstellungen etwa eines gesellschaftlichen Ausgleichs oder einer Nachhaltigkeit, von Spontaneität, Mobilität, Kreativität, persönlicher Kompetenz oder gar Netzwerkbildung bilden bedeutende Aufforderungen zu einer persönlichen Lebensführung, zudem einer Bereicherung schulischen Lebens.

- Politischer Bildung bleibt es überlassen, Kritikfähigkeit, Solidarisierung und Diskussionsfähigkeit in eine Handlungsplanung einzuführen.

- Streitschlichtungsprogamme, Vorhabenswochen und ein Klassenrat ergeben pädagogische Möglichkeiten, Individualität in gemeinsame Vorhaben einzubringen, anders ausgedrückt eine Brücke zwischen individuellen und gesellschaftlichen Perspektiven zu bilden (Autonomie-Partizipation). Dies kann nicht früh genug altersstufengemäß in der Schule schon beginnen.

6 Schulpraktische Perspektiven    

Die soziale Umwelt setzt sich aus konkreten Praxisformen zusammen, die Bestandteile umfassender Praxisformationen darstellen (vgl. HILLEBRANDT 2014, 59).

Das praktische Wissen in verschiedensten Formen ist keineswegs Besitz von Subjekten bzw. Gruppen, es kommt vielmehr allgemein der Praxis zugute und in ihr zum Einsatz. Entsprechend lassen sich erst dann Rückschlüsse zu den Subjekten zielen, die spezifische Anwendung bringen (vgl. RECKWITZ 2008, 117).

Praktiken sind grundsätzlich beobachtbar, besitzen verschiedene Aktivitäten die angeleitet von Wissen , das nicht bestimmte Zwecke bzw. Interessen, vielmehr implizite Motivkomplexe betrifft und sich möglicherweise individueller Ziele widmet (vgl. RECKWITZ 2008, 119).

Praktiken werden von Organisationsitems in ihrem Verlauf bestimmt (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 34).

Es geht um Know-How, Regeln, generelle Orientierung und Struktur, welche die soziale Praktik bestimmen und soziale Ordnung ergeben.

Dies ermöglicht eine Analyse und Rekonstruktion. Hier ergibt ich ein Unterschied zu Handlungstheorien, die nicht einer mentalen Voraussetzung entspringen oder als Routinevollzüge verstanden werden (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 35).

Im Folgenden wird auf den Schulgemeinschaftsausschuss / Klassenforum, die Projektwoche und die Berufs- und Lebensplanung im Kontext einer Persönlichkeitserziehung eingegangen.

6.1 Klassenrat-Klassenforum/Schulforum-Schulgemeinschaftsausschuss    

Als schulinterne Institution - in Deutschland Klassenrat mit Schülerbeteiligung, in Österreich Klassenforum/Schulforum ohne Schülerbeteiligung bzw. Schulgemeinschaftsausschuss mit Lehrer-, Eltern- und Schülerbeteiligung - kann dieser(s) als ein spezifisch pädagogisches Angebot benannt werden, mit der Kernaufgabe Konflikte und Probleme eigenständig zu lösen.

- Als Ziele werden Selbstverantwortung und Partizipation verstanden.

- Sozialpädagogische Konzepte sind an Subjektorientierung und Freiwilligkeit gebunden. Ganztagsangebote entsprechen den Intentionen.

Ideengeschichtlich ist sein Ursprung in der Vorstellung, Erziehung zur Demokratie durch demokratische Lebensformen in der Schule zu realisieren (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 51-53).

DEWEY liefert in seinem Standardwerk 1915 "Demokratie und Erziehung" seine Vorstellungen zur Demokratie als Lebensform. Für eine demokratische Lebensform bilden Schulen eine Keimzelle der Gesellschaft, in denen Lernende und Lehrende Erfahrungen sammeln, aus denen sich Fragen und Regeln des Alltags bilden. Lernenden wird in Schulen die Teilhabe an demokratischen Gesprächen ermöglicht (vgl. in der Folge im Hochschulbereich hochschulpolitisch die Mitwirkungsrechte der Hochschülerschaft und hochschuldidaktisch in der Lehre die Mitwirkung als Studienassistenten).

FREINET 1998 hat sich ebenfalls mit dem Klassenrat beschäftigt. Sein schulisches Konzept geht davon aus, dass Lernende die zentralen Akteure des Unterrichts und des Schullebens sind. Pädagogik hat von Kind auszugehen. Neben neuen Unterrichtsformen ist die Klassenversammlung als demokratische Gesprächsrunde das wichtigste Element zur Ermutigung einer Äußerung einer eigenen Meinung, einer Möglichkeit von Selbstkritik, zur Förderung einer Gemeinschaft und zum Lernen persönlicher Einordnung. Bei Freinet hat diese Institution jeweils zum Wochenabschluss einen festen Platz und stellt eine wichtige Methode zur Persönlichkeitsbildung Lernender dar

Es zeigt sich, dass Politische Bildung mit der Intention von Partizipation nicht nur den Ort des Unterrichts ansieht, in dem demokratische Verhaltensweisen gelehrt und vermittelt werden, vielmehr auch im Kontext von Schulentwicklung als Lernprozess aller Akteure Demokratie leben und erleben lassen muss(vgl. EDELSTEIN-FAUSER 2001, 36; DICHATSCHEK 2017b, 57-58).

Damit fördert man Handlungskompetenz, etabliert demokratische Schulkultur und fördert Verantwortungsbewusstsein.

6.2 Projektwoche    

Ebenfalls als Angebot gelten in der Persönlichkeitsbildung Projektwochen in Form von Vorhabenswochen bzw. spezifischen Themenwochen. Sie beziehen sich pädagogisch auf die Projektmethode, wobei sich die Stellung im deutschsprachigen Raum sich auf DEWEY (1935) und (demokratiepädagogisch) EDELSTEIN (2012, 39-51) bezieht.

Die Projektmethode baut auf Gruppenarbeit mit relevanten Fragestellungen in mehrstufigem Verfahren, in der Regel interdisziplinär und methodenvielfältig. Außerschulische Lernorte und letztlich eine offene Präsentation ergeben für die Mitarbeitenden Lerneffekte mit fächerübergreifenden und lebensweltbezogenen Anteilen.

Das Format Projektwoche eignet sich besonders für Themenbereiche, die nicht unmittelbar einem Fach zuzuordnen sind.

- In der Regel umfassen sie den Zeitraum von drei bis fünf Tagen.

- In der Schulpraxis werden gern Zeiten zur Überbrückung kommender Ferien verwendet. Damit fehlen mitunter solchen pädagogischen Formen curriculare Konzepte (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 153).

- Günstig wären dagegen der Einbau von Projektwochen in aktuelle pädagogische Konzepte mit thematischen Schwerpunktbildungen und alternativen Lernzugängen. Dies bedarf interdisziplinärer Planung, ausreichender Betreuung, unterrichtlicher Nachbereitung und idealerweise einer Dokumentation.

Für eine Persönlichkeitsbildung bieten sich Vorhabensprojekte' etwa zur Lebens- und kommenden Berufs- bzw. Studiensplanung, zur Schwerpunktbildung im Kulturbereich, Wirtschaftsbereich und ethisch-religiösen Schwerpunktbildungen sowie als Exkursionsfahrten mit thematischer Schwerpunktbildung (etwa Erkundungen von Regionen) an.

Allgemein eignen sich schwerpunktartige Themenbearbeitungen zu den einzelnen Unterrichtsprinzipien.

6.3 Bildungs- und Lebensplanung    

Mit der in den sechziger Jahren beginnenden Debatte um pädagogische Konzepte zur Hinführung zur Berufs- und Arbeitswelt (in Deutschland Arbeitslehre) und in der Folge zu einer Bildungsinformation im Rahmen unterrichtlicher Bemühungen begann ein Diskurs über ein notwendiges Unterrichtsprinzip und/oder Fach, das Berufsorientierung und/oder Berufskunde in der Sekundarstufe I und II, also jeweils am Ende von wesentlichen Bildungsphasen, abdeckt (vgl. ausführlich den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich, vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 223-225).

Dieser Konzeption schulisch-sozialpädagogischer Bemühungen kommt deswegen eine besondere Bedeutung zu, weil

- Schule damit eine Lebenshilfe bzw. mögliche Lebensplanung unterstützt und begleitet,

- humane Ressourcen effektiv in eine weiterführende Bildungs- und Lebensplanung zu führen versucht.

- In Form einer Vorberuflichen Bildung sollen die Akteure dieses Bildungsprozesses schulisch eingebunden werden und in der Folge curricular persönlichkeitsbildender spezifischer Bildungsaspekte vermittelt werden.

Mit dem Wandel der Rahmenbedingungen einer kommenden Schul-, Studien- und Berufswahl - also dem Übergang von Schule in die Arbeits- und Berufswelt und ihrer Bedingungen - kommt es zur Notwendigkeit vermehrter Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit.

Vorberufliche Bildung (schulisch "Berufsorientierung") bietet die Chance, einen Verbund von Unterricht, Beratung und Erkundungsprogrammen mit Realbegegnungen im Kontext Lehrender, Beratender und Begleitender, planvoll und fachbezogen, pädagogisch und didaktisch aufgearbeitet, anzubieten.

Für die in der Schlussphase notwendigen individuellen Erkundungen oder intensiven Informationsphasen, etwa in Berufsinformationszentren oder intensiven Beratungsgesprächen, empfehlen sich die Möglichkeiten einer Projektwoche (schulisch "Berufspraktische Tage"/ Österreich).

6.4 Reflexion    

Als langjähriger Lehrender in der APS konnten persönlichkeitsbildende Elemente in der Tätigkeit als Schülerberater, Schulentwicklungsberater und Lehrender in relevanten Fächern gefördert werden.

Als zwei Jahrzehnte langer Lehrbeauftragter für Vorberufliche Bildung an der Universität Wien ergaben sich unter dem Aspekt einer Persönlichkeitsbildung zahlreiche Erfahrungen und empirische Ergebnisse, die als Lehrer_innenbildner ihre pädagogischen Folgerungen hatten (vgl. IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich, Politische Bildung, Interkulturelle Kompetenz).

Kritisch muss man vermerken, dass curriculare Inhalte nur in dem schulischen Fächerverbund Berufsorientierung (MS, AHS) und Lebenskunde (PTS) sowie in Ethik und Religion enthalten sind.

Der Bildungsauftrag im Kontext demokratischer Persönlichkeitserziehung bedarf jedenfalls zunehmender pädagogischer Konzepte, verbunden mit Politischer Bildung und Interkultureller Kompetenz. Dies würde dem schulischen Selbstverständnis von Erziehung und Unterricht nützen.

Einzufordern ist eine Lehrerinnenbildung, die diesen Intentionen entspricht (vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Lehrerbildung, Lehramt).

Die folgenden Elemente gelten als wesentlich.

- Erkennen von Spannungslinien aus dem Zwischenraum, aus dem sich Persönlichkeitsbildung als eigenständige Handlungsplanung gestaltet (vgl. BUDDE-WEUSTER 2018, 338).

- Identität - Gesellschaft

- Autonomie-Sozialpädagogik-Hierarchie-Politische Bildung-Interkulturalität-Wirtschaftskunde-Ethik-Religion

- Schule-Schulentwicklung: Gesprächs- und Diskussionskultur-Förderung und Begleitung-Anerkennung und Wertschätzung-Offenheit-Partizipation

- Leistungsprinzip - Sozialprinzip (Fordern-Fördern)

- Lernzielbestimmung

- Autonomie

- Realerfahrungen

- Simulation

- Anpassung

Literaturhinweise II    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.

Beiner M. (2014): Persönlichkeitsbildung im beruflichen Kontext junger Erwachsener, in: Forum Erwachsenenbildung 3/2014, 21-24

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Budde J.-Weuster N. (2018): Erziehungswissenschaftliche Studien zur schulischen Persönlichkeitsbildung. Angebote-Theorien-Analysen, Wiesbaden

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III GEWALTPRÄVENTION    

7 Einführung    

Seit dem Jahre 2002 - mit dem Mord im Gymnasium Erfurt - ist im deutschem Sprachraum die Öffentlichkeit, zunächst in der Schule, in der Folge durch Prozesse in Österreich, mit der Thematik von Gewalt in der Erziehung sensibilisiert worden. Bisheriger Höhepunkt dieser thematischen Auseinandersetzung waren im Jahre 2006 die Ereignisse an der Rütli-Hauptschule Berlin-Neukölln und ein Mord an einem Kleinkind, die ganz offensichtlich auf Gewaltphänomene rund um die Erziehung schließen lassen.

In der Folge treten Gewaltphänomene auf, die weit über Bildungsinstitutionen hinaus gehen und gesellschaftliche, politische, ökonomische, ökologische und kulturelle Defizite aufzeigen. Diese betreffen den Themenbereich der Politischen Bildung.

Pädagogisch aktualisiert wurde 2011 die Diskussion um Sanktionen bei schulischen Konfliktfällen in Österreich.

"1998 widmete Der Spiegel ein Heft dem Thema Warum immer mehr Kinder kriminell werden - Die Kleinem Monster (Nr. 51, 16.4.1998). Focus 10/1998 trug den Titel Schule brutal - Erpressung, Prügel, Terror - An deutschen Schulen ist die Hölle los. Die Zeit erklärte am 17.9.1998 Jugendgewalt wird zur größten Herausforderung für Polizei, Justiz - und Politik" (MARTIN-MARTIN 2003, 7).

Im Folgenden geht es auch um die Frage der Faszination von Gewalt. Pädagoginnen und Pädagogen betrifft die alltägliche Form von Gewalt, nicht Phänomene wie Sadismus oder Masochismus. Dies zu verstehen, zu behandeln und und zu ahnden ist Aufgabe von Psychiatern und Juristen. Konkret geht es also um Macht und Gewalt - etwa das staatliche Machtmonopol, den Missbrauch von Macht, der Lust an Gewalt (Fantum/Sport), der Faszination des Extremismus, Gewalt im Krieg und die Gewalt über die Natur (vgl. MÜLLER-FAHRENHOLZ 2006, 66-85). Dies sind zutiefst Fragen einer zeitgemäßen Erziehung.

Neben den erziehungswissenschaftlichen Aspekten sind auch die Bemühungen um eine kulturell-religiöse Erziehung zu beachten. So engagierte sich die Evangelische Superintendentur Kärnten A.B. mit einem Projekt - anlässlich der Gemeindevertretungswahlen 2005 - zur Prävention von Gewalt. Am 25. November 2006 fand ein Studientag im Kardinal-König-Bildungshaus/Wien zur "Dekade zur Überwindung von Gewalt" statt.

Der Autor versuchte in einer Reihe von Beiträgen zur Menschenrechts- und Politischen Bildung/Erziehung sowie zur "Dekade zur Verhinderung von Gewalt/2001-2010" (Ökumenischer Rat der Kirchen/Genf) verschiedenste Aspekte zu beleuchten.

Mit dieser Studie soll auf die Dimension von Erziehung hingewiesen werden.

7.1 Bluttaten in Österreich 1993-2005    

Oktober 1993 - Selbstmord eines 13jährigen Schülers nach Schuss auf Direktor (Hausleiten/Bez. Korneuburg/NÖ)

Juli 1994 - 15jährige Schülerin verletzt 14jährigen Schüler (Wien-Meidling)

Mai 1997 - 15jähriger Schüler erschießt Lehrerin und verletzt eine weitere (Zöbern/NÖ)

Juni 1998 - Berufsschüler verletzt mit Messer Mitschüler (Murau/Stmk.)

Oktober 2003 - 13jähriger bedroht mit Messer zwei Mitschülerinnen und einen Mitschüler - Entwaffnung durch Lehrerin (Linz/OÖ)

April 2004 - 13jähriger Schüler sticht 15jährige Mitschülerin niede r(Wies/Stmk.)

September 2005 - 15jähriger Schüler ermordet durch Niederstechen Mitschüler (Wien-Währing)

7.2 Zeitungsdokumentation    

Salzburger Nachrichten, 26. April 2006, 8: "Blind gegen Schulgewalt"

Zu große Klassen, zu wenig Lehrer, die Gewalt nimmt zu: An Deutschlands Schulen drohen Verhältnisse wie in den USA. Davon ist der Lehrerverband überzeugt.

Zum vierten Mal jährt sich heute, Mittwoch, das Massaker am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt. 16 Menschen starben in dem von einem Jugendlichen angerichteten Blutbad. Und erst vor wenigen Tagen waren Gewaltexzesse an einer Berliner Schule bekannt geworden.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, sieht Handlungsbedarf bei der Politik. Der Fall Erfurt sei ohne politische Folgen geblieben. "Die Politik hat es bei schönen Absichtserklärungen belassen", sagte Kraus. Forderungen nach mehr Schulpsychologen seien ebenso ungehört verhallt wie nach Eindämmung von Gewaltvideos.

Laut seinen Angaben kommt in Deutschland ein Schulpsychologe auf 10 000 Schüler. Die Kultusministerkonferenz habe bereits vor Jahren die Quote auf 5 000 Schüler empfohlen, sie zeige jedoch keine Anzeichen, diese Vorgaben zu erfüllen. "Stattdessen wird Aktionismus betrieben, etwa mit dem Verbot von Handys oder MP3-Playern an Schulen", sagt Kraus. "Das kostet nichts, bringt aber auch nichts." Bei der Forderung nach kostenintensiven Präventionsmaßnahmen wie mehr Personal oder Verkleinerung der Klassen stelle sich die Politik dagegen taub.

Für Kraus ist es kein Argument, dass die Zustände an den Schulen in Japan und den USA noch radikaler und brutaler seien: "Diesen Vorsprung holen wir bald auf, wenn wir nicht gegensteuern." Gefordert sei auch die Verbesserung der Beziehung zwischen Schule und Elternhaus. "Viele Eltern zeigen sehr wenig Engagement, was das Freizeitverhalten und die schulische Entwicklung ihrer Kinder angeht", sagt Kraus, der bei Landshut(Bayern) eine Schule leitet. Positiv merkt Kraus an, dass in den Schulen eine "Kultur des Hinsehens" gewachsen sei. Viele Jugendliche meldeten sich, wenn ihnen bei ihren Mitschülern Gewaltfantasien auffielen. "Das ist manchmal etwas übertrieben, aber lieber ein Mal zu viel als ein Mal zu wenig."

Stichwort Erfurt: 15 Schüler und Lehrer sind noch immer auf psychologische Hilfe angewiesen. Insgesamt nahmen 440 Schüler Gruppenbetreuung in Anspruch, 230 Schüler und Lehrer unterzogen sich wegen posttraumatischer Belastungsstörungen Einzeltherapien.

Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft geht von einer auf pädagogisches Handeln ausgerichteten Disziplin aus, in der man nach Erkenntnissen - im Gegensatz zu anderen Sozialwissenchaften - zu suchen hat, die sich in einer Förderung des einzelnen Educandus bewähren.

Pädagoginnen und Pädagogen/Lehrende haben ohne jeden Unterschied der Klientel zu fördern.

In der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft ist jede relevante Erkenntnis aller Wissenschaften zu nützen, weshalb Interdisziplinarität erforderlich ist.

8 Begriff Gewalt    

Wegen der Vieldeutigkeit des Begriffes bedarf es einer Definierung der verwendeten Begriffe.

In der Wissenschaft wird neuerdings Gewalt als Überbegriff verwendet und in Teilbegriffe unterteilt: beispielsweise physische, psychische, verbale, sexuelle, rassistische, soziale und frauenfeindliche Gewalt.

So definieren FUCHS-LAMNEK-LUEDTKE (1996, 14) Gewalt in der Schule: "Gewalt ist demnach eine zielgerichtete, direkte, physische, psychische oder soziale Schädigung., deren Illegalität in der gesellschaftlichen Beurteilung Merkmalen des Täters, des Opfers und der sozialen Kontrollinstanzen unterliegt." Unterteilt wird in personale Gewalt, strukturelle Gewalt, expressive Gewalt und instrumentale Gewalt.

Gewaltmischungen sind selbstverständlich.

Hinzuweisen ist auch auf den Begriff Mobbing, wobei man darunter zu verstehen hat, wenn jemand wiederholt und über längere Zeit negativen Handlungen durch eine oder mehrere Personen ausgesetzt ist (vgl. OLWEUS 1996, 60; KASPER 1998).

9 Gewalt in der Erziehung    

Die Breite der Thematik widerspiegelt sich auch in der deutschsprachigen Fachliteratur (vgl. beispielhaft HURRELMANN-PALENTIEN-WILKEN 1995, LAMNEK 1995, HURRELMANN-RIXIUS-SCHIRP 1996, TILLMANN 1999, MARTIN-MARTIN 2003, SCHUBARTH 2013, WEDEMANN 2014, SCHREIBER 2015, MELZER 2015, NIPROSCHKE 2016).

Kinder erfahren Gewalt in der Familie (Ohrfeigen, Schlagen; Einsperren). Unverarbeitete Erfahrungen der Eltern, Konflikte in der Familie/im Berufsleben, rigide Erziehungsziele und Bedingungen in der Sozial-, Umwelt- und Gesellschaftsschicht gelten als Bedingungen. Gewalt in der Familie wird als eine Schlüsselrolle für die Verbreitung aggressiven Verhaltens und als Wirkung struktureller Gewalt in der Gesellschaft angesehen (vgl. SCHREIBER 2015; TILLMANN 1999; HURRELMANN-PALENTIEN-WILKEN 1995).

- Sexueller Missbrauch von Kindern in der Familie und Verwandtschaft wird offener und damit transparenter berichtet. Verstärkte Anstrengungen zur Prävention mit unterschiedlicher Ausrichtung der Präventionsarbeit sind erkennbar (vgl. NEUBAUER 1995, 94; DAMROW 2006).

- Gewalt im und durch Sport in Verbindung mit Konkurrenz- und Leistungsdenke' be- und verhindert mitunter Fairness, gegenseitige Hilfestellung und soziales Lernens (vgl. PILZ 1982/1995).

- Das Freizeitleben Jugendlicher in Verbindung mit Desintegrationserscheinungen in Großstädten, sozialen Problemen in den Familien und der Arbeitslosigkeit erklärt die Verbreitung von Jugendgewalt.

- Religiös-kulturelle Entwurzelung tut das ihrige.

- Im Bereich der jugendlichen AusländerInnen ist die mangelhafte Mitbestimmung und das Fehlen von vollständigen Bürgerrechten - damit die Identifikation mit dem Staat - zu bedenken. Das Verteilen von Bildungs- und in der Folge von Berufs- und Lebenschancen durch ein vertikal geteiltes Schulsystem gilt in der Fachliteratur und in einschlägigen Untersuchungen als wichtige Ursache für Zusammenrottungen und - im EU-Raum - für gewalttätige Proteste, wobei eine politische Polarisierung zusätzlich eine Rolle spielen kann (vgl. HURRELMANN-PALENTIEN-WILKEN 1995; BERTELSMANNSTIFTUNG-FORSCHUNGSGRUPPE POLITIK 2005). Zu bedenken sind ausreichende Maßnahmen in der Bildungsberatung und schulischen vorberuflichen Bildung/ Berufsorientierung (vgl. BACHMAIR u.a. 1999; DICHATSCHEK-MEIER-MEISTER 2005, 83-90).

Gewalt in der Schule ist pädagogisch deswegen so negativ zu bewerten, weil dies mitten in Bildungszentren - unter den Augen der Lehrerschaft mit der Verantwortung für soziales Lernen/Erziehung? und politischer Bildung/Menschenrechtserziehung? - geschieht (vgl. MELZER 2015). Die Literatur darüber ist so zahlreich, dass hier nicht im Detail darauf eingegangen werden muss (vgl. HOLTAPPELS u.a. 1997). Beklagt wird körperliche Gewalt, verbale Gewalt(auch gegen LehrerInnen), Vandalismus, sexistische Gewalt und allgemeine Gewaltphänomene - hin bis zu Mobbing in allen Variationen (vgl. WIMMER 2016).

- Alle Schulformen und Altersstufen bis zum Kindergarten sind betroffen.

- Schule spiegelt die Gesellschaft wider, verschiedenste Sozialschichte und Ethnien stoßen aufeinander.

- Zudem spielen Schulbauweisen, Lehrerverhalten, Leistungs- und Sozialdruck, Entmutigung, Erniedrigung, schlechte Ausbildungs- und Berufschancen, Demotivation, anonymes Schulklima, mangelhaftes Lehrer-Schüler-Verhältnis, mangelhafte bis fehlende zeitgemäße Schulentwicklungsprozesse und Ungerechtigkeiten eine wesentliche Rolle.

- Viele Präventionsproramme bieten Schulen und Lehrenden Ansatzpunkte zur Förderung von sozialen Kompetenzen (vgl. Verhaltenstrainings für Lernende und Lehrende, themenzentrierte Lehrerfortbildung, Einzelmaßnahmen wie Erarbeitung von Regeln und demokratischen Lerngelegenheiten; WEDEMANN 2014, 77; SCHUBARTH 2013, 102-105).

- Prävention umfasst mehr als nur der Einsatz solcher Programme. Es geht vorrangig um Aspekte des Schulklimas und die Qualität der Wirksamkeit von pädagogischen Maßnahmen (vgl. EDER 2002, 213-214). Gemeint sind der Leitungsstil, die Öffnung nach außen, Werte und Einstellungen der Lehrenden, die Qualität sozialer Beziehungen der Lernenden und Lehrenden (vgl. FREITAG 1998, 33). Schulklimatische Ansätze finden allerdings wenig Beachtung (vgl. MELZER-SCHUBARTH 2016). Es geht also um die Förderung sozialer Kompetenzen (vgl. NIPROSCHKE 2016, 257).

- Gewalt über die Natur ist ein Phänomen, das sich in Umwelterziehung als pädagogischen Auftrag ergibt (vgl. LEHRPLAN-SERVICE UNTERRICHTSPRINZIPIEN HS UND AHS, 1.-4. KLASSE, KOMMENTAR 1990, 142-192). Unbestreitbar sind Entdeckungen, Erfindungen und verschiedenste Produktionsformen für die Menschheit hilfreich geworden. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass sie zu atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen, zu sozioökonomischen Verzerrungen in der Weltbevölkerung und zu ökologischen Verwüstungen geführt haben, die ein Überleben der Menschheit in Frage stellt. "Die Erfahrung des Ungenügens angesichts einer übermächtigen Natur hat Menschen immer wieder zur Gewaltfaszination im Umgang mit ihr verleitet. Und es scheint nicht zuletzt diese Faszination zu sein, die eine entschlossene Abkehr von dem Paradigma der Beherrschung und Ausbeutung der Natur verhindert" (MÜLLER-FAHRENHOLZ 2006, 84).

10 Theorieansätze    

Lern- und Lehrprozesse spielen bei der persönlichen Entwicklung mit ihren kognitiven, psychomotorischen und affektiven Fähigkeiten eine wesentliche Rolle. Dies gilt ebenso für den Bereich des Umgangs mit Sozial- und Verhaltensstrukturen, also auch für Gewalt.

10.1 Lerntheoretische Ansätze    

Zum erziehungswissenschaftlichen Basiswissen gehört die Auseinandersetzung mit den klassischen Lerntheorien (vgl. WEISS 1978, 13-57).

- Die klassische Konditionierung I.P.Pawlows ist für das Verständnis menschlicher Lern- und Verhaltensänderungen aufschlussreich. Noch 1973 haben Hilgard und Bower den kondionierten Reflex als "die am besten handbare Grundeinheit für alle Lernprozesse" genannt (vgl. die Werbung mit der mit Bildern und Szenen illustrierten Aufforderung zum Kauf).

- Signallernen hat Bedeutung im Training von aggressivem Verhalten (Militär - freies Kampfverhalten; Karikaturen, Schimpfwörter, intolerante Ideologien - Aussetzen von humanen Wertvorstellungen).

- Die operante Konditionierung B.F. Skinners setzt auf die Tradition E.L.Thorndikes mit dem "Gesetz der Auswirkung (law of effect)", wobei er meinte, menschliche Verhaltensänderungen in jedem Bereich - etwa Politik und Religion - erklären zu können. Weiterhin wichtig sind Skinners Erkenntnis in der Verhaltenstherapie und praktischen Erziehung- und Unterrichtsarbeit ("Lernen durch Erfolg"). "Es leuchtet ein, dass eine mit so umfassendem Geltungsanspruch auftretende Theorie der Verhaltenserklärung und -änderung auch beim Problem (jugendlicher) Gewalt bedacht werden muss"(MARTIN-MARTIN 2003, 59).

- A. Banduras Modelllernen ist besonders wirkungsvoll, wenn die Modelle prestigeträchtig und Erfolg mit ihren - auch aggressiven - Handlungen aufweisen. Folgerungen für eine Prävention und Erklärung von Gewalt ergeben sich aus Modellen der Wirklichkeit - etwa Familie, Schule, Freizeit und Filme - und den Bedingungen und Verarbeitungsweisen des jeweiligen Verhaltens. Aus der Wechselwirkung von Beurteilungskriterien und Wertvorstellungen der Lernenden mit Merkmalen beobachteter Modelle aus der sozialen Umwelt entwickelte sich aus dem Paradigma des des Beobachtungslernens die sozial-kognitive Lerntheorie. Hier spielen kognitive Details eine Rolle. Prinzipien, denen bestimmte Aktivitäten zugrunde liegen, können übernommen werden (man denke an Rücksichtslosigkeit, Fremdenfeindlichkeit und Brutalität). Aus dieser "abstrakten Modellierung" entsteht in der Folge eine "kreative Modellierung" (BANDURA 1979, 57). Die Darbietung von Modellen, die Aggressionen ausüben, ohne selbst Schaden zu nehmen, schwächt innere Hemmungen und verstärkt aggressive Tendenzen(S. 58). Hier finden sich Erklärungen dafür, dass scheinbar friedliche Schüler, die bloß blutrünstige Computerspiele spielen, plötzlich ein Blutbad in ihrer Schule anrichten" (MARTIN-MARTIN 2003, 62). Bandura sieht in der Darbietung von Stimuli zur Gewaltausübung, Appellen, stellvertretender Bekräftigung und Erfolgen der Aggressoren - etwa durch Aufmerksamkeit und Statusgewinn - die prozessartige Verbreitung solcher Einstellungen und Verhaltensweisen (S. 59). Antizipatorische Prozesse werden durch Erwartungen, Symbole und Gedanken weitgehend selbstaktiv gesteuert (S. 70 und 78). Durch Bestrafungen lassen sich mögliche Täter kaum abschrecken(Märtyrerrolle), stellvertretende Bestrafungen wirken mitunter nur informativ. Bei Gruppenphänomenen - man denke an Cliquen, Fangruppen und Streetgangs - kann es zur Wechselwirkung von Selbst- und Fremdbekräftigung durch Gruppenkonformität kommen. Strategien der moralischen Rechtfertigung, Beschönigung, Verharmlosung, Schuldzuweisung und Verdrängung sind zu beobachten (vgl. die Theorie der kognitiven Dissonanz nach Festinger; BANDURA 1979, 157). Verstärkt werden die Tendenzen durch Urbanisierung, Migration und Anonymität. Eine aggressive Verhaltenstendenz ist auch bei Kindern im Prozess der reziproken Determination in Familien zu beachten ( BANDURA 1979, 195, vgl. MARTIN-MARTIN 2003, 64).

Aus der Sicht der sozial-kognitiven Lerntheorie kommt es auf die Standards der Motive der Handelnden an. Relevant sind auch die Überzeugungen, Vorstellungen und Fehlurteile, die unter den angegebenen Bedingungen sich entwickeln (vgl. Realitätsverzerrung/-verlust). Somit kommt es zu Eigentümlichkeiten personalen Handelns. Falsche Selbsteinschätzung, Verführungen, Vorurteile, falsche Informationen, Missverständnisse, Ohnmachtsgefühle und Irrtümer beeinträchtigen/verhindern prosoziales Verhalten.

In der Interaktion entwickeln sich - ähnlich wie bei der Lernmotivation - Persönlichkeitsmerkmale und Dispositionen, Selbsteinschätzungen, Ich-Orientierung, Interessen und Autonomievorstellungen des Einzelnen und der Gruppe. "Konkret gesprochen: die moderne, multikulturelle, pluralistische Gesellschaft mit ihren großen sozialen Unterschieden, dem Konkurrenzprinzip und allgegenwärtigen Gewaltmodellen erscheint als günstiger Nährboden für die Entstehung von Gewaltmotiven in einzelnen und Gruppen. Aggressionen gegen Schwächere und gegen Fremde oder auch nur gegen Sachen können sich lohnen. Sie können das Gefühl der Stärke, der Überlegenheit und des Selbstwertes vermitteln. Aggressive Selbstwirksamkeit erzeugt Autonomiegefühle. Und in Banden und Cliquen können solche Wert- und Zielvorstellungen, Motive, Verhaltensregeln, Prestige- und Aufstiegschancen gedeihen, denen gegenüber Eltern und Lehrer/innen mehr oder weniger machtlos sind - solange prosoziale Gegenmodelle, Handlungsmöglichkeiten und Identitätschancen fehlen" (MARTIN-MARTIN 2003, 65-66).

Vorzüge des lerntheoretischen Modells bestehen in der Kenntnis der komplexen Prozesse unsozialen Denkens und Handelns sowie der Prozesse eines Neuaufbaues prosozialer Verhaltensweisen.

10.2 Soziologische Ansätze    

Sozialisationstheoretische Ansätze und Konzepte richten bei der Gewalterklärung den Blick auf die gesellschaftliche Realität Jugendlicher, so etwa auf die Loslösung vom Elternhaus, die "peer-groups" sowie die Vorbereitung auf und den Übergang in den Beruf/vorberufliche Bildung/Erziehung und berufliche Grundbildung (vgl. DICHATSCHEK 1995, 67-76; HEITMEYER u.a. 1996, 31, PRAGER-WIELAND 2005, 15-29 und 75-98).

  • Theorien des differentiellen Lernens enthalten soziologisch-sozialstrukturelle Elemente einer Erklärung abweichenden Verhaltens und Einstellungen. "[...]dass eine Person dann deliquent wird, wenn Gesetzesverletzungen begünstigende Einstellungen gegenüber den Einstellungen, die Gesetzesverletzungen negativ bewerten, überwiegen" (LAMNEK 1990, 216).
    • Für das Auftreten von abweichendem Verhalten sind sowohl die Lebensgeschichte, die vermittels entsprechender Kontakte die bestimmenden Neigungen und Widerstände produziert, wie auch die aktuellen, situativen Umstände verantwortlich, die für den den einzelnen in einer bestimmten Situation als relevant empfunden werden"(LAMNEK 1990, 188-189). Wesentlich ist eine Gesellschaft, in der unterschiedliche Situationen und Wertvorstellungen vorhanden sind. "Besonders die Interaktion in 'intimen persönlichen Gruppen' mit abweichenden Verhaltensmustern wird als Erklärung für das Erlernen kriminellen Verhaltens benutzt. Gelernt werden so nicht nur die Techniken z.B. der Gewaltausübung, sondern auch die zugehörigen Einstellungen, Motive und Bewertungen" (MARTIN-MARTIN 2003, 70; vgl. die Erkenntnisse des operanten Konditionierens). Hinweise auf das Erlernen gewalttätigen Verhaltens in Familien sind Züchtigungen, Missbrauch in der Familie, private und berufliche Beziehungsprobleme, die in Schule und soziale Gruppierungen der Kinder und Jugendliche hineingetragen werden (vgl. HURRELMANN-PALENTIEN-WILKEN 1995, 58; TILLMANN 1999, 274).
    • Im differentiellen Identifikationslernen verhält sich eine Person dann kriminell, wie sie sich mit tatsächlich lebenden oder vorgestellten Personen identifiziert, aus deren Sichtweise kriminelles Verhalten annehmbar erscheint(vgl. LAMNEK 1990, 210). Übernommen werden Perspektiven, Wertvorstellungen und Handlungsweisen. Erweitert wird hier das lerntheoretische Modell durch die gesellschaftlichen Bedingungen . Spannungen und Konflikte im Elternhaus, wirtschaftliche Krisensituationen/Arbeitslosigkeit, soziale Isolation der Familie, Persönlichkeitsstörungen und Auffälligkeiten des Kindes werden als Indikatoren angegeben (HURRELMANN-PALENTIEN-WILKEN 1995, 21-22).
  • In einer faktisch multikulturellen Gesellschaft mit hochdifferentierten Sozialsystemen gibt es sozial, ethnisch und kulturell-religiös begründete Subsysteme, die einen subkulturellen Theorieansatz mit Unterschieden in Norm- und Wertvorstellungen begründen. Jugendliche Gruppierungen verschiedener Sozialschichten können Subkulturen bilden (vgl. HEITMEYER u.a. 1996, 37).
    • Die "Chicagoer Schule" hat in den USA mit ihren zahlreichen ethnischen Herkunftsgruppen diese Phänomene ausführlich untersucht. Eine umfassende "Subkulturtheorie" hat A.K Cohen entwickelt (1961, 1968), wobei er als Grundbedingungen in demokratischen Gesellschaften Diskrepanzen zwischen verlautbarten Ideologien und praktizierter Herrschaft bestimmter Schichten sieht. Der unterschiedliche Zugang zu Bildung, Ausbildung, Gesellschaftspositionen, Eigentum, Recht, Mitbestimmung und letztlich Macht lässt Widersprüche erleben.
    • Folgen sind Konfliktsituationen, Frustrationen und Unzufriedenheiten, wobei bei guten Kommunikationsmöglichkeiten und ähnlichen Anpassungsmöglichkeiten es zu Zusammenschlüssen kommt. Aus diesen bilden sich gemeinsame Verhaltensweisen, Rollenverteilungen, Werte und Normen in Subkulturen. So bilden sich bei sozial Unterprivilegierten Praktiken einer Selbstverteidigung, beginnend vom Aushalten eines Leidensdruckes über Vandalismus bis hin zu einer Kultur der Gewalt (vgl. MARTIN-MARTIN 2003, 72-73).
  • In den Anomietheorien geht man ebenfalls von einem schichtenspezifischen Gesellschaftsmodell aus. R.K.Merton als Vertreter des Theorieansatzes geht davon aus, dass Gesellschaften eine durch Normen geprägte "kulturelle Struktur" besitzen und demnach abweichendes Verhalten dadurch hervorgerufen wird, dass Gruppen/Gruppierungen und Personen - strukturell bedingt - unterschiedliche Mittel und Möglichkeiten offen stehen, um gesellschaftlich verlangte Ziele zu erreichen. Dabei kommt es zu gesellschaftlich bedingten Konfliktsituationen, die Gefühle der Desorientierung, Hilflosigkeit, Demütigung, Ablehnung des politischen Systems und eines konformen Lebens erzeugen. Unterschichtgruppen sind diesem Druck besonders ausgesetzt. In Schulen und Jugendorganisationen erleben offensichtlich Heranwachsende anomische Strukturen (vgl. SCHUBARTH 2000, 45).
  • Beim Labeling Approach geht man - wie die Anomietheorie - davon aus, ob abweichendes Verhalten nur dem Abweichler (und seiner Sozialisation)anzulasten sei. Auch hier zeigt es sich, dass ein solches Verhalten durch Gruppen- und Regeldruck Gruppen und Einzelpersonen zu Außenseitern etikettiert. Solche Stigmatisierungen führen neben sozialer Etikettierung (z.B. als Außenseiter) zu Desintegration und Bindung an Cliquen und können bis zur Gewaltneigung betroffener Heranwachsender gehen (vgl. TILLMANN 1999, 253).
  • In vielen Studien werden Identitätstheorien in Verbindung zu Gewaltproblemen gebracht. Hypothesen sind mangelhafte Entwicklung der jugendlichen Persönlichkeit, diffuse Werthaltungen, unklare Ziele und geringe Möglichkeiten im weiteren Bildungssystem sowie die soziale Zugehörigkeit (vgl. HURRELMANN-PALENTIEN-WILKEN 1995, 188). Bei Heranwachsenden mit "diffuser Identität" treten etwa niedriges Selbstwertgefühl, externe Kontrolle, stereotype Beziehungen, Unverständnis der Eltern, in Verbindung mit Abhängigkeiten von Peers und Autoritäten gehäuft auf (vgl. FEND 1990/ 1991).
    • Die Bedeutung des Bildungsprozesses für eine Identitätsentwicklung in der Adoleszenz hat H. Fend - aufbauend auf Ericson, Bronfenbrenner, Marcia u.a. - empirisch nachgewiesen. "Bei dieser Gruppe fällt die allgemeine Distanzwahrnehmung zur sozialen Umwelt ins Auge. Es sind hier eher schlechte Schüler vertreten, die wenig Aufmerksamkeit durch Mitschüler erfahren. Gleichzeitig nehmen sie aber geringe Zuwendung und Akzeptanz durch Eltern, Lehrer und Mitschüler wahr" (FEND 1991, 194). Vorberufliche, weltanschauliche, politische und geschlechtliche Rollenidentität sowie Freizeitkonsum spielen hier eine Rolle.
    • Für eine Aufgabenstellung einer Politischer Bildung/Erziehung sieht Helmut FEND als Hürden die problematische Entwicklung des Demokratieverständnisses und die starke Verbreitung eines Ausschließlichkeits- und Ausmerzungsdenkens im Sinne rechtsradikalen Potentials (FEND 1991, 78).
  • Ein besonderes Defizit des österreichischen (und deutschen) Erziehungs- und Bildungswesens, das inländischen Experten sehr wohl, allerdings mehr ausländischen Fachleuten auffällt, betrifft die vorberufliche Identitätsbildung Heranwachsender im allgemein bildenden Schulwesen und im Elternhaus. Die im traditionellen Bildungskonzept von Allgemeinbildung begründete Missachtung der Arbeits-, Berufs- und Wirtschaftswelt und generell des Praxisbezugs im schulischen Lernen schockieren internationale Erziehungswissenschaftler (vgl. PISA 2000; RAT DER EUROPÄISCHEN UNION 6872/05: Berufsberatung: Ein Handbuch für politisch Verantwortliche, Brüssel 1. März 2005). Das einhellige Verlangen nach effizienter schulischer vorberufliche Bildung - schulisch als Fachbereich "Berufsorientierung" bezeichnet - und Bildungsberatung verhallt ungehört (vgl. DICHATSCHEK 1995, 67-76; MARTIN-MARTIN 2003, 81; PRAGER-WIELAND 2005; SCHUDY 2002). Entsprechend harsch ist die Kritik, wenn es um das Fehlen bzw. die mangelhafte Nutzung des Prinzips career education als Fach und Projektfolge in Verbindung mit Bildungsberatung geht (vgl. "Jugend und Beruf - Repräsentativumfrage zur Selbstwahrnehmung der Jugend in Deutschland", BERTELSMANN STIFTUNG 2005). Desorientierung, Perspektivenlosigkeit, Verunsicherung und Entscheidungsunfähigkeit - gepaart ohne persönliche Beratung - ergeben fehlende "career identity" und erhöhen damit die Gefahr einer Orientierungslosigkeit und mangelhaften Sozialisierung. Heute benötigen Heranwachsende und Eltern Hilfestellungen gerade jener Institutionen, die Jugendliche unterrichten, erziehen, beraten und ausbilden (vgl. die gesetzlichen Aufgaben von Schule, Arbeitsmarktservice und Sozialpartnern sowie deren Umsetzung).
  • In den klassischen Rollentheorie wird menschliches Verhalten durch den Einfluss von Bezugsgruppen erklärt. Die spezifischen Erwartungen an Personen mit einer bestimmten Rolle ergeben Druck auf die Rollenträger. So ergibt sich gruppenkonformes Verhalten - beispielsweise die Berufs-, Alters-, Künstler- und Geschlechtsrolle
  • G.H. Meads interaktionistischer Ansatz betrachtet die Personen nicht als Rollenträger, vielmehr als handelnde Subjekte mit unterschiedlichsten Situationen und Entwicklungen. Identität kommt durch Wünsche, Zumutungen und Vorschriften in Verbindung mit Sprache und Gestik zustande. Die Person muss diese Zeichen deuten, verstehen, bewerten und Stellung nehmen. In der Didaktik der Literatur und Geschichte sind diese Ansätze grundlegend. So entwickelt sich Sensibilität und Maßstab von Personen in Verbindung mit verantwortlichem Handeln. In der deutschen Fachdiskussion sind verschiedene Teilprozesse einer erfolgreichen Identitätsbildung analysiert worden. Dazu gehört der Vorgang der Empathie nicht nur als kognitiver Prozess, sondern als affektiv-motivationale Komponente. Mit Hilfe einer gewissen Rollen-Distanz kann erst eine Ich-Identität entstehen und behauptet werden, wobei eine Ausbalancierung von Fremderwartungen und persönlichen Bedürfnissen notwendig erscheint (vgl. MARTIN-MARTIN 2003, 76-77).
    • Dieser Ansatz liefert Erklärungen für aggressives Verhalten, bei Identitätsstörungen, Fehlen bzw. begrenztem Vorhandensein von identitätsfördernden Interaktionsprozessen im Sozialisationsfeld und in der Biographie.
    • Man denke etwa an Schulen mit dem reinen "Frage-Antwort-Betrieb" und fehlendem pädagogischem Schulklima, unvollständigen Familien mit sozialen Drucksituationen und Jugendcliquen mit vorgegebenen Zielen und Handlungsmustern.
  • Auf die politische Identitätsentwicklung mit einem bildungsmäßig entsprechendem Demokratieverständnis und Handeln ist ebenso hinzuweisen. Benachteiligte Gruppen unserer Gesellschaft haben begrenzte Identitätsentwicklungsmöglichkeiten und damit Benachteiligungen (z.B. Jugendliche ohne Ausbildung, Migrantenfamilien, Behinderte; vgl. PISA 2000).
11 Konsequenzen für eine Prävention    

Gesellschaftliche und institutionelle Maßnahmen benötigen den theoretischen Hintergrund des Wissens über Gruppen, Subkulturen und sozialen Milieus, wobei schulische und/oder sozialpädagogische Gewaltprävention deutlich wird. Bedingungen der Gewaltentstehung und Gruppenmotivation sind zu beachten. Einflussmöglichkeiten sind zu nutzen. Eine Anomie ist abzubauen, prosoziales Lernen zu ermöglichen.

Der pädagogische Bezug zwischen Lehrenden und Heranwachsenden ist erforderlich. Unterricht und Schulleben erzieht in einem solchen Verständnis zu Rücksichtnahme und Empathie und führt zu moralischen Urteilen höherer Art. Solidarischer Umgang, Hilfe für Schwächere und Benachteiligte minimiert konkurrenzorientiertes Lernen.

Bildung und Ausbildung - begründet durch die Praxis von grundlegenden Unterrichtsprinzipien - in Verbindung mit Mitbestimmung und Mitverantwortung kultiviert den gegenseitigen Umgang und baut Zukunftsängste ab, schafft damit Selbstvertrauen und vermittelt positive Einstellungen.

Konflikte müssen in einer demokratischen Jugendkultur produktiv bearbeitet werden können. Dazu gehören Gesprächsbereitschaft und Angebote für Lösungsmöglichkeiten.

Projekte müssen Gelegenheit zu selbstgewählter und selbstmotivierter Arbeit geben können (vgl. RIHM 2006, 301-330).

Schulqualität und Schulentwicklung sind ein fortlaufendes Aufgabenfeld für eine Schulgemeinschaft, insbesondere unter Beachtung von Schülerinteressen (vgl. FEND 1998, RIHM 2006).

Schulische und außerschulische Beratungssysteme bedürfen der Anerkennung und Unterstützung. Die Förderung von Entscheidungsfähigkeit, schulischer vorberuflicher Erziehung/ Bildung und pädagogischer Schul-, Berufs- und Studienberatung ist einzufordern (vgl. "career education").

"Und ohne derartige Anstrengungen wird das eher wachsende Problem der Jugendgewalt in unserer Gesellschaft auch nicht zu lösen sein" (MARTIN-MARTIN 2003, 83).

12 Arten und Formen der Gewaltprävention    

Im Folgenden sollen nun Formen der Gewaltprävention aufgezeigt werden, die durch therapeutische Intervention ergänzt werden können (vgl. MARTIN-MARTIN 2003, 199-210).

12.1 Raum - Schulklima    

Heranwachsende benötigen für ihre Selbstentfaltung und persönliche Entwicklung Räume - Arbeitsraum, Bewegungsraum, Gesprächsraum, Lernraum, Erholungsraum, Freiraum, Entfaltungsraum und Lebensraum.

Schulgebäude und Schulräumlichkeiten mit ihrer Qualität sind als Bedingungen für eine Gewaltbereitschaft Heranwachsender nachgewiesen (vgl. FUCHS-LAMNEK-LUEDTKE 1996, 306).

Trotz attraktiver Projekte und zunehmender Bemühungen um zeitgemäße Räumlichkeiten für Heranwachsende bedarf es - im Rahmen von Schulentwicklung - der gemeinsamen Gestaltung und Pflege von Räumlichkeiten und einem wohltuenden Schulklima/-milieu.

12.2 Kommunikation    

Verbale Formen von Gewalthandlungen gehören unter Heranwachsenden zu den häufigen Arten eines fehlerhaften Sprachverhaltens. Eine "Schule ohne Gewalt" zeichnet sich aus durch miteinander reden und einander verstehen. Frustrationen werden durch Herabsetzungen, Beschimpfungen, Hetzparolen, Bedrohungen und sonstige aggressionssteigernde Kommunikationsmittel hervorgerufen. Klassengespräche, Gespräche von Lehrkräften mit Opfern-Tätern-Eltern und Verfahren zur Streitschlichtung bauen Verständnis, Empathie und Achtung auf.

Hinzuweisen ist auf die zunehmend feststellbaren Sprachentwicklungsstörungen bereits im Vor- und Grundschulalter, die in der Folge Kommunikationsprobleme erzeugen und Milieus, in denen sich Gewalt ereignen kann, leichter ermöglichen (vgl. SCHUBARTH 2000, 98).

TAUSCH-TAUSCH haben in ihren Studien die Auswirkung von Erziehungs- und Unterrichtsstilen der Lehrenden auf das Verhalten und Erleben Heranwachsender erforscht. Vorzufinden war eine große Verbreitung von verständnislosen, nicht umkehrbaren, geringschätzigen und amtsautoritären Äußerungen, die zu Auswirkungen auf Ängstlichkeit, gespannter Klassenatmosphäre, Widerständen, Unterrichtsstörungen, Vorurteilen, Kritiksucht, Unterentwicklung von Selbstständigkeit und sozialer Verantwortung sowie Aggressionen einzelner Heranwachsender führen bzw. in einen Zusammenhang gebracht werden können (vgl. TAUSCH-TAUSCH 1979, 211, 218-242).

12.3 Interaktionsförderung    

Neben der Kommunikation mit familiären, schulischen und gesellschaftlichen Einflüssen sind Gewaltphänomene in Interaktionsprozesse eingelagert. Fragen stellen sich beim Opfer-Zuschauer-Täter-Verhältnis - im Schul-, Erziehungs- und Freizeitbereich. Wirkung und Sinn von Strafen sind zu hinterfragen. Prävention verlangt jedenfalls gewaltlose Interaktionsweisen in Institutionen und alltäglichen Lebensbereichen.

Interaktion stellt das Medium für Identität dar, das Heranwachsende für ihre Ich-Stärke benötigen. Diese stellt die Vorbedingungen für sozial verantwortliches oder gewalttätiges Handeln dar. Lebens- und berufskundliche Fragen treten damit auf: Wer bin ich? Was kann ich? Wer möchte ich sein? Wofür setze ich mich ein? Wie gestalte ich meinen Alltag? Erikson spricht in diesem Zusammenhang bei Heranwachsenden von der Gefahr einer "Ich-Diffusion" - Unsicherheiten im Alltag, im Weltbild, bei Partnerschaft und Ausbildung (vgl. dazu beispielhaft das lebens- und berufskundliche Lernpaket der Polytechnische Schule/PTS und die Möglichkeiten des Religions-, Ethik- und politischen Unterrichts/ "Politische Bildung" im Schulsystem; OESTERREICH 2002, 51-194; HÄNDLE-OESTERREICH-TROMMER 1999, 105-114 und 220-226). Dazu gehört auch die Unterrichtsgestaltung mit der Verhinderung von Benachteiligungen, Etikettierungen, Verunsicherungen und Frustrationen, Notengebung und zeitgemäße Unterrichtsinhalte.

12.4 Medienerziehung    

Moderne Medien gehören zu den Vermittlern von Gewaltdarstellungen. Gesamtgesellschaftliche Entwicklungstendenzen, familiäre Umstrukturierungen mit lockerer Beziehungsstruktur, peer-group-Verhalten, mediale Präsenz an Arbeitsstätten und Medien im Alltag mit Werbung, TV- und Zeitungsgewohnheiten sowie der Internetgebrauch lassen Massenmedien an Einfluss gewinnen. Über den Stand der Forschung und Gewaltdarstellungen im TV und ihre Häufigkeit gibt es empirisch abgesicherte Studien (vgl. dazu ausführlich EISERMANN 2001, 33-41, 44-53). PISA 2000 erhebt die TV-Gewohnheiten der Heranwachsenden. 18,2 Prozent der 15jährigen sehen mehr als 5 Stunden täglich, Buben sehen Action-Filme kommerzieller Sender häufig und länger.

Komplexe Einflussvariablen lassen die Problematik von Gewalt und Medien - hier besonders das TV - nicht immer übersichtlich erscheinen. Als gesichert gilt die gegenseitige Wirkung des Medienkonsums und der Personen- und Umweltvariablen - ungünstiges Milieu, Konsum von aggressiven Filmen durch Eltern, mangelhafte Vorbildfunktion, Neugier, Reizsuche, mangelnde Bildung, Männlichkeitsstereotype, Aggressivität als Persönlichkeitseigenschaft, Vergeltungsethik, negative Sicht der Weltlage, raue Peergroup, Konkurrenzklima in der Schule und autoritärer Erziehungsstil der Eltern (vgl. MARTIN-MARTIN 2003, 131-132).

Zu beachten sind in der Alltagsdiskussion jene Publikationen, die von kommerziellen Interessen geleitet sind.

12.5 Moralische Erziehung - Wertebildung    

Prosoziale Erziehung/ Bildung ist eine wichtige Grundlage des friedlichen Umganges miteinander. "Selbstverständlich ist stabile Ich-Identität nicht ohne eine einigermaßen verlässliche Selbststeuerung aufgrund eines persönlich als verpflichtend empfundenes System von Werten und Wertpräferenzen möglich. Prosoziales Verhalten hängt einerseits davon ab, welche Werte die Handelnden bestimmen - kulturelle, soziale, humane, ökonomische, ästhetische usw.-, zum anderen davon, wie motiviert und wie effektiv sie diese Werte auch in kritischen Situationen vertreten und befolgen" (MARTIN-MARTIN 2003, 140).

L. Kohlbergs Erkenntnisse in den Stufen eines moralischen Urteils gelten auch für Überlegungen zur Wertebildung und Förderung sozialen Handelns zur Gewaltprävention.

- - -

Moralische Niveaus und Stufen nach KOHLBERG (1997, 26)

  • Niveau 1 - prämoralisch
Stufe 1: Orientierung an Strafe und Gehorsam

Stufe 2: naiver instrumenteller Hedonismus/ Konformität der Belohnung willen

  • Niveau 2 - Moral der konventionellen Rollenkonformität
Stufe 3: Moral des guten Kindes - gute Beziehungen und Anerkennung durch andere

Stufe 4: Moral der Aufrechterhaltung der Autorität - legitime Autorität und definierte Regeln im Zusammenleben

  • Niveau 3 - Moral der selbstakzeptierten moralischen Prinzipien
Stufe 5: Vertragsmoral und demokratisches Rechtssystem/ Gesetze

Stufe 6: Moral des individuellen Gewissens

Diese Niveaus und Stufen einer moralischen Entwicklung finden sich in allen Kulturen. Die Urteile sind kognitiv und bilden rationale Begründungen für ein Handeln. Das moralische Urteil auf einem der Niveaus bedeutet nicht das moralische Handeln, aber es ist mit ihm eine beschreibende Komponente verbunden.

Es gilt, dass die Familie und Primärgruppen den Bezugsrahmen bilden. Anerkennung und gute Beziehungen erziehen Heranwachsende zu freundlichen und umgänglichen Menschen. Heute spielt sich das Leben mehr als früher außerhalb der Familien und Gruppen ab. Kindergarten, Schule, Vereine und sonstige Sozialverbände erhöhen Ansprüche an das moralische Urteilen und Verhalten der Heranwachsenden (Stufe 3). In der Folge haben die Heranwachsenden daher bald die Stufe 4 zu erlernen. Damit sind demokratisch-zwischenmenschliche Beziehungen erforderlich, weshalb politische Bildung/Erziehung und Menschenrechtsbildung/ Erziehung ihre Berechtigung haben. Entscheidend scheint die Fähigkeit der Aufrechterhaltung der als widersprüchlich erlebten gesellschaftlichen Regeln und die Sinnfrage nach diesen zu sein (Stufe 5). In Stufe 6 ist dann erst Einsicht und Überzeugung zu einer Moralität vorhanden. Ablehnung von Gewalt in jeder Form, Verständnis für ein religiös-kulturelles Bild des Menschen, Bereitschaft zur Hilfestellung und persönliche Moral bilden hier die Grundlage menschlichen Zusammenlebens.

Pädagogen haben zu allen Zeiten über moralische Werte und Erziehung nachgedacht. Beispielhaft sind Pestalozzis Überlegungen mit Ähnlichkeiten zum Modell Kohlbergs - vgl. die drei "Zustände": tierischer Zustand (prämoralisches Niveau) - gesellschaftlicher Zustand (Stufe 4) - sittlicher Zustand (Stufe 6).

Im Rahmen von Experimenten zur Moralerziehung wurde Kohlbergs Schulkonzept der "Cluster School" in Cambridge/Mass. mit dem Modell einer "Just Community School" bekannt. Wesentliche Aspekte zur Förderung einer moralischen Entwicklung von Heranwachsenden sind eine überschaubare Interaktionsgemeinschaft, die Offenheit für alle SchülerInnen aus allen ethnischen und sozioökonomischen Gruppen, demokratisch besetzte Schulgremien, Schulautonomie, Projektunterricht, wöchentliche Vollversammlungen, ein Schul-Verfassungsvertrag und die Bedeutung des Literaturunterrichts (vgl. dazu ausführlich MARTIN-MARTIN 2003, 148-153 und KOHLBERG 1997, bes. 228 und 232).

Für eine kritische moralische Erziehung sind die folgenden Beispiele, die sich auf Erziehung und Unterricht in Schule, Familienerziehung, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung beziehen, von Bedeutung. Ein lernzielorientiertes Curriculum scheidet in dem Maße aus, wie es über die Heranwachsenden verfügt (vgl. offene Curricula). Lernziele sind vielmehr die Handlungsziele von zu Unterrichtenden und Lehrenden. Die Lernkonzeption muss die Beteiligung der Betroffenen im Höchstmaß ermöglichen. Kritische moralische Erziehung setzt voraus, dass die Heranwachsenden und Lehrenden aus ihrer üblichen Rolle heraustreten. Voraussetzung ist eine entsprechende Medienausstattung und Lern- und Erfahrungsorte außerhalb der Schule. Das methodisch-didaktische Repertoire einer sozialwissenschaftlichen Unterrichtung ist nötig (Lehrervortrag, Karikatur, Textanalyse, Unterrichtsgespräch, Internet - Fallanalyse, Talkshow, Pro-Contra-Debatte, Planspiel, Erkundung und Expertenbefragung; vgl. FRECH-KUHN-MASSING 2004).

Da sich durch außerschulische Lernorte besondere Probleme ergeben können, ist an die außerschulische Jugendarbeit zu erinnern. "Handlungsziele kritischer moralischer Erziehung können oft, besonders wegen ihrer politischen Dimension, nicht in der Schulklasse und Schule durchgesetzt werden, während dies von der Basis außerschulischer Jugendarbeit aus manchmal eher und mit größerer Reichweite möglich ist. Eine Zusammenarbeit beider Bereiche ist daher dringliches Anliegen" (FELLSCHES 1977, 201).

Im Folgenden soll auf das englische Projekt "LIFELINE" hingewiesen werden, weil es im curricularen Bemühen um moralische Erziehung beispielhaft dasteht und von ihm zu lernen ist (vgl. FELLSCHES 1977, 204-213). Mit dem Projektnamen verbindet sich das pädagogische Anliegen einer Erziehung für das Leben (Projektauftrag an das Oxford University Department of Experimental Psychology/Peter Mc Phail - I.R. Ungoed-Thomas - Hilary Chapman - Lilian Teeman/1966-1970). Das vor seiner Veröffentlichung 1972 an 20 000 Schülern erprobte Material hielten die Autoren für geeignet und praktikabel, einen Beitrag zur "moral education" leisten zu können. Kritisch wird man festhalten müssen, dass das praktikable Material ein rücksichtsvolles Einfühlen in moralisch-politische Themenstellungen bietet. Zwar ist das Curriculum sehr detailliert ausgeführt, bleibt aber offen für aktuelle Situationen mit der Möglichkeit, dass Schüler und Lehrer sich einbringen können. Hinzuweisen ist hier auf die Interaktionstheorie von M. Argyles. Aus der Sicht einer politischen Bildung/ Erziehung ist anzumerken, dass der ständige Ausgangspunkt von persönlichen Bedürfnissen und das Stehenbleiben bei Einfühlung und Empfindsamkeit einer politischen Perspektive entbehrt. Für moral education in Verbindung mit politischer Bildung/Erziehung ist das kommentarlose Nebeneinander von Konflikten - Halbstarkenproblem, Studentenunruhen und IRA-Überfälle - wenig geeignet ist. Mangelhafte Zielsetzung einer politischen Beteiligung an der Verbesserung von gesellschaftlichen Verhältnissen erzeugt Anpassung. Allerdings darf man nicht "LIFELINE" als unbrauchbar klassifizieren. "Wenn die Perspektiven politisch erweitert werden, dann ist Interaktionstraining weiterhin sinnvoll, erhält aber einen anderen Sinn und Stellenwert. Es ist dann Vor-Arbeit, Bereitstellung von Grundqualifikationen. Das Material müsste zusätzlich auf seine politischen Implikationen durchsichtig gemacht und so umgewandelt werden, dass es über Rücksichtnahmen hinaus auch zu solidarischem politischem Engagement führen kann" (FELLSCHES 1977, 215).

12.6 Projektarbeit    

Im Rahmen der Gewaltprävention spielt die spezifische Projektarbeit eine wesentliche Rolle (vgl. POSSELT-SCHUMACHER 1993, 218; MARTIN-MARTIN 2003, 157-160). Auch offizielle Stellen nützen den Projektansatz vgl. GRIFFEL 2000). Grundsätzlich ist zu bedenken, dass der Projekterfolg umso größer ist, desto genauer die jeweilige Organisation und Klientel - mit ihrer Biographie - definiert ist (z.B. Streetworker, Freizeitclub, kirchlicher Jugendkreis; Altersgruppe, Ausländer, Punks, Cliquen, Hooligans).

Vorschlag einer Projektstufenfolge

  • Erfahrung mit einer problembehafteten Situation
  • Definierung der Folgerungen
  • Erkundungen/Erforschung-Prüfung-Gliederung der Umstände - Klärung des Problems
  • Ausgestaltung der Annahme
  • Planentwicklung für das eigene Handeln - Zielformulierung
  • Sicherung von Ergebnissen - Überprüfung der Richtigkeit
  • Dokumentation
Die Projektmethode erweist in lerntheoretischer Hinsicht als Basis für Erfahrungslernen. Die Lernenden sind Selbstverursacher ihres Lernens, weil sie die Problemstellungen benennen.

Aspekte sind damit die Beteiligung mit dem jeweiligen Bedürfnis, die Akzeptanz, ein soziales Lernen (gemeinsame Zielsetzung, arbeitsteiliges Vorgehen, gegenseitige Abstimmung-Hilfestellung-Korrektur), Selbstständigkeit im Erkunden-Planen-Verantworten, Anerkennen der Regeln des prosozialen Lernens (Bewusstmachen von gewaltpräventiven Zielen, aggressionsfreies Verhalten auch in Konfliktsituationen, gegenseitige Bestärkung) und Gewährleistung für weitere Arbeit.

12.7 Konfliktbewältigung    

Da Konflikte nicht unbedingt mit Gewalt zu tun haben, wohl aber zu aggressiven Handlungen führen können, gehören Strategien zur Konfliktbewältigung als Grundform einer Gewaltprävention in Familie, Schule und Freizeit(vgl. NOLTING 1994, WALKER 2001).

Zu unterscheiden sind Rollenkonflikte, Konflikte durch Ich-Schwäche, Wert- und Kommunikationskonflikte.

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Methoden der Konfliktprävention und Konfliktbearbeitung (vgl. MARTIN-MARTIN 2003, 171-180)

- Prävention durch pädagogisches Verhalten (vgl. TAUSCH-TAUSCH 1979)

- Klientenzentrierte Beratung

Verständnis- und respektvolle Konfrontation

Alternativen und Vereinbarungen

Einhalten von Regeln/Kodex

Wiedergutmachung

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Konfliktbewältigungsprogramm nach Gordon:

Lehrer-Schüler-Konferenz, Familienkonferenz, Betriebskonferenz: Defintion des Problems-Sammlung möglicher Lösungsvorschläge-Bewertung und Entscheidung der Vorschläge-Richtlinie für die Realisierungsphase/Zeitplanung, Aufgabenverteilung und Verantwortung sowie Kontrolle-Bewertung der Effektivität(vgl. RIHM 2006, 367-380)

- Streitschlichtung durch SchülerInnen ("Peer - Mediation", vgl. WICHTERICH 1998)

- Kooperative Verhaltensmodifikation

Diagnose - Planung - Intervention

Erfassung der Sichtweise der Erzieher

Erfassung der Sichtweise der Erziehenden

Gemeinsame Sichtweise

Gemeinsame Zielbestimmung

Planung konkreter Interventionsmaßnahmen

Zeit- und Kontrollmaßnahmen

Methodeneinsatz - Erfolgsprüfung

Abschlussbewertung - Gesamtbeurteilung

12.8 Umgang mit gewaltbereiten Mitmenschen    

Reduzierung von Druck

Modell-Wirkung

Wertschätzung für Mitmenschen

Verzicht von Schuldzuschreibungen und Etikettierungen

Vermeidung von Autoritätsbeweisen und Provokationen

Rückmeldung des eigenen Verhaltens

Anwendung von Konfliktbewältigungsmodellen

12.9 Kooperation - Vernetzung    

Zusammenarbeit mit Eltern

Bearbeiten in Form von Schulentwicklungsmaßnahmen

Zusammenarbeit mit Gemeinde/Stadtteil/verantwortlicher Politik/Beratunginstitutionen/Telefonseelsorge/Polizei/Medienarbeit - Öffentlichkeitsarbeit

Bürger nehmen Anteil an Erziehungsarbeit und Hilfestellungen: "Schule/Jugendzentrum/Verein....ohne Gewalt"

Vernetzung der Institutionen: "Netzwerk gegen Gewalt" > http://www.netzwerkgegengewalt.org

Berücksichtigung der Belange von Mädchen/Frauen

Gewinnung von Multiplikatoren - Ausbildung von Beratungslehrern und Schulsozialarbeitern

Die folgenden Ausführungen beruhen auf einer betreuten Projektarbeit zu Gewalt bzw. Gewaltprävention im schulischen Umfeld im Rahmen des Lehrganges "Bildungsmanagement für Pflichtschulinspektoren/Pflichtschulinspektorinnen"(vgl. WIMMER 2016; PH Oberösterreich/2014-2016).

13 Die Rolle der Grundschule, (Neuen) Mittelschule/ MS und der Polytechnischen Schule im österreichischen Schulsystem    

Nach WIMMER (2016) erfordern diese drei Schularten besondere Notwendigkeiten einer Gewaltprävention, weil das weitere Bildungssystem auf diese Schularten aufbaut.

Unter Prävention werden Handlungen bzw. Maßnahmen verstanden, die ein Fehlverhalten vermeiden sollen.

Entwickelte Codes und Rituale helfen, Situationen zu entschärfen, aber auch soziale Unsicherheiten zu verhindern (vgl. GUGGENBÜHL 2012, 30).

Im Bundesverfassungsgesetz i.d.g.F. über die Rechte von Kindern, Artikel 5 findet sich der Hinweis: "Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafung, die Zufügung seelischen Leids, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung."

Ergänzend dazu gibt es eine umfassende Definition des Begriffs "Kindeswohl" im ABGB i.d.g.F.

- § 138 beschreibt wichtige Kriterien bei der Beurteilung des Kindeswohls wie Fürsorge, Geborgenheit und Schutz der körperlichen und seelischen Integrität des Kindes.

- Ebenso geht es um eine Vermeidung der Gefahr für das Kind, Übergriffe oder Gewalt selbst zu erleiden oder Gewalt an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben.

13.1 Grundschule    

Die Grundschule ist eine Elementarschuleinrichtung , auf der die Sekundarstufe I und II aufbauen. Die Grundschule ist die erste Pflichtschule, in der der Gleichheitsgrundsatz verwirklicht ist. Die Lernenden können daher als eine Schülergruppe gesehen werden, deren Streuung von körperlichen, kognitiven, emotionalen und sozialen Merkmalen stark geprägt ist.

Der Übergang von der Familie bzw. Vorschuleinrichtungen - Krippen, Kindergärten, Kindertagesstätten - in eine öffentliche Erziehungsinstitution mit Schulpflicht kann problembehaftet sein (vgl. andere Erwartungen, unterschiedliches Schuleintrittsalter und damit Voraussetzungen, Unterschied Schulreife und Schulfähigkeit). Mit der Schulaufnahme bzw. Rückstellung eines Kindes tritt ein Selektionsprozess ein.

Für den Unterricht an der Grundschule ergeben sich eine Reihe von Maßnahmen als präventive Funktion (vgl. Verringerung negativer Leistungsergebnisse [Individualisierung, Unterrichtsdifferenzierung, Unterrichtsmaterialbeschaffung, Fördermaßnahmen], realistische Lernziele, Kontrollierbarkeit von pädagogischen Maßnahmen, schrittweise Erziehungsprozesse mit Zwischenzielen und Techniken der Selbstregulierung und Selbstbekräftigung) (vgl. WILD 1996, 146).

13.2 (Neue) Mittelschule/ MS    

13.2.1 Pädagogisches Konzept    

Das Alter der Jugendlichen lässt erkennen, dass die Interessen und Gleichaltrigen neue Anforderungen an Schule und Gesellschaft stellen (vgl. ZENTNER 2011, 824). Für die Gewaltprävention ist von Interesse, dass viele der Gewalt verursachenden Faktoren von außen an die Schule hineingetragen und nur unter großen Anstrengungen von der Schule beeinflusst werden (vgl. HURRELMANN-BRÜNDEL 2007, 133).

Neben dem Erziehungsauftrag ist Schule auch in der Vermittlung von Werten gefordert (vgl. Anerkennung von Regeln und Vereinbarungen, Handeln in Verantwortungsbewusstsein, Entscheidungsfähigkeit und Kommunikationsbereitschaft, Kooperation mit dem Elternhaus in gegenseitigem Respekt; vgl. HURRELMANN-BRÜNDEL 2007, 135).

Die MS steht für ein pädagogisches Konzept einer zeitgemäßen Schule mit maximalen Bildungschancen und Handlungsoptionen, Entwicklung zur Mündigkeit und Kompetenzentwicklung (vgl. das Aufgabenfeld der Politischen Bildung; WESTFALL-GREITER/SCHRATZ/HOFBAUER 2015, 1, 35).

Als einer der wesentlichen Schwerpunkte der MS ergibt sich die Förderung der Resilienz. Diese ist zur Bewältigung von Krisen und Schwierigkeiten erforderlich (vgl. WESTFALL-GREITER/SCHRATZ/HOFBAUER 2015, 36). Schulen können Resilienz fördern, indem sie für das emotionale Wohlergehen und den sozialen Zusammenhalt als Voraussetzung für die Entwicklung der Persönlichkeit sorgen.

Soziale Kompetenz in Form der Kommunikation und die Schwerpunktsetzung durch neue Teamstrukturen und Organisationsformen wie Stufenteams und Teamteaching bringen verstärkt den Zugang zu Ideen der Gemeinschaft und des Austausches (vgl. "Wir und unser Jahrgang", "Wir und unsere Schule").

13.2.2 Peer-Mediation    

Zur Möglichkeit einer Konflikt- und Gewaltprävention zählt das Peer-Mediations-Programm an der MS. Arbeit mit erlebten Konflikten und emotionale Beteiligung der Lernenden kann nachhaltige Veränderung für das Schulklima und auch für die Einzelpersönlichkeit bringen. Als wichtiges Hilfsmittel zur Gewaltprävention an Schulen ist die Peer-Mediation mitunter sehr erfolgreich einzusetzen. Sie basiert auf der Erfahrung, dass die Konfliktregelung durch (ältere) Lernende von den Konfliktparteien besser angenommen wird als das Eingreifen von Erwachsenen (vgl. KÖLBL-LENDER 2006, 9). Dazu gehören

  • ausgebildete Peer-Coaches und Lehrende, die das Projekt begleiten und tragen sowie
  • Mindeststandards in der Ausbildung der Peer-Mediatoren, die aktiv in der Konfliktlösung eingesetzt werden (vgl. KÖLBL-LENDER 2006, 7).
  • Zu den Aufgaben eines Peer-Mediators/ Mediatorin gehören
    • Unparteilichkeit,
    • Einhaltung der Gesprächsregeln,
    • Verantwortlichkeit für den Ablauf einer Mediation,
    • Ausschöpfung des Konfliktlösungspotenzials und
    • Verpflichtung zur Verschwiegenheit.
Als langfristiges Programm, das nachhaltig in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren implementiert werden kann, verbessert sich das Arbeits- und Lernklima nachweislich (vgl. WIMMER 2016, 13).

13.3 Polytechnische Schule/PTS    

Die PTS mit ihrem vorberuflichen Bildungsauftrag und der Brückenfunktion zu den nachfolgenden Bildungsformen wie Lehre, BMS/BHS und AHS-Oberstufe als einjährige Schulform bietet Fächern wie Lebenskunde, Politische Bildung und Berufsorientierung Möglichkeiten der Bewältigung von Konflikten und damit der Vermeidung von Gewalt.

An relevanten Kontroversen an den Prinzipien der Vielfalt und Gleichheit zeigt sich dies beispielhaft (vgl. AUTORENGRUPPE FACHDIDAKTIK 2016, 71-72).

- Die beiden Prinzipien leiten den pädagogischen und didaktischen Umgang mit heterogenen Lerngruppen in der PTS. Die Anerkennung von Differenz und Gleichheit aller Menschen sind Grundwerte einer Demokratie, die in der jeweiligen Fachdidaktik in ein Spannungsfeld treten können.

- Gleichheit wird etwa in der interkulturellen Bildung zunächst als defizitär angesehen. Erst mit einer interkulturellen Erziehung und der Differenzannahme wird ein Verständnis für Minderheitskulturen akzeptiert und damit Vielfalt (Diversität) als Gleichwertigkeit gefördert. Bildung leistet so einen Beitrag zur Anerkennung des "Anderen". In der Folge werden Konfliktbereiche wie etwa "class", "gender" und "race" pädagogisch und didaktisch er-und bearbeitet und sind im Sinne der Unterrichtsprinzipien "Interkulturelle Bildung" und "Politische Bildung" thematisiert.

Damit kann ein pädagogischer Beitrag zur Vermeidung von Konfliktsituationen und einer Gewaltprävention bereits im schulischen Lernprozessen geleistet werden. Die angeführten drei Fächer im Kontext mit den beiden Unterrichtsprinzipien und der Schülerberatung leisten damit aktive Lebenshilfe.

14 Psychosoziale Entwicklung    

Ein wesentlicher Teil unseres Schulsystems ist von Leistungsbeurteilung geprägt.

- Lernende erfahren bereits bei Schulantritt, dass ihre Leistungen bewertet werden. Dies kann wesentlich für eine weitere Schullaufbahn sein.

- Kinder der Grundstufe können schwer ihre beurteilte Leistung abgrenzen und sehen in einer schlechten Note persönliches Versagen. Schulversuche auf der Grundstufe 1 ermöglichen alternative Leistungsbeurteilungen, um dem Entwicklungsstand der Lernenden unterstützend und motivierend entgegenzukommen. Derzeit gibt es keine gesetzlichen Regelungen, welche den Verzicht auf Notengebungen ermöglichen (Stand 2016).

- Noten bedeuten in Österreich Selektion. Die Note in der 4. Klasse Volksschule bedeutet eine Entscheidung über die weitere Schullaufbahn, über den Lehrplan, über die mögliche Stellung in einem Klassenverband.

"Alle diese Zurückstufungen stellen eine Form der Etikettierung dar, die einen höchst brisanten Risikofaktor für die Entstehung v0n Gewalt bilden. Außerdem geht von diesen Maßnahmen keine wirkliche Leistungsförderung der Betroffenen aus" (HURRELMANN-BRÜNDEL 2007, 163).

"Als Institution kontrolliert sie damit viele soziale und psychische Bedingungen ihrer Klientel, die aggressives Verhalten und Gewalt hervorrufen können. Die Kategorisierung als 'leistungsschwach' führt bei der Mehrzahl der Betroffenen zu einer Verunsicherung des Selbstwertgefühls und einer Minderung späterer sozialer und beruflicher Chancen. Aggressivität und Gewalt bei Schülerinnen und Schüler können - folgt man den Emotions- und Etikettierungstheorien - als Verteidigungs- und Kompensationsmechanismen gegen diese psychischen und sozialen Verunsicherungen interpretiert werden, die in der Schule entstehen" (HURRELMANN-BRÜNDEL 2007, 116).

Aggressivität und Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem bei Lernenden, die eine Anpassung an vorherrschende Wertvorstellungen angestrebt haben. Erweist sich kein Leistungserfolg und keine entsprechend gute Note, versucht man auf eine andere Weise Anerkennung zu gewinnen (vgl. HURRELMANN-BRÜNDEL 2007, 117).

- - -

Als positives Beispiel gilt das für die MS entwickelte KEL-Gespräch (KEL/Kind-Lehrer-Eltern), das verpflichtend durchzuführen ist. Freiwillig wird das KEL-Gespräch bereits in zahlreichen Volksschulen umgesetzt.

- Der Ablauf beginnt mit der Selbstpräsentation des/ der Lernenden. Was wurde fachlich dazugelernt, entdeckt, verstanden? Welche Ziele gibt es für die Zukunft? Die Eltern/Erziehungsberechtigte sind Zuhörer, Ziele oder Vereinbarungen werden gemeinsam getroffen und können schriftlich verfasst werden. In den gesetzlichen Vorgaben wir die wertschätzende Gesprächsatmosphäre und Stärkenorientierung hervorgehoben.

- Die Erfolge und Auswirkungen solcher Gespräche bringen Änderungen in der Rückmelde- und Beziehungskultur. Nicht zuletzt zeigten sich auch positive Auswirkungen auf die Beziehung Kinder-Lehrende-Eltern/ Erziehungsberechtigte. Es gelingt besser und erfolgreicher, manche Eltern/ Erziehungsberechtigte die pädagogischen Bemühungen zu unterstützen.

15 Familieneinfluss    

Gewalt und Aggression haben individuelle und gesellschaftliche, in den kulturellen und wirtschaftlichen Strukturen angesiedelte Ursachen. Diese Kinder werden nicht als solche geboren, sondern im Laufe ihrer Lebens- und Entwicklungsgeschichte durch die Einflüsse ihrer sozialen Umwelt zu solchen gemacht (vgl. HURRELMANN-BRÜNDEL 2007, 50).

Wesentliches Ziel einer Erziehung ist das Stärken des Selbstwertgefühls der Kinder (vgl. BUEB 2009, 64). Notwendig ist Führung durch Eltern und Vorgesetzte, die an einen glauben und dadurch stärken (vgl. BUEB 2009, 68).

- Nicht alle Eltern sind sich ihrer verantwortungsvollen Aufgabe bewusst. Indirekte und direkte Gewalterfahrung und Misshandlung lassen Gewalt in der nächsten Generation weitergeben (vgl. MANDL 2014, 15).

- Gewalt in der Familie beinhaltet mehrere Opfergruppen, die im häuslichen Kontext misshandelt, geschlagen und/oder erniedrigt werden.

In Österreich wurde das Gewaltverbot 1989 gesetzlich verankert (vgl. das Züchtigungsverbot § 146 ABGB i.d.g.F.).

- Im Artikel 19 der UN-Kinderrechtskonvention wurde ebenfalls 1989 das Recht auf gewaltfreie Erziehung festgeschrieben. Der Einsatz der Ohrfeige als legitimes Erziehungsmittel ist rechtlich verboten.

- Kinder sind aber nicht nur von physischer Gewalt betroffen, sie können auch in nächster Umgebung Gewalt miterleben. Durch das Miterleben von Gewalt werden sie auch in Folge Opfer der Gewalt (vgl. MANDL 2014, 12). Gewalt unter Eltern weckt in den Mindern ein Gefühl der Hilflosigkeit, ständiger Angstgefühle und Rückzugstendenzen. Psychosomatische Probleme sind mögliche Auswirkungen. Auffallend sind im Unterricht Unkonzentriertheit, Nervosität und unsoziales Verhalten mit den Folgen von Lernproblemen und negativen Noten (vgl. MANDL 2014, 13).

- Mit nonverbalen Signalen in der Schule muss sensibel umgegangen werden, wobei zu einer Enttabuisierung beigetragen werden kann.

16 Bullying bzw. Mobbing    

Als besondere Konflikt- und Gewaltproblematik in Arbeitswelt und Schule stellt Mobbing eine große Herausforderung dar. Längeres Mobbing macht Kinder und Jugendliche (auch Erwachsene) krank (vgl. BLUM-BECK 2015, 4).

16.1 Basis für Mobbing    

Mobbing unter Lernenden

  • zielt auf absichtliche Erniedrigung, Demütigung und Schikane,
  • beinhaltet Formen gewalttätigen Handelns nonverbal und verbal, Sachbeschädigungen und Körperverletzung,
  • richtet sich kontinuierlich gegen eine bestimmte Person,
  • findet wiederholt und über einen Zeitraum statt,
  • ist ein Gruppenphänomen,
  • ist gekennzeichnet durch ein extremes Macht-Ungleichgewicht und
  • verhindert die Möglichkeit, sich aus eigener Kraft aus der Situation zu befreien (vgl. BLUM-BECK 2015, 5; IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Mobbing in der Arbeitswelt und Schule).
Aggressionen unter Lernenden werden als Bullying oder Mobbing bezeichnet.

In Österreich werden viele Lernende gemobbt, wie es der OECD-Bericht 2009 zeigt.

- Das Bundesministerium für Bildung und Frauen reagiert mit Präventionsprogrammen, Informationen für Eltern und Lehrende sowie mit kostenlosen Hotlines. Universitär gibt es im Rahmen der Personalentwicklung Seminare.

- Nach BLUM-BECK (2015, 6) findet Mobbing zu 80 Prozent im Klassenzimmer, auf dem Schulhof oder im Treppenhaus/ Flur statt. Zudem sind die Toiletten und der Nachhauseweg Plätze für Mobbinghandlungen. Ein relativ neues Phänomen stellt Mobben in der virtuellen Welt des Internets dar, die Gesellschaft spricht von "Cyber-Mobbing".

16.2 Struktur    

Strukturell sind Voraussetzungen für das Mobben

  • eine zugespitzte Hierarchie mit fehlender Verantwortung,
  • eine Gruppe mit Zwangscharakter,
  • Leistungsdruck, Wettbewerb und Bewertungen,
  • eine langweilige Didaktik und monotone Methodik sowie
  • eine militärisch bzw. industrielle Organisationsstruktur.
Kennzeichnend sind vergleichbare Muster, vielfältige und komplexe Ursachen, strukturelle Bedingungen und personelle Faktoren in Verbindung mit Einflussfaktoren. Das Thema Selbstwert spielt eine wesentliche Rolle, gibt es doch in der Kinder-und Jugendzeit viele Veränderungen und erste Kontakte mit Institutionen (vgl. NUSSBAUMER 2014, 7).

Wenn in einer Gruppe Mobbing entsteht, sind alle beteiligt. Alle stützen das System , auch wenn ein Mitglied nichts tut bzw. nicht handelt. Das System hält sich aufrecht durch Angst, Drohungen, Selbstschutz, Scham und Entschuldigungen bzw. Rechtfertigungen (vgl. die Theorie der kognitiven Dissonanz).

16.3 Programm gegen Mobbing    

Aus dieser Spirale herauszukommen weist auf ein Programm aus Deutschland, das in den neunziger Jahren in England entwickelt ("no-blame-approach") und 2003 von Heike BLUM und Detlef BECK aufgegriffen wurde (vgl. BLUM-BECK 2015; http://www.no-blame-approach.de/schritte.html [3.6.16]).

Schritte im Überblick nach BLUM-BECK (2015)

Ziel dieser Intervention ist ein Aufhalten von Mobbing-Aktivitäten ohne eine Schuldzuweisung. Die Vorgehensweise erfolgt in drei zeitlich aufeinander folgenden Schritten.

  • Schritt 1: Gespräch mit der von Mobbing betroffenen Person
    • Das Gespräch wird allein mit der Person geführt.
    • Ziel ist die Bemühung, die Person für die geplante Vorgehensweise zu gewinnen und Zuversicht zu vermitteln.
  • Schritt 2: Gespräch mit der Unterstützungsgruppe (ohne Mobbing-Betroffene)
    • Die Gruppe versteht sich als Helfer-Gruppen für die Lehrenden.
    • Einbezogen werden die Hauptakteure des Mobbings, Mitläufer und Kinder, die keine aktive Rolle beim Mobbing innehatten. Mit 6-8 Lernenden wird eine Unterstützungsgruppe gebildet, die Möglichkeiten überlegt, wie jeder einzelne dem Mobbing-Opfer positiv entgegentreten kann.
  • Schritt 3: Nachgespräche einzeln mit allen Beteiligten
    • Nach ungefähr ein bis zwei Wochen wird mit jedem Lernenden - einschließlich des Mobbing-Betroffenen - besprochen, wie sich die Situation entwickelt hat.
    • Dieser dritte Schritt sorgt für Verbindlichkeit und verhindert, dass die Lernenden, die gemobbt haben, ihre Handlungen wieder aufnehmen.
Es bleibt eine ständige Aufgabe von Schulen, wirksam gegen Mobbing vorzugehen. Zusätzlich hat die Schule besorgten Eltern die Möglichkeit eines verständnisvollen Austausches anzubieten. Sorgen der Eltern sind ernst zu nehmen, die Kontakte sind zu pflegen und Situationen zu verfolgen.

Politische Bildung ist als Fach in der Sekundarstufe II in der Polytechnischen Schule, den Berufsschulen und im Rahmen von Rechtskunde an den BHS etabliert.

In der Sekundarstufe I - MS und AHS-Unterstufe - und in der Sekundarstufe II an der AHS-Oberstufe ist Politische Bildung im Fach "Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung" integriert.

Im Kontext mit der Historie ergeben sich andere Aspekte von Gewalt und deren Prävention als in der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Schulpädagogik .

Die Studie will auf diese Aspekte eingehen und sie kritisch beleuchten.

17 Aspekte von Gewalt    

In demokratischen Rechtsstaaten hat man Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass Gewalt allgegenwärtig vorkommt. Irritiert nimmt man zur Kenntnis, wie gering das Verhältnis zur Gewaltfreiheit in einer scheinbar zivilisierten Gesellschaft ist.

Gründe für Gewalttätigkeit, deren Strukturen, Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft aus der Perspektive der Politischen Bildung in Geschichte und Gegenwart werden im Folgenden angesprochen. Die Sehnsucht der Menschen nach Überwindung von Gewalt kann als Utopie bezeichnet werden.

Nur klare, regelkonforme und notfalls mit Gewalt durchsetzbare Machtverhältnisse mit Friedensbemühungen können vor zügelloser Gewalt schützen (vgl. BABEROWSKI 2016; WINTERSTEINER 2016a,b).

Geschichte beschäftigt sich mit Gewaltphänomenen mit Kriegen aller Art (vgl. BABEROWSKI 2016, 13-43).

- Besonders grausam und gewaltvoll sind, beispielhaft in Afrika der liberianische Bürgerkrieg 1990.

- Nicht weniger grausam war die Gewalt mit ihrer speziellen Art in den Konzentrationslagern im Dritten Reich als Bild des Schreckens.

Gewalt verändert alles. Wer ihr ausgesetzt ist, wird ein Anderer. Die Maßstäbe der Normalität verschieben sich. Nicht nur die Wehrmachtsangehörigen im Russland-Feldzug fanden keine Ruhe mehr, ebenso die US-Vietnam-Kämpfer. Britische Soldaten der Befreiung des KZ Bergen-Belsen können die Bilder von Toten und Gefangenen nicht vergessen.

Man glaubt gerne, unsere Welt sei gewaltfrei, weil wir in einer Region ohne Krieg leben (vgl. die Aktualität 1982 beim Balkan-Krieg vor den Toren Österreichs). Zudem kommt eine gewisse Friedfertigkeit in der Gesellschaft dazu. Das Gegenteil ist der Fall.

Nach der Gewalttat kommt die Stunde der Rechtfertigung .

- Die Täter verweisen auf einen Befehlsnotstand, auf Sachzwänge, tödliche Konsequenzen, (auch) höherer Werte und Ehrbegriffe. Mitunter wird mit der Bösartigkeit der Opfer argumentiert. Bekannt die Begründung mit Gehorsam (vgl. grausam vs. Gehorsam).

- Das Schreckliche rechtfertigt sich, indem die Täter auf Notwendiges und Unabänderliches verweisen.

Die Täter handeln und sprechen von Erwartungen in bestimmten Situationen.

- Gründe werden angegeben, Stolz wird angebracht, Heldentaten werden beschrieben.

- Ideologien sind kaum interessant gewesen.

- Einkommen und Fortkommen waren in dieser Zeit wesentlich.

Wer sich mit Geschichte beschäftigt, weiß, dass das Leben keine Aneinanderreihung von Ereignissen ist. Vielmehr setzt es sich aus Augenblicken zusammen. So kommt es, dass es keine Erklärung aus historischer Sicht für Gewalt gibt.

Man wundert sich bei uns, dass es Gewalt gibt. Gerade die Geschichte zeigt auf, dass Gewalt mit Grausamkeiten, Widerständen, Risiken und der Geringfügigkeit eigener Kraft stets vorhanden war.

Gewalt erzeugt Handlungszwänge, die nicht vorhersehbar sind. Weil es keine Regeln gibt, gerät Gewalt außer Kontrolle. Gehandelt wird in Situationen und in Räumen der Gewalt. Geographische Regionen, Lager, Gefängnisse und Anstalten gehören dazu. Subtile Gewalt geschieht in nicht beschreibbaren Räumen.

Normalität wird in solchen Räumen gepflegt. Wer Mord als Alltagsgeschäft betreibt, wird eine Verschiebung der Maßstäbe nicht erkennen. Diktatur und Terror ist Normalität. So versteht man die Bemühungen der westlichen Besatzungsmächte in Deutschland nach 1945 zur "re-education" als Erziehung zu einer Demokratie/ Deutschland.

Zu den Strukturen von Gewalt gehören deren Organisation und Institutionalisierung. Der Kanon von harten Strafen, Gratifikationen, Befehlsgehorsam, Hierarchie, Pflichterfüllung, Autorität und Zwang ermöglicht Gewalt und eröffnet Gelegenheiten. Mitleid gilt als Verstoß gegen einen Ehrenkodex.

18 Veränderung von Gewalt    

Europa lebt in einer Epoche von Friedfertigkeit (vgl. BABEROWSKI 2016, 44; man denke aber an die Krim- und Ukraine-Krise, den Balkan-Konflikt und den jahrzehntelangen Nordirland-Konflikt. Allerdings hat die Masse der Bevölkerung keine Erfahrungen mit Gewaltphänomenen. Mögliche Gewalttaten werden als die Ausnahme angesehen und den Gerichten überantwortet. Soldaten werden eher mit humanitärer Hilfe als mit Gewalttaten in Verbindung gebracht.

Medien transportieren abstraktes Geschehen von Gewalt. Dokumentationen mit historischem Hintergrundlassen vermitteln uns, dass niemals wiederkommen kann, was vor Jahrzehnten geschehen ist. Historie wird so zur Annahme, dass unsere Wirklichkeit Normalität sei.

Der Glaube an "Zivilisation" soll uns vor Barbarei schützen (vgl. die Bemühungen von Friedenserziehung als Teilbereich Politischer Bildung; ausführlich dazu WINTERSTEINER 2016a, 225-235).

18.1 Historische Perspektiven    

Aus der Perspektive von Geschichte ist von Interesse,

  • wie Gewalt in der Antike aussah,
  • wie im Mittelalter mit seinen Eliten mit Gewalt umging (vgl. BABEROWSKI 2016, 57-60),
  • wie Kreuzritter Blutbäder anrichteten,
  • wie Kaiser Otto I. 955 die Köpfe der Gegner auf eine Stange gespießt wurden,
  • wie in Europa vor rund 400 Jahren Menschen öffentlich hingerichtet wurden,
  • wie im Dreißigjährigen Krieg Bewohner massakriert und/ oder ausgeraubt wurden,
  • wie im 17. Jahrhundert mehr als 5000 Kriege in Europa geführt wurden,
  • wie gefährlich Reisen im 18. Jahrhundert war,
  • wie die Friedenspflicht letztlich nur für die eigene Gemeinschaft und nicht für Fremde galt und
  • wie der Zwang, sich der Konfession des Landesherren zu unterwerfen, eine Quelle der Gewalt war (vgl. BABEROWSKI 2016, 46-48).
In der frühzeitlichen Neuzeit setzte der Staat zur Durchsetzung seiner Macht brachiale Gewalt ein. Dazu kam die Gewalt zwischen Eheleuten, Eltern und Kindern, Bauern und Knechten, Offizieren und Landsknechten. Gehorsam wurde durch Einsatz von Gewalt erzwungen, weil keine anderen Mittel zur Verfügung standen. Rohe Gewalt war allgegenwärtig. Die Anwendung von Folter, öffentlichen Hinrichtungen und harten Strafen weist auf solche Phänomene hin (vgl. BABEROWSKI 2016, 49-50, 63).

Im 18. Jahrhundert verringerten sich die bewaffneten Konflikte in Europa.

  • Der öffentliche Raum wurde verstaatlicht, Kriegsführung wurde an Regeln gebunden.
  • Die Staatsmacht erzwang Gehorsam. Voraussetzung war der freiwillige Gehorsam mit der Bindung des Untertanen an den Machthaber.
  • Nunmehr sanktionierte der Staat durch Gefängnisstrafen und Disziplinierungsmaßnahmen wie Geldstrafen, Gefängnisstrafen und Beschlagnahmungen.
18.2 Zivilisation - Rückfall    

Die Rolle der Religion wirkt(e) für sich allein allein nicht gewalthemmend.

  • Die Religion war genauso gewaltdämpfend wie die Gesellschaft oder die Schicht, die sie trägt.
  • Ähnliches zeigt sich bis heute (vgl. BABEROWSKI 2016, 53-54).
Einen Rückfall in Barbarei bzw. "Entzivilisierung" gab es in der Herrschaft des Nationalsozialismus. Zu fragen ist nach Erklärungen, dass im Europa des 20. Jahrhunderts Millionen Juden getötet wurden, obwohl die Täter als "zivilisiert" galten.

Der Prozess der Zivilisation gilt historisch als Mythos. Mensch seien immer schon unter sozialen Zwängen gestanden.

  • Die Ethnologie kennt insbesondere einen sozialen Druck, der zunimmt, wenn die Umwelt als feindselig empfunden wird (vgl. das Misstrauen der Ritter gegenüber Anderen, Bauern bei Missernten, Hilflosigkeit bei Unwetterkatastrophen und Kriegen; vgl. DUERR 1996, 26).
  • "Wer vom Rückfall spricht, muss an den Fortschritt glauben[...]" (BARBEROWSKI 2016, 60). Es kommt in der Folge zu Überwachungstechniken, die ohne Gewalt auskommen und Macht erzeugen.
18.3 Moderne    

Mit sozialem Druck bzw. Zwängen in einer aufgeklärten und mitfühlenden Gesellschaft entstehen Normen, wie man in einer Gesellschaft lebt. "Man schämt sich nicht, weil man Strafe fürchtet, sondern weil man weiß, dass falsch war, was man gemacht hat" (BARBEROWSKI 2016, 68)

Beruf und Funktion bzw. gesellschaftlicher Status mit Rollenfunktion formen den Affekthaushalt. Die alten Formen der sozialen Kontrolle gingen verloren, Institutionen übernehmen deren Funktion, um ein Gleichgewicht der sozialen Kräfte zu bewahren und sich gegenseitig zu schützen.

18.3.1 Quellen der Gewalt    

In der Moderne hat der Einzelne mehrere Rollen zu erfüllen (vgl. Familie, Beruf, Freizeit, Lernender). Damit entsteht eine Doppelmoral mit dem Abbau von Konformitätsdruck. Man kann immer wieder ein Anderer sein, insbesondere in der Anonymität von Großstädten.

  • Das staatliche Gewaltmonopol ist ein Mittel gegenseitiges Schutzes, aber es kann auch eine Quelle der Gewalt sein. Wenn die Kontrolle der Gewaltinstrumente nur in wenigen Händen liegt, werden Gewaltmittel zentralisiert und einer Kontrolle entzogen. Diese Militarisierung ist in der jüngsten Geschichte historisch gesehen beispielslos (vgl. Nationalsozialismus, Stalinismus, Militärdiktaturen in Südamerika/Chile, Argentinien; BARBEROWSKI 2016, 70).
  • Entscheidend sind die Umstände, auf welche Weise das Gewaltmonopol des Staates gelenkt bzw. dosiert wird. Selbst der Handel als Verbindung der Menschen verzichtet nicht auf Geschäfte mit dem Tod (vgl. Waffenhandel, Schutzgelderpressung, Sklavenarbeit in Arbeitslagern).
  • Mit der Zerstörungskraft moderner Militärapparate im 20. Jahrhundert erwuchs der Krieg zu einem Gleichgewicht des Schreckens und eigener Vernichtung (vgl. SOFSKY 2002, 70-71).
  • Neue Formen von Gewalt traten auf (vgl. Amok und Terror).
Im außereuropäischen Raum kam es zu Gewaltformen, die in Europa nicht mehr möglich waren. Undenkbar waren Vorgangsweisen, die Zivilisten schützen und Kriegsgefangene nach der Genfer Konvention bzw. der Haager Landkriegsordnung behandeln sollten. Kolonialtruppen verwüsteten ganze Länder(vgl. Algerien/Frankreich, Togo/Deutschland; BABEROWSKI 2016, 73-75).

Kennzeichen der Moderne ist die Abhängigkeit von Räumen und Umständen bzw. Situationen, ob man sich für oder gegen Gewalt entscheidet.

18.3.2 Staat als Gärtner    

Wird in der Geschichte der moderne Staat als Gärtner bezeichnet, so geht es bei diesem Vergleich mit der Rolle eines Gärtners

  • um die Schaffung von Ordnung und Schönheit,
  • um die die Häufung von "Unkraut" (staatlich Fremdheit) und damit
  • um Ordnung (vgl. BABEROWSKI 2016, 83-84).
Erst der moderne Staat fand in seinem Machbarkeitswahn einen Vollstrecker. Technische Hilfsmittel ("Sozialtechnologie"), Bürokratie (Verwaltungsapparate)und politische Ideologien (Faschismus, Kommunismus, Nationalismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit) verhelfen zu einer Planung und Umsetzung von subtiler und offener Gewalt.

Zur Rechtfertigung von Gewalt in den verschiedenen Formen als dunkle Seite der Demokratie gelten der Nationalismus, Kolonialismus und die Idee moderner Diktaturen mit Vorstellungen von Mehrheiten, in deren Namen sie zu sprechen vorgaben. Ethnische, kulturelle und religiöse Minderheiten sollen hier keinen Platz haben (vgl. MANN 2002; verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Interkulturalität und Diversität/interkultureller Kompetenz > IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz, Migration in Österreich).

18.3.3 Europäische Geschichte    

Für die Politische Bildung im Kontext mit Geschichte ist der Zerfall der Vielvölkerreiche von besonderem Interesse.

  • Minderheiten wurden Fremde im eigenen Land. Man sah sie als Bedrohung für den ethnisch homogenen Nationalstaat.
  • Eine Vielfalt/Diversität wird letztlich zum Anlass der Vernichtung. Gewalt wird als attraktive Handlungsoption angesehen. Man beruft sich auf den Willen der Mehrheit, Reinheitsideologien und Heilslehren werden glaubhaft versprochen (vgl. BABEROWSKI 2016, 91-97)
Gewaltphänomene bringen Täter hervor, die ein gutes Gewissen haben. Die Geschichte spricht vom Versagen im diktatorischen Sozialismus (vgl. FRITZE 1998). Rationalität ist der Ursprung der Menschheitsverbrechen im 20. Jahrhundert. Die Vernichtung ganzer Ethnien bzw. Völkermord ist eine logische Eskalation der jeweiligen Ideologie.

  • Die Vorstellung in der Moderne, man dürfe alles tun, was einem Fortschritt dient, stellt Instrumente zur Verfügung, die das erlauben. Erst aus dem technischen Möglichkeit entsteht eine Verwirklichung. Nicht Ideen töten, vielmehr Menschen (vgl. BABEROWSKI 2016, 93-97). Die Moderne feiert sich als Zeitalter der Emanzipation und Freiheit. Tatsächlich ist es aber eine Epoche der Intoleranz und Vernichtung. Gewalt wird zum Mittel der Durchsetzung von Machtansprüchen, die bis zur totalen Vernichtung geht (vgl. die Stufen der Eskalierung von massiver Gewalt im 20. Jahrhundert > Entführung, Amok, Terroranschläge, Kriege, ethnische Säuberung, Holocaust).
  • Die Postmoderne versucht Faschismus und Kommunismus hinter sich zu lassen. Freiheit, Diversität, Toleranz, Respekt und Wertschätzung sollen ihren Stellenwert in einer humanen Gesellschaft erhalten. Toleranz soll in Solidarität umgewandelt werden. Dazu bedarf es entsprechender Rahmenbedingungen,
    • in den Lehr- und Lernprozessen in den Bildungsinstitutionen entsprechende personelle und finanzielle Ressourcen, entsprechende Curricula und Lehrende sowie
    • in gesellschaftspolitischen Bemühungen politischer, sozioökonomischer, kultureller und alltäglicher Integrationsbemühungen. Neben dem politischen Willen bedarf es beidseitiger Integrationsaktivitäten der einheimischen und zugewandernden Bevölkerung.
  • Allerdings ist eine moderne Rechtsordnung kein Garant für eine innere und äußere Freiheit, wie das Beispiel des Nationalsozialismus zeigt. 1940 gab es Widerstand gegen Eingriffe in die Rechtsordnung(vgl. Predigt von Clemens August Graf von Galen/Bischof von Münster gegen die Euthanasie, Widerstand gegen die Ermordung von Geisteskranken durch die Generalstaatsanwaltschaft von Graz; vgl. BABEROWSKI 2016, 98-99).
18.3.4 Außereuropäische Geschichte    

Millionen Menschen wurden in China, Kambodscha, dem Irak und Uganda ermordet. Der Terror war die Basis schwacher Staaten, Grausamkeiten ein Mittel der Macht. Angst war schärfste Waffe der Macht. Mao, Pol Pot, Idi Amin und Saddam Hussein waren Despoten, die Recht und Ordnung nicht kannten.

"Nie wieder Auschwitz" - Schleusen öffnen sich, Sicherungen sind entriegelt, Menschen können ohne Hemmungen zu Mördern werden (vgl. BABEROWSKI 2016, 106-108). Die Geschichte weist auf Gewalttaten bis in die jüngste Vergangenheit.

18.3.5 Rechtsstaatlichkeit in der Moderne    

Der moderne Rechtsstaat mit seiner Gewaltenteilung und seine Bürokratie sind Einrichtungen gegen die Ausbreitung von massiven Gewaltphänomenen. Wer aus der Staatsordnung ausgeschlossen werden muss, entscheiden Gesetze mit Rechten und Pflichten, Normen und Werten sowie Erwartungshaltungen.

Niemand kann bestreiten, dass die Moderne technischen und gesellschaftlichen Wandel begünstigte. Heute leben wir in einem klassischen Paradigmenwechsel gesellschaftlich-politisch-sozioökomischen Politikelemente, gekennzeichnet beispielhaft an Aspekten der Europakrise, Migrationswellen, Integrationsbemühungen, Bildungsreformbemühungen, Arbeitsmarktschwierigkeiten, Mobilitäts- und Globalisierungszwängen.

18.4 Strukturelle Gewalt    

18.4.1 Galtung - Spivak - Foucault - Schroer    

Johan GALTUNG (1975) hat mit seinem Buch "Strukturelle Gewalt" versucht, repressive Verhältnisse zu erkennen, in denen Menschen gefangen sind.

  • Ursache für Gewalt seien Verhältnisse, die Gewalt erzeugen. Diese müssten beseitigt werden, denn ohne Gleichheit, Freiheit und Wohlstand gäbe es keinen Frieden.
  • Die Überwindung von struktureller/anonymer Gewalt wäre also der Anfang vom Ende der Gewalt (vgl. BABEROWSKI 2016, 110-111).
Wenn körperliche Gewalt verschwindet, bliebe immer noch eine repressive und anonyme Gesellschaftsordnung übrig. GALTUNG versucht den Unterschied zwischen Sein und Sollen zu ziehen. Jede Unterlassung einer Hilfe wäre Gewalt (vgl. Tbc als Krankheit im 18. Jahrhundert als Unvermögen einer Heilung, kein Akt von Gewalt; Tbc heute mit der Möglichkeit einer Heilung wäre bei einem Todesfall ein Gewaltakt).

Grund für strukturelle Gewalt sei demnach soziale Ungerechtigkeit. Latente Gewalt hinterlässt am Körper keine sichtbaren Spuren. Dennoch wird sie als Leiden empfunden. In Europa wird Leiden als Störung des sozialen Friedens empfunden. In dynamischen Gesellschaften wird Leiden auffallen, weil anonyme Gewalt in Form von Stillstand auffällt (vgl. GALTUNG 1975, 16).

In solchen Gesellschaftsordnungen sind Machtchancen ungleich verteilt. Ungleichheit erzeugt nach GALTUNG strukturelle Gewalt. Körperliche Gewalt sei dann erlaubt, wenn sie sich gegen repressive Strukturen richte, die Ungleichheit und Abhängigkeiten erzeuge (vgl. GALTUNG 1975, 30).

GALTUNG argumentierte im Zeitgeist der siebziger Jahre. SPIVAK argumentiert in der Folge aus postkolonialer Sicht. FOUCAULT betont die Institutionen der Moderne als Orte einer unsichtbaren Macht.

  • Menschen sind an sich frei, werden aber von Hierarchien und Ordnungen daran gehindert.
  • Ähnliche Argumente liefert Jean-Jacques Rousseau, als dieser glaubte, der Mensch sei von Natur aus frei, liege aber überall in Ketten, weil er zum Sklaven der Verhältnisse geworden sei (vgl. BABEROWSKI 2016, 115).
  • GALTUNG liefert die Begrifflichkeit der "kulturellen Gewalt" als Instrument einer strukturellen Gewalt (vgl. GALTUNG 1990, 291-305).
  • 2008 verwendete Gayatri SPIVAK den Begriff "epistemische Gewalt", um ein postkoloniales Subjekt als "Anderes" zu konstruieren (vgl. strukturelle Gewalt wird von beiden als eine unsichtbare und unbewusste Struktur von Menschen bezeichnet, die nicht wissen, was mit ihnen geschieht).
  • FOUCAULT betonte Techniken der Disziplinierung in Institutionen der Moderne - Schulen, Kliniken, Kasernen, Internate/Heime, Gefängnisse - mit der Absicht von Abhängigkeiten. Er sieht in der Totalisierung der Macht und ständigen Kontrolle und Selbstunterwerfung des Subjekts eine Art der Gewalt (vgl. FOUCAULT 2004, 13-15).
  • SCHROER argumentiert, dass es Gewalt gäbe, gegen die der Verlierer sich nicht zur Wehr setzen könne ("Gewalt ohne Gesicht"). Zu nennen sind etwa die Handhabung der Leistungsgesellschaft, prekäre Arbeitsverhältnisse, sprachlose Einwanderer, Obdachlose und Arbeitslose. Solche Menschen ohne Integration in ein System werden ignoriert. Man müsse daher zwischen Gewinnern, Verlieren und Ausgebeutet unterscheiden. Als Konsequenz ergäbe sich eine Exklusion (vgl. SCHROER 2004, 156-158; vgl. die Bemühungen um eine inklusive Pädagogik bei REICH 2014).
18.4.2 Politische Bildung    

Politische Bildung hinterfragt den Zustand, ob nicht Menschen immer ausgeschlossen werden.

  • Beispiele dafür gibt es genügend, etwa Schüler/Studierende von Prüfungsberatungen und Kinder von Elternentscheidungen.
  • Ungleichheit kann auch auf Zustimmung beruhen. Was man selbst nicht leisten kann, sollen jene entscheiden, die mehr Macht und Wissen haben (vgl. in Unternehmen gehorchen Untergebene ihren Vorgesetzten).
  • Macht, Wissen, Hierarchie und soziale Differenz sind ein Modus der sozialen Organisation, nicht Repression. Eine Übertragung von Macht bzw. einer Entscheidungsbefugnis ist auch eine Entlastung von Entscheidungszwängen und damit unvermeidbar (vgl. LUHMANN 2012, 51).
  • Kaum bemerkt wird in den demokratischen Gesellschaften Europas, dass Gewohnheiten auf Abrichtung und innere Disziplin beruhen und solange jeder tut, was man erwartet das soziale Leben im Gleichgewicht sich befindet. Niemand ängstigt sich vor Sanktionen, sozialem Druck, Selbstdisziplinierung und Regeln. Eine Ordnung ist eine Quelle der Freiheit, und nur dort, wo sie mit Angst und Terror verbunden wird, wird sie als Gewalt empfunden (vgl. BABEROWSKI 2016, 124).
  • Psychische Gewalt ist an das Erleben des Opfers gebunden. Verhöhnung, Demütigungen, qualvolle Abhängigkeiten und Diskriminierung ergeben lange Schäden in der Persönlichkeit. Psychische Qualen und körperlicher Schmerz werden ausgelöst. Die Liste der Gewaltphänomene ist lang. Diktaturen, Kriege, Terrorismus und Schauprozesse, aber auch inhumane Arbeitsprozesse und körperlicher Missbrauch sind Beispiele für bleibende Schäden (vgl. BABEROWSKI 2016, 125-132).
19 Anthropologie - Themenvielfalt    

Im Folgenden geht es um das Wissen vom Menschen und in diesem Fall um die Mensch-Umwelt-Beziehung. Themen sind das Töten, Ordnung und Gewalt, Freiheit und Gewalt sowie Kultur und Gewalt (vgl. BABEROWSKI 2016, 135-194).

Gerade die Mensch-Umwelt-Beziehung bzw. das menschliche Handeln verlangt eine Reflexion.

19.1 Töten    

Beeinflusst wird dieser Themenbereich von den vielen Fragen um die Gewaltphänomene im Dritten Reich (Folterpraxis, Front, Lager). BABEROWSKI gibt als einfache und deprimierende Antwort: "Menschen können immer töten, wenn sie wissen, dass straflos bleibt, was sie tun und sobald das Töten zum Gebot wird, braucht niemand mehr eine Lizenz oder eine Legitimation" (BABEROWSKI 2016, 136).

  • Gewalt erzeugt Aufmerksamkeit, setzt Macht durch.
  • Der Mensch als Kulturwesen entwirft sich eine Welt mit einer Existenz des Seins. Zur Existenz gehören die Verletzungsoffenheit und das Wissen um den Tod.
  • Dieses Wissen formt soziales Handeln. Gewalt ist eine Handlungsmöglichkeit, wenn Räume es zulassen.
In der Soziologie der Gewalt soll die Aufmerksamkeit vermehrt auf die Sache selbst, nicht nur auf die Ursachen gelegt werden. Damit werden das Geschehen selbst und die Folgerungen daraus nicht mitgeteilt. Soziale Defizite wie elende Verhältnisse, Armut, Ignoranz und Unterdrückung werden nur verdrängt.

Anthropologen weisen auf das Geschehen selbst hin. Nur so meinen sie, kann man verstehen, was Gewalt ist und was sie anrichtet.

  • Gewaltsituationen sind offen, der Ablauf ist unvorhersehbar.
  • Zu einer Sicherheit des Ablaufes kommt es erst, wenn die Situation übersehbar ist.
  • Gewalt verändert die Handlungsspielräume und Menschen, allerdings nur für kurze Zeit (vgl. SOFSKY 2002, 25-26). Weil sie zur Ursache selbst wird, muss sie genau beschrieben werden.
  • Gewalt in Gruppen läuft anders ab (vgl. das Verhalten eines Anführers, Entschlossenheit, Konfrontation, Rückzug). Je größer die Gruppe ist, desto leichter gerät Gewalt außer Kontrolle. Hier endet Planung und Umsicht. Bei solchen Gewaltverhältnissen ersetzen keine Analysen von gesellschaftlichen Verhältnissen Ursachen von Gewaltphänomenen (vgl. v. TROTHA 1997, 26-27).
19.2 Ordnung und Gewalt    

Anthropologen berufen sich auf Thomas HOBBES bei der Frage nach dem Verzicht auf Gewalt bei gewalttätigen Menschen. In "Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates" (1651) meint es, dass Menschen, die von Natur aus Freiheit und Herrschaft über andere lieben, ein Leben in Selbstbeschränkung mit dem Ziel in Staaten leben, für ihre Selbsterhaltung und Zufriedenheit zu sorgen, damit einem Kriegszustand zu entkommen. Natürliche Gesetze sollen beachtet werden(vgl. HOBBES 1976, 131).

Wolfgang SOFSKY als Soziologe weist auf Gewaltphänomene in seinem "Traktat über die Gewalt" rund 350 Jahre später auf Gesetze hin, die niemanden vor Übergriffen bewahren und Schutzfunktionen und Bündnisse zur Sicherheit notwendig machen (vgl. SOFSKY 1996, 7).

  • Menschen werden nur durch Mächtigere am Töten gehindert.
  • Menschen verderben die Verhältnisse, nicht umgekehrt.
  • Sozialität ist dann erst möglich, wenn diese vertraglich vereinbart wird und Menschen auf Gewalt verzichten (vgl. SOFSKY 1996, 12).
Menschen tauschten ihre Freiheit gegen Ordnungssicherheit ein (vgl. SOFSKY 1996, 10-11).

  • Der Mächtige verzichtet auf Gewalt, weil die Schwachen gehorchen. Diese gehorchen, weil die Mächtigen andere daran hindern, ihr Leben zu bedrohen.
  • Rechte werden an Dritte übertragen, der Friede wird mit Gewalt erzwungen. Töten wird jenen übertragen, die Sanktionsmacht besitzen, mit dem Gewaltmonopol strafen bzw. Kriege führen.
Das Gewaltmonopol des Staates ist keine Versicherung gegen die Wiederkehr des Schreckens.

19.3 Kriege    

"Es gibt Räume, in denen die Gewalt nicht vermieden werden kann, so sehr man es sich auch wünschen mag. Zu ihnen gehört auch der Krieg" (BABEROWSKI 2016, 152). Zum Kampf gibt es keine Alternative. Deshalb töten Soldaten auch gegen ihren Willen (vgl. CANETTI 1994, 267).

Die Masse hält den Krieg in seinen Aktivitäten, auch wenn es keinen Sinn mehr macht. Wenn die Masse zur Belastung wird, die Aussichtlosigkeit sich für den Einzelnen zeigt, verlässt er sie. Dann folgt Flucht und Überlebenskampf und nur gruppenweiser Zusammenhalt im Verband kann den Einzelnen retten (vgl. WELLERSHOFF 1995, 273). Gewalt ist ihr Schicksal und wird zur Normalität.

Besonders prekär sind Spielräume zu bewerten, wenn bei Angriffen der Luftwaffe Möglichkeiten sich eröffnen (vgl. Schießen auf Fahrzeugkolonnen, Flüchtlingstrecks, Schulen und Krankenhäuser, Bombenangriffe auf Häuser mit Zivilisten, U-Bootkommandos auf Handelsschiffe, Panzerangriffe aus Häuser; in diesem Kontext sind auch die zwei Atombombenangriffe der US-Luftwaffe in Japan 1945 zu sehen).

Grausamkeiten im Krieg sind ein Zeichen der Verachtung. Besonders grausam war die Partisanenbekämpfung. Terror wurde mit Gegenterror vergolten, das Kriegsrecht galt nicht.

Großmut leistet man sich nicht. Mitunter wird dies auch als ein Zeichen der Schwäche ausgelegt. Wenn der Sieger den Frieden nicht garantieren kann, weil er keine Kontrolle ausübt/ausüben kann, weil Infrastruktur fehlt und/oder eine Kommunikation unmöglich ist, wird damit gerechnet, dass die Unterlegenen den Kampf wieder aufnehmen.

19.4 Freiheit und Gewalt    

Die Frage nach dem Gewaltmonopol des Staates mit einer Garantie für Frieden stellt sich in diesen Zusammenhang.

  • Aggressionen lassen sich durch Sanktionen und innere Repressionen unterdrücken.
  • Schutzhüllen der Zivilisation sind brüchig.
  • Vorherrschend ist eine homogene Vorstellungskraft mit dem Gedanken der Herrschaft (vgl. SOFSKY 1996, 18). Die Realität einer interkulturellen Landschaft mit gesellschaftlicher Vielfalt erzeugt einen inneren Unfrieden, der Zivilisationsprozess wird zum Mythos. Innere und äußere Wanderströmungen sind Realität.
    • Politische Bildung im Kontext mit Menschenrechts- und Friedenserziehung wird zunehmend von Bedeutung (vgl. WINTERSTEINER 2016a,b).
    • Vielfältige Integrationsbemühungen politischer, sozioökonomischer und kultureller Art werden notwendig. Staat und nicht-staatliche Organisationen bzw. Gruppierungen sind in ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gefordert(vgl. dazu auch die Bemühungen des "Österreichischen Integrationsfonds" > http://www.integrationsfonds.at).
19.5 Kultur und Gewalt    

Die Kultur bringt Ideen und Gedanken in eine Form.

  • Sie gibt Menschen Instrumente in die Hand, mit der er die Welt gestalten kann.
  • Der Mensch kann sich durch Kultur darstellen und erweitern.
  • Kultur gibt dem Menschen ein Antlitz (Humanität).
  • Allerdings ist Kultur gegen Gewalt nicht immun. So gibt es auch eine Kultur der Gewalt.
  • Menschen, die über Jahre in Gewalt leben, verändern ihre sozialen Beziehungen und dem Blick auf die Wirklichkeit. Sie bevorzugen autoritäre Konzepte. Offene Möglichkeiten kann man sich nicht leisten. Dies zeigt sich am jüngsten Beispiel von Kolumbien (vgl. WALDMANN 2007, 593-609). Ebenso erweist sich dies in den gegenwärtige Bürgerkriegen im Kongo, im Irak, in Afghanistan, Syrien oder Liberia, die nicht aufhören wollen (Stand 2016).
Kultur integriert Gewalt. Kultur formt Gewalt, Gewalt formt Kultur.

  • Unterschieden wir zwischen verbotener, gebotener und erlaubter Gewalt (vgl. Körperberührung und Blutrache als Gewaltarten).
  • Auch in Kriegen ist an sich das Töten von Sanitätern, Parlamentären, Kriegsgefangenen und Zivilisten/Kranken verboten.
  • Normen variieren von Kultur zu Kultur, innerhalb einer Kultur von Zeit zu Zeit (vgl. Gewalt gegen Frauen und Kinder).
19.6 Reflexion zur Anthropologie der Gewalt    

Die Anthropologie von Wolfgang SOFSKY kennt keine Zusammenhänge.

  • Sie begründet sich selbst.
  • Sie erhebt den Anspruch von Wissenschaft, ist aber literarisch.
Markus SCHROER sieht darin kein Verfahren des Verstehens, vielmehr ein Nacherleben und des Einfühlens. Gesprochen wird auch von Beschreibung und eigenen Gewaltphantasien. Allerdings ist die Beschreibung keine authentische Abbildung eines Geschehens.

Für die Anthropologie sind allerdings menschliche Nachempfindungen wie Schmerz, Hass, Wut, Verletzung und Ohnmacht wesentliche Elemente.

  • Adam JOHNSON hat etwa sein Erleben von Gewaltexzessen in Nordkorea beschrieben, literarisch und situativ (vgl. JOHNSON 2013).
  • Eine Anthropologie der Gewalt ist Ursachenforschung, die sich nicht mit Voraussetzungen, vielmehr mit der Gewalt selbst befasst. Sie beschreibt, was geschieht und wie Gewalt die Situation verändert (vgl. BABEROWSKI 2016, 193).
Nur Träumer sehnen den ewigen Frieden her, die Realisten wissen um die Brüchigkeit und Notwendigkeit einer regulativen Ordnung.

Veröffentlichungen von Behörden weisen darauf hin, dass Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und extremistische Gefahren für unsere Gesellschaft bestehen. Dies gilt für Österreich und den EU-Raum, wobei Deutschland von besonderem Interesse ist.

Im Folgenden wird auf politische Ursachen, Problemstellungen, Ziel und Zielgruppen, theoretische Grundlagen und den Bezug zu frauenpolitischen Zielen in der Lehrerinnenbildung eingegangen (vgl. DICHATSCHEK 2005, 357-367).

20 Erklärung von politischen Ursachen von Gewalt    

Eine sozialwissenschaftliche Gesamttheorie zur umfassenden Erklärung politischer Ursachen von Gewalt gibt es derzeit nicht. Es gibt aber Erklärungsansätze und Deutungsmuster, deren bekannteste von Theodor ADORNO (1975), Wilhelm HEITMEYER (1993) und Richard STÖSS (1989) stammen.

Adornos Ansatz ist ein psychologischer, Heitmeyers ein sozialer und der von Stöss ein politischer.

  • Der psychologische Ansatz geht von einer frühkindlich-familiären Sozialisation aus, die autoritäre Unterwürfigkeit, Aggression, Rigidität, Aberglauube, Stereotype und Vorurteile kennt. Machtdenken und Zynismus sind ebenso erkennbar.
  • Der soziale Ansatz sieht die Ursachen in gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen, die als Kennzeichen eine zunehmende Individualisierung von Lebenslagen mit einem Verlust von Bindungen an Traditionen, Lebensformen und soziale Gruppierungen wie Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Vereinen aufweisen. Besonders Jugendliche werden verunsichert und gesamtgesellschaftlich orientierungslos, sie können Gefühle der Ohnmacht und Vereinzelung erleben. Eine Verarbeitung kann bei einer Identifikation mit einer Gruppe bzw. Gruppierung mit bestimmten Merkmalen - Nation, Rasse, Weltanschauung oder gleichgesinnte Peer-Groups - erfolgen.
  • Der politische Ansatz bezieht sich auf Krisenerscheinungen in Staat und Gesellschaft. Man denke an Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrisen, ungleiche soziale Entwicklungen, Statusverlust oder Verarmung. Durch Bindungsverluste kann es zu Radikalisierungs- und damit zu Gewalttendenzen kommen.
21 Problemstellungen    

Bildungsinstitutionen als Teil der Gesellschaft haben auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren und müssen Entwicklungswahrscheinlichkeiten antizipieren (vgl. den Aufgabenbereich Politischer Bildung). Unbestritten sind Gewaltphänomene Entwicklungen, vor der sich eine Lehrerinnenbildung nicht verschließen kann.

Neben der Wissensvermittlung und einer Persönlichkeitserziehung ist es Aufgabe der Schule und Erwachsenenbildung,

  • demokratische Grundhaltungen zu festigen und
  • für die Aufgaben in der Arbeits- und Berufswelt sowie
  • den Alltag zu erziehen (vgl. § 2 Schulorganisationsgesetz 1962; die Unterrichtsprinzipien wie Politische Bildung, Wirtschaftserziehung, Umwelterziehung und interkulturelle Bildung).
  • Erwachsenenbildung hat den Auftrag einer Politischen Bildung im Sinne einer demokratischen Erziehung (vgl. die Bemühungen 2016 um eine Vernetzung und vermehrte Lehre/Unterrichtung von Zielgruppen und Interessierten; unabhängig davon bedarf es einer Aus- und Fortbildung von Erwachsenenbildnern in Politischer Bildung).
Eine Therapie ist keine schulpädagogische Aufgabe (vgl. die Behandlung von Gewalttätern mit psychotherapeutischen, polizeilichen oder strafrechtlichen Maßnahmen).

Pädagogische Maßnahmen sind immer präventiv. Im Rahmen von Wissensvermittlung erwerben die Lernenden Kenntnisse über Gewaltphänomene in den verschiedenen Fächern bzw. Bereichen, wobei die Fachbereiche Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, Geographie und Wirtschaftskunde, Deutsch, Religion und Ethik gefordert sind. Die Schüler- bzw. Bildungsberatung und der Schulpsychologische Dienst unterstützen diese Bemühungen im individuellen Bereich.

Wissen ist kein Garant für die Abweisung von Gewalt, daher gibt es einen Erziehungsauftrag für alle Bildungsinstitutionen (nicht nur Schulen), der fachdidaktische Maßnahmen (Prinzipien) beinhaltet, die der Entwicklung von Gesinnung, Moral und Haltungen dienen sollen.

Damit ist die Lehrerinnenbildung - umfassend für Lehrende an Schulen und der Erwachsenenbildung - angesprochen, die ganz bestimmte Qualifikationsmerkmale im Rahmen demokratischer Einstellungen für eine Lehrbefähigung Lehrender erforderlich macht. Fragestellungen für eine zeitgemäße Aus- und Fortbildung Lehrender ergeben sich daraus.

  • Welche Verhaltensmerkmale sind für eine demokratische Einstellung notwendig?
  • Wie erwerben Lernende demokratische Einstellungen?
  • Wie muss eine Bildungsinstitution organisiert sein, damit solche Einstellungen erworben erden können?
  • Wie sind Tendenzen antidemokratischer Einstellungen bei Lernenden erkennbar?
  • Welche Qualifikationen benötigen Lehrende?
  • Welches Handlungsrepertoire benötigen Lehrende, damit Lernende demokratische Einstellungen erwerben?
  • Wie sind Lehrenden diese Fähigkeiten in einer Lehrerinnnbildung - Aus-, Fort- und Weiterbildung - zu vermitteln (vgl. Fachdidaktik einer Lehrerbildung bzw. Hochschuldidaktik)?
22 Ziel - Zielgruppen    

Ziel von Maßnahmen einer Lehrerinnenbildung ist es,

  • Studierenden in der Ausbildung und den im Dienst stehenden Lehrenden in der Fortbildung professionelle Kompetenz zu vermitteln.
  • Diese befähigt sie, Heranwachsenden und Erwachsene zur Demokratie zu erziehen.
Lernende erlernen so

  • auf Gewalt bei Konfliktsituationen zu verzichten und sie durch sozial akzeptables, effektives und produktives Verhalten zu ersetzen,
  • demokratiefeindliches Verhalten in einem sozialen, politischen und ökonomischen Schaden zu erkennen und demokratisches Verhalten im sozialen Umfeld zu regelleitenden Normen zu entwickeln,
  • das Andere im Fremden zu akzeptieren, zu verstehen und in einem Vergleich mit dem Eigenem und in Solidarität mit dem Fremden auf dem Boden der geltenden Verfassung zu agieren sowie
  • in ethnisch gemischten Gruppen zu lernen, zu arbeiten und Freizeit zu gestalten, eigene und gemeinsame Interessen einzubringen und durchzusetzen sowie Konflikte demokratisch auszutragen.
Neben einem Widerstand gegen antidemokratische Tendenzen bedarf es einer Erziehung zur Akzeptanz multikultureller bzw. interkultureller Realitäten in der Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitswelt.

Ein wesentliches Merkmal im Berufsbild Lehrender sind ihre Funktionen als Multiplikatoren. Aufgabe ist es, Lernende in ihren kognitiven, affektiven, psychomotorischen und sozialen Entwicklungsprozessen zu unterstützen, positive Entwicklungstendenzen zu verstärken und negative bzw. unerwünschte zu korrigieren. Im Idealfall kann man von einer Vorbildfunktion ausgehen.

Für schulinterne und außerschulische Fort- und Weiterbildung - etwa SCHILF, Personalentwicklung, Hochschullehrgänge, universitäre Veranstaltungen - bedarf es unterstützender Systeme. Solche Netzwerke sind im Internet abrufbar, wobei mitunter ihre Kurzlebigkeit wenig hilfreich sein kann (vgl. beispielhaft http://www.netzwerkgegengewalt.org; EPALE > http://ec.europa.eu/epale/de).

23 Theoretische Grundlagen    

Erziehung zur Demokratie ist Aufgabe einer Politischen Bildung und Erziehung, als eigener Fachbereich und in Teillehrzielen in einzelnen Fächern als Unterrichtsprinzip.

Ein Ansteigen extremistisch motivierter Straftaten und verschiedenster Gewaltphänomene wurde bisher von diesem Fachbereich nicht verhindert.

  • Die Fachdidaktik berücksichtigte nicht den Erwerb politisch relevanter Einstellungen, Überzeugungen und Handlungsdispositionen (vgl. BOHLEN 1998, 556, 558).
  • Fragen auf hohem Niveau wie das Entstehen von Gesellschaft, Grundbedingungen von Individuen und Gruppen zur Vergesellschaftung, Entstehen, Aufgaben und Politik von Staat sowie Chancen und Gefahren der Zukunft werden dagegen behandelt.
  • Man kann davon ausgehen, dass eine gewisse Gleichgültigkeit aus dieser didaktischen Fragestellung bei Lehrenden abzuleiten ist. Die Betonung liegt demnach in diesem Fachbereich auf Erziehung. Damit ist die allgemeine Schulpädagogik gefordert.
Vor diesem Hintergrund den daraus resultierenden Fragestellungen ist es angebracht, sozialwissenschaftliche Theorien zu prüfen, ob und mit welcher Reichweite ein Beitrag zur Politischen Bildung und Erziehung geleistet werden kann.

Angesprochen werden im Folgenden die Bindungstheorie (BOWLBY 1997, 17-26), die Theorie der Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit (KOHLBERG 1996, 7-40), die Anomietheorie (DURKHEIM 1995) und die Demokratietheorie (NEUMANN 1998).

23.1 Bindungstheorie    

John BOWLBY (1997, 20) formuliert die folgenden Annahmen.

  • Eltern und Elternersatzpersonen entwickeln Bindungen zum Kind und umgekehrt. Die Qualität dieser Bindungen ist wesentlich, ob ein Kind psychisch gesund oder ungesund aufwachse.
  • Die Fähigkeit zum Aufbau emotionaler Bindungen sei bei Neugeboren schon vorhanden und bleibe das gesamte Leben bestehen. Neue Bindungen ergänzen eine gesunde Entwicklung.
  • Ein Kind sucht bei Bezugspersonen Schutz und Trost, daher bleibt es bei ihnen in Reichweite"(Konzept des Bindungsverhaltens").
  • Die Umwelt wird erkundet, Kontakte zu Gleichaltrigen werden aufgenommen. Dieses verhalten ist antithetisch zum Bindungsverhalten, wobei eine vorübergehende Trennung von der Bezugsperson ohne Leid ertragen wird.
Nach BOWLBY gibt es drei verschiedene Bindungsmuster.

  • Das Bindungsmuster mit gesunder Entwicklung, bei dem die Eltern bzw. Elternersatzpersonen verfügbar, feinfühlig und hilfsbereit sind, erzieht ein Kind, das sich sicher fühlt und den Anforderungen gewachsen ist.
  • Das zweite Muster ist eine unsichere-ambivalente Bindung mit Kindern, die Hilfe suchen. Auf Grund der Unsicherheit gibt es eine Neigung zu Trennungs- und Erkundungsängsten.
  • Das dritte Muster ist die unsichere vermeidende Bindung, in der Kinder kein vertrauen auf Unterstützung besitzen und Zurückweisung erwarten. Hier kann es zu einem Leben ohne Liebe und Unterstützung anderer kommen.
Von Interesse ist die empirisch verifizierte Tatsache, dass Bindungslosigkeit häufig zu Orientierungslosigkeit führt, wodurch sich die Frage nach schulpädagogischen Maßnahmen stellt.

23.2 Theorie der Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit    

Die Grundlage für den Ansatz von KOHLBERG (1968) gliedern sich in drei Kriterien.

  • Ein verhaltensbezogenes Kriterium betrifft den Widerstand gegen eine Versuchung. Das Individuum führt auf Grund innerer Widerstände eine vielleicht gewünschte Handlung nicht aus (vgl. Schwindeln bei Schularbeiten/Klausuren).
  • Ein weiteres Kriterium, das für eine Internalisierung moralsicher Standards spreche, sei das Gefühl der Schuld. Bei der Verletzung kultureller Normen empfindet man Reue, Angst oder Schuld. Auch Lerntheorien, die sich mit dem Gewissen beschäftigen, sehen im Schuldgefühl das Motiv für Moralität einer Person. Ein Kind/Heranwachsender würde sich moralisch verhalten, um Schuld zu vermeiden.
  • In der Folge des dritten Kriteriums soll es bei Verletzungen der kulturellen Norm zur Ausbildung einer Urteilsfähigkeit kommen, wobei diese auch begründet werden soll (vgl. KOHLBERG 1996, 7-40, bes.8).
Die einzelnen Entwicklungsstufen sind als invariante Sequenzen zu verstehen. Dies bedeutet das schrittweise Durchlaufen der Stufen, wobei dies sich in unterschiedlichen Zeitabständen vollziehen kann.

Moralische Urteilsfähigkeit ist pädagogisch beeinflussbar.

23.3 Anomietheorie    

Emile DURKHEIM (1897) schrieb in seinem Buch "Der Selbstmord" über die Gesellschaft, dass sie Denken und Handeln stark beansprucht. Die Macht bestimmt sie (vgl. DURKHEIM 1897/1997, 273).

Mit Anomie wird der Zustand gesellschaftlicher Regel- und Normlosigkeit beschrieben, wobei unzureichende Interaktionen vorhanden sind. In einer Erweiterung der Theorie wird auch von einem Zusammenbruch der Kulturordnung infolge einer Auseinanderentwicklung von kulturellen Werten und Zielen sowie sozialen Möglichkeiten gesprochen. Von einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit abweichenden und illegitimen Verhaltens ist auszugehen (vgl. den Bildungsauftrag der Interkulturellen Kompetenz zur Erhaltung und Festigung von Normen, Werten und der Kulturordnung).

Die Begriffe Globalisierung und Individualisierung sowie Toleranz, Ambiguitätstoleranz, Solidarität, Respekt und Wertschätzung in einer inter- bzw. transkulturellen Gesellschaft mit Migrationsströmen weisen auf einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel hin.

Der gesellschaftliche Wandel zeigt sich im Zusammenbruch politischer Systeme, in der Globalisierung von Kapital und Kommunikation, in der Massenarbeitslosigkeit, in kulturell-religiösen und ethnischen Auseinandersetzungen und in Gewaltphänomenen.

DURKHEIMs Erkenntnis einer Lockerung sozialer Kräfte im Kontext einer Schwächung bzw. Untergrabung von Verbindlichkeiten, Werten und Normen ergibt pädagogische Konsequenzen der sozialen Einbindung intermediärer Institutionen, wie es Bildungsinstitutionen sind, und einer Sicherung universaler moralischer Standards.

Politische Bildung reagierte mit moralischen Standards in der "moral education" (vgl. FELLSCHES 1977, 200-214).

23.4 Demokratietheorie    

Im Vergleich zu den bisherigen theoretischen Ansätzen gibt es mehrere Demokratietheorien, wobei die direkte und dialogische Demokratie referiert werden.

23.4.1 Direkte Demokratie    

"Demokratie ist ein Gemeinwesen zu nennen, das unter Anerkennung der Würde der Menschen allen Bürgerinnen und Bürgern die gleiche politische und soziale Freiheit zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit gewährleistet und dafür die wirtschaftlichen und bildungsmäßigen Voraussetzungen schafft, alle öffentlichen Entscheidungen dem Willen der jeweiligen Mehrheit unterwirft, dem Volk selbst die Legitimation der rechtsstaatlichen Verfassungsorgane überlässt und seine Selbstregierung darüber hinaus durch Volksbegehren und Volksentscheid ermöglicht" (NEUMANN 1998, 69).

Geht man von diesem Demokratiebegriff aus, so sind Mitentscheidungen und Mitverantwortung der Lernenden konsequent und eine Lehrerinnenbildung gefordert. Politische Bildung in den Lehrer_innenbildungsinstitutionen ist um eine Facette der Aus-, Fort- und Weiterbildung reicher, denn es geht auch um die Praktizierung demokratischer Verhaltensweisen.

Zu vermerken ist aktuell ein Defizit der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft und das Abschieben der Thematik an die Politikwissenschaft (vgl. den Universitätslehrgang für Politische Bildung). Die Lehramtsausbildung für das Schulfach "Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung" deckt lediglich die fachdidaktische Komponente des Zusatzes "Politische Bildung" zum Fach ab, d.h. einen Kontext zur Geschichte. In der Allgemeinen Erwachsenenbildung laufen Bemühungen zu einer Aufwertung, wobei eine entsprechende Fachbildung für Erwachsenenbildner fehlt.

23.4.2 Dialogische Demokratie    

Die dialogische Demokratie geht von liberalen und deliberativen Demokratie aus (vgl. GIDDENS 1997, 160).

  • Liberale Demokratien sind gekennzeichnet durch viele Institutionen mit fragwürdigen Werten, die zu immer mehr Ablehnung mit ihren Funktionären führen.
  • Deliberative Demokratien entwickeln sich dagegen prozessartig mit mehreren Antworten auf politische Fragen. Transparenz hilft und verschafft mehr Legitimität. Es kommt zu einem offenen Dialog.
GIDDENS vertritt die Ansicht, dass dialogische Demokratien in Bereichen außerhalb der offiziellen Politik und bürokratischer Institutionen sich zu etablieren begonnen haben. Als Beispiele nennt er die neue Qualität familiärer Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, die Ausbreitung sozialer Bewegungen und Selbsthilfegruppen sowie in der Organisationsentwicklung die Strukturen einer Dezentralisierung, Flexibilisierung und Verantwortungsverlagerung nach unten. Folgerichtig ergeben sich für die Politische Bildung

  • Verantwortung für sich und andere tragen,
  • Ausgestaltung sozialer Beziehungen und
  • Übernahme struktureller Organisation.
Voraussetzung sind demokratische Umgangsformen und eine Etablierung demokratischer Grundsätze, die sich durch Direktheit und Dialog auszeichnen.

23.5 Frauenpolitische Ziele in der Lehrer_innenbildung    

Frauen spielen in der Lehrerbildung und in vielen Lehrerkollegien eine Rolle. Oftmals sind mehrheitlich Frauen an Schulen tätig, die Schulleitungen und die Schulaufsicht sind ebenfalls mit Frauen besetzt. In der Schulverwaltung werden hohe Leitungsfunktionen häufig von Männern ausgeübt.

In der Beruflichen Erwachsenenbildung sind Funktionen der Lehre überwiegend von Männern besetzt, in der Allgemeinen Erwachsenenbildung teilweise gleichwertig aufgeteilt. Dies ist auf Faktoren zurückzuführen, die auf Politische Bildung hinweisen.

Emanzipatorische Zielsetzungen in Österreich begründen sich mit der Einrichtung eines Frauenministeriums in den siebziger Jahren und der regelmäßigen Veröffentlichung von Frauenberichten.

  • Für Schulen und ihre Lehrerbildung gilt, dass es geboten ist, den hohen Anteil weiblicher Lehrkräfte an Grundschulen zu reduzieren und männliche Lehrkräfte zu erhöhen. Laufbahnrechtliche Änderungen bei APS-Lehrenden am Beginn ihrer Berufslaufbahn könnten pädagogische Intentionen zur Verbesserung schulischer Situationen unterstützen.
  • Für die Erwachsenenbildung gilt der umgekehrte Fall in der Lehre, wobei generell die Erwachsenenpädagogik förderungswürdig erscheint.
24 Reflexion    

Der Beitrag umfasst einen Einblick in die Rolle von Bildungsinstitutionen - mit Schwerpunkt der allgemein bildenden Pflichtschule mit Grundschule, Mittelschule und der Polytechnischen Schule - in einen Bereich, der international lang schon von Interesse, national aber wenig Beachtung findet (vgl. OLWEUS 1996).

Zudem bedarf es einer genaueren Analyse von Aspekten für eine zeitgemäße Politische Bildung. Als Teilbereich ist Menschenrechtserziehung ein Themenbereich mit komplexen Situationen von Gewaltphänomenen, Lösungsansätzen und einer wenig in Österreich ausgebildeten Friedenspädagogik.

Aktuelle Anlässe für den Themenbereich sind die Ereignisse um die Fußball-EM in Frankreich (Randale von Hooligans) und das Massaker von Orlando mit 50 Toten (Stand Juni 2016).

Lehrerinnenbildung ist mehr den je eine Notwendigkeit in Politischer Bildung, im Kontext mit Menschenrechts- und Friedenspädagogik in Ausbildungsformen des Lehramts und Formen für Lehrende in der Allgemeinen Erwachsenenbildung.

Aktiviert ist die Thematik in der Schule durch einen Beitrag von ZEIT ONLINE vom 26. Februar 2016/Österreich-Ausgabe "Mobbing: Martyrium im Klassenzimmer" > http://www.zeit.de/2016/10/mobbing-schule-oesterreich-alltag.

Zudem erschien in der Schriftenreihe der Bundesanstalt für politische Bildung eine Publikation von Jörg BABEROWSKI zu "Räumen der Gewalt" (2016). Eine Analyse von Gewalt, Wirkung, Zivilisierung, der Moderne und Gewalt, anonymer Gewalt und der Anthropologie von Gewalt ist unabdingbar. Erst dann wird man über Präventionsmaßnahmen im größeren Rahmen nachdenken können.

Wer sich mit Politischer Bildung im Kontext mit Menschenrechtserziehung beschäftigt und in der APS-Lehrer_innenbildung stand bzw. in der universitären Lehramtsausbildung steht und Politische Bildung in der Allgemeinen Erwachsenenbildung betreibt, erkennt ein zutiefst pädagogisches Anliegen, das vermehrt Anstrengungen schulintern (Schulentwicklung) und in der Lehrer_innenbildung anzeigt (vgl. ausführlich zur Lehrerbildung DICHATSCHEK 2005, 357-367).

  • Keine Bildungsinstitution kann sich heute der Thematik von körperlichen, psychischen und verbalen Übergriffen auf Lernende (und Lehrende) entziehen.
  • Es scheint, dass in unserer Gesellschaft Gewalt als Phänomen als eine fixe Konstante vorhanden ist. Allerdings wird der Begriff heute differenzierter aufgeschlüsselt. Im Kontext mit Gewaltprävention wird Bildung und ihre Institutionen von der Öffentlichkeit und damit den Bezugswissenschaften in Verbindung gebracht.
  • Schule als Ort zentraler Bildung wird als eine besonders geeignete Institution für Gewaltprävention angesehen.
  • Die Vorbeugung gegen inakzeptable Gewaltformen schon bei Kindern und Jugendlichen beginnt bei der Intensivierung der individuellen Förderung der Leistungen der Lernenden und der klaren Umgangsformen innerhalb einer von Lehrenden und der Schülerschaft miteinander abgestimmten Schulkultur (vgl. HURRELMANN-BRÜNDEL 2007, 8).
  • In der Folge zeigen sich die Phänomene von Gewalt bzw. der Notwendigkeit von Gewaltprävention in allen Teilbereichen der Gesellschaft und gesellschaftlichen Umständen wie der Politik, Ökonomie, Kultur, Religion, Ethik und Geschlechterrollen.
  • Gefordert sind auf der gemeinschaftlichen Ebene neben allen Bildungsinstitutionen Familien, Vereine, sozial-kulturell-religiöse Gruppierungen, Medien und letztlich die Gesamtgesellschaft.
  • Gewaltprävention gelingt dann am besten, wenn Institutionen gut vernetzt sind, innere Strukturen mit äußeren Angeboten abgestimmt sind und eine enge Zusammenarbeit ermöglicht wird. Als Netzwerkangebot wurde 2002 dieses "Netzwerk gegen Gewalt" begründet, das sich heute auch als "Netzwerk für Bildungsfragen" versteht.
  • Für die Kinder- und Jugendarbeit, in der Folge eine notwendige Elternarbeit und Lehrerinnenbildung, bedeutet Gewaltprävention das Setzen von Handlungen und Maßnahmen, um Fehlverhalten zu vermeiden. Dabei wird unterschieden zwischen
    • Primärprävention (bevor es zu Schädigungen kommt),
    • Sekundärprävention (Reduzierung von Gewalt und deren Beendigung) und
    • Tertiärprävention (nach der Beendigung von Gewalt und einer Verhinderung neuerlicher Gewalt).
Pressehinweis

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Literaturhinweise III    

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Zum Autor    

Lehrbeauftragter am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien/Berufspädagogik-Vorberufliche Bildung (1990/1991-2010/2011), Schüler- und Schulentwicklungsberater, Lehrerbildner am Päd. Institut des Landes Tirol/ Vorberufliche Bildung ("Berufsorientierung") (1994-2003), Lehrbeauftragter am Institut für Geschichte der Universität Salzburg/ Lehramt "Didaktik der Politischen Bildung" (2015/2016)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche in Österreich(2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009), Lehrender an den VHSn Zell/See (2011-2015), Saalfelden (2016 ) und Stadt Salzburg (2017)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/Doktorat? (1985), des 10. Universitätslehrganges "Politische Bildung"/ Universität Salzburg bzw. Klagenfurt/ MSc (2008), des 6. Lehrganges "Interkulturelles Konfliktmanagement"/ Integrationsfonds-BM.-I./ Diplom (2010), des 7. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz / Universität Salzburg/ Diplom (2012), des 4. Internen Lehrganges für Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2015/2016), der Weiterbildungsakademie Österreich/wba I/ Diplome (2010)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 13. Juli 2023