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Forum Diskussionen / Jul04

de.sci.sociology HelmutLeitner in Diskussion mit Richard Blume

Richard Blume wrote:
> 
> Moin,
> 
> > ... Gewalt ist ein negativer Begriff.
> 
> Ja? 
> Gewalt ist ein Begriff der weder gut noch böse ist, sondern
> irgendetwas benennt, das irgendwie (wahrscheinlich verschieden)
> definiert ist. Um überhaupt zu einer Wertung des Begriffs zu kommen,
> müsste er definiert werden, meine ich- Du müsstest schon sagen, was
> der Begriff *Dir* bedeutet.

Warum nicht? Du tust so als wäre das ein großes Problem.

Für mich ist 
  "Gewalt ist die Durchsetzung des eigenen Willens unter Inkaufnahme 
  der Schädigung anderer Personen bzw. ihrer Interessen"

Aus der Sicht der Gemeinschaft (als Referenzsystem für gut und böse)
ist das immer negativ zu sehen.

> 
> Betrachten wir die Worte "Staatsgewalt" oder "Gewaltenteilung"- dort
> wird Gewalt anscheinend als Synonym für staatliche Gewalt, für
> Machtausübung verwendet. Ist staatliche Macht/Gewaltausübung gut oder
> schlecht? 

Du gehst davon aus, dass "Gewalt" in jeder Wortzusammensetzung
das gleiche bedeuten muss. Das scheint mir zu einfach gedacht.
Worte werden ständig in analoger und bildhafter Weise für ähnliche, 
aber nicht gleiche Zwecke verwendet (z. B. fällt "Naturgewalt"
gar nicht in diesen Zusammenhang)

Aber zu deiner Frage:
  "Staatliche Gewaltausübung" kann gut oder schlecht sein, je 
  nachdem, wie du "Staatliche Gewaltausübung" definierst.
Mach das bitte, du bist eine Definition im Rückstand.

> Macht es einen Unterschied, wie der Staat, der sie ausübt,
> beschaffen ist und welche Rolle darin der Einzelne spielt? 

Alles macht einen Unterschied.

> Wenn es einen Unterschied macht, dann warum und wie? 

> Gibt es dann bösere und bessere Gewalt/Machtausübung? 

Natürlich. Wenn z. B. Gewalt ausgeübt wird, um mehr Gewalt 
oder Schaden zu verhindern, dann ist das besser als wenn
z. B. Gewalt zum politischen Machterhalt verwendet wird.

> Wenn es keine Unterschiede gibt, müssen
> die Staaten dann alle weg? 

Wie gesagt, es gibt Unterschiede. 
Die Staaten müssen nicht "alle weg".

> Falls ja, wie verhindert man dann das
> Ausbrechen individueller Gewalt?

Das kann man nicht verhindern, aber man kann - wie in der Medizin - vorsorgen.
 
> Und damit bist Du dann auch schnell bei den moralischen Überlegungen
> zu Gewalt durch/an Einzelne/n. Angenommen, jemand will mit dem Messer
> auf Dich losgehen, darfst Du den dann moralisch korrekt
> niederschlagen? 

Ja.

> Ist dieser Akt des Niederschlags dann Gewalt oder
> nicht? 

Ja, natürlich. 
Jede Gemeinschaft sieht Notwehr als legitim an.

> Falls nein, warum nicht?

Es ist nicht "nein", also stellt sich die Frage nicht.
 
> Wie sieht es mit den Staaten untereinander aus, gibt es
> Rechtfertigungen für Krieg? 

Rechtfertigungen werden oft versucht, haben aber nur Sinn in Bezug
auf ein Referenzsystem. 

Im Bezug auf die Staatengemeinschaft kann es nur dann eine Rechtfertigung
geben, wenn durch den Krieg eine glaubhaft größere Gewalt abgewendet wird.

> Und noch ein Stück erweitert, angenommen
> die USA verhängt Wirtschaftssanktionen gegen ein Land woraufhin dann
> Armut und Hunger herrscht- ist das Gewalt

Es ist Gewalt gegen diese Menschen. Die Verantwortung dafür kann
aus deinen Angaben nicht eindeutig zugeordnet werden, aber eine Mitschuld
und Mitverantwortung dafür liegen zweifellos bei der USA.

> und falls ja, würde es Terror gegen die USA rechtfertigen? 

Terror ist Gewalt, die primär unschuldige Menschen trifft, ohne dass
glaubhaft gemacht werden kann, dass dadurch "größere Gewalt" vermieden wird.
Deswegen kann IMHO Terror nicht gerechtfertigt werden.

> Umgekehrt, dürfte die USA dann wiederum einmarschieren?

Das wäre eine Frage, die die Staatengemeinschaft glaubwürdig 
diskutieren und entscheiden müsste. 

> Gewalt ist nichts einfaches, sonst hätten wir sie längst abgeschafft.

Glaubst du, das weiß ich nicht?
Aber sie ist nicht so kompliziert, wie du sie machen willst.

Eine Relativierung von Gewalt gibt keinen Sinn.
Eine Minimierung von Gewalt gibt Sinn.

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am July 5, 2004