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Migration in Österreich
(Weiterleitung von Aspekte eines Migrantentums)

Aspekte eines Migrantentums    

Theorie und Konzeption einer Migrationsgesellschaft    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Aspekte eines Migrantentums   
Theorie und Konzeption einer Migrationsgesellschaft   
Widmung   
Danksagung   
Vorbemerkung   
1 Aktualität der Thematik   
I THEORIEN-KONZEPTE   
2 Theorien und Konzepte   
2.1 Pädagogische Konzepte   
2.1.1 Interkulturelle Pädagogik nach Gogolin und Krüger-Potratz   
2.1.2 Konzeption nach Nohl   
2.1.3 Zielsetzungen nach Auernheimer   
2.1.4 Migrationspädagogik nach Mecheril   
2.1.5 Interkulturelle Erwachsenenpädagogik/-bildung nach Heinemann-Robak   
2.2 Diskurs zum Kulturverständnis   
2.2.1 Kulturalisierung   
2.2.2 Hybridisierung   
2.2.3 Transkulturalität   
2.2.4 Othering   
2.2.5 Repräsentationsverhältnisse   
2.3 Rassismuskritik   
2.3.1 Rassismus   
2.3.2 Institutionelle Diskriminierung   
2.3.3 Critical Whiteness   
2.3.4 Intersektionalität   
2.3.5 Interkulturelle Bildung   
2.4 Pädagogische Professionalität   
2.5 Sprachenerwerb   
2.5.1 Sprachdidaktik   
2.5.2 Sprachbiographie   
2.5.3 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen/GERS   
2.5.4 Sprachprüfungen und Zertifikate   
II MIGRANTENTUM IN ÖSTERREICH   
3 Migrantentum in Österreich   
Einwanderung - Asyl - Zielland   
Begriff Migration   
Kulturelle Vielfalt in Österreich/Zahlen-Daten-Fakten   
3.1 Schmelztiegel Wien: Geschichte und Zuwanderung   
3.2 Migration nach Wien   
3.3 Migration nach Österreich - Berühmte Österreicher mit Migrationshintergrund   
3.4 Christliche Migrationsgemeinschaften   
3.5 Buchbesprechungen   
Migration und Konfession   
Moscheebaukonflikte in Österreich   
Islamgesetz 2015   
3.6 Islam   
3.6.1 Modell Österreich   
3.6.2 Islamische Erziehung nach dem Koran   
3.7 Österreich   
3.8 Sprachpolitik und Sprachprobleme   
3.9 Zeittafel zu Minderheitsfragen in Österreich   
3.10 Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen Wien   
3.11 Dokumentation AK Vorarlberg/Wahl 1999   
3.12 Tirol   
3.13 Vorarlberg   
3.13.1 Besonderheiten   
3.13.2 Migration nach dem Zweiten Weltkrieg   
3.13.3 Aktuelle Migration   
3.13.4 Integrationsarbeit in Vorarlberg   
3.14 Frauenspezifische Aspekte   
III STATISTIK - BERICHTE/Auswahl   
Statistisches Jahrbuch für Migration und Integration 2010 - Statistik Austria   
Integrationsbericht 2011 des Innenministeriums/B.M.I   
Integrationsstaatssekretariat des BM.I - 20 Vorschläge zur Integration/6. Juli 2011   
Wanderungsstatistik 2012   
Bildungsstand der migrantischen Bevölkerung 2012   
Globale Migration   
IV TAGUNGSBERICHTE   
4 Religionskonflikte/Tagungsberichte - Tagung in St. Virgil Salzburg - "Studientag Islam"/Theologische Kommission der Evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich - Fachtagung "Migration und Arbeitswelt"/AMS Tirol - Fachtagung "Europa und das Andere"/Universität Wien-Institut für Konfliktforschung (IKF)-Demokratiezentrum Wien(DZ) - Workshop "Islam in Österreich"/Tagungshaus Wörgl der Erzdiözese Salzburg - Veranstaltung "Zukunft der Arbeit - Migration und Arbeit"(management-club Österreich/BM.I.)- Tagung "Migration aus der Sicht von Forschungs-Bildungs-Kooperationen. Ergebnisse und theoretische Reflexionen"/BMWF-Demokratiezentrum-Universität Wien   
4.1 Tagung St. Virgil Salzburg   
4.2 Studientag Islam   
4.3 Fachtagung "Migration und Arbeitswelt"   
4.4 Tagung der Universität Wien "Europa und das Andere - Konflikte um Geschlecht und Religion"   
4.4.1 Zwischen Bedrohung und Bereicherung   
4.4.2 Kopftuchpolitiken   
4.4.3 Die "andere" Religion im Mediendiskurs   
4.4.4 Historisch kulturell geformte "Türkenbilder" im Kontext politischer Debatten   
4.5 Workshop "Islam in Österreich"   
4.6 Forum "Zukunft der Arbeit - Migration und Arbeit"   
4.7 Tagung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung - Demokratiezentrum - Universität Wien "Migration aus der Sicht von Forschungs-Bildungs-Kooperationen. Ergebnisse und theoretische Reflexionen", 29. März 2011, Juridicum Wien   
4.8 Symposion des Instituts für Bildungswissenschaften der Universität Wien und des Österreichischen Zentrums für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen - Universität Wien, 1.-2. April 2011   
4.8.1 Barbara Herzog-Punzenberger: Jenseits individueller Charakteristiken. Wie uns der Blick auf gesellschaftliche Strukturen hilft, Situationen von Schüler/innen mit Migrationshintergrund besser zu verstehen   
4.8.2 Zusammenfassung der OECD-Country Note für die Strategieentwicklung im Rahmen der Review on Migrant Education - Deborah Nusche, Claire Shewbridge und Christian Rasmussen   
4.8.3 Dorit Bosse: Differenzierung im Unterricht - zwischen Diagnose und individueller Förderung   
V INTERKULTURELLE KOMPETENZ   
5 Interkulturalität - Interkulturelle Kompetenz   
5.1 Interkulturelle Kompetenz   
5.2 Handlungsmöglichkeit in der Weiterbildung   
6 Bildung und Ausbildung bei Migrantinnen und Migranten   
6.1 Buchbesprechung   
6.2 Bedeutung vorberuflicher Maßnahmen   
6.3 Bildungserfolg von Migrantenkindern   
6.4 Bildungsangebote für Zugewanderte   
6.5 Migrantenkinder als Herausforderung für das österreichische Berufsausbildungssystem   
6.6 Situation von Migrantinnen in Österreich/Frauenbericht 2010   
6.7 Zukunft der Arbeit - Migration und Arbeit   
7 Migrantenjugend und Religiosität   
8 Pressedokumentation/Auswahl   
Salzburger Nachrichten v. 10. Juni 2006, 6   
Ökumenischer Rat der Kirchen - Nachrichten, 31. August 2006   
Salzburger Nachrichten, 7. Dezember 2010, 20   
Salzburger Nachrichten, 25. Juni 2015, 1   
VI BILDUNGSPOLITIK-ASYLPOLITIK-SOZIALPOLITIK   
9 Bildungs- und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen   
10 Zur Kritik des Integrationsberichts 2008   
11 Integrationsbericht 2014   
12 Buchbesprechungen   
12.1 Mobilität und Migration im ländlichen Raum seit 1945   
12.2 Exodus   
12.2.1 Aufbau des Buches   
12.2.2 Zentrale Aussagen   
12.3 Migration gerecht gestalten   
12.3.1 Aufbau des Bandes   
12.3.2 Zentrale Aussagen   
12.4 Scharia in Deutschland   
13 Integration-Migration - Bericht 2015   
13.1 Zahlen-Daten-Indikatoren 2015   
13.2 Pressekommentar   
13.3 Flüchtlingskinder und -jugendliche an österreichischen Schulen/Stand 2015   
14 Integrationsberichte - Religionsmonitor 2017   
14.1 Bericht 2016   
14.2 Bericht 2017   
14.3. Integration von Muslimen in Europa - Religionsmonitor 2017   
14.4 Bericht 2019   
15 Flüchtlingskrise 2015/2016 - Daten-Fakten - Österreich   
16 Flüchtlingskinder und Heranwachsende an österreichischen Schulen   
16.1 Rechtlicher Status   
16.2 Zahlen - Fakten   
16.3 Asylanträge in Österreich   
16.4 Aufnahme in Schulen   
16.5 Basisbildung   
16.6 Berufsschulen   
16.7 Weiterführende Schulen   
16.8 Sprachstartgruppen - Sprachförderkurse   
16.9 Muttersprachlicher Unterricht   
16.10 Mobile interkulturelle Teams/MIT   
16.11 Österreichisches Jugendrotkreuz   
16.12 Flucht und Asyl - Thema der Politischen Bildung   
17 Bildungs- und Arbeitsmarktkonzepte mit Flüchtlingen   
17.1 Bildungskonzept einer Flüchtlings- bzw. Migrationspädagogik   
17.2 Folgerungen für eine Bildungsarbeit   
17.3 Impulse einer Pädagogik der Fremde   
17.3.1 Bildungsräume   
17.3.2 Sicht von Fremdheit   
17.3.3 Bildungskultur   
17.3.4 Impulse einer Inklusion   
17.4 Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen in der EU   
18 Ungelöste Probleme der Migration   
19 Flüchtlingspolitik - Integration von Flüchtlingen und Migranten   
19.1 Flüchtlings- und Migrationsströme   
19.2 Umsetzung einer Integrationskultur   
19.3 Stufen und Schritte einer kompetenten Integration   
19.4 Der Beitrag von Muslims in Österreich   
19.5 Notwendigkeit neuer Lernkulturen   
20 Radikalisierungsstudie - Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU 2017/Zusammenfassung   
21 Demographie und Religion in Österreich   
VII HISTORISCHE POLITISCHE BILDUNG   
22 Migration im 20. und 21. Jahrhundert   
22.1 Erster Weltkrieg und Folgen   
22.2 Zweiter Weltkrieg und Folgen   
22.3 Migration als Folge von "Kaltem Krieg", Dekolonisation und Anwerbeabkommen   
22.3.1 Kalter Krieg   
22.3.2 Dekolonisation   
22.3.3 Anwerbeabkommen   
22.4 Neue Ost-West-Migration - globale Flüchtlingsfragen   
22.4.1 Ost-West-Wanderung in Europa   
22.4.2 Verstädterung   
22.4.3 Klimawandel - Umweltveränderungen   
22.5 Fluchtwelle 2015 - Unterstützung von Flüchtlingen   
22.5.1 Sommer der Migration 2015   
22.5.2 Interkulturelle Kompetenz   
22.5.3 Unterstützung von Flüchtlingen   
22.5.3.1 Organisationen - Anlaufstellen   
22.5.3.2 Formen der Unterstützung   
22.6 Perspektiven einer Postmigration   
22.6.1 Begrifflichkeit   
22.6.2 Diskurs zur Postmigration   
22.6.2.1 Migrationsbewegungen   
22.6.2.2 Migrationspraxis   
22.6.2.3 Migrationsgeschichte   
22.6.2.4 Lebensbedingungen   
22.6.2.5 Interkulturelle Öffnung   
22.6.3 Postmigrantische Deutung   
VIII Reflexion   
IX Zahlen und Daten für Österreich - Statistik Zuwanderung und Integration: Stand 2020   
Literaturhinweise   
IT-Autorenbeiträge/Auswahl   
Allgemeine IT-Hinweise   
Zum Autor   

Widmung    

Gewidmet meinen Töchtern Katrin und Sabine

Danksagung    

Die Komplexität der Thematik benötigt eine Zusammenarbeit und Unterstützung.

Zu danken ist der Kollegenschaft des Fachbereichs Politische Bildung im tertiären Bildungsbereich.

Für die technische Hilfestellung bei der Manuskripterstellung danke ich Helmut Leitner.

Für die jahrelange reibungslose Zusammenarbeit danke ich der Autorenbetreuung des Akademikerverlages.

Günther Dichatschek

Vorbemerkung    

Ausbildung ohne Bildung führt zu Wissen ohne Gewissen.

(Daniel Goeudevert 2001, 5)

Die Studie findet ihre Begründung in dem vom Autor besuchten 10. Universitätslehrgang "Politische Bildung" / Universität Salzburg - Modul 2 "Zeitgeschichte" und Modul 9 "Normen, Werte, geistige und weltanschauliche Grundlagen der Demokratie" und dem Zusatzseminar W 10 "Soziale Sicherheit und Gesundheit" und W 3 "Menschenrechte - Grundrechte"/ Universität Klagenfurt im Rahmen der Masterausbildung und wurde mit aktuellen politikwissenschaftlichen Materialien bearbeitet.

Der 6. Universitätslehrgang "Interkulturelle Kompetenz/ICC" / Universität Salzburg (Lehrgang Wien) vervollständigte mit wesentlichen Inhalten das Bild einer pluralen und globalen Gesellschaft in Österreich.

Anregende Elemente zu kulturell-religiösen Aspekten von Migration in Europa verdankt der Autor dem Besuch des 1. Lehrganges Ökumene der Kardinal König-Akademie Wien, des 6. Lehrganges Interkulturelles Konfliktmanagement des Integrationsfonds/BM.I. und des Seminars der Universität Wien/ Personalentwicklung "Interkulturelle Didaktik"/2010 sowie aktueller Tagungen (vgl. Punkt 4.14).

Die Fachliteratur mit systematischen Zusammenfassungen ergibt einen Überblick über die Vielfalt von theoretischen und konzeptionellen Ansätze.

Im Rahmen des Lehrauftrages mit der Lehrveranstaltung "Vorberufliche Bildung" am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien (1990-2011) sind wesentliche Aspekte einer Migrationspädagogik in die VO bzw. das SE eingeflossen (vgl. MECHERIL 2004).

Hintergrund einer Bearbeitung der Migrationsproblematik ist

  • die Vermeidung von Gewaltphänomenen im Migrantenbereich,
  • die Förderung einer zeitgemäßen gesellschaftlichen Integration unter pädagogischen Gesichtspunkten und
  • Hinweise für notwendige bildungspolitische Konsequenzen.
Zum besseren Textverständnis soll auf den häufig in der Fachliteratur und in der Verwendung dieses Textes gebrauchten Begriff Schüler/innen mit Migrationshintergrund hingewiesen werden. Im schulischen Kontext ist dieser Begriff nur bedingt geeignet, weil er auch die Klientel umfasst, die im Alltagsdiskurs und im schulischen Umfeld nicht mit dem Thema Migration in Zusammenhang bringt, beispielsweise die Gruppe deutscher Schüler/innen an österreichischen Schulen.

Da aus pädagogischer Sicht die Sprache ein wesentlicheres Merkmal als die Staatsbürgerschaft darstellt, sollten/werden deshalb die zwei- oder mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, mit denen sich Texte in diesem Projekt auseinandersetzen, besser als "Schülerinnen und Schüler mit anderen Erstsprachen als Deutsch" bezeichnet.

Die Studie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr bezieht sie sich im Kontext historisch-politischer Bildung mit den Teilbereichen Vorberufliche Bildung und Interkultureller Kompetenz sowie Erwachsenenpädagogik im tertiären und quartären Bildungsbereich auf wesentliche Erkenntnisse.

Gegliedert ist sie in die neun Kapitel Theorien und Konzepte, Migrantentum in Österreich, Statistik und Berichte/ Auswahl, Tagungsberichte, Interkulturelle Kompetenz, Bildungspolitik-Asylpolitik-Sozialpolitik, Historische Politische Bildung, Reflexion und Zahlen und Daten für Österreich/ Stand 2020.

1 Aktualität der Thematik    

Eine Fülle von Fachpublikationen und Medienberichten weisen darauf hin, dass dem Bereich des Migrantentums vermehrt Bedeutung zugemessen wird. Erkenntnisse über den Migrationshintergrund sind ebenso wesentlich wie die Forderung nach Konzepten für ein Funktionieren einer multikulturellen Gesellschaft. Fast alle EU-Länder - man beachte als Ausnahmen etwa Finnland und die baltischen Staaten - haben sich als Einwanderungsländer entwickelt.

Für Österreich und Deutschland gilt dies jedenfalls (vgl. WEIGL 2009).

Eine vielfältige sozio-kulturelle Gesellschaft ist in Europa und im außereuropäischen Raum Realität. Vielschichtig sind die Migrationsmotive und Formen der Mobilität. Migration kann als konstitutives Merkmal gesellschaftlichen Wandelns im "Zeitalter der Migration" in Herkunfts- und Zielländern bezeichnet werden (vgl. CASTLES-MILLER 2003).

Gerade Österreich hat eine lange Tradition im Zusammenleben verschiedener Ethnien, Wien ist historisch multikulturell per se (vgl. DICHATSCHEK 2006, 9). Im EU-Vergleich funktioniert hier die Integration von Muslimen, wenngleich regional unterschiedlich (vgl. Punkt 6/Zeitungsdokumentation - Salzburger Nachrichten v. 10.6.06, 6).

Benötigt wird ein Einwanderungskonzept auf EU- und Nationalbasis in Verbindung mit einer Migrations- und Integrationspolitik (vgl. JOHNSON 2006, 9).

Dem Bildungs- und Erziehungsbereich kommt entscheidende Bedeutung zu (vgl. MECHERIL 2004, AUERNHEIMER 2005). Damit sind die Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft und Kulturwissenschaften - aus der Perspektive des Autors insbesondere die Politische Bildung im Kontext mit Interkulturellem Lernen und Vorberuflicher Bildung/Erziehung - mit grundlegenden Überlegungen und Konzepten gefordert (vgl. dazu die Autorenbeiträge unter http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Politische Bildung, Interkulturelle Kompetenz und Vorberufliche Bildung in Österreich).

Gefordert wird demnach die mit Migration verbundenen Phänomene in Theorie, institutionellen Strukturen, Konzeptionen und Angeboten mit einem politisch-gesellschaftlichen Selbstverständnis zu reflektieren und einzubeziehen.

Es geht also um heterogene Gruppierungen von Lernenden etwa in sprachlicher, sozialer und kultureller Hinsicht, die Bekämpfung von Rassismen und Diskriminierung, Fragen der Partizipationschancen und rechtliche Bedingungen (etwa Bildungsabschlüsse, Asylrecht und Integrationsvereinbarungen).

Für die Integration in die Arbeits- und Berufswelt sind vorberufliche Bildungsmaßnahmen im schulischen und außerschulischen Bereich notwendig. "Notwendig ist eine zielgruppenspezifisch differenzierte Ausrichtung vorberuflicher Bildungsangebote, die die Einmündung in eine voll qualifizierte Ausbildung erheblich voranbringt" (GRANATO - ULRICH 2009, 51).

Grundlage für Entscheidungen können nur verlässliche Daten sein. Die nationale und internationale Politik ist mit einem zeitgemäßen Gesetzeswerk in der Verantwortung (vgl. DINCER 2006).

I THEORIEN-KONZEPTE    

2 Theorien und Konzepte    

Erkenntnisse zur Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft in einer Migrationsgesellschaft kommen aus zahlreichen Theorien und Forschungsfeldern.

Zum einen sind es Beiträge aus der Interkulturellen Pädagogik mit Ansätzen aus der rassismuskritischen Bildung und Migrationspädagogik. Grundsätzliche Überlegungen finden sich etwa in Überlegungen zu Kulturbegriffen, Exklusionsprozessen und der Migrationsgesellschaft.

Zum anderen zeigt sich im interdisziplinären Ansatz die Bedeutung von Fachbereichen wie die Soziologie, Sprachwissenschaft, Philosophie, Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Politische Bildung(Politikwissenschaft, Interkulturelle Kompetenz und Globales Lernen). Kernbereiche sind etwa Diskriminierung und Rassismus, Sozialisation, Grundbildung, Bildung und soziale Ungleichheit, Fremdheit, Diversität, Spracherwerb, Anerkennungstheorien, Vorurteilsforschung, Intersektionalität, Critical Whiteness und/oder postkolonialen Theorien.

2.1 Pädagogische Konzepte    

Auf Grund der Komplexität und Widersprüchlichkeit lässt sich eine eindeutige Differenzierung der vorhandenen Theorien und Konzepte nicht vornehmen. Nach KRÜGER-POTRATZ(2005)können Ordnungen etwa aus der Sicht von Zielvorstellungen, Programmen, Perspektiven der Autorenschaft unter Hinweis auf Gesellschaftstheorien bzw. konkreten Konzeptionen getroffen werden.

Zumeist können sie auf die Schul- und Erwachsenenpädagogik/Weiterbildung übertragen werden.

2.1.1 Interkulturelle Pädagogik nach Gogolin und Krüger-Potratz    

Ingrid GOGOLIN und Marianne KRÜGER-POTRATZ (2006) gehen von unterschiedlichen Kulturbegriffen aus, etwa nationalstaatlichen Definitionen und resultierenden Begegnungskonzepten. Ebenso gibt es Konzepte, die sich um die Vermeidung von Kulturalisierung bemühen bzw. den Kulturbegriff differenzieren.

Unterschieden werden kulturanthropologische und gesellschaftstheoretische Ansätze. Ebenso werden Ansätze Interkultureller Pädagogik mit postmodern-philosophisch und soziologisch zugrundeliegender Konzeption unterteilt.

2.1.2 Konzeption nach Nohl    

Arnd-Michael NOHL (2010) unterscheidet defizitorientierte Modelle als "Assimilationspädagogik" bzw. "Ausländerpädagogik", "klassische interkulturelle Pädagogik" als Modell mit Hervorhebung von Differenzen zwischen Gesellschaftsmitgliedern, der Postulierung ihrer Gleichwertigkeit und Förderung des Einbezugs der Mehrheitsangehörigen in pädagogische Prozesse, "Antidiskriminierungspädagogik" als Warnung vor Ausgrenzungen, die auf institutionelle Ebene zurückgehen, wobei der Blick sich auf Exklusions- und Inklusionsprozesse hauptsächlich in Bildungssystemen richtet.

Eine "Pädagogik kollektiver Zugehörigkeit", die mehrere Dimensionen von Milieus (Zugehörigkeiten) umfasst wie etwa Kultur, interkulturelle Sozialisation - Lernen und Bildung, Organisation, Macht und Partizipation/Diskriminierung sowie kollektive Zugehörigkeit und pädagogische Professionalität.

2.1.3 Zielsetzungen nach Auernheimer    

Georg AUERNHEIMER (2007) arbeitet verschiedene Zielsetzungen und Prämissen interkulturellen Lernens wie soziales Lernen, Umgang mit Differenzen, interkulturelle Dialoge, multiperspektivische Allgemeinbildung, Mehrsprachigkeit und antirassistische Erziehung aus.

Weitere Unterscheidungsmöglichkeiten sind eine Pädagogik mit verstärkter Ausrichtung von individuellem Handeln und einer stärker die gesellschaftliche Dimension berücksichtigende Pädagogik.

2.1.4 Migrationspädagogik nach Mecheril    

Paul MECHERIL et.al. (2010) entwickelten eine eigenständigen Ansatz zur Bildung in einer Migrationsgesellschaft. Migrationspädagogik ist eine Orientierung, welche durch spezifische Perspektiven gekennzeichnet ist.

Plädiert wird für eine kritisch-reflexive Sichtweise auf Differenzierungspraktiken, die auch im Bildungswesen die "Anderen" und "Nicht-Anderen" konstruieren (vgl. ergänzend HAWLIK-LERNHART 2016, 440-447).

2.1.5 Interkulturelle Erwachsenenpädagogik/-bildung nach Heinemann-Robak    

Alisha HEINEMANN und Steffi ROBAK (2012) orientieren sich weniger an theoretischen Konzepten, vielmehr an einer Ordnung des Praxisfeldes wie

  • der Grundbildung und kompensatorischen Angeboten wie etwa Alphabetisierungs- und Sprachkursen, beruflicher Weiterbildung (Anschluss an Qualifikationen, Kompetenzentwicklung, kommunikative Fähigkeiten in multikulturellen Zusammenhängen),
  • allgemeiner Weiterbildung (historisches Wissen, Kooperationsbedingungen im Kontext mit kulturellen Unterschieden, gesellschaftliche Teilhabe),
  • Politische Bildung mit Themen wie Globalisierung, Rassismus und Diskriminierung und
  • Interkultureller Bildung/ Kompetenz als Teilbereich kultureller Bildung wie Identitätsentwicklung, Erlernen von Ambiguitätstoleranz und Dekonstruktion von Kulturalisierung.
2.2 Diskurs zum Kulturverständnis    

Ein Diskurs bzw. eine Ausdifferenzierung von Ansätzen in Theorie und Praxis fand in den letzten Jahrzehnten statt. Hier ging es um

  • gesellschaftstheoretische Ansätze,
  • Definitionen und die Verwendung eines Kulturbegriffes,
  • Zuschreibungsprozesse,
  • Repräsentationsansprüche,
  • das Verhältnis zwischen struktureller Ausgrenzung und individuellem Handeln.
2.2.1 Kulturalisierung    

Immer noch gibt es einen essentialistischen Kulturbegriff, bei dem Kulturen als abgeschlossenes Ganzes (Kulturkreis) gesehen und mit scheinbaren Abstammungsgemeinschaften (Ethnien) gleichgesetzt werden.

Damit kommt es zu einer Abgrenzung zwischen dem Eigenen und dem Fremden ("Anderen"). In einer globalisierten Welt ist eine solche Sichtweise zunehmend fragwürdig, ein prozesshaftes Kulturverständnis sollte vielmehr angestrebt werden. Es bedarf einer Verständigung der Kulturen.

Kritisch wird beleuchtet, dass die Gefahr besteht, dass mit der Annahme von kulturellen und/oder ethnischen Unterschieden sozialstrukturell bedingte Ungleichheiten, Rassismen und Diskriminierung verschleiert wird (vgl. ADORNOs Kritik 1977, in der "Kultur" als Ersatz für andere Begriffe wie etwa "Rasse" verwendet und Herrschaftsansprüche versucht werden zu legitimieren). Aktuell werden politische Konflikte mit Bezug auf Kultur und Ethnizität erklärt. Damit wird von "Kulturalisierung" gesprochen.

Ein solcher Gebrauch des Begriffes "Kultur" führt dazu, dass politische Aufgaben der Pädagogik zugeschoben werden und die notwendigen Veränderungen von Strukturen in den Hintergrund treten.

2.2.2 Hybridisierung    

Postkoloniale und postmoderne Kulturtheorien lehnen ein traditionelles Kulturmodell ab und weisen auf das permanente Durchmischen kultureller Strömungen hin.

Die Begrifflichkeit "Kultur" wird nicht nur auf nationale bzw. ethnische Aspekte bezogen, vielmehr im weitesten Sinne auf Differenzmerkmale und Zugehörigkeiten wie Lebenswelten, Subkulturen und Milieus. Begrifflichkeiten wie "Hybridisierung" (Homi BHABHA) und "Mehrfachzugehörigkeit" (Paul MECHERIL)werden dafür verwendet.

Der von den "Cultural Studies" verwendete Kulturbegriff umfasst alltägliche soziale Praktiken der Aneignung von Lebensbedingungen und ihrer Interpretation (vgl. KALPAKA-MECHERIL 2010, 77-98).

2.2.3 Transkulturalität    

Wolfgang WELSCH (2011, 149-158) wendet sich gegen den Begriff "Interkulturalität". Der Begriff überwinde nicht die traditionelle Kulturvorstellung, vielmehr ziele er nur auf die Bekämpfung von Folgen ab. Er hebe die interne Differenzierung und Komplexität moderner Kulturen in ihrer Vielfalt hervor.

Menschen agieren aber mit allen möglichen Einflüssen (Globalisierung), unterschiedliche Lebenspraktiken durchdringen sich (Transkulturalität). Kritisch ist zu vermerken, dass eine umfassende Dekonstruktion des kritisierten Kulturverständnisses hier nicht gelingt.

2.2.4 Othering    

In postkolonialen Theorien werden Unterscheidungspraktiken wie Fremdheit und Andersheit hergestellt (vgl. Edward SAID 1991/"Othering" - Stuart HALL 1994).

Interkulturelle Kompetenz/ Pädagogik verlangt die Wertschätzung einer Differenz. Die Anerkennung des "Anderen" ist ein wichtiges pädagogisches Prinzip, Zuwanderer müssen in ihrer "Andersheit" miteingeschlossen werden (vgl. MECHERIL mit dem Begriff der Konstruktion von "Migrations-Anderen").

2.2.5 Repräsentationsverhältnisse    

In den letzten Jahrzehnten gab es Erkenntnisse über Zuwanderer und für Zuwanderer. Auffallend war der geringe Diskurs, in dem sich Personen mit Migrationserfahrung bzw. Geschichte selbst einbrachten. In diesem Spannungsfeld von Selbst- und Fremdrepräsentation gibt es nunmehr eine Selbstorganisation von Migrantinnen und Migranten.

Zunehmend kommt es zu migrantischen Akteurinnen und Akteure in der Weiterbildung. Beispiele zeigen eine Subjektorientierung und Reflexion der Standortgebundenheit (vgl. ROSE 2012; MECHERIL/THOMAS-OLALDE/MELTER/ARENS/ROMANER 2013).

2.3 Rassismuskritik    

Personen mit Migrationsbiographie bzw. farbiger Hautfarbe ("Nicht-Weiß") können von Diskriminierungspraktiken betroffen sein. Individuelle rassistische Handlungen und Erfahrungen werden mitunter durch rechtliche Rahmenhandlungen, institutionelle Strukturen und Praktiken begünstigt bzw. verursacht. Ausgrenzende gesellschaftliche Diskurse mit historischen Belastungen begünstigen ebenfalls das Phänomen.

Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz/ Bildung zeigen Rassismen auf und entwickeln Strategien zu deren Bekämpfung.

2.3.1 Rassismus    

Ausgehend von Kolonialismus in weiten Teilen der Welt und entsprechender Rassentheorien, belastend durch den Nationalsozialismus mit rassistischer Ideologie und Antisemitismus, kommt es zu einer Tabuisierung, damit zu einer begrifflichen Ersetzung wie "Ausländer-" bzw. "Fremdenfeindlichkeit".

Nach RÄTHZEL (2000) können sich in den Termini "Ethnien" oder "Kulturen" durchaus rassistische Ideologien und Diskurse verbergen. Es wird daher auch von Neorassismus bzw. Rassismen gesprochen.

Aktuelle Feindbilder gibt es in einer Migrationsgesellschaft etwa in islamfeindlichen und/oder antiziganistischen Diskursen (vgl. END-HEROLD-ROBEL 2009).

Im Rassismus werden Gruppen mit tatsächlicher oder scheinbarer biologischer und kulturell-sozialen Merkmalen konstruiert und als minderwertig definiert. Kennzeichnend ist ein binäres Schema" (Wir - Nicht-Wir) mit der Zuordnung von bestimmten Merkmalen.

Von Interesse ist ROMMELSPACHERs (2009) Ergänzung, wonach Diskriminierung nicht bloß als Ergebnis individueller Vorurteile zu beschreiben ist, vielmehr auch Machtverhältnisse dar.

MELTER/MECHERIL (2011) unterscheiden zwischen alltäglichem, strukturellem und institutionellem Rassismus sowie Alltagsrassismen in veröffentlichten Diskursen.

BÜHL (2016) teilt Rassismus in strukturellen, institutionellen und gewaltförmigen Rassismus wie Übergriffe, Ausschreitungen, Pogrome, Raub, Enteignung, Vertreibung, Deportation, Internierung, Zwangsarbeit, sexualisierte Gewalt, Sterilisierung, Kolonialisierung, Ethno- und Genozid ein. Alltagsrassismus erkennt man an Sprache, Symbolen, Gesten, Werbung, medialer Unterhaltung und Kindererziehung/ Sozialisation.

2.3.2 Institutionelle Diskriminierung    

Diskriminierung ergibt sich in der Schlechterstellung von Individuen bzw. Gruppierungen mit unterschiedlichen Merkmalen (etwa Gender, Alter, Behinderung und Religion). Rassismuskritische Ansätze in Migrationsgesellschaften beziehen sich darüber hinaus auch auf Konstruktionen sogenannter "ethnischer Gruppen" (vgl. HORMEL 2007).

Institutionelle Diskriminierung ergibt sich aus normalen politischen und ökonomischen Strukturen, durchaus auch ohne konkrete Vorurteile (vgl. etwa Gesetze, Erlässe, Verordnungen, Zugangs- und Verfahrensregelungen). Ebenso kann auch unprofessionelles Handeln von Institutionen und Organisationen mit ihren Mitarbeiterstab Ausgrenzungen und Benachteiligungen ergeben (vgl. MELTER 2006). Man denke nur an Gleichbehandlungsstrategien, wenn ignoriert wird, dass es bevorzugte und benachteiligte Gruppen mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Nutzung von Angeboten gibt (etwa als Erstsprache nicht Deutsch).

2.3.3 Critical Whiteness    

"Kritische Weißseinsforschung" ist eine Forschungsrichtung, in der die Normierung des Weiß-Seins hinterfragt wird. Weiß-Sein wird nicht biologisch, vielmehr als wirksame soziale Kategorie betrachtet, wonach das Abweichende als "Anderes" gesetzt wird.

Rassismusforschung bezieht sich zumeist auf die Auswirkungen rassischer Zuschreibungen. Critical Whiteness rückt vielmehr die Norm in den Vordergrund. Es geht also um Strukturen und Gründe von Normierungen. Weiß-Sein wird zum Thema der Reflexion, etwa Privilegien sichtbar machen. Veränderungen sollen eingeleitet werden (vgl. WALGENBACH 2008, 45-66; RÖGGLA 2012).

2.3.4 Intersektionalität    

Dieser Forschungsbereich befasst sich mit sozialen Kategorien wie etwa Gender, Ethnizität, Nation und Klasse, die nicht isoliert betrachtet werden sollen. In der Analyse ergeben sich Überkreuzungen ("intersections") und Vernetzungen, es zeigen sich Wechselwirkungen (vgl. WINKER-DEGELE 2010).

Entstanden ist diese Perspektive aus dem "Black Feminism" und der "Critical Race Theory".

2.3.5 Interkulturelle Bildung    

Kritik ergibt ich mitunter an Konzepten interkultureller Bildung/ Kompetenz, dass die Thematik "Rassismus" vernachlässigt wird. Dominanzverhältnisse würden zugunsten einer harmonisierenden Verständigungsstrategie ausgeblendet (vgl. die Auseinandersetzung in Großbritannien mit "Multicultural Education" und dem Gegenentwurf einer "Antiracist Education").

Es geht demnach um mehr als die individuelle Ebene der Vorurteile, vielmehr um den Abbau von strukturellem und institutionellem Rassismus (vgl. die Bemühungen um Weiterbildungsprogramme für die Mitarbeiterstäbe in Behörden und verschiedensten Berufsgruppen; dazu gehören die Bemühungen von "Diversity Management"; vgl. HORMEL-SCHERR 2004).

"Interkulturelle Kompetenz" hat diese Einwände aufgenommen. Die Reflexion von Fremdheitskonstruktionen und Dominanzverhältnissen in Theorie und Praxis muss durchaus weiterhin eingefordert werden.

In einer pluralen Gesellschaft mit zunehmenden Globalisierungstendenzen gehört "Interkulturelle Kompetenz" zu den Basisqualifikationen (vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz).

2.4 Pädagogische Professionalität    

Neben einer Reflexion der Notwendigkeit des mit migrationsgesellschaftlichen Herausforderungen ausgestatteten Bildungswesens ist die Anerkennung von Differenzen notwendig. Keinesfalls meint dies die Akzeptanz sozialer Ungleichheiten.

Professionalität bedeutet Achtsamkeit

  • im Umgang mit Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen sowie eigener Machtpositionen und Privilegien (Critical Whiteness),
  • in der Entwicklung eines prozesshaften Kulturverständnisses und
  • Partizipation von Lehrenden mit Migrationserfahrung unter Wahrung pädagogischer Qualifikationen,
Interkulturelle Kompetenz soll selbstverständlicher Bestandteil der in der Aus- und Weiterbildung sein.

Pädagogische Professionalität bedeutet ein Erreichen von "Anerkennungskompetenz" mit dem Wissen über Lebensbedingungen, Rassismen bzw. Diskriminierung, strukturellen und institutionellen Anerkennungsfaktoren und Ordnungen in einer Migrationsgesellschaft.

Politische Bildung mit den Teilbereichen Interkulturelle Kompetenz und Vorberufliche Bildung sowie seinem methodisch-didaktischen Repertoire hat ihre Begründung und den Bildungsauftrag (vgl. FISCHER 2006; STAUB 2007; ZEUNER 2007, 39-48; AUERNHEIMER 2013; SPRUNG 2011).

2.5 Sprachenerwerb    

Ein Sprachenerwerb findet innerhalb und außerhalb von Institutionen statt und lässt sich entsprechend nur teilweise steuern.

Unterschieden wird zwischen Erst-, Zweit- und Fremdsprachen.

  • Als Erstsprache gilt jene Sprache, mit der ein Kind aufwächst.
  • Zweitsprachen sind Umgebungs- und Verkehrssprachen neben der Erstsprache und regelmäßig benützt werden.
  • Fremdsprachen sind Sprachen, die von einer zielsprachigen Umgebung entfernt angeeignet werden.
Wechselseitig kann eine Sprache als Zweit- bzw. Fremdsprache ihre Funktion erfüllen, daher kann diese Sichtweise überflüssig sein (vgl. OKSAAR 2003).

Neben institutionellem Spracherwerb in Bildungseinrichtungen mit Regulierungsmechanismen der Sprachdidaktik und Zertifizierens gibt es auch ein ungesteuertes Sprachlernen in der Lebensumgebung. Bedeutsam ist der Sprachenerwerb in der Erwachsenenbildung in interessierten Lerngruppen.

2.5.1 Sprachdidaktik    

Die Methodik und Didaktik kennzeichnet die Vorstellung, wie Sprache von Lernenden aufgenommen und behandelt werden soll.

Der behavioristische Ansatz geht davon aus, dass die innere Sprache ein exaktes Bild der äußeren Sprache sei, etwa wie die Lehrbuchgrammatik. Der nativistische Ansatz nimmt die Existenz eines Sprachorgans an, das durch ausreichend komplexen Input eigenständig korrekt Strukturen erlernen kann.

In der aktuellen Methodendiskussion geht man von einer Lehre einer Sprache als "Konstruktion von Lernergebnissen" aus. Spracherwerb ist ein komplexer und subjektiver Prozess, jedenfalls mit der Möglichkeit einer Unterstützung (vgl. VIELAU 2003, 238-241).

Mehrsprachigkeit erfordert eine eigene Didaktik mit der Einbeziehung von Mehrsprachigkeit der Lernenden (vgl. BOECKMANN 2009, 2013). Auch für die Aus- und Weiterbildung von Lehrenden gilt dies. Jedenfalls bedarf es auch einer Auseinandersetzung mit der jeweiligen Mehrsprachigkeit und des individuellen Sprachbewusstseins.

2.5.2 Sprachbiographie    

Mehrsprachigkeit mit der Zielgruppe von Migrantinnen und Migranten bedarf einer Sprachbiographie. Dazu gehören die Lebenserfahrung, Sprachkontakte, Kursbesuche und Migrationserfahrung.

Vorgehende Lernerfahrungen als Aspekte einer Lernstrategie sind Ausgangspunkt von Sprachlern-Beratung.

Hilfreich sind sprachbiographische Instrumente wie "Sprachportraits" (vgl. KRUMM 2001), ebenso ein Sprach- und Qualifikationsportfolio.

Pädagogischer Hintergrund ist die Förderung des Mehrsprachenbewusstseins und eines sprachlichen Selbstkonzepts (vgl. KRUMM-REICH 2013).

Die Sprachkompetenz hängt nicht zusammen mit der Dauer des Aufenthalts, vielmehr mit der Qualität ihrer Beziehungen, so etwa sozialen Beziehungen im Alltag und Beruf (Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen), kulturellen Aktivitäten, Bildungsmaßnahmen und Normen (vgl. GRINBERG-GRINBERG 1990).

2.5.3 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen/GERS    

Diese europäische Initiative will durch einheitliche Sprachkompetenz-Beschreibungen einen Beitrag zur Mobilität in einem zusammenwachsenden Europa leisten. Damit sollen die Kooperation zwischen den Bildungseinrichtungen in den verschiedenen Ländern gefördert und die gegenseitige Anerkennung der Qualifikationen erleichtert werden. Lehrende und Lernende werden in ihren Bemühungen bei Lehrveranstaltungen und in der Bildungsverwaltung unterstützt (vgl. BAUSCH-CHRIST-KÖNIGS 2003).

Niveaustufen mit ihrer Beschreibung sind das Kernstück des GERS.

Fünf Fertigkeiten mit dialogischem Sprechen, monologischem Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben sowie sechs Niveaustufen mit den Bezeichnungen A1 bis C2 definieren fremdsprachliche Kompetenz.

2.5.4 Sprachprüfungen und Zertifikate    

Als Nachweis von Sprachkompetenz dienen Sprachprüfungen, zumeist für berufliche Zwecke oder Zulassung für Bildungseinrichtungen. GERS strebt Transparenz und internationale Vergleichbarkeit an.

In Österreich wird mit der Einführung der Integrationsvereinbarung ein Teil der Migrantinnen und Migranten gezwungen, Sprachprüfungen abzulegen.

IT-Hinweis:

http://www.integrationsfonds.at/sprache/integrationsvereinbarung (2.4.2014)

II MIGRANTENTUM IN ÖSTERREICH    

3 Migrantentum in Österreich    

Wanderungsbewegungen haben Österreich zu einem Migrationsland gemacht. Zu- und Abwanderungsprozesse kennzeichnen die Situation.

Soziodemographische und sozioökonomische Merkmale der Zuwanderer und ihrer Nachkommen sind vielschichtig, damit auch die Herausforderungen. Im öffentlichen Diskurs wird dies wenig berücksichtigt.

Wenig Beachtung finden sprachpolitische Rahmenbedingungen der Mehrsprachigkeit.

Schul- und außerschulische Pädagogik reagiert mit Konzepten und Projekten.

Nunmehr liegt ein differenziertes Spektrum an Theorien und Konzepten für Anknüpfungspunkte in den Bereichen "Politische Bildung" und "Interkulturelle Kompetenz" vor.

Einwanderung - Asyl - Zielland    

Als Folge des Zweiten Weltkriegs sah sich die Republik Österreich mit Flüchtlingen und Vertriebenen konfrontiert. Ein Jahr nach dem Staatsvertrag 1956 nahm das Land hunderttausende Flüchtlinge aus Ungarn auf. Mit den Veränderung in Osteuropa 1990 veränderte sich die Situation drastisch (vgl. WEIGL 2009, 23-47).

Österreich ist zum Einwanderungs-, Asyl- und Zielland kurzfristiger Arbeitsmigranten geworden. Einwanderer kommen aus verschiedenen Krisengebieten oder sind politische Flüchtlinge.

Asylbewerber wollen im Land bleiben und teilweise am einheimischen Arbeitsmarkt partizipieren. Aus dem Ausland stämmige StaatsbürgerInnen kommen zur Familienzusammenführung nach Österreich, um hier Fuß zu fassen.

Begriff Migration    

Soziologisch beschreibt der Begriff Migration die Bewegung von Individuen oder Gruppen im geografischen oder sozialen Raum, die mit einem Wechsel des Wohnsitzes verbunden ist (vgl. DUDEN 2001, 632). Einschlägige Theorien und Diskurse bezeichnen in der Regel grenzüberschreitende Wanderungsbewegungen. In Anlehnung an die Definition der UNO wird Migration als Verlegung des Lebensmittelpunkts klassifiziert über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr.

Neben der persönlichen Ebene kommt es zu Veränderungen im gesellschaftlichen Bereich (vgl. TRAPICHLER 1995, 5; TREIBEL 1999). Theorien zu transnationalen Migrationsprozessen verweisen auf komplexe neuartige Mobilitätsdynamiken, etwa zur Entstehung "transnationaler Sozialräume". Hier orientieren sich Personen nicht unbedingt an einem Herkunftskontext oder einem Zielland. Alltagspraktiken sind in Teilbereichen ortsunabhängig (vgl. TV-Sender per Satellit). Ludger PRIES (2008)spricht von grenzüberschreitenden transnationalen Sozialräumen in alltäglichen Lebenszusammenhängen.

Der Wechsel der Gesellschaftsgruppen bedingt eine Entfremdung von der Herkunftskultur mit sich. Heranwachsende befinden sich daher in einer Zwischenposition, bei der eine Anpassung an die Kultur des Einwanderungslandes noch nicht gegeben ist. Erfolgt die Migration in frühester Kindheit unter dem Einfluss der Familie und von Personen, die die Sozialisation im Aufenthaltsland des Kindes stark beeinflussen, befinden sich junge Einwanderer in einer bikulturellen Lebenssituation (vgl. DICHATSCHEK-MEIER-MEISTER 2005, 83-85; GAAR 1991, 13).

Tab. 1: Übersicht über die Arbeitsmigration in Österreich 1964-1990

1964Anwerbe- und Kontigentierungspolitik aus der Türkei
1966Anwerbe- und Kontigentierungspolitik aus Jugoslawien
1974220 000 ausländische Arbeitskräfte/vorläufiger Höchststand
1976Ausländerbeschäftigungsgesetz
1989/
1990
Einreise- und Einzugsregelungen auf Grund der hohen Zahl legaler Zuwanderungen (YU und TU)

Tab. 2: Soziologische Kategorisierung ausländischer Arbeitskräfte

Erste GenerationElterngeneration/Erwachsene mit Geburtsort im Ausland und - dauerhafte Niederlassung - ausländischer Staatsbürgerschaft
Zweite GenerationNachkommen der Einwanderer - in Österreich geboren oder im schulpflichtigen Alter eingewandert - dauerhafte Niederlassung
"in-beetween"-GenerationGruppe der Kinder und Heranwachsenden, die während der Schul- und Ausbildungszeit nach Österreich kamen - dauerhafte Niederlassung
Dritte GenerationKinder der älteren Jahrgänge der Zweiten Generation - teilweise Geburt in Österreich - dauerhafte Niederlassung

Rechtliche Kategorisierung

Nach der Volkszählung 2001 werden als Kriterien der Geburtsort, die Muttersprache und die Staatsbürgerschaft herangezogen.

Sozialstaatliche Maßnahmen und politische Mitbestimmung sind in Österreich an die Staatsbürgerschaft geknüpft und werden daher restriktiver als etwa in Frankreich oder Deutschland gehandhabt (vgl. die Diskussion um einen leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft).

Kulturelle Vielfalt in Österreich/Zahlen-Daten-Fakten    

"Cultural diversity" verweist auf die kulturellen Unterschiede in einer globalisierten Welt, die sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts immer deutlicher zeigt. Sozio-kulturelle Unterschiedlichkeiten werden unterschiedlich wahrgenommen.

Diversität wird heute in den "cultural studies" als Reichtum verstanden, der zu Austausch- und Dialogprozessen beiträgt, die bereichern und Entwicklungen vorantreiben können.

  • Sprachkenntnisse in Prozent/Auswahl (eigene Angaben)
Deutsch 99,4

Englisch 68,5

Französisch 12,9

Italienisch 9,3

Türkisch 4,3

Serbisch 3,4

Kroatisch 3,3

Bosnisch 2,0

  • Zahl der in Österreich lebenden Personen mit anderer Herkunft/Auswahl(2010)
Deutschland 213 000

Serbien - Montenegro - Kosovo 207 000

Türkei 183 000

Bosnien - Herzegovina 130 000

Kroatien 70 000

Rumänien 63 000

Polen 59 000

  • Vorarlberg hat 27 Moscheen, 0 Minarette, 1 islamischen Friedhof und 1 jüdischen Friedhof sowie 1 jüdisches Museum.
  • In 164 deutsch-slowenischen Kärntner Orten stehen zweisprachige Ortstafeln.
  • In Graz gibt es 76 Migrantenvereine, u.a. für Sport, Frauen, Teekränzchen und Betvereine. Es gibt 60 katholische, 5 evangelische, 1 koptische, 1 altkatholische Kirche und 1 Synagoge. Die erste Moschee der Stadt wird derzeit gebaut.
  • Gesetzlich geschützte Sprachen autochthoner Minderheiten in Österreich sind Burgenlandkroatisch, Romani, Slowakisch, Slowenisch und Ungarisch.
  • In 47 deutsch-kroatischen burgenländischen und in 4 deutsch-ungarischen Ortschaften gibt es zweisprachige Ortstafeln.
  • 540 000 Einwohner Wiens sind im Ausland geboren.
  • In Österreich spricht man mehr als 130 Dialekte/Mundarten.
Quelle: DER STANDARD, 18., 19., 20. Mai 2013, "Kulturelle Vielfalt", 6-7

3.1 Schmelztiegel Wien: Geschichte und Zuwanderung    

vor ca. 7 000 JahrenAnsiedelung steinzeitliche Bauern im Wienerwald
EisenzeitIllyrer erreichten am Leopoldsberg einen Fürstensitz
400 v. Chr.Kelten errichten am Leopoldsberg eine Stadtburg
100Römer errichten Kastell Vindobona aus Stein mit Munizipium
3.-5. Jh.Völkerwanderung - Vernichtung des Kastells Vindobona
800Aus Ruinen entsteht eine neue Stadt - St. Ruprechtskirche
1156Heinrich II. Jasomirgott errichtet eine Residenzburg - Residenzstadt der Babenberger in den alten Stadtmauern > Erweiterung der Stadtmauern mit Hilfe des Lösegeldes von Richard Löwenherz/Stadtwappen und Stadtrecht - erste Eingemeindung von fünf Vorstädten
um 140020 000 Einwohner
um 1500Wien wird unter den Habsburgern Residenzstadt - Türkenbelagerungen 1529 und 1683
1630Neubau und Erweiterung der Festungsanlagen - Linienwall um die die Vorstädte
ab 1860Neuordnung der Stadt: Entfernen der Befestigungsanlagen-Ringstraßenbau > Umschichtung der Bevölkerung - 1890 Eingemeindung von 44 Vororten
1. WeltkriegZäsur in der Bevölkerungsentwicklung - Wien schrumpft von einer imperialen Residenzstadt der k.und k. Monarchie zur Bundeshauptstadt der Republik Österreich
1945 - 1955Besatzung der vier Alliierten - Wiederaufbau - Flüchtlingsströme als Folge des 2. Weltkrieges
1956Ungarnkrise - neuerliche Flüchtlingsströme
1960-1970Wirtschaftsaufschwung - Arbeitskräftemangel/"Gastarbeiter"
1979/80Dritte UNO-Metropole neben New York und Genf
1989-1995Fall des Eisernes Vorhangs - Balkankriege - EU-Beitritt Österreichs > Zuzug von Migranten/Flüchtlingen-Asylanten
GegenwartVerhandlungen um Osterweiterung - 2006: EU-Ratsvorsitz Österreichs
ZukunftWien als europäisches Zentrum nach einer Osterweiterung?

3.2 Migration nach Wien    

Der Wiener Raum hat in Österreich den höchsten Anteil an Migranten. Die demografische Entwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt deutlich an, dass Migranten zu einem festen Bestandteil der österreichischen Wohnbevölkerung in Wien geworden sind. Die letzte Volkszählung 2001 zeigt 1 550 123 Personen mit Hauptwohnsitz in Wien an. Darunter befanden sich 248 264 ausländische Staatsangehörige, das sind 16 Prozent (vgl. WIENER INTEGRATIONSFONDS 2003, 6).

Tab. 3: Ausländische Wohnbevölkerung in Wien/Volkszählung 2001

Serbien und Montenegro68 796
Türkei39 119
Bosnien-Herzogowina21 638
Kroatien16 214

Betrachtet man die räumliche Verteilung der ausländischen Wohnbevölkerung in Wien nach Bezirken, leben mit 24 820 Personen in Favoriten die meisten ausländischen Staatsbürger, gefolgt von Leopoldstadt mit 22 492 und Ottakring mit 20 508 ausländischen Staatsangehörigen, wobei in sieben Wiener Bezirken der ausländische Anteil bei mehr als 20 Prozent liegt. Spitzenreiter ist Rudolfsheim-Fünfhaus mit 29,2 Prozent(vgl. WIENER INTEGRATIONSFONDS 2003, 11).

Waren vor allem zu Beginn der Arbeitsmigration Männer im erwerbsfähigen Alter aus dem früheren Jugoslawien und der Türkei daran beteiligt, stieg in den letzten Jahren kontinuierlich der Frauenanteil. Bei der Volkszählung 2001 waren rund 47 Prozent zu verzeichnen, der Männeranteil betrug rund 53 Prozent. Deutliche Unterschiede gibt es bei den Frauen zwischen den einzelnen Migranteninnengruppen: Türkei 42,8 Prozent, früheres Jugoslawien 47,5 Prozent, Slowakei 59,2 Prozent und Tschechei 59,9 Prozent(vgl. WIENER INTEGRATIONSFONDS 2003, 10).

Mehr als 40 Prozent der Ausländer sind jünger als 30 Jahre gegenüber rund 30 Prozent der inländischen Bevölkerung. Dies ist deswegen wichtig, weil sich deutlich abzeichnet, dass in den Jahren 1990 - 2001 der prozentuelle Anteil ausländischer Jugendlicher an der ausländischen Wohnbevölkerung in Wien größer ist als der Anteil inländischer Jugendlicher derselben Altersgruppe, gemessen an der inländischen Wohnbevölkerung.

Tab. 4: Alterstruktur der in- und ausländischen Wohnbevölkerung von 1990-2001

Jahr16-19jährige AusländerInnenProzent16-19jährige InländerInnenProzent
199052 8583,912 4296,0
199850 1933,811 3724,0
199950 5423,811 2323,9
200050 3763,811 3693,9
200150 3133,911 0084,4

Quelle: Wiener Integrationsfonds 2003, 40

Rund 70 Prozent der zehn- bis vierzehnjährigen ausländischen Schülerinnen und Schüler besuchen eine Hauptschule in Wien, im Schuljahr 2001/02 waren dies rund 14 390(vgl. bm:bwk: SchülerInnen mit anderer Erstsprache als Deutsch - Statistische Übersicht Schuljahre 1995/96 - 2001/02 - Informationsblätter des Referates für interkulturelles Lernen Nr. 2/2003, 14).

Fehlende Sprachkenntnis der Eltern verhindert einmal eine schulische Förderung und somit den Zugang zur allgemein bildenden höheren Schule(AHS), zum anderen tendieren Migrantenfamilien zur Befürchtung, ihre Kinder könnten dem schulischen Druck der AHS-Unterstufe nicht gewachsen sein(vgl. LEHNERT-SCANFERLA 2001, 19).

Tab. 5: Anteil der ausländischen SchülerInnen an allen Schülern/Wien

SchuljahrHauptschule(HS)AHS-UnterstufePolytechnische Schule(PTS)
1997/9830,1 %9,6 %30,3 %
1999/0030,9 %9,5 %30,1 %
2001/0229,1 %9,2 %33,2 %

Quelle: Wiener Integrationsfonds 2003, 47

3.3 Migration nach Österreich - Berühmte Österreicher mit Migrationshintergrund    

Folgt man MAGENSCHAB (2008), so hat Altösterreich das verwirklicht, was die EU erst zu Stande bringen will. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt bekennen sich mehr Österreicher zur "österreichischen Nation", während die publizierte Meinung den Eindruck erweckt, als drohe dem Land eine Überfremdung und damit eine Art "Entösterreicherung". Derzeit haben rund 16 Prozent der Österreicher und 31 Prozent der Wiener eine Migrationsgeschichte, d.h. sie kamen außerhalb des heutigen Österreichs zur Welt oder haben Ausländer als Eltern.

Bedenkt man die Entwicklung nach 1945, so kamen rund 400 000 Sudeten- und Volksdeutsche aus der Tschechoslowakei und dem Donauraum, im Zuge der Revolten gegen kommunistische Regime in Osteuropa suchten rund 100 000 Personen um die Staatsbürgerschaft an und schließlich blieben über 100 000 Betroffene der Balkankriege der neunziger Jahre in Österreich.

Folgt man der Relation zur Donaumonarchie mit rund 51 Millionen Einwohnern, zwölf Sprachen und sechs Religionen, so erkennt man das Großraumverständnis Altösterreichs, wo das Wandern von Kronland zu Kronland ein Spezifikum war, zumeist als Folge von Politik.

Im 16. und 19. Jahrhundert retteten sich hunderttausende Kroaten und Serben vor der Türkenherrschaft über die "Militärgrenze", ihre Nachfahren siedelten noch heute im Burgenland. Nach dem Toleranzpatent Josephs II. 1781 wanderten aus Angst vor Pogromen viele Juden aus dem zaristischen Russland in das tolerantere Österreich aus.

Prag war in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine mehrheitlich deutschsprachige Stadt, Wien vor 1914 dagegen die größte tschechische Stadt der Welt. Dies ließ bei der so durchgemischten Gesellschaft - Wien war ein Schmelztiegel in der Donaumonarchie - ein österreichisches "Wir-Gefühl" aufkommen, das nicht selten zum überzogenen Patriotismus neigte

Von Interesse sind die Wurzeln weltweit prominenter Österreicher. Beispielhaft anzuführen sind Sigmund Freuds Vater Jakob Freud, der aus dem galizischen Dorf Tysmienica stammte und 1844 nach Probor in Mähren wanderte. Dort kam Sohn Sigmund 1856 zur Welt, bevor die Großfamilie nach Wien übersiedelte.

Ein ähnliches Schicksal machte das ungarische Judenkind Ignaz Semmelweis und ließ es zu einem Wiener Medizinstudenten werden.

Theodor Herzl, in Pest geborener Kaufmannssohn, wurde Redakteur der Wiener "Neuen Freien Presse", wo er die Weltbewegung des Zionismus begründete.

Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms wurden österreichische Staatsbürger, als sie sich in Wien dauerhaft niederließen.

Gustav Mahler wurde im böhmischen Kalischt geboren, ging in Jihlava zur Schule und besuchte anschließend in Wien das Konservatorium.

Franz von Suppés Vater kam aus Belgien und ließ sich im Kronland Dalmatien nieder. In Split wurde er geboren und von dort ging er nach dem Tode des Vaters nach Wien.

Franz Lehar war der Sohn eines Militärkapellmeisters aus dem ungarisch-slowakischen Komorn.

Emmerich Kalman, der die Huldigung an die Wiener Frauen in Noten zu Papier brachte ("Grüß mir die süßen, die reizenden Frauen im schönen Wien"), studierte Rechtswissenschaft in Budapest und wurde als 26jähriger in Wien ansässig.

Johann Strauß Vater war der Sohn Johann Michael Strauß aus dem ungarischen Obuda, wodurch Johann Sohn, Eduard und Josef Strauß typische Angehörige der Integrationsgeneration waren. Es gibt kaum etwas Österreichischeres als den Radetzkymarsch von Johann Strauß Vater und den Donauwalzer von Johann Strauß Sohn.

Auch die erfolgreichsten Offiziere der Monarchie hatten ihre Migrationsgeschichte. Feldmarschall Johann Josef Wenzel Radetzky von Radetzky wurde in Trebnic in Böhmen geboren. Das Theresianum ließ ihn in Wien Wurzeln schlagen.

Prinz Eugen von Savoyen-Carignan wurde 1663 in Paris geboren und emigrierte 20jährig mit einigen Dukaten nach Österreich, als ihn der französische König als Offizier wegen körperlicher Behinderungen ablehnte. Bis zu seinem Tode hatte er als echter Immigrant Probleme mit der deutschen Sprache.

Svetozar Boroevic von Bojna als "Löwe vom Isonzo" bekannt, der nach 1915 in zwölf Isonzoschlachten den Zusammemnbruch der österreichischen Front verhinderte und zuletzt bis fast nach Venedig vorstieß, wurde in Kostajanica in heutigen Kroatien geboren.

Unter Boroevic diente als Offizier der 1873 im ungarischen Uj Szönyi geborene spätere Bundespräsident Theodor Körner.

Der Republikgründer und erste Bundespräsident der Zweiten Republik Karl Renner wurde im mährischen Dojni Dunajovice geboren, Bundespräsident Adolf Schärf im nahen Mikolov.

Der historische österreichische "Kasperl" ist eine Erfindung von Johann La Roche, der 1745 in der heutigen Slowakei zur Welt kam.

Der "Zauberflöten"-Erfinder Emanuel Schikaneder stammt aus Straubing/Bayern, der Prater-Pionier Basilio Calafati aus Triest, die Volksschauspielerin Theresa Krones aus dem schlesischen Bruntal. Alexander Giradis Verwandtschaft kommt aus Cortina d' Ampezzo.

Der durch Film und Theater bekannte Hans Moser heißt laut Geburtenregister Jean Juliet.

Österreichs Bundeshymne wurde schließlich von Paula von Preradovic, einer Enkelin des kroatischen Dichters Petar Preradovic, 1947 getextet. Ihre Söhne Fritz Molden - einer der wichtigsten Verleger Österreichs - und Otto Molden - Begründer des "Forums Alpbach" - waren Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

3.4 Christliche Migrationsgemeinschaften    

Ein Blick auf christliche Migrationsgemeinschaften zeigt auch die religiöse Vielfalt.

In Wien gibt es rund 30 fremdsprachige katholische Gemeinden, sowohl aus dem europäischen als auch aus dem afro-asiatischen und lateinamerikanischen Raum, zumeist auch von Priestern aus den jeweiligen Ländern betreut. Dazu gehören auch die Gemeinden aus den mit Rom unierten Ostkirchen. Ebenso bilden die byzantisch- oder orientalisch-orthodoxen Gläubigen - etwa Serben, Russen, Kopten, Syrer und Äthiopier - eigene Gemeinden(vgl. VOCELKA 2013, 37-161; vgl. http://religion.orf.at/stories/2700610/ > Migranten "ungehobener Schatz für Kirche in Österreich"[19.3.2015]).

Nach Artikel 25 der Kirchenverfassung der Evangelischen Kirche in Österreich i.d.g.F. gibt es die Möglichkeit, dass "für Evangelische, die aus einer ausländischen Kirche kommen und sich zu einer Gemeinde ihrer Nationalität bzw. Volksgruppe zusammenschließen", der Evangelische Oberkirchenrat A. und H.B. mit Zustimmung der Synodalausschüsse Sonderregelungen treffen kann. Durch diese von der Synode beschlossenen Regelung kommt es zur Bildung von "Personalgemeinden" mit einem jeweils spezifischen Profil. Beispielhaft anzuführen sind in Salzburg die Koreanisch-Evangelische Gemeinde und die Salzburg International Christian Church/SICC sowie in Wien die Finnische Evangelische Gemeinde A.B., die Schwedische Evangelische Gemeinde A.B., die Ungarische Evangelische Gemeinde A.B., die Ghanaische Evangelische Personalgemeinde, die Japanische Evangelische Gemeinde, The Vienna Community Church und die Evangelisch-Taiwanesische Gemeinde (vgl. AMT und GEMEINDE 7/8 2007, 126-141). Am Ende des Jahres 2007 wurde die Afrikaanssprachige Evangelische Gemeinde in Wien anerkannt (vgl. AMTSBLATT DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN ÖSTERREICH, 12. Stück v. 21. Dezember 2007, 174-175).

Daneben gibt es eine Vielzahl von indigenen Gemeinschaften, die vorwiegend der pfingstlich-charismatischen Frömmigkeit zuzuordnen sind. Die meisten der afrikanischen Christen kommen aus Nigeria. Aus dem asiatischen Raum sind weniger Gemeinden bekannt, ebenso gibt es noch eine Vielzahl an kleinen fremdsprachigen Freikirchen der verschiedenen Volksgruppen. Eine genaue Zahl kann nicht genannt werden, da es sich oft nur um Gebetskreise handelt. Der Schwerpunkt dieser indigenen Gemeinden liegt in Wien. Einige freikirchliche Gemeinden in Wien sind im "Vienna Christian Center" beheimatet. Dieses pfingstlerisch-charismatische Zentrum wurde von den "Assemblies of God"/ USA gegründet und ist der internationale Zweig der staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft "Freie Christengemeinde/Pfingstgemeinde". Gottesdienste werden in verschiedenen Sprachen angeboten, ebenso gibt es etwa palästinensische, äthiopische, chinesische, philippinische und franko-afrikanische Bibelkreise (vgl. HEMPELMANN 2006, 73).

3.5 Buchbesprechungen    

Migration und Konfession    

Uwe Rieske (Hrsg.)

Migration und Konfession - Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945

Tagungsband der Historischen Kommission des deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB), Gütersloher Verlagshaus 2010, 361 Seiten

Unter dem Titel "Migration und Konfession - Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945" gibt es seit Dezember 2010 eine Dokumentation einer Tagung vom Herbst 2008 in der Evangelischen Heimvolksschule Loccum der Historischen Kommission des DNK/LWB, in der man sich mit den konfessionellen Prozessen und Verschiebungen nach 1945 auseinandersetzte, die die Fluchtbewegungen seit Kriegsende in den westdeutschen Landeskirchen und Österreich auslösten (vgl. DICHATSCHEK 2011, 9).

Die konfessionelle Landschaft in Deutschland und Österreich geriet so stark in Bewegung wie seit der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr. Die Eingliederung von zwölf Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen aus deutschsprachigen Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa in die alliierten Besatzungszonen hat die Evangelischen Kirchen in Deutschland und Österreich vor bislang unbekannte Aufgaben gestellt. Die damit verbundenen Probleme, Chancen und Veränderungen hatten nicht nur politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung. Auch die konfessionellen Veränderungen, die mit der Einwanderung begannen, verdienen eine historische Aufarbeitung, heißt es im Vorwort (S.7).

Von besonderem Interesse für den österreichischen Leser ist Rudolf Leebs Beitrag zu den Auswirkungen der Migration nach 1945 und den Folgen für die Evangelische Kirche in Österreich (S. 167 - 201; vgl. dazu die Veranstaltung der Evangelischen Akademie Wien, 24. - 25.2.2011 "Evangelische Identitäten nach 1945 - Was heißt, nach 1945 evangelisch zu sein?"). Bislang fehlte dazu eine Studie, die nunmehr mit Quellen von Pilotstudien, Selbstdarstellungen, Archivmaterial des Evangelischen Oberkirchenrates und Zeitschriftenmaterial der Evangelischen Flüchtlingshilfe einen guten Überblick im Rahmen des Bandes ergibt. "Bei der Evangelischen Kirche in Österreich im Jahre 1945 handelte es sich also um eine Kirche, die im Laufe ihrer jüngeren Vergangenheit ständig damit konfrontiert gewesen war, neu Hinzugekommene in großer Zahl zu integrieren. Dementsprechend viele evangelische Milieus gab es damals auch in dieser Kirche......Denn unter den Flüchtlingen und Heimatvertriebenen belief sich der Anteil der Protestanten auf über 20%. Nach statistischen Angaben der Kirche waren von den etwas über 300 000 in Österreich verbliebenen Flüchtlingen 60 000 evangelisch. Diese kamen nun zu den 330 000 Seelen dazu. Allein ein Drittel von ihnen waren Siebenbürger Sachsen, der Rest rekrutierte sich vor allem aus evangelischen Donauschwaben, Karpatendeutschen, Sudetendeutschen und zu kleinen Teilen aus Deutschen aus der Bukowina......Im Jahre 1951 verzeichnete die Kirche einen Seelenstand von 429 000, der dann bis 1961 auf 417 000 sank, was zum Teil auch auf die Abwanderung der Flüchtlinge von 1951 bis 1961 zurückzuführen ist" (S. 172-173).

Auch wenn evangelische Migranten an den äußeren Größenverhältnissen wenig verändert haben, so war ihr Einfluss auf die Evangelische Kirche im Inneren erheblich. Sie haben vielen Gemeinden und der Gesamtkirche "Rückgrat und echte Substanz in Frömmigkeit und Engagement im Gemeindeleben gegeben". Dies gilt vor allem in den Diasporagemeinden (S. 200). Die Nachkommen der Heimatvertriebenen stellen einen hohen Anteil an Pfarrern, Theologen und aktiven Laien (S. 201).

Moscheebaukonflikte in Österreich    

Ernst Fürlinger

Moscheebaukonflikte in Österreich. Nationale Politik des religiösen Raums im globalen Zeitalter.

Wiener Forum für Theologie und Religionswissenschaft 7, Göttingen: V&R unipress, 2013

Als bisher umfangreichste Forschung mit einem Forschungsprojekt von 2009 bis 2012 zu Moscheebaukonflikten in Österreich legt Ernst Fürlinger seine Habilitationsschrift vor. Als Religionswissenschaftler arbeitet er methodisch im Kontext mit anderen Kultur- und Sozialwissenschaften empirisch in der Kulturwissenschaft. Dies ist im Sinne von Interkultureller Kompetenz in Österreich von besonderem Interesse.

In acht Kapiteln werden Themenbereiche wie Moscheebauten im Geflecht zwischen globaler Migration, religiöser Pluralität und zunehmender Bedeutung von rechtspopulistischen Parteien in Westeuropa angesprochen. In der Folge werden Begriffe wie Moschee und Minarett, historische Entwicklungen von Gebetsräumen reflektiert. Verschiede Phasen des Moscheebaues werden dargestellt, bevor Moscheebaukonflikte in Österreich in neun Phasen an ausgewählten Fallstudien - Bludenz, Freistadt, Spittal/Drau und Traun - vorgestellt werden. Die zentrale Fallstudie betrifft den Moscheebau in Bad Vöslau. Die Überlegungen münden in eine vorgestellte Theorie der Moscheebaukonflikte.

Moscheebaukonflikte sind Zeichen einer Pluralisierung und in der Folge Darstellung bzw. Sichtbarmachung des Islams als anerkannte Religion in Europa bzw. Österreich. Ernst Fürlinger sieht in der assimilierten (Bau-) Politik von Moscheebauten den Ausdruck einer autoritäre Integration (vgl. die Verhinderung von Minaretten). Trotz positiver Beispiele wie Linz und dem empirischen Ergebnis, dass Moscheebauten in Österreich kein einheitliches Bild ergeben, zeigt sich eine Tendenz zur Einschränkung (vgl. auch die unterschiedliche Auslegung von Bauvorschriften in neun Bundessländern). Von Interesse ist die keineswegs vorrangige Auseinandersetzung um den Islam als vielmehr um die eigenen Interessenslage.

Optionen ergeben sich für den Autor daher um Grundfragen der Inklusion bzw. Exklusion von Menschenrechten, der Zuerkennung bzw. Verwehrung, um ein ethnisch-kulturelles und abstammmungsorientiertes Nationalstaatskonzept bzw. Nationsverständnis einer offenen und pluralen demokratischen Republik.

IT-Hinweis

http://religion.orf.at/stories/2708060/ > Steiermark: Kirchen kritisieren FPÖ-Wahlkampfkampagne (29.4.2015)

Islamgesetz 2015    

Rijad Dautovic - Farid Hafez

Musliminnen als BürgerInnen zweiter Klasse? Eine vergleichende Analyse des Entwurfs eines neuen Islamgesetzes 2014 zum restlichen Religionsrecht

Jahrbuch für Islamophobieforschung 2015, Wien 2015: new academic press, 26-54

Mit der Vorstellung des Ministerialentwurf für ein neues Islamgesetz im Oktober 2014 begann eine heftige Diskussion um Schlüsselbegriffe wie Novellierung, Religionsrecht, Diskriminierung und Verfassung. In weiten Teilen orientiert sich der Entwurf am Israelitengesetz 2012.

Der umfangreiche Beitrag beider Autoren mit einem politischen Kontext und juristischen Auslegungen, ausgehend vom "Gesetz vom 15. Juli 1912, betreffend Anerkennung der Anhänger des Islam als Religionsgesellschaft", bringt für den Nichtjuristen zunächst einen ausgezeichneten Kurzüberblick über Ähnlichkeiten du Unterschiede des neuen Islamgesetzes und des Israelitengesetzes (S. 30-32). In der Folge werden ausführlich Unterschiede, auch zu den anderen Religionsgesetzen, mit Zitierungen aus Rechtsgutachten ausgeführt. Ein politischer Diskurs sichert die Betrachtungsweise auch aus staatspolitischer Sicht - ist naturgemäß auch hilfreich für Politische Bildung besonders in der Erwachsenenbildung - und wirft Fragen wie das Verhältnis Islam und sein Selbstverständnis - Staat mit rechtspolitischen Konsequenzen auf (S. 48-53).

Als Schlussbilanz zeigt sich ein sehr komplexer Themenbereich.

  • Die Autoren orten inhaltlich eine "eindeutige Diskriminierung" hinsichtlich spezieller Erfordernisse der Verfassung der islamischen Religionsgesellschaften(Gründung von Kultusgemeinden, religiöse Betreuung; die Amtsverschwiegenheit von islamischen Würdenträgern bleibt unerwähnt).
  • Benachteiligend wird von den Autoren der minimalistische staatliche Schutz von Feiertagen gesehen.
  • Befürchtet wird allgemein, die Regierung strebe(nur) Muslimen gegenüber ein System der staatskirchenhoheitlichen Aufsicht an. Die bisherige Dreiteilung in anerkannte Religionsgesellschaften, Bekenntnisgemeinden und religiöse Vereine würde sich in eine abweichende Aufteilung entwickeln, welche die traditionellen Kirchen und Religionsgesellschaften besonders schützt, während islamische und mögliche kleinere Religionsgesellschaften diesen Schutz nicht erfahren.
  • Man vermerkt den Verdacht einer Etablierung eines hörigen und untergeordneten Staatsislam. Die Autoren sprechen von einer grundsätzlich positiv zu bewertenden Initiative der längst überfälligen Novellierung, aber auch von einer institutionalisierten Islamophobie(S. 53-54).
3.6 Islam    

Im Folgenden wird das Modell Österreich und islamische Erziehung nach dem Koran behandelt.

3.6.1 Modell Österreich    

Innerhalb Europas stellt die Behandlung des Islam in Österreich eine Besonderheit dar.

Schon 1912 wurde - im Zuge der Besetzung des Großteils von Muslimen bewohnten Bosnien-Herzogowina 1908 durch die Donaumonarchie - ein eigenes Islamgesetz zur Absicherung des rechtlichen Status von Muslimen hanefitischen Ritus erlassen.

1979 konstituierte sich die "Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich" als Körperschaft öffentlichen Rechts. 1989 erfolgte die Anerkennung auch für die sunnitischen und schiitischen Rechtsschulen durch den Obersten Gerichtshof. "Der Islam präsentiert sich nicht einheitlich, da es Muslime gibt, die die IGGiÖ nicht als Vertretung des Islams anerkennen, da es sich bei ihr um eine Einrichtung aufgrund staatlicher ( = nichtmuslimischer) Gesetze handelt"(HEMPELMANN 2006, 74).

Unter den Bundesländern weist Vorarlberg mit 8,4 Prozent den höchsten islamischen Bevölkerungsanteil auf, vor Wien mit 7,8 Prozent. Dort ist der Islam zweitstärkste Religionsgemeinschaft, vor den orthodoxen und den evangelischen Christen.

In Österreich gibt es über 150 Moscheen und Gebetsstätten. Diese sind meist nach Herkunftsländern unterschieden und als "Kulturvereine" organisiert. Auf Grund der staatlichen Anerkennung werden auch islamische Bildungseinrichtungen mit konfessionellem Status und Öffentlichkeitsrecht geführt, in Wien etwa mehrere Kindergärten, Volksschulen und ein Realgymnasium. In Salzburg gibt es zwei Schulen, je ein Internat mit Koranschule für Buben und eines für Mädchen aus der Türkei (Stand 2006).

Mit der Diskussion um die Aufnahme der Türkei in die EU ist der Islam in Österreich öffentlich in das Interesse gerückt. Überdeckt wurde die Diskussion über die Religion von einer ausländerkritischen Haltung eines Teils der Bevölkerung. Die Muslime in Österreich bilden teilweise größere gesellschaftliche Ansammlungen in Wohngebieten und verhalten sich zumeist unauffällig (vgl. FASSMANN-STACHER 2003, 218-219 und 223/Tab. 2).

Bezeichnend ist die häufige Unwissenheit über den Islam bzw. Koran auf Seiten der Nichtmuslime, während auf Seiten der meisten Muslime ein Desinteresse' am Kennenlernen der Religion und Weltanschauung der österreichischen Wohnbevölkerung vorherrscht.

3.6.2 Islamische Erziehung nach dem Koran    

"Religiöse Erziehung war immer ein wichtiges Anliegen der Menschheit. Die Religionsstifter erhoben den Anspruch zu wissen, wie Menschen zu erziehen seien, damit sie den Willen Gottes verstehen bzw. ein glückliches und vor allem geordnetes Leben führen" (ASLAN 2009, 325).

Islamische Erziehung erhebt den Anspruch, den Menschen zu Gehorsam gegenüber Gott zu erziehen. In diesem Konzept gilt der Prophet als der erste erzogene Mensch. Der Koran hebt die Vorbildrolle des Propheten als ein Zeichen der Gnade Gottes für die Menschen hervor (Koran 33:21). Dass der Mensch mit seinen Eigenschaften den Willen Gottes und des Propheten nicht entsprach, machte (islamische) Erziehung erforderlich.

Zur Zeit des Propheten sprach der Koran die gelebte Wirklichkeit mit einer gesprochenen und lebendigen Sprache an. Nach dem Ableben des Propheten war es eine schwierige Aufgabe, den Koran in einem anderen sprachlichen und kulturellen Zusammenhang zu verstehen und zu deuten.

Der Koran wurde in der Folge damit zum Lerngegenstand.

Leben lernen war von Anfang an das Ziel der islamischen Erziehung, d.h. im Zentrum stehen das Leben und seine Wirklichkeit. Im Zentrum religiösen Handelns standen soziale Gerechtigkeit, universelle ethische Werte und die Gleichwertigkeit des Menschen. "Die Verengung des Islam auf eine Religion des Gesetzes ist eine späte Entwicklung, die aus dem lebensnahen Gott ein unnahbares Machtzentrum machte" (vgl. ASLAN 2009, 328).

Religion und gesellschaftliche Phänomene wurden in der Folge immer komplexer, das Vorbild von Muhammad schwand und das theologische Verständnis der Gelehrten bekam zunehmend Bedeutung. Religiöse Bildung und Erziehung gewannen immer mehr an Bedeutung.

In einer ersten Phase der institutionalisierten Erziehung im Islam bekamen die Moscheen mit der Erziehung in der Lehre und einer persönlichen Erfahrung in der Gemeinde einen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Gleichzeitig waren die Moscheen auch Orte des gesellschaftlichen Dialogs, der nicht nur unter Muslimen stattfand, sondern intensiv mit anderen Gläubigen wie Christen und Juden gepflegt wurde. "Christen durften sogar in seiner Moschee nach ihren Ritualen beten" (ASLAN 2009, 329).

Mit dem Entstehen islamischer Fachwissenschaften wurden in den Moscheen auch Medizin und Astronomie unterrichtet. "Aus einer lebensorientierten Gebetsstätte ist ein Ort der Wissenschaft entstanden. Es entstanden immer wieder neue Wissenschaften, die Lehre gewann mehr Bedeutung als die Religion selbst" (ASLAN 2009, 330). In der Folge kam es zur Notwendigkeit, professionelle Institutionen zur Verbreitung von Wissenschaften einzurichten.

Damit kam es zur Entstehung der Madrasa. Ihre Qualität und Freiheit in der Lehre hing sehr stark von der politischen und wissenschaftlichen Gesinnung der Herrschenden ab (vgl. KRÄMER 2005, 162-164). Ab dem 11. Jahrhundert verloren die Madrasen nach und nach ihre wissenschaftliche Dynamik.

Ab dem 17. Jahrhundert setzte sich die Einsicht durch, dass die Wissenschaft in den islamischen Ländern hinter den wissenschaftlichen Entwicklungen des sogenannten Westens auf Grund politisch-korrupter Interessen zurückblieb. Mit der Infragestellen des Nutzens von (Natur-) Wissenschaften im Jenseits und der laufenden Diskussion geht es nicht um eine Säkularisierung von Wissenschaften, vielmehr um die Selektierung der Wissenschaften durch die Pflichtwissenschaft. Diese "Islamisierung" bis heute hat ihren Ursprung in dieser Tradition. Paradoxerweise führte der Niedergang islamischer Wissenschaften aus einem Anfang muslimischer Erneuerung (vgl. ASLAN 2009, 331-332). Auch die Erweiterung der religiösen Fächer um Astronomie, Mathematik und Philosophie unter dem Osmanischen Reich reichte nicht aus, die Madrasen zu reformieren. Unter Sultan Mahmut II. wurden westlich orientierte Schulen eröffnet, mit der Gründung der Türkischen Republik 1923 wurden die Madrasen staatlich verboten. Außerhalb des Osmanischen Reiches blieb den Madrasen als Wissenschaftsauftrag nur die Lehre der klassischen Theologie.

In der Folge kam es zur Säkularisierung des Bildungsbegriffs. Aus dieser Diskussion entstanden zwei Schulen, die klassisch-traditionelle - die sich gegen Reformen wehrt - und die westlich-orientierte mit säkularisierten Bildungseinrichtungen, die der Religion keine besondere Rolle beimessen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden westliche Bildungseinrichtungen geschaffen, allein nach 1948 mehr als 60 Universitäten in den arabischen Ländern gegründet. In der Türkei und Indonesien wurden Schulsysteme modernisiert. In der Türkei wurde etwa die religiöse Erziehung dem Staat zugewiesen, allerdings liegt in der islamischen Welt eine theologische Verinnerlichung demokratischer Werte noch in weiter Ferne (vgl. ASLAN 2009, 335).

3.7 Österreich    

In Österreich gilt mit Stand 2006 das "Fremdengesetz" mit Regelungen der Quoten des jährlichen Zuzugs von Menschen aus dem Ausland, des rechtlichen Status und der Niederlassung (vgl. taz v. 24. Juli 2006, 10: "Integration geglückt - einen Pass gibt es nicht"). In den klassischen Einwanderungsländern Nordamerikas und in Australien dagegen gelten Einwanderungsgesetze mit Regelungen der Einreise, des Aufenthaltes und der Niederlassung von Ausländern.

Wien hat eine lange Tradition des Zuzugs von Ausländern. 1900 zählte die Stadt Wien 1 674 957 Einwohner, 46,4 Prozent oder 777 195 Personen waren in Wien geboren. 26,2 Prozent oder 438 695 Personen kamen aus Böhmen, Mähren oder Schlesien. Aus Ungarn und Bosnien stammten nochmals 130 000 Menschen.

Wer von einem "melting pot" spricht, sollte in diesem Zusammenhang an Wien und weniger an New York denken.

Die Anzahl der Ausländer stieg kontinuierlich. 1981 kamen auf 7 555 000 Einwohner Österreichs 291 000 ausländische Staatsangehörige, 1991 auf 7 796 000 Einwohner Österreichs 518 000 ausländische Staatsbürger, 2001 auf 8 032 926 Österreicher 710 926 ausländische Staatsbürger.

Nimmt man die statistischen Angaben der letzten Volkszählung 2001 des Magistrats der Stadt Wien als Grundlage, dann sind im Sinne der Staatsbürgerschaft 15,7 Prozent der Wiener Bevölkerung Ausländer. Nach Berechnung der Arbeiterkammer Wien/AK Wien sind gegenwärtig ca. 370 000 Bewohner außerhalb von Österreich - mit Einschluss der österreichischen Staatsbürgerschaft - geboren. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung Wiens - 2001 1 547 278 mit Hauptwohnsitz - beträgt demnach etwas weniger als 25 Prozent. Jedes dritte Mitglied der Wiener Arbeiterkammer habe einen "migrantischen Hintergrund" aus den letzten 40 Jahren (vgl. BAUBÖCK-PERCHINIG 2006, 738; DICHATSCHEK 2004, 99-100).

Das folgende Zahlenmaterial bezieht sich auf das 1. Quartal 2008, stammt aus der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria > http://www.statistik.at/web_de/dynamic/Statistiken/bevoelkerung/032181.

1 426 700 Personen in Österreich haben einen Migrationshintergrund, definiert als der Geburtsort ihrer Eltern, der im Ausland lag. In drei von vier Fällen sind die Personen selbst irgendwann nach Österreich zugewandert, sie selbst sind aber in Österreich zur Welt gekommen (Zuwanderer der 1. Generation). Bei 352 000 Personen sind beide Elternteile aus dem Ausland zugewandert, sie selbst sind aber in Österreich geboren worden (Migrantinnen und Migranten der 2. Generation). Nahezu die Hälfte der Personen mit Migrantenhintergrund (46 Prozent bzw. 653 000) besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft.

Mehrheitlich kommen die Zuwanderer der 1. Generation aus Ländern außerhalb der EU (702 000, 65 Prozent). Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien bilden dabei die größte Gruppe (349 000), gefolgt von Personen aus der Türkei (162 000). Aus dem EU-Raum zugewanderte Personen (373 000) kommen vorwiegend aus Deutschland (126 000)und aus Polen(56 000). Bei den Zuwanderern aus der 2. Generation zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Eltern dieser Personengruppe stammen mehrheitlich aus dem ehemaligen Jugoslawien (134 000)oder aus der Türkei (89 000). Nahezu die Hälfte der Personen mit Migrationshintergrund (46 Prozent bzw. 653 000 Personen) besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. 18 Prozent haben jene eines EU-Landes und 36 Prozent haben den Pass eines Landes außerhalb der EU. 20 Prozent der Personengruppe mit Migrationshintergrund sind Bürgerinnen und Bürger eines Staates des ehemaligen Jugoslawiens (ohne Slowenien) und 7 Prozent sind türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger.

Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Frauen und Männern unterschiedet sich bei Personen mit bzw. ohne Migrationshintergrund kaum. Was das Alter betrifft, sind die in Österreich lebenden Personen mit Migrationshintergrund im Durchschnitt um nahezu fünf Jahre jünger als Menschen ohne Migrationshintergrund (36,8 bzw. 41,4 Jahre).

Die absolut und relativ meisten Menschen mit Migrationshintergrund leben in Wien. Etwas mehr als ein Drittel der Wienerinnen und Wiener zählen zu dieser Gruppe (36 Prozent). Es folgt Vorarlberg mit 21 Prozent, Salzburg mit 18 Prozent, Tirol mit 16 Prozent, Oberösterreich mit 14 Prozent und Niederösterreich mit 12 Prozent. Sehr niedrig ist der Anteil in der Steiermark und in Kärnten mit jeweils 9 Prozent, am niedrigsten im Burgenland mit 8 Prozent.

IT-Hinweise:

"Drei Szenarien zur Migration" > http://orf.at/stories/2193160/2193128/ > 1.8.2013

"Muslimische Diversität" > http://religion.orf.at/stories/2847756 > 9.6.2017

3.8 Sprachpolitik und Sprachprobleme    

Im Jahre 1961 betrug der Prozentsatz ausländischer Arbeitskräfte in Österreich noch 0,5 Prozent, zehn Jahre später waren es 6,0 Prozent, 1981 6,1 Prozent, 1991 8,9 Prozent und 2002 10,6 Prozent (vgl. ÖSTERREICHISCHES FORUM FÜR MIGRATIONSSTUDIEN 2003). Mit den Arbeitskräften kamen die Familien mit, damit schulpflichtige Kinder. Sprachpolitische Regelungen gab es keine, das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 hatte dazu keine Vorschriften.

In der österreichischen Schule wies sich dies jedoch als ein dringendes Sprachproblem. Mitte der 70ger Jahre waren in der allgemein bildenden Pflichtschule (APS) rund 1,5 Prozent, in den 90ger Jahren bereits ca. 10 Prozent ausländische Schüler. Unterrichtete man zunächst zögernd die Sprachen der Migrantenkinder als Vorbereitung auf eine Re-Integration in den Herkunftsländern, kam es ab der Mitte der 70ger Jahre zu Vereinbarungen zwischen Österreich, dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei im Rahmen von Schulversuchen für einen "muttersprachlichen Zusatzunterricht" in der APS, wobei die Herkunftsländer Lehrkräfte schickten. Als sich die Arbeitsmigration als dauerhaftes Phänomen herausstellte, kam es 1992 zu der im wesentlich heutigen Regelung, bei der der freiwillige muttersprachliche Unterricht in die Kompetenz der österreichischen Schulbehörde überging.

"Betrug der Prozentsatz der Sprecher und Sprecherinnen von Sprachen aus dem ehemaligen Jugoslawien 1991 noch ca. 2,5%, so erreichen im Jahre 2001 Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Mazedonisch 4,43%(348 629 Personen), die Sprachen der Türkei (Türkisch, Kurdisch) 2,31% (185 578 Personen). Dass die Prozentsätze bei den österreichischen StaatsbürgerInnen wesentlich geringer sind(0,99 bzw. 0, 84%), weist einerseits auf das besonders restriktive Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich hin, andererseits vielleicht auch darauf, dass mit der Annahme der Staatsbürgerschaft ein individueller Sprachwechsel vollzogen wird. Neben diesen beiden Sprachgruppen spielen noch Zuwanderer aus Polen (30 598), Albanien(28 212) und Rumänien((16 885) eine gewisse Rolle und an außereuropäischen Zuwandern die Arabischsprachigen (17 592), Persischsprachigen (10 665) und Chinesischsprachigen (9 960)" (DE CILLIA-WODAK 2006, 54).

Zahlenmäßig stark sind die schulischen Zuwanderungsgruppen ("SchülerInnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch"). Im Schuljahr 2002/2003 besuchten ca. 15 Prozent (103 877 SchülerInnen) die APS: in Wien 43 Prozent und Vorarlberg 17,6 Prozent. Am niedrigsten ist der Prozentsatz in der Steiermark und Kärnten (7 bzw. 7,1 Prozent). Im Schuljahr 2004/2005 wurden an der APS Albanisch, Arabisch, Bulgarisch, Chinesisch, Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Romanes, Serbokroatisch(Bosnisch/Kroatisch/Serbisch), Russisch, Slowakisch, Spanisch, Türkisch und Ungarisch angeboten(vgl. BMBWK: Der muttersprachliche Unterricht in Österreich. Statistische Auswertung für das Schuljahr 2004/2005, Wien 2005).

Die Verteilung nach Schularten zeigt die Bildungsbe(nach)teiligung der Migrantenkinder:

Tab. 6: SchülerInnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch 2002/2003/bis zu 6 Schulbesuchsjahren

 ÖsterreichWien
Volksschule16,4%40,9%
Hauptschule13,1%47,0%
Sonderschule22,0%36,5%
Polytechnische Schule15,3%51,6%
AHS-Unterstufe9,1%19,2%
AHS-Oberstufe8,6%19,3%
Berufsschulen6,2%16,7%
BMS12,5%35,5%
BHS7,7%19,7%
Lehrerbildende Schulen2,3%4,1%

AHS - allgemein bildende höhere Schulen
BMS - berufsbildende mittlere Schulen
BHS - berufsbildende höhere Schulen

Quelle:

BMBWK * BPS 2001/2002; mod. nach de Cillia-Wodak 2006, 55

Derzeit gibt es weder gesetzliche Regelungen, die sprachliche Rechte vor Ämtern garantieren. Mit Ausnahme von Schulen exisitiert keine Sprachpolitik, ebenso besteht keine nennenswerte Förderung der kulturellen Identität. Eingebürgerte MigrantenInnen, die eine anerkannte Minderheitensprache sprechen(Slowenisch, Kroatisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch und Romani), besitzen sprachliche Rechte und Fördermaßnahmen.

An Schulen existieren derzeit drei Maßnahmen für die Förderung einer anderen Erstsprache als Deutsch:

  • Deutsch als Zweitsprache - unterrichtsparallel, integrativ oder zusätzlich zum Regelunterricht
  • Muttersprachlicher Unterricht - Ziel: Bikulturalität und Festigung der Zweisprachigkeit und das
  • Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen" : Verständnis und Achtung für kulturelle, sprachliche und ethnische Vielfalt - Erziehung zu kritischer Auseinandersetzung mit Ethno- und Eurozentrismus, Vorurteilen und Rassismus - Festigung der sprachlichen, kulturellen und ethnischen Identität(vgl. BAUBÖCK-PERCHINIG 2006, 739).
Als interessante Maßnahme, außerhalb des Kindergartens Sprachförderung für Migrantenkinder mit ihren Eltern anzubieten, sind landesweite pädagogischen Bemühungen in Vorarlberg anzusehen. Das "Dornbirner Modell", spielerisch vor dem Kindergartenbesuch mit frühsprachlicher Förderung zu beginnen, wird auch in Lustenau, Hard, Bludenz, Frastranz und Rankweil in ähnlicher Form angeboten. Die Landeshauptstadt Bregenz startete noch im Herbst 2007 einen ähnlichen Versuch(vgl. http://vorarlberg.orf.at/stories/224214/ > 11.4.2012).

3.9 Zeittafel zu Minderheitsfragen in Österreich    

1867 Staatsgrundgesetz - Artikel 19: Rechte der Minderheiten

1901 2. Orthographische Konferenz - Einheitlichkeit der Rechtschreibung

1919 Staatsvertrag von St. Germain - Minderheitenschutzbestimmungen in Artikel 62 und 69

1920 Österreichisches Bundes-Verfassungsgesetz - Artikel 8: Deutsch als "Staatssprache der Republik"

1920 Volksabstimmung über den Verbleib des südlichen zweisprachigen Teils Kärntens bei der Republik Österreich

1921 Volksabstimmung in Westungarn - Burgenland kommt zu Österreich

1945 NS-Verbotsgesetz - Verfassungsgesetz über das Verbot der NSDAP

1945 Das Schulfach "Deutsch" wird in "Unterrichtssprache" umbenannt

1945 Einführung des zweisprachigen Unterrichts an Volksschulen im zweisprachigen Gebiet Kärntens

1951 1. Auflage des "Österreichischen Wörterbuchs"(ÖWB)

1955 Österreichischer Staatsvertrag - Artikel 7 Minderheitenschutzbestimmungen

1957 Errichtung des Slowenischen Gymnasiums in Klagenfurt

1959 Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten/BGBL. 1959/101

1962 Schulorganisationsgesetz(SchOG?) - Abschaffung der Volksschul-Oberstufe/Auswirkungen auf das Minderheitenschulwesen

1972 Unterzeichnung des Südtirol-Paktes - Autonomiestatus für Südtirol

1972 "Ortstafelsturm" in Kärnten - zweisprachige Ortstafeln werden gewaltsam demontiert

1976 Volksgruppengesetz - Anerkennung der Ungarn und Tschechen als Minderheit

1988 Minderheitenschulgesetz für Kärnten/BGBL. 1988/326, Novelle 1990/420

1991 Eröffnung einer zweisprachigen Volksschule in Klagenfurt

1992 Gesetzliche Regelung für Kinder mit anderer Erstsprache als Deutsch - Lehrplan: Deutsch als Zweitsprache und Muttersprachlicher Unterricht sowie Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen"

1992 Anerkennung der Slowakischen Minderheit durch Errichtung eines Volksgruppenbeirats

1992 Errichtung des dreisprachigen Volksgruppengymnasiums Oberwart

1993 Anerkennung der Roma und Sinti durch Errichtung eines Volksgruppenbeirats

1993 Großdemonstration gegen das "Ausländer-Volksbegehren"

1994 Minderheitenschulgesetz für das Burgenland/BGBL. 1994/641

1995 EU-Beitritt Österreichs

1998 Staatsbürgerschaftsgesetznovelle - Anforderungen über die Kenntnisse der deutschen Sprache

2000 Aufstellung von zweisprachigen Orstafeln im Buurgenland

2003 Inkrafttreten der "Integrationsvereinbarung"

2005 Verschärfung der Bestimmungen zu den Deutschkenntnissen im Integrationsvertag und Staatsbürgerschaftsgesetz

3.10 Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen Wien    

Das "Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen" in Wien besteht seit September 1983 und ist eine der ältesten und größten Beratungseinrichtungen in Österreich. Es ist eine wichtige und unabhängige Anlaufstelle für Migranten und Migrantinnen zu arbeitsmarktpolitischen, fremden- und sozialrechtlichen Fragen auf Vereinsbasis. Das Beratungszentrum betreibt eine eigene frauenspezifische Einrichtung.

Die langjährige Berufserfahrung, fundierte Ausbildung im sozialen Bereich und die kulturell-religiösen Hintergründe der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ermöglichen, dass Sprach- und soziokulturelle Barrieren wegfallen und dadurch eine gezielte und individuelle Problemlösungstrategie für diese Gruppe angeboten werden kann. Bei Bedarf werden zusätzlich mehrsprachige Gruppenberatungen durchgeführt. Die Räumlichkeiten und Ausstattung der Beratungsstelle sind zeitgemäß und den Bedürfnissen entsprechend.

Vielfältige Projekte und themenspezifische Öffentlichkeitsarbeit ergänzen die Beratungsangebote. Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaftsintitiative EQUAL, die sich zum Ziel gesetzt hat, strukturelle Diskriminierung und Ungleichheiten am Arbeitsmarkt zu bekämpfen, engagiert sich das Beratungszentrum aktiv mit Projekten. Ziele sind die berufliche Wahl- und Aufstiegsmöglichkeiten für Migranten und Migrantinnen zu erweitern, Diskrimiminierung am Arbeitsmarkt abzubauen und die beruflichen Chancen zu fördern.

Rund 50 Prozent der Tätigkeit betreffen jeweils die Rechts- und Sozialberatung mit der notwendigen Begleitung, wobei die Ratsuchenden über Aufenthalt, Ausländerbeschäftigung, Arbeitssuche, Arbeitslosigkeit, Qualifikationen, Weierbildung, soziale Leistungen und Einbürgerung informiert und beraten werden. Vorrangig ist ständiges Organisieren mit Betreuen, weil Ratsuchende vor allem durch fehlende Sprachkenntnisse entsprechend vermittelt werden müssen.

Bildungsberatung führen drei Mitarbeiter durch, im Vordergrund steht hier die Weitervermittlung zu Sprachkursen. Fehlende Schulabschlüsse sind ebenfalls ein Problem. Jugendlichen wird zumeist empfohlen, den Hauptschulabschluss nachzumachen. Weitere Hürden sind die Lehrstellenvermittlung und die Anerkennung von Hochschul- und Universitätsabschlüssen, wobei in Österreich auch Zusatzausbildungen noch zu absolvieren sind.

Gleichzeitig arbeitet das Beratungszentrum - mit derzeit 14 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, davon sieben Frauen und sieben Männern, elf von ihnen selbst mit Migrantenhintergrund - im europäischen Migrationsdialog und einem europäischen Vernetzungsprojekt zu EU-Einwanderungs- und Integrationspolitik mit.

Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit werden mehrsprachige Homepages, Informationsblätter und Vorträge angeboten. Stellungnahmen zur Ausländergesetzgebung, Organisation von Veranstaltungen zum Themenbereich, Bereitstellung des umfangreichen und bereichsübergreifenden Expertenwissens in Arbeitskreisen und entsprechenden Foren vervollständigen die Tätigkeiten des Zentrums.

Organisatorisch ist das Beratungszentrum unabhängig von politischen Geldgebern. 70 Prozent sichert das Arbeitsmarktservice/AMS und die Europäische Union/ESF sowie 30 Prozent die Magistratsabteilung 17/Integration das Budget ab.

Internethinweise:

http://www.migrant.at

http://www.interculturexpress.at

http://www.wequam.at

Kontakt:

Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen

Hoher Markt 8, A-1010 Wien

Tel.: 0043-(1)712 56 04

migrant@migrant.at

3.11 Dokumentation AK Vorarlberg/Wahl 1999    

Die folgende verkürzte Dokumentation entstand im Rahmen des 10. Universitätslehrganges "Politische Bildung" der Universität Salzburg/Schloss Hofen (2006) zur Präsentation einer politischen Konfliktanalyse (DINCER 2006).

Konfliktlage

In Österreich ist einmalig die Pflichtmitgliedschaft von Kammern - in diesem Fall der Kammer für Arbeiter und Angestellte("Arbeiterkammer/AK") - und die damit verbundenen politischen Wahlen zur Besetzung der Gremien. Bis in das Wahljahr 1999 bestand das politische Procedere in der Zulassung von nur österreichischen Kandidaten mit passivem Wahlrecht, obwohl auch ausländische Arbeitnehmer als Wähler (aktives Wahlrecht) zugelassen waren (vgl. dazu BAUBÖCK-PERCHINIG 2006, 735-736). 1999 war Österreich bereits Mitglied der EU und hätte somit Ausländern - etwa Staatsbürgern aus der Türkei auf Grund des Assoziationsabkommens - die gleichen Rechte als Arbeitnehmer zusprechen müssen. Somit stand ein politischer Konflikt - bewusst oder unbewusst mit Rechtsbruch - im Raum.

In Kenntnis dieser rechtlichen Situation kandidierte bewusst eine "Liste Gemeinsam" für die Wahl im April 1999 mit fünf türkischstämmigen Kandidaten. Vertreter der ÖVP, SPÖ und FPÖ hatten im Februar 1999 bei einer Sitzung der AK-Hauptwahlkommission diese Liste nicht zugelassen. Der einzige Jurist in dieser Kommission machte bereits in der Sitzung die Funktionäre auf das EU-Recht des passiven Wahlrechts aufmerksam. Demnach sind türkischstämmige Arbeitnehmer gleichzusetzen mit EU-Bürgern.

Die "Liste Gemeinsam" setzte sich insbesondere für Minderheitenrechte ein und kämpfte als eine der ersten AK-Fraktionen österreichweit dafür, dass ein Miteinander sinnvoller als ein Nebeneinander sei. Die Liste wandte sich nach der Streichung der Kandidaten an die zuständige Sozialministerin mit der Begründung, dass das Sozialministerium als Aufsichtsbehörde die Wahl rückgängig zu machen habe, andernfalls der Verwaltungsgerichtshof eingeschaltet würde. Sozialministerin Lore Hostasch lieferte eine Klarstellung - auch für die anderen Bundesländer - in einem Erlass an die Arbeiterkammern, in dem das passive Wahlrecht eingeräumt werden muss. Damit durften türkische Staatsbürger bei der AK-Wahl kandidieren. Außerdem wurde festgehalten, dass das Wahlverfahren in Vorarlberg nicht korrekt gewesen sei. Allerdings wurde die AK-Wahl in Vorarlberg nicht wiederholt und die Streichung korrigiert. Im Sozialministerium wurde die Begründung so formuliert: Bei der AK-Wahl handle es sich um ein Listenwahlrecht. Es seien zwar die fünf türkischen Kandidaten gestrichen worden, die "Liste Gemeinsam" habe aber antreten dürfen. Ein Einfluss auf das Ergebnis sei damit nicht gegeben. Damit gab es eine Wahlanfechtung beim Verwaltungsgerichtshof(VGH).

Gleichgewichtige/ungleichgewichtige Erfolgschancen und deren Gründe

Die "Liste Gemeinsam" wandte sich an den VGH und dieser wiederum zur Auslegung des "Assoziationsabkommens der Türkei mit der EU" an den Europäischen Gerichtshof. Dieser entschied im Mai 2003, dass die österreichische Staatsbürgerschaft keine Voraussetzung dafür sei, dass jemand für die Vollversammlung der AK wählbar ist. Die AK-Wahl Vorarlberg musste dennoch nicht wiederholt werden. Es wurde bestätigt, dass türkischstämmige Kandidaten zu Unrecht von der Liste gestrichen wurden und es geltenden Recht ist, dass Arbeitnehmer aus Drittstaaten mit Arbeit und zweijähriger Kammerzugehörigkeit das aktive und passive Wahlrecht besitzen.

Die Entscheidung des VGH und des EUGH führte in der Folge dazu, dass es bei anderen Interessensvertretungen zu Anpassungen kam, so etwa bei Wahlverfahren zu Betriebsrats-, Jugendvertrauens- und Arbeiterkammerwahlen sowie zu einer Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes und des AK-Gesetzes. Dies führte zur Stärkung einer betrieblichen Demokratie.

3.12 Tirol    

Migration in Tirol ist kein neues Phänomen, vielmehr gibt es jahrhundertlange Ein- und Auswanderungsbewegungen im Lande (vgl. beispielhaft STÖGER 2002). "Im Zuge der Transformationsprozesse, die im Zeichen der Globalisierung stehen, nimmt sie jedoch neue Formen an, die entsprechende politische Maßnahmen erfordern" (WEISS 2006, 3).

IT-Hinweis

http://www.uibk.ac.at/leopoldine/gender-studies/bildung_migration_tirol.pdf (1.3.2014)

Problembereiche sind in Tirol auch das Bildungssystem und der Arbeitsmarkt, es geht ebenso auch um Fragen der Zugehörigkeit und der Aufnahme im Gastland. Damit ist der Ein- und Ausschlussmechanismus in der Aufnahmegesellschaft angesprochen. Hier zeigt es sich, dass solche Prozesse nur mit gesamtgesellschaftlicher Struktur ablaufen, deren Gestaltung von ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen abhängig sind (vgl. BOURDIEU 1997).

Wohnbevölkerung Tirols nach Staatsbürgerschaft 1990 - 2004

 Gesamtösterr. StaatsbürgerProzentausländische StaatsangehörigeProzent
1990621.826588.05594,633.7715,4
2000672.209608.52190,563.6889,5
2004692.281623.08090,069.20110,0

Quelle: Amt der Tiroler Landesregierung, Landesstatistik Tirol 2005, 11

Tirol weist vergleichsweise zu den anderen Bundesländern eine geringere Zahl von Einbürgerungen auf. Österreichweit waren im Jahre 2004 die Einbürgerungen rückläufig, aus der Landesstatistik Tirol ergeben sich dagegen hohe Zahlen in diesem Jahr. Im Vergleich zu 2003 ergibt sich eine Zunahme von 15 Prozent. Aus dem Rechtstitel des zehnjährigen Wohnsitzes erfolgten 38 Prozent der Einbürgerungen 2004, weitere 50 Prozent durch Erstreckung der Staatsbürgerschaftsverleihungen auf Ehegattinnen und Ehegatten sowie Kinder. Führend sind Staatsangehörige der Türkei(55 Prozent) und des ehemaligen Jugoslawiens (35 Prozent), die 90 Prozent der Einbürgerungen aufweisen (vgl. 1985: 6 Prozent). 39 Prozent der neuen Staatsbürger im Jahre 2004 wurden in Österreich geboren, 61 Prozent kamen in einem anderen Land zur Welt. 49 Prozent der Eingebürgerten sind Frauen und 39 Prozent sind noch nicht 15 Jahre alt (LANDESSTATISTIK TIROL 2005, 54-55). Für den Spitzenwert 2004 gibt es zwei Gründe: einmal blieben Anträge auf Grund personeller Engpässe liegen, zum anderen häuften sich Fälle einer zehnjährigen Wohnsitzführung in Tirol als Voraussetzung für eine Einbürgerung (vgl. WEISS 2006, 17).

Anteile ausländischer Staatsangehöriger in Tirol nach Nationalität 2004

 ZahlProzent
Gesamt61.201100
Deutschland17.12124,7
ehemaliges Jugoslawien21.64531,3
Türkei13.17619,0
Italien3.5125,1
Niederlande1.1981,7

Quelle: Amt der Tiroler Landesregierung, Landesstatistik Tirol 2005, 13

Der hohe Anteil von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien erklärt sich aus dem Balkankrieg in den 90er Jahre, bei dem diese Personengruppe als Flüchtlinge nach Tirol kamen und einen wesentlich stärkeren Rückkehrwunsch haben als in Österreich lebende Türkinnen und Türken.

Tirol in Zahlen/2010

710 048 Einwohner hat Tirol, 78 200 (11 Prozent) davon sind Ausländer.

93 Prozent der ausländischen Bevölkerung Tirols kommen aus europäischen Staaten incl. der Türkei. Rund 53 Prozent der Ausländer/innen sind EU-Bürger.

Mit 16,5 Prozent ist der Ausländeranteil im Bezirk Innsbruck-Stadt tirolweit am höchsten. Am niedrigsten ist er mit 3,5 Prozent im Bezirk Lienz.

Mit 26 200 Personen bilden deutsche Staatsangehörige die stärkste Ausländergruppe.

115 500 Menschen mit Migrationshintergrund leben in Tirol. Davon sind 85 000 selbst zugewandert. 30 500 Personen wurden als Kinder eingewanderter Eltern geboren.

Internethinweis:

http://www.tirol.gv.at/themen/zahlen-und-fakten/statstik/publikationen/ > Demographische Daten 2010

3.13 Vorarlberg    

Das Bundesland Vorarlberg hat mit seiner spezifischen Problematik der Zuwanderung einen besonderen Stellenwert in der Migration in Österreich. Im Folgenden soll daher darauf eingegangen werden.

3.13.1 Besonderheiten    

Zwei Besonderheiten zeichnen das Bundesland Vorarlberg in der Migrationsproblematik aus:

  • Einmal weist Vorarlberg nach Wien die höchste Rate an türkischer Bevölkerung und einen hohen Migrantenanteil in Österreich auf (Volkszählung 2001 - Erwerbspersonen aus der Türkei: Wien 6 012, Vorarlberg 3 245; vgl. AUSTRIA STATISTIK 2007, 59; SPRICKLER-FALSCHLUNGER 2007, 265).
  • Zum Anderen besitzt es mit dem Jüdischen Museum in Hohenems eine kulturelle Stätte, die auf kulturell-religiöse Art auf Migration hinweist und die Diaspora- und Migrationsproblematik museumsdidaktisch bearbeitet.
Aus diesen zwei Phänomenen ergeben sich Folgerungen, die von besonderem Interesse sind.

Statistisch ist in den einzelnen Regionen bzw. Gemeinden die Wanderungsentwicklung unterschiedlich. Im Montafon, im Großen Walsertal und in weiten Teilen des Bregenzer Waldes wandern mehr Personen ab als zu, während im Kleinwalsertal, am Arlberg und in den größeren Gemeinden des Rheintals sich mehr Zuwanderung ergibt.

Wanderungsgewinne sind auf eine Außenwanderung zurückzuführen. In den letzten zehn Jahren wanderten mehr Inländer aus Vorarlberg ab als zugewandert sind, ebenso zeigt sich diese Tendenz bei Staatsbürgern aus dem ehemaligen Jugoslawien. Eine verstärkte Zuwanderung ist bei deutschen und türkischen Staatsbürgern bemerkbar (vgl. MAYER-RÜCKER 2006, 5).

3.13.2 Migration nach dem Zweiten Weltkrieg    

Die meisten Arbeitsplätze entstanden nach 1945 in der Textilindustrie. Ab 1950 waren bis zu 75 Prozent der Industriearbeitskräfte hier tätig. Durch die höheren Löhne in der Schweiz wanderten Vorarlberger Arbeitskräfte ab, Inländer kamen als Arbeitsmigranten nach Vorarlberg.

Diese Binnenwanderung brachte Gewinne für die Unternehmen, da Inländer aus Ostösterreich bereit waren, geringere Löhne als Vorarlberger Arbeitskräfte zu akzeptieren.

Dies trifft in der Folge auch für die ab 1960 einsetzende jugoslawische und ab 1970 türkische Arbeitsmigration zu.

3.13.3 Aktuelle Migration    

Geht man vom Jahr 2004 aus, ist das Kleinwalsertal mit 10,6 Promille die beliebteste Wanderungsregion. Das Rheintal und der Walgau folgen mit 4,1 Promille, das Große Walsertal hat die größten Wanderungsverluste mit - 7,5 Promille (vgl. MAYER-RÜCKER 2006, 8). Ab 2005 kann man statistisch von einem Wanderungsstillstand in Vorarlberg sprechen, d.h. die Bevölkerungsfortschreibung basiert auf Grund der Geburtenbilanz und eine Wanderungsbewegung kommt nicht vor.

Im Jahre 2004 haben rund 1 400 Personen mehr ihren Hauptwohnsitz in einer Vorarlberger Gemeinde. Einem Wanderungsgewinn bei Ausländern(+ 2 117) steht ein Verlust bei Inländern(- 716) gegenüber. Die meisten Zuwanderer kamen aus Deutschland(+ 824), der Türkei(+ 564), der Schweiz(+ 180), der Ukraine(+ 99), aus Serbien und Montenegro(+ 70) und Polen(+ 46). Statistisch von Interesse ist die Bewegung der Kroaten(+ 129, - 122), Ungarn(+ 80, - 72) und Italiener(+ 69, - 68).

Ab 1990 gab es in Vorarlberg kleinere jährliche Wanderungsgewinne, ab der Volkszählung 2001 sind so gut wie keine Wanderungen feststellbar (vgl. STATISTIK AUSTRIA 2007, 42).

Zugenommen hat die Bevölkerung gegenüber 2007 durch Geburtenüberschuss um rund 1 400 Personen. Mit Ende Juni 2008 leben in Vorarlberg 367 300 Einwohner. Es gibt es einen gleichbleibenden Ausländeranteil von 12,6 Prozent. Eingewandert sind vor allem deutsche Staatsbürger (vgl. http://vorarlberg.orf.at/stories/294390/ > 11.4.2012).

3.13.4 Integrationsarbeit in Vorarlberg    

Geht man nun von dem aktuellen statistischen Befund aus, so ist aus einem "Rotationsmodell" - ausländische Arbeitskräfte sollten nur vorübergehend bleiben - ein "Bleibemodell" geworden. Damit stellten sich Fragen der Integration, die bestimmt werden

  • vom schlechten sozioökonomischen Status von Migranten (Arbeitsmarktposition, Einkommen, Sozialleistungen)
  • schlechten Bildungsindikatoren und hoher Arbeitslosigkeit sowie
  • Defiziten an sozialer und kultureller Anerkennung mit Diskriminierungserfahrungen.
Integrationspolitik ist nunmehr als Gesellschaftspolitik zu verstehen, wobei die Zuständigkeit der politischen Systeme auch auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Zielgruppe auszugehen hat (vgl. GRABHERR 2007, 258). Orientierungspunkte sind die Bedürfnislage der Zielgruppe, also ihrer Problemlage mit präventiven sozial- und kulturpolitischen Aufgabenbereichen (u.a. Partizipationsmöglichkeiten im öffentlichen Leben und Sozialprogramme).

Zu verhindern ist eine ethnische Unterschichtung mit einer Verfestigung von Ungleichheiten und zu fördern sind Teilhabe-Chancen (u.a. eine Förderung des Bildungspotentials dieser Gruppe).

Damit sind Strukturen für eine Etablierung von Integration notwendig. Vorarlberg ist (auch) Einwanderungsland geworden.

Beispiele für einen notwendigen Politikwechsel sind

  • das im Jahre 2002 beschlossene Integrationsleitbild der Stadt Dornbirn mit einer klaren Zuständigkeitsstruktur in der Stadtpolitik und Verwaltung
  • das unter Mitwirkung der Vorarlberger Landesregierung eingerichtete Projekt "okay.zusammen leben" als Wissens- und Kompetenzort für Migration und Integration und
  • die Schaffung von Strukturen in zivilgesellschaftlichen Institutionen des Landes (u.a. Kirche, Arbeiterkammer, Institut für Sozialdienste und Arbeitskreis für Sozialmedizin).
Je öffentlicher die politische Diskussion geführt wird, desto stärker die Signalwirkung, dass Integration nicht nur eine Bringleistung der Migranten darstellt, sondern auch für die Mehrheitsbevölkerung notwendig ist.

Von Interesse ist die Wahl von Vahide Aydin als erste türkischstämmige Frau zur Abgeordneten zum Vorarlberger Landtag 2009 > http://vorarlberg.orf.at/stories/391829/ > 11.4.2012).

Dass kulturell-religiös Integrationsbemühungen in Verbindung mit dem Islam in Vorarlberg umstritten sind und öffentlich sich in einem Diskussionsprozess befinden, zeigt die Stellungnahme des katholischen Diözesanbischofs Elmar Fischer vom 18. März 2008 > http://vorarlberg.orf.at/stories/264428/ und Gegenstellungnahmen bzw. Kommentierungen vom 19. März 2008: http://vorarlberg.orf.at/stories/264620/ und 20. März 2008: http://vorarlberg.orf.at/stories/264998/ sowie Stellungnahmen in der Folge: http://vorarlberg.orf.at/stories/270201/

Von Interesse ist die Minarettdiskussion in Bludenz, die mit 14. August 2008 ein Ende findet > http://vorarlberg.orf.at/stories/300135.

Mehr Mut in der Integrationspolitik und weniger panische Diskussionen sind ebenfalls Positionen, wie sie anlässlich der Feier zum zwanzigjährigen Bestehen des Jüdischen Museums Hohenems im 2. Juli 2011 öffentlich gefordert wurden > http://vorarlberg.orf.at/stories/524296/ > 11.4.2012

3.14 Frauenspezifische Aspekte    

Zu den wichtigen Erkenntnissen der Migrationsforschung im letzten Jahrzehnt gehört die These der Heterogenisierung der Migranten.

Sprach man in den 70- und 80-iger Jahren über Ausländer und Gastarbeiter - überwiegend männliche türkische Gastarbeiter - setzt man sich in den späten neunziger Jahren mit Migranten, Menschen mit Migrationshintergrund und Personen mit Zuwanderungsgeschichte auseinander.

Kennzeichnend ist der veränderte wissenschaftliche Gebrauch von Fachbegriffen, damit die Verwendung differenzierender Definitionen (vgl. AUBELE-PIERI 2011, 130).

Die Figur des/der typischen Migranten/in gibt es (zumindest) im wissenschaftlichen Diskurs und in der heutigen politischen Realität nicht (mehr).

  • Erstmals setzten sich MOROKVASIC (1975)und HOFFMANN-NOWOTNY (1977) mit "Migration" bei Frauen auseinander. Hier wurden die Lebenssituation der ausländischen Frauen (in Deutschland), die Veränderungen im Alltag ("Migrationsumwelt") und Frauen als Objekte - nicht als aktive Subjekte - dargestellt. Erst BAGANA (1987) verwendet die Bezeichnung "Migrantin", noch eingeschränkt als Objekt der Veränderungen.
  • Ab den neunziger Jahren wird aufgezeigt, wie die Migrantin ihre Umwelt aktiv gestaltet, wobei die dauerhafte Niederlassung und Familiengründung der ehemaligen Gastarbeiter bedeutungsvoll wird. Zudem kommt es zur vermehrten Einwanderung von Bürgerkriegsflüchtlingen, Wirtschaftsmigranten und Asylbewerbern. Die restriktive Rechtslage der westeuropäischen Länder nimmt sozial und rechtlich unterschiedlichste Formen an. Letztlich kommt es zur politischen Realität einer Einwanderung mit einer charakteristischen Heterogenität der Zuwanderer (vgl. AUBELE-PIERI 2011, 132).
  • Kennzeichnend für die Verschiedenartigkeit der Migrationsströme waren die aus Osteuropa zugewanderten Frauen mit ihrer Differenzierung nach Nationalität, Bildungs- und Familienstand sowie sozialer Schichtung und Arbeitsmöglichkeiten (vgl. HESS 2009).
  • Zusätzlich nimmt sich die Gender-Forschung der Probleme von Migrantinnen, etwa der Geschlechtergleichstellung, an. PACHALI (1991) nimmt sich in ihren Studien frauenspezifischer Ansätze in der Migrationsforschung an (Migrationshintergründe-Emanzipation). Zunehmend werden Themen wie die rechtliche Stellung - etwa Flüchtlinge, Illegale und Prostituierte - und verschiedenste Lebenslagen und Lebensstile behandelt (vgl. HILLMANN 1996, HOWE 1998/2008). Verschiedene Problembereiche - etwa die Gesundheit der Migrantinnen - werden in der Folge in Verbindung mit anderen Integrationshindernissen untersucht (vgl. GROTTIAN 1991, GRANATO 1994). Damit verbunden sind Untersuchungen gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge und die Erkenntnis, dass die Bereitschaft der Aufnahmegesellschaft, unterschiedliche Kulturen als gleichwertig anzuerkennen einfließen muss (vgl. AUBELE-PIERI 2011, 134; Universitätslehrgänge Interkulturelle Kompetenz und Politische Bildung).
  • Der 11. September 2001 gilt in diesem Zusammenhang als ein Auslöser der "Islam-Debatte" und der Betonung religiöser Differenzen, damit einer Kulturalisierung und Bezugnahme auf die Religion in der Migrations- und Integrationsdebatte. Es intensiviert sich eine Auseinandersetzung um die muslimische Frau, verfassungsrechtlich und gesellschaftspolitisch mit dem Focus auf kulturelle Selbstbestimmung (etwa freie Religionsausübung) und kulturelle Praktiken bestimmter Religionsformen und Indizien für politische Symbole als Frauenunterdrückung(vgl. die "Kopftuch-Debatte"). Beispiele dafür sind die Beiträge von KELEK (2005), SCHWARZER (2006)und ATES (2007) mit dem Infragestellen einer Übereinstimmung von Islam und Emanzipation (vgl. AUBELE-PIERI 2011, 134). Frauen werden nunmehr zu einem gleichberechtigten Thema im Migrationsdiskurs, man spricht von "Migrantinnen".
  • In der Politischen Bildung (und im politischen Diskurs) widerspiegelt sich eine Verfestigung des Aufenthalts und eine veränderte Konzeption der Migrationsproblematik mit dem didaktischen Auftrag zum "Interkulturellen Lernen" und einer "interkulturellen Kompetenz" (vgl. HOLZBRECHER 1997/2004; HOLZBRECHER 2007, 392-406; SANDER 2007).
  • Die wirtschaftliche Lage von Migrantinnen - in Verbindung mit Bildungsmaßnahmen - wird in der Folge intensiv untersucht und mit dem erschwerten Übergang Schule - Arbeits- und Berufswelt in Form der Vorberuflichen Bildung - Berufswahltheorien; Unterricht-Beratung-Realbegegnungen; Vorberufliche Bildung in Schule und Kammern/Verbänden; Lehre; Migration; Arbeitslosigkeit - und Politischen Bildung''' in Projekten, universitär und (langsam beginnend) in Erwachsenenbildungsinstitutionen behandelt (vgl. DICHATSCHEK 1995/2004 a,b,c,d/2007 a,b/2008a,b).
Eine Datenauswertung von Migrantinnen ergibt ein Zahlenmaterial über ihre Lebenslage und eine analytische Auseinandersetzung ihres Integrationsstatus (vgl. AUBELE-PIERI 2011, 136). Mit der Auswertung amtlicher Statistiken nach 2005 ergibt sich ein genaues Zahlenmaterial. So ist der Anteil von Migrantinnen kontinuierlich gestiegen. Frauen fernöstlicher Abstammung sind prozentual gegenüber anderen Migrantengruppen in der Überzahl, was auf eine Heiratsmigration schließen lassen könnte, wobei der Prozentsatz des Ehepartners mit einem einheimischen Partner dafür spricht. Wesentlich ist auch die Entwicklung zu einer Partnerwahl aus dem Herkunftsland und die inzwischen damit verbundene Familienzusammenführung.

Allgemein ist die Bildungssituation von Migrantinnen schlechter als die der Einheimischen. In der AHS-Laufbahn sind Schülerinnen unterrepräsentiert. Migrantinnen bleiben öfter als Einheimische ohne Abschlüsse, die Entscheidung für ein Studium ist geringer. In der Auswertung und Interpretation gibt es uneinheitliche Analysen/Aussagen über die Verantwortung für die Situation. So stellen sich folgende Fragen. Liegt die Verantwortung bei den Migrantinnen oder der Aufnahmegesellschaft? Spielt der jeweilige kulturelle, religiöse und/oder ethnische Hintergrund sowie die soziale Schicht der Familie und deren Bildungsnähe/-aspiration eine Rolle? Gibt es eine diskriminierende Wirkung des Lehrpersonals, auch bei Empfehlungen und Bildungsberatungen für weiterführende Schulen? Wirkt sich das Schulsystem hinderlich für Migrantinnen aus? Sind Bildungsprobleme durch gezielte deutsch-Sprachförderung zu lösen und/oder ist die muttersprachliche Erziehung mindestens genauso wichtig für den Bildungserfolg? Jedenfalls sind die Sprachkenntnisse der einzelnen Migrantengruppen/Migrantinnen höchst unterschiedlich, türkischstämmige Frauen schätzen ihre Deutschkenntnisse am wenigstens gut ein. In engem Zusammenhang damit hängt die Kommunikationsfähigkeit/-offenheit bzw. Geschlossenheit mit/in der Aufnahmegesellschaft. Fördermaßnahmen wie Sprachkurse und Diskussionsabende sind daher Bestandteile einer gesellschaftlichen Etablierung. Inwieweit Bilingualität erfolgreich gesellschaftlich eingesetzt werden kann, hängt von der Kenntnis der jeweiligen Sprachen und ihrer Bedeutung ab. Damit unterscheidet sich der Bildungserfolg individuell bei den einzelnen Migrantinnen und gesamtgesellschaftlich bei den Migrationsgruppen. Der Erfolg bei türkischen und ex-jugoslawischen Migrantinnen ist gering, Polinnen sind beispielsweise wesentlich besser gebildet. Nach derzeitigem Erkenntnisstand handelt es sich um einen Set zusammenhängender Faktoren, etwa der sozialen Schicht, Familienstruktur, Bildungsansprüchen, Einwanderungsmotiven, Ethnizität und Sprachkenntnissen.

In der Folge wirken sich die angeführten Aspekte direkt oder indirekt auf die Beschäftigungssituation von Migrantinnen aus. Traditionelle Geschlechtervorstellungen, schlechtere Sprachkenntnisse, mangelhafte Ausnützung von Bildungsmöglichkeiten, weniger Wertschätzung einer Bilingualität, mangelhafte Berufserfahrung/ "Berufsorientierung", mangelhafte vorbereitende Maßnahmen zur Einmündung in die Arbeits- und Berufswelt (vorberufliche Maßnahmen für Migrantinnen/Migranten), fehlende Frauen-Netzwerke und Beratungseinrichtungen sowie mangelhafte Vereinbarkeit von Familie und Beruf verschleppen eine Berufstätigkeit und einen wertvollen Ressourceneinsatz in der Berufswelt bei Migrantinnen. Entsprechend wiederholen sich immer wieder die Appelle für mehr Berufstätigkeit, insbesondere in speziellen Bereichen wie in Bildungsinstitutionen, Gesundheitseinrichtungen und allgemein im Öffentlichen Dienst (vgl. als Beispiel http://www.orf.at/#/2081982 > 30.9.2011). Die vorliegende Daten bestätigen die erheblichen Unterschiede nach Nationalität, wobei natürlich zu bedenken ist, dass Migrantinnen mit EU-Nationalität eine bevorzugte Stellung am Arbeitsmarkt haben.

Bildungsferne der Eltern wirkt sich aus. Mögliche patriarchale Rollenmodelle und eine Heiratsmigration sowie gefestigte Community-Strukturen können einen Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren.

EU-Ausländerinnen haben dagegen eine bevorzugte Stellung am Arbeitsmarkt und in der Anerkennung von Bildungsabschlüssen. In jedem Fall bedarf es vermehrter Migrantinnen-Beratung, spezifischer Migrantinnen-Bildungsmaßnahmen - beginnend von der Schule bis zu Erwachsenenbildungsinstitutionen - und spezieller Migrantinnen-Sozialeinrichtungen. Die unterschiedlichen Lebenslagen sollten vermehrt berücksichtigt werden (vgl. AUBELE-PIERI 2011,140).

Höchst unterschiedlich ist die Anbindung von Migrantinnen an die Familie. Von Interesse ist die intra- bzw. interethnische Familiengründung, wobei die Unterscheidung an Bedeutung im Zuge der Einbürgerung gewinnt. Intraethnische Heiraten dominieren in Österreich bei türkischen und ex-jugoslawischen Frauen mit der sogenannten "Gastarbeiterherkunft", während bei den neuen Zuwanderern - EU-Länder und Ferner Osten - das Heiratsverhalten eher interethnisch orientiert ist.

Bei den Freizeitaktivitäten spielen ebenfalls intra- und interethnische Kontakte eine Rolle. Mangelhafte Kontakte mit Einheimischen beruhen nicht nur auf einer Abschottung der Migrantinnen (und Migranten), sie sind auch Ausdruck einer eingeschränkten Bereitschaft der Aufnahmegesellschaft. Auf Grund von Abhängigkeiten bei der Beschäftigung, in Familien, aus kulturellen und/oder finanziellen Gründen, fehlt mitunter die Sachebene zu Kontaktanknüpfungen, etwa in Kultur- und Sportvereinen sowie ehrenamtlichen Tätigkeiten. Jedenfalls sind Migrantinnen, die aktiv im Berufsleben - mit entsprechender Ausbildung und Sprachkenntnissen - eingebunden sind, für Möglichkeiten der Freizeitgestaltung offener (vgl. AUBELE-PIERI 2011, 142).

Für Migrantinnen (und Migranten) ist in ihrer Zuwanderungsgeschichte ein Integrationserfolg von besonderer Bedeutung. Kognitiv-kulturelle Integration (Sprachkenntnisse, Bildungsabschlüsse, Kenntnis der Aufnahmegesellschaft, Alltagswissen), soziale Integration (Netzwerke, Freundschaften, Heirat - Transnationalisierung der Sozialkontakte) und emotionale/identifikative Integration(Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Aufnahmelandes) spielen eine wichtige Rolle (vgl. KALTER 2008). Integration ist abhängig auch von den Handlungsmöglichkeiten in der Aufnahmegesellschaft. Rechtliche, politische und kulturelle Zugänge entscheiden über eine Aufnahme und ein Eingebundensein in die Gesellschaft des Aufnahmelandes. Ungleichheitsaspekte werden aufgezeigt (vgl. MAU 2007, OSWALD 2007, WEISS 2010). Frauenmigration bedeutet keineswegs immer eine gelungene Integration (vgl. die Biographie einer Studentin, Expertin, Asylantin, Zwangsprostituierten und Heiratsmigrantin).

Letztlich ist nicht zu unterschätzen die mediale Wahrnehmung von Migrantinnen in der Aufnahmegesellschaft. Journalisten wählen den Zugang zur Berichterstattung selektiv aus, wobei unauffällige Migrantinnen kaum bemerkt werden. Medienrelevant sind vielmehr "Fremde" und Skandalisierungen. Ein relativ starres und verallgemeinerndes Bild wird gerne von Migrantinnen konstruiert, weniger als Bild, öfter mit einer problematischen Beschriftung (vgl. AUBELE-PIERI 2010, 145). Dabei werden die Unterschiedlichkeiten von Migrantinnen in ihrer Herkunft - etwa Osteuropa, Westeuropa, Nord- und Südamerika, Ferner Osten, Afrika - kaum thematisiert. Ebenso finden im Gesamtbild der Migrantin kaum Vertreterinnen wie muslimische TV-Moderatorinnen, Parlamentsabgeordnete oder Professorinnen - ohne Kopftuch oder Schleier - einen Platz. "Eine mediale Reduzierung der Fremdheit auf den Islam ist eine besonders nach dem Jahr 2001 stark ausgeprägte Tendenz" (AUBELE-PIERI 2011, 148).

III STATISTIK - BERICHTE/Auswahl    

Statistisches Jahrbuch für Migration und Integration 2010 - Statistik Austria    

Zum dritten Mal erschien 2010 das Statistische Jahrbuch für Migration & Integration, erstellt und herausgegeben in Zusammenarbeit von der Statistik Austria mit der Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Neben Daten und Fakten sind auch erstmals 25 definierte Indikatoren zur Beurteilung von Integrationsprozessen enthalten. Diese reichen von demographischen Daten über die sozioökonomische Situation bis zum Thema Sicherheit.

Anfang 2010 gab es 895 000 ausländische Staatsangehörige in Österreich (10,7 % der Bevölkerung). Im Durchschnitt des Jahres 2009 lebten rund 1.468 000 Personen (17,8 %) mit Migrationshintergrund in Österreich. Davon sind 1, 083 000 selbst im Ausland geboren. Knapp 386 000 Personen sind in Österreich geborene Nachkommen von Eltern mit ausländischem Geburtsort und werden daher auch als "zweite Generation" bezeichnet. Unter den Personen mit Migrationshintergrund stammte ein Drittel (487 000 Personen) aus anderen EU-Ländern, zwei Drittel (981 000 Personen) kamen aus Drittstaaten. Mit 496 000 waren Personen aus den jugoslawischen Nachfolgestaaten die größte Gruppe, gefolgt von rund 248 000 Personen mit türkischem Migrationshintergrund.

Personen mit Migrationshintergrund sind in den höchsten (17,4 % Hochschulabschluss) und niedrigsten Bildungsschichten (31,3 % Pflichtschulabschluss) deutlich öfter vertreten als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund (13.7 % Hochschulabschluss; 13,3 % Pflichtschulabschluss). Der überdurchschnittliche Anteil gut qualifizierter Zuwanderer ist vor allem auf die Zuwanderung aus der EU (in erster Linie aus Deutschland) zurückzuführen, wogegen Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei deutlich geringer qualifiziert sind.

Zuwanderer stehen in geringerem Maß im Erwerbsleben. So lag die Erwerbstätigenquote von Migranten 2009 bei 64 %, jene der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund bei 74 %. Dieser Unterschied ist auf die niedrigere Erwerbsbeteiligung von Migrantinnen, insbesondere von türkischen Frauen (39%) zurückzuführen. Bei der "zweiten Generation" hat sich das Erwerbsverhalten weitgehend an die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund angenähert. Im Gegensatz dazu war 2009 die Arbeitslosigkeit der ausländischen Staatsangehörigen mit 10,2 % deutlich höher als jene der österreichischen Bevölkerung (6,7 %, nationale Definition). Allerdings waren im Durchschnitt höher qualifizierter Zuwanderer aus EU-Staaten weitaus weniger von Arbeitslosigkeit betroffen als gering qualifizierte aus Drittstaaten.

Das Lohnniveau ist bei Zuwanderern deutlich niedriger. Ausländische Staatsangehörige, die ganzjährig erwerbstätig waren, verdienten netto 2008 mit € 17 949 rund 15 % weniger als der Durchschnitt in Österreich(€ 21 156). Gleichzeitig war mehr als Viertel (26 %) der ausländischen Bevölkerung armutsgefährdet, während es bei der inländischen Bevölkerung rund 11 % waren.

Das Integrationsklima in Österreich wird von der Bevölkerung pessimistisch eingeschätzt. Mehr als zwei Drittel sind der Meinung, dass Integration eher schlecht oder sehr schlecht funktioniere. Die zugewanderte Bevölkerung teilt diesen Pessimismus überwiegend nicht. 86 % fühlte sich in Österreich bereits völlig oder eher heimisch.

Die vom Bundesministerium für Inneres (BM.I) und vom Europäischen Integrationsfonds finanzierte Publikation ist über die Statistik Austria und den Österreichischen Integrationsfonds verfügbar.

Integrationsbericht 2011 des Innenministeriums/B.M.I    

Die Zuwanderung nach Österreich ist 2010 gestiegen. Laut aktuellem Integrationsbericht das BM.I lebten 2010 1,54 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, was 18,6 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht.

Die Zuwanderung stieg, die Zahl der Asylbewerber war weiter rückläufig. Die Zuwanderer sind etwas jünger als die Österreicher, bekommen mehr Kinder und haben teilweise ein schlechteres Bildungsniveau und damit weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

2010 wanderten 114 000 Personen zu, 87 000 verließen das Land. Die Abwanderung blieb damit gleich, die Zuwanderung stieg um 7 000 Personen wegen der Erholung der Konjunktur und der stärkeren Nachfrage nach Arbeitskräften. Erhöht auf 59 000 EU-Bürger hat sich die Zuwanderung aus der EU, besonders aus Rumänien, Ungarn, der Slowakei und Polen. Den größten Anteil stellten die Deutschen(18 000). 39 000 Zuwanderer kamen aus Drittstaaten, ein Drittel davon aus Staaten des früheren YU und dem restlichen Europa, ein weiteres Drittel aus Asien und Afrika. Gering fiel die Zuwanderung aus der Türkei aus(4 000). 16 000 Zuzüge entfielen auf zurückkehrende Österreicher. Die Zahl der Asylwerber verringerte sich auf 11 000.

Quelle: http://www.orf.at/#/stories/2067064/ (5. Juli 2011)

Integrationsstaatssekretariat des BM.I - 20 Vorschläge zur Integration/6. Juli 2011    

Hinweis: http://www.orf.at/stories/2067260/2067267 > 6.7.2011

Wanderungsstatistik 2012    

2012 sind 140 000 Personen aus dem Ausland zugezogen, 96 600 weggezogen. Die am 15. Juli 2012 präsentierten Daten zeigen ein Plus von 43 800 Personen an Zuwanderung an. Das bedeutet im Jahresvergleich eine Steigerung um 40 Prozent, an der österreichische Staatsbürger beteiligt sind.

Weil mehr österreichische Staatsbürger weggezogen als zugezogen sind, ergibt dies ein Saldo mit minus 7 400 Personen.

Das Saldo bei nichtösterreichischen Staatsbürgern belief sich 2012 auf plus 51 2000 Personen und war damit höher als 2011(plus 37 100 Personen). 62 Prozent entfiel auf EU-Bürger(absolut plus 31 500 Personen).

Migration findet vor allem innerhalb der EU statt. Die größte Gruppe der neu Zugewanderten waren ungarische Staatsangehörige (plus 6 600 Personen), es folgen Deutsche (plus 6 200 Personen) und Rumänen (plus 5 400 Personen).

Das Wanderungssaldo mit Nicht-EU-Staaten lag bei plus 19 700 Personen, wovon rund 45 Prozent auf Europäer entfielen. Fast ebenso viele Personen kamen aus Asien. Das Zuwanderungsplus aus dem gesamten afrikanischen Kontinent betrug lediglich 1 380 Personen.

Mit 1 800 Personen wanderten mehr Personen aus Russland nach Österreich als aus Afrika. Abgesehen von Russland kamen aus Serbien 1 700 und aus Bosnien-Herzegowina 1 500 Zuwanderer.

Für die Zuordnung als Zuwanderer gilt, dass ein in Österreich geborenes Kind ohne österreichischen Pass als Zuwanderer gilt.

2012 betrug der Ausländeranteil rund 11,9 Prozent. Rund 41 Prozent stammten aus der EU (16 Prozent aus Deutschland). Unter den Ausländern aus Nicht-EU-Staaten waren türkische Staatsbürger mit 113 700 die größte Nationalität vor serbischen Staatsangehörigen (111 300 Personen).

Mittelpunkt der Zuwanderung und ausländischen Bevölkerung ist die Bundeshauptstadt Wien. Rund 44 Prozent der Nettozuwanderung aus dem Ausland im Jahre 2012 entfielen auf Wien (plus 19 100 Personen). Mit Stichtag 1. Jänner 2013 war der Ausländeranteil mit 23 Prozent fast doppelt so hoch wie im österreichischen Durchschnitt.

Quelle > http://orf.at/stories/2190970/2190973 ( 15.7.2013)

Bildungsstand der migrantischen Bevölkerung 2012    

Migrantinnen und Migranten verfügen zu 25 Prozent über einen höheren Bildungsabschluss(Reifeprüfung bzw. weiterführende Studien), davon 17 Prozent über ein Hochschulzeugnis.

29 Prozent der Klientel haben einen Pflichtschulabschluss als höchsten Bildungsabschluss.

In beiden Fällen sind die Prozentsätze höher als jene der Bevölkerung ohne migrantischen Hintergrund.

Nach der STATISTIK AUSTRIA 2012 nähert sich der Bildungsstand der zweiten Generation dem der Nicht-Migrantinnen bzw. Migranten kontinuierlich.

Lernende mit ausländischer Staatsbürgerschaft sind in Hauptschulen, Polytechnischen Schulen und Sonderschulen überrepräsentiert (Durchschnitt an österreichischen Schulen 10 Prozent, Sonderschulen 18 Prozent, AHS/BHS 7-8 Prozent). Die Über- bzw. Unterpräsenz korreliert nicht mit der nationalen Herkunft, vielmehr mit dem sozioökonomischen Status der Familien.

13 Prozent der nicht-deutschsprachigen Lernenden setzen ihre Ausbildung nach der achten Schulstufe (Hauptschule) nicht fort, nur 4 Prozent betrifft das deutschsprachige Lernende (STATISTIK AUSTRIA 2012).

Rund 23 Prozent beträgt der Anteil an ausländischen Studierenden an österreichischen Universitäten (STATISTIK AUSTRIA 2012). Mehr als zwei Drittel kommen aus der EU bzw. EWR. Der höchste Anteil stammt aus Deutschland.

Auffallend ist die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte unter ihrem Qualifikationsniveau(vgl. KRAUSE-LIEBIG 2011). Probleme treten bei fremdenrechtlichen Aspekten, Diskriminierungen, Sprachkenntnissen, Zeitfaktoren, Informationsmangel und Strategien der Arbeitsvermittlungsbehörden auf, die erworbene ausländische Qualifikationen nicht berücksichtigen(vgl. BIFFL-PFEFFER-ALTENBURG 2013).

Globale Migration    

In einer globalisierten Welt nimmt keineswegs die Migration zu. Die globalen Migrationsströme waren zwischen 1990 und 2010 relativ stabil > http://science.orf.at/stories/1735696/ > 28.3.2014 ( vgl. OLTMER 2017).

Im Durchschnitt verlegten in den gemessenen Fünf-Jahres-Intervallen je rund 0,6 Prozent der Weltbevölkerung ihren Wohnsitz in ein anderes Land. In 196 Ländern haben die Wissenschaftler des "Instituts für Demographie" der Akademie der Wissenschaften und des "Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital"/Wien vom 1990 bis 2010 in Fünf-Jahres-Abständen den Wohnort von Personen am Anfang einer Fünf-Jahres-Periode mit dem an deren Ende verglichen. Verfasst wurde die Studie "Quantifying Global International Migration Flows" von Guy ABEL und Nikola SANDER.

Die Zahl der weltweiten Migrantinnen und Migranten war zwischen 1990-95 und 2005-2010 mit jeweils rund 41, 5 Millionen Personen am höchsten und lag dazwischen bei 34,2 Millionen (1995-2000) bzw. 39,9 Millionen (2000-2005). Gemessen an der Weltbevölkerung sank der Anteil der Zuwanderer von 0,75 Prozent (1990-1995) auf 0,61 Prozent (2005-2010). Die hohe Zahl der Zuwanderer am Beginn der neunziger Jahre führt SANDER auf die Konflikte in Afghanistan und Ruanda zurück. Diese Ereignisse dürften mehr Einfluss auf Wanderungsbewegungen als die Globalisierung haben.

Starke Wanderungsbewegungen finden in den südlich der Sahara befindlichen afrikanischen Ländern statt. Zwischen 2005 und 2010 wanderten rund 3,1 Millionen Personen, aber 1,2 Millionen sind von dort nach Europa ausgewandert.

Zu beachten sind zunehmend Migrationsströme ab 2017 aus Afrika nach Europa. Zahlen der ersten drei Monate der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 2017 weisen auf mehr als 50 Prozent Zunahme in die EU. Gründe sind die unzureichenden Investitionen des Privatsektors und vor allem der fehlende Ausbau der verheerenden Infrastruktur in Afrika. Noch vor drei Jahren galten viele afrikanischen Volkswirtschaften als wahre Wachstumswunder. Der Rohstoffboom ließ Wachstumsraten von Ländern massiv steigen, womit ein Aufkommen einer konsumfreudigen Mittelschicht begründet wurde. Dies erweist sich als Trugschluss, weil China seine eigene Wirtschaft nunmehr ausbaut und die Rohstoffexporte seit 2015 um fast 40 Prozent eingebrochen sind. Ebenso stark fielen die chinesischen Direktinvestitionen in Afrika. Es rächt sich, dass Afrika fast ausschließlich auf China gesetzt hat und die traditionellen Handelspartner im Westen vernachlässigt hat. Der Einbruch von Rohstoffpreisen trifft Afrika massiv, besonders wenn es um jeweils einen einzigen Rohstoff geht. In Sambia und dem Kongo ist dies Kupfer, in Ghana Kakao und in Botswana Diamanten. Konsumgüterriesen haben Fabriken geschlossen, ihre Erwartungen waren überzogen (vgl. DRECHSLER 2017, 4).

Hauptgründe werden auch im niedrigen Bildungsstandard und Einkommen der Personen in diesen Ländern gesehen. Gefordert wird eine große Bildungsexpansion in Afrika, ansonsten bleibt es bei Migrationswellen nach Europa. Migrationsströme aus Afrika stammen primär aus Nordafrika und führen über Spanien und Italien.

Überraschend war die starke Migration von Süd- nach Westasien. Bisher sah man als starke Wanderungsbewegung die Migrationsströme von Zentral- nach Nordamerika an (von 2005 bis 2010 3,2 Millionen Personen). Im selben Zeitraum verlegten 4,9 Millionen Personen ihren Wohnsitz von Süd- nach Westasien (etwa Arbeitsmigration von Pakistan, Indien und Bangladesh in die Golfstaaten).

"Long-Distance"-Bewegungen in Richtung von Ländern mit höherem Einkommensniveau ist ebenso zu beobachten, wobei die Kosten der Migration proportional zur Distanz ansteigen. Das Ausmaß der Migration zwischen den Kontinenten ist bemerkenswert.

Die stärkste bilaterale Migration zwischen 2005 und 2010 gab es mit 1,8 Millionen Personen zwischen Mexiko und den USA, danach folgten Bewegungen zwischen Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten(1,1, Millionen) und Bangladesh nach Indien (600 000). Von China in die USA übersiedelten rund 500 000 Personen.

Zusammenfassend erkennt man zwischen 2005 und 2010, dass die USA mit einem Plus von 5 Millionen Personen das Einwanderungsland Nummer eins sind, gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten (plus 3 Millionen), Spanien (plus 2,2 Millionen) und Italien (plus 2 Millionen).

Die größten Nettoverluste weisen Indien (minus 2,9 Millionen), Pakistan (minus 2 Millionen) und China (minus 1,8 Millionen) auf.

Österreich hat nach dieser Berechnung bei 214 000 Einwanderern und 54 000 Auswanderern ein Plus von 160 000 Zuwanderern. Laut SANDER ergeben sich diese Zahlen aufgrund einer von der Statistik begründeten Definition von Migration, die nicht mit den üblichen Bevölkerungsdaten etwa der Statistik Austria vergleichbar sind.

IT-Hinweis: http://science.orf.at/stories/1735696/ (28.3.2014)

Pressehinweis: Drechsler W. (2107): Der afrikanische Aufstieg ist ein Mythos, in: Salzburger Nachrichten, 13.Juni 2017, 4

IV TAGUNGSBERICHTE    

4 Religionskonflikte/Tagungsberichte - Tagung in St. Virgil Salzburg - "Studientag Islam"/Theologische Kommission der Evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich - Fachtagung "Migration und Arbeitswelt"/AMS Tirol - Fachtagung "Europa und das Andere"/Universität Wien-Institut für Konfliktforschung (IKF)-Demokratiezentrum Wien(DZ) - Workshop "Islam in Österreich"/Tagungshaus Wörgl der Erzdiözese Salzburg - Veranstaltung "Zukunft der Arbeit - Migration und Arbeit"(management-club Österreich/BM.I.)- Tagung "Migration aus der Sicht von Forschungs-Bildungs-Kooperationen. Ergebnisse und theoretische Reflexionen"/BMWF-Demokratiezentrum-Universität Wien    

Zunehmend gewinnt in der Migrationsdebatte die Thematik der Religionskonflikte an Bedeutung.

  • In Verbindung mit Politischer Bildung/Erziehung - hier dem Lernziel "Normen, Werte, Grundlagen einer Demokratie" - ist dem kulturell-religiösen Hintergrund vermehrte Beachtung zu schenken.
  • Bildung und Beschäftigung sind ebenso wesentliche Schlüsselelemente für gelungene Integrationsprozesse von Zugewanderten.
  • Der Islam in Österreich verdient mehr Beachtung, Fragen der Minderheit und religiösen Ausübung in Verbindung mit islamischer Erziehung betreffen die Gesellschaft. Migrantische Heranwachsende und Erwachsene bedürfen besonderer Berücksichtigung am Arbeitsmarkt, wobei vorberufliche Maßnahmen' die Integration in der Arbeits- und Berufswelt maßgeblich unterstützen.
4.1 Tagung St. Virgil Salzburg    

Religiös unterlegte oder überdeckte Konflikte bestimmen in einem dramatischen Ausmaß gegenwärtige politische Spielräume. Die Konfliktherde sind über die ganze Welt verstreut. Afrika, der Nahe Osten, Europa (Irland, Osteuropa, Balkan), Asien (Burma, Indien, Sri Lanka), Nord- und Südamerika sind Beispiele für religiös motivierte Konfliktszenarien (vgl. KIPPENBERG 2008). Wie schwer es ist, religiöse und politische Aspekte auseinander zu halten, zeigen insbesondere ethno-religiöse Auseinandersetzungen.

"St. Virgil Salzburg" und das "Zentrum für Theologie Interkulturell & Studium der Religionen" der Universität Salzburg in Verbindung mit dem Bundeskanzleramt, dem Innen-, Außen- und Unterrichtsministerium sowie dem ORF und der "Gesellschaft für politische Bildung" veranstalteten am 27. und 28. Juni 2008 vor diesem Hintergrund die "Tagung Religionskonflikte" .

Krisenregionen mit erhöhtem religiösem Konfliktpotential wurden beispielhaft analysiert. Expertinnen und Experten der jeweiligen Situationen - Sri Lanka, Brüssel, Nigeria, Libanon, Washington, Wien und Berlin - kamen zu Wort. Impuls zu Beginn der Tagung war eine Podiumsdiskussion zu "Globale Religionskonflikte und ihre Relevanz in europäischen Gesellschaften" mit Josef Bruckmoser/Salzburger Nachrichten (Moderator), José V. Casanova/Georgetown University Washington und Karin Kneissl/Diplomatische Akademie Wien.

Viele Fragestellungen ergaben sich in dieser Tagung: Welche kultur- und religionsspezifischen Aspekte charakterisieren solche Konfliktregionen? Treten religiös motivierte Konflikte häufiger in monotheistisch geprägten Ländern auf bzw. gibt es solche Tendenzen auch in Ländern mit mehreren Gottheiten? Wer hat politische und religiöse Interessen an solch motivierten Konflikten? Wie hängt die Zahl der Konflikte mit der Chancenungleichheit von gesellschaftlichen Gruppierungen zusammen? Welche Bedeutung haben diese Konflikte für die EU?

Am Anfang der Tagung standen innen- und außenpolitische sowie religionswissenschaftliche Grundüberlegungen.

In einem zweiten Schritt beleuchtete man lokale Konflikte (Nigeria, Sri Lanka, Libanon, Balkan und USA). Kurt Remele/Graz untersuchte am Beispiel der USA unterschiedlichste evangelikale politische Initiativen mit verschiedensten religionspolitischen Konfliktlinien. Sie gehen von Debatten um die Evolutionstheorie aus und greifen als Legitimierungsformen in die Tagespolitik über. Von Interesse war in der Tagung auch die Rolle christlicher Prediger im Rahmen der aktuellen US-Wahlauseinandersetzung und die Auswirkungen der militärischen Interventionen nach dem 11. September 2001.

Die Zweischneidigkeit der Religionen wird dann besonders deutlich, wenn Politik und Religion wirksam werden. Durchgehende Meinung der Tagung war, dass es weniger die Religion per se oder bestimmte Inhalte der Religion sind, die zu Konflikten führen, sondern die Beziehung zwischen dem politischen und religiösen System in modernen Gesellschaften.

Entscheidend für den Frieden sind die Teilsysteme Politik und Religion. Kollidieren diese Besonderheiten, werden Konflikte und Gewalt ausgelöst, wie dies am Beispiel Sri Lanka nachzuweisen ist.

Ursula Baatz/ORF Wien analysierte die Situation von Muslimen in Mitteleuropa. Viele Migrantenfamilien sind ebenso wie viele Österreicher säkular eingestellt. Religion ist nur ein Thema in der Integrationsdebatte, das wichtigere sei die Frage der Chancen in der österreichischen Gesellschaft (vgl. DICHATSCHEK 2008, 2).

4.2 Studientag Islam    

In Verbindung mit dieser Tagung war der vorangegangene "Studientag Islam" des Theologischen Ausschusses der Generalsynode der Evangelischen Kirche in Österreich A. und H.B. am 20. Juni 2008 von Interesse.

Leicht gekürzte Fassung des Vortrages von Univ.Prof. Dr. Wolfram Reiss, Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Wien, Lehrstuhl für Religionswissenschaft auf dem Studientag: "Frieden zwischen Muslimen und Christen auf der Grundlage von Gottes- und Nächstenliebe?"

Am 13. Oktober 2007, am Tag des Ramadanfestes, wandten sich 138 muslimische Führungspersönlichkeiten aus der gesamten Welt mit einem offenen Brief an die obersten christlichen Repräsentanten und forderten sie zu einem theologischen Dialog auf. Er wurde zum Jahrestag eines offenen Briefes verschickt, der im Vorjahr von 38 Gelehrten an den Papst geschickt wurde als Reaktion auf dessen Regensburger Rede. Diesmal richtete er sich jedoch nicht nur an den Papst, sondern auch an die gesamte Christenheit. Zudem wurde er von weit mehr Führungspersönlichkeiten der islamischen Welt unterschrieben.

Diese Initiative ist nicht eine der vielen Dialoganstrengungen zwischen dem Islam und dem Westen, die in den letzten Jahren unternommen wurden. Sie hat vielmehr - wie John Esposito/Georgetown University Washington zu Recht betont - wirklich welthistorische Bedeutung. So etwas hat es in der 1400jährigen Geschichte der muslimisch-christlichen Beziehungen noch nicht gegeben: Geistliche und Gelehrte der unterschiedlichsten muslimischen Schulen, Richtungen und Strömungen, darunter Sunniten und Schiiten, Ibaditen und Ismailiten, Sufis, orthodoxe sunnitische Gelehrte und Intellektuelle aus insgesamt 43 Ländern tun sich zusammen, um an die Gesamtheit der Repräsentanten des Christentums einen Aufruf zum theologischen Dialog zu richten. Unter den Unterzeichnern befinden sich die Großmuftis von Syrien, Jordanien, Dubai, Oman, Bosnien und Herzegowina, Russland, Kroatien, Kosovo, Slowenien und Aserbaidschan, der Generalsekretär der Islamischen Konferenz, der frühere Großmufti von Ägypten, der Generalsekretariat der Union Muslimischer Dozenten, ehemalige Minister verschiedener Staaten des Nahen Ostens, Prinz Ghazi Muhammad Bin Talal, Gelehrte und Professoren aus Nordafrika, Nigeria, Sudan, Pakistan, Iran, Indien, Malaysia, Indonesien, der Generaldirektor der Muslimbrüder in Jordanien sowie andere Gelehrte und Intellektuelle aus der Golfregion und aus europäischen Staaten.

Genauso repräsentativ wie die Absender sind auch die Adressaten. der Brief ist nicht nur an den Papst gerichtet, sondern auch an alle 14 offiziell anerkannten autokephalen Kirchen der Orthodoxie bis hin zu dem kleinen Patriarchat der Tschechischen und Slowakischen Republik. Ebenso wurden die fünf orientalisch-orthodoxen Patriarchate von Ägypten, Armenien, Syrien, Indien und Äthiopien angeschrieben sowie die leitenden Bischöfe und Repräsentanten der Anglikanischen Kirche, der Lutheraner, der Methodisten, der Reformierten und Baptisten. Selbst die kleine Kirche der Apostolisch-Katholischen (Assyrischen Kirche) des Ostens, die in der Geschichte zwar große Bedeutung hatte, aber heute zu einer kleinen Minderheit zusammengeschrumpft ist, wurde nicht vergessen. Hinter dem Brief steckt das deutliche Bemühen um die Kontaktaufnahme mit der gesamten christlichen Welt und es wird bereits in der Adressierung eine Auseinandersetzung und Kenntnis der Vielfalt und der konfessionellen Struktur des Christentums deutlich.

Die Intention des Schreibens ist klar. Es wird zum ersten Mal in der Geschichte der Versuch gemacht, dass Muslime aller Gruppen und Strömungen und aus allen Ländern in einen Dialog mit der gesamten Fülle des Christentums in all seinen konfessionellen und regionalen Ausprägungen treten. Dies allein ist schon eine enorme ökumenische Leistung der Muslime, denn ist keineswegs gesagt, dass die Christen ein solch gemeinsames Schreiben zustande bringen. Gleich nach der Veröffentlichung hat Kardinal Jean-Louis Tauran/Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog Bedenken angemeldet, ob der Papst eine gemeinsame Antwort mit allen anderen angeschriebenen Führern unterschreiben könne. Implizit würde das ja bedeuten, dass man sich gegenseitig als Repräsentanten des Christentums anerkennt.

Zum anderen ist das 21 Seiten Text umfassende Schreiben inhaltlich von großer Bedeutung. In einer Zeit der angespannten Beziehungen zwischen islamischer und westlicher Welt, die christlich geprägt ist, werden Polemik und Vorwürfe historischer und aktuell-politischer Art konsequent vermieden. Ein substantieller theologischer Dialog mit dem Christentum in seinen vielfältigen Konfessionen wird stattdessen gesucht und es wird an die gemeinsame Basis erinnert. Die Grundlage für ein friedliches Miteinander zwischen Christen und Muslimen müsse in den theologischen Übereinstimmungen zwischen beiden Religionen gesucht werden. Im zweiten Satz der Erklärung heißt es: " Ohne Frieden und Gerechtigkeit zwischen den beiden religiösen Gemeinschaften kann es keinen Frieden von Bedeutung auf der Welt geben. Die Zukunft dieser Welt hängt vom Frieden zwischen Muslimen und Christen ab." Die These des katholischen Theologen Hans Küng, dass es keinen Weltfrieden ohne einen Religionsfrieden gibt, wird hier eindrucksvoll von muslimischen Repräsentanten bestätigt. Allerdings wird im Gegensatz zu ihm nicht der Konsens in ethischen Minimalforderungen gesucht, die alle Religionen teilen. Vielmehr wird die gemeinsame Grundlage in der theologischen Lehre vom Doppelgebot der Liebe gesucht, d.h. der Liebe und Hingabe zu Gott und der Liebe gegenüber dem Nächsten bzw. dem Nachbarn.

An der These, dass diese beiden Gebote die Grundlage beider Religionen bilden, richtet sich die Struktur des gesamten Textes aus. Zunächst wird über die "Gottesliebe im Islam", dann über die "Gottesliebe als erstem und höchstem Gebot in der Bibel" unter Heranziehung von zahlreichen Koran- und Bibelstellen reflektiert. Im dritten Abschnitt folgen Ausführungen über die "Liebe des Nachbarn" im Islam und diese werden als Entsprechung zu "Nächstenliebe in der Bibel" beschrieben. Der letzte Abschnitt ist dem Leitwort des offenen Briefes "Ein gemeinsames Wort zwischen uns und Euch" gewidmet. Dieses Wort stammt aus Sure 3, der Sure, in der ausführlich über das Leben und die Predigt Jesu Christi berichtet wird. Der volle Wortlaut des Verses, aus dem das Zitat stammt, lautet: "Sprich: O Volk der Schrift, kommt herbei zu einem gemeinsamen Wort zwischen uns und euch, dass wir nämlich Gott allein dienen und nichts neben Ihn stellen und dass nicht die einen von uns die anderen zu Herren nehmen außer Gott. Und wenn sie sich abwenden, so sprecht: Bezeugt, dass wir (Ihm) ergeben sind."

Interessant an diesen Ausführungen ist, dass es sich nicht um gängige Wiederholungen altbekannter theologischer Lehrsätze handelt, sondern dass man versucht, auf die zentralen Lehrsätze der christlichen Religion einzugehen. Die jüdisch-christliche Terminologie wird explizit aufgegriffen, wenn man von dem "Doppelgebot der Liebe" und von der "Nächstenliebe" spricht. Zahlreiche Bibeltexte werden zitiert, teilweise sogar mit Rückgriff auf das ursprüngliche griechische und hebräische Vokabular. Die Liebe und Hingabe zu Gott und die Liebe Gottes wird in das Zentrum der Ausführungen gestellt, obwohl von der Liebe im Koran nur selten gesprochen wird und obwohl Gott nirgendwo im Koran als Liebender beschrieben wird. Hier wird also der deutliche Versuch unternommen, sich an biblisches bzw. christliches Vokabular anzunähern und die Gemeinsamkeiten mit dem Koran und den islamischen Lehren herauszustreichen.

Diese Vorgehensweise ist ganz und gar nicht selbstverständlich angesichts dessen, dass sich seit dem 11./12. Jahrhundert in der islamischen Welt weitgehend die These der Schriftverfälschung durchgesetzt hat, nach der die ursprüngliche Offenbarung durch Juden und Christen verändert wurde und nur noch in rudimentären Spuren in den biblischen Schriften vorhanden ist. Die implizite Anerkennung biblischer Schriften geht sogar so weit, dass man an einer Stelle den Apostel Paulus zitiert, der in der islamischen Welt gewöhnlich als derjenige dargestellt wird, der die Lehren des ursprünglichen Christentums pervertiert hat, indem er den Gedanken der Trinität und der Erlösung am Kreuz hineintrug und die Auflösung der Geltung des mosaischen Gesetzes betrieben hat, obwohl dieses doch von dem Propheten Jesus eindeutig bestätigt wurde. An anderer Stelle wird der "gesegnete Theophylakt" zitiert, ein Bischof, der zu einer Zeit wirkte, als die byzantinische Kirche heftig gegen den Islam und Muhammad polemisierte.

Dieses Schreiben ist also in der Tat ein sensationelles Schreiben. ......Es versucht, neue Ansätze zu finden und sich empathisch in den Dialogpartner einzufühlen und dessen Denkweise und Terminologie aufzugreifen.

Als ein solch positives Schreiben wurde es auch von einem Großteil der Kirchenführer verstanden.............Der Ökumenische Rat der Kirchen hat am 20. März 2008 einen Vorschlag für eine Antwort auf den offenen Brief der Muslime entworfen. Dieser trägt die Überschrift "Gemeinsam das Verständnis der Liebe erschließen - ein Lernprozess" und soll nun den verschiedenen Mitgliedskirchen Orientierungshilfe zur Lektüre und Anregung zur Beantwortung dienen. Die Dialoginitiative wird darin prinzipiell sehr begrüßt............

Trotz dieser grundsätzlich positiven Bewertungen, denen sich der Autor anschließt, gibt es jedoch auch einige gewichtige Punkte, die zu hinterfragen sind. Da ist zunächst einmal die grundlegende These der Verquickung zwischen Theologie und Politik, die dem Papier als Prämisse zugrunde liegt, die sehr fragwürdig ist.

  • Kann ein politischer und gesellschaftlicher Friede in unserer heutigen Welt tatsächlich auf der Basis eines theologischen Konsensus zwischen zwei Religionsgemeinschaften entstehen?
  • Was ist mit denen, die diesen theologischen Konsensus nicht teilen, seien es Andersgläubige, seien es Atheisten, Agnostiker oder säkular geprägte Menschen, für die die Religion nur eine kulturell-historische Prägung darstellt?
  • Ist die These überhaupt richtig, die in dem Schreiben implizit vorausgesetzt wird, dass es sich in den gegenwärtigen innergesellschaftlichen und internationalen Konflikten um religiöse Konflikte handelt und dass diese durch einen Dialog der Religionen zu lösen seien?
  • Ist eine Lösung der Konflikte dadurch zu erwarten, dass sich Christen und Muslime zusammentun - womöglich gegen den Rest der Welt? Stehen sich in Afghanistan, im Irak, im Konflikt zwischen USA/Europa und dem Iran, im Kampf zwischen der westlichen Welt gegen islamischen Terror etc. wirklich Christen und Muslime gegenüber?
  • Kommt man zu einem friedlichen Zusammenleben in europäischen Staaten und mit der Integration von Muslimen einen Schritt weiter, indem Christen und Muslime einen theologischen Konsensus finden, wie auch immer der aussieht?
Hier müssen doch erhebliche Grundfragen geklärt werden. Meines Erachtens geht es in den gegenwärtigen Spannungen größtenteils um politische und gesellschaftliche Konflikte, in der die Religion benutzt wird, um gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Konflikte ideologisch anzuheizen. Eine strategisch-politische Partnerschaft zwischen Christen und Muslimen auf theologischer Basis wird kaum einen der gegenwärtigen Konflikte lösen. Es müssen vielmehr politische Lösungen gefunden werden.

Dennoch heißt das nicht, dass das Dialogangebot und die Besprechung von theologischen Fragen keinen Sinn machen. Wenn sich Muslime und Christen zusammentun und eine gemeinsame theologische Basis finden, dann können daraus Appelle zum Frieden und zur Abkehr von Gewalt erwachsen, die mittelbar durchaus Auswirkungen auf die Gesellschaft und Politik haben können. Wenn sich Religionsführer zusammentun und den politischen Akteuren absprechen, im Namen der Religion zu handeln, dann kann das durchaus heilsame Auswirkungen auf die Konflikte haben, weil sie dadurch ideologisch entschärft werden. Wenn von Religionsführern weltweit darauf hingewiesen würde, dass Bush nicht als Vertreter des Christentums handelt, wenn islamistische Selbsttötungsattentäter weltweit von Religionsführern geächtet werden, weil sie das Leben unschuldiger Menschen bedrohen und verletzen, wenn Christen und Muslime gemeinsam zu einer gerechteren Verteilung der Ressourcen und Beteiligung an politischer Macht aufrufen und konkrete Schritte hierzu von Politikern erfordern usw., dann kann dies durchaus seine gesellschaftliche und politischen Auswirkungen haben.

Das heißt, ein Religionsfrieden - zwischen Muslimen und Christen - wird mit Sicherheit nicht den Weltfrieden bewirken, aber er kann wesentlich dazu beitragen, dass die Ideologisierung politischer Konflikte entschärft wird und dass Druck auf die politischen Herrscher ausgeübt wird, zu friedlichen Lösungen zu kommen.

Einige kritische Anmerkungen zu den theologischen Ausführungen sind notwendig. Die Zitierung von biblischen Texten ist zwar erfreulich, aber es wird bei der Art der Zitate immer noch grundsätzlich unterschieden zwischen dem Koran und der Bibel. Wenn der Koran zitiert wird, heißt es stets "Gott sagte", während Bibelzitate stets mit Formulierungen wie "wie im Evangelium geschrieben steht" oder "Wie im Neuen Testament zu finden ist" eingeleitet werden. Das heißt, dass man an einer grundsätzlichen Differenz zwischen der Authentizität des Koran und der Heiligen Schrift des Christentums festhält: Das eine wird als unmittelbares Gotteswort verstanden, das andere ist nur Überlieferung von Gläubigen. Insoweit wird mit Sicherheit die gegenseitige Anerkennung der Heiligen Schriften ein Thema des weiteren theologischen Dialogs werden müssen.

Ein zweites Problem betrifft die Selektion der Texte. Es ist natürlich sehr erfreulich, dass man die Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten betont, aber die Frage ist, wie man mit den Differenzen umgeht und auch mit den Texten, die gegen die Gemeinschaft mit Christen sprechen bzw. sogar zum Kampf gegen Christen bis zu ihrer Erniedrigung aufrufen wie zum Beispiel in Sure 9,30: Kämpft gegen sie, bis sie von dem, was ihre Hand besitzt, Tribut entrichten als Erniedrigte. Wenn alles im Koran unmittelbares authentisches Gotteswort ist, das unverbrüchlich bis heute gilt, werden dann nicht manche Gemeinsamkeiten auch in Frage gestellt? Gilt nach wie vor das Prinzip, dass nur das anerkannt werden kann, was dem Koran entspricht, so wie es die Sure 2, 137 zum Ausdruck bringt: '' "Wenn sie das glauben, woran ihr glaubt, dann haben sie den richtigen Weg eingeschlagen. Wenn sie sich davon abwenden, so bleiben sie mit euch im Streit. Gott wird euch vor ihnen beschützen. Gott hört alles, und er ist der Allwissende." Wenn dies das Kriterium ist, auf dem Dialog geführt wird, dann wird er sehr schnell in einer Sackgasse landen.

Es wäre auch zu bedenken, ob nicht parallel zu dem Dialog über Gemeinsamkeiten auch ein Dialog über Toleranz trotz bestehender Differenzen geführt werden könnte, d.h. die Entwicklung einer theologischen Konzeption, die den Pluralismus betont, in dem auch Andersgläubige, Atheisten, Säkulare und Agnostiker toleriert werden können.............Vernunft und Religionskritik haben erst den Weg für eine Toleranz aller Glaubensrichtungen in den Staaten Westeuropas geebnet. Dies haben auch nach langem Widerstand die traditionellen Religionsgemeinschaften erkannt. Dies ist nicht gleichbedeutend mit einer rein säkularen antireligiösen Ausrichtung. Vielmehr hat es dazu geführt, dass in mehreren Staaten Europas verschiedene Religionsgemeinschaften die Partizipation am öffentlichen Leben ermöglicht wurde. Dieser Weg steht prinzipiell auch Muslimen offen, da der Staat sich religiös neutral verhalten sollte.

Die theologische Begründung eines Pluralismus der Weltanschauungen ist mit dem Koran und dem Islam auch durchaus möglich. Der offene Brief endet mit einem Koranzitat, in dem die Existenz verschiedener Weltanschauungen explizit als Gottes Wille beschrieben wird. So heißt es in Sure 5, 48: "Für jeden für Euch haben wir Richtlinien und eine Laufbahn bestimmt. Und wenn Gott gewollt hätte, hätte er euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht. Er wollte euch aber in alledem, was Er euch gegeben hat, auf die Probe stellen. Darum sollt ihr um die guten Dinge wetteifern. Zu Gott werdet ihr allesamt zurückkehren, und dann wird Er euch kundtun, worüber ihr uneins ward." Vielleicht wäre es gut, auch diesen Pluralismusgedanken aufzugreifen und weiterzuverfolgen, anstatt nur zu versuchen, den Gedanken einer theologischen Einigung im Glauben zu erzielen...

Parallel dazu muss jedoch auch darüber nachgedacht werden, welche Bedeutung es für Christen hat, wenn Muslime eine solche Nähe ihres Glaubens zu dem christlichen Glauben sehen , dass sie die Gottesliebe und die Nächstenliebe als Zentrum ihres eigenen Glaubens beschreiben. Es kann Christen nicht gleichgültig bleiben, wenn Muslime Jesus als ihren Herrn und Christus verehren (sayyidna al-Masih Isa), wenn jedes Schulkind bereits lernt, dass es an Jesus zu glauben hat, dass er von einer Jungfrau geboren wurde, dass er Wunder vollbracht hat und dass er zu Gott emporgehoben wurde. Müssten nicht auch Muhammad und der Koran dann Bedeutung für Christen erlangen, wenn dort zu solcher Verehrung von Christus aufgerufen wird? Ich denke, hier sind noch viele Fragen theologisch aufzuarbeiten, die nicht mindere Bedeutung haben wie die in den letzten Jahrzehnten besprochenen im jüdisch-christlichen Dialog..............

In den ersten Jahrhunderten des Islam war die theologische Nähe zwischen Christen und Muslimen durchaus spürbar. Byzantinische Christen sahen ja zunächst den Islam nur als eine häretische Variante des Christentums. Diese hat man zwar verurteilt, weil man die Widersprüche zu den biblischen Zeugnissen sah, aber immerhin sah man die Nähe so groß an, dass man den Islam als eine Spielart des Christentums ansah. Und auch der äthiopische Negus, der die Muslime bei der ersten Auswanderung nach Abessinien 615 protegierte und sie vor Nachstellungen der heidnischen Mekkaner bewahrte, bricht nach der Schilderung der Prophetenbiographie von Ibn Ishaq in Tränen aus, als diese über die zentralen Inhalte ihres Glaubens berichten. Und er sagt: "Diese Offenbarung und die Offenbarung Jesu kommen aus derselben Nische. Geht. Ich werde sie (die Muslime) nicht ausliefern und sie nicht hintergehen."

Es wäre eine große Herausforderung für Theologen, diese Nähe, "diese gemeinsame Nische", aus der beide Religionen kommen, einmal näher zu beschreiben und im Detail aufzulisten. Dazu gibt der offene Brief der Muslime jedenfalls einen wunderbaren Anlass.

Literaturhinweise/Auswahl zum Thema Islam/Muslime:

Eißler F. (2009): Muslimische Einladung zum Dialog. Dokumentation zum Brief der 138 Gelehrten("A Common Word"), Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, EZW-Texte Nr. 202/2009, Berlin > http://www.ekd.de/ezw/Publikationen_1935.php

Henning M. (1999): Der Koran, München

Bobzin H. (2004): Der Koran, München

Halm H. (2007): Der Islam, München

EKD/VELKD (Hrsg.) (2001): Was jeder vom Islam wissen muss, Gütersloh

Ende W.-Steinbach U. (Hrsg.) (2005): Der Islam in der Gegenwart, München

Jonker G.-Hecker P.-Schnoy C. (Hrsg.) (2007): Muslimische Gesellschaften in der Moderne. Ideen-Geschichten-Materialien, Innsbruck-Wien-Bozen

Khoury A.Th. (1994): Christen unter dem Halbmond, Freiburg

Gartner B. (2005): Der Islam im religionsneutralen Staat, Frankfurt/M.

4.3 Fachtagung "Migration und Arbeitswelt"    

Bildung und Beschäftigung sind wesentliche Schlüsselelemente für gelungene Integrationsprozesse von Zugewanderten. Eine nachhaltige berufliche Integration von Zuwanderten erfordert ganzheitliche und vernetzte Sichtweisen und Aktivitäten.

Brücken zwischen Schule und Berufseinstieg, bedarfsorientierte Modelle in der Aus- und Weiterbildung sowie eine interkulturelle Öffnung innerhalb der öffentlichen Verwaltung und in Unternehmen sind Bausteine zur Erreichung dieses Zieles.

Vor diesem Hintergrund veranstaltete das Arbeitsmarktservice Tirol (AMS) gemeinsam mit dem Zentrum für MigrantenInnen in Tirol und der Arbeitsmarktförderungs GmbH (amg tirol) am 27. November 2008 im "Haus der Begegnung" in Innsbruck eine ganztägige Fachtagung zur Thematik "Migration und Arbeitswelt".

Präsentiert wurden eine Studie zu dem Thema "Bildungs- und Erwerbssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Tirol" (Univ.Prof. Dr. Gudrun Biffl/Donau-Universität Krems-Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung Wien), ein Vortrag "Die (Arbeits)Welt der MigrantenInnen - ein Blick auf Österreich und Europa" (Mag. August Gächter/Zentrum für Soziale Innovation, Wien) und Impulsreferate zu "Arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Aktivitäten für MigrantenInnen in Tirol" (Mag. Johann Gstir/Land Tirol, Ref. Integration; Mag. Angelika Alp-Hoskowetz/AMS Tirol; Dr. Gerhard Hetfleisch/ZeMIT). Vier Workshops vervollständigten das Programm der Fachtagung: WS 1 - Heranwachsende mit Migrationshintergrund, WS 2 - Aus- und Weiterbildung von MigrantenInnen, Ws 3 - Managing Diversity und WS 4 - Selbständigkeit als Weg.

Tirol erlebte in den letzten Jahren eine Phase sehr guter wirtschaftlicher Entwicklung. Dies schlägt sich auch in den Arbeitslosenquoten nieder, die deutlich unter dem österreichischen Durchschnitt liegen. Auch der Lehrstellenmarkt weist eine deutlich bessere Situation als in Gesamtösterreich auf. Die Zahl der freien Lehrstellen war seit dem Jahr 2000 fast durchgängig höher als die Zahl der Lehrstellensuchenden.

Trotz dieser guten Situation ist es für zugewanderte Heranwachsende - vor allem aus Exil-Jugoslawien und der Türkei - mitunter schwierig, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Häufig hat diese Gruppe keine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung bzw. brechen eine Weiterbildung überdurchschnittlich häufig ab. In der Folge liegt der Anteil der ausländischen Heranwachsenden (20 bis 24jährige), die über keinen über das Pflichtschulniveau hinausgehenden Abschluss verfügen, mehr als dreimal so hoch wie unter der einheimischen Bevölkerung (12,7 Prozent). Bei Personen der zweiten Generation beträgt dieser Anteil 38,2 Prozent, bei Personen der ersten Generation 46,1 Prozent.

Somit gibt es zwar eine leichte Verbesserung in der Bildungssituation der zweiten Generation, sie ist aber noch immer deutlich schlechter als unter Einheimischen, und dies obwohl diese Gruppe in der Regel das gesamte österreichische Schulsystem durchlaufen haben. Die schlechte Ausbildungssituation führt in der Folge zu einer prekären Lage auf dem Arbeitsmarkt.

Hauptproblem vieler Heranwachsender ist die Tatsache, dass ihre Eltern nicht in der Lage sind, sie bei ihrer Ausbildung zu unterstützen. Häufig verfügen die als Gastarbeiter zugewanderten Eltern selbst kaum über formale Bildung und können so ihren Kindern keine Hilfe anbieten. Dazu kommt ein eklatanter Informationsmangel über die Bildungslandschaft, sowohl bei den Eltern als auch bei den Heranwachsenden. Den österreichischen Institutionen, allen voran dem Schulsystem, ist es offenbar noch nicht gelungen, diese Defizite durch spezielle Fördermaßnahmen auszugleichen. Dies zeigen qualitative Interviews mit jugendlichen ausländischen Schulabbrechern. Es besteht bei den jugendlichen Zugewanderten nach Beendigung der Pflichtschule sowohl im Hinblick auf eine betriebliche als auch auf eine schulische Ausbildung ein großes Wissensvakuum. Die Schule, in den meisten Fällen die Polytechnische Schule, kann offenbar diesen Mangel nicht füllen.

Heranwachsende MigrantenInnen gehen bei der Suche nach möglichen Lehrberufen nicht nach ihrer Interessenslage vor, sondern richten ihren Focus lediglich auf alle offenen Lehrstellen. Das erklärt sich einerseits aus dem Informationsdefizit, andererseits ist das auch eine Folge des stark segmentierten Arbeitsmarktes, der es jugendlichen MigrantenInnen schwer macht, in vielen Bereichen überhaupt als Lehrling aufgenommen zu werden(Vorurteile, Sprache, Aussehen). Zusätzlich darf auch nicht die geldorientierte Einstellung der Elterngeneration übersehen werden. Es ist dementsprechend nicht wichtig, ob die Lehrstelle den Interessen ihres Kindes entspricht, sondern das Vorhandensein eines Ausbildungsplatzes.

In der Folge sind Lehrabbrüche bei ausländischen Heranwachsenden keine Seltenheit. Oft sind auch andere Gründe als das Desinteresse am Beruf für einen Abbruch ausschlaggebend. In den Interviews gaben die Heranwachsenden u.a. an, Lehrausbildungen wegen Konflikten mit Vorgesetzten, Diskriminierungen durch KollegenInnen und/oder Vorgesetzten, Übernahme eines Imbißstandes/Weg der Selbständigkeit, zu geringer Entlohnung, eines falschen Arbeitsplatzes und mangelhafter Attraktivität abgebrochen zu haben.

Diese Aspekte zeigen deutlich, dass auch die Diskriminierung am Arbeitsplatz, das soziale Umfeld und allgemeine Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle spielen. Auch Schulabbrüche sind bei dieser Gruppe weniger eine Folge des inhaltlichen Desinteresses und schlechter Lernleistungen, vielmehr spielen Mobbing und Diskriminierung in der Schule eine Rolle. Man erkennt auch keine beruflichen Perspektiven und besitzt kein Laufbahnkonzept.

Viele heranwachsende MigrantenInnen leben im Bewusstsein, dass sie zu einer Gruppe mit erhöhtem Arbeitslosenrisiko gehören. Sie glauben daher nicht, dass sie mit einem höheren Bildungsabschluss bessere Berufsaussichten hätten. Vielmehr glauben sie, mit mehr Berufserfahrung bessere Arbeitsmarktchancen vorzufinden.

Die Interviews zeigen, dass diese Gruppe einer besonderen Betreuung und Berufsorientierung bedürfen. Damit man am österreichischen Erwerbs- und Gesellschaftsleben teilhaben kann, ist die Erlangung eines Schulabschlusses und berufliche Qualifizierung' notwendig. Diese sollte sich an den eigenen Wünschen und Fähigkeiten ebenso orientieren wie an dem regionalen Qualifikationsbedarf, wenn die Erwerbschancen nachhaltig sein sollen.

Aber neben der beruflichen Qualifizierung ist auch an die Vermittlung eines Verständnisses für die institutionalisierten Funktionsweisen der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft (öffentliche Verwaltung, Serviceeinrichtungen, Arbeitgeber/Arbeitnehmer), die normativen Verhaltensmuster verschiedener Personengruppen(Umgang mit den Geschlechtern und Generationen) und gesellschaftliche Organisationsformen zu denken (vgl. Auftrag der Politischen Bildung/Erziehung).

Erst dieses Verständnis wird ausländische Heranwachsende(und junge Einheimische) in die Lage versetzen, in entsprechenden Zusammenhängen aktiv und mit Selbstvertrauen handeln zu können.

Grundkenntnisse bilden die Voraussetzung für eine umfassende und selbstgesteuerte Partizipation in Gesellschaft und Wirtschaft, welche die Grundlage des Zusammenlebens ist.

Auf dieser Grundlage kann die Akzeptanz und Anerkennung mehrschichtiger Identitäten und Zugehörigkeiten sich entwickeln und die soziale Kohäsion gestärkt werden.

4.4 Tagung der Universität Wien "Europa und das Andere - Konflikte um Geschlecht und Religion"    

Mit einer ganztägigen Tagung am 26. März 2009 in der Aula des alten AKH zur Thematik des Islam im öffentlichen Raum sowie den Debatten und Regulationen in Europa befassten sich das Institut für Politikwissenschaften der Universität Wien und Institut für Konfliktforschung sowie das Demokratiezentrum Wien.

Ausgehend vom Phänomen einer Politisierung der Religion setzte sich das Team um Univ. Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger/Wien in verschiedenen Forschungsprojekten auseinander und stellte Ergebnisse vor (vgl. Schwerpunktthema: Islam im öffentlichen Raum. Debatten und Regulationen in Europa, in: ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR POLITIKWISSENSCHAFT 4/2008). Die zunehmende Sichtbarkeit des Islam ist von Spannungen, medialen Debatten und politischen Konflikten begleitet. Moscheebauten in europäischen Städten, Verschleierung vor Gericht, Diskriminierung am Arbeitsmarkt Kampagnen rechtsgerichteter Parteien, die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie - Konflikte um Religion und religiöse Werte drängen in Europa verstärkt an die Oberfläche. Besonders islamische Migrantengruppierungen werden stark unter dem Zeichen einer Bedrohung wahrgenommen. Begriffe wie "Parallelgesellschaften" und "Integrationsunwilligkeit" prägen den öffentlichen Diskurs. Dabei wird auffallend die Fremdheit der anderen Religion an Fragen der Geschlechterverhältnisse festgemacht. Problembehaftete Themenbereiche sind "Zwangsverheiratung" und der koedukative Sportunterricht bis zu "Ehrenmorden".

Entsprechend setzte sich die Tagung mit Fragen positiver Leitbilder für eine Politik der Integration und gegen das (beidseitige) kulturelle Unbehagen, dem Verhältnis von Integrationsfragen zu Religion und den Aufgaben eines säkularen Staates sowie des Verhältnisses von Religionsfreiheit, Gleichberechtigung und Geschlechterungleichheit auseinander. Zum besseren Verständnis einer Politisierung von Religion gehören Kenntnisse der religiösen Pluralisierung europäischer Gesellschaften mit dem Phänomen der Zuwanderung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit ca. 15 Millionen Musliminnen und Muslimen in der EU gibt es unterschiedlichste religiöse Praxen und Religiosität in den EU-Staaten. Neben dieser Pluralisierung hat gleichzeitig die Zahl der Konfessionslosen in Europa zugenommen. Der Widerspruch von religiöser Pluralisierung und Säkularisierung wird mit der Trennung von Staat und Kirche, dem Schwinden von Religiosität und dem Rückzug der Religionen aus dem öffentlichen Raum sowie der "Pluralisierung der Welt der organisierten Religion" erklärt.

Der US-Religionswissenschaftler José Casanova vertrat schon 1994 die These eines weltweiten Wiederauftauchens von Religion in der Politik und kritisierte, dass in Europa Modernisierung, Rationalisierung und Aufklärung, funktionale gesellschaftliche Differenzierung und die Autonomie des Individuums mit Säkularität bzw. Säkularisierung gleichgesetzt würde. Neben der Ausblendung des Religiösen führe dies zur Ignoranz gegenüber der Zuwanderung und der Religiosität der Zugewanderten. Diese Einschätzung wurde von Samuel Huntington (1996) mit der These von zu erwartenden Zivilisationskonflikten bzw. Kriegen, bei denen Religion eine große Rolle spielen würde, relativiert und fand lebhafte Kritik.

Das selbstbewusste Auftreten der Kinder der in den 60ger und 70ger Jahren Zugewanderten und die Forderung nach ihrer religiösen Identität und sozialer und politischer Partizipation erklärt das Phänomen ausgeprägter Religiosität und oftmaliger sozialer Isolation Zugewanderter in der Diaspora, wo Religion auch eine soziale Funktion erfüllt. Letztlich ist auch die Politisierung von Religion mit parteipolitischer Mobilisierung zu beachten. Religiöse Symbole werden mit politischen Inhalten aufgeladen. Islamische Symbole werden so in EU-Ländern mit "anderer" Kultur und "fremder" Macht interpretiert. Allerdings gehen steigende Konflikte an der Schnittstelle von Religion und Politik nicht nur auf eine muslimische Zuwanderung zurück. Religion spielt auch in anderen nationalen Traditionen und Identitäten eine wesentliche Rolle, etwa in Polen.

4.4.1 Zwischen Bedrohung und Bereicherung    

Sabine Strasser (METU Ankara/Universität Wien) schloss in ihrem Vortrag an Ralph Grillos Begriff des "kulturellen Unbehagens" an, der die Entwicklung in Österreich treffend beschreibe. Kennzeichnend seien dabei verhärtete Grenzziehungen zwischen angenommenen kulturell definierten Großgruppen. Konkrete Handlungen und Praktiken werden dekontextualisiert und einem unwandelbaren Wesenskern "Kultur" zugeschrieben. In diesem Prozess der Essentialisierung kultureller Differenzen erscheinen "Einheimische" und "Zugewanderte" als klar geschiedene Gruppen mit je eigener Kultur und eigenem Wertesystem. Akteure auf beiden Seiten reproduzieren diese Konstruktion, wobei mangelnde Integrationsmaßnahmen und Assimilationsrhetorik auf politischer Ebene für diese Entwicklung verantwortlich zeichnen.

In den Massenmedien wird Migration stark unter dem Zeichen einer Bedrohung wahrgenommen. Begriffe wie "Integrationsunwilligkeit" und "Parallelgesellschaften" prägen die öffentliche Debatte. Als besonderes Bedrohungspotential erscheinen dabei geschlechtsspezifische Themen. Hierarchische patriarchale Geschlechterverhältnisse werden als wesentliche Merkmale der "Anderen" dargestellt und lösen besondere moralische Entrüstung aus. So floss 2006 das Thema "traditionsbedingte Gewalt" sogar in die Agenda der österreichischen Ratspräsidentschaft ein, wobei die Wirksamkeit politischer und legistischer Maßnahmen in diesem Zusammenhang nach wie vor fragwürdig bleiben.

Problematisch sei aber auch der Gegendiskurs über Migration als Bereicherung, da er wiederum nicht den Prozesscharakter von Kultur und die Zusammenhänge zwischen Minderheiten und Mehrheiten erfasse, sondern die Anderen auf ihre Position festschreibe und als solche unter Nützlichkeitsgesichtspunkten bewerte (man denke an leere Pensionskassen und sinkende Geburtenraten).

Die Möglichkeiten mit Hilfe eines ethnographischen Blicks, kulturelle Differenzen weder zu beschönigen noch zu übertreiben, demonstrierte Strasser abschließend mit eigenen Feldforschungen in einer österreichischen Kleinstadt. Am Beispiel eines Falls, wie er medial unter dem Aufhänger "Zwangsverheiratung" skandalisiert würde, zeigte sie, wie junge Frauen nicht als passive Opfer, sondern als Subjekte zwischen und mit den vielfältigen kulturellen Kontexten agieren.

4.4.2 Kopftuchpolitiken    

Unter der Moderation von Leila Hadj-Abdou (Universität Wien) folgte ein Vortrag von Valerie Amiraux (Université de Montreal)zum Thema "Kopftuchpolitik". Während in den 80ger Jahren die Diskussion primär auf lokaler Ebene angesiedelt war, entwickelten sich im Zeitraum 2002-2005 vielerorts restriktive Politiken. Amiraux übte harsche Kritik am Umgang mit dem Kopftuch als "sozialem Problem". Ein sensiblerer Umgang mit religiösen Symbolen sowie die Entscheidung bei individuellen Fällen hatten Konflikte in der Regel entschärft. Anstatt nach der Loyalität der Musliminnen zu fragen oder eine "European Gouvernance of Islam" anzustreben, plädierte Amiraux dafür, dem religiösen Kontext mehr Beachtung zu schenken und damit dem Recht nach Glaubensfreiheit. Dabei sei Religion als gelebte Praxis zu verstehen, womit klar werde, dass etwa das Tragen eines Kopftuchs selbstverständlich Teil von Religionsausübung sei. Für die Staaten stelle sich in diesem Zusammenhang die Herausforderung, ihren religiösen Bürgern einen Platz im öffentlichen Raum einzuräumen. Damit sprach sich Amiraux deutlich gegen die Strategie der reinen Privatisierung von Religion aus. Man müssen zusammenarbeiten, sich die fundierten religiösen Meinungen ansehen, damit arbeiten. Dies heiße auch, dass die Fragen nach der Verbindlichkeit und nach der Grenze der Säkularität sowie das Zusammenspiel von Öffentlichkeit und Privatheit neu diskutiert werden müsse.

Im Anschluss stellte Nora Gresch (Universität Wien) die Grundlinien des VEIL-Projekts vor (Values Equality & Differences In Liberal Democracies), das mit Hilfe einer "gender-sensitive frame analysis" Unterschiede und Ähnlichkeiten von Kopftuchdebatten und Kopftuchregulationen in sieben EU-Mitgliedsstaaten sowie der Türkei untersucht wurde. Als wesentliche Faktoren wurden in diesem Zusammenhang identifiziert: (1) das jeweilige "citizenship regime", (2) die Regelungen und Praktiken im Bereich Antidiskriminierung, (3) das Verhältnis von Kirche und Staat sowie (4) die zentralen "framing strategies". Es wurde betont, dass diese Faktoren erst in ihrem spezifischen Aufeinanderbezogensein valide Erklärungskraft entfalten.

Bei der Zusammenfassung zentraler Projektergebnisse ging Sieglinde Rosenberger (Universität Wien) auf die Forderung Amirauxs ein, der Religion mehr Beachtung zu schenken und betonte, dass diese Art der Debatten auch andere und gerade politische Funktionen übernehmen, etwa bei der Politisierung und Polarisierung im politischen Wettbewerb, ähnlich wie es bei Moscheebautprojekten der Fall sei. Bei der Erklärung der unterschiedlichen Kopftuchpolitiken hielt Rosenberger fest, dass hinsichtlich der institutionellen Faktoren kein einheitliches europäisches Muster zu erkennen sei, vielmehr primär auf nationalspezifische Erklärungen zurückgegriffen werden müsse. Der Bezug auf europäische Identität stellte sich in den Kopftuchdebatten klar als Ausnahme heraus, weshalb Rosenberger auch von einer Renationalisierung der Debatte sprach. In methodischer Hinsicht sollten Folgeprojekte über den Ländervergleich hinaus gehen, um stattdessen etwa die unterschiedlichen Arenen oder Ebenen der Diskussion zu analysieren.

4.4.3 Die "andere" Religion im Mediendiskurs    

Das zweite Panel der Tagung unter der Moderation von Florian Oberhuber (Wien) eröffneten Karin Bischof und Karin Stögner (IKF Wien) mit einem Referat zu Säkularität, Religion und Geschlecht im Türkei-Beitrittsdiskurs in Österreich und Frankreich. Karin Bischof erläuterte zunächst den Fokus des Forschungsprojekts auf nationale und europäische Selbstverständnisse, wie sie sich im Beitrittsdiskurs offenbaren, wobei besonders genderspezifische Aspekte untersucht wurden. Die Präsentation basierte auf den Ergebnissen des "node"-Forschungsprojekts "Säkularisierung und geschlechtsspezifische Konstruktion der anderen Religion".

In der ländervergleichenden Perspektive charakterisierte Karin Bischof den französischen Fall mit dem Laizismus und dem nationalen Selbstverständnis einer "Zivilisationsmission" (auch im Sinne eines historisch gewachsenen Musters der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich), wie sie sich in den untersuchten Medienberichten in der Thematisierung von Fragen der Menschenrechte und ihrer Umsetzung in der Türkei manifestierten. In Österreich dominieren in den Medien hingegen Szenarien existentieller Bedrohung durch die islamische Türkei, wobei Rechte und Standards - im Gegensatz zu Frankreich - nur eine marginale Rolle spielen. Im österreichischen Diskurs geht es um Bedrohung der bereits erreichten Gleichberechtigung der Geschlechter, in französischen Medien hingegen um die Einlösung von Frauenrechten in der Türkei. Zudem wird im österreichischen Diskurs eine Essentialisierung von Religion deutlich: Die Religion per se oder die "andere" Religion wird häufig entweder als destruktive Kraft dämonisiert oder als "unschuldige", von der Politik instrumentalisierte Kraft pauschal verteidigt.

Im Anschluss daran setzte Karin Stögner mit einer Analyse orientalischer Topoi als länderübergreifende, "europäische" Merkmale der untersuchten Mediendiskurse fort. Als erstes Motiv nannte sie die Vorstellung des Orients als vitaler Ressource, etwa im Hinblick auf die militärische Stärke oder auch die wachsende Bevölkerung der Türkei. Legt man den Fokus auf das Geschlecht, erkenne man die männliche Konnotation der Türkei im Gegensatz zu den der EU zugeschriebenen, weiblich konnotierten "soft skills". Den zweiten Topos, den der Täuschung und des Verdachts, illustrierte Stögner anhand von Textpassagen, in denen etwa Erdogan als typischem Vertreter der Türkei unterstellt wird, seien "wahren Motive" "hinter mehreren Schleiern zu verbergen". Der Topos der Öffnung der Türkei schließlich kontrastiere ein fortschrittliches, kosmopolitisches und tolerantes Europa mit seinem türkischen Gegenbild, wobei in den untersuchten Texten wiederum die Themen "Frauen und Sexualität" eine besondere Rolle spielen.

Barbara Tóth (Der Falter/Wien) zeigte sich in ihrem Kommentar schockiert von der offenbaren Angleichung österreichischer Boulevard- und Qualitätsmedien hinsichtlich ihrer Diskussionsstrategien. Welche Rolle Journalisten bei der Konstruktion solcher Bedrohungsszenarien spielen, müsste vielmehr Gegenstand der Selbstreflexion sein. Strukturell sei in Österreich auf die starke Konzentrationen im Medienbereich hinzuweisen. "Journalisten/Innen werden zu Schreibtischtäter/Innen", meinte Tóth und unterstrich damit, dass Aussagen der Politik oft ohne journalistische Eigenrecherche übernommen würden.

Lydia Potts (Universität Oldenburg) ergänzte die Analyse der Verknüpfung von Religion und Geschlecht in ihrem Kommentar um die Perspektive auf den muslimisch migrantischen Mann, der bisher eine wissenschaftliche Leerstelle und damit eine Projektionsfläche kulturellen Unbehagens darstellt. Die wissenschaftliche Dekonstruktion dieser Figur des patriarchalen, gewalttätigen Anderen erfordere den Blick auf individuelle biografische Strategien und Diskriminierung in den Aufnahmegesellschaften, um so Entwicklungsperspektiven sichtbar zu machen, die Europa erkennen und ermöglichen müsse.

4.4.4 Historisch kulturell geformte "Türkenbilder" im Kontext politischer Debatten    

Das abschließende Panel unter Moderation von Gertraud Diensdorfer (DZ Wien) thematisierte Argumentationsmuster und Bildstrategien im österreichischen "kulturellen Gedächtnis". Stefanie Mayer (DZ Wien) analysierte den politischen Diskurs der 60ger und 70ger Jahre um die türkischen "Gastarbeiter". Hierbei wurden schon früh gängige Vorurteile sichtbar, in denen Migranten als ungebildet und rückständig beschrieben wurden. Thematisiert wurden dabei aber weniger Religion oder Kultur als vielmehr praktische Merkmale im Rahmen eines allgemeinen Modernisierungsparadigmas. In diesem Zusammenhang nannte Mayer auch die Bildung sexistischer Stereotype und Darstellungen türkischer Frauen als Gewinnerinnen der Migration(mit dem Angebot neuer Möglichkeiten). Diese Stereoptypen wurden lange unkritisch als wahr betrachtet und auch der soziale Status mit der Position der Migranten als Unterschicht als gegeben akzeptiert. Österreich sah sich als modernes, industrialisiertes Land im Gegensatz zu "Anatolien", das als Synonym für Rückständigkeit gehandelt wurde.

Elisabeth Röhrlich (DZ Wien) beschäftigte sich in ihrem Referat mit den visuellen Darstellungen der türkischen Minderheit, welche in österreichischen Printmedien im Zusammenhang mit einem möglichen EU-Beitritt der Türkei abgebildet werden. Aufgrund der unmittelbaren Wirkungsmacht von Bildern käme den Visualisierungsstrategien eine spezielle Bedeutung zu. Eine Analyse der visuellen Repräsentationen habe ergeben, dass zwischen türkischen Migranten in Österreich und den Bewohnern der Türkei in der Darstellung kaum unterschieden werde. Röhrlich stelle fest, dass Debatten über Geschlechterrollen, Religion und Wertsysteme in den EU-Beitrittsdiskurs einfließen. Das manifestiere sich etwa in visuellen Darstellungen kopftuchtragender Frauen, protestierender Männer und religiöser islamischer Symbole(Moscheen, Minarette). Deutlich hob Röhrlich die Kontrastierung von Europa und der Türkei in den Bildstrategien hervor. Werden Türkinnen und Türken abgebildet, die anschlussfähig an "das Europäische" erscheinen (etwa der Nobelpreisträger Orhan Pamuk), so werde in der Regel deren Verfolgung im oder Bruch mit dem Heimatland explizit in der Bildunterschrift hervorgehoben. Frauen spielen eine wesentliche Rolle für die Repräsentation von Andersheit, da ihr Kopftuch als visueller Marker dient. Männlichkeit im Bild dagegen wird meist durch das Militär oder protestierende Massen dargestellt. Auch in scheinbar sachlichen Schaubildern fehlen häufig Differenzierungen. Wirken diese auf den ersten Blick nüchtern, tragen sie zur Emotionalisierung der Debatte bei. Der Gegensatz zwischen Europa und dem "Anderen" werde auf diese Weise nicht nur illustriert, sondern laut Röhrlich auch konstruiert.

Diese Dimension ist es auch, die Cengiz Günay (Österreichisches Institut für Internationale Politik, Wien) in seinem Referat zu "Europa-Bildern im türkischen Diskurs" in das Zentrum stellte. Seiner Meinung nach befindet sich die Türkei in einer Identitätssuche, auf die die Ablehnung der EU stößt. Ein Blick in die Geschichte zeige, dass die Wahrnehmung Europas und teilweise auch die Übernahme von Technologien, Werten oder auch Lebensweisen in der Türkei sehr früh begonnen hatte. Doch diese Annäherung an die EU wurde als ein Projekt der Eliten begriffen, zu dem es immer auch Gegenkräfte gegeben habe. Insgesamt lässt sich für Günay die Situation wie folgt beschreiben: Seit Jahrhunderten träume die Türkei den europäischen Traum, doch es sei ihr bewusst geworden, dass die EU keinen türkischen Traum träume. Da diese Liebe keine Gegenliebe erfährt, befinde sich die Türkei nun an einem verletztlichen Punkt, der in seiner Emotionalität noch nie da gewesen sei und große Verunsicherung mit sich bringe.


Internethinweis:

http://www.ikf.ac.at/tagung09/ (29.3.2009)

4.5 Workshop "Islam in Österreich"    

Der Islam ist in Österreich seit 1912 in Österreich anerkannt, mittlerweile leben hier rund 400 000 Muslime, die nicht nur aus verschiedenen Ländern stammen, sondern auch unterschiedliche Auffassungen vom Islam haben.

Der Workshop ging nach einem kurzen historischen Überblick über den Islam in Österreich ("Modell Österreich") auf die muslimische Lebenswelt und unterschiedliche Sichtweisen der Gläubigen ein. Die folgenden Fragen wurden besprochen: Welche Erfahrungen gibt es mit der Integration dieser Minderheit in Österreich? Welche Haltungen nehmen muslimische Organisationen und Personen zum säkularisierten Rechtsstaat ein? Und wie sieht der Umgang der Mehrheitsgesellschaft mit dieser religiösen Minderheit aus?

Univ. Ass. Dr. Mouhanad Khorchide vom Institut für Bildungswissenschaften leitete am 5. Juni 2009 den Workshop im Tagungshaus Wörgl der Erzdiözese Salzburg.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse unter Punkt 3.6/Teil 1 ergänzt die Ausführungen zum Islam in Österreich.

4.6 Forum "Zukunft der Arbeit - Migration und Arbeit"    

Im Fokus des 5. Forums "Zukunft der Arbeit"/Veranstaltung management-club Österreich/BM.I. standen am 1. Juli 2010 junge Migrantinnen und Migranten der zweiten und dritten Generation und die Diskussion, welche Rolle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterschiedlicher Herkunftsländer in Zukunft in der Gesellschaft spielen werden.

Die Ausgangslage waren Überlegungen von Jean-Pierre Garson/OECD Paris, Integration habe eine große soziale und politische Dimension, die Arbeitsmarktintegration sei der Schlüssel für das Einbinden der Migrantenkinder in unsere Gesellschaft. Vom Gelingen dieses Vorhabens hänge ein großer Teil der Bemühungen ab. Johann Bezdeka, in Vertretung von Bundesministerin Dr. Maria Fekter, verstand integrationspolitische Initiativen nicht nur als Belange zur Bildung eines "Wir-Gefühls", auch als Investition in die Zukunft der Arbeit und des Standorts Österreich. Der Schlüssel sind für ihn die Integrationsindikatoren des "Nationalen Aktionsplans für Integration" des Bundesministeriums für Inneres/BM.I. wie Sprachkenntnisse, Arbeit und Beruf, Gesundheit und Soziales, Rechtsstaat und Werte, interkultureller Dialog, Sport und Freizeit, Wohnen und regionale Dimension von Integration sowie Eigenverantwortung und Eigenleistung, verstanden als Querschnittsmaterie aller Ministerien, Bundesländer und Gemeinden sowie privater Organisationen. Für Frank Zelger/Zürich, Vizepräsident von Customer Care & Customer Operations bei Cable-Com erbringen Migration und Integration sprachliche und kulturelle Vielfalt für Gesellschaften und damit enorme Chancen für den Arbeitsmarkt. Der richtige Umgang kann zu ökonomischen Vorteilen und zur Sicherung von Beschäftigung führen. Carita Vallinkoski/Wien, seit ihrem vierten Lebensjahr als Finnin in Wien, tätig in CCC Expansion Management, sieht in der Migration die Chance des gegenseitigen Lernens, Aufbauens und Gestaltens. Für sie steht Österreich für liberales Denken, Toleranz und kulturellem Miteinander. Für Markus Heingärtner/Wien, management-club-Geschäftsführer, kann sich Österreich schlicht nicht migrantische Heranwachsende mit schlechten Bildungs-, Berufs- und Aufstiegschancen leisten.

Für den Autor fehlten zwei wesentliche Aspekte in der Diskussion. Einmal können nicht Leistungen von migrantischen Heranwachsenden/Erwachsenen für die Arbeits- und Berufswelt gefordert werden, wenn nicht im schulischen und außerschulischen Bildungsprozess Vorberufliche Bildung/Erziehung in einem effizienten Ausmaß durchgeführt werden kann. Dazu gehören - entsprechend der EU-Richtlinien für Berufsorientierung - ein Unterricht in der allgemein bildenden Pflichtschule/APS im Fach "Berufsorientierung" als Pflichtfach mit Lehramtsausbildung, Bildungsberatung und Realbegegnungen mit der Arbeits- und Berufswelt. Träger einer solchen Bildung/Erziehung sind nicht nur - als pädagogisches Dreieck "Schule, Eltern und Betriebe/Unternehmen", auch das Arbeitsmarktservice/AMS, die Berufsinformationszentren von AMS und Wirtschaft/WIFI sowie die Institutionen als Träger allgemein bildender Erwachsenenbildung und Träger der Politischen Bildung/Erziehung.

Mit dem Paradigmenwechsel Ende der neunziger Jahre ist "Berufsorientierung" ein Teil der Politischen Bildung geworden, hat damit einen Bildungsauftrag auch/gerade für Migrantinnen und Migranten für diese Aspekte und politische Partizipation (interkulturelle Kompetenz - transkulturelles Lernen). Damit unterstützen zwei Bildungsbereiche, wenn sie effizient praktiziert werden, Bemühungen der Migration und Integration. Zum anderen gibt es in der Aus- und Weiterbildung für Fachkräfte der verschiedensten Sparten der Arbeits-, Berufs- und Wirtschaftswelt mit Stand 2010 je zwei Universitätslehrgange für die Bereiche der Migration und Politischen Bildung mit Masterausbildung sowie einen Lehrgang für Interkulturelles Konfliktmanagement/Integrationsfonds-BM.I. und in kirchlichen Bildungswerken Lehrgänge zu diesen Aspekten (vgl. beispielhaft "Haus der Begegnung/Diözese Innsbruck": Interkultureller Kompetenzen-Lehrgang "Fit für Vielfalt"/2010-2011).

4.7 Tagung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung - Demokratiezentrum - Universität Wien "Migration aus der Sicht von Forschungs-Bildungs-Kooperationen. Ergebnisse und theoretische Reflexionen", 29. März 2011, Juridicum Wien    

Univ. Prof. Dr. Heinz Fassmann offerierte einen Überblick über die Zuwanderung nach Österreich, über die wechselnde Wahrnehmung und die unterschiedliche Beurteilung von Relevanz. Die Ambivalenz der Einschätzung von Migration zeigte sich bis Ende der 1990er-Jahre zwischen Skepsis und Sympathie sowie zwischen offensiver Ansprache und konfliktscheuem Verschweigen. Vergleichsweise spät haben Österreich und andere Staaten der EU die Frage der Steuerung von Migration und Integrationsprozessen aufgegriffen und Maßnahmen verabschiedet, die insbesondere auf den Erwerb von Sprachkenntnissen des jeweiligen Aufnahmelandes abzielen sowie die Privilegien von qualifizierten Migrantinnen und Migranten vorsehen. Gleichzeitig lässt sich im Bereich von Wissenschaft und Forschung sowie im Bereich der Lehre und des Unterrichts eine stärkere Berücksichtigung von integrations- und migrationsrelevanten Themen bemerken. Insbesondere im schulischen Bereich greifen die Fächer Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung sowie Geographie und Wirtschaftskunde diese Themen auf und leisten damit einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag.

Für Univ. Prof. Dr. Sieglinde Rosenberger zieht Politik Grenzen, indem bestimmte Personen(-gruppen) gewisse politische, soziale und kulturelle Rechte einräumt, anderen aber den Zugang zu diesen Rechten verwehrt. In Zuwanderungsgesellschaften stehen Migrantinnen und Migranten meist im Zentrum dieser Inklusions- und Exklusionsprozesse. Im Rahmen des Projekts "GLO-PART" hinterfragen Heranwachsende Partizipation am Beispiel der vorhandenen Grenzziehung der Vergabe von Wahlrecht. Entlang welcher Kriterien würden Heranwachsende in Österreich das Recht vergeben, zu wählen, wenn sie die Möglichkeit hätten, darüber zu entscheiden? Die Forschungsergebnisse zeigen, dass nach Meinung von Heranwachsenden der Zugang zum Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten durch individuelles Bemühen und Leistung erreichbar sollte. Unüberwindbare Kriterien zur Vergabe des Wahlrechts, wie sie in ethnisierten oder kulturalisierten Argumentationen zum Ausdruck kommen, spielen demgegenüber kaum eine Rolle.

Für MMag. Gertraud Diendorfer/Forian Oberhuber ist die Pluralisierung der österreichischen Gesellschaft durch Migration für Schülerinnen und Schüler allgegenwärtig. Sie erleben die Einwanderungsgesellschaft in ihrem nachbarschaftlichen Umfeld, in der U-Bahn oder in der Klassengemeinschaft. Die wenigsten der befragten Heranwachsenden sehen die österreichische Einwanderungsgesellschaft als einen selbstverständlichen Zustand, sondern vielmehr als eine neuere Phase in der österreichischen Geschichte. Aktuelle Tendenzen setzten sich von früheren Entwicklungen ab, was auf ganz unterschiedliche Weise erfolgen kann. Das Projekt "Interkulturelle Spurensuche. SchülerInnen forschen Migrationsgeschichte(n)" befasste sich mit den Geschichtsbildern von heranwachsenden in ethnisch und kulturell heterogenen Klassengemeinschaften. Heranwachsende stehen vor der Aufgabe, sich zu Ereignissen, die als national bedeutsam konstruiert und tradiert werden und über dier sie im Schulunterricht, in den Medien oder im familiären Umfeld hören, in ein Verhältnis zu setzen. Heranwachsende mit Migrationshintergrund sind dabei in besonderer Weise von heterogenen Bezugsgruppen und Erinnerungsmilieus umgeben, in denen unterschiedliche Geschichten tradiert werden. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass das Thema Migration für die Zielgruppe von besonderer Relevanz ist. Sie äußern sich ausführlich zu dem Thema, bewerten ihre Erfahrungen und nehmen klar Stellung. Vor allem die aktuelle Dimension des Themas - Zuwanderung nach Österreich und das Zusammenleben in der kulturell und ethnisch heterogenen Einwanderungsgesellschaft - ist für sie zentral. Heranwachsende mit Migrationshintergrund stellen dabei andere Bezüge und Verbindungen her, wie das Beispiel des Jugoslawien-Krieges zeigt. Doch sie wenden sich auch mit einem historischen Blick dem Thema zu. Einige von ihnen reproduzieren dabei auch tradierte Geschichtsbilder zum Asylland Österreich oder zur Gastarbeiter-Migration. Bei Letzterem bringen die Heranwachsenden, deren Eltern als GastarbeiterInnen? nach Österreich kamen, eine familiäre Perspektive auf das Thema ein. Die Zielgruppe zieht häufig historische Vergleiche und Parallelen zwischen unterschiedlichen Geschichten und Ereignissen und sprengen den nationalen Bezugsrahmen. Dieses Einnehmen unterschiedlicher Standpunkte resultiert aus der alltäglichen Konfrontation der Heranwachsenden mit unterschiedlichen Milieus, Perspektiven und Gesprächspartner.

Mag. Florian Walter stellte das Forschungsprojekt "GLO-PART. Junge Partizipation in der glo-kalen Politik" mit Einstellungen Heranwachsender zur Politik der In- bzw. Exklusion an Hand von Verteilungen von Rechten und der Verhandlung von Zugehörigkeiten vor. An der Konzeption und Durchführung der Studie waren drei Klassen aus unterschiedlichen Schultypen und Regionen - Wien, Wels und Telfs - beteiligt. Erfahrungen, konkrete Herausforderungen, didaktische Aufarbeitung und die Einbeziehung der SchülerInnen wurden berichtet.

IT-Hinweis:

http://migration.univie.ac.at/ (16.11.2022)

4.8 Symposion des Instituts für Bildungswissenschaften der Universität Wien und des Österreichischen Zentrums für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen - Universität Wien, 1.-2. April 2011    

Das Symposion "Perspektivenwechsel: Universität und Schule im Dialog. Differenzen (er)leben und reflektieren" stand unter der Maxime, einen Perspektivenwechsel einzuleiten.

Universität und Schule sollen miteinander in einen Dialog eintreten, der zu einer wechselseitigen Sensibilisierung für Forschungsfragen und Bedürfnislagen und zu einer kritischen Auseinandersetzung mit praxisgeleiteten Handlungsstrategien und theoriebasierten Konzepten führen soll. Das Thema der Tagung erscheint vor diesem Hintergrund aktueller denn je, ist doch die Konfrontation mit Differenz ein allgegenwärtiges Faktum in einer pluralistischen Gesellschaft, wie die Beispiele Migration, Mehrsprachigkeit und Heterogenität von Lernstilen zeigen. Damit werden gesellschaftliche, politische und soziale Phänomene thematisiert, die sich in Klassenzimmern manifestieren.

4.8.1 Barbara Herzog-Punzenberger: Jenseits individueller Charakteristiken. Wie uns der Blick auf gesellschaftliche Strukturen hilft, Situationen von Schüler/innen mit Migrationshintergrund besser zu verstehen    

Die Situation der Zielgruppe ist von spezifischen gesellschaftlichen Strukturen geprägt. Im Vortrag wurden fünf gesellschaftliche Dimensionen benannt und auf ihre Relevanz für Familien - insbesondere der Schulerfolg der Kinder - geprüft.

Das (1) Rechtssystem bestimmt den beschränkten Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und ist Ausdruck der Fremdwahrnehmung der kollektiven Zugehörigkeit dieser Individuen. Für das (2) nationale Selbstverständnis steht die Innenbeschreibung Österreichs mit der Verwendung von Merkmalen, um ein Außen, das Fremde und Andere zu beschreiben. (3) Je inklusiver der Wohlfahrtsstaat gestaltet ist, desto leichter ist die Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen und Prozessen. (4) In der Dimension des Bildungssystems erkennt man einerseits die Familienzentriertheit und Selektivität und andererseits die Durchlässigkeit und Individualisierung. (5) Zuletzt findet man den Arbeitsmarkt vor, dessen österreichspezifische Strukturen den Aufstieg der zu Gastarbeit eingeladenen Arbeitskräfte langfristig behindert haben.

In der Zusammenschau dieser Dimensionen wird die Situation der Heranwachsenden mit Migrationshintergrund besser verständlich und Handlungsspielräume jenseits des Individuums und der Familie sichtbar.

4.8.2 Zusammenfassung der OECD-Country Note für die Strategieentwicklung im Rahmen der Review on Migrant Education - Deborah Nusche, Claire Shewbridge und Christian Rasmussen    

Herausforderungen und Prioritäten

Der Fokus der OECD-Länderprüfung im Bereich Migration und Bildung liegt auf der (1) Frühkindlichen Bildung(Elemantarbildung) und (2) dem Pflichtschulbereich. Ziel ist langfristig der (1) Zugang zu Bildungseinrichtungen(access), (2) die Teilnahme an und Abschluss von Bildungswegen(participation) sowie (3) die Leistungsergebnisse der Schüler/innen bei anderen Erstsprachen als Deutsch(performance/outcome) zu verbessern.

Die OECD schlägt vor, (1) die Verantwortlichkeiten für die Implementierung von strategischen Maßnahmen zu klären und (2) die Inklusivität des Schulsystems zu erhöhen sowie (3) eine Kultur der Evaluation zu entwickeln.

Allgemeines und Anerkennung bisheriger Maßnahmen

Die großen leistungsunterschiede zwischen einheimischen und zugewanderten Schüler/innen der ersten und zweiten Generation werden u.u. darauf zurückgeführt, dass Schüler/innen mit Migrationshintergrund aus sozioökonomisch schwachen Familien kommen. Allerdings lassen sich damit die signifikanten Leistungsunterschiede nur teilweise erklären. Trotz hoher Bildungsaspitaion der Eltern erhalten Schüler/innen mit anderer Erstsprache als Deutsch weniger elterliche Unterstützung für die Schule, was. u.a. auf sprachliche Barrieren zurückzuführen ist.

Positiv angemerkt werden das Sprachscreening mit 4-5 Jahren im Kindergartenbereich sowie das zukünftig verpflichtende letzte beitragsfreie Kindergartenjahr. Ebenfalls wird die Implementierung des Schulversuchs der Neuen Mittelschule als sehr positiv im Sinen einer equity policy bewertet.

Die bisherigen Bemühungen um die Förderung der Erstsprache und von Deutsch als Zweitsprache werden von der OECD ebenfalls positiv hervorgehoben(beispielweise Sprachförderkurse Deutsch).

Herausforderungen allgemein

Österreich hat bisher keine kohärente Strategie im Bereich Migration und Bildung entwickelt, um die Leistungsunterschiede zwischen einheimischen Schüler/innen mit anderen Erstsprachen als Deutsch zu verkleinern. Die erfolgreiche Implementierung einer Gesamtstrategie hängt davon ab, inwieweit die Länder, die Schulverwaltungen und die Unterrichtenden dem Thema Priorität einräumen. Inkonsistenzen in der Steuerung und Organisation des Schulsystems werden angesprochen. Die Zugänglichkeit und Qualität der sprachlichen bzw. schulischen Unterstützung für Schüler/innen mit anderen Erstsprachen als Deutsch variiert regional stark. Pilotprojekte im Bereich Interkulturalität müssen evaluiert und koordiniert werden.

Demnach wären als Herausforderungen zu benennen:

- Implementierung von universalen Maßnahmen, um die Chancengerechtigkeit im Schulsystem zu erhöhen sowie gezielte Maßnahmen, um der Vielfalt im Schulsystem gerecht zu werden

- gezielte Maßnahmen zur Förderung von Schüler/innen mit Migrationshintergrund

- fragmentierte Entscheidungsprozesse im Schulsystem(Bund, Länder, Gemeinden,..)

- (zu frühe) Selektion im Schulsystem(an der Schnittstelle Volksschule/Sekundarstufe I)

- relativ unterentwickelte Evaluationskultur im österreichischen Schulsystem(Evaluationskultur ist erst im Aufbau begriffen)

Generelle Empfehlungen für die Strategieentwicklung

- Eine Migrationsstrategie soll in alle Bereiche bzw. Entwicklungen des Schulsystems einfließen und besonders in Lehrpläne, Schulentwicklungsprozesse sowie in die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Schulleitern/innen und Lehrer/innen.

- Im Bereich der Lehrerausbildung müsste ein konsistenter Zugang/Umgang mit sprachlicher/kultureller Diversität kommuniziert werden.

- Von zentraler Bedeutung ist die Themenführerschaft für Migration und Bildung des BMUKK.

- Ein Mix aus "universal equity policies und targeted measures for immigrants" ist wichtig. Vier Ebenen sind dabei relevant: die individuelle Ebene, die Klassenebene, die Schulebene und die Ebene des Schulsystems.

- Die Zusammenarbeit mit anderen Ministerien ist notwendig. Die Verantwortung für die Implementierung sollte von der österreichischen Regierung klar geregelt werden("Gesamtregierungsansatz mit klaren Verantwortlichkeiten der einzelnen Ministerien"), da Maßnahmen im Bildungsbereich eng verknüpft mit Strategien und Maßnahmen in anderen Bereichen sind.

Strategieempfehlunge/Policy Orientations

Die OECD identifiziert vier prioritäre Felder:

- Verbesserung der Teilnahme und Qualität in der Elementarbildung(Enhancing participation and quality in early childhood education/ECEC)

Sprachscreening mit 4-5 Jahren, Einführung des verpflichtenden(beitragsfreien) Kindergartenjahres, Entwicklung eines nationalen Rahmencurriculums für den Kindergarten

- Sicherung adäquater Sprach(en)unterstützung für alle Schüler/innen(Providing adequate language support to all students)

Unterstützung eines positiven Zugangs zu sprachlicher Vielfalt, Struktur und Stärkung von Sprachförderprogrammen, Integration von Sprach- und Inhaltslernen, Verbesserung des muttersprachlichen Unterrichts

- Verbesserung der Lehr- und Lernsettings(Improving teaching and learning environments)

Interkulturalität ist eine der längerfristigen Prioritäten der Lehrerausbildung und Mehrsprachigkeit der Pädagogischen Hochschulen. Ein Rahmencurriculum für Interkulturalität und Mehrsprachigkeit für die Lehrerausbildung wurde vom BMUKK entwickelt. Da dafür kein verpflichtendes Modul in der Lehrerausbildung besteht, wissen viele Lehrer/innen nicht, wie man das Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen" umsetzt. Es gibt weder ein formelles Training für Lehrer/innen und Schulleiter/innen im Bereich Interkulturalität noch ein entsprechendes Leadership auf allen Ebenen des Schulsystems. Wo Programme zur Verbesserugn von Schülerleistungen bestehen, fehlt eine Überprüfung.

Die OECD empfiehlt ein verpflichtendes Training im Bereich sprachlicher/kultureller Diversität für alle Lehrer/innen, die Vorbereitung der Ausbildner/innen zukünftiger Lehrer/innen(Train-the-Trainer-Programme), Kurse und Angebote in Interkulturaliät und migrationsbedingter Mehrsprachigkeit sollen für alle Lehrer/innen zugänglich sein, Barrieren für Migranten/innen sollen abgebaut wetden und das BMUKK und die Pädagogischen Hochschulen sollen zur Erhöhung der Diversität in diesem Bereich unter Studierenden und Unterrichtenden zusmamenarbeiten. Die Lehrer/innen für den Herkunftssprachenunterricht sollen als Regelehrer/innen ausgebildet und anerkannt werden.

- Einbindung von Eltern, Communities und Schulen, um Schüler/innen mit anderen Erstsprachen als Deutsch zu unterstützen(Engaging parents, communities and schools to support immigrant students)

Als Herausforderungen gilt der Mangel an Initiativen der Schulen für die Einbindung der Eltern mit Migrationshintergrund, die alleinige Last der schulischen Unterstützung bei den Eltern, der Mangel als Selbstbewusstsein und sprachlicher Kompetenz zur Teilnahme am Schulgeschehen.

Die OECD empfiehlt eine stärkere Einbindung der Eltern als Bildungspartner(Richtlinien für die Kommunikation mit Eltern und die Bereitstellung notwendiger Informationen für Schulen und Eltern), die Entwicklung neuer Kommunikationsformen und innovativer Informationskanäle, die Nutzung des verpflichtenden Kindergartenjahres für eien effektive Kommunikation mit den Eltern, die Unterstützung von Initiativen außerschulischer Settings zum Erlernen anderer Erstsprachen als Deutsch, den Ausbau von Ganztagsschulen, nachmittagsprojekten und Aktivitäten außerhalb der Schule, die Nutzung von Vereinen und öffentlicher Institutionen wie Bibliotheken zur Unterstützung bei Lernprozessen/Hausübungen, die Ermutigung von Migrantenvereinen durch finanzielle Anreize und die Bereitstellung von Ressourcen durch das BMUKK und die Förderung von Mentoring-Programmen, in denen jüngere von älteren Migranten/innen unterstützt werden.

4.8.3 Dorit Bosse: Differenzierung im Unterricht - zwischen Diagnose und individueller Förderung    

Der Umgang mit der Unterschiedlichkeit von Lernenden ist in den letzten Jahren zu einer großen Herausforderung für Unterrichtende geworden. Je heterogener die Klassen sind, desto stärker sind Lehrkräfte gefordert, ihren Unterricht zu verändern, um Lernenden gerecht werden zu können.

Voraussetzung sind diagnostische Fähigkeiten, um die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Kompetenzen erkennen und Lernenden entsprechende förderliche Lernarrangements zur Verfügung stellen zu können.

Literaturhinweise

Gymnasiale Bildung zwischen Kompetenzorientierung und Kulturarbeit (2009)

Schule 2020 aus Expertensicht. Zur Zukunft von Schule, Unterricht und Lehrerbildung (2009)

Unterricht, der Schülerinnen und Schüler herausfordert (2004)

V INTERKULTURELLE KOMPETENZ    

5 Interkulturalität - Interkulturelle Kompetenz    

In Anlehnung an ÖZTÜRK (2008) wird mitunter anstelle des Begriffes interkulturelles Lernen die Bezeichnung transkulturelles Lernen bevorzugt (vgl. ÖZTÜRK 2008, 8). Nach WELSCH (1999) schleppt das Konzept der Interkulturalität "[...]bei allen guten Intentionen auch begrifflich noch immer die Prämisse des traditionellen Kulturbegriffs - die Unterstellung einer insel- oder kugelartigen Verfassung der Kulturen - mit sich fort" (WELSCH 1999, 50).

Angesichts der laufenden und fortschreitenden Pluralisierungsprozesse gewinnt interkulturelle Kompetenz immer mehr an praktischer Bedeutung (vgl. ERLL-GYMNICH 2010, 6-14). Sie ist heute eine Bedingung für berufliche und gesellschaftliche Handlungsfähigkeit als notwendige soziale Kompetenz geworden. Die ethnisch und kulturell-religiöse Heterogenität unserer Gesellschaften und damit die Kontakte zwischen Menschen mit unterschiedlichen Werten und Normen wachsen auf Grund der durch die Globalisierung ausgelösten Pluralisierung unweigerlich (vgl. HERBRAND 2002, ERLL-GYMNICH 2010).

Demnach gehört der konstruktive Umgang mit kultureller Vielfalt und unterschiedlichen Werthalten auf der zwischenmenschlichen Ebene zu den Basisqualifikationen einer jeder Schülerin und eines jeden Schülers, jedes und jeder Unterrichtenden sowie der Lehrenden im breiten Umfeld der Weiterbildung. Diese Personengruppen haben nicht nur Fachwissen zu erhalten und zu vermitteln, sondern auch die Lebens- und Erfahrungswelt, ihre Motivationen und Interessen einzubeziehen.

Interkulturalität hat daher den Schwerpunkt, kulturelle Vielfalt zu lehren und mit ihr umgehen zu lernen.

Interkulturelle Kompetenz ist eine Grundhaltung. Man sollte den Fehler vermeiden, das Verhalten von Personen ausschließlich oder vorschnell auf kulturelle Wirkfaktoren wie Wertunterschiede, Selbst- und Fremdzuschreibungen sowie unterschiedliche Konventionen in der Kommunikation zurückzuführen, denn zumeist wirken Elemente wir Gruppenzugehörigkeit, regionale Unterschiede, Individualität, Erziehungspraxis, Rollenbilder, Macht und Sitten/Traditionen zusammen und sind weitgehend als unsichtbare Kulturaspekt - im Gegensatz zu den sichtbaren Kulturaspekten wie Kleidung, Literatur, Musik, Theater, Essen, Sprachen und Umgangsformen - einzustufen (vgl. das "Eisbergmodell" nach BRAKE, WALKER und WALKER 1995, 78). Um das Risiko zu minimieren, der/die Andere verhalte sich falsch, demnach folgenschwere Missverständnisse und Kommunikationsstörungen entstehen könnten, die ein friedliches Miteinander gefährden, ist es wichtig, interkulturell kompetent agieren zu können.

Eine solche Kompetenz wird auch als Kommunikationskompetenz aufgefasst, die neben personengebundenen auch situative Faktoren beinhaltet und Aktivitäten der Partner zur Geltung bringt. Diese wird bestimmt "als die Fähigkeit, kulturelle Bedeutungen auszuhandeln und effektive kommunikative Verhaltensweisen partner- und situationsbezogen zu entwickeln, die den unterschiedlichen Identitäten der Interaktionspartner in je spezifischen Kontexten gerecht werden" (SCHENK 2001, 59).

Es zeigt sich, dass einfache Landes- und Sprachkenntnisse für eine interkulturelle Kompetenz nicht ausreichen. "Vielmehr kommt es darauf an, auf Grundlage bestimmter Haltungen und Einstellungen sowie besonderer Handlungs- und Reflexionsfähigkeiten in interkulturellen Situationen effektiv und angemessen zu kommunizieren und zu handeln" (ÖZTÜRK 2008, 6).

5.1 Interkulturelle Kompetenz    

Interkulturelle Kompetenz darf nicht als eigenständige Fähigkeit verstanden werden, sie bedient sich der Kompetenzen anderer Bereiche des Lernens und Erfahrens. Eine solche Kompetenz umfasst

  • Personalkompetenzen - kognitive Flexibilität, emotionale Elastizität, psychische Belastbarkeit
  • Sozialkompetenzen - kommunikative Kompetenz, Übernahme von Rollen und Perspektiven, Empathie und kulturelle Teamfähigkeit
  • Handlungskompetenzen - Sprachkenntnisse, kulturspezifische Kenntnisse, Vertrautheit mit kulturübergreifenden Mustern oder typischen Konfliktverläufen in interkulturellen Überschneidungssituationen und
  • Fachkompetenz - feld- und berufsspezifische Kompetenzen (vgl. HERBRAND 2002, 35-53).
Neben der Bedeutung von Methoden zum Erwerb solcher Kompetenzen haben Haltungen und Einstellungen des/der Einzelnen, Offenheit für neue Lerninhalte, Respekt und Wertschätzung aller Kulturen und Ambiguitätstoleranz zentrale Bedeutung (vgl. DEARDORFF 2004, 198).

Die Entwicklung eigener interkultureller Kompetenz erfordert lebensbegleitenden Wissenserwerb und Wissensevaluation. Eine solche Kompetenz ist nach DEARDORFF (2004, 187) das Ergebnis interkultureller Lernprozesse - Verständnis anderer Sichtweisen (understanding), kulturelles Wissen (cultural awareness), Anpassungsfähigkeit an eine neue kulturelle Umgebung (adaptability to new cultural environment), Fertigkeit zum Zuhören und Beobachten (skills to listen and observe), allgemeine Öffnung für interkulturelles Lernen und für Menschen anderer Kulture n(general openness toward intercultural learning and to people from other cultures), Fähigkeit für interkulturelle Kommunikation und Lernstile (ability to adapt intercultural communication and learning styles), Flexibilität (flexibilty), Fertigkeit zur Analyse und Interpretation (skills to analyze and interpret), Toleranz (tolerating), Bereitschaft zur Vieldeutigkeit (engaging ambiguity)und Kenntnis und Verständnis eigener und anderer Kultur (knowledge and understanding of culture/one's own and others).

Dabei kommt interkulturelle Kompetenz/Kompetenzerwerb in zwei unabhängigen Dimensionen zum Ausdruck (vgl. ERLL-GYMNICH 2010, ÖZTÜRK 2008, 9; HERBRAND 2002, MÜLLER-GELBRICH 2001, SCHENK 2001):

  • Kognitive Aspekte und Wissen - interkulturelles Bewusstsein (Fachkenntnisse, Ambiguitätstoleranz, Wissen über Kulturen und Religionen) und
  • Verhaltensorientierte Aspekte - transkulturelle Kommunikations- und Handlungskompetenzen (Bewusstsein und Kenntnisse unterschiedlicher Kommunikationsstile, Dialog- und Sprachfertigkeit, Konflikt-Management).
Zur methodisch-didaktischen Gestaltung werden vorgeschlagen:

  • Grundlagenwissen - Sozialisation, Migration, Globalisierung, Identitätsentwicklung, Gesellschaftsmodelle, Sprachentwicklung, Länder- und Kulturkunde, Religionen und Weltanschauungen, Diskriminierung, Vorurteile und interkulturelle Handlungskonzepte und
  • persönliche und fachliche Kompetenzen/Einstellungen - Empathie, Selbsteinschätzung, Offenheit, Flexibilität, Entwicklung von Toleranz gegenüber Unterschiedlichkeiten, Akzeptanz zu Unterschieden, Konflikt- und Kooperationsfähigkeit und Umgang mit Kulturunterschieden (vgl. NOHL 2006, 139-244).
Festzuhalten ist, dass interkulturelle Kompetenz nicht angeboren ist oder vorausgesetzt werden kann. Sie kann nicht ausschließlich durch Erlernen einer Sprache noch durch Lesen und Diskutieren über Kulturen oder durch Auslandsreisen erworben werden. Die Adaption solcher Kompetenz verlangt jedenfalls ein Konzept lebensbegleitenden Lernens und ist Bestandteil fortdauernder Persönlichkeitsentwicklung. Insofern gründen sich erziehungs(bildungs-)wissenschaftliche Überlegungen auf eine Erlernbarkeit von Kultur(en)und der Lernfähigkeit von Menschen (vgl. PUNNETT-RICKS 1992, 153).

5.2 Handlungsmöglichkeit in der Weiterbildung    

In einer Welt mit vielfältiger kultureller Identität, medialer Vernetzung, globaler Mobilität, dem raschen Wandel traditioneller Werte, erhalten Netzwerke und Netzwerkgesellschaften vermehrte Bedeutung (vgl. DICHATSCHEK 2004a, 65-74; CASTELLS 2002). Vor allem Weiterbildungseinrichtungen - der quartäre Bildungssektor - mit den Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner sieht sich einer verschärften Bildungsmodernisierung und damit der Notwendigkeit zur Neugestaltung des Bildungssystems ausgesetzt, die eine permanente Selbstpositionierung der Einzelnen notwendig macht (vgl. WILLPOTH 2006, 31).

Damit ist auch eine interkulturelle Kompetenz der Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildner sowie Weiterbildnerinnen und Weiterbildner nötig, damit Migrationspädagogik in der Erwachsenenbildung ermöglicht und Migrantinnen und Migranten erreicht werden können, denen der Zugang bisher verwehrt war. Erscheinungen wie Unzufriedenheit, Demotivation, drop-out und burn-out bei kulturell verschieden geprägten Teilnehmerinnen und Teilnehmern sollen in verschieden kulturellen Überschneidungssituationen vorgebeugt werden (vgl. BRÖDEL-SIEBERT 2003; ÖZTÜRK 2008, 10).

Interkulturelle Weiterbildung verlangt eine Haltung der Offenheit, die Anerkennung der/des Anderen, das Bemühen um Verständnis und des voneinander Lernens und miteinander Lebens. Notwendig ist ein Lernklima, in dem man sich wohl und auf- und angenommen fühlt. Dazu bedarf es der pädagogischen Qualifikation der Lehrenden im Bereich interkulturellen Lernens.

Interkulturelle Kompetenz ist keineswegs als starr zu vermittelnder Kriterienkatalog aufzufassen, sondern muss als Ergebnis eines lebensbegleitenden umfassenden Wissensaneignungs- und Persönlichkeitsentwicklungsprozesses verstanden werden, der jedenfalls ein hohes Maß an Reflexionsfähigkeit verlangt (ÖZTÜRK 2008, 10-11; vgl. BERNHARD 2002, 197).

Zielvorstellungen für Lehrende in der Weiterbildung sind demnach:

  • Offenheit gegenüber dem/der Anderen und der Andersartigkeit,
  • Bereitschaft zum Erwerb von Kenntnissen,
  • Bereitschaft zur Begegnung und
  • neuen Einsichten bei möglichem Fehlverhalten im Umgang mit Fremden, Missverständnissen und Verletzungen (vgl. BLIESENER 1999, 205).
Weiterbildner sind im Prozess des interkulturellen Lernens immer auch Lernende. Das bedeutet die Verbindung von Fakten- und Hintergrundwissen, Dialogfähigkeit mit Selbstkritik und Begegnungsbereitschaft (vgl. ÖZTÜRK 2008, 12; vgl. die Angebote der Universitätslehrgänge an den Universitäten Salzburg und Krems sowie den Lehrgang Interkulturelles Konfliktmanagement des Österreichischen Integrationsfonds bzw. Bundesministeriums für Inneres).

6 Bildung und Ausbildung bei Migrantinnen und Migranten    

6.1 Buchbesprechung    

Ursula Neumann - Jens Schneider(Hrsg.): Schule mit Migrationshintergrund

Tagungsband der gleichnamigen Tagung Hamburg 2008 - Waxmann Verlag Münster/New York/München/Berlin 2011, 307 Seiten

Der im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. von Ursula Neumann und Jens Schneider herausgegebene Band widmet sich den vielfältigen Aspekten einer interkulturellen Bildungspraxis und dokumentiert eine internationale Tagung gleichen Titels 2008 in Hamburg. Aktuelle Forschungsergebnisse werden zur Rolle des Sprachenerwerbs und zu den Anforderungen an die Schule in einer Einwanderungsgesellschaft, zur schulischen Diskriminierung, Mentoring-Praxis und Projekten der Elternbeteiligung vorgestellt. Beispiele ergänzen den produktiven Umgang mit kultureller Verschiedenartigkeit in der Schulpraxis. Im Vorwort wird betont, dass "gute Schulen auch und gerade in einer Einwanderungsgesellschaft möglich sind" (S. 10).

Kulturelle Vielfalt in den Klassen bedeutet keineswegs, dass Schulen "interkulturelle Institutionen" sind. Das Gegenteil zeigen die dokumentierten Ergebnisse der Tagung. Lediglich 1 Prozent aller Lehrkräfte hat eine Einwanderungsgeschichte(in Deutschland). Ernüchternd ist ebenso der Blick auf die Ergebnisse schulischer Arbeit und die Vermittlung von Kompetenzen, für die Schülerschaft und in der Lehreraus- und Fortbildung. Besonders betroffen sind Migrantenkinder von dem Zusammenhang von sozialer Herkunft und schulischem Erfolg, der wesentliche Auswirkungen für eine soziale Integration und einen beruflichen Erfolg hat. Die Tagung weist deutlich auf den Umstand hin, dass Kinder der zweiten Generation unterdurchschnittlich abschneiden. Im derzeitigen Bildungssystem gelten sie als "Problemkinder", wobei sie zu den 20 Prozent gehören, die Mindeststandards in Basiskompetenzen wie Lesen und Rechnen nicht erreichen. "Es sind diese Jugendlichen, die sich später einer Vielzahl sich gegenseitig verstärkender Risiken ausgesetzt sehen: Armut, Arbeitslosigkeit, soziale Marginalisierung. Die Größenordnung dieser 'Risikogruppe' ist ein veritabler gesellschaftlicher Skandal" (S. 9). Schulen (Unterrichtende, Eltern - Schulverwaltung, Ämter) werden, so die Autoren, lernen müssen, in einer modernen, kulturell und ethnisch vielfältigen Gesellschaft besser mit Heterogenität umzugehen.

Schulische Strategien der Aussortierung, um homogene Klassen zu erreichen, sind ebenso schulpädagogisch unzeitgemäß wie die Ausrichtung des Unterrichts am Niveau des imaginären Durchschnittsschülers.

Das einleitende Kapitel des Tagungsbandes geht mit drei Beiträgen auf den Einfluss nationaler und internationaler Schulsysteme und kultureller Unterschiedlichkeiten von Bildungsverläufen ein (S. 19-59).

Im zweiten Kapitel wird in fünf Themenfeldern die aktuelle Diskussion um eine Schule in der Einwanderungsgesellschaft geführt. Der Themenbereich "Sprache" betrachtet die unterschiedlichen Sprachförderungskonzepte mit einem kritischen Blick auf andere Länder - Frankreich und Kanada - und ihre Förderungspraxis (S. 60-120).

Das dritte Kapitel "Interkulturelle Schule" behandelt Konzepte und konkrete Möglichkeiten der "interkulturellen Öffnung" von Schulen mit deren Inhalten und Kompetenzen sowie der Schule als sozialer Raum und dem Umgang mit der heterogenen Schülerschaft. Die behördliche Sicht mit dem Züricher Programm QUIMS und die schulische Praxis einer Bremer Grundschule vervollständigen die Thematik (S. 121-155).

An dieser Stelle ist auf die drei Beiträge mit Bezug auf die notwendige Lehrerbildung hinzuweisen, denn jeder Paradigmenwechsel in der Schule beginnt hier (S. 121-135, 196-209 und 232-244).

Im vierten Kapitel setzt sich die Thematik mit Phänomenen von "Diskriminierung" auseinander. Strukturelle Benachteiligungen der migrantischen Schülerschaft können sich auch negativ auf die Interaktion zwischen Unterrichtenden und Lernenden auswirken. Beidseitige Erwartungshaltungen können auf die Schulleistungen und Leistungsbeurteilungen wirken. Zwei Beispiele - England und Hamburg - zeigen Strategien auf (S. 156-180).

Im Folgenden sind Beiträge von außerschulischen Förderprogrammen und Mentoring-Projekten für Heranwachsende zusammengestellt. Die Beispiele weisen auf die Breite von funktionierenden Organisationsformen und Zielrichtungen als Anregung, selbst initiativ zu werden (S. 210-231).

Das letzte Kapitel befasst sich mit "Eltern". Hier stellt sich die Frage nach der notwendigen und sinnvollen Intensität elterlicher Beteiligung etwa beim Schulerfolg der Kinder, der Kindererziehung und der Erwartungshaltung von Migrantenfamilien (S. 259-301).

Transkulturelle(s) Lernen/ Didaktik/ Pädagogik versteht sich als Ausrichtung zum Lernen von Fremdverstehen, also der Betonung der kulturell-religiösen Gemeinsamkeiten mit bildungsmäßigen Anschlussmöglichkeiten, ggf. Anrechenbarkeiten von Bildungsmaßnahmen und Kompetenzen, mit gezielter Förderung von Personal-, Sozial-, Fach- und Handlungskompetenz unter Wahrung von Werten und Normen in einer pluralistischen Gesellschaft. Dazu bedarf es im Bildungssystem einer geordneten Lebens- und Erfahrungswelt, intrinsischer Motivation und/mit der Einbeziehung persönlicher Interessen (vgl. GIESEKE-ROBAK-WU 2009).

Aus österreichischer Sicht sind neben der Neuorientierung des Fächerkanons - wie etwa "Politische Bildung", "Vorberufliche Bildung" und "Ethik" - auch die Neugestaltung der Lehrpläne und individuelle Fördermöglichkeiten mit gezielter (Bildungs- und Laufbahn-) Beratung ("school counsellor-system") als zunehmend bedeutungsvoll anzusehen. Neben dem notwendigen Sprachenerwerb - Deutsch als Zweitsprache und Muttersprachenförderung - und der damit verbundenen erweiterten Sprachenkompetenz gilt die Beachtung sozioökonomischer Faktoren als wesentlicher Bestandteil einer zeitgemäßen Schulentwicklung (vgl. die Tätigkeit von Schulentwicklungsberatern/innen in den einzelnen Schulformen).

Der Blick über die Grenzen hilft dabei, die notwendigen Akzente zu verstehen/setzen, dokumentierte Praxisbeispiele zu hinterfragen und damit nicht im eigenen Diskurs und Systemdenken verhaftet zu bleiben. "Eine Schule, die für die Kinder von Einwanderern gut ist, ist für alle Kinder gut, aber es sind auch die viel versprechenden und vielfach erprobten neuen Schulmodelle , die am ehesten geeignet sind, für die schulischen Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft die passenden Konzepte bereitzuhalten" (NEUMANN-SCHNEIDER 2011, 12).

6.2 Bedeutung vorberuflicher Maßnahmen    

Schulische Bildung und berufliche Ausbildung sind in der Lebenswelt Heranwachsender - insbesondere mit Migrationshintergrund - strukturierende und bestimmende Elemente.

Schule und der anschließende Übergang in die Berufs-, Arbeits- und Wirtschaftswelt - also der Fächerkanon schulischer Bildung/Erziehung mit zentraler Bedeutung der Politischen Bildung/Erziehung und Vorberuflicher Bildung/Erziehung in Form von Unterricht, Realbegegnungen und Bildungs- bzw. Laufbahnberatung - sind zentrale Maßnahmen zur gesellschaftlichen Integration.

In industrialisierten und dienstleistungsorientierten Gesellschaften entscheidet schulische Bildungsqualität in Verbindung mit beruflicher Ausbildung - Lehre-berufsbildendes Schulwesen-Universitäten/Fachhochschulen - über die eigene Lebensgestaltung (vgl. FEND 1998).

Berufsorientierung, Bildungs-/Laufbahn- bzw. Berufsberatung und Realbegegnungen sind Lebenshilfe und -beratung.

Die berufliche Position entscheidet über die gesellschaftliche Stellung des Einzelnen. Mit zunehmender Verengung des Arbeitsmarktes und unterbrochenen Berufsbiografien - bis hin zur Arbeitslosigkeit - erhält der schulische Bildungsauftrag zusätzliche und besondere Bedeutung.

Externe Bildungsberatung, das breite Spektrum von Realbegegnungen und Erziehung zu Eigeninitiative in Verbindung mit notwendiger Elternarbeit - auch externer Bildungsorganisationen - bekommen steigende Relevanz. Auch die Beachtung der Orientierung an der Peer-group und der Herausbildung jugendkultureller Lebensstile sind vermehrt zu beachten (vgl. REH-SCHELLE 2000, 158).

Von Interesse sind Untersuchungen von HUMMRICH (2002), wie Migrantinnen Sozialisations- und Transformationserfahrungen verarbeiten. Neben den Bildungsansprüchen und der damit verbundenen Entfremdung vom Herkunftsland spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hier eine wesentliche Rolle für die Lebensplanung. Väter zeigen sich als treibende Kraft im Bildungsprozess aufstiegsorientierter Migrantinnen (vgl. HUMMRICH 2002, 14, 317, 319).

Erfahrungen aus der Schule mit sozialer Ungleichheit spielen eine wesentliche Rolle für die Bemühungen um Bildungsaufstieg, wobei der Bildungserfolg oftmals gegen die Schule erbracht werden muss (HUMMRICH 2002, 315).

In der Studie "Analyse der Kundengruppe Jugendliche mit Migrationshintergrund am Wiener AMS Jugendliche"(2007) präsentiert das Wiener Arbeitsmarktservice/AMS ein Zahlenmaterial, das zum Überdenken der bisherigen Maßnahmen in der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik Anlass gibt.

Zwei Drittel aller arbeitslosen Jugendlichen stammen demnach aus Zuwandererfamilien. Der größte Nachteil zeigt sich noch in der zweiten Generation. Selbst Heranwachsende, die ihre Schulpflicht in Österreich absolviert haben, fallen mit Sprachdefiziten auf. Zu Hause redet etwa die Hälfte mit den Eltern ausschließlich in der jeweiligen Muttersprache. Von sinkendem Schulniveau berichten die befragten jungen Migranten AMS-Betreuern. Überraschend gute Deutsch-Noten irritieren, weil sie mit den tatsächlichen Sprachkenntnissen nur wenig zu tun haben.

Kulturelle Schwierigkeiten bei der Berufswahl legt die Studie ebenso offen. Einerseits fühlen sich 44 Prozent der interviewten Heranwachsenden von möglichen Arbeitgebern wegen äußerlicher Merkmale diskriminiert, andererseits hemmen traditionsbewusste Migrantenvereinigungen auch die mögliche Laufbahnplanung. Besonders bei Mädchen ist zu bemerken, dass zur Stellensuche mitunter die Familie mitkommt, die dann Wunschberufe verhindert und so ihre Töchter in Hilfstätigkeiten oder zum Daheimbleiben drängt. Die Studie benennt Ursachen für Probleme.

Obwohl diese Klientel schon seit Kindesalter in Österreich lebt und zu zwei Drittel die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, verfügen die arbeitslosen Heranwachsenden über kein wesentlich höheres Bildungsniveau als die Eltern. Im Vergleich zu früher verlangen heute die Arbeitgeber mitunter sogar von Bewerbern für Hilfstätigkeiten akzentfreies Deutsch. Als Folgerungen für die AMS Wien führt die Studie eine bessere Einstellung auf die Zielgruppe an. Vielsprachige Informationsbroschüren, interkulturelle Seminare für Berater, mehr Migranten im AMS-Personal und Sprachkurse, die nicht nur Grundkenntnisse vermitteln, sind anzustreben (vgl. JOHN 2007, 7).

In Österreich scheinen Heranwachsende mit Migrationshintergrund die Rolle des Arbeitsmarktservice/AMS weniger gut erfassen zu können, da gesellschaftspolitische Rollenteilung vom familiären Hintergrund abhängig ist. Multiplikatoreneinsatz aus dem außerschulischen Umfeld könnte hier ein Ansatz zu größerer Zufriedenheit mit AMS-Beratungseinrichtungen sein. Kooperationen mit ausländischen Kulturorganisationen stellen eine Alternative dar.

"Zu problematisieren ist in diesem Zusammenhang, dass Jugendliche, deren Eltern ohne Aufenthaltstitel in Österreich leben, von weiterführender Ausbildung zum Teil (betrieblich und auch hinsichtlich der Schulungen des AMS) prinzipiell ausgeschlossen sind. Hier bedarf es einer politischen Grundsatzentscheidung, ob bzw. inwiefern die Aufrechterhaltung dieser Beschränkung aus humanitären, sozial-, bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Gründen weiterhin zu rechtfertigen ist" (AMS/DORNMAYR-SCHLÖGL-SCHNEEBERGER 2006, 132; vgl. öibf-ibw-bmwfj "BERICHT ZUR SITUATION DER JUGENDBESCHÄFTIGUNG UND LEHRLINGSAUSBILDUNG IN ÖSTERREICH 2008-2009/ENDBERICHT, 108).

IT-Hinweis

http://steiermark.orf.at/news/stories/2507363/(30.10.2011)

6.3 Bildungserfolg von Migrantenkindern    

Die schlechte Schulleistung von Migrantenkindern stellt ein besonderes Gesellschaftsproblem dar. Bis jetzt orientiert man sich an der Verteilung im Schulsystem, also ihrer Überrepräsentation in der Hauptschule mit den Leistungsgruppen und einer Unterrepräsentation in der allgemein bildenden höheren Schule/AHS, an hohen Anteilen in der Polytechnischen Schule/PTS und an fehlenden oder weniger qualifizierten Schul- und Ausbildungsabschlüssen.

Alle quantitativen Untersuchungen belegen Benachteiligungen Heranwachsender mit Migrationshintergrund (vgl. DICHATSCHEK-MEIER-MEISTER 2005; DICHATSCHEK 2007, 14).

Die PISA-Studien 2001, 2002 und 2003 sowie die darauf folgende Grundschulstudie IGLU hat die Diskussion um Schulleistungen Heranwachsender mit Migrationshintergrund belebt. Hier geht es nicht um die amtliche Statistik der Zuweisung zum Schulsystem, vielmehr um Kompetenzen in Deutsch-Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften. Ebenso geht es nicht um den wenig aussagefähigen Ausländerstatus, sondern um den Migrationshintergrund, also den Geburtsort der Eltern und die Verkehrssprache der Eltern.

Interessant ist in diesem Zusammenhang Deutschland wegen seiner Migrationsvielfalt. In den alten Bundesländern haben 27 Prozent der 15jährigen Teilnehmer mindestens einen Elternteil, der nicht in Deutschland geboren wurde. Bei 19 Prozent der Migrantenfamilien sind beide Elternteile im Ausland geboren (vgl. Deutsches PISA-Konsortium 2001, 341). Nach KMK-Daten von 2000 sind 43,4 Prozent der ausländischen Schüler türkischer Nationalität, 12,9 Prozent aus dem ehemaligen Jugoslawien und 7,9 Prozent italienische sowie 3,7 Prozent griechische Staatsangehörige.

"Der Anteil der Schüler und Schülerinnen mit Fachhochschulzugang oder Abitur an der Gesamtzahl der Schulabgänger aus allgemein bildenden Schulen liegt bei den Deutschen fast zwei ein halb Mal so hoch wie bei den Schülern und Schülerinnen mit ausländischem Pass und es gibt mehr als doppelt so viele ausländische wie deutsche Abgänger ohne Hauptschulabschluss" (BOOS/NÜNNING-KARAKASOGLU 2005, 163).

Bildungserfolge nationaler Migrantengruppen in Deutschland sind auffallend unterschiedlich. Auf die nationale Herkunft bezogen haben griechische Schülerinnen und Schüler auffallend gute Erfolge, schlecht schneiden italienische und türkische Heranwachsende aus Gründen mangelhafter Passung zwischen Schule und Elternhaus ab. Eine spezifische Abschottung gegen staatliche Institutionen ist das Hauptproblem des Zugangs zu den Kindern und Familien, in der Folge auch für eine Berufseinmündung (vgl. AKKAYA-ÖZBEK-SEN 1998, 309-315; DIEFENBACH-RENNER-SCHULE 2002, 9-70; ZIEGLER 1994). Bei Heranwachsenden aus dem ehemaligen Jugoslawien sind Defizite bei Flüchtlingskindern - besonders bei Seiteneinsteigern seit 1992 aus Bosnien-Herzegowina und Serbien - vorhanden. Zu beachten ist, dass sich die ethnische Differenzierung beim Übergang in die Arbeits- und Berufswelt und im beruflichen Ausbildungsbereich fortsetzt und damit beachtliche gesellschaftliche Unterschiede festgelegt werden.

Der deutsche PISA-Befund weist darauf hin, dass mehr als 70 Prozent der 15jährigen Migrantenkinder die deutsche Schule vom Kindergarten bis zum Ende der Pflichtschule durchlaufen(PISA 2001, 372). Überwiegend Seiteneinsteiger sind die Gruppe der Spätaussiedler und Flüchtlinge. Damit steht das deutsche Bildungssystem auf dem Prüfstand, inwieweit es unterschiedliche soziale und kulturelle Hintergründe berücksichtigt, so dass man von Chancengleichheit sprechen kann. Heranwachsende Migranten mit beiden Elternteilen aus dem Ausland weisen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich und im Lesen unterdurchschnittliches Niveau auf. Fast 50 Prozent der Heranwachsenden überschreiten im Lesen nicht das elementare Können(PISA 2001, 373). Dort, wo ein Elternteil in Deutschland geboren ist, zeigen sich nur wenige Unterschiede zu deutschen Jugendlichen. Nach PISA 2002 ist in 50 Prozent der Migrantenfamilien die Hauptverkehrssprache Deutsch, allerdings weisen von diesem Muster türkische und ehemals jugoslawische Familien ab. Repetententum und Rückstellungen kommen doppelt bzw. dreimal so oft vor (vgl. PISA 2002, 207).

Laut PISA-Autoren kann man feststellen, dass früh differenzierende Bildungssysteme - wie in Österreich und Deutschland - nur wenig zeitliche Möglichkeiten ergeben, Heranwachsende mit fehlenden Deutschkenntnissen zu fördern und damit Chancengleichheit für spätere Laufbahnentscheidungen zu erreichen. Gerade hier wäre im Rahmen von career education viel mehr möglich. Defizitäre Deutschkenntnisse wirken sich zudem kumulativ auf Leistungen in anderen Fächern aus (vgl. PISA 2003, 256).

Wesentlich ist der Bildungsstatus der Eltern für das Erreichen der Reifeprüfung (vgl. ZEITUNGSDOKUMENTATION, Salzburger Nachrichten v. 10. Juni 2006, 6).

PISA weist auch auf den Geschlechterunterschied bei der weiteren Schullaufbahn und Bildungsbeteiligung hin. Mädchen sind bildungserfolgreicher, Zurückstellungen und Klassenwiederholungen seltener, an Gymnasien sind sie überrepräsentiert (PISA 2002, 212). PISA liefert allerdings (noch) keine Daten bei Heranwachsenden mit Migrationshintergrund.

6.4 Bildungsangebote für Zugewanderte    

Eine Eingliederung ausländischer Heranwachsender in das allgemein bildende Schulsystem stellt eine große Herausforderung an einen EU-konformen nationalen und internationalen Strukturwandel dar, dem die Schule bis heute unvollkommen nachkommt. Bedenkt man die bereits 1971 geführte öffentliche Debatte zur unzureichenden Lage ausländischer Kinder im Internationalen Jahr der Erziehung/UN 1971, so konzentriert sich heute der Diskurs immer noch auf Defizite von Migrantenkindern.

Zusätzlich stellt sich die Aufgabe einer qualifizierten Erwachsenenbildung. Entsprechende Theoriegrundlagen und Praxismodelle stehen zur Diskussion (vgl. grundsätzliche Überlegungen zur Erwachsenen- und Weiterbildung http://www.netzwerkgegengewalt.org/wiki.cgi?Erwachsenenbildung; DICHATSCHEK 2005, 126-130).

Die gängigen Vorschläge für kompensatorische Maßnahmen stellen die defizitäre Grundstruktur des Bildungssystems nicht in Frage. Die Angebote gehen von Deutsch als Zweitsprache, Förderkursen, Förderklassen, Hausaufgabenhilfe und muttersprachlichem Ergänzungsunterricht sowie nationalhomogenen Schulen/Klassen und entsprechendem Religionsunterricht aus.

HERWARTZ-HEMDEN (2003, 696) kritisiert das Fehlen von systematischen Erkenntnissen, "[...]ob und in welchem Ausmaß die implementierten schulpädagogischen Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der zugewanderten Schülerinnen und Schüler führen und sich langfristig begünstigend auf ihre Schul- und Berufsbiographie auswirken".

  • So sind Förderklassen für Seiteneinsteiger Unterstützungsmaßnahmen für überwiegend Aussiedler und Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in Deutschland, für Heranwachsende aus den übrigen klassischen Anwerbeländern spielen sie kaum mehr eine Rolle.
  • Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht besteht für alle Migrantengruppen in Deutschland mit hoher Akzeptanz bei türkischen, griechischen und italienischen Migrantengruppen, weniger aus dem ehemaligen Jugoslawien wegen der dortigen Sprachenvielfalt.
  • In der Dauer der Nutzung des Angebots liegen griechische und italienische Heranwachsende - 38 bzw. 36 Prozent - mit Besuchszeiten von mehr als sieben Jahren an der Spitze.
Unterstützende Faktoren in der schulischen Laufbahn von Migrantenkindern sind

  • das soziale Lernklima in Schule und
  • Unterstützung im außerschulischen Bereich/Familie, Freunden und Organisationen in Verbindung mit einer geänderten Lehrerbildung(vgl. Punkt 5.1, 6.1).
6.5 Migrantenkinder als Herausforderung für das österreichische Berufsausbildungssystem    

Im "Bericht zur Situation der Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung in Österreich 2008-2009/Endbericht" des öibf-ibw-bmwfj wird Österreich seine EU-weite hervorragende Position im Bereich der Jugendbeschäftigung trotz der Wirtschaftskrise bestätigt, die im Bereich der Jugendbeschäftigung Spuren hinterlassen hat und die Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik vor besondere Herausforderungen stellt (Seite 5).

Österreich liegt mit 10 Prozent Jugendarbeitslosigkeit 2009 deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 19,6 Prozent und nimmt damit hinter den Niederlanden die zweitgünstigste Position ein. Auch der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit fiel in Österreich (+ 2 Prozent) im Jahr 2009 geringer aus als in der EU insgesamt (+ 4,2 Prozent).

Als wesentlicher Grund wird für diese gute Integration in das Beschäftigungssystem neben der niedrigen Arbeitslosigkeit das hoch entwickelte System der beruflichen Erstausbildung (Lehrlingsausbildung, berufsbildende mittlere und höhere Schulen) betrachtet (vgl. SPECHT 2009). In Österreich ist sowohl die Ausbildungsbeteiligung als auch der Anteil der beruflichen Bildung relativ hoch. Die Lehrlingsausbildung (duale Ausbildung in Betrieben und Berufsschulen)ist jene Ausbildungsform in der Sekundarstufe II welche mit großem Abstand die geringsten öffentlichen Mittel erfordert.

Nach Einschätzung des Berichts - und eigener Kenntnis - stellt eine der größten Herausforderungen für das System der österreichischen Berufsausbildung die Integration von Migrantenkindern dar. Es ist davon auszugehen, dass rund ein Drittel bis maximal die Hälfte dieser Gruppe ohne weiterführenden Bildungsabschluss ausscheiden, während bei einheimischen Heranwachsenden dieser Anteil deutlich unter 10 Prozent liegt (Seite 106). Zu verweisen ist auf das besondere Potential an qualifizierten und talentierten Fachkräften sowie auf die Mehrsprachigkeit als Humanressource und Wettbewerbsvorteil. Zu empfehlen ist ebenfalls ein Ausbau der österreichischen Politik der "Ausbildungsgarantie" mit dem Ziel, allen Heranwachsenden den Abschluss einer weiterführenden (Berufs-)Ausbildung zu ermöglichen. Der Schwerpunkt sollte neben einem ausreichenden und hochwertigen Angebot von berufsbildenden mittleren und höheren Schulen auch auf der Förderung der dualen Ausbildung liegen.

Handlungsbedarf sieht der Bericht bei der unzureichenden Integration heranwachsender Migrantenkinder in das System der beruflichen Erstausbildung. Zur Vermeidung eines frühen Ausscheidens aus dem Bildungssystem soll es zu einem Ausbau und einer Intensivierung von Berufsorientierung und Laufbahn- und Berufsberatung sowie der Sicherstellung eines niedrigschwelligen Zugangs kommen. Studien aus dem Jahr 2006 und 2008 belegen, dass Migrantenkinder von der schulischen Berufsorientierung nur ungenügend erreicht werden (vgl. Seite 107). Stärker gefördert werden sollten auch außerschulische Berufsorientierungsangebote wie berufskundliche Tage ("Schnupperlehre") und Coachingangebote (Seite 108)

"Die Aufwertung der schulischen Berufsorientierung bis hin zur Einführung eines eigenen Unterrichtsgegenstandes 'Berufsorientierung' in der 7. und 8. Schulstufe und die Abkehr von der integrierten Form des Berufsorientierungsunterrichts, welche ganz offensichtlich zumindest für benachteiligte Jugendliche nicht ausreichend und in manchen Fällen evtl. auch fast gar nicht erfolgt, erscheinen dringend geboten" ''(Seite 107).

Für Migrantenkinder empfiehlt der Bericht noch weitere Maßnahmen, etwa die rechtliche und bürokratische Vereinfachung der Beschäftigung von Lehrlingen mit nicht-österreichischer Staatsangehörigkeit, Beschäftigungsbewilligung bzw. Arbeitserlaubnis für junge Asylbewerber, spezielle Beratungsangebote und die Ausweitung von Kursen der Verbesserung der Deutschkenntnisse (Seite 108).

6.6 Situation von Migrantinnen in Österreich/Frauenbericht 2010    

Der Frauenbericht 2010 des Bundeskanzleramts Österreich und des Bundesministeriums für Frauen und Öffentlichen Dienst weist zu Jahresbeginn 2009 rund 725 000 Frauen ausländischer Herkunft in Österreich aus. Dies entspricht knapp 17 Prozent der weiblichen Bevölkerung Österreichs (Seite 321). Sieben von acht Frauen in Österreich mit ausländischer Herkunft stammen aus anderen europäischen Ländern. Etwa die Hälfte kommt aus anderen EU- oder EWR-Staaten. Zu den Hauptherkunftsländern zählen die Nachfolgestaaten Jugoslawiens und die Türkei.

Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit bekamen 2008 deutlich mehr Kinder als Österreicherinnen. Türkische Mütter bekamen im Durchschnitt sogar doppelt so viele Kinder wie österreichische Staatsangehörige. Gleichzeitig waren ausländische Mütter bei der Geburt des ersten Kindes deutlich jünger als österreichische Mütter (Seite 326-327).

Der Anteil der Eheschließungen zwischen österreichischen und ausländischen Staatsangehörigen ist in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten deutlich angestiegen. Doppelt so häufig kommen Hochzeiten mit österreichischem Bräutigam und ausländischer Braut vor wie Hochzeiten zwischen einer österreichischen Frau und einem ausländischen Mann (Seite 327-328).

Bei den zugezogenen Personen aus dem Ausland überwogen die Männer. Aus Tschechien, der Slowakei, der Ukraine, Thailand und Finnland wanderten mehr Frauen als Männer nach Österreich zu.

Die Zuwanderung von Frauen erfolgte vor allem im Bereich von Familiennachzug und zu Ausbildungszwecken, wogegen kurzzeitige Saisonarbeit sowie Asylwanderung zu zwei Drittel von Männern bestritten wurde.

Ausländische Frauen absolvieren tendenziell kürzer dauernde Ausbildungen als österreichische Staatsangehörige. Allerdings ist nicht nur der Anteil niedrig Qualifizierter, sondern auch der Anteil der Akademikerinnen unter ausländischen Frauen deutlich höher als bei Österreicherinnen (Seite 333-337). Die Beschäftigung im Ausland geborener Frauen konzentriert sich auf wenige Branchen wie Handel, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen, Beherbergungs- und Gaststättenwesen, Realitätenwesen und Unternehmungsdienstleistungen. Frauen mit ausländischem Geburtsland waren in geringerem Maße erwerbstätig als im Inland geborene Frauen (Seite 338-339).

Die Arbeitslosigkeit von Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit war 2008 mit knapp 7,8 Prozent (nach nationaler Definition) deutlich höher als jene der österreichischen Staatsbürgerinnen (5,3 Prozent). 2007 betrug das Einkommen rund zwei Drittel des Durchschnittseinkommens von Österreicherinnen. Entsprechend waren diese Frauen im Vergleich mehr als doppelt so oft armutsgefährdet (Seite 343-346).

Der Wohnkostenanteil, bezogen auf das verfügbare Haushaltseinkommen, war bei Haushalten von ausländischen Frauen mit 39 Prozent überdurchschnittlich hoch. Im Vergleich mussten 2007 rund 18 Prozent von Österreicherinnen geführten Haushalten mehr als ein Viertel ihres Einkommens für das Wohnen aufwenden (Seite 347-348).

6.7 Zukunft der Arbeit - Migration und Arbeit    

Im Fokus des 5. Forums "Zukunft der Arbeit" standen am 1. Juli 2010 junge Migrantinnen und Migranten der zweiten und dritten Generation und die Diskussion, welche Rolle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterschiedlicher Herkunftsländer in Zukunft in der Gesellschaft spielen werden.

Die Ausgangslage waren Überlegungen von Jean-Pierre Garson/OECD Paris, Integration habe eine große soziale und politische Dimension. Die Arbeitsmarktintegration sei der Schüssel für das Einbinden der Migrantenkinder in unsere Gesellschaft. Vom Gelingen dieses Vorhabens hänge ein großer Teil der Bemühungen ab.

Mag. Johann Bezdeka, in Vertretung von Bundesministerin Dr. Maria Fekter, verstand integrationspolitische Initiativen nicht nur als Belange zur Bildung eines "Wir-Gefühls", auch als Investition in die Zukunft der Arbeit und des Standorts Österreich. Der Schlüssel sind für ihn die Integrationsindikatoren des "Nationalen Aktionsplans für Integration" des Bundesministeriums für Inneres (BM.I) wie Sprachkenntnisse, Arbeit und Beruf, Gesundheit und Soziales, Rechtsstaat und Werte, interkultureller Dialog, Sport und Freizeit, Wohnen und regionale Dimension von Integration sowie Eigenverantwortung und Eigenleistung, verstanden als Querschnittsmaterie aller Ministerien, Bundesländer und Gemeinden sowie privater Organisationen und Körperschaften Öffentlichen Rechts.

Für Frank Zelger/Zürich, Vizepräsident von Customer Care & Customer Operations bei Cable-Com erbringen Migration und Integration sprachliche und kulturelle Vielfalt für Gesellschaften und damit enorme Chancen für den Arbeitsmarkt. Der richtige Umgang kann zu ökonomischen Vorteilen und zur Sicherung von Beschäftigung führen.

Carita Vallinkoski/Wien, seit ihrem vierten Lebensjahr als Finnin in Wien, tätig in CCC Expansion Management, sieht in der Migration die Chance des gegenseitigen Lernens, Aufbauens und Gestaltens. Für sie steht Österreich für liberales Denken, Toleranz und kulturellem Miteinander.

Für Mag. Markus Heingärtner/Wien managementclub-Geschäftsführer kann sich Österreich nicht migrantische Heranwachsende mit schlechter Bildungs-, Berufs- und Aufstiegschancen leisten.

Für den Autor fehlten zwei wesentliche Aspekte in der Diskussion. Einmal können nicht Leistungen von Migrantinnen und Migranten für die Arbeits- und Berufswelt gefordert werden, wenn nicht im schulischen und außerschulischen Bildungsprozess "Vorberufliche Bildung/Erziehung/Berufsorientierung?" in einem effizienten Ausmaß durchgeführt werden kann. Dazu gehören, entsprechend der EU-Richtlinien, ein Unterricht in der allgemein bildenden Pflichtschule im Fach "Berufsorientierung" als Fach (mit Lehramtsausbildung), Bildungs- bzw. Laufbahnberatung und Realbegegnungen in der Arbeits- und Berufswelt. Träger einer solchen Bildung/Erziehung sind nicht nur als "pädagogisches Dreieck" die Schule-Eltern-Betriebe, auch das Arbeitsmarktservice (AMS), die Berufsinformationszentren von AMS und WIFI sowie die Erwachsenenbildungsinstitutionen als Träger allgemein bildender Erwachsenenbildung (Elternbildung) sowie Träger der Politischen Bildung/Erziehung. Mit dem Paradigmenwechsel Ende der neunziger Jahre ist "Berufsorientierung" ein Teil der Politischer Bildung geworden, hat einen Bildungsauftrag gerade für Migrantinnen und Migranten für diese Aspekte mit einem Beitrag zur politisch-sozialen Partizipation im Kontext mit "Interkultureller Kompetenz" und "Transkulturellem Lernen". Damit unterstützen zwei Bildungsbereiche, wenn sie effizient praktiziert werden, Bemühungen der Integration und Migration.

Zum anderen gibt es in der Aus- und Weiterbildung für Fachkräfte verschiedenster Sparten der Arbeits-, Berufs- und Wirtschaftswelt derzeit Universitätslehrgänge für die Bereiche der Migration/Migrationsmanagement und Politischen Bildung sowie einen Lehrgang für Interkulturelles Konfliktmanagement.

7 Migrantenjugend und Religiosität    

Für die Problemgruppe der Heranwachsenden mit Migrantenhintergrund sind Studien zu Religion und Religiosität - bezogen auf Deutschland - von Interesse. Sie beschäftigen sich fast ausschließlich mit Heranwachsenden christlicher Konfessionen. Muslimische Heranwachsende werden nur in ihrer Eigenschaft als Faktoren einer sozialen Umwelt im Zusammenhang mit verändertem Milieu durch Migration erwähnt.

Empirische Jugendforschung klammert Religion weitgehend aus, wobei in der aktuellen Diskussion einerseits Religiosität und Kirchlichkeit gleichgesetzt und andererseits religiöse Gehalte von lebensweltlichen Sinnentwürfen Jugendlicher nahezu völlig ausgeklammert werden (vgl. BARZ 2001, 307; THONAK 2003, 18).

Kennzeichnend für jugendliche Religiosität ist das Zusammenbasteln eines eigenen Glaubens und der Verwendung verschiedener Traditionen. BARZ (1992b, 38) verwendet dazu den Ausdruck des "Vagabundierens" zwischen verschiedenen Glaubenslehren. Kirchlichkeit als Institution Kirche und Religiosität mit Glaubensinhalten scheinen sich unabhängig voneinander kontinuierlich zu entwickeln, Kirche wird zunehmend ein Teilsystem moderner Gesellschaften, dem immer weniger Menschen angehören wollen, wobei Glaubensüberzeugungen und bestimmte religiöse Praktiken im Alltag überdauern. Religion ist Privatsache geworden, daher auch der deutliche Trend zu einer entkirchlichten Atmosphäre (vgl. EKD-Studie 2006, 12-29 bzw. 32-42). Bei Heranwachsenden mit Migrantenhintergrund ist Religion eher ein Nebenthema.

Von Interesse ist die deutsche Migrantenszene wegen ihrer Vielfalt, wobei WEBER (1989) 160 Migrantenkinder nach ihrer religiösen Einstellung untersuchte. Griechische Befragte stehen mit ihrer Einstellung zwischen den türkischen Heranwachsenden, die Religion eine Bedeutung zumessen und deutschen Schülern, die Religion geringer in ihrer Bedeutung ansiedeln.

Aktuelles Interesse vermitteln die Aussagen von DIEHL-URBAHN-ESSER (1998) in Verbindung mit Studien von HEITMEYER-MÜLLER-SCHRÖDER (1997)und WETZELS-BRETTFELD (2003)zum Zusammenhang zwischen sozialer Desintegration und Religiosität. Hier zeigt sich, dass es in der Alltagsreligion keine Anzeichen für eine besondere Hinwendung zum Islam bei jüngeren und schlecht-assimilierten Zuwanderern gibt (DIEHL-URBAHN-ESSER 1998, 32). "Der Islam als gesellschaftlicher Faktor findet lediglich in einer Auflistung der 'Negativkonsequenzen' religiöser Entwicklungen der Gegenwart Erwähnung, wenn Schmid diese in seinem Vorwort zu Barz' Untersuchung mit der Frage beendet: 'Endet die religiöse Anarchie der Gegenwart in einem weltweit sich durchsetzenden und den neuen Weltstaat prägenden Islam?' (Schmid 1991, 9)" (BOOS-NÜNNING/KARAKASOGLU 2005, 367).

Die Shell-Jugendstudie 2000 hat ein eigenes Kapitel zum Bereich Religion mit Vergleich zu türkischen, deutschen und italienischen Jugendlichen. Religiöse Praxis, Zustimmung zu religiösen Glaubenssätzen und eine Selbsteinschätzung religiöser Orientierung sind Fragen an Heranwachsende mit Migrantenhintergrund. Shell stellt fest, dass geringere Anteile als bei Deutschen ohne Religionsgemeinschaft vorhanden sind. Junge christliche Migranten praktizieren ihre Religion intensiver als deutsche Befragte. Weibliche Heranwachsende mit Migrantenhintergrund weisen über alle Herkunftsgruppen hinweg höhere Anteile an religiöser Orientierung auf als männliche (vgl. FUCHS-HEINRITZ 2000, 173).

Studien in den letzten Jahren zu muslimischer Jugendreligiosität in Deutschland können als Reaktion auf Fundamentalismus-Studien verstanden werden, wobei in der Fachliteratur methodische Mängel (vgl. bei HEITMEYER-MÜLLER-SCHRÖDER 1997)und eine Verengung auf extremistische religiöse Orientierung festgestellt werden (vgl. KARAKSOGLU-AYDIN 1998, WETZELS-BRETTFELD 2003; BOOS-NÜNNING/KARAKASOGLU 2005, 371).

SAUER/GOLDBERG (2001) erhoben in einer Repräsentativumfrage des Zentrums für Türkeistudien bei 2 000 türkischen Heranwachsenden ab 18 bis 30 Jahren ihre religiöse Einstellung und diesbezügliche Probleme und Erwartungen an die deutsche Gesellschaft. Die Daten wurden nach Altersgruppen, Geschlecht und Konfession (Alevitisch, Sunnitisch, Schiitisch)ausgewiesen. Religiosität ist geringer ausgeprägt bei der zweiten gegenüber der ersten Migrationsgeneration, eine religiöse Praxis behält Bedeutung auch für die sich als weniger oder gar nicht religiös definierte Gruppe. Jüngere Befragte sind selten in islamischen Vereinen organisiert. Türkisch-islamische Kultur behält eine zentrale Bedeutung für die Identität auch in der zweiten Generation, auch in "einem variablen und flexiblen Zustand" (SAUER-GOLDBERG 2001, 19).

Kriminologische Aspekte auf muslimische Jugendreligiosität betrachten WETZELS/BRETTFELD (2003). Welche Bedeutung Religion für Gewaltbereitschaft und gewaltbereites Handeln hat, wird mit Daten von einheimischen deutschen, eingebürgerten und nicht eingebürgerten türkischen Heranwachsenden, ehemaligen jugoslawischen Migranten, Aussiedlern aus den GUS-Staaten und anderen Staaten erhoben. Muslimische Heranwachsende weisen die höchste Religiosität im Religionsgruppenvergleich auf, wobei die jugoslawische Gruppe als weniger religiös als die türkische und nordafrikanische/Nahost-Gruppe gilt. Gewarnt wird vor einer undifferenzierten Interpretation der Ergebnisse im Zusammenhang zwischen islamischer Religiosität und Gewaltbereitschaft (WETZELS-BRETTFELD 2003, 194). Die Daten seien für eine Ursache-Wirkung-Analyse unzureichend. Neben einer stabilisierenden Kraft des Islams im Alltag gibt es Hinweise auf die Elterngruppe mit mehr normativen Haltungen für eine erhöhte Gewaltbereitschaft muslimischer Heranwachsender.

Aussiedlerheranwachsende sind deutlich religiöser in ihrer christlichen Alltagspraxis als einheimische Deutsche, allerdings weniger religiös als andere christliche Migrationsheranwachsende. Mit zunehmender Religiosität steigt bei der Aussiedlergruppe auch die sprachlich-soziale Integration (WETZELS-BRETTFELD 2003, 110).

Das Wertverständnis von mennonitischen Aussiedlerfamilien aus der dörflichen Region im Ural in Verbindung mit einer qualitativen Bewertung von Lebensorientierung im Herkunftsland und in Deutschland erhebt LÖNEKE (2000, 13-14). Die Dissertation umfasst den Forschungsstand zu Aussiedlern allgemein und zu freikirchlichen Migranten im Besonderen. Kennzeichnend für Mennoniten ist die Ablehnung von Ehepartnern nicht-mennonitischer Herkunft, eine freikirchliche Orientierung, die Führungsrolle des Mannes in der Familie, Probleme im offenen Umgang mit der Sexualität, das Kopftuchtragen der Frauen zumindest beim Gottesdienst und ein strikter Antimilitarismus sowie eine Ethik der Gewaltfreiheit (vgl. ENNS 2003). Studien über Heranwachsende aus Aussiedlerfamilien vermitteln allgemein das Bild einer freikirchlich orientierten Gruppe, die damit eine religiöse Minderheit darstellt.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass Teile der Heranwachsende aus Arbeitsmigrantenfamilien - türkische mit dem Islam, griechische und Teile ehemals jugoslawischer mit der Orthodoxie, italienische und kroatische mit dem Katholizismus, russische und kasachische mit protestantischen Freikirchen oder Evangelischen Landeskirchen - einer anderen als der deutschen Mehrheitsgesellschaft üblichen Religions- und Kulturtraditionen angehören.

Diejenigen, die im Herkunftsland einer religiösen Minderheit angehörten, gehören in Deutschland der Mehrheitsgesellschaft an.

8 Pressedokumentation/Auswahl    

Salzburger Nachrichten v. 10. Juni 2006, 6    

"Anarchie unter Imamen"

Islam-Kritikerin Necla Kelek glaubt, dass sich die Hälfte der türkischen Muslime nicht integrieren will. Sie fordert eine Ausbildung für Imame "nach europäischem Recht".

Maria Zimmermann

Muslimische Migranten sollten nicht "unter Naturschutz" gestellt werden, das zementiert nur ihre archaischen Familienstrukturen. Kinder zum Kopftuchtragen zu zwingen, sei "Körperverletzung". In Deutschland, Österreich und anderen EU-Ländern herrsche eine Toleranz, die letztlich nur zu Intoleranz der Muslime gegenüber europäischen Werten führe und dazu, dass Frauen und Kinder vom Staat nicht geschützt würden. Viele muslimische Gruppen grenzten sich selbst aus. Mehr als die Hälfte der türkischen Muslime wolle sich gar nicht integrieren.

An klaren Aussagen mangelte es nicht, als die deutsch-türkische Islam-Kritikerin Necla Kelek auf Einladung der ÖVP am Freitag in Wien weilte. Seit die Soziologin in ihrem Buch "Die verkaufte Braut" die Zwangsverheiratungen muslimischer Mädchen in Deutschland anprangerte und das Schicksal der importierten Bräute in aller Härte schilderte, löst sie Kontroversen aus, polarisiert. Vor kurzem legte sie mit dem Buch "Die verlorenen Söhne - Plädoyer für die Befreiung des türkischen Mannes" noch nach.

Die Diskussion über Islam und Migration müsse aber geführt wreden, ist sie überzeugt. Kelek kam mit zehn Jahren 1967 von Istanbul nach Deutschland und erlebte, wie ihr Vater von einem liberalen Mann zum strengen Muslim wurde. Mit 14 durfte Kelek nur noch verschleiert gehen. Ihr Glück: Bildung stand in der Familie stets hoch im Kurs.

"Unsere Gesellschaft ist zu frei für Muslime", sagt Kelek. "Die Frau im Islam soll einen Schleier tragen und nicht stören." Das Kollektiv zähle mehr als der Einzelne. Dieses Weltbild könne genauso auch in deutschen Moscheen gepredigt werden. Der Staat sagt nur, "da mischen wir uns nicht ein." Dieses Nichteinmischen bedeute aber, dass Kinder und Frauen ungeschützt seien. "Es gibt Menschenrechtsverletzungen und der Staat schaut weg." Kinder würden dazu verdammt, islamisch zu leben und zu sterben. "Das ist keine Religionsfreiheit."

Kelek ist auch eine massive Befürworterin von Staatsbürgerschaftstests: Identifikation mit der neuen Heimat könne nur über Wissen führen, Bildung sei alles. Es sei auch an der Zeit, Migranten nicht nur als Opfer zu sehen. es gebe sehr wohl eine Bringschuld, sagt Kelek.

Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland sieht sie da keine. "Dass die Situation in Österreich noch nicht eskaliert ist, ist wunderbar. Aber dass die Mädchen hier weniger unterdrückt werden, ist nicht vorstellbar." Auf Daten konnte sie diese Annahme nicht stützen. Parallelgesellschaften seien aber auch hier zu Lande Realität.

Warum dürfen Mädchen nicht schwimmen gehen?

Gut sei, dass es mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft einen Ansprechpartner gebe. "Aber sie muss Position beziehen: 'Warum dürfen Mädchen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen? Warum müssen sie Kopftuch tragen?' Der Islam ist eine Imam-Religion", sagt sie. Das bedeute, dass man in einer Straße einen Imam finden könne, und einen anderen Imam, der sagt, auch ohne Kopftuch eine gute Muslim sein zu können, und einen anderen Imam, der sagt, dass man der Frau nicht die Hand geben soll."

Kelek sprach von einer "Anarchie unter den Imamen". Es gebe keine Stelle, die alles vorgibt. Was es brauche, sei eine Imam-Ausbildung "nach europäischem Recht" - derzeit kämen Imame stets aus islamischen Ländern. Auch Lehrstühle für islamische Theologie wären sinnvoll. Das fordert übrigens auch die Glaubensgemeinschaft.

Ökumenischer Rat der Kirchen - Nachrichten, 31. August 2006    

Kobia: Risiken eingehen um den Fremden willkommen zu heißen

Die massive Migration von Menschen auf der ganzen Welt hat tiefe Auswirkungen auf Gesellschaften und Kirchen und stellt grundsätzlich Fragen an ökumenische Beziehungen und Verantwortung, erklärte der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Samuel Kobia, in seinem Bericht vor dem ÖRK-Zentralausschuss am Donnerstag, 31. August, in Genf.

Migration "gehört zu den Hauptcharakteristika des sich wandelnden globalen Kontextes und hat entscheidende Konsequenzen für die ökumenische Bewegung, sowohl auf der lokalen als auch auf der globalen Ebene", sagte Pfarrer Dr. Samuel Kobia in seiner Eröffnungsrede vor dem Leistungsgremium, das noch bis zum 6. September 2006 in Genf tagt.

Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl der Migranten auf über 175 Millionen weltweit. Die Veränderung traditioneller Gesellschaften durch wirtschaftliche Globalisierung, Bürgerkriege und infrastrukturelle Verbindungen lassen diese Zahl weiter steigen.

Angesichts komplexer Veränderungen seien Kirchen weltweit dazu aufgerufen, das biblische Ideal der Gastfreundschaft gegenüber dem Fremden auszuleben und Wandel zu akzeptieren, sagte Kobia. "In der heutigen Welt ist die Gastfreundschaft gegenüber Fremden eine Frage der Gerechtigkeit und hat oft eine politisch Dimension", betont Kobia.

"Echte Gastfreundschaft zu üben erfordert, unsere eigene Verletzlichkeit einzugestehen und für Verwandlung offen zu sein." "Migranten zur Seite zu stehen ist in den meisten Weltreligionen politisch unpopulär. Die Risiken sind sehr real, ebenso real ist jedoch unsere Berufung", sagte er.

Salzburger Nachrichten, 7. Dezember 2010, 20    

"Absurder Schweizer Alleingang"

Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz

Am 28. November 2010 hat eine Mehrheit von knapp 53 % der Schweizer Stimmbürger bei einer Wahlbeteiligung von wiederum knapp 50 % neuerlich einen seiner Art nach einzigartigen Artikel in die Schweizer Verfassung hineinreklamiert.

Nach dem Minarettverbot (in der Verfassung!) soll die Schweiz nun einen weiteren Verfassungsartikel bekommen, den "Ausschaffungsartikel". Der unter Vorbehalt der gesetzlichen Umsetzung binnen fünf(!) Jahren stehende Verfassungsartikel sieht eine "automatische" Ausweisung von Fremden bei bestimmten Straftaten vor, wörtlich "unabhängig von ihrem ausländerrechtlichen Status".

Der eher wirre Tatbestandskatalog reicht vom "vorsätzlichen Tötungsdelikt" bis zum "Einbruchsdelikt" oder zum "missbräuchlichen Bezug von Leistungen der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe". Damit wäre der im Lande geborene Halbwüchsige gleich zu behandeln wie der vor drei Tagen eingereiste Kriminaltourist, der Mörder gleich wie der Fahrraddieb, der ein Fahrradschloss aufgebrochen hat.

Der Bundesrat hat noch versucht, diese unsägliche Anhäufung von juristischer Peinlichkeit abzufangen, der Gegenvorschlag war aber kaum weniger abwegig als jener der Volksinitiative.

Wenn sich die Gemüter einmal abgekühlt haben werden, wird der Schweiz dämmern, was für einen Unfug das Volk da beschlossen hat. Die Verfassungsbestimmung ist nämlich sowohl mit dem Schengensystem als auch mit "Dublin II" als auich mit der Genfer Flüchtlingskonvention und damit mit Eckpfeilern des Unionsrechts kategorisch unvereinbar, und jede Menschenrechtsbeschwerde muss durchdringen, wenn das Gesetz einmal die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse ausdrücklich ausschließen sollte.

Hier zeigt sich eine Grundschwäche der Schweizer Volksinitiative: Die Staatsorgane dürfen Volksinitiativen nicht auf ihre Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht prüfen, gerade so, als ob die Schweiz allein auf der Welt wäre.

Probleme bringt die Verfassungsänderung auch für Österreich. Aufenthaltsbeendigungstitel der Schweiz sind österreichischen hinkünftig nicht mehr gleichwertig, weil sie österreichischem Verfassungsrecht(Menschenrechtskonvention) widersprechen, und auch eine Rücküberstellung von Flüchtlingen nach dem "Dublin II"-System wird nicht mehr möglich sein.

Der absurde Schweizer Alleingang wird daher auch die österreichische Fremdenrechtspraxis bei bilateralen Sachverhalten massiv durcheinanderwirbeln, wenn nicht die Schweiz ihren abstrusen Verfassungsartikel noch vor der Umsetzung wieder entsorgt.

Salzburger Nachrichten, 25. Juni 2015, 1    

"Die Europäische Union braucht ein neues Asylsystem"

Leitartikel Helmut L. Müller

Reihum rufen EU-Staaten heute: "Unser Boot ist voll." So, ohne Solidarität, ist die Flüchtlingskrise aber garantiert nicht zu lösen.

Im Nachhinein spricht die Regierung in Budapest von einem Weckruf, unhaltbare Zustände in Europas Asylpolitik zu ändern. Eine Klarstellung nach massiver Kritik. Zuvor hatte es so geklungen, als verkünde Ungarn einen Aufnahmestopp für Asylsuchende. Das passt zum Kurs von Premier Viktor Orban, auf hehre Prinzipien der Europäischen Union zu pfeifen und nationalistische Eigenwege zu gehen.

Aber auch ohne einen solchen Affront sollten wir längst wissen, dass die derzeitige Asylregelung der EU elendiglich gescheitert ist. Denn sie ist ebenso ungerecht wie ineffizient.

Den Mitgliedsstaaten an der Außengrenze der EU halst sie als Erstaufnahmeländer vieler Flüchtlinge die ganze Last der Asylprüfung auf. Länder wie Italien oder Griechenland und jetzt auch Ungarn sind damit heillos überfordert. Trotzdem steckt ein großer Teil der EU den Kopf in den Sand. Zu bequem ist für die Länder weiter weg von den Außenposten der "Festung Europa" die jetzt geltende Regelung. je länger es jedoch dabei bleibt, desto größer ist die Neigung der Staaten an der Peripherie, sich aus dem System auszuklinken.

Dieser Prozess ist schon längst im Gange. Italien, Griechenland und andere lassen Flüchtlinge unkontrolliert weiterreisen. Eine Rückführung der Flüchtlinge in diese Länder ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich, weil sie nicht die Mindestanforderungen des europäischen Asylrechts erfüllen. das bedeutet, dass die Außengrenze der EU gar nicht zuverlässig kontrolliert wird. Der Bau von Mauern aber hält die Migranten nicht auf, er verlagert die Flüchtlingsströme bloß.

Stattdessen geraten die Menschenrechte der Migranten unter die Räder. das ist der Fall, wenn Österreich kurzerhand beschließt, keine Asylanträge mehr zu bearbeiten. Das gilt ebenso, wenn Ungarns Regierung eigenmächtig Länder zu "sicheren Drittstaaten" erklärt, um Flüchtlinge abschieben zu können.

Das bereits durchlöcherte "Dublin-System" in der Asylpolitik der EU sollte deshalb abgeschafft und durch ein neues Verteilsystem ersetzt werden. Es darf nicht mehr darauf ankommen, in welchem Land der Europäischen Union der Flüchtling zuerst eintrifft. Zuallererst zählt, was die beste Lösung für den Flüchtling ist. Wieso soll ein Flüchtling, der Französisch spricht und zu Angehörigen in Paris will, partout in Griechenland bleiben müssen? Zwischen den EU-Staaten muss es einen Lastenausgleich finanziell oder sonstiger Art geben.

VI BILDUNGSPOLITIK-ASYLPOLITIK-SOZIALPOLITIK    

9 Bildungs- und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen    

Die Datenfülle eröffnet Konsequenzen für politisches und pädagogisches Handeln, die sich in Fachdiskussionen und Arbeitsgemeinschaften sowie letztlich politischen Willenshandlungen manifestieren (sollen).

Ziele und Leitlinien für dieses Handeln wären demnach:

  • Stärkung von Ressourcen/Ausbildung-Beruf-Familie, Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit und Zukunfts- bzw. Karriereplanung
  • Abbau von Hindernissen und Aufbau von Gemeinsamkeiten/Förderung gemeinsamer Jugendaktivitäten, interethnische Freundschaften - realistische Auseinandersetzung mit Gegebenheiten/Ethnie-Kultur-Religion-Nationalität, Verzahnung des ethnischen mit dem einheimischen Umfeld, Abbau von Sprachbarrieren, Erkennen gemeinsamer Interessen und Beratungsangebote/"Transferstellen"
  • Abbau von Rassismus in der Mehrheitsgesellschaft/Strategien für den Umgang mit Ausgrenzungserfahrungen und interethnischer Erfahrungsaustausch
  • Respekt von Unterschieden/kulturell-religiöse Orientierung, Familialismus und Freizeitverhalten sowie
  • Aufwertung der Migrationspädagogik/Cultural mainstreaming in Pädagogik und Forschung - Sammlung von Datenmaterial.
Aus der Sicht der Vorberuflicher Bildung/Erziehung haben jugendliche Migranten zusätzliche Hürden in unserer Gesellschaft zu überwinden (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR UNTERRICHT, KUNST UND KULTUR 2007, 21; MATZNER 2012, 252-272). Rechtliche Beschränkungen, kulturbedingte und sprachliche Barrieren sowie die Diskrepanz zwischen Berufswunsch und realen Chancen bis hin zu Problemen mit Ausbildungsbetrieben existieren als Schwierigkeiten.

Als Verbesserungsmöglichkeiten ergeben sich aus vorberuflicher Sicht vermehrte Möglichkeiten zur Verbesserung des Übergangs von der Schule zur Ausbildung:

  • spezifischer Unterricht in "Berufsorientierung" auf der 7. und 8. Schulstufe mit entsprechenden Erkundungen, Exkursionen und berufspraktischen Tagen sowie einem spezifischen Unterricht auf der 9. Schulstufe in der Polytechnischen Schule.
  • Verbesserungen des Zugangs zu einer betrieblichen Ausbildung/duale Ausbildung für Migranten und
  • Unterstützungsmaßnahmen im Ausbildungsverlauf.
Insbesondere an der Schnittstelle beim Übergang von der Schule zum Beruf benötigt es für Migranten spezifische Förder- und Stützmaßnahmen zur positiven Integration. Schule ist mehr als in der Vergangenheit bei der Vermittlung sozialer und kultureller Erfahrungen gefordert. Sie birgt ein großes Integrationspotential, die interkulturell-erzieherische Handlungsfähigkeit von Schule mit Hilfe vorberuflicher Bildung/Erziehung in Verbindung mit politischer Bildung/Erziehung zu stärken vermag (vgl. MATZNER 2012, 266-270).

Neben der Aufklärungsarbeit für Eltern (und Heranwachsende) sollten adäquate Beratungsangebote - auch für Ausbildungsbetriebe - zur Motivation der Ausbildung jugendlicher Migrantinnen und Migranten entwickelt werden. Neben dieser Änderung der Beratungskonzeption und der Verstärkung vorberuflicher Maßnahmen sollte es Ziel sein, interkulturelle Bildung/Erziehung und Kommunikation zu einem selbstverständlichen Handlungsprinzip zu machen, das nicht nur ausländische und andere zugewanderte Heranwachsende betrifft, sondern grundsätzlich die veränderte Lebenswelt aller Kinder einbezieht.

"Da Änderungen im Beratungskonzept und die Verstärkung pädagogischer Maßnahmen alleine nicht ausreichen, ist die Entwicklung und Durchsetzung einer Konzeption der interkulturellen Berufsausbildung notwendig, die die interkulturellen Kompetenzen als Potential anerkennt und für die Ausbildung nutzbar macht" (Die Beauftragte der Deutschen Bundesregierung für die Belange der Ausländer 1999, 30).

Bildungspolitisch ungelöst in Österreich seit 1962 ist die Problematik des 9. Schuljahres, hier insbesondere die der Polytechnischen Schule.

Zwar gibt der Evaluationsbericht des bm:bwk "Die Polytechnische Schule" (2002) Anlass zur Hoffnung, dass diese Schulart vermehrt Akzeptanz findet, dennoch sind die Fragen

(1) einer verbesserten Berufsorientierung der Schüler der Sekundarstufe I und

(2) der Schülerklientel der Polytechnischen Schule

offen.

Als Schulart, die nur jene Schülergruppe anspricht, die in keine weiterführende Schule geht und damit die größte Gruppe künftiger Lehrlinge bildet, wirken auch die neu definierten Ziele in der 17. Novelle des Schulorganisationsgesetzes/BGBL. 30.12.96 nur bedingt. Insbesondere fehlt in der Sekundarstufe I eine breite vorberufliche Bildung/Erziehung ("Berufsorientierung"), damit auch die Konzeption der Polytechnischen Schule mit einer beruflichen Grundbildung wirken kann (vgl. dazu den Lehrplan der Polytechnischen Schule i.d.g.F. mit den Fachbereichen Metall-Elektro-Holz-Bau, Handel-Büro, Dienstleistungen, Tourismus; schulautonom: Informationstechnik-Mechatronik-Mode und Bekleidung u.a.; vgl. DECKER 1981; vgl. den Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Berufswahl in der Polytechnischen Schule).

Für den Bereich der Heranwachsenden mit Migrationshintergrund stellen sich besonders aktuell diese schul- und berufspädagogischen Fragen.

In dem von Wissenschaftlern des Instituts für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz organisierten zehnmonatigen EU-Projekt "PARS/Partizipation und antirassistische Handlungspotenziale" wird gezeigt, wie ein Modell der "Selbstrepräsentation" von Migranten funktionieren kann. Migranten sollen selbst am wissenschaftlichen Prozess teilhaben und damit einen Forscherstatus erhalten. 16 in Österreich lebende Migrantinnen und Migranten aus zehn Ländern diskutierten, reflektierten und systematisierten in einer "Entwicklungswerkstatt" ihre Erfahrungen zu den Themenbereichen Selbstorganisation, Zugang zum Arbeitsmarkt, Diskriminierung am Arbeitsplatz und transnationale Familien/Heimweh. Zur Erweiterung der herkömmlichen Praxis der Textproduktion wurden die Ergebnisse auch mittels Videos, Fotos und Karikaturen dokumentiert.

Diese Form einer Annäherung an das Integrationsthema zielte auf ein Empowerment der Zielgruppe, ein Erkennen eigener Ressourcen und Zuwachs an Selbstbewusstsein, damit einer aktiven Teilnahme an öffentlichen und politischen Prozessen. Wesentlich war die Erkenntnis, dass es neben einem wissenschaftlichen Wissen ein zu selten genutztes und unterbewertetes Handlungswissen gibt und man als Migrant nicht unbedingt mit dem zugewiesenen Platz in der Gastgesellschaft sich zufrieden geben muss. Man kann durchaus seine eigenen Fähigkeiten einbringen, vorausgesetzt man kämpft dafür.

Als wesentliches Hindernis stellt sich auf dem Weg zu einer aktiven und selbstbewussten Teilnahme am gesellschaftlichen Leben die systematische Dequalifizierung von Zuwanderern. Ausbildungen in den Heimatländern werden zumeist weder formell noch informell anerkannt.

Ein langsames Umdenken zeigt die Pressemeldung vom 22. August 2011, wonach das Sozialministerium und das AMS Zuwanderern durch eine gezielte Betreuung rascher als bisher zu einem Arbeitsplatz verhelfen wollen. 2011 ist die Arbeitslosenrate bei Personen mit Migrationshintergrund mit knapp zwölf Prozent doppelt so hoch wie sonst. Zuwanderer stellen ein Drittel aller beim AMS als arbeitssuchend Vorgemerkten, obwohl sie nur 16 Prozent der Beschäftigten ausmachen.

Neben den oftmals im Ausland erworbenen und in Österreich nicht anerkannten Qualifikationen sowie den Schwierigkeiten bei der Nostrifikation sieht das AMS in sprachlichen Barrieren das Hauptproblem bei der Arbeitssuche. Die höchsten Migrantenanteile an den unselbständig Beschäftigten gibt es laut AMS 2011 in der Gebäudebetreuung (59 Prozent), gefolgt von der Landwirtschaft (44,6 Prozent), dem Tourismus (42,6 Prozent), der Arbeitskräfteüberlassung (32 Prozent), am Bau (24,3 Prozent) und im Handel (15,9 Prozent). Es versteht sich von selbst, dass Bereiche wie die öffentliche Sicherheit, Bildung, Gesundheit und der Facharbeitersektor ausbaufähig sind.

Im Vergleich zu Großbritannien und einigen skandinavischen Ländern kennt Österreich kein "Kompetenzfeststellungsverfahren". Hoch qualifizierte Zuwanderer müssen erst eine Beschäftigungszusage eines Unternehmens vorweisen können, um zunächst überhaupt in einen Nostrifizierungsprozess zu gelangen. 39 Prozent aller Migranten arbeiteten zum angegebenen Zeitpunkt in einer Beschäftigung, die ihrer Qualifikation nicht entspricht. Dies zeigt sich auch der aktuellen Diskussion um einen Facharbeitermangel. Ausschliessungsmechanismen basieren u.a. auch auf Vorurteilen.

Gefordert sind demnach Schule, Erwachsenenbildung, AMS, Politik, Verwaltungen und alle sozialen Gruppierungen sowie Beratungsinstitutionen für Migrantinnen und Migranten (vgl. GRIESSER 2007, 15).

10 Zur Kritik des Integrationsberichts 2008    

BÜRSTMAYR(2008) führt in seiner Stellungnahme zum sogenannten "Integrationsbericht" des Bundesministeriums für Inneres aus, dass "[...]an den Spitzen der vielfach(noch)gar nicht in die Diskussion einbezogenen Organisationen und der Opposition[...]vorsichtige Skepsis, an der Basis, dort, wo die Alltagsprobleme von Fremden in Österreich abgearbeitet werden, vielfach Sarkasmus, ungläubiges Staunen oder Zorn herrscht"(BÜRSTMAYR 2008, 30).

Ausgespart wurde in den "Expertenbeiträgen zur Integration" der Aspekt der Sicherheit (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES 2008). Tausende Migrantinnen und Migranten wissen nicht, wo und welcher rechtlichen Situation sie sich in einigen Monaten befinden. Dazu zählen nicht nur Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern, die sich wegen einer Gesetzesnovelle ohne Übergangsbestimmungen über Nacht illegal in Österreich finden. Zahlenmäßig wesentlich mehr Nicht-EU-Bürger, deren Aufenthalt in den letzten Jahren problemlos bewilligt oder verlängert wurde, müssen gegenwärtig um ihre Existenz zittern, weil die finanziellen Anforderungen für einen weiteren Rechtstitel für einen Aufenthalt höher geschraubt wurden.

Personen, die in Österreich geboren wurden und aufgewachsen sind und ihre Aufenthaltstitel nicht rechtzeitig verlängert haben, werden immer wieder ausgewiesen. Fehlende Offenlegung für die Öffentlichkeit wird als "Unding in einem Rechtsstaat" kritisiert. Die Folge ist nicht die am Ende einer angestrebten erfolgreichen Integration verliehene Staatsbürgerschaft, vielmehr zeichnet sich hier eine Desintegration ab.


Integration ist kein einseitiger Prozess. Benötigt wird die Bereitschaft derer, die integriert werden sollen. Dazu gehört u.a. das Erlernen der Sprache des Gastlandes und die Bereitschaft zum Wohnortwechsel(Arbeits- und Berufswechsel, Ausbildung der Kinder), aber auch eine Mitverantwortung und Mitbestimmung im gesamtgesellschaftlichen Bereich. Daraus ergibt sich auch die zentrale Frage nach rechtlicher Sicherheit.


"Wozu sollen Immigranten in Österreich jahrelang lernen, Kredite aufnahmen, Opfer auf sich nehmen, alles im Interesse ihrer Integration., wenn nicht gewährleistet ist, ja nicht einmal berechenbar ist, ob und wie lange sie die Früchte all dieser Mühen ernten können? Warum sollen Betriebe ihnen Karrierchancen und innerbetriebliche Ausbildung anbieten, wenn sie keinerlei Sicherheit dafür haben, dass diese ihre Angestellten in einem Jahr überhaupt noch beschäftigt werden dürfen? Warum sollen Hausbesitzer schöne Wohnungen an Menschen vermieten, die jederzeit von Abschiebung bedroht sind? Das Paradoxe am jetzt präsentierten Bericht ist, dass genau diese Fragen von genau diesem Innenminister zu beantworten wären.......Und genau das wurde einfach ausgespart. So lange diese Lücke klafft, ist es gleichgültig, welche Person sie präsentiert, es fehlt allen weiteren Integrationsmaßnahmen an festem Boden"(BÜRSTMAYR 2008, 30).

11 Integrationsbericht 2014    

2013 waren es deutsche Staatsbürger, die am stärksten nach Österreich zogen. Mehr als zehn Prozent (17 743 Personen) kamen aus Deutschland. Bei Beachtung der Zu- und Abwanderung lagen die Deutschen mit fast 7000 auf Platz zwei.

Aus dem EU-Nachbarland Ungarn kam die zweitgrößte Zuwanderergruppe mit 14 935 Personen, abgewandert sind 6500, netto also rund 8400.

Dahinter folgen Rumänien mit einem Plus von 5700 Personen.

Der Nettozuzug aus der Türkei lag nur noch bei rund 1300. Trotzdem stellten 114 700 Türken zum Jahreswechsel 2013/2014 noch die zweitgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe in Österreich, hinter den Deutschen mit fast 165 000, knapp vor den Serben mit 112 500.

Das Bild der Migration hat sich gewandelt. Arbeitskräfte kommen vor allem aus den EU-Ländern (EU-Binnenwanderung). Bei der Zuwanderung aus den früheren Gastarbeiterländern handelt es sich zumeist um Familiennachzug.

Ein Problembereich ist die "zweite Generation". Die Gruppe der 15 bis 24jährigen weist überproportional viele Ausländer auf, die 2013 weder in der Schule noch Universität waren, weder eine Lehre noch eine andere Ausbildung absolvierten (Österreicher 5 Prozent, Ausländer 15 Prozent). Innerhalb der Migranten waren 18 Prozent aus Nicht-EU-Staaten, EU-Bürger traf es mit rund 11 Prozent. Folgen sind demnach schlechte Jobs, Bezahlung und ein hohes Berufsrisiko, diese Arbeit noch zu verlieren.

Bei den Jahresnettoeinkommen zeigen sich in der Folge die Unterschiede, so durchschnittlich Österreicher mit € 23 400, Bürger des ehemaligen Jugoslawiens und der Türkei rund € 18 250. Bürger aus Rumänien, Bulgarien, Polen, Ungarn und der Slowakei lagen im Schnitt bei € 18 400.

Verbessert hat sich das Klima zwischen Einheimischen und Zuwanderern. Die Politik geht nicht mehr davon aus, dass Integration einfach passiert. Gestiegen ist das Zugehörigkeitsgefühl der Zuwanderer zur neuen Heimat. 2010 fühlten sich 56 Prozent eher in Österreich als in der alten Heimat zu Hause, 2013 waren es 70 Prozent.

Vorschläge des Expertenrates sollen zukünftig umgesetzt werden.

  • Es geht um ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr für alle Kinder, die schlecht Deutsch können.
  • Schulpflichtige Kinder ohne Deutschkenntnisse sollen in eigenen Gruppen/Klassen auf den normalen Unterricht vorbereitet werden.
  • Die Rot-Weiß-Rot-Karte soll entbürokratisiert werden. Ausländische Studierende sollen sie schon mit dem Bachelor erhalten.
  • Einkommensgrenzen für ausländische Studienabsolventen sollen auf international übliches Niveau gesenkt werden.
  • Ausländische Qualifikationen sollen rascher anerkannt werden.
  • Integrationsgelder sollen für EU-Zuwanderer verwendet werden dürfen.
Integrationsbericht 2014 - Datenmaterial

  • Bevölkerung zum 1. Jänner 2014 > ohne Migrationsvorgeschichte 6,75 Mill. > mit Migrationsvorgeschichte 1,63 Mill., davon 1. Generation 1,20 Mill., 2.Generation 0.43 Mill.
  • Zuzug 2013: 151 280 > zurückkehrende Österreicher 16.052, Deutschland 17.743, Ungarn 14.935, Rumänien 13.491, sonstige EU-EWR-Schweiz 40.455, Ex-Jugoslawien 15.278, Sonstige 33.326
  • Wegzug 2013: 96 552 > Österreich 22.044, Deutschland 10 984, sonstige EU-EWR-Schweiz 35 287, Sonstige 28 237
Quelle:

Statistik Austria

Literaturhinweis:

Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres - Integrationsbericht 2014

Pressehinweis:

Salzburger Nachrichten, 29. Juli 2014, 3

12 Buchbesprechungen    

12.1 Mobilität und Migration im ländlichen Raum seit 1945    

Rita Garstenauer - Anne Unterwurzacher (Hrsg.) (2015)

Aufbrechen, Arbeiten, Ankommen. Mobilität und Migration im ländlichen Raum seit 1945 - Mobilität und Migration im ländlichen Raum seit 1945 - Jahrbuch für Geschichte des ländlichen Raumes/JGLR 2014, Innsbruck-Wien-Bozen ISBN 978-3-7065-5402-2

Ländliche Räume gelten als Auswanderungsregionen. Neben der Wanderung vom Land in die Stadt gab es aber auch den umgekehrten Weg sowie die dauerhafte und befristete Migration von einer ländlichen Region in die andere.

Der Band beinhaltet Beiträge zu vielfältigen Motiven und Aspekten ländlicher Mobilität und Migration. Es geht um Displaced Persons, nach dem Zweiten Weltkrieg, österreichische "Gastarbeiter" im Ausland, angeworbene Arbeitskräfte nach Österreich aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei, Wohnsitzverlegungen von Existenz- und Familiengründungen, weiträumige Mobilität von EU-Bürgern innerhalb der Schengen-Grenzen,, eine Wohnraum-Migration im Umfeld von urbanen Zentren.

Migration ist kein ungewöhnliches Gegenwartsproblem, vielmehr ein normales, historisch in verschiedenen Ausprägungen erfassbares Phänomen.

Der Band beinhaltet drei chronologische und thematische Schwerpunkte,

  • die Nachwirkung von Zwangsmigration der Nachkriegsgesellschaft,
  • die Arbeitsmigration im Rahmen des Konjunkturaufschwungs und
  • die gegenwärtige Migration im ländlichen Raum im Kontext der Globalisierung.
Zwei Beiträge - Zwangsarbeit im Untersuchungsgebiet Bayerischer Wald, Erinnerung an Beziehungen zu Deutschen und anderen Zwangsarbeitern in der Region - behandeln die Wirkungen der Zwangsmigration in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges und unmittelbar in der Nachkriegszeit. Beleuchtet wird von Angelika Laumer die Verarbeitung ländlicher Zwangsarbeit in Bayern methodisch mit Interviews mit Kindern und Ehegattinnen ehemaliger Zwangsarbeiter, die in der Folge ansässig wurden und Familien gründeten. Aufgezeigt werden die schwere Arbeit und materielle Mängel in der lokalen Dorfgesellschaft. Angesprochen werden Arbeitsfähigkeit und Arbeitswillen, nicht angesprochen werden die angeführten Personen als Opfer der NS-Gewalt. Dagegen sprechen wenige Befragte in eigenen Diskussionen mit den Interviewerinnen die NS-Gewalt an (S. 19-36).

Von Interesse ist das Ankommen deutschsprachiger Vertriebener aus Ostmitteleuropa in der Sowjetische Besatzungszone Deutschland (SBZ) bzw. DDR/ländliches Thüringen. Uta Bretschneider führte Interviews mit Vertrieben und deren Nachkommen. Anders als in Österreich oder in den Westzonen (BRD)konnten sie im Zuge der Bodenreform als Neubauern Kleinparzellen erwerben. Die Armut wurde damit nicht gelöst, denn es fehlte Ausstattung, Hausrat oder Vieh. Im Rahmen der Bodenreform konnten nur 10 bis 15 Prozent der Neubauern-Familien sich wirtschaftlich etablieren. Zumeist schloss man sich freiwillig oder zwangsweise den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG)an. Die Betroffenen waren in einem Spannungsfeld zwischen Beschränkung und Hoffnung (S. 37-52).

Umfassend sind die Beiträge zur Arbeitsmigration, den Auswirkungen und regionalen Entwicklungstendenzen innerhalb von Österreich, den östlichen Bundesländern Burgenland und Niederösterreich bzw. Steiermark mit ihren Benachteiligungen und der Beschäftigung als Gastarbeiter in den westlichen Bundesländern, in Deutschland, der Schweiz, in Großbritannien und Schweden.

Ute Sonnleitner, Anita Ziegerhofer und Karin Schmidlechner beschäftigen sich mit der Arbeitsmigration junger Steirer im ersten Nachkriegsjahrzehnt in der Schweiz, Es geht um eine Alternative zur Landarbeit in der Steiermark, zeitlich begrenzt und finanziell geplant für eine bessere Zukunft zu Hause. Was offiziell als "Landflucht" bezeichnet wurde, war vielmehr eine Flucht aus der unattraktiven Landarbeit zu Hause. Man arbeitete in der Schweiz auch auf dem Lande und ging später in die Steiermark in ländliche Regionen zurück (S. 53-77).

Die Arbeitsmigration aus zwei südburgenländischen Gemeinden in die Schweiz bearbeitet Nina Kulovics , wobei die Auswandernden in der Schweiz blieben, was mit der südburgenländischen Auswanderungstradition zu tun hat. Immerhin blieb ein Großteil der Auswandernden in Amerika in den letzten beiden Jahrhunderten, besonders im Großraum Chicago (S. 78-94).

Die Zuwanderung nach Tirol in ein wirtschaftlich starkes Gebiet behandelt Gerhard Hetfleisch mit einer Übersicht der Arbeitsmigration seit 1945. Schwerpunkt ist die Zuwanderung im Rahmen des "Gastarbeiterabkommens" mit der Türkei und Jugoslawien. Dokumentiert wird ein genaues Bild der Wechselwirkungen zwischen Arbeitskräftenachfrage, Anwerbepolitik und Gesetzeslage (S. 95-125).

Hall i.T. wird von Verena Sauermann und Veronika Settele im Kontext eines lokalhistorischen Schulprojekts mit der Repräsentation von Migranten untersucht. Nachgewiesen wird eine schwache öffentliche Überlieferung, wenig Sensibilität, zeitgeschichtlicher Forschung und eine konfliktbeladene Vergangenheit, allerdings auch Kooperationsbereitschaft und Interesse. Der Beitrag in Form von Oral History zeigt partizipative Quellenarbeit und Geschichtsrepräsentation mit dem Anspruch auf Öffentlichkeit (S. 126-145).

Eine Erläuterung, wie Jugoslawien mittels politischer Regulative versucht, Deviseneinkünfte der Arbeitsmigranten zu erschließen, gibt Vladimir Ivanovic (vgl. die Bedeutung und Folgen von "remittance"). Angeboten werden entsprechende Investitionsmöglichkeiten für Zurückkehrende. Mittels einer ethnographischen Feldforschung in Serbien wird aufgezeigt, wie Arbeitsmigration auch die Chance zum Vermögensaufbau ergibt. Eine Rückwanderung wird durch gute wirtschaftliche Möglichkeiten im Heimatland ermöglicht. Es zeigt sich auch, dass Rückkehrer letztlich sich in zwei Staaten zu Hause fühlen (S. 146-163).

Migrationsphänomene in ländlichen Regionen werden in der Folge mittels Zugängen der Geographie, Soziologie und Kultur- und Soziallanthropologie untersucht. Ingrid Machold und Thomas Dax zeigen mittels statistischen Daten Wanderungsströme zwischen Land und Stadt seit den siebziger Jahren auf und weisen nach, dass ländliche Regionen in den vergangenen dreißig Jahren sich zu Zuwanderungsgebieten entwickelten (S. 164-184).

Mit der lokalen Integration beschäftigen sich Gudrun Kirchoff und Claudia Bolte. Im ländlichen Deutschland - zwölf Städte und Gemeinden in acht Landkreisen - werden zwei Projekte mit Integrationsbemühungen untersucht. Notwendig erachtet werden eine entsprechende Ausrichtung der regionalen Politik, eine interkulturelle Öffnung der notwendigen Institutionen und die Notwendigkeit einer Willkommens- und Anerkennungskultur. Die Projekte zeigen auf ein Spektrum an kommunalen Angeboten. Im Sinne der angestrebten Historie des Jahrbuches von Migration könnte man solche Praxisprojekte auch als Kommunikationsform schaffen (S. 185-198).

Erwerbsintegration von Migranten in der ländlichen Steiermark untersuchen Isabella Skrivanek, Lydia Rössl und Anna Faustmann. Benachteiligungen verstärken sich wechselseitig und erzeugen negative Effekte (Intersektionalität). Klientel der Untersuchung waren heranwachsende Migranten, Flüchtlinge und Frauen auch als Heiratsmigrantinnen. Gerade die letzte Gruppe ist besonders anfällig für Intersektionalitätseffekte. Im Kontext mit einer historischen Perspektive werden Biografien der Befragten in Verbindung gebracht (S. 199-224).

Mit Wohnmigration bezeichnete Abwanderung aus Luxemburg in die benachbarte deutsche Grenzregion mit größtenteils Beibehaltung des Arbeitsplatzes im Lande beschäftigen sich Elisabeth Boesen, Gregor Schnuer und Christian Wille. Die Fallstudie geht der Frage nach den Auswirkungen der Zuwanderung von urban geprägten Personen in vier Dörfern nach. Urbanität wird als spezifischer Habitus mit einer Loslösung vom Stadtraum konzipiert. In dieser spezifischen Habituskonzeption findet habituelle Ruralität als Gegenstück zur habituellen Urbanität Eingang. Die Positionen wirken unterschiedlich auf die ländlichen Sozialstrukturen und sind von diesen beeinflusst (S. 225-244).

Abschließend widmet sich der Band dem zehnjährigen Jubiläum des erschienen JGLR 2004. Clemens Zimmermann betrachtet die Stärken und Schwächen der ersten zehn Bände im Kontext des Geschichtsdiskurses (S. 245-252). Ulrich Schwarz fasst im Tagungsbericht 2014 die Ideen zur Neuschreibung ländlicher Geschichte zusammen (S. 253-256).

12.2 Exodus    

Paul Collier (2015): Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen - Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 1535, Bonn ISBN 978-3-8389-0535-8

Einwanderung ist ein altes Phänomen mit neuen Gesichtern. Historisch wechselten die Herkunftsländer, Zielgebiete, Motive, Chancen und Risiken von Migration. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts benötigt die globale Migration rechtliche, politische und humanitäre Leitvorstellungen. Die Frage nach ihrer Ausstattung ist offen.

Ebenso ungeklärt sind die Fragen der Konsequenzen für die aufnehmenden Staaten und für die Herkunftsländer, deren Bürger verloren gehen. Es geht um Kriterien der Akzeptanz von Migration in den aufnehmenden Gesellschaften. Im Vordergrund steht die Bewahrung des sozialen Friedens.

Im Band werden Fragen der Zukunft der Einwanderung gestellt.

Das Buch ist zum Teil die Fortsetzung von Arbeiten über ärmste Gesellschaften ("die unterste Milliarde"). In den reichen Westen (nicht auch Norden?) zu kommen ist von professionellem und persönlichem Interesse. Ob der Exodus den Zurückgebliebenen Vor- oder Nachteile bringt, ist eine schwierige und wichtige Frage. Die Einwanderungspolitik hat unvermeidliche und unerkannte Auswirkungen auf sie. Mehr Bewusstsein über die Gedankenlosigkeit von Einwanderung (Migrationspolitik) fordert der Autor (S. 10).

Der Band stellt eine Kritik an der vorherrschenden Meinung liberaler Denker dar, dass sich westliche Gesellschaften auf eine postnationale Zukunft vorbereiten sollen. Die Frage wie die nationale Identität ist wesentlich, Vorteile können in (nationalen) Identitätsbildungen gesehen werden. Das Wiedererstarken des Nationalismus macht Sorgen.

Der Autor beschäftigt sich im Folgenden mit Fragen aus drei Bereichen:

  • Entscheidungen der Migranten,
  • Auswirkungen auf die Zurückgelassenen und
  • Folgen für die Einheimischen in der Aufnahmegesellschaft.
Deutlich wird in den folgenden Ausführungen, dass Migration weniger ein ökonomisches Problem, vielmehr ein soziales Phänomen darstellt. Dies öffnet, so der Autor, geradezu die Büchse der Pandora.

Überlagert wird es von der ethischen Frage: An welchem Maß sollen die Auswirkungen gemessen werden? Die Ökonomen besitzen in ihrem ethischen Werkzeugkasten den Utilitarismus, der für die Bearbeitung einer Ethik der Migration ungeeignet ist.

Das Buch möchte eine stimmige Analyse der Ergebnisse spezialisierter sozialwissenschaftlicher und moralphilosophischer Forschungen aus dem angelsächsischen Raum geben (Großbritannien, USA).

  • Es stützt sich auf die Sichtweise von Identität (George Akerlof/2011),
  • Migrationsprozessen (Frederic Docquier/2012),
  • ökonomischer Geographie (Diskussionen mit Tony Venables),
  • Sozialpsychologie (Steven Pinker/2011, Jonathan Haidt/2012, Daniel Kahnemann/2012, Paul Zak/2012) und
  • Philosophie (Michael Sandel/2012).
Versucht wird mit Fakten und Argumenten eine Diskussion über Migration in Gang bringen, die über polarisierte und schrille Meinungen hinausgeht.

12.2.1 Aufbau des Buches    

Aufgebaut ist der Band in fünf Teile, die den Themenbereich umfassend darstellen.

  • Teil I geht dem Migrationstabu und der Zunahme von Migration nach (S. 15-60),
  • Teil II bespricht die sozialen und wirtschaftlichen Folgen sowie eine falsche Einwanderungspolitik (S. 61-152),
  • Teil III widmet sich den Einwanderern als Gewinner bzw. Verlierern (S. 153-187),
  • Teil IV den politischen und wirtschaftlichen Folgen sowie den in der Heimat Verbliebenen (S. 189-241) und
  • Teil V beschließt den Band mit Überlegungen zu einer neuen Einwanderungspolitik (S. 243-289).
12.2.2 Zentrale Aussagen    

Im Folgenden sollen zentrale Überlegungen und Aussagen des Autors ausführlich dargestellt werden, um zu

  • einer sachlich-fachlichen Diskussion anzuregen und
  • beispielhafte Grundlagen einer Politischen Bildung zur Thematik anzubieten (vgl. Analysefähigkeit, Argumentationsfähigkeit, Urteilsfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit).
Beispielhafte zentrale Aussagen sind

  • die Höhe der Migrationsrate, die von der Tiefe der Einkommenskluft, dem Einkommensniveau in den Herkunftsländern und der Größe der Einwanderungsgemeinden in den Aufnahmeländern abhängt. Die absolute Kluft zwischen den armen und reichen Ländern wird noch für Jahrzehnte weiter bestehen (S. 45-46). Die verschiedenen Formen der Migrationspolitik waren/sind verstohlene Verlegenheitslösungen. Die großen Parteien weichen dem Thema eher aus, trotz einer zusehenden Dringlichkeit für die Wähler. In den freien Raum siedeln sich u.a. Rassisten und Xenophobe an. In Ländern mit Mehrheitswahlrecht kamen/kommen sie nicht an, in Ländern mit inklusiven Wahlsystemen vereinigen migrationsfeindliche Ein-Themen-Parteien bemerkenswert viele Wählerstimmen (S. 59). Eine ehrliche Diskussion muss auf Fakten und einer Ethik von Einwanderungsbeschränkungen beruhen(S. 60).
  • Die Frage einer künftigen Migration für die Aufnahmegesellschaft ist eine Frage nach ihrem Ausmaß und wie schnell die Einwandernden mit der Aufnahmegesellschaft verschmelzen. Ökonomen sehen den ethischen Rahmen im Utilitarismus (S. 63-64). In Demokratien spiegelt sich die Migration häufig nicht in den Ansichten der einheimischen Bevölkerung wider (vgl. Großbritannien mit der Ansicht zu vieler Einwanderer) (S. 66). Eine wesentliche soziale Folge der Migration ist die Beziehung der Einwandernden zu der Aufnahmegesellschaft. Zunächst als Arbeitskraft, in der Folge als Mitglied der Gesellschaft geht es in der Diversität der Aufnahmegesellschaft um gegenseitige Rücksichtnahme, später Loyalitäts- und Solidaritätsgefühle, Kooperation und letztlich Vertrauen (vgl. den herrschenden Vertrauensverlust etwa in Nigeria) (S. 68-69, 72).
  • Unterschiede gibt es in der Übernahme von Normen bei Migrantenkindern (vgl. die USA mit der Assimilation der dortigen Werte, für Europa gilt dies nicht/Abhebung von der Mehrheitsgesellschaft bzw. Besitz mehrerer Identitäten[Beruf, Familie, Staatsbürger]) (S. 75). Man kann davon ausgehen, dass in Europa Einwandernde langsamer als in den USA das Vertrauen der Aufnahmeländer erreichen (S. 80). Wesentlich sind für Einwandernde Rollenmodelle in Form von Vorbildern und Stereotypen. Zu beachten ist die Populärkultur als leicht tradierbare Stereotype(S. 77-78).
  • Einwanderung verringert das Sozialkapital der einheimischen Bevölkerung. Dies gilt jedenfalls für die USA(S. 82-83). US-Studien stellen fest, dass Risiken einer deutlichen Vergrößerung der Diversität erkennbar sind(S. 82). Diversität hängt nicht nur von der Zahl, auch vom kulturellen Abstand zwischen Einwandernden und einheimischer Bevölkerung ab (vgl. den kleineren Abstand von Hispanos und US-Amerikanern und den Einwandernden aus armen Ländern und einheimischen Europäern mit den Unterschieden wie Sprache, Sitten, Nomen, Werte und Religion) (S. 83). In dem Zusammenhang ist von Interesse der Zugang zu Diversität in der Stadtteilarbeit, etwa bei Straßenfesten, als Beispiel positiver Diversität und Zunahme von Sozialkapital (S. 89).
  • Dass ehedem reiche US-Bundesstaaten durch Masseneinwanderung und Mangel an Einnahmen in Folge von Umverteilung finanziell zurückfallen, zeigt sich am Beispiel von Kalifornien (S. 92-93).
  • Enorme Auswirkungen hat die Absorptionsrate. Das Wachstum der Einwanderungsgemeinde verlangsamt die Absorption, weil sie zusätzliche Interaktion innerhalb der Gruppe zulasten der Interaktion mit Einheimischen geht(S. 94). Je größer der die Kulturen anfänglich trennende Abstand ist, desto länger wird es dauern, bis sie miteinander verschmelzen. Je niedriger die Absorptionsrate, desto geringer muss der Zuwachs der Einwanderung sein, um eine Vergrößerung der Auslandsgemeinde aufrechtzuerhalten. Soziale Kosten der Einwanderenden werden von externen Effekten hervorgerufen, die durch private Maximierungsentscheidungen entstehen. Paradox ist, dass der ökonomische Nutzen für die Entscheidungsträger auch die sozialen Kosten zu erhöhen scheint (S. 98-99). Beeinflusst wird die Absorptionsrate durch die Mentalität der Einwanderer. Stereotypen werden übernommen. Nachgewiesen ist ein schleichender Sprachwandel bei der Beschreibung der Einwandernden. Vom "Auswanderer" zum "Siedler" verändert sich die Begrifflichkeit bei der Massenauswanderung 1810 bis 1830 aus Großbritannien und Irland nach Nordamerika. Auswandererschließen sich mehr oder minder im Aufnahmeland an, Siedler bringen dagegen ihre Herkunftsgesellschaft mit eigenen Ansichten und eigener Kultur mit (vgl. Lateinamerika spanisch dominierend, Angola portugiesisch stark beeinflusst). Von Interesse ist die vollständige kulturelle Umformung in den Jahren 400 bis 600 durch Siedler in Britannien (S. 99-103).
  • Der Multikulturalismus entstand als Reaktion auf die Assimilation. Die Herkunftskultur sollte geschützt, die Nation neu definiert werden als geopolitischer Raum mit getrennten kulturellen Gemeinschaften und gleichem rechtlichem und sozialem Status. Anders das Verständnis, dass kulturell einwandernde und einheimische Gruppen verschmelzen (vgl. den Unterschied zu Assimilation; hier bedeutet die Verschmelzung nicht, dass die einheimische Kultur der Migrationskultur überlegen oder privilegiert ist; S. 104-105).
  • Es liegen vier Modelle für Einwanderung vor: Assimilation, kulturelle Verschmelzung, Kulturseparatismus und Siedlertum (S. 105). Kulturelle Unterschiede in armen Ländern führen zu mehr Gewalt zwischen den jeweiligen Gruppen (S. 105).
  • Das Erlernen der jeweiligen Landessprache ermöglicht Einwandernden mit öffentlichen Gütern eher zu kooperieren. Ist man dazu nicht bereit, kann man in ihnen Trittbettfahrer sehen. Ferner neigen sie dazu, die goldene Regel zu brechen: Sind sie auch damit einverstanden, dass Einwanderer in ihrem Herkunftsland sich weigern, die Landessprache zu lernen? (S. 106).
  • In Ballungen von Migrantensiedlungen bildet sich das sog. "Donut-Muster" aus(man denke an das Tragen des Schleiers im Aufnahmeland, obwohl im Herkunftsland dies nicht üblich ist/Abgrenzung von der einheimischen Bevölkerung; vgl. den Vorschlag des Erzbischofs von Canterbury, das Parlament möge ein paralleles Rechtssystem auf der Grundlage der Scharia einführen[S. 109]). Separatismus könnte u.a. auch zu "Charter-Städten" führen, also Städten auf Territorien, die arme Länder langfristig an reiche Länder verpachten, die unter deren Gesetzen sich entwickeln(man denke an Siedlertum; vgl. S. 110). Bei multikultureller Politik geht eine Integration langsamer vonstatten (man denke an eine schlechtere Beherrschung der Sprache und ein Verharren auf der untersten Stufe der sozialen Leiter; beide Effekte sind erheblich und bilden die Grundlage für die Bildung von eng verbundenen Gemeinden; vgl. S. 115).
  • In reichen (einkommensstarken) Ländern ist die Wohnung oder das Haus ein wichtiger Besitz und spielt für das Wohlbefinden eine besondere Bedeutung. Einwanderende sind allgemein ärmer als Einheimische und haben daher einen Bedarf an Sozialwohnungen (vgl. das Problem der Konkurrenz um Sozialwohnungen; Transfer zu Lasten von Einheimischen) (S. 122). Die Bereitstellung von öffentlichen Gütern wie etwas von Sozialwohnungen hängt von Spielregeln ab. Dies betrifft hauptsächlich in einer pluralen Gesellschaft die Einstellung gegenüber anderen. Differenziert wird daher gesehen, wenn die Bewahrung kultureller Unterschiede als Individualrecht angesehen wird. Konkurrenz entsteht bei einem Einleben von Zugwanderten auf dem privaten Haus- und Wohnungsmarkt. Dies betrifft unterschiedlich einzelne Regionen (S. 123-124).
  • Migration erleichtert Unternehmen in Wachstumsgebieten die Arbeitskräftesuche. Unabsichtlich verringert es aber die innere Mobilität einheimischer Arbeitskräfte. Damit ist ein Mechanismus des Einkommensverlustes für einheimische Arbeitskräfte angesprochen. Sie werden gehindert, gut bezahlte Arbeitsstellen in Wachstumsgebieten anzunehmen (S. 125).
  • Behauptet wird, Einwandernde seien besonders innovativ oder zumindest anders denkend(vgl. das Beispiel der USA). Das US-Beispiel könnte jedoch mehr mit der außergewöhnlichen Anziehungskraft der USA für innovative Unternehmer zu tun haben. Man kann davon ausgehen, dass die Erfahrung der Auswanderung die Menschen innovativer macht(vgl. die Herausforderung der Zweisprachigkeit; S. 125-126).
  • Inwieweit die Zunahme der Bevölkerung langfristige Wachstumseffekte erzeugt, hängt davon ab, ob das betreffende Land im Verhältnis zu seiner nutzbaren Fläche bevölkert ist (vgl. Australien als Kontinent mit nur rund 30 Millionen Einwohnern). Es ist unwahrscheinlich, dass eine Nettomigration einen langfristigen Nettonutzen mit sich bringt (S. 126).
  • Ein Problem kann der Erfolg von Einwandernden werden. In den USA haben Einwandererkinder im Durchschnitt höhere Bildungsabschlüsse und Einkommen als die Kinder der einheimischen Bevölkerung. in Großbritannien ist das Dauerproblem der mangelnde Ehrgeiz von Arbeiterkindern (vgl. das Gegenteil bei Einwandernden). Berühmt berüchtigt sind die ostasiatischen "Tigermütter", die ihre Kinder zu Höchstleistungen anstacheln (S. 127-129).
  • Von Interesse ist der Faktor "Kriminalität". Messbar ist der Anteil von Ausländern in Gefängnissen (vgl. Frankreich mit 6 Prozent Ausländeranteil der Bevölkerung, aber 21 Prozent Gefängnisinsassen). In den USA liegt die Kriminalitätsrate von Einwandernden unter derjenigen der einheimischen Bevölkerung (vgl. die angegebenen Gründe mit Kultur[starke Familienbande, Arbeitsmoral, Gläubigkeit, Zusammensetzung der Migration], legitime Gelegenheiten, Demographie und schwache sozialen Bindungen(S. 130-131).
  • Russland hatte als Extrembeispiel durch eine falsch gestaltete Umgestaltung der Wirtschaft einen Absturz der Geburtenrate und höhere Sterblichkeit zu verzeichnen, in der Folge erholt es sich demographisch. Die Frage bleibt offen, ob in einer solchen Entwicklung zur Korrektur des Ungleichgewichts eine Einwanderung junger Arbeitskräfte sinnvoll wäre (vgl. in geringem Ausmaß das gleiche Problem in China und Italien). Alternative wären die Auswanderung von Alten und ein Vermögensabbau (vgl. Import von Gütern, womit Arbeitskräfte freigesetzt würden). Durch das Ansteigen der Lebenserwartung erscheinen zusätzliche Arbeitskräfte nicht notwendig zu sein. Die Altersgrenze von Renten- bzw. Pensionsgenuss soll in Beziehung zur durchschnittlichen Lebenserwartung gesetzt werden (vgl. die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft bei einem volkswirtschaftlichen Reichtum) (vgl. S. 131-134).
  • Weil Gesellschaften kaum vorhersehen können, welche berufliche Qualifikationen künftig gebraucht werden, benötigt es eine betriebsinterne Nachwuchsausbildung. Deutschland ist ein Beispiel, dass eine solche Politik die Unternehmen nicht in das Ausland treibt (vgl. die Notwendigkeit, dass Unternehmen vom nationalen Sozialmodell profitieren, auch dessen Jugendliche auszubilden). Wenn die Wirtschaft Facharbeiter benötigt, stellt sich die Frage, warum sie sie nicht auch ausbildet und nach Einwandernden ruft (vgl. S. 134-136).
  • Im ökonomischen Modell der Migration stellen Punktesysteme einen Zusammenhang zwischen Einwanderung und Auswanderung her(vgl. Merkmale von Punktesystemen für die Bevorzugung bei Verwandtschaft, daher für Europäer ein bevorzugter Zugang zu den USA, Kanada, Australien und Neuseeland). Anreize zur Auswanderung ergeben sich aus einem Lohnrückgang (was aber auf die Migration nicht signifikant zutrifft). Von Interesse ist etwa, dass mehr als die Hälfte der Bewohner Londons Einwandernde sind. Ausgewandert bzw. weggezogen sind Einheimische in die Vorstädte (S. 137-138).
  • Die beste Lösung von Migrationshindernissen wäre deren Beseitigung, die zweitbeste wäre von nationalen Unterschieden zu profitieren und die Menschen je nach legalen Zugangsmöglichkeiten zu hohen Löhnen um die Welt ziehen zu lassen (S. 139-140). Auswanderung spielt mit den erwähnten ökonomischen Folgen solange keine Rolle, solange sich die Zusammensetzung der Bevölkerung nicht grundlegend ändert (S. 140).
  • Eine mäßige Einwanderung hat für Einheimische nur geringfügige ökonomische Folgen, zumeist in bescheidenem Maß vermutlich sogar positive (vgl. den umgekehrten Fall, wobei das öffentliche Kapital vermehrt in Anspruch genommen wird und der Lebensstandard vieler Einheimischer gesenkt wird[S. 140]). Japan gilt als Beispiel eines reichen Landes für eine homogene Gesellschaft ohne Einwanderung. Als Weg ohne sozialen Folgen, demnach nur mit ökonomischen Konsequenzen, gilt eine Einwanderung ohne jede Integration in die Gesellschaft. Beispiele sind ein "Gastarbeiter-Programm", bei dem nur der Arbeitsmarkt mittels Migration bedient wird (vgl. Dubai mit den beiden Kriterien des Arbeitsvertrages und Verhaltens; man beachte ein solches Anziehen von Extremen, bei denen die Superreichen kommen, um in Luxus zu leben und die Superarmen kommen, um zu arbeiten[um genau zu sein, es hilft den Armen]). In Europa ist ein solches Modell nicht umsetzbar (S. 140-143).
  • Die Migrationspolitik geht einmal einer quantitativen Einwanderungsbeschränkung nach. Bedeutsamer sind Ansätze mit einem Maßnahmenbündel, wie die Zusammensetzung der Einwandernden nach ihrer Qualifikation, einem, Gleichgewicht zwischen Arbeitskräften und Empfängern staatlicher Unterstützung und einer Gewichtung der Sozialmodelle, an die die Einwandernden gewöhnt sind. Wesentlich ist die Absorptionsrate von Auslandsgemeinden in die Mehrheitsgesellschaft. Diese Maßnahmen gelten als die wichtigen politischen Maßnahmen (S.149).
  • Migration und Politik entwickeln sich vermutlich bei einer mangelhaften politischen Analyse in vier Phasen (einer Angstphase mit anhaltender Einwanderung; einer Panikphase mit einer Obergrenze ohne Gleichgewichtsgröße der Auslandsgemeinde[Reduzierung der Absorptionsrate, kultureller Abstand, steigende Sozialkosten]; einer hässliche Phase mit Zunahme der Auslandsgemeinde, der sozialen Kosten und des politischen Drucks; einer Absorptionsphase mit Vereinnahmung der Auslandsgemeinde, das soziale Vertrauen wird wiederaufgebaut, das Gleichgewicht der Kooperation erneuert) (S. 149-152).
  • Migranten sind zunächst die Gewinner der Migration (Gewinne durch mehr Verdienst, höhere Produktivität, bessere Ländereigenschaften und Sozialmodelle). Zu beachten sind Zufälligkeiten für eine Einwanderungsmöglichkeit (vgl. Verlosung von Visa in den USA und NZ). Einkommensunterschiede von Aufnahmeländern werden in globalen Migrationsströmen beachtet. Europa ist durch mehr Gleichheit mit großzügigeren Sozialsystemen gekennzeichnet. Produktivitätsanstiege im Kontext mit technologischer Forschung begeistert Ökonomen und kann zu vermehrter Migration führen (S. 155-159).
  • Von Interesse ist die Frage nach einer Besteuerung von Einwandernden (vgl. der Gedanke einer Sondersteuer, die ihren Herkunftsländern zugutekommt; ebenso ist zu bedenken, dass eine Besteuerung von Einwandernden ein sicherer Weg ist, sie zu Bürgern zweiter Klasse zu machen und Integrationsmaßnahmen zu erschweren[S. 162]). Das praktische Verhalten zeigt sich in Überweisungen an die Familien in den Herkunftsländern (vgl. die zunehmende Bedeutung von Banken für Migranten für Transferzahlungen) (S. 159-162).
  • Migration ist eine Investition (vgl. die Bedeutung für Berufseinsteiger und Studierende, allerdings auch die Schwierigkeiten einer Finanzierung für diese Gruppe). In armen Ländern steht die Familie lediglich als Finanzquelle zur Verfügung. Letztlich entscheiden Familien über die Auswanderung. Daraus ergibt sich eine Beziehung von Einkommen und Auswanderungsneigung, aber auch die Zahl der Länder mit hohen Auswanderungsraten (vgl. etwa die Sahelzone als ärmste Region der Erde ohne Auswanderungsrate) (S. 163-166).
  • Möglichkeiten einer Auswanderung sind die Erfüllung der Voraussetzungen (S. 167-168), sie können betrügen (S. 169-170) und/oder sie können unter Einsatz ihres Lebens verzweifelte Versuche physische Barrieren zu umgehen (S. 171-172).
  • Auswanderungswillige erhalten hervorstechende Lösungen. Bereits ausgewanderte Familienangehörige haben in den Auslandsgemeinden Möglichkeiten einer Förderung der Migration in verschiedener Art und Weise (vgl. die Bevorzugung von Visa, als Staatsbürger der Aufnahmeländer Möglichkeiten der Einflussnahme auf Abgeordnete, Verbindung über Verwandte und Freunde auf Arbeitsmärkte, Finanzierung von Investitionskosten bei der Migration). Auslandsgemeinden beeinflussen sehr wesentlich die Ortswahl für nachfolgende Auswandernde (S. 174).
  • Ökonomen interessieren sich besonders für die Veränderung der Zusammensetzung von Migranten (vgl. die Praxis von Punktesystemen für die Einwanderung, um den Zugang zu beschränken; vgl. die Umgehungspraktiken mit familiären Bindungen, damit die Kollision von Individualrechten von Migranten und Rechten bzw. Interessen der einheimischen Bevölkerung[S. 174]). In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, dass Migranten weniger mit Einheimischen, vielmehr miteinander konkurrieren. Paradox ist in der Migration, dass einzelne Migranten Produktivitätsgewinne einstreichen, zugleich aber kollektiv es zu Zugangsbeschränkungen kommt, was individuell wiederum am meisten schadet(S. 182)
  • Als wesentliche ethische Alternative in diesem Buch ergibt sich der Unterschied von Individual- und Gruppenrechten (vgl. die Vergabe von Sozialwohnungen) (S. 175-176). Manche Länder praktizieren eine quotengebundene Lotterie als Verfahren. Mit allen Möglichkeiten und Praktiken wird auf die Zusammensetzung der Auslandsgemeinden Einfluss genommen. Auf Qualifikation basierende Punktesysteme können nur funktionieren, wenn die Individualrechte von Mitgliedern der Auslandsgemeinden von den durch dieses System gesetzten Zielen beschränkt werden (S. 176).
  • Migration wirkt sich nachhaltig auf die Bereiche Familie/Ehe, Kinder und Freunde aus (vgl. die Trennung von Familien, eine kulturelle fremde Umgebung, soziale Verlagerungen; S. 183-185). Folgerungen ergeben sich aus dem beträchtlichen psychologischen Preis, der kulturellen Entwurzelung und dem Gefühl der Fremdheit, der einen ökonomischen Gewinn weitgehend zunichtemachen kann (S. 185-187).
  • Im Folgenden geht es um jene Milliarde von Menschen, die den Anschluss zur globalen Wohlstandsentwicklung verloren hat. es geht um jene, die in diesen Ländern zurückgeblieben sind. Im Interesse stehen die Auswirkungen von Migration auf die Politik der Herkunftsländer, in der Folge um den "Brain-Drain", also die Abwanderung Hochqualifizierter und der Geldüberweisungen von Ausgewanderten (S. 191).
    • Wesentlich sind die Auswirkungen des politischen Verhaltens der Auslandsgemeinden. Als Gefahrenpotenzial wird das Vorhandensein einer politischen Opposition gesehen (Dissidenten, Finanzierung oppositioneller Parteien, Ideen und Vorbilder)(S. 192).
    • Nach Autorensicht ist der entscheidende Punkt bei der Migration, ob der von Migranten aufgebaute Druck Wirkung zeigt (S. 193).
    • Der Umgang mit Demokratie in vielen Ländern lässt sich an der Legitimität der Regierenden, der Korruption und möglicher Manipulationen erkennen. Die Auswanderung Ungelernter macht Länder demokratischer. Umgekehrt vermittelt die Begegnung mit demokratischen Ideen die Möglichkeit einer Erhöhung politischer Verantwortung (Transfer von politischem Engagement durch Migranten in der Heimat; vgl. das Beispiel Senegal 2012 im Wahlkampf mit dem Druck von Verwandten zur Beteiligung bei der Wahl in der Heimat[S. 197]).
    • Es zeigt sich, dass bei der Rückkehr der Migranten die politischen Einflüsse Wirkungen zeigen, so in der größeren Wahrscheinlichkeit einer Wahlbeteiligung und in Nachahmungseffekten. Je besser ein Aufnahmeland regiert wird, desto besser ist der Transfer demokratischer Normen (S. 197-199).
    • Am Beispiel der Familienplanung zeigt es sich, dass es Rückwirkungen auf die Einstellung der in der Heimat Zurückgebliebenen gibt. Offensichtlich hängt dieser Normentransfer davon ab, dass die Migranten weit genug in die Aufnahmegesellschaft integriert sind, um sich ihrerseits diese Normen anzueignen (S. 200).
    • Negativbeispiele gibt es bei Unterstützungsbemühungen etwa von Auslandsgemeinden in den USA und Europa bei der Rebellion der Tamil Tigers in Sri Lanka und historisch rückblickend bei der Rückkehr Lenins aus der Schweiz nach Russland bzw. ähnlich bei der Rückkehr des Ayatollah Khomeinis aus dem Exil in Frankreich in den Iran (S. 200-201).
    • Schließlich ist der richtige Zeitpunkt, eine Migrationspolitik einzuführen, während eines politischen Konflikts. Ist man hier großzügig - humanitäre Rettung und Schutz des Humankapitals - sind Migranten besser auf eine Rückkehr bei einer Wiederherstellung des Friedens vorbereitet (S. 202).
  • Die Frage der Versorgung mit fähigen Menschen, um die Qualität von Regierungen sicherzustellen bzw. ihre Rückkehr in Heimatländer zu ermöglichen, zeigt sich an Beispielen wie Tidjane Thiam/Elfenbeinküste und vielen Finanzministern, Präsidenten und Zentralbankchefs (S. 203-206). Weniger das Studium an sich im Ausland ist entscheidend, vielmehr das Studienland mit Demokratie und der Möglichkeit der Übernahme in die persönliche Identität.
  • Mit dem Begriff "Braindrain" zeigen sich auch wirtschaftliche Auswirkungen. Migration entzieht der Gesellschaft kluge, ehrgeizige und gebildete Mitglieder. Allerdings sind Talente nicht angeboren, vielmehr durch Bildung bzw. Möglichkeiten, Motivation und Unterstützungssysteme geschaffen.
    • Erfüllt wird in der Regel dies durch Familien. Erfolgreiche Migranten und Einheimische werden zu Rollenmodellen, die nachgeahmt werden(können).
    • Regierungen müssen Mechanismen zur Verfügung stellen, etwa Geld und eine soziale Nutzung von Bildung. Familien profitieren von Geldüberweisungen der Migranten.
    • Ein extremes Beispiel ist Haiti mit einem Verlust von 85 Prozent bei Gebildeten. Die Auswanderungsrate an sich ist nicht überraschend, ist doch der größte Arbeitsmarkt der Welt vor der Haustür. Die größte haitianische Auslandsgemeinde ist zudem in den Nordamerika und ermöglicht Auswanderung. Der Aufbau eines höheren Ausbildungssystems in Haiti ist dringend notwendig, weil eine Kompensation der Verluste notwendig ist (S. 207-212).
    • Mit der Rückkehr von Auswanderern versuchen Länder, ihre Ressourcen zu vergrößern. Starthilfen, Arbeitsplatzmöglichkeiten und Karrierechancen sollen helfen. Inwieweit die angesprochene Klientel Bereitschaft zeigt, hängt nicht nur von den Möglichkeiten ab, vielmehr auch von der Etablierung in den Aufnahmeländer und den lokalen Maßstäben in den Heimatländern. Ein positives Beispiel sind Chinesen, entscheiden sich doch chinesische Studierende für eine Rückkehr (vgl. die mangelhafte Rückkehrwilligkeit von Afrikanern)(S. 213-215).
  • Was die Motivation von Migranten betrifft, so herrschen Einstellungen vor, die massiv von außen beeinflusst werden ("Outsidereinstellungen"). In der Auslandsgemeinde sind sie dagegen Insider (S. 216-218).
  • Migranten bleiben mit ihren Familien im Herkunftsland in der Regel in Verbindung. Rücküberweisungen sind eine Form dieser Verbindung. Erstaunlich sind mitunter die Geldflüsse, wie Studien zeigen (S. 219). 2012 summierten sich die Überweisungen auf rund 400 Mrd. US-Dollar.
    • Da die Summen für die Wirtschaft wenig aussagen, ist der Vergleich mit dem Haushaltseinkommen im Heimatland hilfreich (S. 220; Spitzenreiter sind Migranten aus El Salvador, Haiti, den Philippinen und dem Senegal). Unterschiedlich sind die Nutzeffekte.
    • Unterschiedlich sind auch bei Währungskrisen die Summen der Überweisungen (vgl. den überraschenden Nutzen bei der Asienkrise 1998; S. 222-223).
    • Geringer die Migrationshindernisse sind, desto geringer sind die Geldüberweisungen. Die Mutter in das Aufnahmeland nachzuholen ist vermutlich günstiger. So entstehen bei strengen Einwanderungsbestimmungen größere Überweisungssummen (S. 225).
    • Insgesamt helfen solche Hilfsformen die Armut abzumildern (S. 226).
  • Migration hat mit Identität zu tun. Moderne Identität besitzt die Pfeiler Individualität und Globalität. Insbesondere jüngere Leute neigen zu individualistischen Außenseitern und gleichzeitig Weltbürgern(S. 245).
    • Der moderne Individualismus findet seine Wurzeln bei Descartes aus der Erfahrung des eigenen Denkens("cogito, ergo sum").
    • Heute ist man der Ansicht, Descartes habe die Dinge verkehrt gesehen. Wir können über uns selbst nichts wissen, außer im Kontext des Bewusstseins einer Gesellschaft, der wir angehören. Daher gibt es die Spannung zwischen dem Menschen als Individuum und als Mitglied der Gesellschaft.
  • Menschliches Verhalten leitet sich tw. aus dem Gemeinschaftsgefühl und den dort geteilten Einstellungen ab. Soziale Kompetenz bedeutet Rücksichtnahme. Durch individuellen Egoismus kann dies untergraben werden (vgl. die Dominanz des Marktes)(S. 248).
  • Der Grundwert einer Gemeinschaftlichkeit zeigt sich in den Rollen in der Familie, in Freundschaften, der Gemeinde, ethischer Gruppierungen, Religion, Beruf, Region, Nation und in der Welt. Auf einer höheren Ebene als der Nation - der Summe der Einwohner eines Staates in einem gesamtgesellschaftlichen Vorhaben - ergibt sich ein gemeinsames Identitätsgefühl (vgl. den Wert von "Mitgefühl")(S. 249). Afrika ist ein gutes Beispiel, wenn Identitäten und kollektive Organisation nicht übereinstimmen (vgl. die willkürlichen Grenzziehungen auf der Landkarte ohne Berücksichtigung der Identitäten; als Ausnahme gilt Tansania unter Julius Nyerere)(S. 253). Widerspruch für Europa, wo eine Furcht vor dem Nationalismus als überholt anzusehen wäre, wird wohl angesichts der Krisen am Balkan und in der Ukraine anzubringen sein (S. 254). Als positives Beispiel für unterschiedliche Identitäten (Herkunft)ist das britische Olympiateam 2012/London anzuführen, die in einem Team vielfältigster Herkunft als Ausdruck einer multiethnischen Gesellschaft eine große Anzahl von Goldmedaillen gewannen. Nationale Identität kann sehr wohl in Diversität sich ausdrücken (S. 255).
  • Migration macht den Nationenbegriff nicht überflüssig. Ein übersteigerten Begriff mit einem multikulturellen Ansatz erschwert die Erhaltung des sozialen Friedens, der Kooperation und Umverteilungsanstrengungen. Diversität darf einen kritischen Punkt nicht überschreiten (S. 258).
  • Sieht man sich Aufgaben einer gewachsenen Einwanderungspolitik an, geht es um fehlende und notwendige Einwanderungsbeschränkungen, erhebliche psychologische Auswirkungen, nachteilige Formen für die Aufnahmegesellschaften und für die in armen Ländern Zurückgebliebenen. Die Migration wirkt also auf viele unterschiedliche Gruppen (S. 259).
    • Die goldene Regel, wonach man anderen nichts antun soll, was man selbst nicht erleiden möchte, ist ein guter Maßstab für eine Migrationspolitik (S. 261).
    • Das Wesen eines Landes besteht nicht einfach nur in seinem Territorium, es geht vielmehr gerade in der Migrationspolitik um Unterschiede der Sozialmodelle. Im Hinblick auf eine EU-Migrationspolitik erhält der Aspekt von Nachbarländern mit dysfunktionalen Sozialmodellen eine vermehrte Bedeutung. Funktionale Sozialmodelle sind über lange Zeiträume gewachsen, haben einen sozialen Fortschritt aufgebaut und sind Teil des Gemeinwesens bzw. Gemeingutes (S. 261-262).
    • Paradox haben Einwanderungsländern mit geringster Bevölkerungsdichte und einer jungen Einwanderungsgeschichte die strengsten Einwanderungsbeschränkungen (vgl. die Beschränkung auf Hochqualifizierte wie Kanada und Australien; S. 262-264).
    • Israel besitzt eine sehr junge Einwanderungsgesellschaft. Die Einwanderung ist derart beschränkt, dass einheimische Auswanderer kein Rückkehrrecht besitzen (S. 263).
    • Zu bedenken sind in der Migrationspolitik Auswirkungen auf die Einwanderer selbst, die Zurückgebliebenen in den Heimatländern und die einheimische Bevölkerung der Aufnahmeländer (vgl. dies als ein Hinweis auf eine gemeinsame EU-Migrationspolitik). Unangemessen ist eine xenophobe und rein ökonomische Ausrichtung (vgl. die Dominanz von moralischen Vorurteilen bei politischen Entscheidungen, wobei begrenzte Daten und Emotionen eine Rolle spielen; S. 264-265, 269).
    • Damit erhalten die Aufnahmeländer bzw. Regionen eine große Verantwortung. Die Migrationsrate hängt von der individuellen Entscheidung der künftigen Einwandernden und der Politik der Regierungen ab. Es bedarf einer Steuerung. Zur Vermeidung einer politischen Panik stehen im Mittelpunkt der Maßnahmen Obergrenzen, eine Auswahl von Migranten, die Integration der Auslandsgemeinden und eine Legalisierung illegaler Einwandernder (S. 269-282).
Literaturhinweise

Akerlof G.A.-Kranton R.E. (2011): Identity Economics. Warum wir ganz anders ticken, als die meisten Ökonomen denken, München

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Kahnemann D. (2012): Schnelles Denken, langsames Denken, München

Pinker S. (2011): Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit, Frankfurt/M.

Sandel M.J.(2012): Was man für Geld nicht kaufen kann. Die moralischen Grenzen des Marktes, Berlin

Yang D. (2011): Migrant Remittances, in: The Journal of Economic Perspektives 25/3, 129-152

Zak P. (2012): The Moral Molecule. The Source of Love and Prosperity, New York

12.3 Migration gerecht gestalten    

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2015): Migration gerecht gestalten. Weltweite Impulse für einen fairen Wettbewerb um Fachkräfte, Verlag Bertelsmann Stiftung Gütersloh, ISBN 978-3-86793-658-3

Migration wurde früher als Bürde für Entwicklungsländer aufgefasst. Heute sind die Potenziale für Entwicklung - ökonomisch, sozial, politisch und soziokulturell - von Interesse, zumal Migration in ihrer Vielfalt nicht abstellbar und real vorhanden ist.

Der Paradigmenwechsel kann nur dann erfolgreich sein, wenn die politischen Handlungsebenen umgesetzt und die Dimensionen erweitert werden. Politik, Ökonomie, Kultur, Werte, Religion und Medien - auch die Interessen der Einwanderungsländer, der Einwanderenden und Auswanderungsländer sind zu berücksichtigen.

Für Leser sind daher Kenntnisse aus der Migrationsgeschichte, der Interkulturellen Bildung und der Politischen Bildung hilfreich.

Für die Migrationspolitik stellen sich viele Fragen, etwa nach Migrationsströmen, Staat bzw. Markt und sozialem Zusammenhalt bzw. Frieden.

Die Bertelsmann Stiftung hat mit dem vorliegenden Band eine Publikation vorgelegt, die aktuelle Trends, Herausforderungen für eine künftige Migrationspolitik und eine Triple-Win-Perspektive anspricht. Untersucht werden zudem Praxisbeispiele, eine faire Migrationsgestaltung, neue Ansätze, Empfehlungen für vermehrte Effektivität und faire Migrationspolitik.

12.3.1 Aufbau des Bandes    

Aufgebaut ist der Band in vier Teile, die den Themenbereich umfassend darstellen.

I. Der globale Wettbewerb um Fachkräfte als Herausforderung für die zukünftige Migrationspolitik (S. 13-46),

II. Triple Win als Schlüsselprinzip für die Gestaltung von Migration (S. 47-71),

III. Erfolgreiche internationale Praxisbeispiele und Politikansätze (S. 73-272),

IV. Faire Migration weiter- und querdenken (S. 273-372).

12.3.2 Zentrale Aussagen    

Im Folgenden sollen beispielhaft einige zentrale Überlegungen und Aussagen dargestellt werden.

Migration im 21. Jahrhundert - Herausforderungen für Deutschland und Europa/Rainer? Münz

Aus demographischen Gründen, zur Absicherung der Stellung im internationalen Wettbewerb und im globalen Wettbewerb wird Deutschland (und Österreich) mehr qualifizierte Zuwanderung benötigen. Absehbar kann diese Zuwanderung nicht durch mehr Mobilität in der EU erfolgen, weil einige EU-Staaten ähnlich demographische und ökonomische Probleme besitzen.

Nötig ist daher eine stärkere proaktive Migrationspolitik. Weil andere Staaten eine ähnliche Strategie verfolgen, wird man für Zuwanderende attraktiver werden müssen. Dazu gehört eine entsprechende Willkommenskultur. Zuwanderung sollte zur Sicherung der eigenen Zukunft und nicht als Bedrohung gesehen werden. Hilfreich wäre der Verbleib ausländischer Studierender nach dem Studienabschluss. Eine Beschäftigung unter dem Qualifikationsniveau sollte vermieden werden. Erforderlich wäre eine zügige Anerkennung der Bildungsabschlüsse und Qualifikationen sowie ein Abbau berufstypischer Zugangsbarrieren (S. 15-28).

Pläydoyer für ein neues Denken über Migration und Integration/Rita Süssmuth

Eine fortschreitende Globalisierung und weltweite Migration haben die Gesellschaft massiv verändert. Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft und sind von solchen umgeben. Dabei handelt es sich um einen anhaltenden Zustand. Gefordert sind Politik und Gesellschaft.

Migration und Integration sind ein Testfall für ein friedliches Zusammenleben in Gesellschaften mit kultureller Vielfalt, Veränderungsbereitschaft und Zukunftsfähigkeit. Gearbeitet wird an den Folgen einer falschen Anwerbepolitik und unterlassener Integration. Die Zivilgesellschaft hat Maßstäbe gesetzt, man hat sich auf ein dauerhaftes Zusammenleben mit Einwanderenden und deren Leistungen einzustellen.

Herausforderungen sind die Benachteiligungen von Kindern und Heranwachsenden in Schule und Ausbildung, die Aufnahme von Flüchtlingen und die massiven Konflikte, die man nach 1989 für überwunden hielt. Wo die Welt in Brand steht, ist Flucht der einzige Weg. Die Einheit von Migration und Integration bleibt so lange Fiktion, wie Gewalt und Terror den Umgang mit Menschen beherrschen.

Es gibt Schwierigkeiten, im Anderen weniger das Trennende als das gemeinsame zu sehen. das wird man und muss man lernen (S. 49-53).

Triple Win - ein neues Paradigma der Migrationsgestaltung?/Steffen Angenendt

Die Prinzipien "Verändertes Wanderungsgeschehen", "Braindrain", "Diaspora", "Humankapital", "Entwicklungsbezogene Migrationspolitik", "Handlungsoptionen", "Transparenz", "Realistische Ziele" und "differenzenzierte Regelungen" münden in Empfehlungen für entwicklungspolitische Migrationsprogramme mit der Chance, einen migrationspolitischen Triple Win zu erreichen.

  • Wirkung kann nur mit Flexibilität erreicht werden und wenn den Einwandernden bei entsprechendem ökonomischen Bedarf und Eignung ein Aufenthalt ermöglicht wird. Dazu bedarf es von Voraussetzungen, die erfüllt werden. Bei Eignung kann es auch zirkuläre Wanderungsmöglichkeiten geben.
  • Wirkungen bedürfen eines politischen Willens, vereinbarter Programme und für die Akteure der Herkunfts- und Aufnahmeländer einer Gewinnsituation (etwa der Vorbereitung des Aufenthalts, Integration im Aufnahmeland, Rückkehr- und Reintegrationsmöglichkeiten).
  • Es bedarf eines fairen Interessenausgleichs. Einzubinden sind all Beteiligten, wenn es eine nachhaltige Wirkung erreichen soll.
  • Wenn es politische, soziale und ökonomische Rechte der Einwandernden vernachlässigt werden, drohen Lohndumping, ausbeutende Arbeitsverhältnisse und Leistungsdefizite.
  • Evaluierungen, Vergleiche mit bestehenden Programmen und eine Begleitung mit migrationspolitischer Wissenschaftlichkeit mit weiteren Pilotprojekten sind dringlich. Migrationsprogramme sollten Bereiche umfassen, die wenig bis gar nicht bearbeitet wurden bzw. nachweislich Defizite umfassenv (S. 55-71).
Ansätze der Fachkräfteentwicklung im internationalen Vergleich/Kate Hooper, Madeleine Sumption

Die angeführten Projekte sind durch das Bemühen um Nachhaltigkeit und Reichweite gekennzeichnet. Alle Akteur stehen vor unterschiedlichen Problemen, Programme zu gestalten und ausreichende Teilnehmende zu erreichen.

Modelle ohne öffentliche Finanzierung haben den Vorteil, dass sie sich selbst tragen und keine externen Geldgeber benötigen. Innovative Angebote mit internationalen Qualifikationen werden von unabhängigen Akteuren wie Universitäten, Berufsverbänden und privaten Großfirmen entwickelt. Ihr Erfolg ergibt sich aus der Nachfrage (vgl. die Bereitschaft, hohe Studiengebühren zu bezahlen; auch Arbeitgeber sind bereit, die Kosten für eine Fortbildung für ausländische Arbeitsnehmer zu tragen, sofern die Nachfrage für diese Fachkräfte gegeben ist und man sich an den Erfordernisse des Arbeitsmarkts orientiert). Auf die Politik üben solche Projekte eine besondere Anziehungskraft aus. Bei einer Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind jedoch solche Initiativen gefährdet.

Naturgemäß gibt es Initiativen von Wohltätigkeitsorganisationen oder Regierungen. Bei Kleinprojekten von gemeinnützigen Organisationen haben die Projekte in der Regel mehr Spielraum(vgl. den Vorteil als Experimentierfeld mit Evaluation; allerdings werden oft die Projekte nach einigen Jahren wieder eingestellt).

Regierungsprojekte haben den Vorteil der Größenordnung, etablierter Institutionen und Behörden(vgl. allein die Behördengenehmigungen und Ansprüche auf Sozialleistungen).

Bei den vorgestellten Projekten zeigt sich, dass es kein perfektes Rezept gibt. Ohne Zweifel kommt man bei der Vielfalt der Programme dem Bemühen um faire Chancen näher. Voraussetzung ist der politische Wille, die Ausdauer und eine konsequente Evaluierung der Projekte (S. 75-106).

Nationale und internationale Initiativen im Überblick/Andreas Heimer, Claudia Münch

Die breit angelegte Länderrecherche lässt sich in den folgenden Punkten zusammenfassen.

  • Eine faire Gestaltung der Arbeitsmigration hat die Interessen der wandernden Arbeitskräfte und der Herkunfts- bzw. Einwanderungsländer im Blick. der Triple-Win-Aspekt zeigt an, dass Migration ein Mittel sein kann, Impulse auf individueller und nationaler Ebene im Herkunfts- und Zielland zu vermitteln. Beispielgebend sind Kanada und Neuseeland mit breit angelegten Informationsstrategien.
  • Eine Zuwanderung von Fachkräften wirkt sich neben dem Arbeitsmarkt auch auf viele Lebensbereiche und Politikfelder im Einwanderungsland und Herkunftsland aus. Wenn nach dem schwedischen Modell Migrationspolitik als Schnittmenge angesehen wird, werden die jeweiligen Verantwortungen aufeinander abgestimmt. Es kommt in der Folge zu mehr Kohärenz bei der Gestaltung nationaler, europäischer und internationaler Migrationspolitik.
  • Dazu gehört die Berücksichtigung des gesamten Migrationszyklus (vgl. die Notwendigkeit einer Analyse des Arbeitsmarktes und Auswahl der möglichen Fachkräfte aus bestimmten Herkunftsländern zur Entlastung der Arbeitsmarktsituation). Positive Aktivitäten beginnen demnach bereits vor einer Einwanderung. Integrationsbemühungen beziehen sich auch auf die Partner und Familien der ausländischen Fachkräfte (vgl. die Vorbildfunktion des kanadischen "Immigrant Integration Program" oder das dänische "Spouse Program"). Zeitloche Rückkehrmöglichkeiten erhöhen neben Kontakten mit der Heimat den Wissenstransfer (vgl. als Vorbilder das TRQN der Niederlande, IdEA? der USA, Send Money Home von Großbritannien und CIM in Deutschland).
  • Mobilitätsentscheidungen können unterstützt werden, indem etwa Aufenthalts- und Arbeitsrechte zugesprochen werden, die Mitnahme von Sozialversicherungsansprüchen, eine Vermeidung von Doppelbesteuerung und zeitliche Rückkehrmöglichkeiten ermöglicht werden. Schwedische Erfahrungen zeigen, dass ein gesteigertes Interesse von Zuwandernden für eine Rückkehr vorhanden sind.
  • Eine nachfrageorientierte Migrationspolitik mit Beispielen aus Schweden und Deutschland erleichtert die Wahl von Arbeitsangebot und Nachfrage. Vermieden wird die mangelhafte Nutzung von Qualifikationen. In Anlehnung an ein Punktesystem kann eine Fachkräftesicherung im Aufnahmeland ermöglicht werden.
  • Bilaterale Abkommen sichern Kooperationsvorhaben ab, damit keine negativen Effekte durch Abwanderung von Wissen und Fertigkeiten entstehen.
  • Letztlich bedarf es zur Sicherung von Pilotprojekten und auszuführenden Reformen datengestützter Evaluationen (vgl. beispielhaft in Großbritannien die Expertenkommission MAC mit Empfehlungen für ein faires Migrationsmanagement) (S. 107-177).
Fairness in einem klassischen Einwanderungsland - Erfahrungen aus Kanada/Triadafilos Triadafilopoulos

Das Beispiel Kanada zeigt die Schwierigkeit einer fairen Steuerung von Migration. Dies gilt selbst für Länder mit einem systematischen migrationspolitischen Ansatz und positiven Ergebnissen.

Wesentlich ist in Kanada, dass es nicht genügt, qualifizierte Einwandernde in das Land zu holen. Es bedarf Maßnahmen, um auf Probleme bei der Integration hoch qualifizierter Einwandernder zu reagieren. Dazu gehören die Anerkennung von Studienabschlüssen und Arbeitszeugnissen, Anti-Diskriminierungsmaßnahmen und die Abstimmung von Maßnahmen der Aufnahme und Integration.

Kanada zeigt, dass ausländische Arbeitnehmer geholt werden, wenn die Arbeitgeber Interesse haben. Inwieweit große Programme erfolgreich gestaltet werden können, erweist sich nicht ohne weiteres. Missbrauch verursacht eine Gefährdung des Vertrauens in der Öffentlichkeit.

Politische Entscheidungen bringen immer Gewinner und Verlierer, damit kann kein Ansatz fair für alle Beteiligten sein. Ziel ist ein Ausgleich und das Suchen nach Verbesserungsmöglichkeiten(S. 181-190).

Das schwedische Modell - faire und flexible Mobilität/Bernd Parusel

Die schwedischen Einwanderungspolitik wird von einer pragmatischen Bejahung von Migration geprägt. Einwanderung ist bereichernd für die Gesellschaft,. Einzelne Maßnahmen - etwa das Festlegen von Leitlinien, Trends bei der Einwanderung (familiäre Gründe, Flüchtlinge und schutzbedürftige Personen, EU-Binnenwanderung, internationale Studierende), eine offene Zuwanderungspolitik für ausländische Arbeitskräfte, Austauschprogramme für Studierende, ein Wechsel des Aufenthaltsstatus und zirkuläre Migration - begründen das Bemühen um gleiche Behandlung von Neuankömmlingen und Einheimischen.

Natürlich gibt es Schwierigkeiten. Die hohe Zahl von Asylbewerbern 2013 und 2014 führte zu Engpässen. Die schwedische Gesellschaft stieß in ihrer Integrationskraft offenkundig an ihre Grenzen(vgl. die Einstellung von neuen Asylsachbearbeitern; das Fehlen von Wohnraum und Arbeitsplätzen ist zu vermerken). Eine Passivität der Neuankömmlinge und in der Folge eine hohe Arbeitslosenrate ist zu beobachten (etwa dreimal so hoch wie bei schwedischen Staatsangehörigen).

Bei fünfjährigem legalem Aufenthalt können Einwandernde die schwedische Staatsangehörigkeit bereits erhalten, bei Flüchtlingen genügen vier Jahre.

Es gibt Anzeichen für eine beträchtliche Verschwendung von Wissen und Erfahrungen ("brain waste"). Zudem arbeiten Einwanderende oft weit unter ihrem Qualifikationsniveau. Als Gegensteuerung kommen eine verbesserte Anerkennung erworbener Qualifikationen im Ausland, ein Sprachunterricht und Maßnahmen zur beruflichen Integration wie Förderung von Arbeitsplätzen für Berufseinsteiger, betriebliche und außerbetriebliche Ausbildungen, Arbeitsplatzgarantien und Praktika in Mangelberufen in Frage (S. 201-209).

Auswanderung als Entwicklungsstrategie? - die Philippinen/Stefan Rother

Am Beispiel der Philippinen zeigt es sich, dass das "Migrationsmanagement" sich in der Politik und in internationalen Organisationen etabliert hat, von der kritischen Migrationsforschung hinterfragt wird, als technokratische Herausforderung eher gesehen wird, die sich durch Maßnahmen von oben lösen lassen.

Das Konzept der "Migration Governance" steht dagegen, das die Möglichkeit eines rechtebasierten Ansatzes und die Einbeziehung nicht staatlicher Akteure (auch der Einwandernden selbst) vorsieht. Für die Philippinen gilt dies besonders, die als Erbe aus dem Widerstand gegen das Marcos-Regime eine der lebendigsten Zivilgesellschaften besitzen. Derzeit ist man um einen Dialog von Migrantenrechtsorganisationen und Regierung bemüht. Es geht um die Kontroverse, dass trotz aller Lippenbekenntnisse die Regierung den Export von Arbeitskräften ungebrochen und massiv fortsetzt.

Erbracht wird von den Migrantenorganisationen die wichtige Governance-Leistung, die die Regierung nicht leistet, wie etwa in Hongkong eine Rechtsberatung, Bereitstellung von Schutzhäusern für missbrauchte Migrantinnen, Berufsausbildungsprogramme, Kreditprogramme und Lobbyarbeit bei der Regierung.

Die philippinische "Magna Charta für philippinische Migranten" proklamiert eine umfassende Fürsorgepflicht im Gastland, auch wenn die Auswandernden den dort geltenden Gesetzen verpflichtet sind (vgl. die Bemühungen um bilaterale Abkommen).

Migrantenorganisationen stellen in Frage, dass die Arbeit von Agenturen wenig Regulierung in ihrer Arbeit haben.

Die Philippinen besitzen eine jahrelange Erfahrung in zirkulärer Migration. Es kann oftmals eine permanente temporäre Migration beobachtet werden(vgl.in Hongkong die Praxis für Hausangestellte, die teilweise über 20 Jahre vor Ort arbeiten und stets nur Zweijahresverträge besitzen).

Zudem ist "de-skilling" zu beobachten (vgl. philippinische Hausangestellte mit Universitätsabschluss; am Beispiel Kanada kommt zu Umschulungen von promovierten Ärzten zu Krankenpflegekräfte aus Gründen der besseren Anstellung).

Für die Philippinen gilt weniger eine Entwicklung durch Migration, vielmehr Migration statt Entwicklung. In den 40 Jahren hat die Migration das Land wirtschaftlich nicht vorangebracht. Ihre Bedeutung fand sie im Mangel an Arbeitsstellen, einer ausstehenden Landreform und sozialen Problemen. Ein Schaffen neuer Arbeitsplätze konnte durch das rasante Bevölkerungswachstum nicht mithalten. Bei einer Rückkehr kann das Potenzial - Sprachfähigkeit, Anpassung an fremde Kultur und Arbeitsanforderungen - kaum ausgeschöpft werden. Es fehlt an Reintegrationsmaßnahmen. Die offensive Ausrichtung an Arbeitskräfteexport bleibt problematisch (S. 211-224).

Der Beitrag der Vereinten Nationen für die Global Governance von Migration/Gregory A. Maniatis

Migrationspolitik wird in den nächsten Jahren fast überall auf der Welt gegen Ängste ankämpfen müssen. Aber es gibt eine Aktionsagenda, um die sich die internationale Gemeinschaft scharen kann und sollte. Es geht nicht um ein gegenseitiges Ausspielen von Staaten,, Interessen von Migranten und Einheimischen. Im Kern geht es um unerwünschte Akteure, diese zu verdrängen und unrechtmäßige Gewinne an Migranten und Staaten zurückzugeben. Es geht um Veränderungen, die Migration für alle legitimen Stakeholder qualitativ zu verbessern.

Formulierte Ziele von Peter Sutherland/UN-Sonderbeauftragter für Internationale Migration können sein:

  • Senkung der Überweisungskosten im Zeitalter des mobilen Banking,
  • geringere Kosten für die Personalvermittlung mit speziellen Abkommen,
  • Wahrung erworbener Ansprüche auf Sozialversicherungsleistungen (vgl. die Vorbildwirkung von Marokko, Algerien und der Türkei um die Wahrung der Ansprüche),
  • Anerkennung von Qualifikationen,
  • keine Inhaftierung von Kindern,
  • vermehrte Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Migranten (Notlage von Kindern, Migranten bei der Durchreise bei Todesgefahr bzw. Menschenrechtsverletzungen; vgl. etwa die Gefahren im Europäischen Mittelmeer, Golf von Aden und vor Somalia),
  • sicherer Zugang zu Asyl und die Erweiterung von Kapazitäten zur Wiederansiedlung,
  • in Innovationen investieren, etwa einer Migrationsversicherung mit Trägern wie gemeinschaftlich Staaten, Arbeitgeber und andere Stakeholder sowie
  • institutionalisierte Zusammenarbeit mit der Diaspora, etwa der Einbindung der Auslandsgemeinden(vgl. Wissen und Instrumente für diese Aufgaben konzentrieren und institutionalisieren)und die Gründung von regionalen oder globalen Diaspora-Entwicklungsbanken.
Es geht auch um die großzügigere weltweite Gestaltung von Migration im 21. Jahrhundert (etwa die Entkriminalisierung von zivilrechtlichen Verstößen bei Migration, Anpassung des internationalen Systems des Flüchtlingsschutzes an heutige Erfordernisse). Angesichts der Entwicklung ist Migrationspolitik ein Kernthema geworden. Migration ist eine natürliche Antwort auf Ungleichheiten auf der Welt, um diese im eigenen Land und zwischen den Staaten zu reduzieren.

Zur Lösung der Probleme bedarf es der vermehrten Kooperation mit den Sachverwaltern, u.a. der Gewerkschaften (Kampf gegen Niedriglöhne) und zivilgesellschaftlicher Gruppierungen(Antidiskriminierung, Klimaschutz)(S. 227-237).

Die Migrationsagenda der Internationalen Arbeitsorganisation(ILO)/Annette Niederfranke, Lina Staubach

Arbeitsmigration ist ein Kernbestandteil der Staaten und Kontinente des 21. Jahrhunderts. Sie ist gewollt, wird gefördert und kann zu einem Gewinn zur Weiterentwicklung der Herkunftsländer, Bereicherung und einem Zuwachs in den Zielländern mit individuellem Wohlstandsgewinn und verbesserten Perspektiven für Einwandernde führen. Es bedarf allerdings bestimmter Bedingungen, die Migrationsprozesse positiv unterstützen (vgl. ILO-Maßnahmen wie etwa die Gestaltung einer Agenda für faire Migration, der Ausbau von legalen Migrationskanälen, der ILO-Aktionsplan für Wanderarbeiter, faire Anwerbungsverfahren, Arbeitnehmerrechte durch internationale Arbeitsnormen, Kampf gegen Arbeitsausbeutung bzw. Kinderarbeit und Schutz der Opfer).

  • Die ILO hat im internationalen Bereich der Organisationen ein Mandat für die Entwicklung einer fairen Migration und Verwirklichung von menschenwürdiger Arbeit. Dazu gehören Chancengleichheit und Gleichbehandlung.
  • In der Präambel der ILO steht unmissverständlich: "Arbeit ist keine Ware". Migrationspolitik kann nicht auf der Grundlage wirtschaftlichen Nutzens allein gestaltet werden.
  • Eine multilaterale Migrationsagenda kann nur in internationaler Kooperation entwickelt und umgesetzt werden (S. 239-251).
Die Europäische Union (EU) und die Migration aus Drittstaaten/Florian Trauner

Die EU hat seit 2005 einen umfassenden Ansatz in der Migrationspolitik entwickelt. Das Konzept für die Kooperation mit Drittstaaten orientiere sich auf die Kontrolle der Migration.

Das Bestreben der EU zeigt sich an Initiativen wie etwa das "Europäische Portal für berufliche Mobilität" auf dem afrikanischen Kontinent und das "Portal für Mobilitätspartnerschaft", die für sinnvoll gesteuerte Migration aller beteiligten Akteure Vorteile bringen kann. Die Blue-Card-Richtlinie verpflichtet zudem Mitgliedstaaten ethische Standards zu wahren (vgl. die Anwerbung hoch qualifizierter Einwandernder aus aller Welt anzuwerben).

Diese Herausforderungen bzw. Initiativen wurden infolge einer schwierigen Wirtschaftslage und hoher Arbeitslosigkeit nur zögernd angenommen (vgl. die rechtlich nicht verpflichtenden Richtlinien mit erheblichen Entscheidungsspielräumen und einem hohen Maß an Flexibilität). Zu vermerken ist die Nichtausschöpfung vorhandener Potenziale, der wachsende Pragmatismus auf EU-Ebene und die größere Bereitschaft, Sorgen der Herkunftsländer zu berücksichtigen.

Die Steuerung von Migration in Europa und der Nachbarregionen, der Umgang mit Flüchtlingen innerhalb Europas und ein Abbau des Images eines zögerlichen Europas wird von außen wahrgenommen und bedarf zunehmend einheitlicher Lösungsansätze (S. 261-272). Die EU ist als Werte- und Sozialgemeinschaft vermehrt gefordert.

Transnationale Ausbildungspartnerschaften für Fachkräfte/Michael A. Clemens

Als Alternative - reiche Länder profitieren in der Regel auf Kosten armer Länder in der Migrationsbewegung - gibt es die Form, dass die Bedingungen verändert werden, unter denen Migration von hoch qualifiziertem Personal geschieht, wobei involvierte Länder sich auf Bedingungen einigen, von denen alle profitieren. Dieses Modell wird "transnationale Ausbildungspartnerschaft/Global Skills Partnership/GSP" benannt (S. 275).

GSP ist eine Vereinbarung zwischen zwei Ländern, wobei eines der beiden Partnerländer Menschen im eigenen Land ausbildet, aus dem einige Trainees im Anschluss als Migranten abwandern (vgl. beispielhaft eine Krankenpflegeschule in einem Entwicklungsland, das Partnerland als Zielland von den ausgebildeten Fähigkeiten der Trainees profitiert. Im Vorfeld werden Kriterien der Ausbildung vereinbart, bevor die Fachkräfteausbildung beginnt).

Merkmale von GSP lassen sich ohne Schwierigkeit an individuelle Umstände anpassen (vgl. Zulassungsbedingungen im Zielland, Verlagerung eines Teils der Ausbildung in das Herkunftsland mit technischer und finanzieller Unterstützung). Trotz aller Möglichkeiten der Modifikation bleibt die zentrale Anforderung einer Fachkräftemigration bestehen.

GSP kann die Vorteile und Möglichkeiten klarstellen, die mobile Einwandernde für ihre Qualifikation aufweisen (vgl. die Kooperation über Ländergrenzen hinweg, eine Strukturierung der Migration mit gerechterer Verteilung, Generierung von Humankapital). Dieser andere Ansatz wird neue Institutionen und Interaktionswege erforderlich machen. GSP kommt einer zunehmenden Mobilität und einem erhöhtem Bedarf in der Fachkräfteausbildung entgegen (S. 275-283).

Ansätze zur Förderung eines ethisch vertretbaren Recruitings und fairer Migration/Lara White, Clara Pascual de Vargas

Wesentlich sind die Normen der ILO. Gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte soll die Vermittlung (Arbeits- und Personalvermittler)relevante Gesetze respektieren und durch Maßnahmen und Verfahren sicherstellen. Arbeitsmigranten müssen Würde und Respekt erfahren können und keinen Schikanen, keinem Zwang oder unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sein. Als Säulen einer ethisch vertretbaren Anwerbepraxis gelten das/die

  • Verbot von Zwangsarbeit und Menschenhandel,
  • Verbot von Vermittlungsgebühren für Arbeitssuchende,
  • Achtung des Rechts auf Freizügigkeit,
  • Achtung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen,
  • Achtung des Rechts auf sichere und menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen,
  • Achtung des Rechts auf klar festgelegte Beschäftigungsbedingungen,
  • Achtung des Rechts auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung,
  • Achtung des Rechts auf vertrauliche Behandlung von Informationen und Datenschutz und
  • Achtung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf.
Internationale Bemühungen zur Förderung einer ethisch vertretbaren Anwerbepraxis zeigen sich in Initiativen der ILO und Praxisbeispielen in Großbritannien, Kanada und den Philippinen (S. 290-292).

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat mit der Internationalen Arbeitgeberorganisation (IOE) und relevanten Stakeholdern ein Zertifizierungssystem entwickelt. Das "International Recruitment Integrity System/IRIS" hat drei Ziele:

  • Unterstützung der Tätigkeit von Arbeits- und Personalvermittlern,
  • Findung von Arbeitgebern und Personalvermittlern sowie gleichgesinnte Geschäftspartner und
  • Unterstützung und Ergänzung von staatlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Bemühungen zur Regulierung von Arbeitsvermittlung im Einklang mit den angeführten Standards der ILO.
IRIS ist das Bemühen um ethisch vertretbare Anwerbepraktiken anzuwenden (vgl. S. 285-300).

Wege zu einer kohärenten deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik/Steffen Angenendt

Deutschland und Österreich und damit die EU stehen vor vermehrt massiven flüchtlingspolitischen und Migrationsproblemen und Herausforderungen. Diese können nur in ihrer Komplexität gesehen und bewältigt werden.

  • In bestimmten Weltregionen steigt der Abwanderungsdruck, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Versuche, vor Gewalt und Verfolgung zu fliehen und eine bessere wirtschaftliche Zukunft in der EU zu finden.
  • Gleichzeitig nimmt der Bedarf an Einwandernden in einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft zu. Man hat sich auf einen demographischen Zuwanderungsbedarf mit einer nationalen Migrationspolitik einzustellen.
  • Unklar ist eine Steuerung der Zuwanderung und die Art der Integration. Die nationalen Ungewissenheiten mit ihren regionalen Unterschiedlichkeiten und migrationspolitischen Interessen addiert sich auf der EU-Ebene.
  • Im Amsterdamer Vertrag 1999 haben die Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Politik beschlossen. Fortschritte wurden in der Asylpolitik und bei der gemeinsamen Kontrolle der EU-Außengrenze erzielt, wobei Reformen hier inzwischen anzumahnen sind.
  • Nach wie vor sind in der übrigen Migrationspolitik, insbesondere bei der Arbeitsmigration, Ängste vor einem Verlust nationaler Handlungsfähigkeit ausgeprägt. Ohne Zweifel müssen nationale Kompetenzen gewahrt bleiben, allein schon wegen der regionalen und lokalen Unterschiedlichkeiten. Ebenso müssen die EU-Mitgliedsstaaten wegen des gemeinsamen Binnenmarktes einen verbindlochen rechtlichen Rahmen für die Zuwanderung und auf gemeinsame Konzepte und Instrumente besitzen.
  • Ein neuer Problembereich sin die Mobilitätsbereiche mit den nordafrikanischen Staaten.
  • Von Bedeutung sind die Errichtung legaler Zuwanderungswege in die EU für Flüchtlinge und Migranten zur Reduzierung einer illegalen Zuwanderung und humanitärer Katastrophen.
Letztlich erfordert eine kohärente Flüchtlingspolitik und das Migrationsproblem in seiner Vielfalt eine europäische Abstimmung und weitreichende Harmonisierungsbemühungen (S. 301-315).

12.4 Scharia in Deutschland    

Sabatina James (2015): Scharia in Deutschland - Wenn die Gesetze des Islam das Recht brechen, 144 Seiten, Droemer Knaur, München ISBN 978-3-426-78680-2

Das vorliegende Buch führt zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Idee der multikulturellen Gesellschaft. Es geht zudem um die Frage des Einflusses des Fernsehens.

Sabatina James kommt zur zentralen Aussage, dass wir uns im Umgang mit dem Islam einen geradezu grotesken Leichtsinn leisten. Neben juristischen Fragen der früheren zum Katholizismus konvertierten Muslima sind Themen eine fehlgeleitete Integration, die Macht der Familienclans und das Töten sowie die zwei im Kontext stehenden Themen Zwangsheirat und Ehrenmord. Wie ein roter Faden zieht sich eine vorwurfsvolle Betrachtung des Islam, ergänzt durch Zitate aus dem Koran und Erzählungen von Betroffenen.

Die wenigsten der fünf Prozent Muslimen in Deutschland seien wirklich in der Gesellschaft integriert. Ursachen seien die Wohnsituation in ehemaligen Arbeitervierteln in den Städten und damit entstandenen eigenen sozialen Netzwerken mit der Folge von Parallelgesellschaften. James sieht den Grund auch im Fernsehen, das kulturelle Inhalte aus den Herkunftsländern in die Wohnzimmer transportiert. Der technischen Entwicklung sei es zu verdanken, dass die Sprachkenntnisse vieler Kinder der zweiten Generation häufig schlechtere Sprachkenntnisse aufweisen als die ihrer Eltern.

Aus einer Studie des deutschen Innenministeriums wird zitiert, dass jeder vierte Muslim eine Integration ablehnt. Ursachen seien die fehlende Demokratietauglichkeit des Islam, die Vermengung von Religion, Politik und Recht("Scharia") und auch der Koran. Dieser stelle eine Integration in die westliche Gesellschaft als nicht erstrebenswert dar.

Sabatina James geht mit der Multikulti-Schickeria hart in das Gericht. Multikulti sei gescheitert. Die Vorstellung, dass Menschen verschiedener Ethnien in Harmonie miteinander leben, verschiedene Kleidung tragen, verschiedene Religionen und Kulturen praktizieren und in Toleranz sich begegnen, sei eine wünschenswerte Idee, scheitere aber an der Realität.

Vorgeworfen wird den Befürwortern, dass man wohl die Welt mit einem "Moralpass des Guten" retten wolle, sich aber lediglich über Islamkritik erzürne, während die Gewalt gegen Christen in islamischen Ländern einen kalt lasse.

Pressehinweis

Salzburger Nachrichten, 28. Juli 2015, 20

13 Integration-Migration - Bericht 2015    

Im Folgenden geht es um Zahlen, Daten und Indikatoren 2014, einen Pressekommentar und die Asylantenproblematik 2015 mit ORF-Berichten.

13.1 Zahlen-Daten-Indikatoren 2015    

Im Folgenden werden die Indikatoren Bevölkerung, Zu- und Abwanderung, Sprache und Bildung, Arbeit und Beruf, Soziales und Gesundheit, Sicherheit, Wohnen und räumlicher Kontext, Familienformen, Einbürgerungen, subjektive Fragen zum Integrationsklima angesprochen.

  • Von den 170 100 Zuzügen 2014 aus dem Ausland entfielen knapp 15 900 auf zurückkehrende Österreicher sowie 196 3000 auf EU-/EWR-Bürger (plus Schweiz). 20 700 Zuzüge kamen aus Rumänien, gefolgt von Deutschland mit 16 800 und Ungarn mit 14 500. Ein Drittel der Zugwanderten kam aus Drittstaaten (insgesamt 59 000; allein 16 1000 aus dem ehemaligen Jugoslawien) (S. 8, 20-31).
  • Gegenüber früheren Jahren wird eine Verstärkung der Wanderungsbewegungen mit anderen EU-Mitgliedsstaaten erkennbar, während die Bedeutung der Drittstaaten zurückgeht, wie sich an dem nahezu ausgeglichenen Wanderungssaldo mit der Türkei zeigt. Deutlich zugenommen hat die Einreise von Asylsuchenden. 2011 waren es rund 14 400, 2012 und 2013 rund 17 500 und 2014 28 000. Politisches Asyl erhielten 2013 4 100, 2014 waren es 11 600 Personen (Syrien 7 730, Afghanistan 5 076). Im EU-Vergleich der absoluten Zahlen steht Österreich 2014 an siebter Stelle, in Relation zur Einwohnerzahl an dritter Stelle (nach Schweden und Ungarn) (S. 8, 32-39).
    • Unter den ausländischen Staatsangehörigen sind weiterhin die Deutschen die größte Gruppe mit mehr als 170 000 (1.1.2015), gefolgt von 115 000 türkischen und 114 000 serbischen Staatsangehörigen. Es folgen Bosnien-Herzegowina (93 000) und Rumänien (73 000)sowie Kroatien, Ungarn, Polen, Slowakei und Russland. Mit 17 000 Personen ist Afghanistan die größte Nationalität außerhalb Europas, 11 000 chinesische und syrische Staatsbürger folgen (S. 8).
    • 2014 fiel die Geburtsbilanz mit + 3 470 Personen positiv aus. Ausländerinnen verzeichnen einen Geburtenüberschuss von + 11 443 Personen, Österreicher einen Sterbeüberschuss von -7 973 Personen. Frauen in Österreich bekamen 2014 rund 1,46 Kinder (2013 1,44). Frauen aus der Türkei bekamen mit 2.40 und Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien (ohne Slowenien und Kroatien) 2,06 Kinder. Eingebürgerte Frauen nähern sich dem durchschnittlichen Fertilitätsniveau Österreichs an und bekamen nur mehr 1,50 Kinder. Das durchschnittliche Alter bei der Geburt des ersten Kindes lag 2014 bei in Österreich geborenen Müttern bei 29,3 Jahren, bei im Ausland geborenen Müttern bei 27,3 Jahren (Türkei 24,3 Jahre; ehemaliges Jugoslawien 25,8 Jahre) (S. 9).
  • Unterschiedlich ist das Bildungsniveau zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Zugewanderte sind überproportional in den hohen und niedrigsten Bildungsschichten vertreten. Die inländische Bevölkerung ist überdurchschnittlich in der mittleren Bildungsebene vertreten (Lehre, Fachschule). Ein Anstieg bei der inländischen und ausländischen Bevölkerung im Bildungsniveau ist zu verzeichnen, wobei bei den Inländern der Anstieg auf die Zuwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte aus anderen EU-Ländern zurückzuführen ist (S. 10, 40-49).
    • Ausländische Lernende besuchen weniger Schulen mit Reifeprüfung, häufiger die Neue Mittelschule und die Polytechnische Schule. 18 Prozent Ausländeranteil hat die Sonderschule. Im Wintersemester 2013/2014 kamen 74 Prozent der ausländischen Studierenden aus der EU bzw. dem EWR, ein Großteil aus Deutschland und Südtirol. Das Qualifikationsniveau der Bevölkerung erhöht sich demnach. 37 Prozent der ausländischen Studierenden gleichen Alters hatten die Reifeprüfung bzw. einen akademischen Abschluss (S. 10).
    • Das Bildungsniveau nähert sich in der zweiten Generation in jenes der inländischen Bevölkerung (vgl. der geringe Prozentsatz von 19 Prozent mit lediglich Pflichtschulabschluss vs. 28 Prozent in der ersten Generation). 52 Prozent besitzen bereits eine Berufs- und Fachschulabschluss (vgl. die erste Generation mit 34 Prozent) (S. 10).
  • Neben dem Bildungssystem gilt die Erwerbsarbeit als Motor der Integration. Bei einem Teil der in- und ausländischen Bevölkerung ist der integrative Effekt allerdings weniger wirksam. Die Arbeitslosigkeit steigt bei Personen mit niedriger formaler Qualifikation. Qualifizierte Zugewanderte der letzten Jahre aus EU-Staaten sind weniger, gering qualifizierte Zugewanderte der Vorperioden stärker betroffen (S. 10, 50-61).
    • Die Erwerbstätigenquote von Zugewanderten 2014 lag bei 64, der Einheimischen bei 73 Prozent, bei Frauen 58 zu 70 Prozent, hier wiederum auffallend bei türkischen Frauen 42 Prozent. Bemerkenswert die kürzere Langzeitenarbeitslosigkeit bei ausländischen Staatsangehörigen gegenüber österreichischen Staatsangehörigen (2,3 gegenüber 4,4 Prozent) (S. 11).
    • Die Jugendarbeitslosigkeit lag bei 8,7 Prozent, bei Jugendlichen aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei 10,3 bzw. 10,1 Prozent. Ebenso unterscheidet sich der Prozentsatz bei Jugendlichen, die weder erwerbstätig noch in Aus- oder Weiterbildung waren (NEET - "Not in Education, Employment and Training"), 7 ohne zu 14 Prozent mit Migrationshintergrund(S. 11).
  • Die soziale und gesundheitliche Situation Zuwandernder zeigt eine Platzierung am Arbeitsmarkt mit niedrigeren Einkommen und einem höheren Armutsrisiko. Das Haushalteinkommen wird durch größere Haushalte und eine niedrige Frauenerwerbsquote gesenkt. Dazu kommen dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen und seltenere Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen. Allerdings weist die Lebenserwartung der Bevölkerung mit und ohne Zuwanderung fast keine Unterschiede auf.
    • Das Lohnniveau liegt bei Zuwandernden unter dem österreichischen Mittelwert von 23 177 €. Ausländer verdienten 2013 ganzjährig erwerbstätig netto 19 164 €.
    • 2012-2014 waren 13 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet und 4 Prozent von manifester Armut betroffen. Im Ausland Geborene waren stärker armutsgefährdet (27 Prozent), manifeste Armut war bei rund 11 Prozent (S. 12, 62-69).
  • Zugewanderte als Opfer und Täter zeigt sich in der Statistik nach Tatverdächtigten, Verurteilungen und importierter Kriminalität. Der Anteil an tatverdächtigten Zugewanderten lag 2014 bei 28,5 Prozent, der Anteil an Verurteilungen bei 37 Prozent. Bezogen auf die ab vierzehnjährige Bevölkerung gleicher Staatsangehörigkeit werden viermal so viele ausländische Staatsangehörige gerichtlich verurteilt (1,2 Prozent) wie Inländer(0,3 Prozent). Bereinigt um die Altersstruktur - der Anteil der Vierzehnjährigen bis unter Vierzigjährigen bei Zugewanderten mehr als 50 Prozent höher als bei Inländern - reduziert sich der Anteil der Verurteilungen bei Ausländern an der Referenzbevölkerung aber von 1,2 auf 0,8 Prozent und beträgt damit nur noch das 2,7 fache des Anteilswertes bei Inländern. 2014 waren 25,8 Prozent aller Opfer von Straftaten Ausländer. Bei einem Bevölkerungsanteil von 12,9 Prozent wurden Zugewanderte somit doppelt so oft durch Straftaten geschädigt wie die Gesamtbevölkerung. Überdurchschnittlich wurden Angehörige afrikanischer Staaten Opfer, wogegen die Opferbelastung der Angehörigen von EU-Staaten am niedrigsten war (S. 13, 70-73).
  • Niedriges Einkommen begrenzt die Wohnverhältnisse, wobei unterschiedliche Perspektiven des Dabeibleibens und des Zurückkehrens eine Rolle spielen. Die Mehrheit der Zugewanderten gibt für Mietwohnungen relativ viel Geld aus. Dadurch kommt es zu einer unregelmäßigen Verteilung in den jeweiligen Gemeinden und in Österreich. Günstige Wohnverhältnisse finden sich dabei in alten Mietshäusern, verkehrsbelasteten Wohnanlagen und wenig prestigeträchtigen Stadtvierteln. 2014 lag die Wohnfläche pro Kopf rund 45 m2. Zugewanderten stand hingegen rund ein Drittel weniger Wohnfläche zur Verfügung (vgl. die beengten Wohnverhältnisse mit 22 m2 für die türkischen Zugewanderten). Höhere Wohnkosten gehen auch einher mit niedrigem Wohnungseigentum. 2014 verteilte sich Wohnungseigentum bei Einheimischen mit 55, bei Ausländern mit 26 Prozent. Die zweite Generation verfügte mit 37 Prozent der Haushalte deutlich häufiger über Wohnungseigentum als die erste Generation (S. 13). Zugewanderte konzentrieren sich in Österreich auf relativ wenige Gemeinden. In 30 der 2 100 Gemeinden Österreichs lag der Ausländeranteil zu Beginn 2015 bei über 25 Prozent. In diesen 30 Gemeinden lebten 49 Prozent aller Zugewanderten. aber nur 22 Prozent der in Österreich Geborenen (S. 14, 74-79).
  • Eine soziale Dimension von Integration beinhaltet familienbezogene Relationen. Exogamie ist ein Indikator der gegenseitigen Akzeptanz, Endogamie ein Zeichen der Abgrenzung. Für 2013 liegen Zahlen vor, wobei 36 100 Ehen hier geschlossen wurden. 17 Prozent wurden mit Zugewanderten geschlossen, 10 Prozent ausschließlich im Ausland geborene Brautleute (S. 14, 80-83).
  • Einbürgerungen weisen darauf hin, dass eine Identifikation mit Österreich stattfindet. 2014 fanden 7 693 Einbürgerungen statt, 31 Prozent aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus asiatischen Staaten 19 und aus der Türkei 12 Prozent. 16 Prozent stammten aus den übrigen EU-Staaten. 37 Prozent der Eingebürgerten war in Österreich bereits geboren (S. 14, 84-87).
  • Die sich abzeichnende Tendenz einer Beurteilung einer positiven Integration setzte sich 2015 nur teilweise fort. Knapp 60 Prozent meinten, eine Integration funktioniert eher schlecht oder sehr schlecht, umgekehrt sank der positive Prozentsatz auf 41 Prozent. Im langfristigen Vergleich 2010-2015 zeichnet sich eine Verbesserung ab. Seit 2010 verstärkt sich das Gefühl der Zugewanderten, in Österreich heimisch zu sein, um 10 Prozentpunkte (46 auf 56 Prozent). Umgekehrt verringerte sich die Selbsteinschätzung, in Österreich nicht zu Hause zu sein, von 5 auf unter 3 Prozent (S. 19, 88-101).
Literaturhinweis

Statistik Austria/Kommission für Migration und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (2015): migration und integration - zahlen.daten.indikatoren 2015, Wien

13.2 Pressekommentar    

Österreich ist ein Einwanderungsland geworden. Neben Vorteilen gehören die Nachteile erwähnt. Dies sind der Bildungsbereich und der Zugang zu Arbeit. Beide Bereiche sind unter den Einheimischen und Zuwandernden ungleich verteilt, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt belastet.

Der Integrationsbericht 2015 gibt zu Besorgnis Anlass.

  • Der Arbeitsmarkt ist in einen Niedriglohnsektor (vor allem Ausländer) und einen Sektor mit höheren Löhnen (vor allem Österreicher) geteilt. Die Ungleichheit hat sich institutionalisiert, eine Empfehlung fehlt vom Expertenrat im Integrationsbericht.
  • Ebenso wird nichts zum Umgang mit der wachsenden Zahl der Asylwerber gesagt. Besonders zur beschämenden Unterbringung von Flüchtlingen wird nichts Hilfreiches vorgeschlagen.
Der Integrationsbericht geht davon aus, dass erst integriert wird, wenn das Asylverfahren positiv abgeschlossen ist - und dies kann bekanntlich dauern. Damit sind Schutzsuchende von fast allen Deutschkursen und vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.

Transportiert wird die Information, dass Asylwerber nicht zu uns gehören. In Kauf genommen wird, dass jene, die bleiben, um Startchancen umfallen.

Pressehinweis

Der Standard, 17. Juli 2015, 32

13.3 Flüchtlingskinder und -jugendliche an österreichischen Schulen/Stand 2015    

Im Folgenden werden wesentliche Richtlinien zum Rundschreiben 21/2015 des Bundesministeriums für Bildung und Frauen, Abteilung I/5a, Referat für Migration und Schule referiert (vgl. GZ BMFB - 27.901/0049-I/5a/2015)

Definitionen

Asylbewerber sind Personen, die in Österreich einen Asylantrag gestellt haben. Für die Durchführung sind Bundesbehörden zuständig (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl/BFA, bei Beschwerden das Bundesverwaltungsgericht).

Anerkannte Flüchtlinge sind Personen, deren Antrag rechtskräftig positiv abgeschlossen ist.

Subsidiären Schutz genießen Personen, deren Leben und Gesundheit im Herkunftsland gefährdet ist. denen ein befristeter Aufenthalt mit Abschiebeschutz gewährt wird (vgl. die Anwendung bei Personen aus Kriegsgebieten).

Ein Bleiberecht kann Personen ohne Asylberechtigung und subsidiären Schutz gewährt werden - unter Berufung auf den Schutz des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) - wobei eine lange Aufenthaltsdauer, die Selbsterhaltungsfähigkeit und der Grad der Integration berücksichtigt werden.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die ohne Eltern oder erwachsene Begleitpersonen auf der Flucht sind. 2914 haben 2 260 UMF (129 Kinder unter 14 Jahren) einen Asylantrag in Österreich gestellt. 2015 warten es in den ersten fünf Monaten 2 320 Personen (Afghanistan, Syrien und Somalia). Sobald diese Personengruppe zum Asylverfahren zugelassen und in die Landesbetreuung übernommen wurde, werden sie durch die örtliche Kinder- und Jugendhilfe vertreten.

Zahlen - Fakten

Weltweit waren 2014 fast 60 Millionen auf der Flucht. Die Steigerung von 2013 (ca. 51 Millionen) auf 2014 war die höchste der UNCHR. Syrien nimmt den Spitzenplatz mit 7,6 Millionen Binnenvertriebenen und rund 3,9 Millionen Flüchtlingen außerhalb des Landes ein (Afghanistan 2,6 Millionen, Somalia 1,1, Millionen).

Global ist die Flüchtlingszahl ungleich verteilt. 86 Prozent der Flüchtlinge befanden sich 2014 in weniger entwickelten Staaten.

Die Türkei ist weltweit das größte Aufnahmeland mit 1,6 Millionen Personen aus Syrien(Libanon 1,2 Millionen, Jordanien 654 000). Pakistan und im Iran nahmen jeweils 1,5 Millionen bzw. rund 1 Million Personen aus Afghanistan auf. Äthiopien(660 000) und Kenia(551 000)nahmen die Mehrheit der somalischen Flüchtlinge auf.

In Österreich gab es 2014 7 279, 2015 20 620 Asylanträge zwischen Jänner und Mai.

Anträge von UMF gab es von Jänner bis Mai 2015 unter 14 Jahren 132, über 14 Jahren 2 188.

Aufnahme in die Schule

Schulpflichtige Kinder haben das Recht und die Pflicht, die Schule zu besuchen. der zuständige Schulspürengel hat alle schulpflichtigen Kinder (auch Kinder von Asylbewerbern und Kinder mit nicht geklärtem aufenthaltsrechtlichen Status) aufzunehmen und nach Möglichkeit altersgemäß einzustufen. Bei räumlichen Engpässen infolge naheliegender größerer Quartiere muss der zuständige Landesschulrat eine Lösung finden. In der AHS-Unterstufe brauchen die AGHS außerordentliche Lernende nicht aufnehmen.

Offen stehen allen in Österreich wohnhaften Jugendlichen und Erwachsenen ungeachtet ihrer Herkunft, Erstsprache und eventueller Schulabschlüsse die Angebote der "Initiative Erwachsenenbildung" (vgl. https://www.initiative-erwachsenenbildung.at). Ebenso kommen Kurse der Basisbildung für junge Menschen in Frage, die nicht oder unregelmäßig die Schule in ihrem Herkunftsland besucht haben. In der Folge kann dann ein Pflichtschulabschluss angestrebt werden, um einen Zugang zu einer Berufsausbildung und ggf. höheren Bildung zu finden. Ein Berufsschulbesuch im Rahmen einer Lehre steht bis 25 Jahre offen, eine überbetriebliche Ausbildung ist nicht vorgesehen, für asylberechtigte Jugendliche allerdings gegeben (vgl. die monatlichen Ankündigungen des AMS insbesondere für Mangelberufe).

Zu beachten ist jedenfalls, dass die Sprache der Kinder mit einer der offiziellen Landessprachen und ihr Religionsbekenntnis mit der im Lande vorherrschenden Religion nicht identisch ist. Gerade Minderheiten werden verfolgt, weshalb eine genaue Auskunft notwendig ist.

Im Rahmen des außerordentlichen Status an Schulen gibt es die Möglichkeit, maximal zwei Jahre an einem Sprachförderkurs teilzunehmen (vgl. § 8c, Abs. 1 SchOG?).

Alphabetisierung

Für die Alphabetisierung von Seiteneinsteigern in der Zweitsprache Deutsch kann ggf. die Anstellung von Personen mit einer Ausbildung in Deutsch als Zweitsprache und/oder als Basisbildner vorgenommen werden.

Muttersprachlicher Unterricht

Wesentlich ist die Rolle von Lehrenden für einen muttersprachlichen Unterricht als Mittler zwischen Schule, Eltern und Flüchtlingskind. Bei der Suche nach geeigneten Lehrenden ist das BMBF behilflich (elfie.fleck@bmbf.gv.at).

Soziale Leistungen

Unentgeltliche Schulbücher und mehrsprachige Lernsoftware ist im Rahmen der Schulbuchaktion ein Recht für alle Lernenden. Einmal darf ein zweisprachiges Wörterbuch für zwei- bzw. mehrsprachige Lernende bestellt werden.

Schülerfreifahrt

Wer sich in der Grundversorgung befindet und die Schule besucht, werden die Kosten für die Schülerfreifahrt bei Bewilligung des BM.I getragen. Ein Selbstbehalt entfällt (vgl. die Abwicklung über die Firma ORS Service GmbH im Auftrag des BM.I).

Schulbeihilfe - Teilnahme an Schulveranstaltungen

Anerkannte Flüchtlinge ab der 10. Schulstufe haben bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nach dem Schülerbeihilfengesetz 1983 Anspruch auf Schülerbeihilfe und die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung für die Teilnahme an Schulveranstaltungen.

Unterstützende Maßnahmen

Zur Bearbeitung von Problembereichen ist eine Zusammenarbeit mit der Schulpsychologie, Bildungsberatung, den Schulberatungsstellen für Migranten, dem Österreichischen Jugendrotkreuz erforderlich bzw. möglich.

Politische Bildung

Im Rahmen des Unterrichtsprinzips und des Unterrichts in Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung sowie von Unterrichtsmaterialien des "Zentrums polis" ist eine Befassung mit Flucht und Migration im Kontext mit Medienbildung unterstützend möglich und wirksam.

Auf die Lehramtsausbildung in "Didaktik der Politischen Bildung" ist hinzuweisen(vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Politische Bildung).

Pressehinweise/IT-Hinweise

Rundschreiben an die Landesschulräte > http://orf.at/stories/2295318/2295243/ (25.8.2015)

Organisatorische Herausforderung > http://orf.at/stories/2295344/2295354/ (26.8.2015)

Keine politische Lösung in Sicht > http://orf.at/stories/2295568/2295569/ (28.8.2015)

14 Integrationsberichte - Religionsmonitor 2017    

14.1 Bericht 2016    

Verkürzt dargestellt stellt sich die zentrale Aussage, dass Integrationsexperten die Politik zum Handeln drängen.

2015 als außergewöhnliches Jahr wies laut Austria Statistik eine Nettozuwanderung von mehr als 113 000 Menschen aus, darunter rund 88 000 Asylbewerber vor allem aus Syrien, dem Irak und Afghanistan.

  • Das Bevölkerungswachstum fiel schlagartig drei Mal so groß aus wie davor.
  • Nicht einmal in den Zeiten des Eisernen Vorhangs erreichte der Zuzug eine solche Dimension.
  • Es ist davon auszugehen, dass die mehrheitlich jungen und männlichen Asylberechtigten ihre Familien nachholen werden.
  • Ebenso ist davon auszugehen, dass die fremdenskeptische Einstellung der Bevölkerung steigt und Flüchtlinge sich den hiesigen Gepflogenheiten anpassen müssten.
Es bedarf vermehrter Anstrengungen, um eine gesellschaftliche Spaltung entlang religiöser, sozialer und kultureller Konfliktlinien zu vermeiden. Wichtigstes Ziel sei Selbsterhaltungsfähigkeit durch Arbeitsmarktintegration.

Ein Großteil der Flüchtlinge ist arbeitslos und weist bescheidene berufliche Qualifikationen auf. Der Expertenrat für Integration hält die Hoffnung des AMS für unrealistisch, dass binnen fünf Jahren 50 Prozent der arbeitssuchenden Asylberechtigten einen Arbeitsplatz vermittelt erhalten.

Mehrkosten bei den asyl- und schutzberechtigten Mindestsicherungsbeziehern allein bei einer Steigerung um 10 Prozent beziehen sich auf rund 270 Mill. Euro. Dies werfe die Frage des sozialen Zusammenhalts und der fairen Lastenverteilung zwischen Zahlenden und Empfängern auf.

  • In der Pflicht sei die Politik, wie es mit der Mindestsicherung weitergehen solle. Ratsam sei eine österreichweite Regelung.
  • Geschehe dies nicht, würde weiter eine Sekundärmigration stattfinden.
  • Gegenrezept der Experten sei neben der Reform der Mindestsicherung eine zeitlich befristete Wohnsitzpflicht für Asylberechtigte, die von der Sozialhilfe leben.
  • Ebenso seien in großem Stil Schulungsmaßnahmen notwendig (Nachqualifizierungen, Deutschkurse, berufsbezogene Sprachförderung). Kompetenzchecks und unterschiedliche Qualifizierungsprofile müssen erfasst werden.
  • Ein zweiter Arbeitsmarkt müsse geschaffen werden(gemeinnützige Arbeiten, Praktika, Minijobs). Ein Anschluss an die Gesellschaft muss so ermöglicht werden.
  • Prinzipien des Zusammenlebens in Österreich sind zu kommunizieren (Kurse zu Werten, Normen und gesellschaftlicher Orientierung). Bei deliquentem Verhalten sei der gesetzlich vorgesehene Strafrahmen auszuschöpfen.
Pressehinweis - IT-Berichte

Salzburger Nachrichten, 17.8.2016, 3 "Mehrere Jahre wie 2015 sind nicht zu verkraften"

http://ooe.orf.at/news/stories/2791618 "Bürokratische Hürden bei Flüchtlingsarbeit" (17.8.2016)

http://orf.at/stories/2354363/2354364 "Verbot für Vollverschleierung angedacht" (18.8.2016)

http://oesterreich.orf.at/stories/2792541 "Migration: Zweite Generation hat höhere Bildung" (23.8.2016)

14.2 Bericht 2017    

Vier Gründe bestimmen im Integrationsbericht 2017 die aktuelle Situation.

  • Es gibt weiterhin eine hohe, wenn auch gegenüber 2015 niedrigere Zuwanderung voN Flüchtlingen und Migranten.
  • Zunehmende Zweifel bestehen unter den Österreichern, ob Integration wirklich gelingen kann.
  • Bei der Bevölkerungsgruppe mit jahrzehntelanger Gastarbeitergeschichte wirkt das Agieren der politischen Wirkung in ihrer alten Heimat Türkei.
  • Dies fördert die Entfremdung.
Die folgenden Eckdaten der Statistik Austria weisen auf die Entwicklung hin.

  • 2016 lebten rund 1,9 Millionen Personen mit Migrationshintergrund (knapp über 22 Prozent). Dies waren 85 000 mehr als 2015.
  • Etwas mehr als 174 000 Personen wanderten 2016 nach Österreich zu (mehr als 42 000 Asylbewerber, fast 56 000 Bürger aus neuen und 30 000 als alten EU-Ländern). 109 000 Personen verließen das Land.
  • Im Zuge der Flüchtlingsbewegung kamen weder Hochqualifizierte noch nur Analphabeten. Insbesondere bei Afghanen werden die Integration viele Jahre dauern.
  • Die Kosten der Flüchtlingskrise für Österreich 2015 bis 2019 werden acht bis zwölf Millionen Euro an Mehrausgaben ergeben, mehr als die Hälfte davon für die Grundversorgung und Mindestsicherung.
Auszuschließen sei ein Rückgang der Zuwanderung nach Österreich.

  • Österreich ist ein Teil der EU und ziehe als Hochlohnland Zuwanderer an.
  • Es gibt keine Änderung dzt. der Ursachen der Flüchtlingswanderung.
  • Die neu anerkannten Flüchtlinge lassen ihre Familien nachkommen.
  • Derzeit gibt es keine europäische Asylpolitik.
Der Bericht sieht problematische Entwicklungen, so

  • die starke Neigung der Geflüchteten zu einem konservativen Islam und
  • die hohe Arbeitslosigkeit von Türken (20 Prozent), die von höher Qualifizierten aus Osteuropa verdrängt werden.
Pressehinweis

Salzburger Nachrichten, 24. August 2017, 2 "Die Zuwanderung bleibt hoch"

IT-Hinweis

http://bmeia.gv.at/fileadmin/user_upload/Zentrale/Integration/Integrationsbericht_2017/Integrationsbericht_2017.pdf (24.8.2017)

14.3. Integration von Muslimen in Europa - Religionsmonitor 2017    

Das Ergebnis der Studie "Muslime in Europa-integriert aber nicht akzeptiert?" als Religionsmonitor 2017 der Bertelsmann-Stiftung analysiert die Integration von Muslimen in fünf europäischen Ländern. Verglichen wird die Situation von Muslimen, die vor 2010 nach Deutschland, in die Schweiz, nach Österreich, Frankreich und Großbritannien kamen. Bewertet wurden Sprachkompetenz, Bildung, Arbeit und soziale Kontakte.

Im Religionsmonitor 2017 wurden Ende 2016 mehr als 10 000 Personen aus den fünf Ländern befragt.

Deutschland bekommt mit Abstand die besten Noten bei der Integration in den Arbeitsmarkt.

  • Kaum Unterschiede gibt es bei der Arbeitslosenquote und Vollzeitstellen zum Bevölkerungsschnitt.
  • 73 Prozent der in Deutschland geborenen Kinder muslimischer Einwanderer wachsen nach der Studie mit Deutsch als Erstsprache auf.
In Frankreich verlassen nur elf Prozent der Muslime vor dem 17. Lebensjahr ohne Abschluss die Schule (vgl. Deutschland 26 Prozent).

  • Grund dürfte die unterschiedlichen Schulsysteme sein. Kinder in Frankreich lernen länger gemeinsam, Einwanderer haben durch die Kolonialgeschichte oft gute Französischkenntnisse.
  • Trotzdem gibt es eine hohe Arbeitslosigkeit und weniger Vollzeitstellen.
Spracherwerb und Schuldauer hängen eng zusammen. In Frankreich lernen 57 Prozent der ersten Einwanderergeneration im Kindesalter die Landessprache, in Österreich nur 21 Prozent. Hier liegt man mit Großbritannien an letzter Stelle. Die Nachfolgegeneration in Frankreich erreicht 93 Prozent, Österreich 70 Prozent, Deutschland 73 Prozent, die Schweiz 57 Prozent und Großbritannien 80 Prozent. Im Faktor Schulbesuch wird die Gruppe der Nachfolgegeneration untersucht. Geringe Bildungsdauer findet sich in der Schweiz (74 Prozent), gefolgt von Österreich (39 Prozent). Besonders gering ist Frankreich mit elf Prozent. Hier spielt das differenzierte Schulsystem möglicherweise eine Rolle, das österreichische Schulsystem wird als wenig integrationsfreundlich eingestuft.

Die Identifikation mit dem Aufnahmeland ist unter den Muslimen stark ausgeprägt. Die allermeisten fühlen sich dem Land, in dem sie leben, verbunden. Unterschiede zwischen den Länder sind eher gering. Österreich liegt bei 88 Prozent, Großbritannien bei 89 Prozent, die Schweiz mit dem höchsten Wert bei 98 Prozent.

Interreligiöse Freizeitkontakte zur nicht-muslimischen Bevölkerung sind von Interesse. Führend ist die Schweiz mit 87 Prozent, es folgen Frankreich mit 78 Prozent, ebenfalls Deutschland mit 78 Prozent, Großbritannien mit 68 und Österreich mit 62 Prozent. Drei Prozent der Muslime haben in Österreich überhaupt keinen Kontakt zu Personen anderer Religionszugehörigkeit.

Die Studie weist auf große Vorbehalte gegenüber Muslimen hin. Bei der Ablehnung als Nachbar sprechen in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Frankreich deutlich mehr Befragte gegen Muslime aus als gegen kinderreiche Familien, Ausländer, Homosexuelle, Juden, Menschen mit anderer Hautfarbe, Atheisten und Christen. Auch in Österreich wird das Zusammenleben als besonders schlecht beurteilt (28 Prozent).

Die Religiosität von Muslimen ist in Großbritannien am höchsten (64 Prozent), liegt in Österreich bei 42 Prozent, in Deutschland bei 40 Prozent, in Frankreich bei 33 Prozent und in der Schweiz bei 26 Prozent. In Österreich ist der Islam, wie in den anderen Ländern, weitgehend sunnitisch geprägt(64 Prozent). 74 Prozent der Muslime in Österreich stammen aus der Türkei, 24 Prozent aus Südosteuropa.

Nicht die Religionszugehörigkeit entscheidet über die Integrationschancen, vielmehr staatliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Strukturelle Hürden gäbe es im Bildungssektor und am Arbeitsmarkt. Die Herausforderung in den untersuchten Ländern liegt in der Vereinbarkeit von Diversität und Chancengerechtigkeit. Ein gegenüber Muslimen offenes Klima fördere die Sozialkontakte.

IT-Hinweis

https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_LW_Religionsmonitor-2017_Muslime-in-Europa.pdf (25.8.2017)

Pressehinweis

Salzburger Nachrichten, 25. August 2017, 4 "Die Integration der Muslime gelingt ziemlich gut"

14.4 Bericht 2019    

Österreich ist ein Einwanderungsland. 1 440 000 der acht Millionen Einwohner haben keinen österreichischen Pass. Fast jeder vierte hat Migrationshintergrund, d.h. beide Elternteile sind im Ausland geboren, die dritte und vierte Generation wird damit statistisch nicht mehr erfasst. Das sind rund zwei Millionen Menschen oder 23,3 Prozent der Gesamtbevölkerung, um 400 000 Menschen mehr als vor fünf Jahren (+ 25 Prozent).

Die Nettozuwanderung sinkt seit der Migrations- und Flüchtlingswelle 2015/2016. Die Integrationsherausforderung bleibt dennoch groß, obwohl viele Flüchtlinge Fuß fassen und sich in die Regelstrukturen integrieren.

  • Österreich steht bei den positiven Asylentscheidungen proportional zur Bevölkerung im EU-Vergleich nach wie vor auf Platz eins, d.h. die Gruppe jener, die Asyl bekommt, wächst weiter.
  • Weiterhin spielt der Familiennachzug eine Rolle.
Am Arbeitsmarkt lag die Erwerbsbeteiligung von Personen mit Migrationshintergrund 2018 bei 75,3 Prozent, jene von Flüchtlingen aus Afghanistan, Syrien und dem Irak bei nur 35,7 Prozent. Allerdings haben 53 Prozent aller seit 2011 nach Österreich gekommenen Asylbewerber Arbeit erhalten. Dies ist ein Spitzenwert.

  • Nachholbedarf haben Frauen aus Drittstaaten.
  • Die niedrige Erwerbsquote liegt oft an kulturellen Unterschieden und patriarchalen Gesellschafstrukturen.
Notwendige Deutschkenntnisse für eine Integration weisen auf einen Problembereich hin.

  • Ein ernüchterndes Bild zeigt der Integrationsbericht nicht nur bei den Flüchtlingen und Migranten der Vorjahre, vor allem aber bei der zweiten Generation.
  • Im Schuljahr 2017/2918 waren 15,5 Prozent aller Schüler ausländische Staatsangehörige.
  • 26 Prozent nicht Deutschsprechende ergaben ein Plus von 0,7 Prozent im Vergleich zu 2016/2017. Das zeigt, dass vor allem länger in Österreich Lebende Sprachprobleme haben.
  • Der höchste Anteil lebt in Wien. Hier spricht jeder zweite Schüler (52 Prozent) in seinem Umfeld eine andere Sprache als Deutsch. Es folgen Vorarlberg (26,4 Prozent), Oberösterreich und Salzburg (rund 22 Prozent).
  • Im EU-Schnitt sinkt der Anteil von Schülern mit anderer Umgangssprache von der ersten zur zweiten Generation um rund 30 Prozent. In Österreich bleibt er gleich. Neben vermehrten Sprachangeboten bedarf es auch einer Einbeziehung der Eltern und ethnischer Gemeinschaften.
Mehr als die Hälfte der 308 200 Bezieher der Sozialhilfe sind Ausländer. Da viele davon Asyl- und subsidiär Schutzbedürftige sind, somit erst auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, wenn ihr Verfahren positiv abgeschlossen ist - sofern sie sie nicht zu jung, alt oder krank sind oder Betreuungspflichten haben. Wien ist führend, fast zwei Drittel aller Bezieher leben hier. Ein Drittel in Wien sind anerkannte Asyl- und Schutzberechtigte.

Vorschläge zur Verbesserung sind etwa die funktionierenden Integrationsstrukturen erhalten und verbessern sowie mehr Geld und Leistungswillen für die Sprachförderung einsetzen.

Pressehinweis

Salzburger Nachrichten, 5. September 2019, 3: Hintergrund "Der Weg zur Integration ist noch lang und hart"

IT-Hinweis

Integrationsbericht 2019 > https://www.bmeia.gv.at/integration/integrationsbericht/ (5.9.2019)

15 Flüchtlingskrise 2015/2016 - Daten-Fakten - Österreich    

27. August 2015

Die Flüchtlingskrise erreicht ihren tragischen Höhepunkt mit einem Lkw mit 71 Toten in Parndorf/Burgenland. Die Schlepper haben den Lkw mit den Toten abgestellt. Pro Tag werden im Bezirk Neusiedl/Burgenland bereits 300 bis 400 Asylanträge gestellt.

3. September 2015

Ungarn ist der Hotspot der Flüchtlingskrise. Zehntausende Menschen wollen weiter ziehen, der Bahnhof in Budapest ist für Flüchtlinge gesperrt. Als Ungarn versucht, Menschen, die weiter nach Deutschland wollen, in ein Lager umzuleiten, eskaliert die Situation. Tausende machen sich zu Fuß auf den Weg.

4./5. September 2015

Bundeskanzler Werner Faymann (Österreich) und Bundeskanzlerin Angela Merkl (Deutschland) beschließen, in der Notlage die Grenzen zu öffnen. Am 5. September kommen 9 000 Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof an, in den Tagen darauf jeweils bis zu 7 000 Menschen. Die Mehrzahl will nach Deutschland über Salzburg als Drehscheibe weiter.

Mitte September 2015

Mitte September beginnt Deutschland den ungeregelten Zustrom anzuhalten. Der Zugverkehr von Österreich nach Deutschland wird eingestellt.

Mitte Oktober 2015

Ungarn schließt die Grenzen, es werden keine Flüchtlinge mehr in das Land gelassen. Am 18. Oktober kommen erstmals keine Flüchtlinge mehr nach Nickelsdorf (Burgenland).

Die Route verlagert sich in der Folge an die steirisch-slowenische Grenze.

Jahresende 2015

2015 werden mehr als 88 000 Asylanträge in Österreich gestellt.

20. Jänner 2016

Österreich versucht den Flüchtlingsstrom unter Kontrolle zu bringen. Beim Asylgipfel wird mit 37 500 Asylbewerbern eine Obergrenze beschlossen. Asyl auf Zeit wird eingeführt, der Familiennachzug erschwert.

März 2016

Österreich ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Route über den Westbalkan geschlossen wird. Die einzelnen Länder lassen keine Flüchtlinge mehr durch. Der Flüchtlingsstrom kommt fast zum Erliegen.

April 2016

Die EU und die Türkei einigen sich auf einen Flüchtlingspakt. Die Türkei verhindert die Ausreise von Flüchtlingen nach Griechenland, im Gegenzug erhält sie Milliarden Euro. Etwa 2,7 Millionen registrierte Schutzsuchende halten sich in der Türkei auf.

Pressehinweis - IT-Hinweis

Salzburger Nachrichten, 20.8.2016, 3 "Thema Flüchtlingskrise"

http://orf.at/stories/2354722 > "NZZ": Flüchtlingsroute über Schweiz nach Deutschland (21.8.2016)

16 Flüchtlingskinder und Heranwachsende an österreichischen Schulen    

Die folgenden Fakten und Zahlen beziehen sich auf das Rundschreiben Nr. 15/2016 des Bundesministeriums für Bildung, Abt. I/4 (Arbeitsstelle für Migration und Schule) und umfassen amtlich den gesamten Bereich von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im österreichischen Schulsystem.

16.1 Rechtlicher Status    

Asylbewerber sind Personen, die einen Asylantrag in Österreich gestellt haben mit einer rechtskräftigen Entscheidung über das Asylverfahren. Für das Asylverfahren sind Bundesbehörden zuständig (1.Instanz Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl/BFA, bei Beschwerde das Bundesverwaltungsgericht als 2. Instanz).

Asylberechtigte bzw. anerkannte Flüchtlinge bzw. Konventionsflüchtlinge sind Personen mit rechtskräftig abgeschlossenem Asylantrag.

Subsidiärer Schutz betrifft Personen mit gefährdetem Leben und Gesundheit im Herkunftsland und wird mit befristetem Aufenthaltsrecht mit Abschiebeschutz gehandhabt. Die Bestimmung wird vielfach auf Flüchtlinge aus (Bürger-) Kriegsgebieten angewendet.

Bleiberecht kann Personen ohne Asylberechtigung und subsidiärem Schutz gewährt werden, unter Berufung auf den Schutz des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK), wobei eine lange Aufenthaltsdauer, die Selbsterhaltungsfähigkeit und der Grad der Integration Berücksichtigung findet.

Unbegleitet minderjährige Flüchtlinge (UMF) sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ohne Eltern und andere erwachsene Begleitpersonen auf der Flucht. Sobald diese Gruppe zum Asylverfahren in Österreich zugelassen und in die Landesbetreuung übernommen worden sind, werden sie durch die örtliche Kinder- und Jugendhilfe vertreten.

16.2 Zahlen - Fakten    

Weltweit waren Ende 2015 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht, darunter 40,8 Millionen, die in einer anderen Region ihres Herkunftslandes Schutz vor Verfolgung suchten (Binnenflüchtlinge). 2014 waren es noch 59,5 Millionen Personen. Laut UNHCR waren 51 Prozent aller Flüchtlinge jünger als 18 Jahre.

Syrien nimmt den Spitzenplatz mit 6,6 Millionen Binnenvertriebenen und rund 4,9 Millionen Flüchtlingen außerhalb des Landes ein (Afghanistan 2,7 Millionen und Somalia 1,1 Millionen). Weltweit die höchste Zahl von Binnenvertriebenen hat Kolumbien mit 6,9 Millionen. Im Jemen waren 2015 2,5 Millionen Menschen Binnenvertriebene (9 Prozent der Bevölkerung).

Global betrachtet ist die Zahl der Flüchtlinge ungleich verteilt. 86 Prozent befanden sich 2015 in wirtschaftlich weniger entwickelten Staaten.

Weltweit das größte Aufnahmeland ist die Türkei mit 2,5 Millionen Flüchtlingen (davon 1,8 Millionen aus Syrien). Der Libanon mit 4.5 Millionen Einwohnern hat 1,2 Millionen Menschen aufgenommen (fast ausschließlich aus Syrien). Jordanien mit 628 800, der Irak mit 251 3000 und Ägypten mit 131 900 sind weitere Zielländer für Menschen aus Syrien.

In Europa inkl. Türkei wurden Ende 2014 rund 6,7 Millionen gezählt, die ihre Heimat zwangsweise verlassen mussten. 593 000 Flüchtlinge kamen aus europäischen Ländern, zumeist aus der Ukraine.

16.3 Asylanträge in Österreich    

2014 gab es 28 064 und 2015 88 340 gestellte Asylanträge. Bis Ende Mai 2016 waren es 22 435 Anträge. Die beiden größten Gruppen waren Afghanistan und Syrien.

2014 haben 1 976 UMF, darunter 119 Kinder unter 14 Jahren, 2015 8 2777, 743 unter 14 Jahren und 2016 bis Mai fast 3 000 UMF Asylanträge gestellt.

Eltern haben österreichweit gesamt mit Stichtag 1.10.2015 5 843, 7.1.2016 9 815, 31.3.2016 13 167 und 30.6.2016 14 233 Asylbewerberinnen und Asylbewerber an österreichischen Schulen angemeldet.

16.4 Aufnahme in Schulen    

Schulpflichtige Kinder mit dauerndem Aufenthalt haben das Recht und die Pflicht, die Schule zu besuchen.

  • Kinder mit vorübergehendem Aufenthalt sind zum Schulbesuch berechtigt, jedoch nicht verpflichtet.
  • Die Aufnahme von nicht mehr schulpflichtigen Jugendlichen als außerordentlich Schülerinnen und Schüler an APS ist nicht zulässig.
16.5 Basisbildung    

Allen wohnhaft in Österreich Erwachsenen bzw. Jugendlichen stehen ungeachtet ihrer Herkunft, Erstsprache und eventuell vorliegendem Schulabschluss die Angebote der "Initiative Erwachsenenbildung" offen.

  • In Betracht kommen Kurse der Basisbildung, die Sprachkompetenz, Rechnen, IKT und Lernkompetenz in einem integrierten Vermittlungsansatz vermitteln.
  • In der Folge kann diese Gruppe an Kursen zur Vorbereitung auf einen Pflichtschulabschluss teilnehmen.
16.6 Berufsschulen    

Voraussetzung ist der Abschluss eines Lehr- oder Ausbildungsvertrages.

  • Asylbewerbern bis zum 25. Lebensjahr steht die Ausbildung in Mangelberufen und Berufen mit Lehrlingsmangel offen (Vermittlung durch das AMS).
  • Der Arbeitgeber muss eine Beschäftigungsbewilligung beim AMS beantragen.
16.7 Weiterführende Schulen    

Wird eine entsprechende Vorbildung nachgewiesen, kann eine Aufnahme in eine AHS bzw. BMS/BHS erfolgen. Diese Schularten sind nicht verpflichtet, außerordentliche Schülerinnen und Schüler aufzunehmen.

16.8 Sprachstartgruppen - Sprachförderkurse    

Im außerordentlichen Status haben alle Lernenden einer APS die Möglichkeit, an einer Sprachstartgruppe oder einem Sprachförderkurs von 11 Wochenstunden teilzunehmen, sofern die erforderliche Gruppengröße erreicht wird. Für die Planung des Unterrichts sind die regulären Deutschlehrpläne und die Bestimmungen für Deutsch als Zweitsprache der jeweiligen Schulart Grundlage.

An Berufsschulen umfasst das Angebot vier (lehrgangsmäßige BS) bzw. zwei Wochenstunden (ganzjährige BS).

16.9 Muttersprachlicher Unterricht    

Der gestiegene Bedarf an Unterricht in Arabisch, Farsi/Dari und Paschtu, eventuell auch Kurdisch, Somali und Tschetschenisch erfordert eine Vermittlung des Angebots durch die Arbeitsstelle für Migration und Schule des Bundesministeriums für Bildung.

16.10 Mobile interkulturelle Teams/MIT    

Zur psychosozialen Betreuung, Förderung der Integration und positiven Klassen- und Schulbetreuung übernehmen seit April 2016 mobile interkulturelle Teams solche Aufgaben (vgl. http://www.schulpsychologie.at/asylsuchende [3.9.2016]).

Die Schulungsmappe steht auch Lehrenden zur Verfügung.

16.11 Österreichisches Jugendrotkreuz    

Das ÖRK bzw. ÖJRK fungiert auch mit seiner langjährigen Erfahrung als Kontaktstelle und bietet Materialien und Informationen an.

16.12 Flucht und Asyl - Thema der Politischen Bildung    

Die vielfältigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte von Flucht und Asyl sollen auch im Unterrichtsprinzip "Politische Bildung" und explizit in den Fächern "Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung" (6.-8.Schulstufe/APS), "Politische Bildung" (BS, PTL) sowie in Fächern mit Politischer Bildung in den BMS/BHS bearbeitet werden.

Die Serviceeinrichtung "Zentrum polis -Politik Lernen in der Schule" unterstützt mit Materialien und Unterstützungsangeboten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung (vgl. http://www.politik-lernen.at [3.9.2016]).

17 Bildungs- und Arbeitsmarktkonzepte mit Flüchtlingen    

Mit der Flüchtlingswelle 2015 ergeben sich Fragen des

  • Umgangs mit Flüchtlingen,
  • Grenzen eines Übertritts im Schengen-Raum und
  • Herausforderungen bei Aspekten der Bildung im Kontext der Inklusion und Integration.
  • Zudem kommen Probleme des Arbeitsmarktes zum Tragen.
Transnationale Migration hat sich zu gestalten und sucht einen anerkannten Ort im gesellschaftlichen Gefüge.

  • Je nach sozialem Feld sind unterschiedliche Formen und Realisierungsmöglichkeiten vorhanden, wobei auch vorübergehende und für ausgesuchte Felder bei der Verwirklichungen von Inklusion zu erwarten sind (vgl. zum Feldbegriff BOURDIEU 2001; BÖHMER 2016, 8).
  • Integration als Paradigma versteht sich (nach wie vor) als kultureller und ökonomischer Problembereich (Problemfeld) sowie als sanktionierende Politik des Förderns und Forderns (vgl. HESS 2015, 54).
  • Inklusion als Konzept bedarf der Reflexion der Übertragbarkeit bisheriger Erfahrungen und Erkenntnisse auf zukünftig realisierende Handlungsmöglichkeiten allgemein und speziell bei Flüchtlingen. "Othering" als Kategorie etwa ethnischer, religiöser und genderspezifischer Art/ Diversität bezieht sich jedenfalls als Ausgangspunkt von Bemühungen um derzeit Geflüchtete (vgl. MELTER 2012, 20; REICH 2014).
Im Folgenden geht es um

  • eine Analyse der bisherigen Befunde,
  • Impulse für eine Bildungspraxis (Möglichkeiten, Kompetenzen, Respekt, Teilräume einer Selbstbestimmung/Wertschätzung, Eigenheiten) und praktische Konsequenzen.
  • Ohne Zweifel genügt es nicht,
    • die in der aktuellen Diskussion stehenden Strategien wie formale Bildung, deutsche Sprache und Übernahme von kulturellen Praktiken anzuwenden, um gezielte Integration zu erreichen (vgl. BÖHMER 2016, 9-10).
    • Es geht aus der Sicht einer Politischen Bildung und Interkulturellen Kompetenz um ein revidiertes Verständnis von Bildung.
    • Vorberufliche Bildung erhält zunehmende Bedeutung (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Vorberufliche Bildung in Österreich).
17.1 Bildungskonzept einer Flüchtlings- bzw. Migrationspädagogik    

Im Folgenden wird auf migrationspädagogische Argumente eingegangen.

  • Bildungspädagogische Argumente werden angesprochen, um eine Verengung auf Employability und Humankapital-Debatten zu lösen.
  • Bildungstheoretische Konsequenzen für Flüchtlinge, Schule und den Übergang in Ausbildung werden abgeleitet.
Zunächst geht es um interkulturelle Pädagogik (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz; AMELINA 2013, 273; GEIER 2014, 112).

  • Inklusive Konzepte sollten gesetzt werden, im Sinne einer transkulturellen und sozialräumlichen Auffassung von Bildung von Flüchtlingen(vgl. REICH 2014; BÖHMER 2016, 35).
  • Die hohe Zahl von Flüchtlingen bedarf einer Unterscheidung zwischen "fremd" und "noch fremder" (vgl. vgl. KRÜGER-POTRATZ 2014, 50). Abwehrende Adressierungen sollten in der Bildungspolitik, Bildungsverwaltung, den Schulen und den Personen mit Entscheidungsbefugnis vermieden werden.
  • Dem Bildungssystem und seinen Bereichen - beginnend von Elementarbereich bis zum quartären Bildungsbereich - kommt eine entscheidende Bedeutung zu (vgl. in diesem Kontext auch die Arbeit sachverständiger Personen im Rahmen des Nationalen Qualifikationsrahmens/NQR).
  • Bildungsarbeit wird durch Adressierung/Allokation subjektiviert (vgl. RICKEN 2015b, 143).
    • Mittransportiert wird - gezielt oder subtil - eine Normalitätsvorstellung. Aktuelle Bildungsprogramme führen solche Normative mit (vgl. BÖHMER-ZEHATSCHEK 2015). Es geht um Normen in der individuellen, sozialen und gesellschaftlichen Ebene(vgl. Vorstellungen etwa zum "gebildeten Menschen", "Politischer Bildung" oder "Outputs" und "Outcomes"[BÖHMER 2016, 36]).
    • Angestrebt wird eine spezielle "Sozialfigur" von Bildung (vgl. RICKEN 2015a, 44-45). Einsicht, Verständnis von Bildung mit Selbstbestimmung werden artikuliert. Ein Selbstbild eines selbstbestimmten Lebens soll internalisiert werden.
    • Es geht um die doppelte Relation, das Eigene vom Anderen zu begreifen, also sich selbst als ein Verhältnis zu anderen zu sehen und sich entsprechend zu verhalten(vgl. RICKEN 2015b, 144-145). Die doppelte Dialektik von Selbst- und Fremdverhalten teilt sich in Anerkennung und Verkennung bzw. "schon" und "noch nicht".
    • Dies ergibt einen pädagogischen Spielraum, in dem Freiheitsräume ausfindig zu machen sind (vgl. BÖHMER 2016, 38). Nachzudenken ist über Subjektivierungsprozesse und Individualität.
    • Grenzen der Subjektivierung ergeben sich in der Resignifizierung. Dies ist die Nutzung des Spielraumes unter Beachtung von Normen und weist darauf hin, dass Subjekte auch in ihren Darstellungsformen auf Normen und Diskurse zurückwirken (vgl. ROSE 2014, 71). Damit ergeben sich dynamische und komplexe vielgestaltige Prozesse einer Inklusion bei Flüchtlingen.
    • Dies hat für eine institutionalisierte Bildung weitreichende Folgen. Eine Transformation bisheriger Ordnungen wird möglich(vgl. ROSE 2014, 71).
  • Angesprochen sind damit Aspekte mit Blick auf Benachteiligungen(vgl. GOMOLLA-RADTKE 2009).
    • Dies betrifft nicht nur individualisierte Integrationsprogramme, vielmehr auch strukturelle Diskriminierungen in Institutionen(vgl. die Einforderung von Ausdrucksformen von Individualität wie die Beherrschung von sprachlichen und nonverbalen Codes, körperlicher Ausdrucksformen und sozialer Darstellung bestimmten Wissens).
    • Es geht neben der Veränderung des Einzelnen auch um eine Passung in die organisierten Abläufe. Damit wird eine Identifikation verlangt, reglementiert im Verhältnis von Differenz und Unterordnung in Hierarchie und Zugehörigkeit von Institutionen(vgl. BOJADZIJEW 2015, 280-281).
    • Bildungsprozesse geben weniger Selbstbilder vor, entsprechen eher vorgegebenen Normen(und Werten). Es kommt zu formalen Subjektivierungen(vgl. den Bildungsauftrag der Politischen Bildung und ihren Stellenwert im Fächerkanon). Das Bildungssystem in den vier Bereichen erweist sich als Träger gesellschaftlicher Rückwirkungen in Transformation von Ordnungen und Organisationen.
17.2 Folgerungen für eine Bildungsarbeit    

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass es sozialer Ordnungen bedarf, die neben der Ausformung von Subjektivität gesellschaftliche Ordnung beinhaltet. Bildungstheoretische Folgerungen ergeben sich aus der Entwicklung von Migration bzw. Flucht.

Zunächst ist festzuhalten, dass Migration bzw. Flucht restriktive Begrenzung und Neuformierung des Sozialen ergeben (vgl. MECHERIL 2012, 1). Deutlich wird, dass fluchtbedingte Zuwanderung Herausforderungen für die subjektive Gestaltung der Individuen ergibt (vgl. sozialstaatliche und erwerbsgesellschaftliche Problembereiche).

  • Damit entstehen Unsicherheiten und in der Folge Veränderungen mit "Befremdungen" (vgl. BÖHMER 2016, 43).
  • Fremdheit wird zu einem Phänomen, das alle Menschen betrifft. Daraus resultiert ökonomische, soziale, politische, verwaltungstechnische, kulturelle und religiöse neue Subjektivität.
  • Subjekte haben daher darauf Antworten zu suchen.
Für die Bildungsarbeit bedeutet dies eine sozioökonomische und gesellschaftliche Analyse von Bildungsimpulsen, die didaktisch zubereitet gehören (vgl. die Didaktik der Politischen Bildung und Interkulturellen Kompetenz). Beispielhaft gehört dazu (vgl. BÖHMER 2016, 43-44)

  • die Beschreibung von Subjektformen der Fremde,
  • die Analyse von Fremdheitserfahrungen und Reaktionen von Frustration,
  • die Klärung möglicher pädagogischer Interventionsformen und -reichweiten sowie
  • die inhaltliche Integration in Unterricht, Lehre und Praxis.
  • Nicht zu unterschätzen sind notwendige therapeutische und sozialpädagogische Formen von Unterstützung.
    • Erleben einer Akzeptanz,
    • Unterstützung durch Einheimische und Institutionen sowie
    • Antworten auf Identitätsverlust.
Inklusion ist von Anfang an Zielvorgabe. Dazu bedarf es personeller, materieller, politischer und kultureller Unterstützung (vgl. ARANDA/VAQUERA/SOUSA-RODRIGUEZ 2015).

Allgemein ergibt sich die Notwendigkeit im Bildungssektor,

  • vermehrt Politische Bildung im Kontext mit Interkultureller Kompetenz in Lehrerbildung, Fort- und Weiterbildung, ebenso der Personengruppen in der Schulverwaltung sowie in der Folge in Unterricht, Lehre und Praxis einzubringen und konsequenterweise einzufordern.
  • Neben dieser einzufordernden konsequenten Personalentwicklung bedarf es der Integration didaktischer Elemente in allen Bildungsbereichen.
  • Zu überdenken wäre der gegenwärtige Fächerkanon im Kontext mit Schulentwicklung bzw. Schulautonomie (vgl. auch BÖHMER 2016, 80-84 mit seinen Ausführungen zu Bildung mit Inklusion als "Integrationstechnologie").
17.3 Impulse einer Pädagogik der Fremde    

Die bildungstheoretisch leitenden Kategorien Fremde, Subversion und Inklusion als Konsequenz für die Praxis kommen im Folgenden unter der Perspektive einer "Pädagogik der Fremde" zur Sprache (vgl. BÖHMER 2016, 74-84, 85-96).

Zudem sind topographische Perspektiven bei Migration und Flucht zu bedenken (vgl. BARBOZA-EBERDING-PANTLE-WINTER 2016).

17.3.1 Bildungsräume    

  • Offenheit für Motivationen und Kompetenzen
Anerkennung und Wertschätzung der Fachkräfte

Weiterentwicklung fachlicher Expertisen

Förderung für professionelles Handeln

  • Offenheit für zivilgesellschaftliche Motivation und Kompetenzen Freiwilliger
Anerkennung und Wertschätzung von Freiwilligkeit

Personalentwicklung Freiwilliger

Förderung individuellen Handelns

  • Offenheit für Motivation, Kompetenzen und Belastungen von Flüchtlingen
Anerkennung der Flüchtlinge

Weiterentwicklung persönlicher Kenntnisse und Fähigkeiten

Aufmerksamkeit für individuelle Prozesse-Bildung, Beruf, Kunst, Kultur, Sport und Religion

Vermittlung von Sicherheit

Erfahrung von Verlässlichkeit und Vertrauen

  • Öffnung von Kommunikation - Formen der Kommunikation
Öffnung von Ausbildungsgängen

Schaffung von Anlaufstellen und mehrsprachiger Information

Transparenz des institutionellen Alltags

Kontakte mit Communities

  • Öffnung der Ordnungen
Berücksichtigung unterschiedlicher Nationen, Kulturen und Weltanschauungen

Berücksichtigung verschiedener Subgruppen

Angebote aktiver sozialer Hybridisierungen

17.3.2 Sicht von Fremdheit    

  • Darstellung von Subjektivität
Benennung von Normen

Darstellung sozialer Konstruktionen

Mehrfachzugehörigkeiten

  • Fremdheit des Bildungssystems
Bedeutung von Mehrsprachigkeit

Ergänzung von nicht-sprachlichen Praktiken

sprachliche Sozialisation durch Lehrangebote

Normierung von Bildungsabschlüssen

  • Fremdheit der im Bildungssystem tätigen Fachkräfte
Analyse deren Rolle in der Selektivität des Bildungssystems

Reflexion der Praktiken in Didaktik und Leistungsbewertung

Entwicklung sozialer Selektivität mit Hinweisen zur Abstellung von Missständen

  • Nutzung alltäglicher Kontakte
Besprechung situativer Fragen und Herausforderungen

Nutzung von wachsenden Beziehungen - Besuche, Kooperationen, Erkundungen von Praxisfeldern

Nutzung verschiedener Kompetenzen

  • Öffnung und Ausstattung von Bildungsräumen
Öffnung unbekannter Sozialformen

Kompetenzen zur Bewältigung des Alltags

Entwicklungsformen und Praktiken von Diversität

materielle Ressourcen

Förderung der Vernetzung

Förderung von Maßnahmen durch Politik

administrative Unterstützung

Mut zu Initiativen in Form von Projekten

  • Topographische Perspektiven
Wege und Lage der Migrations- und Fluchträume

Regionen von kulturellen und religiösen Minderheiten

ökonomische Grundlagen

geographisch-regionale Aspekte einer Besiedelung

17.3.3 Bildungskultur    

Bildung transformiert und ist deshalb subversiv. Die folgenden Konsequenzen sollen dargestellt werden.

  • Identitätsbildung
biographische Erzählungen

autobiographische Arbeiten im Kontext mit Raum- und Zeitzeugen

dialogische Formen

Bildung als Subjektivierung

  • Erweiterung von Lehrinhalten
Ergänzung von Lehrinhalten mit Themen der Herkunftsländer

Themenfelder und Weltbilder anderer Nationen und Kulturen

  • Wandel der Schul- und Bildungskultur
Einbettung von Subjektivität in das gesellschaftliche Umfeld

Wechselwirkungen von Individuum und Umfeld/Partizipation

Schaffung von sprachlichen und sozialen Brückenbauern

Beschleunigung der Anerkennung beruflicher Qualifikationen/ Bildungsberatung-Nutzung von Kursen bzw. Lehrgängen- Ausbildungsabschlüsse-Nostrifikation

17.3.4 Impulse einer Inklusion    

Inklusion beansprucht Impulse von Barrierefreiheit von Bildungseinrichtungen und deren Angeboten.

  • Inklusion in Teilbereichen
inner-institutioneller Diskurs

Debatte über Vielfalt und Vergesellschaftung von Diversität

Ermöglichung durch Mehrfachzugehörigkeit

Formen der Unterstützung

  • Zielvorhaben einer Inklusion
Zuteilung relevanter Ressourcen und Zugänge

Behandlung konkreter Formen für Annäherung bzw. Abgrenzung

Formulierung von Grenzbereichen zur Verhinderung von Ausschlüssen aus dem demokratischen Gemeinwesen für alle Akteure

  • Didaktik der Selbstbestimmung
Einräumung von Eigenmotivation und Selbstbestimmung in didaktischen Prozessen

Nutzung von Unterstützung- und Interventionsformen durch Lehrende und Experten/ Fachwissen-Kooperation-Management

  • Anerkennung-Selbstbestimmung
Beendigung von Diskriminierung

Akzeptanz von Gender-Identitäten

Akzeptanz von queeren Jugendlichen

Anerkennung von Diversität

Gleichbehandlung von objektiven Leistungen/ Prüfungen-Schulempfehlungen

  • Etablierung demokratischer Grundhaltung
Kommunikation demokratischer Grundhaltung

Absicherung von Kommunikation-Reflexion-Transformation

Einsatz und Absicherung von multiprofessionellen und transkulturellen Teams

Anerkennung und Gestaltung einer Gesprächskultur mit Flüchtlingen

Gelassenheit als pädagogische Grundhaltung

Perspektive der Bereicherung

Nutzung von Freiräumen

Reflexion pädagogischer Macht

Nutzung von Freiwilligkeit

Aufnahme von selbstbestimmten Prozessen von Flüchtlingen/fehlende Sozialisation-Fluchterfahrungen-Einzelfallabsprachen-Grundkenntnisse

17.4 Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen in der EU    

Die BERTELSMANN-STUDIE vom 29. September 2016 "Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen: Kein Patentrezept in Sicht" beschäftigt sich mit den Herausforderungen, Asylbewerber und Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Die Instrumente sind vielfältig, etwa Sprachkurse, Praktika, Kompetenzfeststellungen und Qualifizierungen. Ein schlagkräftiges Konzept fehlt jedoch, wie die Studie zeigt.

Steigende Flüchtlingszahlen gelten in den EU-Staaten als Herausforderung für eine bessere und schnellere Integration. Dies gilt auch in den Ländern, die der Aufnahme von Flüchtlingen mit Skepsis begegnen. Vor allem skandinavische Länder haben große Erfahrung in der Arbeitsmarktintegration, andere Länder benötigen verstärkt Förderprogramme. Die meisten EU-Länder stehen bei der Umsetzung von Integrationsstrategien erst am Anfang.

Das Forschungsteam des "Migration Policy Centre am Europäischen Hochschulinstitut"/Florenz untersuchte

  • neben staatlicher Integrationspolitik auch kommunale und gemeinnützige Integrationsprojekte
  • in Österreich, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Spanien, Schweden und Großbritannien.
  • Die Befunde zeigen, dass fast alle Länder 2015 neue Programme aufgelegt oder vorhandene Förderprogramme auf Flüchtlinge ausgeweitet haben.
In den untersuchten neun Ländern zählten die Autoren 94 unterschiedliche Programme.

  • Verbreitet sind hauptsächlich Sprach- und Orientierungskurse, Maßnahmen zur Erfassung beruflicher Kompetenzen sowie Vermittlungs- und Beratungsdienstleistungen.
  • Budgetmittel wurden teilweise deutlich erhöht.
Ernüchternd ist die Tatsache, dass

  • in keinem Land die Ressourcen ausreichen,
  • viele untersuchten Maßnahmen lediglich Pilotcharakter besitzen, daher geringe Teilnehmerzahlen vorhanden sind,
  • personelle Engpässe und Unsicherheiten bei der Finanzierung zu langen Wartezeiten und erschwertem Zugang zu den verfügbaren Plätzen führen.
Am wenigsten Unterstützung erfahren Flüchtlinge in Großbritannien und in Frankreich.

  • Hier fehlt eine staatlich organisierte Integrationspolitik.
  • Flüchtlinge sind daher auf Projekte gemeinnütziger Organisationen angewiesen.
Ehrgeizige Ansätze verfolgen dagegen Dänemark und Schweden.

  • Angeboten werden hier Flüchtlingen und deren Angehörigen mehrjährige Einführungsprogramme,
  • je nach Bedarf mit Sprachtraining, berufliche Orientierung, Praktika und subventionierten Beschäftigungsgelegenheiten.
Unterschiedliche Rahmenbedingungen und ähnliche Herausforderungen ergeben sich aus dem speziellen Förderbedarf von Geflüchteten.

  • Die bestehenden Förderangebote für Migranten wurden auf Flüchtlinge ausgeweitet.
  • Zu berücksichtigen sind jedenfalls die Schwierigkeiten von Flüchtlingen bei der Arbeitssuche, weshalb spezifische Fördermaßnahmen zu berücksichtigen sind.
  • Verbesserungsbedarf gibt es deshalb bei der institutionellen Koordinierung, Unterbringung in Gemeinden und Versorgung. Eine Gesamtstrategie sei dringend notwendig.
Kritik ergibt sich an den administrativen und rechtlichen Hürden.

  • So dürfen anerkannte Asylsuchende nur dann einen Job annehmen, wenn kein einheimischer Arbeitssuchender infrage kommt.
  • Eine Ausübung einer selbständigen Tätigkeit ist häufig nicht erlaubt.
  • Arbeitssuche wird durch Wohnsitzauflagen erschwert. Oft werden Flüchtlinge nicht nach dem Arbeitskräftebedarf verteilt. Flüchtlinge in strukturschwachen Regionen haben so das Nachsehen.
Der Erfolg der Länder hängt von vielen Faktoren ab.

  • In Großbritannien konnten nach drei Jahren weniger als ein Drittel der Teilnehmer beschäftigen (vgl. ebenso Deutschland). Hier fand hingegen zwischen 2005 und 2009 immerhin knapp die Hälfte der Flüchtlinge nach 21 Monaten einen Job.
  • Entscheidend ist neben Qualifikationen und Sprachkenntnissen die Lage auf dem nationalen Arbeitsmarkt.
  • In Italien und Spanien haben Flüchtlinge wegen der hohen Arbeitslosigkeit geringe Chancen auf einen Job.
Als Erfolgsfaktor gilt

  • eine frühe Arbeitserfahrung für Flüchtlinge, wobei die Erfahrungen aus Skandinavien zeigen, dass das Erlernen der Landessprache, Praktika mit Arbeitserfahrung und Einstiegsjobs in der lokalen Wirtschaft hilfreich sind.
  • Sinnvoll sind flexible Programme mit Berufseinstieg und Sprachkursen sowie einer Weiterqualifizierung.
18 Ungelöste Probleme der Migration    

Das Migrationsproblem in Europa wird uns, so die Perspektiven, lange beschäftigen (vgl. KAGER 2017, 13).

  • Weltweit gibt es mit Stand 2017 245 Millionen Migranten, 20 Millionen sind Flüchtlinge mit den Hauptaufnahmeländern der Nachbarn in Afrika, dem Nahen Osten und Asien. Auf die Industrieländer entfallen rund drei Millionen Flüchtlinge.
  • Laut UNHCR gibt es 37 Millionen Binnenflüchtlinge, die innerhalb der Staatsgrenzen die Region verlassen bzw. fliehen, etwa in Syrien oder im Irak). Gründe sind Krieg, Vertreibung und Hunger.
  • Zwei Faktoren sind für Europa zu beachten und verantwortlich für die Flüchtlings- und Immigrationswelle.
    • Die mangelhafte internationale Flüchtlingswelle zeigt, dass das UNHCR 2014 um zusätzlich 7,7 Mrd. Dollar für fünf Millionen syrische Flüchtlinge bat, bekommen hat es die Hälfte(vgl. Österreich hat 3,6 Mill.€ an das UNHCR und 5,3 Mill. € Direkthilfe gegeben). Die Folge war eine Reduzierung der Nahrungsmittelhilfe auf monatlich 12,5 Dollar pro Kopf. Damit war die Flucht aus den Lagern garantiert.
    • In Somalia und Afghanistan geht es nicht um ein besseres Leben, vielmehr um ein Überleben. Fluchtgründe sind nicht Pull-Faktoren wie Mindestsicherung und Sozialleistungen, vielmehr Krieg, Hunger und Angst.
  • Das größte Problem langfristig für Europa stellt die Migration in Afrika dar. Hier geht es nicht um Wirtschaftsflüchtlinge, vielmehr ist die Klimaerwärmung Grund für riesige Dürregebiete, die Menschen zur Flucht treibt.
    • Europa kann nicht Millionen Flüchtlinge aus Afrika aufnehmen.
    • Europa kann helfen, um etwa eine Elektrifizierung aufzubauen, um Strom für Tiefbrunnen einzusetzen. Generell geht es um den Auf- bzw. Ausbau von Infrastruktur in Afrika.
    • Der G20-Gipfel im Juli 2017 hatte die Afrika-Hilfe auf der Agenda.
Es geht also um langfristige internationale Flüchtlingshilfe, also um globale sozio-ökonomische Hilfestellungen, denn Anhaltelager, Stacheldraht und Routenbeschränkungen stellen keine Lösung dar.

Zu beachten ist langfristig, dass Migration mit Millionen Auswanderern ein Dauerthema bleibt (vgl. Internethinweis).

Internethinweis

http://orf.at/stories/2398791 (11.7.2017)

19 Flüchtlingspolitik - Integration von Flüchtlingen und Migranten    

Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf den Erkenntnistand des Zeitraums von August 2015 bis August 2016, in dem sich in der Flüchtlingspolitik ungeheuer viel zugetragen hat und neue Strukturen und Abläufe von Integrationsbemühungen entstanden (vgl. HEYSE-ERPECKENBECK-ORTMANN 2016, 13-19). Zentrales Thema ist demnach eine kompetente Integration von Flüchtlingen.

Hilfreich sind die Erkenntnisse in Informations- und Trainingsprogrammen von HEYSE und ERPENBECK(2009).

  • Es geht um wahre Flüchtlings- und Migrationsströme.
  • Im Folgenden geht es um den Nachweis der bei den Flüchtlingen und Migranten mehrheitlich vorhandenen überfachlichen Kompetenzen und Stärken, die es anzuerkennen und zu nutzen gilt, wobei zu differenzieren ist zwischen Heranwachsenden und Erwachsenen.
  • Integrationsschritte bzw. Stufen werden in sechs Thesen vorgeschlagen.
19.1 Flüchtlings- und Migrationsströme    

Europa und der deutschsprachige Raum stehen nicht machtlos und voraussetzungslos einer großen Einwanderungswelle gegenüber. Die große Mehrheit eingewanderter Personen stammt aus dem EU-Raum(Binnenwanderung). Diese bestimmen frei ihren Wohnort. Gründe sind allgemein Studium, Ausbildung, Arbeitstätigkeiten und Familiennachzug.

Ebenso stimmt nicht die Bedrohung Europas bzw. des deutschsprachigen Raumes durch rund 60 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind. Die meisten ostafrikanische Flüchtlinge wurden von Äthiopien aufgenommen, die meisten Syrer von der Türkei, vom Iran und dem Libanon. Die meisten Afghanen wurden bisher vom Iran aufgenommen. Große Wanderbewegungen von lateinamerikanischen Staaten gehen in Richtung der USA und Kanada (vgl. HEYSE-ERRPENBECK-ORTMANN 2016, 21).

Historisch gesehen ergibt sich ein Bild von Migration in Europa im 19. Jahrhundert mit der wahrscheinlich größten Auswanderungsbewegung in der bisherigen Menschheitsgeschichte. Zwischen 1841 und 1880 verließen 13 Millionen Europa. 1871 und 1913 waren es 34 Millionen, wobei sechs bis sieben Millionen Deutsche allein zu verzeichnen waren (vgl. HEYSE-HEYSE 2014; HEYSE-ERPENBECK-ORTMANN 2016, 22).

Zu bedenken sind die hohen Einwanderungsströme im Laufe und am Ende des Zweiten Weltkrieges, DDR- und Ungarnflüchtlinge sowie Flüchtlinge durch den Balkankrieg.

Zentral ergibt sich die Frage bei den heutigen Flüchtlingsströmen aus dem Nahen Osten, inwieweit die Mehrheit rasch in Arbeit und Alltag integriert werden kann. Je schneller dies gelingt, desto schneller sinkt der Integrationsaufwand aus Steuergeldern und eine Refinanzierung kann stattfinden. Werden zudem überfachliche Kompetenzen eingebracht, kann es zu einer erfolgreicheren Integration kommen.

19.2 Umsetzung einer Integrationskultur    

Europa gewinnt oder scheitert im Zueinanderfinden unterschiedlicher Kulturen (vgl. HEYSE-ERPENBECK-ORTMANN 2016, 24-25).

  • Es geht in dieser Herausforderung um die Chance, den gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Bestand zu überprüfen, Veränderungen zu gestatten und die viel besprochenen Dynamik zu leben. Derzeit wird Wandelfähigkeit gefordert, Beharren aber zumeist gelebt. Grenzen der staatlichen Verantwortung und Zuständigkeiten werden deutlich.
  • Umzudenken ist der Bereich der Aus- und Weiterbildung (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Bildungsreform).
  • Integration umfasst den Bereich überfachlicher Kompetenzen (Handlungsfähigkeit). Darunter versteht man Fähigkeiten, in zukünftige Situationen eigenorganisiert und kreativ zu handeln. Hier können die individuellen Potenziale und Stärken erkannt und eine intelligente Integration zur Geltung kommen.
Es geht demnach um Handlungsfähigkeit, also um

    • personale Kompetenz,
    • Aktivitäts- und Handlungskompetenz,
    • Fach- und Methodenkompetenz sowie
    • sozial-kommunikative Kompetenz.
    • Innerhalb dieser vier Basisgruppen werden 64 empirisch begründete Schlüsselkompetenzen nach HEYSE-ERPENBECK unterschieden (vgl. HEYSE-ERPENBCK-ORTMANN 2016, 25, 27-29, 43-47; HEYSE-ERPENBECK 2009).
Von Interesse sind die 14 Schlüsselkompetenzen der "Interkulturellen Kompetenz" als Querschnittskompetenz, wobei bei der Hälfte der Kompetenzen eine Übereinstimmung von Erwachsenen und Heranwachsenden sich vorfindet.

  • Glaubwürdigkeit
  • Anpassungsfähigkeit
  • Beziehungsmanagement
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Offenheit für Veränderungen
  • Belastbarkeit
  • Konfliktlösungsfähigkeit
  • Lernbereitschaft
  • Mobilität
  • Folgebewusstsein
  • Integrationsfähigkeit
  • Kooperationsfähigkeit
  • Verständigungsbereitschaft
  • Hilfsbereitschaft
Notwendig sind der

  • Aufbau von Gemeinsamkeiten,
  • Unterschiede zu thematisieren,
  • Verständnis für kulturelle Unterschiede,
  • Formulierung von Normen des Zusammenlebens unter Beachtung grundsätzlicher Akzeptanz ("kritische Toleranz") und
  • gegenseitige Lernfähigkeit.
19.3 Stufen und Schritte einer kompetenten Integration    

Diversität ist ein Kennzeichen von Flüchtlingen und Migranten. Es gibt keine homogenen Gruppierungen, Nationalitäten und Religionen.

Dringend erforderlich ist demnach

  • eine Wertschätzung und Unterstützung,
  • eine Wahrnehmung als gesellschaftliche Bereicherung (Berufsleben/"Job-Motoren", Lernen im sozialen Umfeld/Schule-Erwachsenenbildung-Sportverein- Hilfsorganisationen-Freizeitvereine),
  • Integrations-Coaches als Brückenfunktion (Migranten mit akademischen Abschlüssen als Schlüsselpersonen mit überfachlicher Kompetenz),
  • eine Bildungsoffensive (Sprachenerwerb-Politische Bildung-Interkulturelle Kompetenz-Vorberufliche Bildung),
  • Abwehr von integrationsfeindlichen Kräften und
  • Öffnung von kommunalen und staatlichen Arbeitsstellen.
19.4 Der Beitrag von Muslims in Österreich    

Im Folgenden soll das Engagement von Muslims im Sommer 2015 dokumentiert werden und auf deren Kompetenzen im Integrationsprozess von Flüchtlingen mit sechs Thesen eingegangen werden (vgl. SHAKIR-TOPALOVIC 2016, 83-102).

In den folgenden sechs Thesen sollen daher Überlegungen angestellt werden, die künftige Aktivitäten von Muslimen zur Integration und Kompetenzstärkung verdeutlichen sollen.

  • Einheimische Muslime besitzen sprachliche und kulturelle Kompetenzen und können als Modelle eingesetzt werden. Bilingualität ist von Vorteil.
  • Durch kulturelle Kompetenz können Kulturcoaches agieren (vgl. Kenntnis von Symbolen, Normen, Sitten, Regeln, Verhalten und Beziehungen).
  • Durch interreligiöse Kompetenz trägt man zum gesellschaftlichen Frieden bei (vgl. WILLEMS 2011; ENDER 2012, 141-158).
  • Muslime helfen bei der Verarbeitung von Fluchterfahrungen und können Vorbildfunktionen besitzen.
  • Die muslimische Jugend kann die Integration von jungen Flüchtlingen fördern.
  • Muslime nehmen an der europäischen Diskussion teil und bringen sich in einem inner-muslimischen Diskurs ein.
19.5 Notwendigkeit neuer Lernkulturen    

Neue Lernkulturen in der Allgemeinen Didaktik, insbesondere hier im Kontext mit der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung, ergeben sich aus der Aufgabe, Flüchtlinge und Migranten schnell(er) zu integrieren. Wenn Integration gelingt, kann eine Zuwanderung, in welcher Form auch immer, als Chance einer demografischen und arbeitsmarktpolitischen sowie persönlichen Entwicklung genützt werden (vgl. SAUER 2016, 113-120; IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Lernkulturen in der Allgemeinen Erwachsenenbildung).

Die pädagogische Herausforderung bezieht sich auf

  • einen anderen Wertekanon, Kulturkreis und ein religiöses Umfeld,
  • ein anderes Gesellschaftssystem,
  • andere Wirtschaftsverhältnisse, Organisationsformen und Erfahrungen,
  • andere Bildungs- und Qualifizierungssysteme und
  • eine andere Sprache bzw. Kommunikationsformen.
Es bedarf demnach pädagogischer Vorgangsweisen, die eine Anpassung der Kompetenzen an die Bedingungen des Gastlandes sicher stellen. Es gilt: Man kann nicht lehren, wie man lebt. Vielmehr muss man lernen, wie man lebt.

  • Es bedarf vieler Gelegenheiten, etwa einer Einführung in das geltende Gesellschaftssystem, der Anpassung der Bildungsabschlüsse, einer Einführung in die Arbeits- und Berufswelt/interkultureller Vorberufliche Bildung, interkultureller Sprachkurse, Kontaktaufnahmen mit sozialen Gruppierungen, kurz einer Gestaltung komplexer Lernkulturen.
  • Lernkulturen nutzen unterschiedliche Lernformen und Lernorte.
Lernprozesse finden statt

  • in der Arbeits- und Berufswelt (lernförderliche Arbeit),
  • in Tätigkeiten des sozialen Umfeldes (etwa soziale Organisationen, Vereinen und Verbänden),
  • im Umfeld einer Sprachförderung (etwa Bildungseinrichtungen; Tourismuseinrichtungen/Begleitung der Lernenden, Einrichtungen mit Transport- und Verkehrsaufgaben - informelles Lernen) und
  • in Einrichtungen von Internet-Plattformen als Lebenshilfe für die Zielgruppe.
Im Zentrum von Integrationsmaßnahmen steht das Bemühen der Schaffung interkultureller Kompetenz (vgl. IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz). Dazu bedarf es der Kenntnis und Vermittlung/Transformation der Lehrenden. Zudem bedarf es in der Aus- und Fortbildung Lehrender in der schulischen und außerschulischen Bildung pädagogischer Maßnahmen der Dimensionen der Vielfalt/Diversität, wobei der Fokus breit zu fassen ist (vgl. REICH 2014; beispielhaft BARSCH-GLUTSCH-MASSUMI 2017, 17-33).

  • Neben sprachlicher Vielfalt sind Fragen und Herausforderungen der Inklusion aufzugreifen.
  • Themen wie die Zuwanderungsgeschichte, der soziokulturelle Hintergrund, religiös-kulturelle und sexuelle Vielfalt bedürfen ebenso eine Beachtung (vgl. BARSCH-GLUTSCH-MASSAMI 2017, 291-307).
  • Diversity ist eine Bedingung schulischen und außerschulischen Lehrens und Lernens.
  • Konzepte zum positiven Umgang mit Vielfalt in pädagogischen Situationen sind aufzuzeigen (vgl. dazu die reichhaltigen Angebote bei REICH 2014).
Didaktisch vollzieht sich das beispielsweise in

  • interkulturellen IT-Angeboten im Kontext von Coaching und Lernhilfen,
  • Selbsthilfegruppen,
  • zielgruppen- und altersgruppenorientierten Sprachkursen mit Anwendungsmöglichkeiten (tätigkeitsintegriertem Lernen)und jedenfalls
  • Beratungs- und Nutzungsmöglichkeiten.
  • Lernkulturen entwickeln sich nicht von selbst, sie bedürfen organisierter Infrastrukturen und eines veränderten Weiterlern-Verständnisses (vgl. MITTELSTRASS 1999, 49-63; SAUER 2016, 118). Vorrangig geht es um IT-Einrichtungen, Kommunikationsstrukturen, gemeinsames Weiterdenken/Planungen und Strukturen einer Bewertung.
  • Es versteht sich von selbst, dass der Fachbereich Politische Bildung interdisziplinär hier herausgefordert ist.
20 Radikalisierungsstudie - Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU 2017/Zusammenfassung    

Studie "Islamistische Radikalisierung. Biographische Verläufe im Kontext der religiösen Sozialisation und des radikalen Milieus" - Ednan Aslan-Evrim Ersan Akkillic, Wien 2017

IT-Hinweis > http://go.apa.at/rLvTFCgX (2.8.2017)

Pressehinweis > Salzburger Nachrichten, 2. August 2017, 3 "Wege in den Radikalismus"

In 312 Seiten in 18 Monaten Recherche ging Ednan Aslan mit seinem Team der Frage nach, welche Rolle Religion in islamischen Radikalisierungsprozessen Jugendlicher in Österreich spielt.

  • 29 radikalisierte Burschen und junge Männer wurden im Frühjahr 2016 ausführlich über ihr Leben befragt.
  • Bis auf drei waren alle Gefängnisinsassen (15 waren wegen terroristischer Straftaten verurteilt).
  • Alle Interviewten haben ihre Wurzeln im Ausland, sind vor Jahren geflüchtet bzw. zugewandert und stammen aus sozial schwächeren Schichten.
Die Positionen "soziale Ungleichheiten-Diskriminierung" und "Quellen und Lehren des Islam" ergänzen sich.

  • Die meisten Interviewten stammen aus gläubigen Elternhäuser und hatten von Anfang an Kenntnisse über die Grundlagen des Islam.
  • Inhalte-Normen-Werte wurden im Radikalisierungsprozess in persönlichen Gesprächen während der Pubertät als Wendepunkt im Leben empfunden.
  • Bestimmte Moscheen und religiöse Autoritäten spielten eine zentrale Rolle.
  • Die verbreitete Rolle führte zum Salafismus.
  • Die Folge war eine Abgrenzung zur Mehrheitsgesellschaft und zu anderen Muslimen mit deren Abwertung.
  • Abgelehnt wird die Gesellschaft als verkommen und die Demokratie.
  • Die Scharia wird als Rechtsordnung und Gesellschaftsgrundlage betont.
  • Die Folge ist eine Entfremdung.
Die Befragten finden lobende Worte für Österreich, für Sozialleistungen und Achtung der Menschenrechte (auch im Gefängnis).

21 Demographie und Religion in Österreich    

Anne Goujon-Sandra Jurasszovich-Michaela Potancokova "Demographie und Religion in Österreich. Szenarie 2016 bis 2046", Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften/ÖAW, Wien 2017

IT-Hinweis > http://orf.at/stories/2401893/2401894/ (5.8.2017)

Das Team um Anne Goujon der ÖAW hat die gegenwärtige religiöse Zusammensetzung der österreichischen Bevölkerung analysiert und seit 2011 erstmals valide Daten zur Thematik geliefert. 2015 während der Flüchtlingskrise und 2016 während des Präsidentschaftswahlkampfes wurde über eine Islamisierung spekuliert. Grundlage waren Vermutungen. 2017 liegen Zahlen vor.

Der Anteil der Katholiken sank seit der Volkszählung 2001 von rund drei Viertel auf knapp zwei Drittel (64 Prozent).

Den stärksten Zuwachs in den letzten 15 Jahren gab es bei der Gruppe der Konfessionslosen. 2001 waren es zwölf Prozent, 2016 schon 17 Prozent.

Die muslimische Bevölkerung stieg von vier auf acht Prozent.

Die Zahl der orthodoxen Christen stieg von zwei auf fünf Prozent.

Der Anteil der evangelischen Christen blieb in den letzten Jahren konstant bei fünf Prozent.

Unter Sonstige fallen in der Studie u.a. Juden (aktuell rund 15 000).

Anzumerken ist, dass bewusst nich die Zahlen der Religionsgemeinschaften verwendet wurden, vielmehr die Zahlen des Zensus aus 2001 hochgerechnet wurden. Es sollten nicht nur offizielle Mitglieder gezählt werden. Gerade Migranten melden sich nicht offiziell bei Religionsgemeinschaften an, etwa weil sie Mitgliedsbeiträge zahlen müssen.

Die exakte Zahl bei Christen - so die Studie der ÖAW - liege irgendwo zwischen der hochgerechneten Zahl der Studie und den Angaben der Religionsgemeinschaften.

Die Studie entwickelt verschiedene Szenarien, je nach der Zahl der Zuwanderung. Ähnlicher Tendenzen ergeben sich bis 2046.

  • Der Anteil der Katholiken wird unter 50 Prozent sinken (42-47 Prozent).
  • Protestanten bleiben relativ stabil (vier bis fünf Prozent).
  • Orthodoxe werden etwa sechs bis neun Prozent ausmachen.
  • Konfessionslose machen 2046 21-28 Prozent aus.
  • Die muslimische Bevölkerung wird zwischen zwölf und 21 Prozent liegen.
VII HISTORISCHE POLITISCHE BILDUNG    

22 Migration im 20. und 21. Jahrhundert    

Ein Blick in die internationale Entwicklung erklärt die tiefen Einschnitte in die weltpolitische Ordnung und die weltwirtschaftlichen Verhältnisse, die für Österreich von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. OLTMER 2017, 128-238).

  • Europa verlor in kurzer Zeit die Position des globalen politischen Zentrums.
  • Die Kolonialreiche waren aus politischen und ökonomischen Gründen nicht haltbar.
  • In den militärischen Konflikten des 20. Jahrhunderts - zwei Weltkriege und Stellvertreterkriege bis in das 21. Jahrhundert - und der Folgen kam es zu enormen Gewaltmigrationen(Deportationen, Zwangsarbeit, Evakuierungen, Flucht und Asyl).
  • Massenausweisungen und Vertreibung nach den jeweiligen Kriegsenden weisen auf weltweite Wanderungsströme.
Im Folgenden werden verkürzt einige wesentliche Aspekte als Themen der beiden Weltkriege, deren Folgen, der Dekolonisation, der Anwerbeabkommen und globaler Flüchtlingsfragen aus der Sicht Politischer Bildung und Interkultureller Kompetenz aufgezeigt.

22.1 Erster Weltkrieg und Folgen    

Als Weltkrieg kommt es zum Anwachsen militärischer Kapazitäten in kürzester Zeit mit der Entwurzelung von Millionen von Zivilisten in den Kampfzonen.

  • Fluchtbewegungen in Ostpreußen, panikartige Evakuierungen im österreichisch-ungarischen Galizien, riesige Fluchtbewegungen in Belgien, Gewaltmigration gegenüber Minderheiten und die Internationalisierung der Arbeitsmärkte und Heere, mit Deportation und Zwangsrekrutierungen verbunden (afrikanische und indische Soldaten), sowie das Massenphänomen Kriegsgefangene mit Lagerlandschaften lassen Migration anwachsen.
  • Die Folgen sind neue Staatenbildungen mit Grenzverschiebungen (etwa der Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie), Fluchtbewegungen und Umsiedelungen (vgl. die Folgen des Friedens von Lausanne 1923 mit dem Ende des griechisch-türkischen Krieges und großen Umsiedelungen).
  • Zwangsmigration in Osteuropa ergab sich aus dem Revolutionsjahr 1917 und dem folgenden Bürgerkrieg, weltweiten Fluchtbewegungen mit restriktiver Aufnahmepolitik.
  • Ähnliche Entwicklungen ergeben sich ab 1933 aus der Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland (vgl. Nürnberger Gesetze 1935, Novemberpogrom 1938, Abwanderungsverbot 1941).
Ökonomische Folgen von Migration nach dem Ersten Weltkrieg ergeben eine inflationäre Geldentwertung mit allen Behinderungen und Belastungen im Welthandel und protektionistische Abgrenzungen der einzelnen Volkswirtschaften (De-Globalisierung, Desintegration).

  • Eine massive europäische Übersee-Migration sinkt zunächst, steigt ab 1923 durch die Perspektivenlosigkeit in Europa und fällt danach durch die Weltwirtschaftskrise.
  • Quotenregelungen der USA ergeben bürokratische und restriktive Auswanderungsregelungen.
  • Eine Richtungsverlagerung hin zu Lateinamerika, Kanada, Australien und Neuseeland ist die Folge.
  • Rückwanderungsbewegungen sind zu verzeichnen (vgl. rund die Hälfte deutscher Argentinienmigranten kehren als Folge der Weltwirtschaftskrise zurück).
  • Gegenläufig kommt es zur Anwerbung Tausender Facharbeiter und Handwerker in der Sowjetunion, in der Folge ab 1932 zu deren Rückkehr.
  • Die Zahl der Obdachlosen der dreißiger Jahre in den USA bildet die Verbindung von Wirtschafts- und Umweltkrise (vgl. die Folgen der Urbarmachung der Prärie für den Weizenanbau mit den Folgen für das regionale Ökosystem - John STEINBECK "Früchte des Zorns").
22.2 Zweiter Weltkrieg und Folgen    

Als globaler Konflikt ergeben sich im Zweiten Weltkrieg und in den Folgejahren Flucht, Vertreibung, Deportation, Zwangsarbeit und Bevölkerungsverluste in noch größeren Dimensionen. Neben Europa ist der pazifische Raum ein wesentlicher Kriegsschauplatz.

  • Das NS-Reich konnte sechs Jahre lang nur einen Krieg führen, weil er als Beutekrieg geplant war.
  • Darunter fallen die hohe Zahl der ausländischen Zwangsarbeiter aus etwa 26 Ländern.
  • Unterschiedliche Zwangsarbeit gab es durch Japan im pazifischen Krieg (Korea, China, Philippinen, Taiwan, Indonesien, Burma).
  • Kennzeichnend waren für die deutsche Besatzungspolitik rassistische Kriterien mit Deportationen der ansässigen Bevölkerung bis hin zur NS-Mordpolitik.
Wesentliche Kriegsfolgewanderungen ergaben sich bei den "Displaced Persons"/DPs in Deutschland.

Daneben gab es große Migrantengruppen wie etwa Flüchtlinge und Evakuierte in den vier Besatzungszonen.

  • Ein besonderes Problem war deren Aufnahme und Versorgung (vgl. etwa die Aufnahme von Volksdeutschen, Siebenbürger-Sachsen und Banat-Deutschen).
  • Mit der Verschiebung der Ostgrenzen kam es auf den Konferenzen von Teheran 1943, Jalta 1945 und Potsdam 1945 zu Festlegungen der Siegermächte zur "humanen Überführung deutscher Bevölkerungsteile".
  • Auf Grund der unregelmäßigen Verteilung der Flüchtlinge und Vertriebenen km es zu Spannungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen, zumeist aus der Unterkunftsfrage.
Die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen waren zerstört. Eine transkontinentale Abwanderung regelte sich nach Jahren restriktiver alliierter Regelungen erst mit der Freigabe von Auswanderung in die Zielländer USA, Kanada und Australien.

22.3 Migration als Folge von "Kaltem Krieg", Dekolonisation und Anwerbeabkommen    

Der "Kalte Krieg" bedeutet eine Phase des Nicht-Friedens zwischen den USA und der Sowjetunion, die sich als kriegsähnlich bezeichnen lässt.

Dekolonisation bezeichnet die Anfänge von Befreiungsbewegungen bis zur Staatenbildung und Unabhängigkeit ehemaliger Kolonien.

Anwerbeabkommen bedeuten Arbeitsmigration in der Folge mit ökonomischem, politischem und sozialem Wandel in der Gesellschaft sowie zwischenstaatlichen Anwerbevereinbarungen.

22.3.1 Kalter Krieg    

  • Die Teilung der Welt im "Kalten Krieg" bedeutete eine restriktive Lenkung von Arbeitskräften im Inneren und Beschränkung der Abwanderung Migration beschränkt sich auf Flucht oder Ausweisung von Dissidenten.
    • Zudem gab es konnationale Bewegungen (Zuwanderung von Minderheiten mit der Annahme einer eigenen Nation; vgl. Aussiedler nach Deutschland, Pontos-Griechen nach Griechenland, Karelien-Finnen nach Finnland, Juden nach Israel).
    • Der kurzfristige Zusammenbruch von restriktiven Regimen wie 1956 Ungarn, 1968 Tschechoslowakei und Ende der achtziger Jahre und frühen neunziger Jahre Polen kennzeichnet eine Destabilisierung.
    • Als Sonderfall gilt die DDR mit den Abwanderungsbewegungen und dem Bau der Berliner Mauer 1961 und den Fluchtbewegungen.
  • Stellvertreterkriege mit migratorischer Wirkung in Weltregionen ergaben sich in Korea 1950-1953, in Vietnam 1961-1975 und Afghanistan 1979-1989.
    • Vor allem in Vietnam führte der Krieg zu einer weitreichenden Abwanderung der Bevölkerung ("Binnenvertreibung", "boat people").
    • Migratorische Folgen bis heute zeigen sich im Afghanistankrieg und in der Kontaktlosigkeit der beiden koreanischchen Staaten.
22.3.2 Dekolonisation    

Bereits nach dem Ersten Weltkrieg gab es anti-koloniale Befreiungsbewegungen durch den Widerstand einer Ausrichtung von Wirtschaft und Gesellschaft auf europäische Interessen(Eurozentrismus).

Mit den Niederlagen Frankreichs, Belgiens, der Niederlande und den ökonomischen und militärischen Belastungen Großbritanniens sowie der Eroberung von Kolonialgebieten im pazifischen Raum kam es zum Ende des Kolonialismus.

Der Kalte Krieg und die Dekolonisation stehen in enger Verbindung. Die beiden Supermächte konkurrierten auch in Teilen der Welt, die Kolonien waren/Afrika, Asien, Mittelamerika.

22.3.3 Anwerbeabkommen    

Ab den sechziger Jahren herrschte in der westlichen Welt am Arbeitsmarkt in einigen Segmenten ein hoher Bedarf an Arbeitskräften.

Beispielhaft zeigt sich dies im

  • "Bracero-Programm" bereits 1942 zwischen den USA und Mexiko,
  • der verstärkten Zuwanderung ab den achtziger Jahren in die USA mit einer Verschiebung der Herkunftsräume und
  • der Anwerbung von Arbeitskräften in Europa durch bilaterale Wanderungsabkommen wie 1948 von Italien-Schweiz, 1946/1948 Italien-Belgien, 1947/1948 Italien-Frankreich und 1955 Italien-Deutschland.
  • 1947 räumte Frankreich muslimischen Algeriern die Staatsbürgerschaft und ungehinderte Zuwanderung ein.
  • Ab den sechziger Jahren öffneten sich die Arbeitsmärkte für Zuwanderer aus dem Ausland - Spanien, Griechenland, Türkei, Jugoslawien - zusätzlich in Deutschland, auch in Österreich und Schweden. Wirtschaftliche Expansion benötigte zusätzliche Arbeitskräfte.
    • Es ergibt sich ein wesentlicher Beitrag zur eigenen Volkswirtschaft.
    • Die Regierungen der Abwanderungsländer verbuchen eine Entlastung des eigenen Arbeitsmarktes.
    • Erhofft wird eine Möglichkeit der Nutzung von beruflichen Erfahrungen und Qualifikationen für die eigene Wirtschaft.
    • Nicht zu unterschätzen sind die Rückführung von Einnahmen zur Verbesserung des privaten Standards in den Herkunftsländern.
    • Von Interesse sind die ökonomisch-politischen Entwicklungsprojekte durch die Arbeitsmigration, da alle Staaten in den sechziger Jahren autoritäre Systeme aufwiesen.
Als Illusion erwiesen sich Vorstellungen über die Steuerbarkeit von Zuwanderung.

  • Es kam in der Folge zum Familiennachzug, zu Asylzuwanderung und im europäischen Wirtschaftsraum zur Zuwanderung von Hochqualifizierten und Arbeitskräften aus dem eigenen Wirtschaftsraum.
  • Ab 1968 war für Arbeitsmigranten innerhalb der EWG keine Arbeitserlaubnis nötig.
  • Ab den sechziger Jahren waren in allen europäischen Zielländern Niederlassungsprozesse zu beobachten. In der Folge kam es zu politischen Diskussionen über Konkurrenzsituationen, Integrationsbemühungen, Steuerungsmaßnahmen, Kontrollen und einer Verminderung der Zuwanderung(vgl. Schengenabkommen 1985).
Während in Westeuropa Beschränkungen diskutiert wurden, öffneten gleichzeitig die Golfstaaten die Zuwanderung(vgl. zunächst Zuwanderer im Bau-, Hotel- und Gaststättengewerbe sowie haushaltsnahen Dienstleistungen; in der Folge ab den achtziger Jahren hochqualifizierte Zuwanderer aus Asien, Europa und Nordamerika für die Öl- und Bauindustrie, das Gesundheits- und Bildungswesen, die Tourismus- und Finanzdienstleistungen).

22.4 Neue Ost-West-Migration - globale Flüchtlingsfragen    

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, der Bildung neuer Staaten auf deren Territorium und der Auflösung des "Warschauer Pakts" kommt es zum Ende des "Kalten Krieges" und der Öffnung des Eisernen Vorhangs 1989/1990.

Zu beachten ist das Wachstum der Städte weltweit, Urbanisierungstendenzen sind zu beachten.

Mit dem Klimawandel und Umweltveränderungen entstehen umweltbedingte Bestimmungsfaktoren im Migrationsgeschehen. Unterschiedliche Einschätzungen über den Umfang umweltbedingter globaler Migration liegen aktuell vor. Entsprechend gibt es keine klare Definition über die Begriffe "Umweltflüchtlinge", "Klimaflüchtlinge" und "Katastrophenvertriebene".

22.4.1 Ost-West-Wanderung in Europa    

Mit den Systemtransformationen in den Staaten Ostmittel-, Südost- und Osteuropas sowie den ökonomischen Ungleichheiten kommt es zu neuen Wanderungsbewegungen in Europa. Die Grenzöffnungen 1989/1990 und starken Zuwanderungen ergaben von west- und mitteleuropäischen Staaten Restriktionen und Abwehrmaßnahmen. Die Arbeitsmärkte und gesellschaftliche Konflikte galten als bedrohlich.

Die Osterweiterung 2004 und 2007 der Europäischen Union bildete einen wesentlichen Einschnitt mit der Freizügigkeit, die allen EU-Bürgern gewährt wird.

  • Die albanische Migration bevorzugte Italien und Griechenland.
  • Nach Österreich kamen die Zuwanderungen aus Jugoslawien und den Nachfolgestaaten.
  • Polnische Arbeitskräfte wanderten zunehmend nach Deutschland.
  • Zudem beeinflussten migratorische Netzwerke Schwerpunktbildungen der Zuwanderung (vgl. die Bedeutung von Hilfestellungen von Verwandten bzw. Freunden aus dem Ausland, besonders bevorzugt war 1989 bis 1991 aus Südosteuropa Wien).
  • Mitte der neunziger Jahre verlegte sich nach Restriktionen von Deutschland die Attraktivität für polnische Zuwanderer nach Spanien, Großbritannien, Belgien, Frankreich, Italien und letztlich nach Irland.
Minderheiten strebten in Form von

  • Pontos-Griechen aus der Sowjetunion nach Griechenland,
  • polnische Repatrianten kamen aus der Sowjetunion und den Nachfolgestaaten nach Polen,
  • Juden aus Osteuropa wanderten nach Israel,
  • Karelier strebten nach Finnland, Tschechen aus der Ukraine und Serbien in die Tschechoslowakei, Slowaken aus Ungarn und der Ukraine in die Slowakei.
  • Die Aussiedler als Angehörige von Minderheiten in Ostmittel-, Südost- und Osteuropa wurden in Deutschland aufgenommen.
22.4.2 Verstädterung    

2007 überstieg laut UN weltweit die Zahl der Stadtbewohner die ländliche Bevölkerung.

  • Die Rate der Urbanisierung weist Nordamerika mit 82 Prozent, Südamerika und Karibik mit 80 Prozent, Europa mit 76 Prozent und Ozeanien mit 71 Prozent die entsprechenden Positionen zu.
  • Zonen hoher Verstädterung bilden die Stadtstaaten Singapur, Hongkong und Macao, Japan mit seinen Regionen und einzelne Emirate am Persischen Golf wie Kuweit (98,3 Prozent) und Katar (99,2 Prozent)(vgl. OLTMER 2017, 211).
  • Mega--Cities bilden der Großraum Tokio, Delhi, Shanghai, Mexico-City, Mumbai und Sao Paulo. Das höchste Wachstum weisen Lagos und Kairo auf.
  • Kennzeichnend für diese Entwicklung sind die mangelhafte Infrastruktur, soziale Konflikte und Bildungen von Slums.
Trotzdem bilden Städte auch in der Zukunft attraktive Zuwanderungsziele. Das Beispiel China zeigt die Wirkung der intra- und interregionalen Migrationen im Kontext mit einer ökonomischen Umwälzung seit den achtziger Jahren.

22.4.3 Klimawandel - Umweltveränderungen    

Der Umfang labiler Regionen wächst unbestreitbar. Versalzungen, Versteppungen, Überschwemmungen und Verschmutzungen nehmen zu. Allerdings sind die Kenntnisse über die Bedeutung umweltbedingter Bestimmungsfaktoren im Migrationsgeschehen und umgekehrt über den Stellenwert von Migration bei globalen Umweltveränderungen gering (vgl. OLTMER 2017, 218).

Unterschiedliche Einschätzungen der UN, des Roten Kreuzes und von Beiräten von Regierungen bei globalen Belastungen der Umwelt auf Betroffene weisen auf eine geringe Klarheit hin. Wenig hilfreich sind daher auch die Begriffe Umweltflüchtling und Klimaflüchtling.

Für die Politische Bildung kann gelten, dass eine Überlastung der Umwelt in der Regel mit ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Faktoren zusammenwirkt.

  • Definitionen werden daher enger gefasst, etwa aktuell als "Katastrophenvertriebene".
  • Umweltbedingte Krisen ergeben zumeist prekäre ökonomische Grundlagen, so dass eine Abwanderung eine Verbesserung der Lebensumstände ergibt.
  • In der Folge kommt es zu Konfliktsituationen, kulturell und politisch mit geringen Problemlösungskapazitäten, krisenanfälligen Ökonomien und gesellschaftlichem Unfrieden.
  • Umgekehrt kann man davon ausgehen, dass stabile Systeme Reaktionsmuster entwickeln können, die eine konfliktärmere Bewältigung von Folgen umweltbedingter Krisen erwarten lassen (vgl. OLTMER 2017, 221; man denke an Umsiedelungsprojekten bei Bauten großer Staudämme, Hafenanlagen oder Flughäfen. Ebenso gilt das für Bauten neuer Stadtquartiere oder Ansiedelungen von Unternehmen in Slums bzw. unmodernen Stadtregionen sowie bei der Errichtung von großen Sportstätten).
Dies wirft die Frage von Zuwanderungszielen als Voraussetzung für eine solche Massenmigration auf.

Zu erwähnen ist die Forderung von Hilfsorganisationen nach einer Erweiterung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Anerkennung der Folgen des Klimawandels als Schutzgrund.

22.5 Fluchtwelle 2015 - Unterstützung von Flüchtlingen    

22.5.1 Sommer der Migration 2015    

Das Jahr 2015 mit seinem "Sommer der Migration" gilt mit seiner Hilfe für Geflüchtete und dem sichtbaren Leid von Schutzsuchenden als ein Einschnitt in unsere politische Kultur, die in der Politischen Bildung näher zu beleuchten ist. Flucht und Asyl, konkrete Veränderungen über Ländergrenzen hinweg, globale Perspektiven, staatliche Überforderung, zivilgesellschaftliche Unterstützungsnetzwerke mit konkreter und unbürokratischer Hilfe kennzeichneten einen Zeitabschnitt, der seit 1945 in unserer Gesellschaft nicht vorhanden war (vgl. FRITSCHE-SCHREIER 2017, 11-12).

In der Folge ging es um die Frage, ob "wir das schaffen", ging es doch rückblickend um die Planung von Hilfe und Unterstützung innerhalb kürzester Zeit. Inzwischen ist die Balkan-Route so gut wie abgeriegelt. Eine Flucht über das Mittelmeer ist lebensgefährlich, die Kontrollen an den europäischen Außengrenzen haben zugenommen, seit 2016 sinkt deutlich die Zahl der Flüchtenden. Überlegungen zu Hilfestellungen in Afrika werden vorgenommen, der Nahe Osten als Fluchtregion besteht und Länder wie der Libanon und Jordanien nehmen enorme Zahlen von Flüchtenden auf (Stand 2017, vgl. 2022).

Mit der Verschärfung des Asylrechts haben staatliche Institutionen Handlungs- und Organisationskompetenz zurückgewonnen, Einrichtungen für Integrationsmaßnahmen wurden vermehrt geschaffen und Bildungsbemühungen für Zugewanderte installiert. Zu beobachten sind menschenfeindliche Äußerungen und Handlungen.

Es bedarf nunmehr im Kontext einer Politischer Bildung einer Orientierungshilfe und vermehrter Bemühungen der Unterstützung für Geflüchtete (vgl. vielfältige Integrationsbemühungen, gleichwertige Lebensbedingungen).

22.5.2 Interkulturelle Kompetenz    

Interkulturelle Kompetenz ist notwendig geworden (vgl. die IT-Autorenbeiträge http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz, Globales Lernen).

  • Flucht und Migration verändern Gesellschaften.
  • Eine aktive Mitgestaltung dieses Prozesses hängt von den Beteiligten ab.
  • Es bedarf der Umsetzung eines kooperativen Miteinanders. Viele Einheimische haben ebenfalls eine Migrations- und Fluchtgeschichte(vgl. Binnenwanderungen in der Monarchie, Auswanderungswellen in die klassischen Auswanderungsländer USA-Kanada-Australien, Fluchtbewegungen des Ersten und Zweiten Weltkrieges, Jahre 1956/Ungarn, 1968/Prager Frühling, 1980/Polen und 1992/Balkankrieg und heutige Mobilität innerhalb der EU).
Für eine zeitgemäße schulische und außerschulische Politische Bildung ergeben sich notwendige Fragen wie etwa

  • In welchem Feld bewege ich mich heute, wenn ich interkulturell handle?
  • Wie kann ich einen selbstkritischen Blick auf mein eigenes Tun werfen?
  • Wie und wo finde ich Menschen, mit denen ich gemeinsam handeln kann?
  • Wie kann ich mich mit meinen Möglichkeiten einbringen?
22.5.3 Unterstützung von Flüchtlingen    

Im Folgenden geht es um konkrete Möglichkeiten und Unterstützungsmaßnahmen sowie um verschiedene Ansätze, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Es geht um materielle Hilfe, Zeit und Platz sowie um Ehrenamtlichkeit/Freiwilligkeit.

Eine Politische Bildung soll beispielhaft Hinweise und Möglichkeiten aufzeigen (vgl. FRITSCHE-SCHREIER 2017, 117-173).

22.5.3.1 Organisationen - Anlaufstellen    

Österreichischer Integrationsfonds

Migrantenzentren/Migrantenberatung

Caritas-Diakonie/Flüchtlingsdienst

Muslimische Jugend

Rotes Kreuz

Volkshilfe

NGO's

22.5.3.2 Formen der Unterstützung    

Sach- und Geldspenden

Übersetzungshilfen

Behördengänge

Fahrdienste

Wohnungssuche

Rechtsberatung

Sozialberatung

Integrationsberatung

Rückkehrberatung

Sprachunterricht

Nostrifikation von Bildungsabschlüssen

Nachhilfeunterricht

Kinder- und Familienbetreuung

religiöse Betreuung

psychologische Betreuung

medizinische Betreuung

Organisation des Zusammenlebens

Finanzverwaltung

Beziehungen zur lokalen Gemeinde

Beziehungen zu Behörden

Unterstützung von Freiwilligenarbeit

Netzwerkbildungen

Literaturhinweis

Thomas St.-Sauer M.-Zalewski I. (2018): Unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Ihre Lebenssituation und Perspektiven in Deutschland, Bielefeld

22.6 Perspektiven einer Postmigration    

Migration als Begriff polarisiert (vgl. FOROUTAN 2019, 11-19).

  • Zentrale Annahme bildet die politische Aushandlung, die nach der Migration erfolgt, die über Migration hinausgeht.
  • Es geht also nicht um die Frage eines Einwanderungslandes, vielmehrt wie dieses Einwanderungsland gestaltet wird.
Vielfalt/Diversität ist Realität geworden.

  • Es gibt eine größer werdende Ablehnung einer pluralen Gesellschaft.
  • Die aktuelle politische Debatte stellt Migration als gesellschaftliches Problem dar.
  • Ein Perspektivenwechsel, wie ihn die interkulturelle Kompetenz sieht, erleichtert den postmigrantischen Ansatz.
  • Es bedarf einer Loslösung von negativ behafteten Fremdzuschreibungen hin zu neuen Erkenntnissen.
  • Die zunehmende Pluralisierung der Gesellschaft bedarf des Hinterfragens der Kategorie "Migrationshintergrund".
  • Die binäre Codierung in Einheimische und Eingewanderte löst sich auf, da Migration selbstverständlich ist und es eine Übereinstimmung eines gesellschaftlichen Zusammenlebens in vielfältigen Allianzen bedarf (vgl. interkulturelle Öffnung).
Die Grundanalyse von gesellschaftlichen Ungleichheiten - strukturell, sozial, (zusätzlich) kulturell, emotional-identifikativ - wird nicht in Frage gestellt, allerdings geht es auch um Fragen der Definitionsmacht, Dominanzkultur, Emanzipation und Integration, Ambivalenz und Hybridisierung. Damit kommt es zu einer hohen Norm der Demokratie, die Voraussetzungen zur Erhaltung einer Teilhabe und eines sozialen Friedens darstellt.

Kernelemente sind demnach neue Perspektiven der

  • Migration,
  • Zugehörigkeit und
  • gesellschaftlichen Teilhabe.
Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sind die Arbeiten von SAID (1981/1994), HALL (1994), MECHERIL (2004), MATZNER (2012), VANDERHEIDEN-MAYER (2014), RÖMHILD (2015), YILDIZ-HAL L(2015), YILDIZ (2013, 2014, 2015, 2019), HAHN (2017) und FOROUTAN (2019). Die thematische Auseinandersetzung des Autors im Universitätslehrgang Interkultureller Kompetenz bildete die Grundlage im Kontext mit dem Universitätslehrgang Politischer Bildung als Bildungsauftrag in der Schulpädagogik und in der Erwachsenenpädagogik bzw. Fort- und Weiterbildung.

22.6.1 Begrifflichkeit    

Die Begrifflichkeit verbreitet sich seit etwa zehn Jahren in den Sozial-, Kultur- und Geschichtswissenschaften sowie in der Politik und im öffentlichen Raum. Es ist der Versuch eines Brückenschlages zwischen kritischer Migrationsforschung und empirischer Sozialforschung. Die Wortschöpfung entstand durch Shermin LANGHOFF 2009(vgl. FOROUTAN 2019, 7).

Für die Politische Bildung ist Postmigration damit von Interesse.

  • Die Schnittstelle von Migration, Rassismus und kulturell-religiöser Vielfalt ist von Bedeutung.
  • Unterschiedliche Zugänge einen sich am Interesse einer Gesellschaftsanalyse. Migration ist kein Sonderfall, Mehrfachzugehörigkeit kein Problem und Rassismus sowie religiöse Vielfalt keine Ausnahmeerscheinungen.
  • Wesentlich ist die kritische Begleitung von öffentlichen Debatten und politischen Entscheidungen über Migration, Integration und Asyl.
Migration wird in ihrer Bedeutung und in der Debattenkultur gesehen. Dahinter steht der Wunsch nach einem Perspektivenwechsel und einer Reflexion.

Rassismus ist mit der Pluralisierung der Gesellschaft keineswegs überwunden. Mit der gesellschaftlichen Partizipation kommt es zur Abwehrreaktionen.

Religiöse Vielfalt bedeutet Anerkennung von Glaubensinhalten und Wertvorstellungen, die im ökumenischen bzw. interreligiösen Dialog zu bearbeiten sind.

Postmigration präsentiert die Stimme der Migration bzw. Migrantinnen und Migranten. Damit entsteht ein neues Bewusstsein, politisch, kulturell und religiös, im Alltag, Berufsleben und im Bildungsbereich. Ein neues Verständnis der Migration und Migrationserfahrung entsteht.

Migrationsgeschichte wird aus der Sicht der Betroffenen gesehen, also anders erzählt.

  • Die Umkehrung negativer Zuschreibungen und Umdeutungen bezeichnet Stuart HALL als "Transkodierung". Die Aneignung und Reinterpretation ("Umdeutung") kann nicht endgültig festgelegt und kontrolliert werde n(vgl. HALL 1994, 158).
  • Stereotype und binäre Gegensätze werden durch positive Identifikationen ausgeräumt.
  • Verortungspraxen werden mehrdeutige lokale Räume mit unterschiedlichen Traditionen, Kulturen, Erinnerungen und Erfahrungen und so kultiviert.
  • Das Denken und Handeln wird durch die Fähigkeit zwischen oder in unterschiedlichen Welten bestimmt und bildet eine besondere Kompetenz.
22.6.2 Diskurs zur Postmigration    

Der Grundgedanke bezieht sich

  • auf eine Befreiung der Geschichtsschreibung von der westlichen Hegemonie,
  • über Dualismen hinauszugehen und
  • historische Entwicklungen neu zu denken.
  • Migration wird aus der Erfahrung und Perspektive Migrierender gesehen. Hier liegt der theoretische Vorteil.
22.6.2.1 Migrationsbewegungen    

Migrationsbewegungen bringen andere Verortungen, verlangen ein anderes Weltverständnis und lassen hybride Traditionen und Konstellationen entstehen.

Sie stellen ambivalente und mehrdeutige Situationen dar und hinterfragen Eindeutigkeiten und Kontinuitäten.

Dieser Perspektivenwechsel wird von Homi BHABHA zum Ausgangspunkt einer kulturellen und historischen Hybridität genommen (vgl. BHAHBA 2000, 32).

  • Diese Denkart bricht mit der dualen Logik von Differenzen bzw. ihren Kategorien wie etwa Inländer-Ausländer, Selbst-Andere oder Schwarz-Weiß.
  • Dieser Bruch stellt Dualismen radikal in Frage und bevorzugt kreative Spaltungen, mehrheimische Zugehörigkeiten und bewegte Biographien (vgl. STRASSER 2009).
  • Damit werden bestimmte Konstruktionen wie "Leitkultur", "Integration" oder "Parallelgesellschaft" aus der Diskussion genommen.
  • Migration und die dazugehörigen Erfahrungen werden mit dem neuen Verständnis normalisiert (vgl. HAHN 2017).
22.6.2.2 Migrationspraxis    

Mit einer widerständigen und gegenhegemonialen Praxis wird Migration radikal neu gedacht.

  • Kreative Wortbildungen und Neuerfindungen weisen darauf hin, etwa postmigrantische Kunst und Literatur (vgl. GEISER 2015), postmigrantische Gesellschaft und Urbanität, postmigrantische Lebensentwürfe (vgl. YILDIZ 2013; YILDIZ-HILL 2015).
  • Postmigration soll demnach als Gesellschaftsanalyse etabliert werden.
    • Regina RÖMHILD (2015) spricht zurecht von einer Forschungsrichtung, in der Migration als Perspektive, nicht als Gegenstand, begriffen werden soll.
    • Gesprochen wird von einer reflexiven Perspektive, mit der sich neue Einsichten in Gesellschaft und Kultur gewinnen lassen (vgl. RÖMHILD 2014, 263).
    • Durch eine Beobachtungskategorie für soziale Situationen von Mobilität und Diversität werden Brüche. Mehrdeutigkeiten und verdrängte Erinnerungen wieder sichtbar.
    • Es kommt zu einer kritischen Auseinandersetzung über gesellschaftliche Machtverhältnisse.
    • Postmigration versteht sich als Gegenbegriff gegen Migrantisierung und Verdrängung.
22.6.2.3 Migrationsgeschichte    

Migrationsgeschichte wird neu erzählt, es kommt in der Folge zu neuen Perspektiven (vgl. YILDIZ 2017, 19-34; YILDIZ 2019, 24-26).

  • Gastarbeiter_innen kamen zu Beginn der sechziger Jahre nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz und waren die Pioniere der Transnationalisierung. In unsicheren Lebensbedingungen entwickelten sie transnationale Verbindungen und Vorgangsweisen, erwarben mitunter mühsam transkulturelle Kompetenzen und ein Mobilitätswissen, das sie situativ nutzten.
  • Die Gastarbeitergeneration ließen auf den Bahnhöfen und in der Folge über lokale Treffpunkte, Infrastrukturpunkte und informelle Netzwerke sowie TV-Satelliten neue Verbindungen und Kommunikationsräume entstehen.
  • In der Folge entstand in nicht geplanter Familiennachzug.
  • Die Nachfolgegeneration verband solche Mobilitätsgeschichten mit familiären Erfahrungen und Visionen.
  • Aus nationaler Sicht erscheinen solche Praktiken als Defizite, zumal diese Generation im Lande blieb, langsam innovative Kräfte mit biographischer und räumlicher Orientierung entwickelte.
  • Für die postmigrantische Alltagspraxis ist die Entwicklung einer migrantischen Ökonomie in den Städten ein typisches Beispiel. Um sich am Arbeitsmarkt behaupten zu können, schien der Weg in die Selbständigkeit die einzige Möglichkeit zu sein. In der Folge wurden die vorhandenen Bildungsmöglichkeiten unter Nutzung des Sprachenerwerbs genutzt.
  • Es kam zu einer gewissen Aufwertung des sozialen Status.
  • Die in Großstädten durch Migration geprägten Viertel, als Parallelgesellschaften und Orte einer Desintegration bezeichnet, wiesen oftmals auf eine besser funktionierende Infrastruktur hin und schufen so durch Eigeninitiative mitunter Aufstiegschancen.
  • Politisch war dies alles nicht vorgesehen, eine Selbsteingliederung kann man demnach als Teil einer postmigrantischen Praxis ansehen (vgl. YILDIZ 2017, 19-34).
22.6.2.4 Lebensbedingungen    

An konkreten biographischen Beispielen kann man erkennen,

  • dass die nachfolgende Generation in ihren Lebenszusammenhängen in der Lage war, sich mit den gesellschaftlichen Lebensbedingungen auseinanderzusetzen.
  • Dies geht weit über ökonomische Aspekte hinaus. Festzuhalten ist der Kontext von Migration und Bildung, also der Umgang mit dem Bildungswesen, einer Sprachförderung, Berufsausbildung und den Ansätzen von Integration, Kompensation und Befähigungen (vgl. MATZNER 2012).
    • Ein mühsamer interkultureller Bildungsprozess begann mit durchaus positiven Identifikationen, wenngleich unterschiedlich zu bewerten.
    • Die Fähigkeit zwischen oder in unterschiedlichen Welten zu denken und zu handeln, macht interkulturelle Kompetenz aus(vgl. den Bildungsauftrag der Politischen Bildung und der interkulturellen Bildung). Sie ist die Grundlage, bestehende Bereiche zu erklären, besser zu (be-)handeln und sinnvoll Interaktionen zu gestalten (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Interkulturelle Kompetenz).
22.6.2.5 Interkulturelle Öffnung    

Eine interkulturelle Öffnung, in gewissen Bereichen zwingend notwendig, ergab/ergibt eine Bereicherung etwa in der Wirtschaft, Kultur, Politik, Öffentlichen Verwaltung, Bildung und Wissenschaft.

Beispielhaft sind internationale Wirtschaftskooperationen, Festspiele, internationale Organisationen, Netzwerke, Kooperationen von Verwaltungsorganen (etwa Polizei/Interpol, Militär/internationale Ausbildungen), Sportorganisationen(Sportfeste, internationale Wettkämpfe), EU/ERASMUS-Austauschprogramme, Kooperationen von Hochschulen und Kirchen mit ihren Wohlfahrtsorganisationen/Caritas, Diakonie (vgl. VANDERHEIDEN-MAYER 2014).

22.6.3 Postmigrantische Deutung    

Das vorhandene Phänomen Migration zum Ausgangspunkt eines Denkens und Handelns zu machen und als gesellschaftlichen Normalfall zu verstehen, bedeutet in der Folge den Blick auf einen gesellschaftlichen Wandel zu richten.

  • Zunehmende Binnenwanderung/EU, internationale Wanderungsbewegungen, Flucht und Asyl lassen das Diktat der Sesshaftigkeit in Frage stellen und Mobilität als Merkmal der Gesellschaft erkennen.
  • Eine postmigrantische Deutung hat als Folge hybride, mehrdeutige und interkulturelle Vielheit, ohne Dominanzverhältnisse und strukturelle Barrieren. Es kommt zu gesellschaftlichen Überschneidungen und Verflechtungen.
Interkulturelle Öffnung erbringt einen Blick für gesellschaftliche Vielfalt in ihren Themenfeldern, regt zu kritischem Denken und Überdenken von Positionen an, neuen Ausdrucksformen und inspiriert zu kreativen kulturellen Möglichkeiten (vgl. VANDERHEIDEN-MAYER 2014).

VIII Reflexion    

Folgt man COLLIER (2015, 145-149) und sieht man Migration ohne moralische Vorurteile, kommt man bei Beachtung ökonomischer und sozialer Aspekte zu tragfähigen Schlussfolgerungen.

  • Eine mäßige Einwanderung hat ökonomisch überwiegend günstige und sozial zweideutige Folgen für die einheimische Bevölkerung. Kulturelle Vielfalt steht gegenseitiger Rücksichtnahme und Schwächung des Sozialsystems durch Auslandsgemeinden gegenüber.
  • Eine massive Einwanderung hat nachteilige ökonomische und soziale Folgen. Öffentliches Kapital muss aufgeteilt werden, soziale Kosten von Diversität und dysfunktionalen Sozialmodellen nehmen zu.
  • Beschränkungen sind demnach notwendig. Wesentlich sind die Wirkungen von Migration (vgl. Migration als Investition vs. langwierige soziale Probleme) (vgl. ebda., 146-147).
  • Kooperationsmöglichkeiten über Ländergrenzen hinweg und Möglichkeiten einer Strukturierung von Migration helfen Herkunfts- und Zielländern in der Mobilität von Fachkräfteausbildung (vgl. das Modell von GSP).
  • Inwieweit der Faktor "Glück" als wesentlich angesehen werden kann, ist offen. Glücksstudien zufolge sind soziale Beziehungen wichtiger als Einkommensverbesserungen. Wegsehen bei Problemen ist ein Verfall sozialer Beziehungen (vgl. ebda., 148).
Bisher scheint die Wirkung der Migration auf das Wohlbefinden der einheimischen Bevölkerung zweideutig zu sein.

  • Solange ökonomische und soziale Auswirkungen im Rahmen bleiben, gelten sie als positiv.
  • Gehen sie über den zu akzeptierenden gesamtgesellschaftlichen Rahmen, werden sie als negativ angesehen.
Unabhängig von diesen Aspekten darf Migration - mit kontrollierter Zuwanderung - nicht mit Flucht verwechselt werden. Hier spielt die "Genfer Konvention"(1951) eine wesentliche Rolle (vgl. die aktuelle Situation in der EU mit Stand 13.9.2015 http://orf.at/stories/2297491/2297489/ > Schlüsselworte: Lob für Deutschland und Österreich, umstrittene Vorschläge, kein Rezept gegen Überalterung, hohe Zuwanderung wie USA).

Berichte zur Ausbeutung von Einwanderenden in den EU-Raum lassen darauf hinweisen, dass Defizite in der Arbeits- und Berufswelt vorhanden sind (vgl. EU-Bericht - Schwere Ausbeutung keine Seltenheit > http://news.orf.at/stories/2281550 [2.6.2015]).

Migration benötigt eine leidenschaftslose Betrachtung und Analyse im Kontext mit Interkulturalität und Politischer Bildung.

  • Xenophobie und Rassismus als Feindseligkeit gegen Einwandernden und die stetige Wiederholung einer Politik der offenen Tür mit dem großen ökonomischen Nutzen sind abzulehnen.
  • Massenmigration ist eine Folge massiver globaler Ungleichheit, die in den letzten 200 Jahren entstanden ist (vgl. OLTMER 2017). Als vorübergehende Phase zeigt sie das Bedürfnis nach Wohlstand.
  • Für die ökonomische Annäherung bedarf es der Umgestaltung der Sozialmodelle in armen Gesellschaften.
  • Kooperation weist auf positive Potenziale und damit der Verbesserung der Situation der Herkunftsländer hin. Globale Ideen passen sich langsam lokalen Gegebenheiten an.
  • Einkommensstarke Gesellschaften werden bzw. sind multiethnisch zusammengesetzt (vgl. Mischehen und die Koexistenz für alle Beteiligten).
  • Wirkungen einer Absorption können durchaus unterschiedlich sein, wobei Herkunftsländer große Verluste ("Exodus") erleiden (vgl. Haiti) und Vorteile sich verschaffen können (vgl. Indien und China).
  • Mit der schrittweisen Umgestaltung von Sozialmodellen können sich vereinigende Nationalgefühle bilden, damit die gutartigen Seiten eines Nationalismus nutzen.
Für Politische Bildung sind politische Folgen der Migration von Interesse.

  • Historische Politische Bildung verweist auf die Geschichte und Zukunft von Migration.
    • Migration ist eine Grundkonstante menschlicher Existenz (Krieg, Not, Verbesserung der Lebenschancen).
    • Inter- und transkontinentale Wanderungen beginnen seit dem 16. Jahrhundert.
    • Erzwungene Migrationsbewegungen der Neuzeit betreffen den Kolonialismus, Deportationen im Krieg, Vertreibung und Flucht.
    • Im 21. Jahrhundert geht es um globale Migration als Herausforderung von Zu- und Abwanderung.
  • Ökonomische Folgen werden von Brain drain, Brain gain, Brain waste und Rücküberweisungen wesentlich bestimmt.
    • Brain drain fördert die Bildung von Talenten.
    • Brain gain weist auf einen Talentzuwachs, wie ihn China und Indien mit niedrigen Migrationsraten aufweisen.
    • Brain waste zeigt Verschwendung von Wissen und Erfahrungen auf, was tunlichst vermieden werden sollte.
  • Eine Rettungsleine bildet das Einkommen im Ausland. In vielen Ländern gleichen Überweisungen den Talentverlust aus.
  • Unwichtig ist, ob Migration den Herkunftsländern schadet oder nützt. Wesentlich ist vielmehr, ob deren Zunahme dies tun wird. Aus der Perspektive der Zurückgebliebenen zeigt sich, ob eine Zunahme aus armen Ländern besser ist oder deren Einschränkung durch strengere Kriterien der Aufnahmeländer.
  • Auslandsgemeinden werden als Ideenvermittler immer weniger benötigt. Technische Hilfsmittel im digitalen Bereich lassen die Entfernungen schrumpfen. Wissen bzw. Erkenntnisse, Netzwerke und soziale Medien vermitteln Kommunikation und können jeder Zeit abgerufen werden, TV-Sender über Satellit verbinden mit der Heimat.
  • Postmoderne Kultur vermittelt eine Dezentralisierung und bedeutet, unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen aufzuschließen. Dieser Geist hat mit Migration wenig zu tun, er verbindet allerdings in einer globalen Welt. Dezentralität erleichtert jedenfalls das Leben in einer Migrationsszene.
  • Bemerkenswert sind Initiativen wie ein Bürgerrat in Vorarlberg, der sich intensiv mit Lösungsvorschlägen zur Zuwanderung beschäftigt und sich in der Folge einer öffentlichen Diskussion stellt (vgl. http://vorarlberg.orf.at/news/stories/2716405/ > "Asyl: Bürgerrat mit über 70 Lösungsvorschlägen"[16.6.2015]).
  • Ebenso ist in Vorarlberg die Initiative zu Bildungsmaßnahmen in Politischer Bildung in der Türkischen Community 2015/2016 bemerkenswert (vgl. http://www.bizbize.at [21.8.2016]). In der Folge sollen ab Herbst 2016 Arbeitsgruppen zu thematischen Teilbereichen einer verbesserten Integration.
Bemerkenswert ist in der Folge die Bildung einer bundesweiten Migrantenpartei mit der Bezeichnung "NBZ - Neue Bewegung für die Zukunft" ab 1.1.2017 mit dem Ziel, die Interessen von Migrantinnen und Migranten in politischen Institutionen zu vertreten und sich in einen gesamtgesellschaftlich-politischen Meinungsbildungsprozess einzubringen. Aktuell kandidiert 2019 bei der Landtagswahl in Vorarlberg eine Migrantenpartei, die aus der NBZ entstanden ist.

Zunehmend sind postmigrantische Phänomene zu beachten und positiv in den Alltag einzubinden (vgl. FOROUTAN-KARAKAYALI-SPIELHAUS 2018).

IX Zahlen und Daten für Österreich - Statistik Zuwanderung und Integration: Stand 2020    

Einwanderung nach Österreich 2019

EU90.965
Drittstaaten44.001
Österreich15.453

Top 20 Nationalitäten der ausländischen Staatsangehörigen 2020

1Deutschland
2Rumänien
3Serbien
4Türkei
5Bosnien-Herzegowina
6Ungarn
7Kroatien
8Polen
9Syrien
10Afghanistan
11Slowakei
12Russische Föderation
13Bulgarien
14Italien
15Kosovo
16Nordmazedonien
17Slowenien
18Iran
19Tschechische Republik
20China

Ausbildung der Zuwandernden

BevölkerungsgruppeAPSLehre BMSAHS BHS KollegUniversität FH Akademie
Bevölkerung insgesamt13,5%49,1%17,3%20,0%
Migrationshintergrund insgesamt25,3%33,0%19,5%22,3%
Ehemaliges Jugoslawien27,8%44,7%16,5%11,0%
Türkei58,0%25,7%10,5%5,7%


Quelle

Österreichischer Integrationsfonds (Dezember 2020), Wien

Literaturhinweise    

Angeführt sind diejenigen Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.

Adorno Th.W. (1977): Erziehung zur Mündigkeit, Frankfurt/M.

Akkaya C.-Özbek Y.-Sen F. (1998): Länderbericht Türkei, Darmstadt

Allemann-Ghionda C. (2004): Vergleichende Erziehungswissenschaft, Weinheim-Basel

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Amt und Gemeinde (2007) Schwerpunktnummer "Gemeinden mit besonderem Profil", Heft 7-8/2007

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Yildiz E. (2017): Postmigrantische Perspektiven auf Migration, Stadt und Urbanität, in: Geisen Th.-Riegel Chr.-Yildiz E. (Hrsg.): Migration, Stadt und Urbanität. Perspektiven auf die Heterogenität migrantischer Lebenswelten, Wiesbaden, 19-34

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Zeitschrift für Lernforschung "Unterrichtswissenschaft" Nr. 2/2006: Schwerpunktthema: Lernen von Migranten, Weinheim

Zeitschrift "Zentrum polis - Politik Lernen in der Schule": Schwerpunktnummer Flucht und Migration - polis aktuell Nr. 8/2006, Wien

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IT-Autorenbeiträge/Auswahl    

Die angeführten IT-Autorenbeiträge verstehen sich als Ergänzung zu den Ausführungen.

Netzwerk gegen Gewalt

http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index:

Flucht und Vertreibung in den letzten Jahrzehnten

Vorberufliche Bildung in Österreich

Beratungskompetenz

Berufswahl in der Polytechnischen Schule

Jugendliche: Junge MigrantenInnen in Österreich/Probleme bei der Lehrstellenwahl

Personalentwicklung

Interkulturelle Kompetenz

Vielfalt ja bitte-Welcome Diversity

Globales Lernen

Politische Bildung

Europa als Lernfeld

Lernfeld Politik

Lehrgang Politische Bildung in der Erwachsenenbildung

Schule

Bildungsreform

Gender

Erziehung

Wirtschaftserziehung

Erwachsenenbildung

Menschenrechte in Europa

Verhinderung von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit

Gewalt und Religion

Aspekte Antisemitismus in Europa

Allgemeine IT-Hinweise    

http://www.migrant.at

http://www.politische-bildung.at

http://www.humanrights.at

http://www.jm-hohenems.at

http://wien.orf.at/stories/124883

http://wien.orf.at/stories/125188

http://salzburg.orf.at/stories/129072

http://wien.orf.at/stories/155248

http://www.tuerkeidialog.at

http://www.uibk.ac.at/leopoldine/gender-studies/bildung_migration_tirol.pdf

http://www.erwachsenenbildung.at/magazin/?aid=1136&mid=1114.

Universitätslehrgänge:

http://www.uni-salzburg.at/icc

http://www.migrationsmanagement.at

http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/interkulturellekompetenzen/index.php

http://www.uni-klu.ac.at/frieden/inhalt/453.htm

Lehrerbildung für geflüchtete Lehrer

http://wien.orf.at/news/stories/2852567/ (3.7.2017)

Erwachsenen- bzw. Weiterbildung

http://www.wba.or.at > Absolventen < Günther Dichatschek

E-Plattform für Erwachsenenbildung in Europa

https://ec.europa.eu/epale/de/resource-centre/content/netzwerk-gegen-gewalt

Österreichische Bundesregierung

zukunft europa. entdecken-wissen-nutzen > http://zukunfteuropa.at/site/cob_40060/7216/default.aspx (30.7.2017)

Zum Autor    

APS-Lehramt /VS-HS-PL (1970, 1975, 1976); zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater (1975, 1999); Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft der Universität Wien/Aus- und Weiterbildung/ Vorberufliche Bildung (1990/1991-2010/2011); Lehrbeauftragter am Sprachförderzentrum des Stadtschulrates Wien/Interkulturelle Kommunikation (2012); Lehrbeauftragter am Fachbereich für Geschichte der Universität Salzburg/Lehramt "Geschichte/Sozialkunde und Politische Bildung"-Didaktik der Politischen Bildung (2016, 2018)

stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017-2019); Mitglied der Bildungskommission der Generalsynode der Evangelischen Kirche A. und H.B. (2000-2011); Kursleiter an den Salzburger VHSn Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg ( 2012-2019)

Teilnehmer/Mitautor am EU-Projekt "World Class Teacher/Teaching" - Globales Lernen/Österreich?-Polen-England-Slowakei/ Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung (2013-2015)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des "1. Lehrganges Ökumene" der Kardinal-König-Akademie Wien (2007), der Weiterbildungsakademie Österreich/Zertifizierter bzw. Diplomierter Erwachsenenbildner/wba I und II (2010), des "10. Universitätslehrgangs Politische Bildung"/ Universität Salzburg bzw. Klagenfurt/ Masterabschluss/MSc (2008), des "6. Lehrgangs Interkulturelles Konfliktmanagement"/BM.I - Österreichischer Integrationsfonds/Diplom (2010), des "7. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz"/Universität Salzburg-Lehrgang Wien/Diplom (2012) und der Seminare der Personalentwicklung der Universität Wien für Mitarbeiter/"Change Management", "Führung und Management", "Didaktische Kompetenz"/ Zertifizierung (2008-2010) bzw. Universität Salzburg/ "4. Interner Lehrgang für Hochschuldidaktik"/ Zertifizierung (2016), des Online-Kurses "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner_innen"/ TU Graz-CONEDU-Werde Digital.at-Bundesministerium für Bildung/ Zertifizierung (2017), des Fernstudiums Erwachsenenbildung und Nachhaltige Entwicklungen/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium/EKD-Comenius Institut Münster/ Zertifizierung (2018, 2020)

Aufnahme in die Liste der sachverständigen Personen für den Nationalen Qualifikationsrahmen/NQR (2016)


MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 10. März 2024